The Project Gutenberg eBook of Kino und Erdkunde

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Title: Kino und Erdkunde

Author: Hermann Häfker

Release date: March 18, 2012 [eBook #39189]

Language: German

Credits: Produced by Jana Srna, Katrin, Norbert H. Langkau and the
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Der Eintrag „Kinokritik“ im Sachregister hat auch im Original keine dazugehörende Seitenzahl.

Titelbild

Kino und Erdkunde

Von Hermann Häfker

Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 7

Herausgegeben von der Lichtbilderei GmbH.

M.Gladbach 1914, Volksvereins-Verlag GmbH.

Inhalt

Einleitung: Was will dieses Buch? 3
I. Erdkunde und Kino 7
II. Wissenschaftliche Erdkunde 28
III. Schulerdkunde und Kino 42
IV. Kinoerdkunde im Theater und in der Öffentlichkeit 47
V. Zusammenschluß und Einrichtungen 54
Anhang: Ein Blick auf den gegenwärtigen Markt erdkundlicher Filme und Lichtbilder 64

Copyright 1914 by Volksvereins-Verlag GmbH., M.Gladbach

Einleitung
Was will dieses Buch?

Vom Augenblick an, da die ersten Bewegungsbilder durch „Varietees“ in die Öffentlichkeit drangen, hat man daran begeisterte Hoffnungen für die Verbreitung der Kenntnis der Erde und der Freude an ihr geknüpft; von da an haben alle wohlwollenden Förderer immer wieder auf große Naturaufnahmen als Höchstleistungen dieser Technik hingewiesen; und die ganze Bewegung zur Hebung und Wiederberichtigung des Kinos, besonders auch die, die es für Schule und Volksbildung nutzbar machen wollen, kommen immer wieder auf „Kino und Erdkunde“ als Kern- und praktischen Ausgangspunkt zurück. Nichts entzückt jedermann so und erscheint jedem als die ureigenste Aufgabe der Bewegungsbilderkunst als die Wiedergabe von Landschaften und allem, was sich darin bewegt. Nichts leistet die Kinematographie so verhältnismäßig vollkommen. Sie bedarf dazu keiner künstlichen und ihr fremden Hilfsmittel, keiner Bühne, Maschinen, Kulissen, keines künstlichen Lichtes. Niemand braucht sich in Pose vor sie hinzustellen und durch unwahre Gefühle ein unreines Interesse wachzurufen. Hier zeigt sie auch die Dinge in ihrer ungefähr natürlichen Größe und Bewegung, so wie wir sie zu sehen gewohnt sind; die Phantasie bedarf insofern keiner künstlichen Nachhilfe. Es braucht auch keines Mikroskops und keiner sonstigen Vorrichtungen; der Aufnahmegegenstand hält still und gibt sich jederzeit in seiner ganzen erhabenen Wahrheit. „Unverfälschte Wirklichkeitswiedergabe“ — die wir als eigentlichen Beruf der Kinematographie erkannten — im höchsten Sinne, nämlich der Wirklichkeit, die auch den unbewaffneten Menschensinnen so erscheint, ihre Heimat ist, leistet unsere Technik eigentlich nur hier. Und endlich ist auch die große Natur das eigentliche Gebiet, auf dem sich die „Schönheit der Bewegung an sich“, das Drama des freien und doch von geheimen Gesetzen beherrschten Weltrhythmus am reinsten abspielt. Auf der andern Seite ist gerade hier die Kinematographie zu Leistungen befähigt, in denen keine andere Kunst oder Technik mit ihr wetteifern kann. So vieles Malerei und Dichtkunst, beschreibende und wissenschaftliche Darstellung auch auf dem Gebiete der Naturschilderungen vor dem Kino voraushaben und -behalten, in einem müssen sie ihm doch den Rang lassen: in der Genauigkeit und dem Reichtum der Einzelheiten, die überhaupt das photographische Auge erfaßt. Hier ist der Menschheit — trotz der unbelebten Photographie — in der Tat ein neuer künstlicher Sinn geschenkt, ein neues Werkzeug zur Überwindung der Schranken von Raum und Zeit. Das kann man — wenn man den Begriff der „Erdkunde“ so weit wie möglich faßt, und also alles auf dem Hintergrunde der Großnatur vor sich Gehende darunter versteht — von den andern Gebieten des Kinos nicht in gleichem Maße behaupten.

So strömen also auch hier gerade alle Erwartungen und Kräfte am reichsten zusammen, die sich von andern Betätigungsgebieten der Kinematographie unbefriedigt und abgestoßen fühlen, und die mit ganzer Inbrunst nach einer Erhebung des Kinos zu einem Menschheitsbildungsmittel hinstreben und dabei mittun wollen. Die Wissenschaft sucht sich des neuen Hilfsmittels für Forschung und Fachunterricht zu bedienen, der Weltreisende wünscht den Kino im Gefolge zu haben. Die Schulen fassen kinematographischen Erdkundeunterricht ins Auge. Naturwissenschaftliche und Volksbildungsvereine hätten längst gern ihre erd- und völkerkundlichen Darbietungen durch Bewegungsbilder bereichert, wenn sie nur wüßten, wie. Weitblickende sähen gern solche Bilder zum Nutzen von Völkerverständigung und Güteraustausch, Kenntnis der Heimat und der Kolonien verbreitet. Künstler und Kunstfreunde sind in keinem Punkte dem Kino geneigter als in dem der Darbietung von Großnaturbildern. Die Kinotheater, die halb der Not gehorchend, halb dem eignen Triebe, sich mit Bestrebungen und Besucherkreisen freundlich stellen möchten, denen doch vielleicht die Zukunft gehört (und außerdem zum Teil doch vielleicht auch der auf die Dauer zahlungsfähigere und -willigere Geldbeutel), haben den Ehrgeiz, vor allem erdkundliche Filme einzufügen; und dementsprechend regt sich auch in den großen Filmfirmen ein lebhafterer Schaffenstrieb in dieser Richtung. Aber mit dem bloßen Wollen und selbst mit noch so viel „Kapital“ allein ist's nicht geschehen. Hier muß man sorgfältig und gewissenhaft arbeiten und vor allem mancherlei wissen, um mit Herstellung und Vorführung der Filme den Kenner zu befriedigen, aber auch den Laien ebenso und mehr zu begeistern, als mit — Schunddramen. Allen diesen, die in einer der genannten Weisen interessiert sind, etwas über erdkundliche Bewegungsbilder, die Kunst ihrer Herstellung und Vorführung, ihre Bezugsquellen und Bedingungen, die Möglichkeiten und die Grenzen ihrer sachwürdigen Verwendung zu erfahren, will meine Schrift dienen.

Sie will aber überdies und in nicht minderm Grade zweien dienen: der Kundschaft und der Kritik der Kinotheater. Der Kundschaft, d. h. jedermann in dem Sinne, daß er künftig kinematographische Landschaftsvorführungen mit tiefer dringendem Verständnis und daher wesentlich erhöhtem Genuß betrachte, wo immer er ihnen begegnet. Der Kritik, d. h. wieder jedermann, insofern wir alle, die wir eine Kinovorführung besuchen, auch ihre Kritiker, und zwar einflußreiche sind. Denn es unterliegt doch keinem Zweifel, daß alle Kinogesundung doch endlich nur von einem kritischen, d. h. verständnis-, aber auch anspruchsvoll urteilenden Publikum getragen werden kann, das gute Vorführungen lobt, schlechte ablehnt. Loben und Ablehnen hat aber nur dann Wert, wenn es nicht — wie es jetzt selbst von öffentlichen Vorkämpfern einer „Kinohebung“ manchmal geschehen soll — nur aus „der Tiefe des Gemüts“, sondern aus vollem Eindringen in das Wesen der technischen Bedingungen geschieht, unter denen der Kino arbeitet. Wir verschmähen es doch auch nicht, uns liebevoll in die Technik der Malerei und der Dichtkunst, der Radiernadel und des Modellierholzes und in die ganzen äußern Lebensbedingungen der Künste zu vertiefen, und wer das je getan hat, weiß, daß er erst an diesem Tage den Keim zum eignen Urteil und zu tieferm Genuß gelegt hat. Nicht anders ist es mit der Kinematographie. Wer den Kino mit Genuß und Nutzen besuchen will, muß sich in gewissem Grade zum „Kenner“ ausbilden. Er wird davon auch mannigfachen Nutzen für seine Bildung haben. Vor allem aber wird er dadurch, und erst dadurch, ein wirkliches Gewicht auf der Wage derer, die den Kino zu einem ernsthaften Kulturwerkzeug veredeln wollen. Nicht Schriftsteller und Geistliche, Polizei und Lehrer können den Kino heben, sondern nur ein anspruchsvolles Publikum.

Bei „Kritik“ denke ich allerdings noch in ganz besonderm Grade an die Presse. „An die Zeitungen“, sagte mir einmal ein einflußreicher Verleger, „werden viel zu große Forderungen gestellt. Es ist nicht unsere Aufgabe, uns mit der Hebung der Kinos zu befassen.“ Ich will nicht darüber grübeln, was überhaupt die „Aufgabe“ der Zeitungen ist. Ich denke einfach, ihre Aufgabe ist jede, die sie sich selber setzen, und zu deren Bewältigung sie imstande sind. Und dazu sollte die Mitwirkung an der Hebung der Kinos nicht gehören? Sind nicht heute längst alle Zeitungen über den Rahmen reiner Berichterstattung hinausgegangen und rühmen sich, Volks- und Kulturerzieher zu sein? Ist der Schundkino nur der „Konkurrent“ der Kunsttheater und muß seine ungehemmte Verbreitung nicht auch eine Menge Leser der ernstern, immerhin geistige Ansprüche stellenden Zeitung in Stadt und Land entfremden? Nun wohl, im eigensten, wenn nicht im allgemeinen Interesse sollte jedes sich achtende Tageblatt den Kino — nicht bekämpfen, sondern zu fördern, seine Versuche, höher zu kommen, zu unterstützen suchen. Das kann nur durch verständnisvolle und unabhängige Würdigung seiner bessern Leistungen, also vor allem seiner erdkundlichen Darbietungen geschehen. Dazu gehört aber Kenntnis der Dinge — und zu dieser Kenntnis einen Grund zu legen, soll meine Schrift dienen.

Freilich kann ich hier nicht alles auch nur zur Beurteilung erdkundlicher Bewegungsbilder Nötige geben, sondern nur das, was besonders mit dem Stoff zusammenhängt. Es ist geradezu unerläßlich, zur Ergänzung auch meine grundlegende Schrift „Kino und Kunst“ (Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 2) zu lesen, deren ganzer Inhalt für das Nachfolgende die Voraussetzung bildet. Alle allgemeinen Fragen aber und einige besondere, die sich dem Laien vor dem Kino aufdrängen, behandle ich in der allgemeinen Schrift „Das Buch vom Kino“, (Lichtbühnenbibliothek Nr. 8). Diese ergänzt das vorliegende Heft auch in der Hinsicht, daß sie ausführlich die Technik der Liebhaberaufnahmen behandelt, die naturgemäß zur Hälfte erdkundliche sein werden.

I. Erdkunde und Kino

Um zu einer klaren Vorstellung davon zu gelangen, was uns die Kinematographie in Beziehung auf Erdkunde sein und nutzen kann, müssen wir uns zuerst Rechenschaft davon geben, was wir überhaupt von der Erdkunde begehren, warum wir sie treiben, und welche Rolle sie im Geisteshaushalt der Menschheit und des einzelnen spielt.

Unter Erdkunde verstehen wir alle diejenigen Wissenschaften, die uns die Natur, wie sie unmittelbar unsern Sinnen erscheint, in ihrer Beziehung auf die Erde kennen und verstehen lehren. In dieser unmittelbaren Beziehung zu unsern Sinnen liegt ihre geheime Kraft, liegt das Geheimnis des leidenschaftlich unwiderstehlichen Triebes, den ihr die Menschheit zu allen Zeiten entgegengebracht hat, und der in dem Maße gestiegen ist und sich über immer breitere Kreise ausgedehnt hat, wie die aufgesammelten Erfahrungen der Menschheit und ihre vervollkommneten Hilfsmittel jedermann ein immer weiter eindringendes Verständnis der Natur ermöglicht haben. Die Erdkunde ist unter allen Naturwissenschaften die eigentlich „ästhetische“, d. h. aus sinnlichem Bedürfnis hervorgegangene, auf seine Veredlung und Durchgeistigung gerichtete, und deren eigentliches Werkzeug die Sinne sind. Die Erdkunde ist die Wissenschaft, die uns die Erde zur Heimat macht, dadurch, daß sie ihr ihre Schrecken nimmt, die in ihr waltenden Allgesetze entschleiert und sie uns dadurch untertan macht. Erdkunde ist undenkbar ohne die seltsame Anlage des Menschen, dem Un- und Außermenschlichen eine leidenschaftliche Liebe entgegenzubringen, die eben die Heimatliebe ist; sie ist undenkbar ohne die unerschöpfliche, der künstlerischen verwandte Freude an der Schönheit der Natur, worin sich wiederum ihr „ästhetisches“ Wesen zeigt. In dieser unerschöpflichen, mit Worten nicht auszuschöpfenden Freude an der Erde Schönheit fließt der dunkle Drang des Ungelehrten mit der nüchternen Arbeit des Forschers zusammen, und es hat keinen großen Bahnbrecher der Erdkunde gegeben, der nicht auch ein Dichter, wenn auch oft ein „geheimer“ war.

Zur Heimat wird uns die Natur durch das, wodurch auch die Welt der Kunst dem Eingeweihten zu einer Heimat im geistigen Sinne wird: dadurch, daß wir mehr und mehr ihre Linien und Formen, ihre Farben und Glanze, ihren Duft und Klang und alles, wodurch sie an unsere Sinne brandet, als eine Sprache verstehen lernen, die der Ausdruck eines allem Lebenden und auch uns verwandten Wesens ist. Dieses Verstehenlernen beginnt bei der einfachen Entdeckerfreude des Hirtenknaben, der Jahr für Jahr seine Eichenwälder am Rande der Äcker in gleichen dunklen Formen rauschen, die gleichen Wolken und Wetter in großen Rhythmen darüber hinziehen sieht, dem die Ahnung aufgeht, daß hier ein geheimer lebendiger Wille alljährlich bestimmte, nicht willkürliche Lebensversuche den feindlichen toten Elementen entgegenschickt; und daß er selber mit Leben und Tod ein Ring in dieser Kette, ein Ton in diesem Lied ist, unlösbar und glückhaft mit diesem Ganzen verbunden. Es gipfelt — über die stammelnden Versuche von Dichtern und Malern hinweg — in der sorgsam unermüdlichen Arbeit eines Ringes von Wissenschaften, alle Einzelheiten, die zusammen das Bild dieser Planetenoberfläche bilden, festzustellen, in ihre Teile und Teilesteile zu zerlegen, ihre notwendigen und zufälligen Zusammenhänge zu zergliedern, ihrer Ursache und Folge nachzugehen und eine Sprache dafür zu finden, und endlich wieder sie in ihrer Gesamtheit zu überschauen. So muß die Erdkunde das Weltall ins Auge fassen, um die Bewegungen dieses Einzelsterns zu begreifen, aus denen für die Erde Tag und Nacht, Sommer und Winter werden. Von den Gestirnen nimmt sie die Linien her, um die Oberfläche in feste Orte zu teilen und ihren Maßen auf die Spur zu kommen. Sie sucht etwas vom Innern dieses Körpers zu erahnen, dessen Ausbrüche rätselhafte Striche und Flecken auf sein Äußeres zeichnen; sie muß aus vielen Wissensgebieten die Fingerzeige aufspüren, die ein Bild von der Entstehungsgeschichte der Erde und besonders der Formen und Art ihrer Oberfläche geben. Die Grundlage all ihrer Arbeit bildet das Zusammentragen einer möglichst lückenlosen und von keinen Sinnestäuschungen beeinflußten Kenntnis aller Einzelheiten ihrer Oberfläche; und die großen Gruppen dieser Einzelheiten begründen wieder Wissenschaften an sich: Gesteins-, Gebirgs-, Wüsten-, Süßwasser-, Meereskunde, Pflanzen-, Tier-, Menschenkunde usw. Nicht minder muß die Erdkunde sich auf die Erforschung des Luftschleiers der Erde ausdehnen: Klima-, Wetterkunde usw. Es gilt, die Reiche der lebendigen Natur in ihrer Beziehung zu den Erdgebieten, ihrer Abhängigkeit davon zu betrachten: Tiere-, Pflanzen- und Menschenerdkunde. Die letztere erst erschließt eine neue Welt von Aufgaben: die Völkerkunde im allgemeinen, die wir auch hier unter den Begriff der Erdkunde einbeziehen, lehrt uns die Menschen als Naturwesen wesentlich in ihrer Abhängigkeit von der Erde kennen. Dazu kommt dann die politische Geographie, die den Menschen als Bildner von Gesellschaften, als Krieger, als Jäger, Hirten, Ackerbauer, Handwerker, Techniker, Kaufmann, Industriellen, als Errichter von Bauten und Verteiler von Verkehrsmitteln und zuletzt als Künstler und Wanderer in seiner Eigenschaft als Bezwinger und Gestalter der Erde zeigt.

Ebenso mannigfach wie die Beziehungen, unter denen der Mensch die Erde zu erforschen strebt, ist die Art der Erkenntnis, mit der er an sie herantritt, und die Art der Befriedigung, die sie ihm gewährt. Zum Begriff der Erdkunde gehören die Reisen des Odysseus, des edelsten Urbildes aller Abenteurer, und die des Gilgamesch, des Urbildes babylonischer Weisheit und aller Weisheitspilger ebensogut wie die der heutigen Forscher von der Art Hedins und der Polreisenden. Der Wanderer, der mit Rad und Rucksack langsam die nächste Heimat durchfährt, um nichts als ein Gesundungsbad der Sinne in ihr zu nehmen, treibt ebensogut Erdkunde wie der Mann auf dem Hochschulkatheder, und der Landschaftsmaler ebensogut wie der Geometer oder Landwirtschaftsschüler. Unendlich sind heute unsere Interessen an einer gründlichen Kenntnis der Erde. Sie gehört zu jedermanns unerläßlicher Vorbildung, ohne die man kaum noch einen Beruf vollkommen beherrschen, geschweige denn das ganze geistige Leben der Gegenwart in Kunst und Wissenschaft, ja auch nur seine tägliche Zeitung verstehen kann. Aus der Erdkunde schöpfen nicht nur Wanderer, Abenteurer, Weltreisende flüchtigen Sinnesgenuß und dauernde Gesundheit; sie gibt auch all unsern Künsten — Malerei, Dichtkunst, Musik, Theater, Plastik — Anregungen, will wenigstens von ihnen achtungsvoll berücksichtigt sein (kein Dichter dürfte uns heute noch von der „böhmischen Seeküste“ fabulieren). Die Tatsache, daß wir beginnen, wirklich die ganze Welt als „Heimat“, unsere Heimat zu empfinden, findet in dem Bestreben des Weltnaturschutzes Ausdruck. Wir streben Weltschutzparke, Welttierreservate usw. an, ein unverkennbares Zeichen für das an keinen Ort mehr gebundene Verständnis für den Wert der unberührten Naturschönheit. Einen mächtigen Ansporn für den Erwerb eingehender Erdkenntnis bildet ihre heutige Ausnutzung: Handel, Industrie und Verkehr kennen keine Orts-, keine Völkergrenzen mehr. Auch das gesellschaftliche (politische) Interesse des letzten Arbeiters umfaßt heute bereits den Erdball: Erdkunde als allgemeines Bildungsgut ist der Boden, auf dem unsere Träume von gegenseitigem Völkerverständnis, vom Austausch geistiger Güter und damit Weltfriede gedeihen können. Die Wissenschaft ist noch nicht am Ende ihrer Aufgabe, die letzten leeren Flecke auf dem Globus zu beseitigen; noch kämpfen ihre kühnen Bahnbrecher um die wissenschaftliche Eroberung der Pole, des Innern Asiens, dunkler Gebiete Afrikas. Schon aber senkt die Gedankenwissenschaft, die Philosophie, ihre Wurzeln in den reichen Wissensboden, den ihr die heutige Erdkunde bereits zusammengetragen hat, um daraus, in die Bahnen ihrer ältesten Vorbilder zurückkehrend, die Grundlinien einer neuen naturwissenschaftlichen „ Weltanschauung“ zu gewinnen, um das alte Menschenspiel der Vergleichung zwischen den Gesetzen der Geisteswelt und den Erscheinungen unserer Sinnenheimat fortzusetzen. Jener Gilgamesch, der aus der Heimat unseres Geschlechtes an die Grenzen der damaligen Welt pilgerte, um Antwort auf die Frage nach dem Wesen von Leben und Tod zu finden, das Urbild aller „Pilger in die Wüste“, in die lebensvolle Wüste der Nur-Natur, in der sie nichts suchten als Stille für ihren Geist — er ist und bleibt auch das erhabene Urbild aller, die sich um „Erdkunde“ bemühen. GenußNutzenWissenGeistesklärung sind die vier Sterne, die der Wissenschaft von der Erde voranschweben.

Welche Mittel hat nun der Mensch von heute, um diesem seinem Wissen diejenige Tiefe und Vollständigkeit zu geben, durch die es allein seine Ansprüche befriedigen, seinem Zeitgewissen genügen kann? Ein Blick rings um unsere heutige Kultur sagt uns, daß diese Mittel seit kaum einem Jahrhundert eine Ausdehnung und Vervollkommnung erfahren haben, die sich keines der Geschlechter, die vor uns ins Grab gesunken sind, je hat träumen lassen. Wir können sagen, daß erst die Fülle dieser Mittel uns in den Stand zu setzen beginnt, die Erdkunde aus einem zur Hälfte phantastischen „Traum vom Wissen“ zu einer wirklichen nutzbaren Wissenschaft, einer wirklichen Bereicherung der allgemeinen Menschenbildung zu machen, sie aus einem „romantischen“ in ihr „klassisches“ Zeitalter zu überführen.

Erdkunde ist ja nicht das Wissen von einem Teil der Erde als solchem, sondern von ihrer Ganzheit. Erst die Möglichkeit, alle Teile zu vergleichen, alle unter dem Bilde einer Einheit zu sehen, von allen in einem Hirn auch eine der Wirklichkeit entsprechende „Anschauung“ zu vereinigen, erlaubt uns ja, überhaupt von „Erdkunde“ zu sprechen. Die Schwierigkeit, die jeder Erdkunde entgegenstand, war die Überwindung von Raum und Zeit. Entferntes vergleichen, Vergangenes gegenwärtig zu haben, mußte ermöglicht werden. Dazu reichte früher, ohne unsere Hilfsmittel, kein Menschenleben aus. Heute ist es eine Möglichkeit für jedermann geworden. Die Mittel, die es uns ermöglichen, gliedern sich in zwei Gruppen: solche, die den körperlichen Verkehr erleichtern, und solche, die den Gedankenaustausch, den Austausch von Beschreibungen und Abbildungen der Erde ermöglichen: Werkzeuge des körperlichen und Werkzeuge des geistigen Verkehrs. Es ist eine wunderbare und nicht zufällige Fügung, daß die Entwicklung beider gleichzeitig und gleich großartig vor sich gegangen ist: daß wir auch heute imstande sind, sinnliche Anschauungen und Anschauungsersatzmittel einander die Wage halten lassen zu können. Eins ohne das andere hätte die menschliche Begriffswelt einseitig beeinflußt.

