1899.
Herzallerliebste, denke mein,
Wenn im Garten blühen die Blümelein,
Wenn morgends der goldene Sonnenschein
Schaut in Deine Fensterlein!
Dann musst Du hinab in den Garten gehn;
Musst liebevoll nach den Blumen sehn.
Manch Mägdlein liess sie traurig stehn,
Sie mussten sterben und vergehn.
Wenn der Mond in hellen Silbernächten
Steigt leise in Dein Kämmerlein,
Wenn er spielt mit Deinen goldnen Flechten,
Schaut in die Augen Dir hinein,
Wenn er küsst Dein weiches Seidenhaar,
Dann bringt er Dir meine Grüsse dar.
Ihr bunten Frühlingssänger zieht
Über Wald und Haide mit meinem Lied!
Du wilder, rasender Frühlingswind
Grüss' in der Ferne mein goldiges Kind!
Braus' über die weite Haide hin;
Grüss' meine Herzenskönigin!
Blaue Hyazinthenblüthen
Zittern leis im warmen Frühlingsduft.
Wetterschwere, fahle Wolken
Schwimmen träg in weisslich blauer Luft.
Müde spielt die Frühlingssonne
In dem grünenden Geäst,
Nur die Amsel trägt geschäftig
Reiser ins verborgne Nest.
Langsam schleichen mir die Stunden,
Leer stirbt mir der Tag dahin; –
Ruhe glaubte ich gefunden,
Da ich fern von Dir jetzt bin! –
Auf blankem Strom
Zwischen Schilf und Ried
Mein gleitender Kahn zur Haimath zieht.
Die Sonne vergoldet zum letzten Mal
Die Gräserspitzen im schweigenden Thal.
Es athmen die Wiesen Blumenduft,
Die Schwalbe badet in goldener Luft.
Die Reiher ziehn in die Ferne. –
Ach wenn ich mein Mädel im Arme hätt'
Das Eiland dort würd' unser Hochzeitsbett;
Bleichrote Schilfblumen hielten Wacht.
Vor unsrer einsamen Märchenpracht
Bis tief in die Nacht!
Dann könnte die Welt in Trümmer gehn;
Im Himmel würden die Sterne wir sehn
In Seeligkeit mit ihnen untergehn
Und auferstehn!
Hohe Blumen, steile Gräser
Zittern leis im frühlingstrunknem Duft.
Dämmernd schimmern Apfelblüthen
In der hohen Abendluft.
Golden kriecht die letzte Sonne
Durch das wirre Baumgeäst
Küsst zur Nacht die kleinen Blüthen,
Küsst das kleine Finkennest.
Schwarzes nächtiges Thal, lichterbesät;
Der Nachtigall lockendes Schlagen,
Ein Suchen, ein Finden,
Ein Schmiegen, ein Pressen;
Weich legt sich Dein zitternder Arm
Um meinen gebeugten Nacken.
In weissen Anemonenkissen lag
Ein graugranitner Stein.
Hier sassen manchmal wir bei Tag,
Die Hände ein in ein.
Und vor uns lag
In brauner stiller Haide
Ein blanker See;
Und wie in heller Freude
Spielten mit ihm
Die Wolken aus luft'ger Höh'.
Sie zogen, wenn der Abend naht,
In weite, weite Ferne;
Und bauten Schlösser Thürm und Stadt
Wie folgten wir so gerne.
Und wenn sich dann der Abend müde streckt
Auf seinem weiten braunen Haideland,
Und wenn die Dämmrung dann das Lager deckt
Bis an den fernen, dunst'gen Hügelrand,
Dann zittert lockend durch die weiche Luft,
Bald mächtig schwellend in den Abendduft
Zu hohem Lied, zu vollem Schall
Der Sang der Nachtigall.
Bleichschimmender Stern aus weitem Reich
Wiegt golden sich spiegelnd im dämmrigen Teich
Die Luft ist warm und von Blüthenduft trunken.
Im steilen Gras, in Blumen versunken,
Ruhn still zwei Menschen Hand in Hand
Und träumen von einem Wunderland.
Die Nachtigall singt das Hochzeitslied,
Ein Falter von Blume zu Blume zieht,
Glühwürmchen leuchten zu Füssen, –
Die Blumen nicken und grüssen.
Der Frühling tobte aus sein glänzend Blumenfest;
Der Sommer ging, die Schwalbe liess ihr Nest.
Da kam der Herbst und mit ihm kam der Tod,
Der eisig alle Blumen knickte,
Und mit ihm kam auch unsre Trennungsnot:
Der harte Zwang, der mich in's Leben schickte.
Wir sassen still in Deiner kleinen Kammer;
Tief bücktest Du Dich auf die Arbeit nieder
Und tiefer sank Dein Kopf Dir auf das Mieder.
– Wer kennt den hoffnungslosen Jammer
Wenn Menschen, die sich ewig lieb,
Der Kampf des Lebens auseinander trieb.
Noch fühle ich Dein warm pulsirend Leben;
Noch fühl ich Deinen zarten Körper beben
In meinen Armen, die zum letzten Mal
Dich fest umschlossen in der Trennungsqual.
Ich eilte fort; und langsam schwand
Das Häuschen in der dichten Nebelwand.
Leise lockend
Gleitet schmeichelnd,
Still die unendliche Fluth;
Spielt mit dem höhnisch sich
Spiegelnden, winkenden
Leben der Stadt in verlöschender Gluth.
Langsam gleitet ein Kahn.
Er hält nicht an;
Gleitet hinab in die Ferne,
Dort wo die Sterne
Küssen die Fluth.
Stumm in dem schwarzen gleitenden Boot
Steht mir Frieden verheissend der Tod.
Bang vor dem Leben,
Das mir gegeben,
Schrei ich dir zu:
Gieb mir die Ruh'!
Ende die Not!
Nimm mich, Tod!
Langsam strich ich durch den alten Garten,
Wo bemooste Apfelbäume starrten
Mit den krummen Knorrenarmen
In die hohe Abendluft;
Wo im erdgen Bodenduft
Kleine weisse Glockenblumen
Auf den Gruss der Sonne warten.
Von dem Berge, durch die niedern Föhren
Stieg ich langsam, Abenddämmerschein
Grauer Winter war's, Hoch über Nebelwogen,
Die von unten aus dem Thal herzogen,
Tönte rauh der Wildgans grelles Schrein.
Hinter winterkahlen Lindenhecken
Lag, als wollten sie es schützend decken,
Still das weisse, rotbedachte Haus.
Träumend staunen in den alten Garten, –
Wollen sie ein Wunder stumm erwarten? –
Fenster, heimlich blinkende, hinaus.
Müde flüchtend aus den lauten Wogen
Hat es sehnend heimwärts mich gezogen.
Und das Leben, das ich gerne liess,
Tausch ich nun mit trautem Paradies.