Die Grundlage aller Erdkunde ist und bleibt für alle Zeiten das unmittelbare Sinnenerlebnis, die körperliche Anschauung der Dinge, und kein Hilfsmittel wird es je ersetzen, sondern immer nur ergänzen können. Aber die Anschauung selber bedarf der Hilfsmittel, soll sie sich in einem einzelnen Kopfe in annähernd genügender Vollständigkeit ansammeln. Ich brauche nur leise zu erinnern, was wir in dieser Beziehung heute zur Verfügung haben, heute zur Verfügung weniger, in zwei, drei Jahrzehnten vielleicht zur Verfügung vieler — wenn sie nur aufwachen und es sich zunutze machen wollten! Über dem Gedanken an Eisenbahn, Dampfschiff und Automobil, der uns zuerst einfällt, dürfen wir nicht vergessen, was heute aus dem Straßenwesen der Welt selber geworden ist, wie es technisch und politisch, frei von Zöllen und Gefahren, doch der Anfang und die Voraussetzung für alle Entwicklung des Weltverkehrs war. Vor den Köpfen unserer Heerstraßen und Eisenbahnen fliehen die Geister der Wildnis, richten sich die Ruinen verfallener Paradiese wieder auf, lernen Wilde die Sprache der Verständigung. Bald werden die Entfernungen durch elektrische und Motorenbahnen, durch Wasser- und Luftflugapparate und Luftschiffe abermals um die Hälfte und mehr verkleinert werden, immer wertvoller wird unsere Lebenszeit, immer reicher die Fülle von Stoff, die wir uns unmittelbar verschaffen können. Auch an dieser Stelle möchte ich aber nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß das vollkommenste Werkzeug, um die Erde wirklich betrachtend zu erleben, das eigentlichste Arbeitswerkzeug unmittelbarer Erdkunde das Fahrrad ist — das rechtmäßige Kind des heutigen Straßenwesens möchte ich es nennen, und doch überall brauchbar, wo es nur die Spur einer Straße gibt; uns von der Unzulänglichkeit der Fußwanderung befreiend, und doch all seine Vorzüge steigernd; uns und beträchtliche Lasten schleppend und doch ganz unabhängig von Nahrung, Betriebsmitteln, Kosten und Abfahrtzeiten; unser Freund und Diener auch, wo wir es nicht fahren, sondern neben ihm her gehen; das Reisen aufs äußerste verbilligend und dabei es recht eigentlich erst ermöglichend. Ich habe diesen Gedanken ausführlich in meiner Schrift „Radzigeunerei“ (C. Ziehlke Verlag, Liebenwerda, M 1.50) behandelt, auf die ich verweise. Allein nicht um dieses Verweises willen spreche ich hier so dringlich davon. Es liegt mir daran, hier wie überall darauf hinzuweisen, daß wir Menschen vom Anfang des 20. Jahrhunderts ganz allgemein gesprochen über das Wesen und die Ausnutzung fast all der technischen Hilfsmittel, die uns dieses kurze Zeitalter der künstlichen Sinnenvervollkommnung geschenkt hat und bald noch schenken wird, noch nicht entfernt genug nachgedacht, daß wir vor allem den Grundsatz, der in eisernen Lettern an der Stirnseite unserer öffentlichen Bauten von heute, an der Wand unserer Arbeitszimmer und auf der ersten Seite unserer Tagebücher stehen sollte, noch nicht erfaßt, geschweige denn uns zu Fleisch und Blut gemacht haben: daß alle unsere Gaben und ebenso alle Gaben technischer Vervollkommnung die der Menschheit in den Schoß fallen, uns nur und nur gegeben sind, um sie mit dem Aufgebot alles Scharfsinns, aller Willenskraft und Selbstbeherrschung in den Dienst unserer geistigen Vervollkommnung, unserer geistigen Weiterbildung zu stellen, zu der Gesundheit, Körperkräfte und Maschinenkräfte einzig und allein unentbehrliche, aber untergeordnete Mittel sind. Das in Beziehung auf eine einzelne Technik nachzuweisen und immer wieder zu betonen, und den Weg dazu finden zu helfen, ist im Grunde genommen der einzige Zweck auch dieser unserer Lichtbühnen-Bändchen, wie es die Seele und das A und O aller nicht in Redensarten stecken bleibenden Kinobesserung ist.

Das zweite Hilfsmittel der Erdkunde, dem der unmittelbaren Selbstsinnenbeobachtung nachgeordnet und von ihr abhängig, aber nicht minder unentbehrlich, ist die Welt der Anschauungsersatzmittel. Sie dienen dazu, uns erstens ein Bild von dem zu machen, was wir eben doch nicht selber sehen können. Sie haben aber noch eine darüber hinausgehende Bedeutung: sie ermöglichen uns auch, räumlich und zeitlich Getrenntes nebeneinander oder in rascher Folge zu vergleichen, das Flüchtige in größerer Ruhe und Bequemlichkeit und so häufiger Wiederholung, wie wir wollen, zu betrachten und es zu messen, ja sie erlauben uns unter Umständen und in gewisser Richtung eine genauere sinnliche Wahrnehmung, eine gründlichere sinnliche Vertiefung und darauf folgende geistige Verarbeitung als der Anblick der Dinge selbst. Wenn sie diesem vorangehen, bilden sie auch eine vortreffliche Vorbereitung, um sich von der Wirklichkeit weniger überraschen und ihre kurzen Augenblicke desto trefflicher nutzen zu können. Ein Teil dieser Hilfsmittel — die schematischen Veranschaulichungen z. B., aber im Grunde genommen jede Abbildung oder Beschreibung — ermöglicht uns noch dazu, uns Dinge zu versinnlichen, die gar nicht unmittelbar sinnenfällig in der Wirklichkeit hervortreten: die Unterscheidung von „Haupt“- und „Neben“-Sachen, Kräftelinien usw. Jedes Bild zerlegt zugleich das Veranschaulichte, indem es einen „Augenblick“ davon herausgreift und es uns so als eine Kette von „Augenblicken“ zu erfassen ermöglicht.

Unter all diesen Anschauungs-, Ersatz- und Ergänzungsmitteln der Erdkunde leuchtet nun die Kinematographie mit ihrem Auftauchen als „Stern der höchsten Höhe“ hervor. Noch niemals vorher hat ein Mensch, hatte die Menschheit das Aussehen der Natur in solcher Vollkommenheit, solchem Reichtum und solcher unverfälschten Genauigkeit der Einzelheiten im Bilde gesehen als damals, als zum ersten Male die „lebensgroße“ Photographie auf der Leinwand zu „leben“ anfing, als dort die Reize einfacher Blattaufnahmen vertausendfacht erschienen. Und so, wie man im Traumesflügelschwingen wohl plötzlich, durch ein unerklärliches und nun doch sofort ganz selbstverständlich und natürlich erscheinendes Wunder sich wirklich von der Schwergefühlsangst, vom Gefühl ewig unzulänglichen Strebens erlöst, und „wirklich“ schwebend emporgetragen fühlt, wie man plötzlich leicht und körperlich wie ein Vogel durch die Lüfte getragen wird (nicht mit sprungbereitem Mißtrauen gegen einen, wenn auch noch so genial erdachten Flugmechanismus) —, so sahen auch wir uns plötzlich leicht und licht hinweggetragen über das stille Bedenken, das innere bängliche Hemmnis, das wir unausgesprochen bis dahin vor jeder, auch der vollendetsten Naturdarstellung gefühlt hatten, über die Frage: „Wunder-, wunderschön — aber wieviel ist Menschenhand, Menschenphantasie, und wieviel ist — Wahrheit?!“ Wer kennt nicht die stille Selbstbescheidung, mit der der sehnsüchtig in die Ferne, in die Wunder der Natur- und Menschenwelt Hinausdenkende, sein illustriertes Geographiebuch zuklappte — „die Wirklichkeit — wird doch wohl noch anders sein“! Man denke anderseits an den Riesenerfolg, den ein künstlerisch weniger bedeutender Zeichner, wie z. B. Allers, mit seinen Reiseskizzen hatte, weil er in etwas dem Hunger aller Welt nach Wirklichkeitstreue an Stelle aller Künstlerträume entgegenkam. Man erinnere sich ferner an die Einbuße, die die wirkliche Kenntnis von Ländern und Völkern, die Geographie und Ethnographie als Wissenschaft infolge der Schwierigkeit, zu allgemeiner Anschauung ihrer Gegenstände zu gelangen, bis in unsere Zeit erlitten hat. Gerade hier versagt ja angesichts der tausendfachen lebendigen Mannigfaltigkeit der Dinge, die hier gerade eine Hauptsache ist, der Zeichenstift und auch, was ihn vornehmlich ergänzen mußte, das beschreibende Wort. Beide versagen, nicht nur, wo es gilt, dem Reichtum und der Beweglichkeit der Erscheinungen gerecht zu werden, sondern auch ihre Verhältnisse und ihre Bedeutung in gegenseitiger Abmessung wirklichkeitsgetreu festzuhalten. Bezeichnend sind da die bekannten „Prospekte“ — zeichnerische Wiedergaben von Landschafts-, Städte-, Raum- und Menschenszenerien. Man lege einen alten Merianschen Kupfer oder eine beliebige andere Städtedarstellung aus alter Zeit mit Photographien zusammen, die das etwa heute noch erhaltene selbe Stadtbild darstellen. Sofort hat man den Eindruck, als ob die Stadt zu Zeiten Merians aus lauter dicht gedrängten, malerisch ragenden Kirch- und Rathaustürmen, Burgen und Klöstern bestanden hätte, um die herum die Wohnhäuser verschwinden. Auf der Photographie werden die Türme klein und rücken weit auseinander, die Höhen werden unscheinbar, die Häuser sind gewachsen. Der Zeichner sah eben vor allem, was ihn interessierte: das malerisch und das gedanklich (z. B. geschichtlich) Hervorragende; das wurde ihm unter dem Stift groß, und das andere schrumpfte zusammen. Oder ein altes Platzbild: der Platz selbst erscheint ungeheuer erweitert, aber auf ihm tummeln sich Fußgänger, Reiter, Equipagen in solcher Größe und in so interessanten Stellungen und Beschäftigungen, daß man alles andere darüber vergißt. Die Photographie rückt die Maße ernüchternd zurecht. Diese Darstellungsmängel alter Zeiten wirkten aber begriffsverwirrend. Wesentlich mit durch sie glauben wir heute noch vielfach, das Mittelalter sei so viel „malerischer“ gewesen als die Gegenwart und setzen auf unsern Bühnen das „malerische“ Puppenspiel mit Fest- und Prunkkleidern in jeder Alltagsszene fort. In architektonischen Zeitschriften hat man manchmal Gelegenheit, ein und dasselbe Gebäude, ein und dieselbe Platzanlage nebeneinander photographisch und als zeichnerische (Architekten-) Skizze zu sehen. Selbst hier, wo doch mit genauen Maßstäben gearbeitet und zur Erhöhung des Wirklichkeitseindruckes sogar manchmal die photographische Technik nachgeahmt wird, ist man oft verblüfft, den Unterschied in der Wirkung zu sehen. Die Photographie ist — selbst in gelegentlicher perspektivischer Unstimmigkeit — nüchterne Wirklichkeit, die Zeichnung ein — Künstlertraum. Woran liegt's? Kühn hinschweifende Wolken, ideal gehaltene Alleen, kleine Weglassungen von „Unwesentlichem“ — es läßt sich gar nicht aufzählen. Vor mir liegt ein geographisches Buch über „Deutschland“. Die Umschlagzeichnung („Vom Fels zum Meer“) zeigt schneebedeckte Berge mit ausnahmslos nicht unter 45° Steigung, daneben Dünen von der halben Höhe der „Eisbedeckten“. Es soll ja nur eine „dekorativ wirkende Skizze“ sein — aber was für falsche Vorstellungen sie bei denen weckt, die die Sache selbst nicht kennen, ist kaum nachzumessen. Wir alle erinnern uns doch wohl, wie gründlich wir unsere selbst aus den besten Abbildungen und Beschreibungen gewonnenen Vorstellungen haben umarbeiten müssen, als wir zum ersten Male wirklich „das Gebirge“, „das Meer“, „die Tiefebene“ sahen. Oder man versuche festzustellen, welche Vorstellung verschiedene Personen etwa von ein und demselben Schauplatz eines Ereignisses haben, nachdem sie dessen ausführliche Schilderung in einem Roman, in einer Gerichtsakte gelesen haben. Meistens nehmen wir in einem solchen Falle unbewußt die Zuflucht zu einem möglichst ähnlichen, irgendwo einmal gesehenen Bilde, bestenfalls zu einem ähnlichen, uns bekannten wirklichen Platze und bleiben dabei. Vielleicht ist er auch wirklich ähnlich — aber gerade Kleinigkeiten ändern hier das Bild sofort wesentlich! Die Schwierigkeit der Anschauung, der Mangel an Darstellungsmitteln, die Notwendigkeit, mit gedanklich abgeleiteten Vorstellungen (Abstraktionen) und Schemen (Typen) zu arbeiten, war die Hauptursache, weshalb eine ernst zu nehmende allgemeinere geographische Bildung kaum in leisen Anfängen im 18. Jahrhundert begann. Was hier bereits die Anfänge der Kinetographie — erst das einfache Lichtbild, dann aber entscheidend das unendlich überzeugendere, unendlich breiter wirkende Kinobild gebessert haben, ist gar nicht abzusehen.1)

Die Photographie allein bringt allerdings auch „Wirklichkeit“. Sie berichtigt unsere Vorstellungen, aber doch mehr auf dem Umwege über den rechnenden Verstand. Was ihr fehlt, ist die sinnliche Frische. Gewiß, ihre Landschaften, Häuser und Menschen sind „richtig“ — aber sie sind auch, von Ausnahmeleistungen abgesehen, langweilig. Die Photographie gibt zu wenig von ihnen. Sie will uns einreden, Menschen und Dinge seien bloß erstarrte Schatten. Infolge der Kleinheit des Bildes sehen wir sie wie aus weiter Ferne. Was das Künstlerbild zu sehr betonte, fehlt hier — besonders bei geographischen Bildern — oft ganz: das Malerische, die Gedanken anregenden, beziehungsreichen Einzelheiten. Das Stereoskopbild, das die Plastik hinzufügt, wirkt um so beängstigender puppenhaft, lufthaft, mitten in einem wirklichen Augenblick erstarrt.

Das kinematographische Bild ist ein Riesenschritt weiter. Echtes Licht — naturähnliche Größe — zitterndes, schwelgendes Bewegungsleben, und dadurch auch ein gewisser Ersatz der Körperlichkeit — das ist schon ganz etwas anderes! Da wird nicht nur das Auge erregt — ein Hauch vom fernen Leben selber umweht uns, spannt all unsere Sinne, weckt Denken und Fühlen, weckt die eigne Mittätigkeit, das Erfassen-, das Entdeckenwollen, und die ununterbrochene Veränderung auf dem Schauplatz hält die Aufmerksamkeit wach, läßt die Teilnahme nicht zur Ruhe kommen. Die zehnte Muse — „Illusion“ — spinnt von der Leinwand aus ihre Zauber: das Haus, die Bänke, die Menschenköpfe und die Damenhüte, die roten Lichter und die Schatten der Nischen werden unwirklich, das lebenwimmelnde Bild wird allbeherrschende Wirklichkeit. „We put the world before you“ nennt ein englisches Filmhaus mit Recht seinen Wahlspruch — „Wir bringen die Welt zu euch her“. Wenn Mohammed nicht zum Berge kam, muß der Berg zu ihm hin — das Wunder ist geschehen! Wenn wir nicht zu den Wundern der Welt hinaus kommen — und wer wird sich je den lückenlosen Anblick von ihnen selber verschaffen können, welches Menschenleben wäre lang genug dazu — so muß nun die Welt, wo sie am schönsten ist, von ihrer Oberfläche her ihre lichten Ätherwellen bis hinein zu euch in Schule, Vortragssaal und Theater senden! Und damit es jederzeit geschehen kann, lassen wir die Wellen sich abdrücken in festem Stoff, packen sie ein, versenden, bewahren sie und erwecken sie beliebig zu neuem Leben — so wie wir das Licht der Sonne, das sich vor hunderttausend Jahren in Farrenwäldern verkörperte, heute als Kohle einpacken, versenden, aufbewahren und im Ofen wieder zum Licht erwecken! Und mehr: damit es auch allerorten geschehen kann, vervielfältigen wir die Ätherwellenspuren, so oft wir wollen. So sehen wir, was irgendwo ist, an allen Orten, und was war zu allen Zeiten! So scheint also das Ideal der Schule, das Ideal der Welt von heute erfüllt: Anschauung überall statt Begriffe, Wirklichkeit statt Phantasien, Wahrheit, unverfälschte, auch hier als einzige Quelle unseres Wissens und unserer Bildung; auch da, wo die persönliche Wahrnehmung versagt!

Ist es das wirklich? Wenn unsere Freude über das Gewonnene uns nicht einen Streich spielen, nicht in Kürze in Enttäuschung und Überdruß umschlagen, ja den Segen der Kinematographie für Wissenschaft und Schule in sein Gegenteil wenden soll, so müssen wir mit demselben Willen zur Ehrlichkeit, mit der wir ihre Vorzüge anerkennen, uns ihre Grenzen und Mängel vor Augen halten. Das ist ja auch ein allgemeines Kennzeichen der Gegenwart, dieser Überdruß, der angesichts so vieler schöner Dinge zutage tritt — nicht nur gegenüber technischen Hilfsmitteln, wie Kino, Fahrrad u. dgl., sondern ebenso und aus denselben Gründen gegen Theater, Illustrationswesen, Presse, die ganze „ästhetische Kultur“ — dieser Überdruß gerade der Denkenden und Gebildeten, der keine andere Ursache hat als die vorangegangene Überschätzung und daher den Mißbrauch dieser Dinge zu Zwecken, denen sie nicht gewachsen sind, und in einer Art, die ihrem Wesen nicht entspricht. Wie käme es sonst, daß trotz der zahlreichen und oft mit Riesenkosten hergestellten erdkundlichen Filme und trotz des lebhaften Wunsches von Wissenschaftlern, Lehrern, Volksbildungsvereinen usw. weder diese Filme einzeln, noch die Kinematographie im allgemeinen ernstlich auf den betreffenden Gebieten Fuß gefaßt hat? Es liegt außer andern Ursachen, die wir untersuchen werden, daran, daß die Kinematographie überhaupt und die erdkundliche ebenfalls nicht innerhalb ihrer Leistungsmöglichkeiten und ihrem Wesen gemäß angewendet wird, daß ihr Unmögliches abgefordert und darüber ihre Höchstleistungen vernachlässigt werden. Es liegt von vornherein schon in dem jeden, der die Sache ernst nehmen möchte, abstoßenden Leugnen aller Mängel überhaupt, dem hirnlos uneingeschränkten Anpreisen der Kinematographie, all dem Unwesen der geschmacklosen Reklame, von dem sich auch viele ihrer nichtbezahlten Lobsprecher nicht freimachen können. Die Kinematographie hat keine Feinde als die Ausbeuter, die sachlich und moralisch an ihr Raubbau treiben!

Ich habe in meiner Schrift „Kino und Kunst“ die der Kinematographie überhaupt aus technischen und lebenswissenschaftlichen (physiologischen) Gründen anhaftenden Mängel ausführlich dargestellt. Die Mängel physiologischen Ursprungs liegen in unserm eignen Organismus. Andere Bilder nehmen wir einfach mit den Augen auf; diese müssen unsere Augen selber erst zu Bildern machen helfen. Ein kinematographisches Bild ist eine Leistung zur Hälfte von Photographie und Projektionskunst, zur andern Hälfte von sehenden Augen. Diese erst vollführen die beträchtliche Arbeit, die aber Tausende von Bildern — an 53 000 wurden für eine durchschnittliche Kinovorstellung berechnet! —, die ihnen da abwechselnd mit ebensoviel Verdunklungsunterbrechungen vorgesetzt werden, durch Überbrückung dieser Verdunklungen zu einer sich scheinbar bewegenden Einheit zu verschmelzen. Gerade die „Bewegung“ des Bildes ist eine Arbeit nicht des Apparates, sondern unserer Augen. Und sie haben diese Arbeit unter höchst erschwerenden Umständen zu tun: aufs äußerste angestrengt durch den krassen und ausschließlichen Gegensatz von Licht und Schatten und die Überwindung einer Menge anderer Mängel, die wiederum von einem unserer Organe geleistet werden muß: der mitwirkenden Phantasie, der blitzschnellen Denk- und eignen Vorstellungsarbeit, die ununterbrochen die in Wirklichkeit bloß vorhandenen Andeutungen des Bildes erfassen und deuten und in ihnen die Vorstellung von Farbe, Plastik, Geräuschen, Düften und Berührungen ergänzen muß, die das Bild doch erst zu dem machen, als das es aufgefaßt sein möchte, als Wirklichkeitswiedergabe. Erschwert wird diese Nerventätigkeit durch die Unvorbereitetheit und Bruchstückhaftigkeit jedes Kinobildes. Dessen technische Mängel haben wir aber zum Teil schon angeführt. Wir vergessen ja gewöhnlich ganz (und das ist im Kino selbst auch recht gut, aber es fälscht das Ergebnis), daß dieses Bild dennoch immer nur ein Schattenbild ist, dem außer dem flächenhaften Schwarz-Weiß-Bestandteil des Wirklichkeitsanblicks so gut wie alles fehlt, was uns den Eindruck des Lebens vermittelt: eben Farbe, Plastik, Geräusche, Düfte, Berührungen. Und mehr: die Tiefenwirkung („Perspektive“) ist mehr oder minder falsch, daher auch ein Teil der Bewegungen unrichtig wirkend; Querbewegungen kommen ruckweise usw. Der Apparat zeigt uns, was er mit einem Auge gesehen, wir sehen dies mit zwei Augen, daher wieder etwas anders, als es der Kino gesehen hat und meint — nicht die Wirklichkeit, sondern ein Bild, aber ein sich bewegendes; aber nicht sich bewegende Körper, sondern sich bewegende Flächenausschnitte — Schatten. Unsere Nerven müssen fortwährend eine angestrengte Übersetzungsarbeit — aus dem Kinematographischen zurück ins Wirkliche — leisten, um so mehr, je mehr der Kino sich der Wirklichkeit durch bestechende Ähnlichkeiten annähert; und diese Übersetzungsarbeit ermüdet sie bald und sehr. Trotzdem versagen sie allein — wenn wir nicht nachhelfen — in der Hälfte ihrer Aufgaben; sie versagen in vielen Fällen schon bei dem Bestreben, überhaupt zu erkennen, was das Bild wiedergeben will, besonders infolge des Mangels an Farbe, Tiefe und Plastik, durch den sich oft vorn und hinten kaum voneinander abhebt, Fremdes sich zu Lichtknäueln zusammenballt und Zusammengehöriges bloß etwa durch verschiedene Beleuchtung seiner Teile auseinanderreißt. Bei alledem habe ich nur mehr gute, mit voller Beherrschung der Technik und an Kunstwerken und Kunstdenken geübtem Geschmack hergestellte Bilder im Auge, wie ich sie in „Kino und Kunst“ beschrieben habe. Vor andern Bildern durchschnittlicher Art wachsen die Schwierigkeiten noch mehr. Selbst die besten aber, das ist uns durch das Voraufgegangene hoffentlich abermals klar geworden, sind für sich allein so gut wie ohne jeden erdkundlichen Wert — sie zeigen weniges nur bruchstückhaft, schattenhaft, falsch und irreführend. Der Kinofilm — jeder, ganz besonders aber der erdkundliche — bedarf der Ergänzung, um überhaupt etwas zu sein. Um dem einen von vornherein unterscheidenden sprachlichen Ausdruck zu geben, habe ich die mit allen nötigen Mitteln zu einem „Kunstwerk“, d. h. zu einer in sich geschlossenen Darstellungs- und „Ausdrucks“-Einheit erhobene Kinematographie — mit welchem Wort wir künftig die Herstellung und Vorführung von Bewegungsbildern allein bezeichnen — mit dem Worte „Kinetographie“ benannt. „Kinetographie“ — wie wir das Wort auch hier anwenden wollen (über seinen sprachlichen und sachlichen Sinn vgl. „Kino und Kunst“) — bedeutet also ausschließlich die Vorführung von Bewegungsbildern im Rahmen einer zu einem Gesamtkunstwerk erhobenen Vorstellung, ergänzt durch alles, was dazu dient, das Bewegungsbild selbst seelisch richtig vorzubereiten, Sinne, Nerven und Hirn auf das Wesentliche einzustellen, seine nervösen Kraßheiten auszugleichen, und das, was der Film nicht zeigen kann, durch andere Mittel zur Anschauung und zum Verständnis zu bringen.

Zum allgemeinen Verständnis dieser Forderungen, soweit sie aus dem ästhetischen Bedürfnis, der „Schönheits“-Forderung im durchgeistigten Sinne des Wortes, hervorgehen, muß ich abermals auf meine mehrmals genannte Schrift verweisen. Hier aber ist Gelegenheit, noch einmal von der andern Seite her, nämlich aus unserm rein sachlich-wissenschaftlichen Gesichtspunkt, die Forderung nach Vollendung jeder kinetographischen Vorführung zu begründen und zu beleuchten. Es handelt sich nicht in erster Linie um den Wunsch, der kinematographischen Landschaftsdarstellung an sich auch künstlerische Werte abzugewinnen, etwa durch „malerische“ Wahl des Bildausschnittes und handarbeitliche Beeinflussung und Nachhilfe der Herstellungsvorgänge. Sondern hier fordern wir die Anwendung des geläutertsten Geschmacks und der gewissenhaftesten und erfindungsreichen Erfüllung aller Schönheitsforderungen lediglich im „ästhetischen“, d. h. (im Ursinne des Wortes) im Interesse der Sinne unserer Zuschauerschaft, damit nämlich ihre Sinne geschont, unterstützt, vervollkommnet und vor Irrschlüssen bewahrt werden. Nicht um ihnen „Genuß“ von außen her zu verschaffen, sondern um ihnen eigne richtige Erkenntnisarbeit zu ermöglichen. Nicht: wissenschaftliche oder Schulkinovorführungen dürfen auch „künstlerisch“ vollkommen sein, sondern sie in erster Linie müssen vollkommene Kunstwerke im Sinne der Vollendung in ihrem eignen Wesen sein, wenn sie überhaupt irgendwelchen — erdkundlichen Lehrwert haben sollen.

Welcher Art nun die notwendigen Ergänzungen sein müssen, kraft deren Filmvorführungen zu einem brauchbaren Hilfsmittel der Erdkunde werden können, wollen wir uns kurz überlegen. Zuerst spreche ich allem das Wort, was die dem Kinobild mangelnden begleitenden Sinneseindrücke ersetzen oder wenigstens zum Bewußtsein bringen kann. Dieser Ersatz ist gerade beim Kinobild viel mehr erforderlich als vor jedem andern auch nur Schwarz-Weiß-Bild, weil das Kinobild mehr wie andere den Beschauer — besonders den nicht selbstkritisch und durch eigne Beobachtungen sehr geübten — in den Traum der Wirklichkeit versinken läßt. Vor einer Photographie verfallen wir keinen Augenblick in die Vorstellung: „so ist's“ oder auch nur „so sieht's aus“ — beim Bewegungsbild ist die Gefahr größer, nun erst recht in eine falsche Vorstellung vom wirklichen Aussehen und den wirklichen Kräfteverteilungen in der Natur zu versinken. Um so sorgfältiger müssen wir dort vorbeugen. Diese Arbeit wird freilich zumeist dem menschlichen Worte zufallen, wovon wir noch sprechen. Das Wort allein wird uns über Plastik, richtige Perspektive, Größen-, Luft- und Wärmeverhältnisse im Dargestellten aufklären müssen, und zumeist auch, wo es sich um wissenschaftliche und Lehrzwecke handelt, über die Begleitgeräusche. Völlig möchte ich diese aber — denen ich in volkstümlichen und Jugendvorstellungen einen breiten Raum befürworte — auch aus wissenschaftlichen Darstellungen nicht verbannt wissen. Geräuschkunde ist ein meines Wissens als solcher nicht — höchstens als Nebengebiet der Dramaturgie — abgetrennter Zweig der Naturwissenschaft und findet, abgesehen von der Akustik, die sich nicht mit den Geräuschen, sondern mit ihren Ursachen beschäftigt, der Phonetik, der Musiklehre u. dgl., nur vielleicht in der Vogelkunde überhaupt Beachtung. Wenn sie darüber hinaus nicht gepflegt worden ist, so liegt das meines Erachtens nur daran, daß man bisher schlechterdings außerstande war, den Stoff herbeizuschaffen, d. h. Naturgeräusche in wissenschaftlich brauchbarer Weise aufzufassen und wiederzugeben. Wir sind, wie wir wissen, heute schon in der Lage, das zu tun: durch die Phonographie. Sie schreibt bereits ebenso selbsttätig die Klang- und Geräuschwellen aller Art auf wie die Photographie die dem Sehen zugrunde liegenden Äther-Bewegungen (Kinetographie, d. i. Bewegungsselbstniederschrift). Sie ist wie jene durchaus zwangläufig, d. h.: richtig eingestellt, gibt sie nach Zeitmaß und Klangfarbe genau das Aufgenommene wieder, abzüglich der feststellbaren Wirkungen ihrer technischen Fehlerquellen. Der gemeinsamen Aufnahme von Naturbewegungsvorgängen und der sie begleitenden Geräusche steht also gedanklich nichts mehr im Wege. Tatsächlich ist aber diese Aufgabe noch nicht gelöst (obgleich man von ihrer endgültig erfolgten Lösung alle Augenblicke hört). Zunächst leidet die grammophonische Wiedergabe an sich noch besonders an Nebengeräuschen von solcher Stärke, daß sie feinere Gegenstandsgeräusche verschluckt, falls diese von der Wachsschicht überhaupt richtig aufgenommen worden sind. Dann aber steht noch immer die große Aufgabe bevor, beides, kinematographische und phonographische Aufnahme und Wiedergabe, in einem Verfahren oder doch mit zwangläufiger Gleichzeitigkeit zu verbinden. Alle sogenannten „Tonbilder“ (ein irreführender Titel), die man bis jetzt sieht, werden so hergestellt, daß erst eine grammophonische Aufnahme, dann eine ihr nachträglich angepaßte Mimik aufgenommen werden. Die Wiedergabe wird dann möglichst der Gleichzeitigkeit angenähert; aber selbst, wo diese Gleichzeitigkeit erreicht wird, fehlt doch die Echtheit, die dem Ganzen erst wissenschaftlichen Wert geben würde. Überdies ist mir nicht bekannt geworden, daß überhaupt erfolgreiche Versuche gemacht worden wären, Naturgeräusche — z. B. die Brandung des Meeres, den Ausbruch eines Kraters, das Rauschen im Wald, das Gemurmel und Geheul der Großstadt — grammophonisch aufzunehmen. Daß dies unmöglich sein sollte, möchte ich daraus nicht schließen — kann man künstliches Pfeifen und Sprechen usw. aufnehmen, warum nicht auch zunächst wenigstens die lauten (oft viel lautern!) unwillkürlichen Naturgeräusche! Und mögen zunächst diese Aufnahmen selbst, alsdann ihre Zusammenstimmung mit der gleichzeitigen Kinoaufnahme noch so viel Unvollkommenheiten aufweisen —, der Versuch allein würde lohnen, und die Vervollkommnung würde meines Erachtens nicht lange auf sich warten lassen, sobald nur der Wert dieser Sache allgemein erkannt würde. Daß eine solche Technik überhaupt im Zuge der Kinetographie liegt, ja eins ihrer nächsten und erreichbaren Ziele sein müßte, wird weniger bezweifelt werden. Wenn aber Geräuschnachahmungen von Wissenschaftlern und gebildeten Laien (zum Teil mit Unrecht) belächelt werden, so bedeutet das nicht, daß sie auch dokumentarisch getreuen Geräuschnachbildungen Achtung versagen würden. Im Gegenteil: die Geräusche, die besonders die Bewegung in der Natur begleiten, sind unentbehrlich für die unmittelbare sinnliche Bewertung der in dem betreffenden Vorgang spielenden Kraftmassen und Kraftverteilungen. Das einfachste Gefühl des Laien sagt ihm doch schon, daß ein lautlos ausbrechender Vulkan, lautlos heranschwingende Meereswogen, eine lautlos dampfgebende Kanone, lautlos tanzende Eingeborene, lautlos stürzende Niagaras etwas Unsinniges, überhaupt gar nichts sind. In der Zeichnung, in der Photographie vermissen wir dergleichen nicht, weil sie ja das Bewegungsleben nicht zu geben beansprucht, wo aber die Bewegung der Dinge gezeigt wird, da fordern unsere Sinne auch ihr Geräusch. Ist dies somit eine „ästhetische“ Forderung, so wird doch auch niemand bestreiten wollen, daß diese Geräusche an sich als Begleiterscheinungen von Naturbewegungen ein ernstester Forschung höchst würdiger Gegenstand sind. Ich bin der Meinung, daß auch bei rein wissenschaftlichen Vorführungen, mindestens wenn die Teilnehmer daneben auch irgend Menschen mit natürlichem Sinnenleben und Geschmack sind, in Ermangelung grammophonischer Mittel einige Begleitgeräusche gegeben oder angedeutet, allermindestens aber durch vorangehende Beschreibung der Phantasie der Zuhörer zur Verfügung gestellt werden müßten. So zeigte ich einmal den Ausbruch eines Geisers, ein Bild, über das ich wegen seiner Kürze und anderer Mängel ganz unglücklich war: es kam mir völlig bruchstückartig und wertlos vor. Zufällig kam mir eine ausführliche Beschreibung dieses selben Geisers in die Hände, in der auch genaue Angaben über die Begleitgeräusche enthalten waren. Ich ließ diese nun sorgsam hinzufügen, und von diesem Augenblick an erwies sich das Bild — rein erdkundlich-naturwissenschaftlich betrachtet! — als einer der Glanzpunkte meines Programms. Gewiß hatte ich mir allenfalls nach langem Studieren diese Begleitgeräusche — den kanonenschußartigen Ausbruch von Schlamm und Steinen, das regenartige Niederprasseln der Wassermengen usw., die vorangehende donnerartige Erderschütterung — auch „denken“ können — aber wie hätten das meine Zuschauer tun sollen? Und wenn sie es gekonnt hätten — sollten sie und ich uns dessen schämen, daß wir uns eine mühsame und unvollkommene Eigentätigkeit durch ein paar meinethalben theaterhafte Hilfsmittel ersetzten? Und sollten sich endlich Studenten und Hochschullehrer selber in diesem Punkte in einer andern Lage befinden als wir? Sollte selbst jemand, der diese Geräusche einmal erlebt hatte, sich ihrer vor diesem Bilde vollkommener erinnern, als unsere Hilfskräfte sie mit urwüchsigen Mitteln nachzuahmen vermochten?

Mag man über Geräuschnachahmungen bei rein wissenschaftlichen Gelegenheiten denken, wie man will, für die unvorbereitete und mit erdkundlichen Erscheinungen durchaus ungenügend vertraute Öffentlichkeit sind sie unerläßlich sowohl um des Verständnisses wie um der ästhetischen Befriedigung willen. Daß und wie dabei die Grenzen des Geschmacks einzuhalten sind, habe ich anderswo behandelt. Sicher ist aber, daß die Kinematographie an sich nicht eher ein vollwertiges erdkundliches Hilfsmittel ist, als bis sie wenigstens in zwangläufige Vereinigung mit der Grammophonie gelangt ist. Bewegung und Geräusch sind zeitlich und räumlich, ursächlich und in der Erscheinung, ästhetisch und gedanklich nicht voneinander zu trennen, ein Verfahren, das das eine wiedergibt, muß auch das andere zeigen.

Die zweite Ergänzung, die nicht zu verachten wäre, ist die Farbe. Auch hier sind manche Versuche unterwegs, beachtenswerte Erfolge errungen. Das bekannteste Verfahren ist Urbans Kinemacolor. Ich habe dieses Verfahren vor einigen Jahren in London gesehen und weiß nicht, ob es inzwischen verbessert worden ist. Es störte, bei allem unleugbaren Reiz, durch starkes Flimmern. Sein Hauptmangel ist, daß die Aufgabe, die eigentliche Bildfarbe zu bilden, wieder unsern Augen überlassen ist, und diesen wird sie um so schwerer, als sie sie aus nicht mehr als zwei Grundfarben — rot und grün — herstellen müssen, die dem farblosen Doppelpositiv durch zwei Filter mitgeteilt werden. An der Ausbreitung des Kinemacolorverfahrens scheint außer den beträchtlich höhern Kosten und dem zur Alleinbestreitung einer Vorstellung nicht genügenden Erfolg auch die Monopolvergebung schuld zu sein. Auf jeden Fall ist die Sache noch nicht vollkommen; trotzdem sollte jeder sie kennen zu lernen suchen, und gutgestellte Kinotheater sie einfügen. An sich aber ist die „Naturfarbe“ der Bilder — solange sie nicht auf eine bisher unbekannte Weise auf photographischem Wege selber gewonnen wird — nicht eine so unerläßliche Vollkommenheitsforderung wie die des Begleitgeräusches. Es ist mir im Gegenteil zweifelhaft, ob sie in jedem Falle erwünscht wäre, da sie die Ansprüche an die Augen erhöht, die Fehlerquellen vermehrt und überdies dem Filmbild einen Vorzug wieder nimmt: den der Vereinfachung und Zurückführung des Bildes auf seine einfachen Schwarz-Weiß-Verhältnisse. Noch weniger kommt freilich hier die künstliche Farbenergänzung in Betracht, wo wir ihr nicht aus Gründen, die nichts mit Erdkunde zu tun haben (Augenerholung) einmal nachsehen wollen. Die echte Farbenselbstwiedergabe der Natur steht noch in weitem Feld, und wir sehen vorläufig noch nicht einmal einen Weg angedeutet, wie wir zu ihr zu gelangen vermöchten.2)

Anders die Körperlichkeit (Plastik) des Dargestellten. Der Weg dazu ist klar: wir lassen unsern Apparat, wie wir selber, mit zwei statt einem Auge sehen und zeigen dann, wie in der Wirklichkeit, jedem unserer Augen gesondert das entsprechende Bild. Wege dazu gibt es verschiedene, ihr einziger gemeinsamer Nachteil ist der, daß wir dazu das Auge bewaffnen müssen, sei es durch eine Brille mit zwei verschieden gefärbten Gläsern, sei es durch eine stereoskopartige Vorrichtung. Ich habe solche Bilder noch nicht gesehen, meine aber, wenn sie sich einbürgerten und sonst hübsch sind, würde die Beschaffung der Betrachtungshilfsmittel nicht so schwierig sein, wie es immer dargestellt wird. Kinobesucher werden sich ihre „optische Brille“ kaufen, wie Theaterbesucher ihr Opernglas.

Übrigens habe ich ein anderes Verfahren zur Verkörperlichung von Kinobildern gesehen, anscheinend auf Spiegelungen beruhend, das aber nur eine puppenhafte Wirkung hatte. Warum irgend jemand eine bessere körperliche Wirkung von erdkundlichen Kinobildern verschmähen sollte, wenn er sie nicht etwa durch Nachteile anderer Art erkaufen muß, sehe ich nicht ein.

Eine Menge anderer Wirklichkeitseigenschaften werden dem Kinobild natürlich immer fehlen. So kann die Nachahmung von Begleitgerüchen immer nur ein gelegentlicher Scherz bleiben, und ebenso fehlt die körperliche Wirkung von Wind und Wetter usw. auf den Beschauer. Etwas anderes aber ist von größerer Wichtigkeit. Wir müssen ein Kinobild immer gleichsam mit festgeklemmtem Kopfe oder mit starren Augen besehen; wir können die Augen nicht in der Weise wandern lassen wie in der Natur. Tun wir es dort, so bietet sich uns bei jeder Bewegung ein anderes Bild; im Kino ist der Erfolg nur, daß wir je einen andern Teil desselben Bildes sehen. In einem gewissen Grade hilft dem freilich, aber auch nur scheinbar (da die Körperlichkeit fehlt), die Erfindung der Panorama-Kinematographie ab, die man meines Wissens zurzeit nur in München sehen kann. Sie erzeugt durch kreisförmiges Drehen des Objektivs die Täuschung eines Landschaftenrundblickes. Das ist natürlich eine vielleicht sehr hübsche Spielerei, die aber als erdkundliches Hilfsmittel geringen Wert haben wird. Das vor allem aus praktischen Gründen; an sich mag die Sache für seltenere Aufgaben, bei denen es darauf ankommt, einen Gesamtüberblick über ein größeres Gebiet zu haben, brauchbar sein.

Ich möchte, ehe ich die beiden Haupthilfsmittel, das Wort und das Lichtbild, bespreche, noch eine Bemerkung über die Mithilfe der Musik machen. Auf den ersten Blick hat sie in erdkundlichen Filmen, die der Belehrung dienen sollen, nichts zu suchen. Eine Ausnahme machen aber schon diejenigen völkerkundlichen usw. Filme, die geradezu Musikszenen, z. B. Tänze, nach Musikrhythmen arbeitende Kolonnen usw., darstellen. Wir können hier auf das über Begleitgeräusche Gesagte verweisen; grammophonische Wiedergabe wäre Ideal, angepaßte Nachahmung in diesem Falle berechtigt, weil ja auch die Urmusik „künstlich“ ist; unerläßlich in diesem Falle die eine oder die andere. Einen Negertanz ohne dessen Begleitmusik vorzuführen, halte ich für geradezu unwissenschaftlich. — Darüber hinaus aber habe ich mich einfach aus der Erfahrung heraus für die vereinzelte Anwendung musikalischer Begleitung selbst bei geeigneten erdkundlichen Filmen aus gesundheitlichen Gründen ausgesprochen. Es ist nun einmal Tatsache, daß gute angepaßte Musik wie kein anderes Mittel die Nerven abspannt, sie erfrischt und ihnen ihre Arbeit erleichtert. Selbstverständlich kommt Musik weder bei Filmen mit Geräuschwiedergabe in Betracht noch bei solchen mit „bewegungsdramatischem“ Inhalt noch bei allen andern; aber sie kann Wunder tun bei Bildern, die eine ruhige rhythmische, in sich wiederkehrende Bewegung ausspinnen. Begleitmusik beflügelt die Phantasie — aus diesem Grunde weise ich sie nicht streng aus allen erdkundlichen Vorführungen heraus, sondern spreche ihr selbst sachlichen Wert zu.

Was aber völlig unentbehrlich ist, sind zwei Dinge: das Wort und das stehende Lichtbild. Ich kann sie gemeinsam behandeln. Über die Gestaltung des Begleitvortrags habe ich in „Kino und Kunst“ alles Nötige gesagt. Er hat zwei Aufgaben: erstens abermals das Bild seelisch vorzubereiten und seine Lücken auszufüllen, zweitens den Geist darüber hinauszutragen. Die letztere Aufgabe kann in Verbindung mit einer Kinovorführung nur angesponnen, nicht ausgeführt werden. Wir wollen sie aber dennoch nicht unbeleuchtet lassen, um uns abermals gewärtig zu bleiben, daß alle Bildvorführung für die Erdkunde nur Mittel, nicht Zweck ist. So wie einerseits keine noch so vollendeten Naturnachbildungen ohne geistige Nachteile von Zuschauern aufgenommen werden können, die nicht über genügenden Vergleichsstoff aus eigner unmittelbarer Anschauung verfügen (worüber wir im Absatz „Schule“ gesondert sprechen) —, so ist anderseits alles von der Natur Geschaute nur Mittel und Vergleichsstoff für die eigentliche geistige Aufgabe der Erdkunde: eben aus der Welt der Erscheinungen zu den Gedanken über sie zu gelangen, ihre Gesetze und Kraftverhältnisse, ihre Ursachen und ihre Zukunft, ihr Wesen und ihren Geist zu untersuchen. Darüber spricht sich die Natur nicht, die Abbildung noch weniger aus. Was uns das Bild zeigt — auch das müssen wir uns einmal wieder ins Gedächtnis rufen — sind ja gar nicht die vom Menschen bereits genannten und gemessenen, mit Erkenntnisgesichtspunkten und Gefühlswerten übersponnenen, menschlich geaichten Naturwerte, sondern es ist die Urnatur in ihrer unentdeckten Namenlosigkeit. Das ist nicht eine Grübelei, sondern eine sehr wichtige Alltagswahrheit, deren Übersehen wieder eine der Hauptursachen für die mangelhaften Erfolge „reformerischer“ erdkundlicher Vorführungen in Kinotheatern usw. ist. Man stelle sich vor: da erscheint jenseits einer Flußfläche ein schlicht kegelförmig zugespitzter hoher Berg, oben mit Schnee bedeckt. Im Vordergrund wogen Binsen um einen Fischersteg. Vor dieses Bild setzt die Mägde und die Kuhknechte, die Käsehändler und Pflasterarbeiter einer Kleinstadt. Was sollen sie dazu sagen, was soll sie daran fesseln? Gewiß, es ist ganz „schön“ — aber das, was sie urwüchsigerweise im Kino suchen, nämlich merkwürdige „Bewegungen“, sind gar nicht drin. Das Bild gefällt nicht! Nun sagt der Vorführer einen Namen: Der Berg Fujijama. „Ah!“ entringt es sich den anwesenden gebildeten Besuchern. „Das also ist der Fujijama, so sieht er wirklich aus!“ Eine Fülle von Gedankenverbindungen erweckt ihnen das Wort — ihnen, aber immer noch nicht den andern! Wenn denen nun ein Berufener in einer Sprache, die sie verstehen, sagen würde: „Hier ist es gar nicht irgendeine ‚merkwürdige‘ Bewegung, die euch fesseln soll, sondern ihr sollt das und das dabei denken,“ wenn er ihnen etwa vorher ein paar japanische Künstlerbilder von dem Heiligen Berge zeigt, ein japanisches Gedicht oder eine Sage von ihm erzählte — oder wenn er statt dessen wertvolle wissenschaftliche Angaben (immer in der Sprache der Einfachen) über ihn machte: damit würde er ihnen die richtigen Augen geben, mit denen gesehen auch ihnen das Bild reizvoll erscheinen würde. Denn sein Wert liegt in dem, was wir, was ein ganzes Volk sich dabei denkt, in dessen Phantasie der Berg den Mittelpunkt bildet; sein Hauptwert liegt in dem, was das Bild nicht zeigt, im Gedanklichen. Was ich hier am Beispiel der Einfachen zeige, gilt in entsprechender Anwendung bis hinauf zu den „gelehrtesten Häusern“. Niemand ist so vielwissend, daß er im Augenblick, wo irgendeine Landschaft usw. vor ihm im Kinobild auftaucht, gerade den Wissensstoff genau gewärtig hat, der hier den Mittelpunkt des Interesses bildet. Jeder Beschauer eines Kinobildes muß vorher darauf eingestellt werden. Und das kann nur durch Worte geschehen. — Diese Worte haben aber nicht nur allgemeine Gesichtspunkte zu geben, sondern sie müssen auch einen andern Mangel des Kinobildes, das schnelle, unvorbereitete Vorüberhuschen des Bildes ausgleichen, indem sie auf seine hauptsächlich zu beachtenden Einzelheiten vorher hinweisen. Diese vorherige Hinweisung, gewissermaßen das Vorauserzählen des Kommenden, ist ein zünftiges Kunstmittel des Theaters. Dadurch, daß man eine erst künftig auf der Bühne erscheinende Person vorher nach Tracht und Art von andern beschreiben und ihre Meinungen darüber tauschen läßt, wird das Interesse an dem Kommenden nicht vermindert, sondern vermehrt.

Das letzte, nicht das schlechteste Ergänzungsmittel des erdkundlichen Bildes, das zugleich das Wort in hohem Grade entlastet, ist das Lichtbild. Es hat vor dem Bewegungsbild den Vorzug, eine lange ruhige Betrachtung zu ermöglichen, die großen Grundformen einer Landschaft usw. viel besser als der davonlaufende Film erkennen zu lassen, und auch künstliche Darstellungen, Schemen, Landkarten, Zeichnungen usw. zu ermöglichen. Es ist zugleich eine Erholung für das Auge, auch insofern, als es in einem ganz andern Sinne als der Film künstlerisch (malerisch) hervorragend sein und sowohl naturfarben wie bemalt dem besten Geschmack entsprechen und zeigen kann, was dem Film fehlt. Auf ihm kann man bequem die Stellen zeigen, an denen im Laufbilde etwas Besonderes zu beachten ist, und man kann anschaulich machen, wie sich die besondere Örtlichkeit des Laufbildes einem großen erdkundlichen Ganzen einordnet. Kein Film sollte ohne eingehende Vorbereitung und Vorbesprechung auf der Wand erscheinen. Nichts ist ein falscheres, stilwidrigeres Wirkungsmittel gerade für das Bewegungsbild als die Überraschung des Beschauers.

Alles, was wir genannt haben, läuft darauf hinaus, erdkundliche Bewegungsbilder in solcher Zurichtung, Vorbereitung, Ergänzung und Umgebung zu zeigen, daß die Beschauer das höchsterreichbare Maß von Wirklichkeitsanschauung unter allersorgfältigster Unschädlichmachung von Fehlerquellen und möglichster Erleichterung ihrer Sinnestätigkeit erhalten. So durchgeführt, vermag der Kino dem geübten Gelehrten den Forschungsgegenstand selbst in einem gewissen Grade zu ersetzen, dem Wissensbeflissenen wird er ein verläßliches Hilfsmittel, dem Schüler ein nicht irreführender Wegweiser, dem Künstler ein Genuß, jedermann eine geistige Bereicherung und der Menschheit ein Nutzen und eine kulturfördernde Völkerverbindung sein.


  1. 1) Über Streben und Mängel der literarischen Erdbeschreibung ist es interessant, eine zusammenhängende Darstellung, z. B. „Die Naturschilderung bei (!) den deutschen geographischen Reisebeschreibungen des 18. Jahrhunderts“ von Oertel (Leipzig 1899) nachzulesen.
  2. 2) Inzwischen wird von einem neuen Verfahren der Firma Gaumont (deutsches Haus) berichtet, das Kinemacolor in mancher Hinsicht übertreffen soll, wenn auch die Farbenabstimmung naturgemäß noch durch die Fehlerquellen beeinflußt wird.

II. Wissenschaftliche Erdkunde

Das Wort „wissenschaftlich“ wird im Zusammenhang mit Kinematographie geflissentlich mißbraucht. Man bezeichnet frischweg jeden Film nach Naturvorgängen als „wissenschaftlich“. Für alle andern bleibt ja das schöne Schildchen „künstlerisch“. In Wirklichkeit kann von „wissenschaftlicher“ Kinematographie im strengen Sinne nur da gesprochen werden, wo diese Technik — wie etwa das Mikroskop — der Forschung neue Möglichkeiten eröffnet, also etwa gestattet, Dinge zu beobachten, deren man ohne sie nicht habhaft werden konnte, oder alte in solcher Weise, die vorher nicht möglich war. Erst im weitern Sinne lassen sich Filme als wissenschaftlich bezeichnen, die alle Anforderungen erfüllen, um wenigstens als Hilfsmittel im auf wissenschaftliche Ziele gerichteten Unterricht verwendet werden zu können. Beides gilt von den bisher geschaffenen erdkundlichen Filmen nur ausnahmsweise, und wir wollen kurz untersuchen, wie weit die Kinematographie überhaupt für wissenschaftliche Zwecke brauchbar sein mag, und welche Anforderungen in diesem Falle an sie gestellt werden müssen.

Zunächst als Forschungsmittel im strengen Sinne kommt sie in zweierlei Hinsicht in Betracht. Erstens für die Erdgeschichtswissenschaft, insofern sie erdkundliche Erscheinungen, die der Veränderung oder dem Vergehen ausgesetzt sind, dauernd festhält und dadurch auch spätern Forschern und Geschlechtern die Untersuchung und Vergleichung ermöglicht. So stellte sich z. B. heraus, daß der Geiserfilm, den ich schon erwähnte (Neuseeländische Geiser, Urban-Eclipse), gerade dadurch einen außerordentlichen Wert hatte, daß er eine interessante, inzwischen aber verschwundene Naturerscheinung — vielleicht die großartigste ihrer Art — festhielt.3) Dergleichen Gegenstände würden sich in der Welt viel finden, aber nicht bloß auf dem Gebiete der Superlative, der „großartigsten“ usw., sondern mehr noch unter unscheinbaren Naturerscheinungen. Hier berühren sich die Interessen der Wissenschaft mit solchen der Allgemeinheit, für die erfreulicherweise das Verständnis mehr und mehr um sich greift: denen des Naturschutzes, und wo der nicht mehr möglich ist, der Erhaltung von Naturdenkmälern wenigstens im Bilde. Die Natur- und Heimatschutzgesellschaften seien an dieser Stelle besonders auf das Hilfsmittel der Kinematographie im genannten Sinne wie auch zur Werbung für ihre Bestrebungen aufmerksam gemacht. Wenn z. B. jetzt der Gedanke, große Naturschutzparks nicht nur in der engern Heimat, sondern eben in der ganzen Welt, vor allem in den Kolonien, anzulegen und im ursprünglichen Zustande zu erhalten, Gestalt gewinnt, so sollte man das Interesse dafür aufrufen durch Bewegungsbilder der betreffenden Gegenden, denen andere von bereits als unrettbar erkannten Gegenden wirksam an die Seite gestellt werden könnten. Besonders kommt dieses Sammeln von kinematographischen Naturdenkmälerabbildungen für die Gebiete der Pflanzen-, Tier- und Menschengeographie in Betracht. Man vergleiche die ergreifenden Darstellungen, mit denen Paasche im „Vortrupp“ und an andern Orten die denkende Menschheit auf die entsetzliche Verödung der Natur gerade in bis dahin „jungfräulichen“ Jagdgründen aufmerksam machen will, und lese da nach, wieviel der prächtigsten und bezeichnendsten Tierarten — Elefanten, Wale usw. — bereits dem Aussterben nahe sind. Ganz besonders denken wir hier natürlich auch an die Menschenkunde im weitesten Sinne des Wortes (Ethnographie), Rassen-, Volkskunde einschließlich urwüchsiger Bauarten, Industrien, Trachten usw. Hier handelt es sich ja ebenfalls leider häufig genug schon um unabwendbares Aussterben; überall aber liegt ein ständiger, oft langsamer, oft sehr plötzlicher Wandel der Erscheinungen vor. Diesen entwicklungsgeschichtlichen Wandel sowohl im Drum und Dran wie auf körperlichem Gebiete kann die Kinematographie in hervorragender, oft in einziger Weise der Forschung der Nachwelt vor Augen halten. Endlich kommt die Festhaltung einzelner Naturschauspiele, z. B. des Ausbruchs und Werdens neuer Vulkane, in Betracht, zu deren Aufnahme freilich meistens Zufallsglück gehört. Es wäre eine planmäßige Aufnahme möglichst vieler derartiger Naturdenkmäler über die ganze Welt zu befürworten. Für diese Aufnahmen müßten dann natürlich Sammlungen (Archive) angelegt werden, deren Inhalt nicht durch zeitgenössische Vorführungen gefährdet und im Wert gemindert werden dürfte. Ein solches Unternehmen wäre, wie unten nachzuweisen, durchaus kostenlos durchzuführen.

Aufmerksam muß ich aber auch hier darauf machen, daß derartige Filme, richtig hergestellt, einen ganz unschätzbaren, mit der Zeit ungeheuer steigenden Sammlerwert haben würden. Es würde also keineswegs eine tote Geldanlage sein. Über Filme als Sammlergegenstand beabsichtige ich mich, im „Buch vom Kino“ weiter auszulassen.

Die zweite Eigenart, durch die die Kinematographie für die Forschung unmittelbaren Wert hat, liegt in der Möglichkeit, die Aufnahmen zu Messungszwecken zu verwenden. Der Film zerlegt jede Bewegungseinheit in eine große Menge einzelner Teile, deren Zeitabstand voneinander genau bemessen ist, und — die zur genauen Nachbestimmung standhalten. Sie erlauben daher, Bewegungen zu untersuchen, die in der Wirklichkeit zu flüchtig oder vereinzelt, oder auch zu klein und kurz sind, um mit den Sinnen aufgefaßt zu werden. Dadurch wird der Wissenschaft geradezu ein neues Betätigungsgebiet erschlossen, welches ich Rhythmologie benennen möchte: die Erforschung der Zeitgesetze in den freien Bewegungserscheinungen der Natur. Sie ist z. B. betreffs der Wellenbewegung im Meere, des Aufschlagens bestimmter Wellen an Flußufer usw. schon versucht worden, aber es standen keine andern Hilfsmittel zur Verfügung als Uhr und Hand und etwa Instrumente, die jedenfalls kein beständiges (kontinuierliches) Bild der Erscheinungen boten. Über den Wert einer solchen Forschung brauche ich dem Gebildeten kein Wort zu sagen.

Endlich das dritte kinematographische Forschungshilfsmittel, dem vorigen verwandt, wenn auch schon mehr auf das Gebiet der Lehr- und Veranschaulichungshilfsmittel hinüberweisend, ist die Aufnahme unter künstlich veränderten Bedingungen. So ist es vor allem möglich, Veränderungen, die sich in Wirklichkeit über längere Zeiträume erstrecken, in wenige Minuten zusammenzudrängen und dadurch ebenfalls wieder ihre Einheit und ihren Rhythmus sinnenfällig zu machen. Wenn auch dergleichen wohl mehr für andere Naturwissenschaften in Betracht kommt, so gibt es doch auch Gelegenheiten, wo es für die Erdkunde in Betracht kommt, und wenigstens vielen bequeme Beobachtungen ermöglicht, die — etwa wie die täglichen Meeresgezeiten, die jährlichen Gletscherschwankungen, allmähliche Verwitterungsvorgänge — sonst nur vereinzelt ungenau, mühsam und mit unverhältnismäßigem Aufwand gemacht werden könnten.

Ganz allgemein bildet der Kino eins der wertvollsten Hilfsmittel des Forschungsreisenden, dem sie eine bequeme, dokumentarisch getreue und dauernde Einheimsung seiner Beobachtungen, ihre schnelle Überführung in die Stoffmenge der Forschung ermöglicht und zugleich unter Umständen ein unwiderlegliches Beweismittel seiner Erfolge und Behauptungen gibt. Wir wollen hier sogleich die Frage behandeln, auf welche Weise sich der Gebrauch dieses Hilfsmittels praktisch durchführen läßt. Es kommen hier namentlich zwei Schwierigkeiten in Betracht: die Belastung des Gepäcks und die Kostenfrage. Die Technik der Kinoaufnahmen kann kein Hindernis bieten; sie ist im allgemeinen sehr einfach und leicht. Eine kurze gute Einführung darin bietet Liesegangs „Lichtbild- und Kinotechnik“ (Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 1), ausführlich desselben Verfassers „Handbuch der Kinematographie“ (Düsseldorf, 8 M) und andere. Über die allgemein zu beobachtenden Maßregeln vgl. mein „Kino und Kunst“.

Der im Großbetrieb übliche Aufnahmekino, wie er von zahlreichen Firmen hergestellt wird, bildet mit dem nötigen schweren Fuß (Stativ) und allem Zubehör allerdings eine beträchtliche Last, zu deren Bewältigung auf längere Märsche mehrere Träger abwechseln müssen. Dennoch kommt er in erster Linie in Betracht, da er doch wohl nicht nur allein die für die unvermeidliche Inanspruchnahme durch Beförderung usw. nötige Festigkeit und Derbheit besitzt, sondern auch allein die Filme liefert, deren Format und Durchlöcherung den allgemein in Kinotheatern usw. verbreiteten Vorführungsapparaten entspricht. Diese sind aber wieder für die Vorführung in großen Räumen notwendig. Auf der Möglichkeit aber, die aufgenommenen Bilder wenigstens zum Teil von den Kinotheatern und in Vereinsvorführungen usw. geschäftlich zu verwerten, beruht aber hauptsächlich die vorteilhafte Erledigung der Kostenfrage. — Es gibt aber auch mittlere und kleinere Aufnahme- und Vorführungsapparate, die erstern „Schul“-, die letztern „Salon“-Kinematographen genannt. Diese haben den Vorzug, sehr viel handlicher zu sein, besonders die letztern, die kaum das Gewicht einer 9 × 12-Kamera ausmachen, und deren Stativ natürlich ebenfalls leichter sein kann. Die Bilder dieser Apparate genügen bei richtiger Behandlung durchaus den meisten, auch wissenschaftlichen Zwecken, nur lassen sich die Bilder nicht so groß und daher nicht in sehr großen Sälen projizieren. Die Filme sind nämlich nur von etwa halber Breite und die Bildchen von halber Höhe der im Großbetrieb üblichen, und die Durchlöcherung ist anders angeordnet. Dadurch sind sie schwieriger und jedenfalls nur ausnahmsweise in Kinotheatern usw. unterzubringen. Dadurch, daß man sie auch sonst nur in kleinern Kreisen zeigen kann, lassen sie sich auch finanziell nicht so verwerten, ein Übelstand, dem allerdings die bedeutende Film- und Behandlungsersparnis gegenübersteht. In der Kleinheit liegt aber noch ein weiterer Nachteil: die Einzelheiten kommen nicht so heraus, die Unterscheidungsgrenze liegt um die Hälfte tiefer als bei Normalfilmen, und wenn man sie auf gleiches Format zu projizieren versucht, so tritt das photographische Korn störend in die Erscheinung. Der größte Mangel ist aber wohl der, daß die Kassetten, die diesen Apparaten angehängt werden, nur kurze Filme zu fassen vermögen. Bei längern würde die ungleiche Abwicklung infolge der unverhältnismäßigen Verminderung des Umfangs der Filmrolle auch Ungleichmäßigkeit des Aufnahmezeitmaßes zur Folge haben. (Ausführlich gedenke ich die Frage der Liebhaber-Kinematographie in meiner Schrift „Das Buch vom Kino“ zu behandeln.) Neuerdings sind aber auch eine ganze Reihe von Apparaten mittleren Umfangs und Gewichts geschaffen worden, die für „Normalfilme“ eingerichtet sind, und übrigens läßt die lebhafte Tätigkeit hinter den Kulissen der Apparate-Fabriken auf diesem Gebiete darauf schließen, daß hier bald Vollkommenes zutage treten wird.

Wichtig ist die Kostenfrage. Sie kann indessen nicht ernstlich schrecken, wenn man sich überlegt, daß zwar jedes einzelne Meter Rohfilm 1 M kostet (ein 5 Minuten laufender Normalfilm ist ungefähr 100 Meter lang), für ein Negativ und ein Positiv also ohne die Behandlungskosten und Verpfuschtes, Abfall usw.M (im großen wird es etwas billiger), daß aber auf der andern Seite der fertige Film, wenn er gelungen ist, einen großen unmittelbaren und einen größern Zukunftswert besitzt. Von dem Zukunftswert wissenschaftlicher Filme haben wir gesprochen. Es wird leicht einzuführen sein, ihn durch die Anregung des Sammeltriebes vermögender Privater und interessierter Körperschaften (Gemeinde, Staat usw.) unmittelbar zu verwirklichen. Noch gewisser und leichter ist der Weg, wenigstens Teile guter derartiger Aufnahmen der öffentlichen Benutzung, dem Turnus der Kinotheater usw. zur Verfügung zu stellen. Naturgemäß werden Forscheraufnahmen sowieso ein bedeutend größeres Interesse selbst für die breite Öffentlichkeit haben als gewöhnliche Operateuraufnahmen, die ja meistens von der Heerstraße stammen. Dieses Interesse wird sich durch geeignete Behandlung bei der Vorführung wesentlich steigern lassen, und die lebhafte Kinoreformbewegung wird ein übriges dazu tun. Eine Aufnahme aber, die erst mal die Runde durch die Kinotheater der Welt gemacht hat, hat sich selber und viele andere reichlich bezahlt gemacht. Hier ist also der Weg für Forscher, wissenschaftliche Institute und Sammlungen gegeben, kostenlos, ja mit Überschuß, sich das Wertvollste zuzulegen. In welcher Weise das im einzelnen geschehen könnte, darüber werde ich im Abschnitt „Kinogesundung“ sprechen. Hier will ich nur hinzufügen, daß an ein Kostenhereinbringen auf dem Wege von Einzelvorführungen wohl in keinem Falle zu denken ist. Nur berührt sei, daß auf Forschungsreisen selbst durch gelegentliche Vorführung von eignen und fremden Aufnahmen dem Unternehmenden manche Gelegenheit geöffnet, mancher Nutzen geschaffen werden, und nötigenfalls auch eine unmittelbare finanzielle Erleichterung entstehen kann.

Über Nutzen, Verwendung und Berechtigung der Kinematographie für den wissenschaftlichen Unterricht, also an Hochschulen, Handels-, Kolonial- usw. Schulen, brauche ich mich kaum noch beweisend zu verbreiten. Wenn dagegen hier und da noch Vorurteile bestehen mögen, so liegen sie meines Erachtens nur in der ungenügenden Beschaffenheit und der Kostspieligkeit und besonders der Schwierigkeit der Erlangung genügenden Filmstoffes. Die Anschaffung von Apparaten und Einrichtungen lohnt natürlich nicht, solange nur wenige unvollkommene Filme in Betracht kommen, und jeder Beflissene diese ebensogut im nächsten Kinotheater sehen kann. Das wird ja ganz anders werden, sobald Aufnahmen von Wissenschaftlern selbst in reichlicher Menge zur Verfügung stehen. Über die zurzeit herrschende Schwierigkeit der Beschaffung erdkundlicher Filme und ihre Behebung spreche ich an anderer Stelle. Hier aber ist der Ort, über die notwendige Beschaffenheit wissenschaftlich brauchbarer Filme zu sprechen, und wir kommen damit zu dem Gegenstand: erdkundliche Filmaufnahmen. Für sie gelten die allgemeinen, im erhöhten Grade all die Vorschriften, die ich in meiner Schrift „Kino und Kunst“ als unerläßlich für „kunstgerechte“, d. h. einfach sachgemäße und wohldurchdachte Aufnahmen ausführlich behandelt habe. Wir wollen sie hier unter unserm besondern Gesichtspunkte abermals durchnehmen.

Für Kinoaufnahmen kommen naturgemäß diejenigen Gegenstände vornehmlich in Betracht, in denen die Bewegung irgendeine wichtige sachliche oder ästhetische Rolle spielt, soweit der Film imstande ist, sie deutlich und richtig wiederzugeben. Vielleicht gibt es da kein Gebiet der Erdkunde, das gar nicht in Betracht käme, aber doch einige ganz vorwiegend. Die Erde als Weltkörper, also in ihren Beziehungen zum Raum und zu den Gestirnen, bietet unmittelbar nur wenig Stoff für uns, ebenso als Gegenstand der Messung und Teilung. Für die Erdgeschichte sind vorwiegend Archivaufnahmen wichtig, auf die wir hingewiesen haben. Außerdem sind eine Menge alltäglicher Vorgänge erdgeschichtliche Entwicklungen im kleinen, so die unmittelbare Beobachtung eines Sturzregens und seiner geologischen Folgen, die Beobachtung von Lawinen, Gletscherbewegungen usw. Ferner können wir hierher Erdbebenerscheinungen, Vulkanausbrüche und Verwandtes rechnen, dessen kinematographische Festhaltung von größtem Werte wäre. Hieran schließt sich die Meteorologie: Wetter- und Klimavorgänge und andere atmosphärische Erscheinungen. Ich möchte hier deutlich dem etwaigen Vorurteil entgegentreten, als ob atmosphärische Bildungen für den Kinematographen zu fein wären. Sie lassen sich alle, soweit das bloße Auge sie erkennt, auch kinematographieren, wenn wir auch hier die Farbe als etwas sehr Wesentliches vermissen werden. Zur Veranschaulichung der Oberflächengestaltung der Erde, ihrer großen Grundformen und ihrer feinen Einzelheiten ist das Bewegungsbild viel berufener und nötiger, als man zunächst angesichts der Bewegungslosigkeit des festen Landes denkt. Denn erstens regt es sich und lebt überall in der Welt, selbst in der Wüste, und je ruhiger der Hauptgegenstand, desto feiner und für das Ganze bezeichnender und unentbehrlicher sind die kleinen Bewegungen — das Hinhuschen einer Eidechse, das Hinhauchen einer Staubwolke usw. Zweitens aber bewegt sich, wo die Erde regungslos ist, doch auf ihr das Licht und zaubert durch sein Spiel geheimnisvolles Leben. Dasjenige aber, was fast überall die Welt belebt, und vielleicht der gewaltigste Gegenstand der Kinematographie ist das Wasser in allen seinen Formen. Ob es als Salzlake überm Wüstenboden blinkt, als Bächlein rieselt, als Fluß strömt, als Wasserfall herniederbraust, als Meer blinkt, kräuselt, brandet oder tobt, ob es als Regen oder Schnee herniederfällt, als Eis funkelt oder als Nebel glänzt und wallt — in all seinen Formen ist es unerschöpflich schön, unergründlich gesetzmäßig, voll unendlicher Aufgaben für den Forscher, voll Lehren für den Schüler, der große Gestalter und Maler des Erdballs. Wenig einzelnes habe ich zu sagen über die Pflanzen-, Tier- und Menschengeographie. Mit den genannten Dingen tritt ja das Leben selbst, die vom Geiste beherrschte Bewegung auf die erdkundliche Bühne, und hier versagt jeder Versuch, das dem Kinematographen Zugängliche auch nur in seinen Grundzügen aufzuzählen. An Stoff fehlt es hier nicht, aber nicht der Stoff, sondern nur die Art der Aufnahme macht den erdkundlichen wie den allgemeinen Wert des Bildes aus.

Abermals muß ich hier, und zwar in der nachdrücklichsten Weise, bitten, meine Schrift „Kino und Kunst“ zur Ergänzung heranzuziehen, denn ohne die großen allgemeinen Zusammenhänge und Gesichtspunkte, die dort ausführlich behandelt werden, sind die nachfolgenden Sonderangaben nicht voll zu verstehen. Vollendete Kinokunst — und jede Aufnahme ist ein Stück Kunst, d. h. freie menschliche Höchstbetätigung im Rahmen des technisch und zwecklich Angezeigten, oder sie ist gar nichts —; vollendete Kinokunst läßt sich nicht durch Befolgung einzelner Vorschriften lernen, sondern nur aus Erfassung des Geistes der Sache heraus. Auch kann ich mich hier über die Technik im engern Sinne nicht auslassen, obgleich ihre meisterhafte Anwendung natürlich die Hauptbedingung für den Sachwert des Bildes ist.

Noch mehr wie sonst gilt auf dem Gebiete erd- und menschenkundlicher Bewegungsaufnahmen, daß ihr Wert einzig und allein in der unverfälschten, dokumentarisch genauen Wirklichkeitswiedergabe beruht. Und zwar wollen wir die unbelauschte Wirklichkeit beobachten, nicht — den Eindruck, den Apparat und Aufnahme auf die Welt gemacht haben. Erde, Wasser, Luft und Bäume lassen sich ja dadurch nicht beirren; Tiere aber muß man in den meisten Fällen durch oft sehr schlaue Mittel und vor allem genaue Vorerforschung ihrer Gewohnheiten und — Geduld belauern und täuschen. Dafür ist eine wohlgelungene Landschaftsaufnahme mit tierischer Staffage auch vielleicht das Bild, das das meiste Entzücken und die höchste Bewunderung hervorruft, vor allem aber auch eine wirkliche Höhenleistung der Kinokunst, und von außerordentlichem Sachwert. Jeder erinnert sich ja an die wunderbaren Tieraufnahmen von Kearton. Gewiß hat aber auch jeder Kinobesucher mit einem peinlichen Nebengefühl bemerkt, daß fast alle derartigen Aufnahmen in künstlicher Umgebung, besonders in täuschend ausgestatteten zoologischen Gärten (Hagenbeck) gemacht worden sind. Solche Bilder haben so gut wie gar keinen wissenschaftlichen und sehr geringen Lehrwert, und kinematographisch sind es keine Leistungen. Auch die Zuhilfenahme von künstlichem Köder, versteckten Zutreibern, Magnesiumlicht usw. entspricht nicht dem Geiste des Kinos, denn alles das bringt unwirkliche, unnatürliche Züge hinein. Noch schwieriger fast als die natürliche Aufnahme von Tierbildern ist die von Menschen. Das unerschöpfliche Stoffgebiet der Völkerkunde und Menschengeographie wird bedeutend eingeengt durch die Sonderbarkeit jedes Menschenwesens, sich vor dem Apparat anders als natürlich zu geben. Fast auf allen derartigen Bildern gibt es — manchmal mit, meist wider Willen des Aufnehmers — mindestens einige Personen, die die Kamera entdeckt haben, und sich infolgedessen zu großer Heiterkeit und zur Zugabe von Extrafaxen verpflichtet fühlen, oder sich plötzlich erinnern, daß der Mensch eigentlich seine Beine und Arme ganz anders gebrauchen müßte, als er es unbeobachtet tut, oder die aus Schüchternheit, ja gar aus Furcht — ausreißen. Die Aufnahme von Menschenszenen ist nicht nur eine technische, sondern vor allen Dingen eine ganz bedeutende — seelenkundliche Leistung. Es wird sich in vielen Fällen empfehlen, den Aufnahmezweck und -vorgang nicht zu verhehlen, da eben doch die Aufnehmenden dabei selber zuviel bewußt mittun müssen — sie müssen innerhalb eines bestimmten Gesichtskreises bleiben usw. —, und da eben eine zufällige Entdeckung der Sache den größten Schaden stiftet. Der sichere Weg ist in solchen Fällen wohl der, den jeder einschlagen muß, der volkskundlichen Stoff einsammeln will: sich erst so das Vertrauen der Leute gewinnen und sie dabei so weit in das Verständnis einführen, auch ihr eignes Interesse anregen, daß der Sache für sie das Befremdende genommen wird, und sie, nötigenfalls durch Vorproben, Befangenheitsfehler ablegen lernen. Daß auch dann noch das Unternehmen die größte Menschenkenntnis und geistige Überlegenheit, überdies sehr viel Umsicht und Übung erfordert, ist gewiß. Denn: wenn auch das Menschenleben überall interessant ist, wo man hineingreift, so ist es doch nicht überall kinematographisch erfaßbar. Namentlich spielt da ein anderer Umstand, nämlich die Beleuchtung, eine oft recht unbarmherzige Rolle. Sie muß man bei derartigen Aufnahmen lange vorher auskundschaften und berechnen.

Nur soweit der Wirklichkeitswert der Aufnahmen dadurch nicht beeinflußt wird, dürfen wir andere Gesichtspunkte des guten Geschmacks sprechen lassen. Diese sind vor allem: Auswahl des Wesentlichen (das sind hier hauptsächlich Bewegungsvorgänge, nicht die Gegenstände an sich) und, aus geld- und kraftwirtschaftlichen Gründen möglichste Häufung desselben — wiederum nur bedingungsweise. Was ich aber besonders hervorheben will, ist die Notwendigkeit, jeder einzelnen Szene die nötige Länge zu bewilligen. Sie muß so lange dauern, daß erstens mindestens eine vollständige Bewegungseinheit darauf kommt. Es sollte ja selbstverständlich sein, daß die Filmparze dem mähenden Bauern nicht gerade dann den Lebensfaden abschneiden darf, wenn er den Arm zum Schwunge erhoben hat, ebenso wie sie ihn nicht mitten in einer Tätigkeit das Licht der Bogenlampe erblicken lassen darf. Wo es sich um systematisch wiederkehrende Bewegungen handelt, müssen diese Rhythmen vollständig und mehreremal zur Anschauung kommen. Ich erinnere mich an eine großartige Meeresbrandung: wie rabiate Vorläufer kommen lange flache Wellen schäumend auf Klippen losgerannt und scheinen vor ihnen umzukehren, um sich mit den nachkommenden zu vereinigen. Dann stürzen sie brandend heran ... mittlerweile sieht man hinter ihnen eine der „Großen“ sich sammeln, erheben, heranschweben ... sie stürzt brüllend und in Schaumkaskaden zerfetzt, über die Felsen weg. Nach dieser Kraftprobe tritt eine unheimliche Pause ein — da sammelt es sich im Hintergrunde schwarz und mächtig, bäumt sich ungeheuer auf, den Himmel verdunkelnd, gleitet heran wie ein auf die Hinterbeine gebäumtes Ungeheuer und naht sich so drohend, daß man unwillkürlich die Augen schließt — im nächsten Augenblick ist alles auf der Leinwand ein Chaos. Schaudernd und doch mit einer ästhetischen Befriedigung, die nur die größten Szenen der reinsten Kunstwerke gewähren, erleben wir das Kraftschauspiel der Natur. Aber — im selben Moment springt das Bild um, und es erscheint irgendeine andere Szene. Das ist sachlich so falsch wie geschmacklich. Was wir gesehen haben, war eine Wogenperiode — es gehört zu ihrem Wesen, daß sie sich im gleichen gelassenen Rhythmus je und je wiederholt: wir müssen das ein paarmal erleben, um es richtig zu erfassen. Aber auch ästhetisch ist es notwendig, denn unsere Seele ist bis ins Innerste im Banne dieses Schauspiels; es muß sich ausleben und auswirken, unsere Nerven müssen ihm gegenüber den Halt wiederfinden, und es muß uns Zeit gelassen werden, uns vollkommen in die Stimmung hineinzuleben. Nur nebenbei bemerke ich, daß es natürlich Barbarismus schlimmster Art ist, nach solcher Szene ohne Pause eine andere folgen zu lassen; es muß eine Ruhepause folgen. In der üblichen Kinematographie wird aber noch viel schlimmer gegen die Gesetze des Nervenlebens, des Geschmacks und der Sachlichkeit gesündigt. Szenen von zwei bis drei Sekunden sind nicht selten, Szenen von sachgenügender Länge geradezu eine Ausnahme. Jede Bewegungsszene muß so lange dauern, bis die über der wildesten Bewegung schwebende heitere Weltruhe wieder im Beschauer zur Herrschaft kommt. Selbst die geringst bewegten Bilder — Wüste, Waldeinsamkeit usw. — ja diese, in denen abgeschlossene Bewegungseinheiten eigentlich fehlen, erst recht, müssen so lange dauern, daß die in ihnen liegende Stimmung deutlich und nachhaltig zum Ausdruck kommt — ganz abgesehen davon, daß vor allem natürlich das Auge Gelegenheit haben muß, das Dargestellte überhaupt sachlich voll zu erfassen.

Eine weitere Bedingung für die Brauchbarkeit erdkundlicher Aufnahmen in irgendeinem Sinne ist die Besorgung und Beigabe ausführlichen Sachfeststellungs- und Erläuterungsstoffs. Auch dessen Mangel ist eine Hauptursache für die bisherige verhältnismäßige Erfolglosigkeit erdkundlicher Bilder in Kinotheatern und ihre Ablehnung durch wissenschaftliche und Unterrichtsfachleute. Es ist unglaublich, aber wahr, daß es bei den meisten im Handel befindlichen Filmen gar nicht möglich ist, ihren Inhalt so festzustellen, wie es für das volle Verständnis, ja auch nur dazu nötig wäre, um zu erfassen, worin eigentlich das Interesse des Bildes liegen soll. In sehr vielen Fällen sind sogar die Bezeichnungen und Inhaltsangaben der Bilder falsch. Von drei Palästinafilmen, die ich von drei Firmen erhielt, war je etwa die Hälfte der Teile nicht aus Palästina, sondern anderswoher, und zwar handelte es sich dabei nicht um Ähnlichkeiten — daß etwa Oasen aus Ägypten und Palmenhaine aus Arabien „eingelegt“ waren, sondern ein angebliches Jerusalem war in Wirklichkeit einmal Kairo, einmal Damaskus usw.; dabei hatte ich die Bilder persönlich von den Ursprungsfirmen geholt, und sie waren für mich zu besonders wichtigem Zwecke gedruckt worden. Jene mehrmals erwähnten Geiser Neuseelands waren mir als solche von den Fidschiinseln verkauft worden. Es bedurfte im ersten Falle der Mitwirkung des Probstes von Jerusalem, der zufällig am Orte war, um die Irrtümer festzustellen, der Durchsicht umfangreicher Literatur, um sie zu berichtigen. Im zweiten Falle habe ich mir mit Fachleuten lange den Kopf zerbrochen, bis wir durch eine wahre Nick-Carter-Arbeit auf das Richtige kamen. Zahlreiche andere, und zwar Glanzfilme jenes erdkundlichen Musterprogramms, die wir teuer bezahlt hatten, mußten wegen der Unmöglichkeit, ihren Gegenstand trotz der Beihilfe von Fachleuten festzustellen, ausgemerzt werden, und ich weiß heute noch nicht, was sie bedeuten. Die meisten, die wir brachten, erhielten ihren Wert, ihr brennendes Interesse erst durch Erläuterungen, die wir den Zuschauern geben konnten, weil wir in monatelanger mühsamer Durchackerung der Literatur diejenigen Hinweise gefunden hatten, von denen die lächerlichen Begleittexte der Firmen nichts wußten. So erhielt der Film „Flußfahrt auf dem Avon in Neuseeland“ — an sich eine der schönsten Aufnahmen, die ich kenne (Urban) — doch sein ich möchte sagen: pikantes, unmittelbar ergreifendes, nicht nur menschliches, sondern auch erdkundliches Interesse erst dadurch, daß wir die Urgeschichte der Riesen- und Trauerweiden aufstöberten, die an beiden Ufern wogten. (Sie sind Abkömmlinge eines einzigen Reises vom Grabe Napoleons auf St. Helena, und zugleich ein Musterbeispiel für die Gier, mit der der Boden Neuseelands fremde Einführungen aufgenommen hat.) Diese Beispiele könnte ich ins Unendliche vermehren. Über die Ursachen dieser Mängel habe ich mich in „Kino und Kunst“ ausgelassen.

Jede erdkundliche Aufnahme muß mit ihrem eignen Tagebuch verbunden sein, d. h. es müssen ausführliche Angaben nicht nur über Ort, Datum usw. der Aufnahme, sondern vor allem über ihre Einzelheiten gemacht werden, auch solche, die im Augenblick nebensächlich oder selbstverständlich erscheinen. Ich würde vorschlagen, zunächst jedem Negativ einen Aufnahmezettel folgender Art beizugeben (s. S. 39.)

Die Angaben unter A werden vom Aufnehmenden ausgefüllt, die unter B von der entwickelnden Anstalt usw. Den Abschnitten entsprechende Schlußzeichen und Vermerke werden mit Bleistift auf dem Rohfilm angebracht. Außerdem aber sind in einem besondern Tagebuch (unter der in Sp. 1 vermerkten Nummer und Wiederholung der Bezeichnung in Sp. 3) genaue Angaben über den Inhalt des Films zu machen, als:

Nr. Bilderreihe: „Neu-Seeland“ A
Aufgenommen von .............
Rohfilm ...............
Apparat ...............
Nr. Tag
Stunde
Ort
Gegenstand
Personen usw. Blende
Beleuchtung
Dauer
Tempo, Länge
Bemerkungen
1. 14. III. 1914
11½ v.
Geiser „Wairoa“ Hintergrund X......Berg Bedeckt
Bl. 2
40 Sek.
Normal
(etwa 14 m)
Dampf und heiß. Wasser, nicht sehr hoch, vorn links flüchtender Mann
2. 14. III. 1914
n
Geiser „Feder d. Prinzen v. Wales
Prince of Wales Feather
    Klar
Bl. 3
70 Sek.
(etwa 25 m)
Kennzeichen: mehrere wie ein Federbusch auseinanderfahrende Strahlen, durch Schlamm usw. schattiert
      Hierzu: drei Photos
3. 16. III. 1914 Dorf X...... bei Napier Poi-Tanz (Näheres Tageb.) Klar
Bl. 2
30 Sek.
Normal
(etwa 10 m)
Anmarsch mit Gesang
4. " " "
Fortsetzung
" 40 Sek. Erster Tanz
B
Firma ......
Entwicklung ..............
 
Nr. Erhalten am Entw. Ergebnis Bem. f. d. Kopie Dauernde Nummer d. Negativs Verbleib Verwendet in
1. 12. IV. 1914 17. IV. 1914 Sehr hell verstärkt Viragieren 342 N. S. 1316 Serie: Neu-Seeland 1316
Serie: Wasserwunder 227
2. " " Gut 343 " wie 342
               
3. " " Gut Virage 344 " Serie: Neu-Seeland 1316
Serie: Volkstänze 2703
4. " " " " 345 " "

Allgemeiner Sinn und wissenschaftliche Bedeutung der Aufnahme.

Die Namen (nebst Aussprache!) und Kennzeichen aller Einzelheiten der Örtlichkeit (Berge, Wasser, Ansiedlungen, Bäume, Tiere) und kinematographisch hervorragenden Personen (Name, Stand oder Beruf, Tätigkeit im Bilde, Kennzeichen, Tracht, Waffen usw.).

Verlauf der Szene, Geschehnisse, Bewegungsvorgänge.

Dabei wahrgenommene, im Bilde nicht wiedererscheinende, daher zu ergänzende Nebenerscheinungen (Geräusche, Farben, eventuell Maße, Reden, Ausrufe, Liedertexte, Noten usw.) und andere wissenswerte oder wissenschaftlich nötige oder interessante Einzelheiten.

Es ist einleuchtend, daß erst durch diese gedanklichen Ergänzungen der Film seinen höchsten gegenständlichen und eventuell erscheinungsgeschichtlichen Wert erhält. Ebenso einleuchtend aber ist es, daß diese Erläuterungen nur von einem Fachmann, jedenfalls einer dem Gegenstand wissenschaftlich ganz gewachsenen Persönlichkeit gegeben werden können, und zweitens, daß nur selten ein und dieselbe Person das Bild aufnehmen und die nötigen Beobachtungen und Notizen dazu machen kann. Ja häufig werden sich in letztere Arbeit allein mehrere Personen teilen müssen.

Die Unzulänglichkeit der bisherigen geschäftsmäßigen erdkundlichen Kinematographie beruht letzten Endes darauf, daß sie zumeist von ganz unberufenen Laien nach reinen Geschäftsgesichtspunkten gemacht wird. Die geschäftlichen Gesichtspunkte bewirken, daß die meisten Bilder von den großen Heerstraßen der Cookweltreisenden gemacht werden, wo sie natürlich selten mehr ein wirkliches Stück natürliche Natur zeigen, sondern fast immer jenes Fremdenindustrieelend, das alles, lebende und tote Dinge, und die Menschen zumeist, auf den Fremdenfang „frisiert“ zeigt. Wer die üblichen Kinobilder daraufhin beobachtet, wird das sehr häufig bestätigt finden. Derselbe Beweggrund bewirkt, daß zumeist fade „Sensationsszenen“ unter der Herrschaft superlativer Schlagwörter („die größten ... die berühmtesten ... der Welt“ usw.) und mit alberner, theatermäßiger Staffage gemacht werden, weil sie so vermeintlich besser „ziehen“. Dasselbe bewirkt die erdkundliche Unbildung der meisten „Operateure“. Sie gehen nicht nach dem, was erdkundlich wichtig und fesselnd ist, sondern nach dem, was sich am tüchtigsten bewegt — und wenn sie mal etwas Wertvolles erwischen, so wissen sie selber nicht warum, und die Sache bekommt dadurch etwas Schiefes. Wenn irgendwo, so ist auf dem Gebiete erdkundlicher Aufnahmen eine enge Verbindung kinematographischer mit wissenschaftlichen Fachleuten im beiderseitigen Interesse geboten. Mit dem ungeheuern Kapital, das von den Firmen in erdkundliche Aufnahmen gesteckt wird, ließe sich ein Material von unermeßlich sachlichem Werte aufhäufen, das sich aber auch durch ein zehnfach und hundertfach gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit viel glänzender als jetzt verzinsen ließe. Die großen Firmen klagen ja alle, daß sie mit ihren Naturaufnahmen schlechte Geschäfte machen, daß trotz des großen Aufwandes kein rechtes Interesse dafür, am wenigsten bei Fachleuten, aber nicht einmal bei Schulbehörden zu erwecken ist. Nun, das liegt einzig und allein an der Unsachgemäßheit der Aufnahmen. Ohne maßgebende Mitwirkung erdkundlicher Fachleute, und zwar Spezialisten, bei der Wahl, Vorbereitung, Ausführung und nachhaltigen Behandlung kann keine erdenkliche Aufnahme von höherm Werte und wissenschaftlich erzieherischer Brauchbarkeit entstehen. Geographische Fachleute aber können dadurch, daß sie derartige Aufnahmen machen helfen — aber natürlich nicht als eine „populäre“ Spielerei, mit der man eigentlich seiner Würde etwas vergibt, und der man nur die Brosamen zugute kommen läßt, die vom Tische „ernster“ Wissenschaft abfallen, sondern mit voller Hingabe und Gewissenhaftigkeit, und nach eingehender schülermäßiger Einübung — nicht nur sich selber und der Wissenschaft manche kühne Hoffnung erfüllen, sondern auch ein tüchtiges Stück Arbeit im Dienste der allgemeinen Bildung, der Ausbreitung erdkundlichen Wissens und des Interesses an und des Verständnisses für diese Wissenschaft tun. Hier liegt der Keim aller Kinogesundung und der Hebel, den Kino zu einem Kultur- und Bildungswerkzeug zu machen, und die Geographen sind die berufenen Mitarbeiter dazu. Es ist keine Schande für sie, in diesem Sinne über den Kreis ihrer engern Fachinteressen hinaus zu blicken.

Besonders möchte ich hier auch noch auf den Nutzen hinweisen, den beide Teile davon haben könnten, wenn sich Kinoleute und Missionare in aller Welt verständigten. Die letzteren sind naturgemäß oft große Kenner der Erd- und Völkerkunde ihres Gebiets.


  1. 3) Und zwar leider dennoch auf Nimmerwiedersehen! Bei Nachforschung stellte sich heraus, daß das unschätzbar wertvolle Negativ nach einer gewissen Anzahl Kopien wie üblich „vernichtet“ worden ist — eine bezeichnende Illustration zum Thema „Traum und Wirklichkeit in der Kinematographie“. Filmarchive!

III. Schulerdkunde und Kino

Wer das Bisherige aus dem Interesse des Lehrers und Jugend-Erziehers heraus gelesen hat, wird die Fragen so weit geklärt gefunden haben, daß wir nunmehr die besondere Frage des Kinos im erdkundlichen Schulunterricht ohne zu viel Belastung mit Selbstverständlichem und Allgemeinem in Angriff nehmen können. Es handelt sich wohl vornehmlich um drei Fragen, erstens: welche besondern Anforderungen sind etwa an Unterrichtsfilme zu stellen, zweitens: wie bekommt man sie und drittens: wie gestaltet sich die Vorführung und der ganze Unterricht?

Daß die Kinematographie im Schulunterricht, und vor allem im erdkundlichen, eine große Rolle zu spielen berufen ist, ist schon zu oft von Fachleuten anerkannt worden, als daß wir noch viel Worte darüber machen zu müssen glauben. Etwaige Zweifler hoffe ich besonders durch die allgemeinen Ausführungen im ersten Abschnitt beruhigt zu haben. Selbstverständliche Voraussetzung ist die Umrahmung des Bilderanschauungsunterrichts durch gesteigerte Eigenanschauung einerseits und durch gedankliche Vorbereitung und Verarbeitung des Stoffes anderseits. Der naturgeschichtliche Schulunterricht geht ja in noch engerm Sinne als die Wissenschaft auf Begriffe aus. In der ganzen Richtung der heutigen Pädagogik liegt es aber, diesen Begriffen durch erhöhte Anschauung die Wage zu halten und sie vor Verkrüppelung zu bewahren. Daß hierbei die unmittelbare Naturanschauung bei weitem das Wichtigste und ihre Ausdehnung das Nötigste ist, ist zweifellos. Ich rede einer Ausdehnung des Anschauungsunterrichts durch Ersatzmittel (also auch durch Kinematographie) nur unter der Bedingung das Wort, daß sie einen Teil einer umfassenden Gesamtunterrichtsreform bildet, in derFreiluftbildungder wichtigste Programmpunkt ist. Ohne das wirkt jede Erweiterung des Ersatzmittelanschauungsunterrichts unverdaulich, und der Kino im Schulunterricht geradezu irreführend und verbildend.

Unter Wahrung dieser Voraussetzungen aber bildet der erdkundliche Film das zeitsparendste, echteste und beredteste Mittel zur Vorbereitung eigner Anschauung und zur Vergleichung und richtigen Erfassung des den Schülern nicht sinnenfällig zu machenden Stoffes. Hierzu kommen aber nicht nur ausschließlich fachgemäß und kunstgerecht aufgenommene und vorgeführte Filme in Betracht, sondern wiederum nur solche, die die besondern Wünsche der pädagogischen Fachleute erfüllen, und möglichst von vornherein auch unter ihrer Beratung, Mitwirkung und Begutachtung hergestellt worden sind.

Die Wünsche der Lehrer werden dabei besonders zweierlei Filme bevorzugen: solche, die in immer weitern Kreisen vom engsten ausgehend die Heimat darstellen, und solche, die von diesen und andern erdkundlichen Gegenständen das Typische in besonderer Klarheit und Vollkommenheit hervorheben. Zu den letztern werden auch solche Filme gehören, die z. B. die Drehung der Erde in schematischer Weise veranschaulichen. Eine allgemeine Forderung, die zum Teil durch die genannten Eigenschaften erfüllt werden würde, ist die, daß der Kino im Unterricht nicht zerstreuend, sondern eben belehrend wirken soll.

Anderseits wird die Zahl und Mannigfaltigkeit der Filme, die im Schulunterricht benötigt werden, verhältnismäßig gering sein. Es handelt sich ja im großen und ganzen in allen Schulen für alle Schülergeschlechter um ein und denselben Lehrgang, der in den höhern Schulen ausführlicher, in den niedern einfacher immer wiederkehrt. Es würde also wohl möglich sein, eine typische Liste wünschenswerter Bewegungsaufnahmen für den erdkundlichen Unterricht in allen Schulen z. B. Deutschlands aufzustellen. Diese Aufnahmen wären für engere Bezirke durch Heimataufnahmen zu ergänzen.

Diese Verhältnisse weisen darauf hin, daß Schulfilme als solche eine Sache für sich sind, die einer besondern Organisation zu unterwerfen sind und am ehesten von Kinotheatern und dem üblichen Geschäftsturnus unabhängig gehalten werden können. Sehr wohl könnte eine Reichsvereinigung aller Schulkinointeressenten die Herstellung der benötigten Filme selbst in die Hand nehmen, sie könnte ein gemeinsames Negativarchiv schaffen, von wo aus die benötigten Positive an die Einzelstellen geleitet werden könnten. Diese wären wieder nicht die einzelnen Schulen, sondern landschaftliche und örtliche Schulverbände, die sich gemeinsam die nötige geringe Zahl von Positiven anschaffen würden. Diese würden dann in einem geregelten Verleihungskreislauf jeweils vor alle Schüler gebracht werden. Das noch übrige, die kinetographische Einrichtung, müßte m. E. jede Schule einzeln besitzen, da es niemals gedeihen kann, wenn der kinematographische Unterricht jedesmal mit ganzen Klassenwanderungen durch die Straßen zu der oder jener Projektionsanstalt verbunden sein müßte. Damit ginge zuviel Zeit verloren, und die Ablenkung wäre größer als der Gewinn. Vielmehr könnte das Physikzimmer oder auch der Festsaal in jeder Schule dazu eingerichtet werden, und die Erdkundestunde würde dann immer dorthin verlegt werden.

Neuerdings sind von verschiedenen Firmen Apparate von so geringem Umfang und einfacher Handhabung (für Normalfilme) in den Handel gebracht worden, daß mit ihnen auch in jeder Schulklasse Bilder von etwa 100 × 80 cm vorgeführt werden können. Die Lichtquelle bildet eine Glühlampe ohne Lichtgehäuse, die an die Hausleitung oder eine kleine Batterie angeschlossen werden kann. Auch dann wäre die Einrichtung gar nicht so schwierig, wenn, was wegen der besondern Verhältnisse recht gut möglich, eine andere kleine oder mittlere (Salon- oder Schul-)vorstellungseinrichtung gewählt werden könnte. Es würde sich ja nur darum handeln, daß ein Typ, wenigstens nur die auf ein Filmformat eingerichteten Typen für alle Schulen vereinbart würden. Die Wahl eines solchen Typs würde es auch erleichtern, daß besonders die Aufnahmen aus der engern Heimat von Lehrern selbst hergestellt werden könnten. Wohlhabende und anspruchsvolle Schulen könnten einen großen Kinoapparat daneben bereithalten, um auch mal etwas Besonderes zeigen zu können.

Alles hier Gesagte ist aber noch Zukunftsmusik, und es bleibt die Frage zu besprechen, wie sich erdkundliche Bewegungsbilder zurzeit in den Unterricht einfügen ließen.

Dazu gibt es nun zwei Wege: gelegentliche Einzelvorstellungen von Unternehmern oder Liebhabern in der Schule oder das Mieten oder der gemeinsame Besuch von Kinotheatern. Die Einzelanschaffung von Apparaten für Schulen ist aus Gründen, die ich nebst der ganzen Frage besonders im „Buch vom Kino“ behandeln werde, und mit der sich übrigens ein weiteres Bändchen dieser Bücherei gesondert beschäftigen wird, zurzeit unmöglich, d. h. unwirtschaftlich. Zu Einzel„gastspielen“ wird die Gelegenheit aber auch selten sein (auch dürften sie sich schwerlich lohnen); und so bleibt zurzeit als Hauptsache die Verbindung der Schule mit Kinotheatern.

Was darüber allgemein zu sagen ist, gehört ebenfalls an einen andern Ort. Bemerken will ich nur, daß u. a. in Hamburg 30 000 Schulkinder mit Genehmigung der betreffenden Behörde unter Leitung des dortigen Lehrerkinoausschusses vormittags — zur Schulzeit — in ein Kino geführt wurden, um dort ein von mir mit großer Mühe und Kosten geschaffenes erdkundliches Musterprogramm zu sehen. Einige Veränderungen und Abstreichungen, die man sich zu machen bemüßigt fand, boten freilich den Vorwand, meine Autorschaft zu verschweigen und andere damit zu schmücken. Immerhin zeigt die Gelegenheit, daß es geht. Daneben aber können Kinotheater sich die Förderung der Lehrer und Schulbehörden sowie Vormittagseinnnahmen usw. dadurch sichern, daß sie erdkundliche wie überhaupt naturwissenschaftliche Vorstellungen unter Wahrung aller hier und in „Kino und Kunst“ geltend gemachten Gesichtspunkte und unter Ausschluß aller andern Sachen bieten. Da werden sie dann freilich wieder mit dem Grundübel, der schwierigen Beschaffung guter und der Hebung mangelhafter Filme, zu kämpfen haben. Und bestehen bleibt der Einwand, daß derartige Dauervorstellungen gehäufter Gegenstände vom erzieherischen Standpunkt aus immer ein mit vielen Gebrechen behaftetes Nothilfsmittel bleiben.

Den ernsthaften und über vollkommene Mittel verfügenden Unterricht der Zukunft denke ich mir nämlich keineswegs so, daß nun die Erdkundestunden eine Art lustiges Kinotheater werden. Vielmehr wird es sich darum handeln, in einer Stunde oder auch je mehrern einen Begriff durch reichliche Vorbehandlung allmählich so weit in den Köpfen klar werden zu lassen, daß er endlich durch die — nötigenfalls wiederholte — Vorführung eines einzelnen Bewegungsbildes gleichsam in höchster Wirklichkeitskraft zusammengefaßt wird. Ein Kinobild darf nicht eher erscheinen, als bis alle Schüler in ihm nicht mehr das Stoffliche allein, sondern durch es hindurch gleichsam die verkörperten Begriffe sehen, um die es sich handelt. So mag zuerst die Lehre von der Kugelgestalt der Erde in der üblichen Weise vorgetragen werden: Feststellung des falschen Scheines, seine Bezweiflung, Aufzählung ihm widersprechender Erscheinungen des täglichen Lebens, Veranschaulichung der wirklichen Verhältnisse durch schematische Zeichnung, durch Globus usw., Feststellung der Größenverhältnisse durch Zahlen usw., dann ausführliche Besprechung des sich daraus ergebenden Anblicks etwa von einem senkrecht aufsteigenden Ballon aus, und dann erst, nachdem alle diese Erscheinungen selber gleichsam errechnet haben, ihre Bestätigung durch das vom Ballon aufgenommene Kinobild, das das Aufsteigen ferner Kirchturmspitzen, dann des Daches, der Kirchwände usw. zeigt. In ähnlicher Weise wird ein andermal, auch nach Lesung klassischer Beschreibungen, ein Stück Wüste nebst Oase usw. vorgeführt. Nur in dieser Behandlung würde der Kino im Erdkundeunterricht nicht zerstreuend und verwirrend, sondern wahrhaft begriffbefestigend wirken. Die „Schülerprogramme“, die zurzeit manchmal öffentlich oder geschlossen gezeigt werden, sind — abgesehen von allen Mängeln — nur hübsche, der Erholung dienende Veranstaltungen zum Lohn für saure Wochen —; mit der Kinetographie als Unterrichtshilfsmittel haben sie so gut wie gar nichts zu tun. Ja sie haben — eben infolge der falschen Maßstäbe, die sie lieferten — mehr zur Hemmung als zur Förderung ernster Schulkinematographie beigetragen.

Inzwischen ist in dieser Sammlung über den Gegenstand die überaus reichen Stoff bringende Sonderschrift von Prof. SellmannKino und Schule“ erschienen, auf die ich besonders verweise.

IV. Kinoerdkunde im Theater und in der Öffentlichkeit

Wenn ich dem Gegenstand „Öffentliche erdkundliche Vorstellungen“ einen räumlich nicht sehr umfangreichen Abschnitt widme, so liegt das nur daran, daß Wesentliches — und zwar unentbehrlich Wesentliches — darüber in den vorangegangenen und den folgenden Abschnitten, vor allem aber in meiner Schrift „Kino und Kunst“ enthalten ist. Besonders in letzterer habe ich ausführlich nachgewiesen und begründet, weswegen erdwissenschaftliche Darstellungen die Haupt- und vornehmste Aufgabe für den Kino sind; ich habe dort aber auch so eingehend wie möglich beschrieben, wie derartige Aufführungen als Gesamtkunstwerk beschaffen sein müssen, wenn sie Wert haben sollen. Daselbst ist, und ausführlicher in dieser Schrift wiederholt, auch angegeben, wie schon bei der Aufnahme selber die Rücksicht auf meisterhafte Vorführungswirkung beginnen muß, und welche Anforderungen die Filme sachlich erfüllen müssen. Es ist somit nunmehr jedem Mißverständnis vorgebeugt, von was für einer Art von geographischen Vorstellungen ich mir den Erfolg verspreche, von dem hier die Rede ist. Es kann mir ganz und gar nicht mehr entgegnet werden, erdkundliche Filme „interessierten“ das Publikum nicht, da die Filme, an denen solche Erfahrungen gemacht worden sind, weder selbst noch so, wie und in welcher Umgebung sie aufgeführt wurden, eine höheres Interesse hatten. In dieser Schrift sind wiederum schon mehrmals die starken Fäden aufgewiesen worden, die sowohl die erdkundliche Forschung wie den erdkundlichen höhern und Schulunterricht mit den Kinotheatern und der ganzen Organisation des Filmmarktes verbinden. Hiervon soll noch besonders die Rede sein. Jedenfalls wiesen wir darauf hin, daß zur Erreichung einer anständigen Höhe der öffentlichen Kinematographie diese nicht nur emporsteigen, sondern auch erdkundliche und erzieherische Wissenschaft zu ihr „hinabsteigen“, besser gesagt, sie eng zu sich heranziehen müssen. Hinzuzufügen wäre, daß wieder das eigens hierzu eingerichtete Kinotheater der eigentliche Mittelpunkt öffentlicher Vorführungen ist und bleibt. Vereinez. B. Volksbildungs-, kaufmännische Vereine — werden selten in der Lage sein, eigne Vorstellungen ohne Mithilfe der Kinotheater und anders als in deren Räumen zu veranstalten. Das liegt in der Organisation des Geschäfts begründet, wovon ich das zu wissen Nötige, soweit es nicht der nächste Abschnitt bringt, im „Buch vom Kino“ mitteilen werde. Aus demselben Grunde sind die Einrichtungen nach Art der Urania in Berlin und Wien, des „Poloptical Institute“ in London usw. auf diesem Gebiete vor den Kinotheatern im Nachteil; ihnen ganz eigentlich und viel mehr als den Menschentheatern sind die Kinos eine „Konkurrenz“, vor der sie sich nur dadurch retten können, daß sie sich nach Organisation und Vorführungsplan ganz in ihre Reihen stellen, d. h. selber „Kinotheater“ werden. Das in den zu einer Vorstellung nötigen Filmen enthaltene Kapital kann — abgesehen natürlich von der Mithilfe von Wohltätern oder öffentlichen Mitteln — nur ein Ring von regelmäßigen Abnehmern verzinsen, deren ganzer Betrieb also auch gleichmäßig geregelt sein muß.

Öffentliche erdkundliche Vorstellungen werden also in der Hauptsache immer „Kinovorstellungen“ bleiben, und darüber freuen sich ausnahmsweise mal die Kinobesitzer und die ganze „Fachwelt“ ebenso wie die bösen „Kinoreformer“. Denn diese wünschen nicht nur sich und ihren Freunden in erster Linie musterhaft ausgebildete „Erdkundeabende“ um des Genusses willen, sondern sie versprechen sich auch gerade davon die unwiderstehliche Verdrängung minderwertiger Kinodarbietungen. Um so mehr haben wir Ursache, dem Thema „Kino und Erdkunde“ im engern Sinne peinlich genau nachzugehen, um zu prüfen, ob wir uns nicht Täuschungen hingeben, denen dann früher oder später die Ernüchterung folgen muß. Warnend steht uns ja das Schicksal all der „Panoramen“ vor Augen, in denen allwöchentlich oder öfter wechselnd erdkundliche Stereoskopbilderreihen gezeigt werden, und die trotz des Reizes und des Lehrwerts des Dargebotenen meist sozusagen „am Hungertuche nagen“. Überhaupt bildet ja der Mißerfolg so manches gut und „bildend“ oder „lehrreich“ gemeinten und angefangenen Unternehmens das Hauptschlagwort aller Gegner einer Veredlung geistiger Volkskost.

Das Kinotheater hat aber vor dem „Panorama“ und ähnlichem dreierlei voraus: erstens eine viel günstigere wirtschaftliche Organisation überhaupt, die ihm ständigen Wechsel des Dargebotenen ohne Belastung des einzelnen mit bleibenden Filmanschaffungen ermöglicht; zweitens den unvergleichlich mannigfaltigen Reiz seiner Techniken, der sich durch kunstgemäße Vorführung vielfältig steigern läßt. Drittens die ständige „Aktualität“, d. h. das — leicht zu erhaltende — Tagesinteresse des Vorgeführten. Dadurch, daß die Kinematographie täglich neu aus aller Welt ihre Bilder holt, kann sie auch das täglich neue und besonders Fesselnde zeigen. Allerdings wäre sie in der Lage, gerade diese „Aktualität“ — den intimen Augenblicksreiz ihrer Vorführungen dadurch noch besonders zu steigern, daß sie den unermeßlichen Schatz ihrer einmal eingeheimsten erdwissenschaftlichen Negative beweglicher und anpassungsfähiger als bisher zur Ergänzung aktueller Programme bereithielte. Nicht die Einzelaufnahme ist in der Regel „aktuell“ in dem Sinne wie etwa eine Zeitungsnachricht — sondern im „Programm“ muß die Aktualität liegen. Wirklich „aktuelle“ Einzelaufnahmen sind gewöhnlich überhaupt nicht möglich, da „aktuelle“ Ereignisse sich nicht so anzukündigen pflegen, daß der Kino rechtzeitig dazu kommt; und der Weg des Films von der Aufnahme durch die Ateliers und die Vertreterräume in die Kinos ist für gewöhnliche Fälle immer noch zu lang. Seine bedeutende Beschleunigung für erd- und völkerkundliche Aufnahmen — wozu zum Teil ja auch politische zu zählen sind — wäre sehr zu wünschen.

Ein Programm „aktuell“ zu gestalten, dazu reicht aber die Zeit immer noch aus. Das ist überhaupt viel mehr Sache der geistvollen und lebendigen Behandlung des Ganzen durch den Leiter, als der zufälligen Beziehung auf Tagesereignisse. Diese letztere Beziehung sollte — besonders in erdkundlichen Vorstellungen — überhaupt nicht die Hauptsache sein. Wenn auf dem Balkan Krieg ist, so kann die Kinematographie von dem, was wohl lohnend wäre — Schlachten und all die Begleitgreuel des Krieges — in der Regel nichts bringen, weil es erstens ein zu großes Wagnis für den Aufnehmenden, zweitens mit zu großen technischen Schwierigkeiten verbunden wäre, namentlich die Ereignisse nicht vorher zu berechnen wären, drittens es zumeist von den interessierten Parteien verhindert würde, und endlich, wenigstens in diesem Falle — die Vorführung der Aufnahmen wohl gar anstößig, aufhetzend usw. gefunden werden würde. Das letztere leider ohne daß man sich erfolgreich dagegen wenden könnte, solange nicht der Gegenstand, sondern die übliche Art der kinematographischen Behandlung so geschmacklos und dumm ist. In Ermangelung derartiger Aufnahmen dann irgendein Landschaftsbild aus Serbien oder Albanien zu geben, ist aber — abermals in Anbetracht der Art dieser Aufnahmen — etwas, was wenig Dank beim Publikum findet. Besserung, d. h. Erfolgsbürgschaft könnte nur durch eine Reihe von Aufnahmen geboten werden, die in der in meinen Schriften angegebenen Weise gemacht, zusammengestellt und vorgeführt würden. — Aber es gibt eine Menge geographischer Aufnahmen — und gerade dieser —, die nicht durch Beziehung auf ein einmaliges Tagesereignis, sondern auf Gedanken, Bewegungen, Strömungen, Interessen „aktuell“ sind, die auf längere Zeiträume die Hirne der Besten beschäftigen, und von da auch durch tausend Kanäle der Presse usw. in die große Masse gelangen. Einer der wichtigsten dieser Gedanken ist der vaterländische, mit seiner von ihm unzertrennbaren Kehrseite, dem internationalen Interesse. Wir müssen uns gegenwärtig halten, daß jeder Film ein „Vaterland“, eine Menschenheimat und je nachdem ein Stück nationale Landwirtschaft, Industrie, Verkehrswesen, Kunst usw. vorführt. Bei uns leider meist nur ausländische „Heimatbilder“, die bei uns Deutschen mehr oder minder beabsichtigt, uns mehr oder minder bewußt für die Eigenart, die Erzeugnisse, die Fruchtbarkeit usw. des betreffenden Landes werben. D. h. sie erfüllen uns nicht nur (erfreulicherweise!) mit dem Gefühl warmer menschlicher Teilnahme, die überall leicht erweckt werden kann, wo wir unbefangenes menschliches Glück, besonders aber tüchtige Leistungen sehen, sondern sie veranlassen uns auch, Erzeugnisse des Auslandes zu kaufen und zu schätzen, unsere Reisen dahin zu richten, unter Umständen ziehen sie auch wertvolle Volksgenossen zu Tausenden dahin. Ganz bewußt im Dienste solcher Zwecke arbeitet bekanntlich z. B. zurzeit Kanada. Aber nicht minder bewußt und unwillkürlich stehen auch die Filmfirmen Frankreichs, Englands, Amerikas, Italiens, Norwegens im Dienste ihrer Länder, geben uns ein anschauliches, werbendes Bild von ihrer Größe und Macht, ihrem Wohlstand, ihrer Arbeit; lassen uns an eindrucksvollen politischen Ereignissen wie am intimen Leben ihres letzten Dorfes teilnehmen. Es ist gar nicht abzusehen, wieviel infolgedessen diese Länder im Vergleich zu andern der Vorstellung breitester Kreise im Auslande nahe gerückt sind, und in welchem Grade das ihrer Exportindustrie, aber auch ihren mehr geistigen Interessen genützt haben mag. Fern liegt es mir, dieser Form anständigen Wettbewerbs um unsere Achtung, unsere Freundschaft, unser Verständnis und — unsere Kundschaft irgendwelche Einschränkung zu wünschen. Aber wo bleiben wir? Bekanntlich werden in Deutschland außerordentlich wenige Filme hergestellt, am wenigsten erdkundliche usw. Ausnahmen tauchen freilich auf, aber es wäre wertvoll, einmal festzustellen, wie weit deutsche Landschaften, landwirtschaftliche, Industrie-, Volkslebenaufnahmen in den Theatern Frankreichs, Englands, Italiens, Amerikas usw. auch zur Anschauung gebracht werden, und ob man dort etwa von den deutschen Mittelgebirgen, Strömen und Städten, vom Spreewald und vom Schwarzwald, von der deutschen Eisen- und Maschinenindustrie, unserer Volks- und Arbeitsorganisation usw. usw. ebensoviel und häufig zu sehen kriegt, wie wir etwa von der Herstellung der Ölsardinen in Frankreich, Italien und Afrika und dem Teebau in China. Für uns selber hätten natürlich diese Aufnahmen nicht minder Wert wie für das Ausland; wir säßen gleichsam hinter der Leinwand, und die Fremden davor. Es ist hier ähnlich wie mit den „Filmen“ zeitgeschichtlichen Inhalts, von denen ich in „Kino und Kunst“ sprach. So wie diese ihren „aktuellen“ Wert, d. h. Gegenwartswert, gerade dadurch erhalten, daß wir sie mit den Augen des fernen Nachkommen betrachten, der die Kulturgeschichte unserer Zeit studiert, so liegt das stetige „aktuelle“ Interesse deutscher erd- und volkskundlicher Aufnahmen darin, daß wir uns sagen: „Das sehen nun in diesem selben Augenblick Hunderttausende und vielleicht Millionen Menschen in der weiten Welt. Hierdurch und so lernen sie Deutschland, seine Schönheit und Eigenart, seine Arbeit und — uns kennen. Ist das der richtige Eindruck, den sie bekommen? Und haben wir Grund, stolz darauf zu sein, oder wäre hier und da etwas zu verschweigen gewesen?“ Natürlich soll dieses „Sehen mit den Augen des Auslandes“ uns nur veranlassen, die eignen besser aufzumachen. Nicht etwa das Bestreben erzeugen, das Ausland als Muster und nachzuahmende Höhe zu vergleichen, sondern im Gegenteil die heimische Eigenart immer mehr zu begreifen, zu lieben und zu fördern. Aber immer nicht in dummem „Partikularismus“, sondern mit Weltblick. Die Kinematographie kann ein gut Stück gesunden internationalen Sinn erziehen, gerade in dem sie recht anschaulich macht, wo die Kraft und Eigenart des Vaterlandes liegt und — wo wir sie nicht suchen müssen. — Wir haben aber auch genug vaterländische Gesichtspunkte, die uns jede gute eigne Heimataufnahme jederzeit „aktuell“ machen. Ich erinnere an Heimatkenntnis, Heimatverständnis, -schutz und -pflege, an die besondern Bestrebungen für Heimat- und Naturdenkmälerschutz, Sitten- und Trachtenerhaltung usw., worauf ich schon hinwies. Ich erinnere ferner an die großen Aufgaben des innern und äußern Kolonial- und Besiedlungswesens. Zeigt uns doch Kinoaufnahmen aus unsern deutschen Kolonien, um uns für sie zu begeistern, lehrt aber auch den Westdeutschen, wie es im Osten hergeht usw.; zeigt dem Gebirgler den Gemüsebau des Elblandes und die Kornfelder der Goldenen Aue, zeigt dem Binnenländler unsere, aber unsere Handels- und Fischerflotte, zeigt uns, wie unser Brot, unsere Kleider, unsere Maschinen gemacht werden, zeigt das Leben der deutschen Volksstämme überall in ihrer Landschaft, zeigt dem weltabgeschiedenen Dörfler das Gewimmel der Großstadt, aber dem Großstädter auch wieder die Arbeit und die Daseinsbedingungen der Landwirtschaft! Treibt Volksverständigung durch den Kino, sowie ihr an Völkerverständigung teilnehmt!

Unzählig sind — wie ich ja eingangs allgemein ausgeführt habe — die Gesichtspunkte, unter denen jedermann heute erdkundliche Vorstellungen aller Art interessant, ja von brennendem Tagesinteresse sind. Wenn sie nur gut sind und richtig vorgeführt werden. Auch heute schon ließen sich wertvolle und dankbare Programme dieser Art für Kinotheater zusammenstellen, wenn auch längst nicht so reichlich wie „dramatische“ und gemischte. Bedingung wäre nur, daß das gesamte, also auch ältere Filmmaterial der Welt dauernd zugänglich bliebe, wovon ich im folgenden Abschnitt spreche. Bedingung für den Erfolg wäre aber ferner natürlich die völlige Lostrennung erdkundlicher Vorführungen von andern, sowohl „dramatischen“ wie auch sonst „naturwissenschaftlichen“ usw. Diese Lostrennung ist erforderlich erstens um der Wirkung der betreffenden Filme usw. selber willen, die ja eine geschlossene Vorstellung mit einheitlicher Idee bilden müssen, und deren meist feinere Reize in Umrahmung durch Sensationsdramen, Possen usw. nicht entfernt zur Vollwirkung kommen würden. Zweitens ist sie erforderlich, weil die Besucherkreise solcher Vorstellungen im allgemeinen völlig andere als die der gemischten und „Sensationsprogramme“ sind. Die einen wollen dies, die andern jenes nicht sehen. Erdkundliche Bilder vertragen sich mit Sensationsbildern wie Feuer und Wasser. Die Kinotheater sollten z. B. — je nach den Verhältnissen — alle zwei Wochen oder jede Woche Montags oder Montags und Donnerstags bekanntgeben:

„Heute: Naturschauspiele,
Kinematographisches Programm ...“

oder etwa die Nachmittage diesem Gegenstand widmen oder jeden Monat eine Woche u. dgl. Die Ankündigung müßte ferner enthalten Angabe des Themas und seiner Gliederung, der einzelnen Bewegungs- und Lichtbilder, des Vortragenden und des geistigen Urhebers, gegebenenfalls auch der Hauptaufnahmekünstler usw. Jeder sieht ein, daß die geistige Urheberschaft eines solchen Programms — umfassend die Zusammenstellung der Filme und Lichtbilder, der Ausarbeitung des Begleitvortrags und der Erläuterungen, der Musik- und Regieangaben usw. — dasjenige ist, wovon wesentlich der Wert und also auch die Werbekraft eines solchen Programms abhängt. Aus hundertmal angegebenen Gründen kann ja der einzelne Kinobesitzer als solcher sein Programm nicht frei zusammenstellen, es muß ringmäßig vorgeführt werden. Die Programmschaffung muß also an Mittelstellen geschehen, wozu Reformkino-Verleihanstalten, aber auch populärwissenschaftliche Vereine usw. berufen wären, in deren Auftrage natürlich jeweils ein einzelner oder ein kleiner Ausschuß die geistige Arbeit zu leisten hätte. Die Vorführung selber würde aber ebenfalls mindestens die Mitwirkung eines Fachgebildeten als Vortragenden und Leiter erfordern. Dieser brauchte nicht jedesmal wissenschaftlicher Geograph, Lehrer oder dergleichen zu sein; im Gegenteil ist hier ja das erste Erfordernis eine gute klare Vortragsgabe und im besten Sinne volkstümliche Wirkung; unerläßlich ist aber auch volles eignes Verständnis für den vorgetragenen Stoff.

Es ist sicher, daß erdkundliche Vorstellungen, nach diesen Gesichtspunkten und in dieser Art gestaltet, großen Erfolg haben würden. Auch hier hat reformbeflissenes, aber zu billigen Zugeständnissen nur zu leicht geneigtes, von keinerlei Sach- und Fachkenntnis beschwertes, „schöngeistiges“ Laientum bereits viel Schaden getan, indem es erfolglose Versuche veranlaßte und sich daran beteiligte, und die Begriffe von dem, was eigentlich anzustreben ist, verwirrte. Entweder es wird mit diesem verantwortungslosen Laientum im Kinoreformwesen unerbittlich geräumt, und sach- und fachkundiger Ernst zieht ein, oder wir müssen alle Hoffnung auf Besserung für lange vertagen.

V. Zusammenschluß und Einrichtungen

Ich habe im vorangehenden gezeigt, wie gerade erdkundliche Kinematographie infolge der Anforderungen, die ihr Gegenstand stellt, aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und endlich wegen der Allgemeinheit und Vielseitigkeit des Interesses, das sie bietet, nicht ohne ein enges Zusammengehen der verschiedensten Mitarbeiter, Fachleute und Interessenten gedeihen kann. Die Aufnahme brauchbarer erdkundlicher Filme kann nicht ohne vorherige Beratung und Planung mit wissenschaftlichen und teilweise Schulfachleuten, und nicht ohne wesentliche Mitwirkung der erstern ihre Leitung und Bearbeitung geschehen. Die wertvollsten Aufnahmen werden von Forschern selber auf ihren Reisen usw. gemacht werden müssen; wo nicht, werden deren Gesichtspunkte und gegebenenfalls gleichzeitig die von Unterrichtsfachleuten für Gegenstand und Art der Aufnahme maßgebend sein müssen. Daneben aber bleibt für Aufnahme wie Ausarbeitung der Filme der technische Fachmann unentbehrlich. Aber diese Sachfachleute sind ebensowenig wie die Einzelinteressenten imstande, die gewünschten Aufnahmen wirtschaftlich zu ermöglichen und auszunützen. Die Kostspieligkeit derartiger Filme einerseits, die Kostspieligkeit und Schwerfälligkeit der zu ihrer Vorführung nötigen Vorrichtungen anderseits verweisen auf einen großzügigen geschäftlichen Organismus für ihre Herstellung, Verteilung und wirtschaftliche Ausnützung. Dieser geschäftliche Organismus ist aber zugleich eine der Eigenschaften der Kinematographie, auf der ihre gewaltige Kulturbedeutung im Guten wie im Bösen beruht. Diese ihre Kulturbedeutung zieht wieder alle diejenigen Schichten und Kreise der Öffentlichkeit unter die engern Interessenten der Kinematographie, denen gesunde und nahrhafte geistige Kost für sich und für ihre minder urteilsfähigen und anspruchsvollen Volksgenossen Gewissenssache ist. So wenig sich die Kino- und Geschäftsleute auf die Dauer ihren Ansprüchen entziehen können, so wenig können Kinoreformer selber irgend etwas unabhängig von jener großen Weltorganisation zu erreichen hoffen. Die Erdkinetographie aber ist, weil sich in ihr die höchste Leistungsfähigkeit des Kinos mit den allgemeinen Interessen aller Kreise deckt, und weil ihre Wesensbedingungen von denen anderer Kinogebiete verschieden sind, gerade dasjenige Gebiet, auf dem — wie eingangs dargestellt — alle Hoffnungen und alle Arbeitskraft und -lust der führenden Geister am reichsten zusammentreffen. Sollen diese Hoffnungen und Kräfte nicht scheitern, so müssen sie sich zu einem Sonderzusammenschluß zusammenfinden, der allen Lebensbedingungen dieses Kinozweiges Rechnung trägt.

Ich möchte meine Auffassung von der dazu nötigen Organisation in den folgenden Hauptsatzungsentwurf kleiden, den ich der Beratung aller Sachverständigen zur Verfügung stelle.

Hauptsatzungsentwurf für eine Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft

1. Die Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft ist eine eingetragene G.m.b.H. aller Körperschaften, Firmen und Personen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Skandinavien, die an erdkundlichen Kinoaufnahmen und ihrer sachgemäßen und geschmackvollen Ausnützung und Vorführung interessiert sind.

2. Die Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft wird die Gründung gleichgerichteter Genossenschaften in allen übrigen Erdteilen anstreben, begünstigen und mit ihnen in Arbeitsgemeinschaft (Kartell) treten, deren Endziel ein Erdkundlicher Kino-Weltbund ist.

3. Zweck der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft ist:

a) vollendete erdkundliche Kinoaufnahmen zu ermöglichen, dadurch, daß dem Geist des wissenschaftlichen Fachmanns in Beziehung auf Gegenstand und Art der Aufnahme die unbedingte Führung eingeräumt wird;

b) diese Kinoaufnahmen ihren wissenschaftlichen, Unterrichts-, Volksbildungs-, Unterhaltungs- und Sammlungszwecken in vollkommener Weise zuzuführen und sie ihnen alle jederzeit zur Verfügung zu halten;

c) sie durch geeignete geschäftliche Organisation wirtschaftlich zu ermöglichen, auszunützen und die Erträge in einer dem Verdienst und Interesse aller Beteiligten entsprechenden Weise zu verteilen;

d) sie zum Ausgangs- und Mittelpunkt aller auf Kinogesundung und -gesunderhaltung gerichteten Bestrebungen zu machen.

4. Zur Erreichung dieses Zweckes dient ein ständiger Arbeitsausschuß, der zu je einem Drittel aus Vertretern der Wissenschaften, der Kinofachleute und Geschäftsinteressenten und aus Vertretern von Schulen und gemeinnützigen Volksbildungskörperschaften besteht. Ihre Wahl geschieht durch geeignete Gesamtverbände der genannten drei Interessengruppen.

5. Die Aufgabe dieses Ausschusses ist es:

a) auf Antrag alle erdkundlichen Kinoaufnahmen nebst Begleit- und Ergänzungsmaterial zu prüfen, zu begutachten und sie, falls sie allen Sachansprüchen genügen, zu kennzeichnen und in ein allen Interessenten zugängliches Verzeichnis einzutragen;

b) alle für die öffentliche Vorführung bestimmten Gesamtvorstellungen oder den Stoff dazu ebenso zu prüfen und die einwandfreien zu bezeichnen;

c) auf Wunsch geplante derartige Aufnahmen und Vorstellungen vorher zu begutachten und zu beraten, Mitarbeiter dazu nachzuweisen usw.

d) die Zusammenarbeit der Interessentengruppen zu vermitteln, und in Streitigkeiten zwischen ihnen zu entscheiden.

6. Für diese Tätigkeit sind für jeden geprüften Film von der betreffenden Filmverlagsanstalt nach der Filmlänge zu bemessende Gebühren zu zahlen, deren Höhe durch die Genossenschaft festgesetzt wird. Von den Gebühren sind die Honorare für die Prüfungsteilnehmer und die sonstigen Geschäftskosten zu bestreiten. Der Überschuß dient zur Bildung eines Vermögens, das ausschließlich für eigne Unternehmungen der Genossenschaft im Sinne ihrer Satzungszwecke verwendet werden darf und im Auflösungsfalle verwandten gemeinnützigen oder wissenschaftlichen Bestrebungen anheimfällt.

7. Die Mitglieder der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft verpflichten sich sämtlich, von der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft bezeichnete Filme nicht mit andern zugleich und nur in dem vom Arbeitsausschuß begutachteten Zusammenhange vorzuführen und als solche zu bezeichnen.

8. Die Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft gibt ein Verzeichnis sämtlicher von ihr empfohlener erdkundlicher Filme heraus, das enthält:

Titel, Ort und Datum der Aufnahme,

die Namen des oder der Aufnehmenden und sonstigen Mitarbeiter und ihre Tätigkeit,

die Verlagsfirma und den Verbleib des Negativs,

die genaue Beschreibung der einzelnen Szenen nebst Längenangabe usw.,

genaue Angaben des Begleitmaterials (eventuell Geräusch- und Musikaufnahmen, ergänzende Lichtbilder, Regieangaben, Vortragstext und dessen Verfasser),

die einzeln zu erhaltenden Teile.

9. Die Negative und ein Positiv der von der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft empfohlenen erdkundlichen Aufnahmen sollen in einer einzurichtenden Mittelstelle geordnet aufbewahrt und verwaltet werden. Interessenten sollen jederzeit die Positive gezeigt und Abzüge auch nach ältern Negativen sowie abgeschlossenen Teilen davon abgegeben werden.

10. Von den von der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft begutachteten erdkundlichen Aufnahmen sollen geschlossene Programme geschaffen werden, die in den der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft angeschlossenen Kinotheatern in zu vereinbarender Weise kreisen werden.

11. Die der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft angeschlossenen Einzelmitglieder zahlen einen Jahresbeitrag von 1 bis 2 M und haben dafür Vorzugspreise in den betreffenden Kinovorstellungen und sonstigen Veranstaltungen.

12. Die der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft angeschlossenen Körperschaften zahlen je nach Bedarf eine jährlich festzusetzende Summe zu den Arbeitskosten.

13. Die Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft wirkt außer durch ihre Verzeichnisse durch eine eigne Zeitschrift, Zeitungskorrespondenzen usw. sowie eventuell eigne Veranstaltungen für die geschaffenen Filme und Programme und für die Bestrebungen der erdkundlichen Kinoreform überhaupt.

14. Der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft angeschlossen und mit ihr im Austauschverhältnis wirken ähnliche Genossenschaften für erdkundliche Schul- und dergleichen Liebhaberkinematographie.

15. Zwecks Verwirklichung dieses Planes wird nach vorangegangener Besprechung in den Fachblättern aller beteiligten Kreise sowie der öffentlichen Presse eine Zusammenkunft von bevollmächtigten Vertretern aller Interessenten zur Gründung der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft an einem Orte innerhalb der unter 1. genannten Länder veranstaltet. Die dazu nötigen Vorarbeiten werden durch einen Geschäftsausschuß der sich Beteiligenden erledigt.


Absichtlich habe ich diesen Entwurf auch in wichtigen Einzelheiten ganz allgemein gehalten, so daß nur der Zweck, die geistigen Leitsätze und die möglichen Grundbedingungen einer solchen Organisation scharf hervortreten. Schon das Vorliegen eines solchen Entwurfs wird m. E. die gute Folge haben, unzweideutig zu zeigen, ob und wie weit es allen Stellen, die für eine Kinoreform in Betracht kommen und sich zum Teil stark dafür ins Zeug legen, Ernst ist. Ich betone ganz besonders, daß meiner Meinung nach weder ein anderer Weg vorhanden ist, um zunächst auf einem Teilgebiete der Kinematographie zum Ziele zu kommen und damit wenigstens den haltbaren Grund zur umfassenden Kinogesundung zu legen — noch diese aus einer (außer in unwesentlichen Punkten) von der in meinen genannten Schriften niedergelegten abweichenden „Auffassung“ hervorgehen kann. Es handelt sich da ja in der Hauptsache kaum um diese oder jene freigestellte „Auffassung“, sondern einfach um die Frage: Sachkenntnis und Sacheindringen oder nicht? Es ist kein Zweifel, daß die bisherigen so gut wie vollkommenen Mißerfolge der Kinoreform (gemessen an ihrem irgend ernst zu nehmenden Ziele) wesentlich auf dem Mangel an Sachkenntnis und Überblick, der Neigung zu verantwortungslosem Nachgeben und oberflächlicher Spielerei beruhen. Auf keinem Gebiete erfordert die Reform so ernste, umfangreiche und gewissenhafte Arbeit, führt dann aber auch so sicher und großzügig zum Ziele, wie auf dem der Kinematographie, denn hier gibt es nur einen geschlossen entgegenstehenden Feind, der entweder gewonnen wird und dann selber das mächtigste Bollwerk internationaler Kinokultur ist, oder weiter trotzt. Eigenbrödeleien sind hier von vornherein zum Mißerfolg verurteilt. Die erdkundliche Kinematographie zum Ausgangs- und Mittelpunkte der Kinetographie überhaupt machen, heißt an sich schon ein Stück Kinoreform tun, nämlich den Kino auf sein Gebiet zurechtrücken. Die erdkundliche Kinematographie und Kinetographie organisieren, heißt nicht nur eine öffentliche Bildungs- und Unterhaltungsquelle gesund machen, sondern zugleich der Schule und der Wissenschaft einen wesentlichen Dienst tun und sie auf ihrem eignen Gebiete um einen großen Schritt fördern.

Zu den Einzelheiten meines Satzungsentwurfs wären Erläuterungen zu geben. Die unten genannten Länder bilden nicht nur nach der vorherrschenden Rasse und nach geschichtlichen Gesichtspunkten eine Art Kulturgemeinschaft, sondern sie haben auch insofern gemeinsame Kinointeressen, als sie alle zusammen im wesentlichen nur „Abnehmer“ sind, d. h. ihren Filmsegen zurzeit hauptsächlich aus dem Ausland erhalten. Eine Ausnahme macht etwa nur Dänemark-Norwegen, insofern dort am Welthandel selbständig beteiligte Filmfirmen vorhanden sind; gerade diese Länder einschließlich Schweden gehören aber um so mehr zu uns, als sie mit Deutschland zusammen schon längst am eifrigsten und tatkräftigsten Kinoreformbestrebungen huldigen. Die gesunde Auffassung von dem wesentlich erdkundlichen Beruf des Kinos dürfte in allen genannten Ländern mehr wenigstens als in den romanischen allgemein einleuchten. Dies freilich auch in englischen Kreisen, aber doch abgeschwächt durch das dortige, wesentlich geringere Interesse an der uns so sehr beschäftigenden „Organisation der Bildung“ und des Schul- und Unterrichtswesens. Auch Deutschland erzeugt ja Filme, darunter ja erfreulicherweise mehr und mehr gute erdkundliche, es überwiegen aber doch wohl „dramatische“ und melodramatische („Tonbilder“) von Berliner Firmen. Sie alle zusammen sind aber von geringer Bedeutung gegen die Auslandeinführung. Aus allen Gründen steht auch diesen Staaten als wirkungsvolles gemeinsames Notmittel der Ausschluß ausländischer Filmeinfuhr zu Gebote. Natürlich ist in andern Kulturländern ein ähnlicher Zusammenschluß gleichfalls zu erwarten, aber unter wesentlich andern Bedingungen. Mit solchen Genossenschaften müßte natürlich zusammengearbeitet werden (2). Anderseits ist ein Zusammenschluß über ein größeres Gebiet als etwa nur Deutschland nötig, da dieses Land als Kundschaft allein nicht eine genügende Macht ausüben würde, um einen wirkungsvollen Druck auf das ausländische Kinokapital auszuüben. — Zum „ständigen Arbeitsausschuß“ (4) könnte nötigenfalls noch eine Berufungsstelle treten. Es muß den Firmen natürlich freigestellt bleiben, ihre erdkundlichen Aufnahmen nach wie vor nach eigner Verantwortung und eignem Geschmack auszuführen, oder aber, wenn sie Wert darauf legen, sie dem großen, von der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft zu schaffenden Turnus einzufügen, sie prüfen und möglichst schon vom Plane an begutachten zu lassen, und dabei die Wünsche und Gesichtspunkte erdkundlicher und Volksbildungsberufsleute als maßgebend zu berücksichtigen. — Ich denke mir unter diesen Umständen den gewöhnlichen Gang erdkundlicher Aufnahmen etwa wie folgt. Die Anregung geht je nachdem von einem Geographen, einem Forschungsreisenden oder dem Kenner eines bestimmten, z. B. heimatlichen Gebietes aus, oder von wissenschaftlichen oder volkswissenschaftlichen Erdkundevereinen, Fremdenverkehrs-, Heimatschutz-, Denkmalsschutz-, Weltnaturschutz- oder sonstigen interessierten Vereinen u. a. aus. Auch Schulbehörden können es sein oder auch Industrievereinigungen, landwirtschaftliche Körperschaften, Firmen; ferner Kolonial- und andere Behörden, die Geschäftsleitungen von Ausstellungen; endlich Private aller Art, und daneben natürlich nach wie vor Filmfirmen usw. Es wird nun, gewünschtenfalls schon durch Vermittlung des Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschafts-Ausschusses, die Planung der ganzen Aufnahme so vorbereitet, daß neben den besondern Wünschen und Interessen der Anregenden möglichst auch den allgemeinen Wünschen und Interessen, besonders auch denen der Wissenschaft und der Volksbildung und -unterhaltung (der allgemeinen Öffentlichkeit) Rechnung getragen wird. Dies geschieht, um sowohl wirtschaftlich wie ideell der oder den Aufnahmen eine möglichst weite und dauernde Verwendbarkeit zu sichern. Nur durch diese wird einerseits ein solches Unternehmen wirtschaftlich ermöglicht und ertragreich, und es wird anderseits erreicht, daß die immerhin nicht häufig wiederkehrende Aufnahmegelegenheit möglichst vollkommen ausgenützt wird. — Die Aufnahme würde nun jedesmal irgendwie unter der Leitung geographischer Fachleute oder doch unter Berücksichtigung ihrer Angaben und der in dieser Schrift angegebenen Regeln von Berufenen ausgeführt werden, als welche sich alsbald besondere Begabungen finden würden, denen eine Mischung von wissenschaftlichem, künstlerischem, Lehr- und technischem Sinne eigen sein müßte. — Die fertigen Filme würden nun nebst ausgearbeiteten Angaben der Filmprüfungsabteilung der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft überwiesen werden, die sie begutachtete, eventuell Anregungen zu ihrer Verbesserung im einzelnen gäbe und die wertvoll befundenen, wie im Entwurf angedeutet, beurkundete und ihnen ein geschütztes Abzeichen verliehe. Die Negative würden — falls nicht gegenteilige Wünsche der Beteiligten vorlägen — der Mittelstelle übergeben, die für sie und ihre den Wünschen des oder der Eigentümer entsprechende Benutzungsweise haftete. Diese Mittelstelle soll — ganz wie der Kommissionär im Buchhandel, oder als eine Art Dauermesse — lediglich der Erleichterung und Beschleunigung des Austausches zwischen Filmverlag und Käufer dienen. Es ist daher kaum anzunehmen, daß ihre Tätigkeit in dieser Hinsicht irgendwie mit andern Interessen in Zwist käme. Sie soll nicht nur die Negative aufbewahren, sondern vor allem auch je ein Positiv, um dies jederzeit „zur Ansicht“ vorführen zu können (dies braucht bekanntlich nicht immer auf der Projektionswand zu geschehen, sondern es gibt auch Apparate für nur je einen Betrachter). Diese Einrichtung soll dem gegenwärtigen Übelstand abhelfen, daß namentlich ältere Aufnahmen, nachdem sie in den Kinotheatern die übliche Frist abgelaufen haben, so gut wie nicht mehr zu erlangen, jedenfalls vom Interessenten nicht mehr zu besichtigen sind. Gerade für sachgemäße erdkundliche Vorführungen ist aber natürlich das Zurückgreifen auf ältere Aufnahmen unbedingt nötig; und die ganze Organisation, wie wir sie hier im Auge haben, wird auch das bisherige Interesse der Verlagsfirmen an der Außerdienststellung ihrer ältern Aufnahmen, namentlich erdkundlicher, beseitigen. Dieses Interesse beruhte namentlich auf der Befürchtung, daß die Möglichkeit der Kinobesitzer, beliebig auf ältere Aufnahmen zurückgreifen zu können, den Absatz der jeweils neuen Wochenschöpfungen unsicher machen könnte. Das wäre aber eine Gefährdung des oft außerordentlichen Kapitals, das namentlich in die im Vergleich mit den meisten erdkundlichen ungleich kostspieligern „dramatischen“ Sachen gesteckt wird. Durch die völlige Loslösung der erdkundlichen Vorführungen von den „dramatischen“ und ihre verabredungsgemäße Beschränkung auf bestimmte Tage oder Wochen (1 bis 2 in der Woche, im Monat oder ähnlich) einerseits, durch den größern, auf dem nunmehr eingeschlagenen Wege erforderlichen Kapitalaufwand und die größere Rentabilität erdkundlich-„aktueller“ Filme anderseits würde jenes Bedenken hinfällig werden. Aus denselben Gründen wäre aber die Abgabe von Filmteilen ebenso im Verbraucher- wie im Hersteller-Interesse gelegen. Wenn ein Gesamtfilm beispielsweise „Bilder aus Bosnien“ heißt, so ist er vielleicht aus Teilen zusammengesetzt, deren einer mehr landschaftlich-geologisches, ein anderer militärisches, ein dritter volkskundliches, ein vierter zoologisches Interesse hat; es wäre ein unbilliges Verlangen, daß nun z. B. ein Zoologe, der ein Programm mit dem zoologischen Abschnitt wertvoll bereichern könnte, den ganzen Film „Bosnien“ kaufen müßte, noch dazu ohne ihn vorher sehen zu können. Zurzeit ist dies aber meistens so, d. h. die Filmfirmen verweigern meist die Abgabe älterer Bilder und erst recht von Teilen älterer Bilder. Der Grund liegt außer in den geschilderten geschäftlichen Bedenken in der Zerstreutheit der Negative in London, Paris, Florenz, Amerika usw., in der Überlastung der Firmen mit der notwendigen Tagesproduktion, die jeweils alle verfügbaren Kopiermaschinen, Hände und Köpfe in Anspruch nimmt, und in der Unmöglichkeit — weil unlohnend — einer geordneten Negativ-Archiv-Führung. Besonders das Heraussuchen einzelner Negativteile, wenn sie nicht von vornherein äußerlich sichtbar bezeichnet sind, würde ja eine zu große Zumutung sein. Eine nur diesen Aufgaben dienende Mittelstelle könnte das aber leicht und schnell leisten.

Auf dem gedachten Wege wären nun also namentlich Forschungsreisende, wissenschaftliche Lehrinstitute, Sammlungen, Schulen usw. bereits in den Besitz derjenigen Aufnahmen gekommen, um die es ihnen zu tun ist; es wäre ihre Privatsache, sich über die Eigentums- und gegenseitigen Entschädigungsverhältnisse auseinanderzusetzen, und die Art der Benutzung bliebe natürlich ganz ihre eigne Sache. In den meisten Fällen wird aber nun als wirtschaftlicher Neben- oder als Hauptzweck die Überführung der Aufnahmen oder eines Teiles von ihnen in den Turnus öffentlicher Aufführungen, besonders also der Kinotheater, erwünscht sein. Diese zu bewirken, bliebe die geschäftliche Aufgabe des „Verlegers“ durch Vermittlung der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft-Mittelstelle; durch deren Tätigkeit und die ganze Organisation würde aber das Ergebnis gleichmäßiger und sicherer erreicht und von vornherein — schon bei der Planung — in gewissem Grade schon mit verabredet und in Rechnung gezogen werden können. Von vorher sorgfältig geplanten und fachmännisch vorbereiteten Kinoaufnahmen etwa einer Expedition durch Tibet oder einer Landes-Naturdenkmäler-Aufnahme ließen sich von vornherein einige öffentliche Programme versuchsweise entwerfen, und deren Ertrag ließe sich, eben infolge der eigenartigen Organisation dieses Geschäftszweiges überhaupt, mit einer gewissen Sicherheit übersehen. Das würde also die vorherige Kostenberechnung solcher Unternehmungen erleichtern. — Bestimmte erdkundliche Theaterprogramme zu schaffen wäre dann aber eine zweite „Autoren“aufgabe, die wieder von verschiedenen Interessenten in Angriff genommen werden könnte. — Für die unter 5 a bis d genannten Zwecke würde der Ausschuß vorteilhaft mehrere ständige „Kammern“ bilden. — Die Tätigkeit der Mitglieder des Ausschusses würde in ehrenamtliche und honorierte zerfallen. Daß jede im Zuge eines geschäftlich angelegten Unternehmens eintretende wirkliche Arbeit und Zeitopferung ihres Lohnes wert ist, ist ebenso selbstverständlich, wie daß eine unverpflichtete und verantwortungslose, rein sogenannt „gemeinnützige“ Tätigkeit auf die Dauer in Verfall gerät und stets zweifelhaften Wert besitzt. Außer Honoraren und Gehältern würden der Mittelstelle durch Einrichtung und Mieten für Geschäfts-, Aufbewahrungs-, Vorführungsräume usw. Kosten entstehen, endlich durch die gesamte Werbearbeit, besonders Zeitschrift und Filmführer. Mein Entwurf begnügt sich mit dem Hinweise, daß dem eine Menge natürlicher und die Industrie keineswegs ungebührlich belastender Einnahmequellen gegenüberstehen. — Zu 7: Keinem der an die Deutsche Erdkundliche Kinogenossenschaft Angeschlossenen kann die Verpflichtung auferlegt werden, nur von ihr begutachtete Aufnahmen herzustellen, zu vertreiben, vorzuführen oder anzusehen. Das Interesse, dies zu tun, kann nur in dem für alle Beteiligten daraus entspringenden tatsächlichen Nutzen bestehen. Anderseits würde natürlich durch Vermischung der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaftsfilme mit andern aus genügend gekennzeichneten Gründen der ganze Zweck und Erfolg des Unternehmens hinfällig. Es muß darauf bestanden werden, daß als Deutsche Erdkundliche Genossenschaftsfilme nur von ihr geprüfte und empfohlene Aufnahmen, aber auch nur in der von ihr angegebenen Weise, und in den Kinotheatern nur im Zusammenhange der von ihr empfohlenen Gesamtprogramme vorgeführt werden. Das letztere aus denselben technischen Gründen, weswegen auch sonst die Kinotheater nicht Einzelfilme, sondern nur ganze Programme leihen können, soweit sie nicht selber die Urheber der letztern sind. — Zu den „Interessenten“ der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft gehören also auch die Lichtbilderfirmen, die erdkundliche Lichtbilder zu verleihen oder zu verkaufen haben. Diese würden, soweit nötig, den Gesamtprogrammen beizufügen sein. — Den sozusagen ursächlich — also geschäftlich, wissenschaftlich oder volksbildnerisch interessierten Kreisen gegenüber wäre nun als wichtige von der Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft zu fördernde Aufgabe ein loser Zusammenschluß der „Schauinteressenten“, d. h. des erdkundlich interessierten Kinopublikums herbeizuführen. Die unter 11 genannte Maßnahme würde m. E. dazu genügen und alles Erreichbare umfassen.


Ich hoffe mit diesem wenigen den Grundgedanken einer Deutschen Erdkundlichen Kinogenossenschaft genügend veranschaulicht und seine Wichtigkeit verständlich gemacht zu haben. Sollte es mir damit gelungen sein, auf Grund jahrelanger Arbeit und umfassender, mit großen Opfern erkaufter Erfahrungen einen Grundstein zu fruchtbarer, schöpferischer, aufbauender Kinogesundungsarbeit gelegt und zugleich der erdkundlichen Wissenschaft und dem Schulunterricht der Zukunft neue Möglichkeiten klären geholfen zu haben, so wäre diese meine Arbeit reichlich belohnt.

Anhang
Ein Blick auf den gegenwärtigen Markt erdkundlicher Filme und Lichtbilder

Mit unermüdlichem Entgegenkommen hat die Lichtbilderei GmbH. in M.Gladbach alles Erdenkliche getan, um meinen Wunsch, einen praktischen Überblick über die zurzeit zugänglichen Quellen erdkundlichen kinematographischen Stoffes zu gewinnen, zu erfüllen. Dennoch würden die auf unsere Rundfragen ergangenen Antworten besonders betreffend der Filmerzeugung ohne die Benutzung anderweitig gewonnener Erfahrungen ein sehr lückenhaftes Bild geben. Der Gesamtüberblick bezeugt sowohl betreffend der Lichtbilder wie der Filme vor allem einen gewissen Mangel an Beweglichkeit in der Organisation, insofern erstens zumeist nur ganze Serien von Lichtbildern und Kinoaufnahmen verliehen (von letztern auch verkauft) werden, zweitens auch dies noch mannigfachen Beschränkungen und Schwierigkeiten unterliegt. Die Unmöglichkeit, die Sachen vorher zur Ansicht zu haben oder sonst prüfen zu können, liegt ja in der Natur der Sache. Sie ließe sich nur — wie im vorangehenden angedeutet — durch eine wohlorganisierte ständige Projektionsbildermesse nebst Zentralverleihstelle und in Verbindung mit einem nach wissenschaftlichen und gemeinnützigen praktischen Gesichtspunkten durchgearbeiteten illustrierten und beschreibenden Realkatalog beheben. Dazu müßte ein beweglicheres Leihaustauschsystem treten. Eine Hauptursache für die verhältnismäßig geringe Rolle, die das Projektionswesen als ernsthaftes Bildungsmittel noch spielt, liegt darin, daß die Bilder, die man nach den Titeln beschafft, selten gerade das zeigen, was man zeigen will. Ist dieser Übelstand auf dem Lichtbildergebiet schon empfindlich, so wirkt er gegen die Ausbreitung der Filmbenutzung geradezu entscheidend.

Da nach unserer Überzeugung das Kinobild, besonders das erdkundliche, fast stets vom stehenden unterstützt werden muß, so geben wir zunächst einen Überblick über die Quellen für erdkundliche Lichtbilder. Zunächst Firmen, die geschäftsmäßig an jedermann verkaufen und verleihen, soweit uns näheres Material vorliegt (alphabetisch):

1. Evangelischer Verein für kirchliche Zwecke, Berlin SW 68, Oranienstr. 105l. Hat besonders aus Missionsgebieten (Kolonien und innere Mission) auch einige geographisch interessierende Serien. Alle Bilder sind koloriert (5 M). Mitwirkung von Kunstmalern, Missionsleuten, Pastoren. Es werden nur Serien verliehen, Texte werden beigegeben. Verleiht auch Apparate.

2. Graystone Bird, Kunstphotograph, 3, Milsom Street, Bath, England. Pflegt besonders das Gebiet von Landschafts- (See-, Wolken-, Winterlandschaften usw.) Diapositiven nach künstlerischen Gesichtspunkten. Wetter, Stimmungen usw., ferner britische und Schweizer intime Aufnahmen.

3. Bruno Hentschel, Leipzig, Kunstverlag (Kollektion Hentschel): Landschaften-, Trachten- und Städtebilder aus dem Orient (Ägypten, Palästina, Syrien, Kleinasien, Konstantinopel, Griechenland). Bilder auch einzeln (15 Pf.), jedoch Mindestgebühr 7.50 M. Versendet zur Ansicht Papierkopien sowie ganze Serien.

4. Die Lichtbilderei GmbH., M.Gladbach, verfügt über nicht weniger als 450 Lichtbilderserien, von denen die erste der 13 Untergruppen der Erdkunde gewidmet ist (Land und Leute — Deutschland, deutsche Kolonien, Ausland). Auch die Abteilungen „Naturwissenschaft“, „Industrie und Technik“, „Handwerk“, „Landwirtschaft“, „Volkswirtschaft“ u. a. bieten manchen ergänzenden Stoff. Die Lichtbilderei, die unter Mitwirkung des Volksvereins-Verlags vor sieben Jahren gegründet wurde, verfolgt auf geschäftlicher Grundlage den Zweck, die Projektionskunst durch künstlerischen Geschmack und wissenschaftliche Gründlichkeit in der Auswahl der Bilder und durch die Beigabe von Vortragstexten, die sich über den vielfach üblichen oberflächlichen Dilettantismus erheben, zu einem ernsthaften Mittel für die möglichst allseitige tiefgehende und nachhaltige Bildung breitester Volksschichten zu erheben und so ein vorbildliches Musterinstitut zu werden. Als Verfasser der geographischen und ethnographischen Vortragstexte wirken hervorragende Fachleute. Bilder und Texte werden an jedermann verliehen. Katalog kostenlos. Über ihre Filmverleihzentrale siehe unten. Verkauft und verleiht auch Apparate und Zubehör.

5. Ed. Liesegang, Düsseldorf. Der Katalog verzeichnet eine große Auswahl erd- und völkerkundlicher Serien sowie solche aus den Gebieten „Naturkräfte und Naturwissenschaft“. Besonders zahlreich (mit Betonung von Architektur und Kunst) die Serien „Italien, Palästina und Deutschland“. Eine große Menge in „Woodburydruck“ (eine Art getöntes Gelatinerelief, das viel transparenter als die aus undurchsichtigem Metallniederschlag bestehenden Silberkopien sein soll). Meist nur Serienverleihung. Verkauft auch Apparate usw.

6. Die Neue Photographische Gesellschaft, Steglitz-Berlin, verleiht nicht, sondern verkauft. Die umfassende Sammlung geographischer Lichtbilder (Album mit 110 verkleinerten Bildertafeln je 15 Bilder Mk. 20 auch leihweise) ist von Prof. Dr. Deckert an der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt a. M., die betreffs Geologie des Norddeutschen Flachlandes von Prof. Dr. Wahnschaffe, Berlin, zusammengestellt. Außerdem zahlreiche aus andern Naturwissenschaften. Die Diapositive sind teils im Kontaktverfahren, teils im nassen Verfahren hergestellt. (Katalog „Das photographische Anschauungsmittel“ 2 M.)

7. Richard Rösch, Dresden-A. Viele Serien erdkundlicher Bilder. Verleiht auch einzeln (10 Pf. für Bild und Woche).

8. E. A. Seemanns Lichtbildanstalt, Leipzig. Serien China und Marokko; ferner (hauptsächlich in künstlerischer Hinsicht) Regensburg und Nürnberg. Zum Teil farbig (Dreifarbenaufnahmen und Lumière). „Durch bestimmte Herstellungsmethoden wird die Schicht und das Glas des Diapositivs vor den Gefahren großer Hitze bewahrt, wodurch auch bei hoher Lichtstärke ein besonderer Schutz (Wasserkammer) entbehrlich wird.“ (Farbenproben, die ich gesehen habe, waren sehr schön; und das Feuerschutzverfahren wäre ja für Mitbenutzung im Kino sehr wertvoll!) Projektionseinrichtungen.

9. Unger & Hoffmann, A.-G., Dresden-A. Sehr großes Lager geographischer und naturwissenschaftlicher Bilder. Serienverleihung. Ansichtssendungen, auch Papierabzüge zur Auswahl. Führen auch Apparate usw.

10. Emil Weises Buchhandlung, Dresden-A. Farbig: Palästina, Orient, Sachsen, Indien, Rhein, Deutsche Kolonien (Mission). Serien mit Text.

11. York & Son, 67, Lancaster Road, Notting Hill, London W. Katalog mit großer Auswahl, 1 Schilling. Nur Verkauf. Sehr viel geographische Serien.

Zu diesen Firmen (weiteres Material für spätere Auflagen usw. erwünscht!) treten nun einige Vereine und Institute, die ihre Bilder nur an Mitglieder oder unter Beschränkungen verleihen.

12. Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, Berlin NW 52, Lüneburger Str. 51 (an 8000 angeschlossene Vereine!). Dieser gemeinnützige Verein verleiht nur an Mitglieder (Schulen und andere Bildungsinstitute) usw. Falls Vortragstexte mitgeliefert werden, nur mit diesen. (Diese Maßregel wird mit dem im Titel bezeichneten Zweck begründet.) Einzelne Bilder (außer „Tierwelt“) werden nicht verliehen, wohl aber verkauft. Die Texte stammen aus der Feder von Fachleuten. 254 Serien, von welchen die überwiegende Zahl erdkundlichen und naturwissenschaftlichen Inhalts sind. Betreffs Kinematographie siehe unten. Stellt auch Apparate und Vorführer usw.

13. Süddeutsche Lichtbilderzentrale, München. Ist eine Einrichtung der Hauptstelle süddeutscher katholischer Arbeitervereine. Verleihen und verkaufen auch Apparate. (Näheres siehe unter Kinematographie.)

14. Verein Naturschutzpark, Sitz Stuttgart, Pfizerstr. 5. Verleiht kostenlos nur zur Agitation für die Schaffung und Förderung von Naturschutzparken. Bilder und Texte.

15. Stiftung für Heimatschutz, Verwaltungssitz Meiningen. Besitzt eine große Lichtbildersammlung betreffend Heimatschutz.

16. Die Gesellschaft für wirtschaftliche Ausbildung (Frankfurt a. M.), 17. Großh. Techn. Hochschule Darmstadt (Prof. Dr. Greim) verleihen nicht. 18. Die Oberschulbehörde Lübeck besitzt zahlreiche erdkundliche Lichtbilder in den höhern und mittlern Schulen.

Ganz anders als bei den Lichtbildern liegt die Sache auf dem Gebiete der erdkundlichen Kinematographie. Während ein einmal hergestelltes gutes Lichtbild und Negativ ein „Schatz fürs Leben“ ist, ist in der Kinematographie alles in beständigem Fluß. Die teuren erdkundlichen Aufnahmen, die oft mit großen Reisekosten usw. hergestellt worden sind, verlieren ein Vierteljahr nach dem Erscheinen der ersten Positive jede „Aktualität“, d. h. sie sind in den Augen der Kinobesitzer und Filmverleihanstalten Ladenhüter. Und nach wenigen Jahren ist es unwahrscheinlich, daß auch nur das Negativ davon noch vorhanden ist. Das hat zwei Hauptursachen: erstens die große Inanspruchnahme auch der Negative durch das Kopieren, wodurch sie nach einer verhältnismäßig geringen Zahl von Abzügen ebenso „verregnen“ (und dies dann natürlich auf weitere Abzüge übertragen würden) wie vielgebrauchte Positive. Zweitens aber ist ein Zurückgreifen auf ältere Aufnahmen, wie mehrmals bemerkt, im Kinogeschäftsorganismus weder vorgesehen und bequem durchführbar noch gewünscht. Wer erdkundliche Kinofilme unter gegenwärtigen Umständen benutzen will, hat dazu also im Grunde nur einen Weg: er lasse sich die Prospekte über die wöchentlichen Neuerscheinungen regelmäßig zusenden, fahre, wenn etwas ihn interessiert, zum angegebenen Zeitpunkt nach Berlin, lasse es sich dort zeigen und kaufe es gegebenenfalls, um es dann so lange liegen zu lassen, bis der Zeitpunkt des Gebrauches kommt. Selbst in den Fabriken gibt es begreiflicherweise keine Positive, es sei denn, daß einmal zufällig eins liegen geblieben ist — welches Kapital würde sonst in solchem bloßen Vorführungsmaterial tot liegen! Erst eine Organisation, wie ich sie beschrieben habe, kann bei geregeltem Filmkauf durch Reforminteressenten da Wandel bringen. Vollkommen verfehlt ist natürlich auch der Glaube, dem man in dilettantischen Reformkreisen so oft begegnet, daß Kinotheater und Filmverleihanstalten — von vereinzelten zufälligen Ausnahmen abgesehen — gute Einzelbilder für gute Worte oder Geld abgeben könnten. Wenn eine Verleihanstalt oder ein Kinotheater selbst erdkundliche Filme kauft, so werden diese natürlich sofort einem der üblichen Gesamt-Programme eingefügt und machen mit diesem die Runde durch die darauf abonnierten Kinotheater. Daß sie während dieser Zeit nicht willkürlich herausgenommen werden können, leuchtet ein, und ebenso, daß sie, wenn sie frei werden, eben „ausrangiert“ sind, d. h. in einem Zustande, in dem sie nur eben noch für — „Kinoreform“vorstellungen gut sind (?). — Der Ankauf einzelner Filme ist aber ebenfalls eine praktisch für den einzelnen kaum durchführbare Sache. Wer unsere Vortrags- und Vereinsverhältnisse kennt, weiß, daß es kaum durchführbar ist, ein eventuell in die Tausende gehendes Kapital in ein einzelnes Programm zu stecken, zumal die Vorführung dann noch jedesmal bedeutende besondere Kosten verursacht. Da sind als für Vereine, Schulen, einzelne Redner usw. einstweilen rettender Ausweg die Kinoreformverleihinstitute willkommen. Das sind Verleihanstalten, die ausschließlich Kinoreformbedürfnissen dienen wollen. Da diese Bedürfnisse aber wenigstens einstweilen noch geschäftlich kaum ins Gewicht fallen, auch die ganze Einrichtung immer noch einen nur vorläufigen Ausweg darstellt, so liegt diese Art von Filmverleih zurzeit fast ausschließlich in den Händen gemeinnützig arbeitender Volksbildungsvereine. Von diesen sind mir drei bekannt geworden.

1. Die Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung, Berlin NW 52 (siehe oben), hat neben ihrem Lichtbilderdienst auch eine Verleihung von kinematographischen Apparaten und Filmen eingerichtet. Außerhalb Berlins und der Vororte werden die Apparate in der Regel nur behufs Vorführung durch einen eignen Monteur der Gesellschaft verliehen. Die Verleihung erfolgt nur an Mitglieder der Gesellschaft (Schulen, Behörden, Vereine, Reformkinos usw.). Das Verzeichnis weist 31 eigne, daher sofort verleihbare Filme auf, freilich nur wenig erdkundliche. Es ist jedoch eine bedeutende Summe für den Ausbau dieses Unternehmens eingestellt worden. Es werden nur je etwa 1000, gewöhnlich 2000 m zusammen verliehen. Außerdem vermittelt die Gesellschaft aber auch das Leihen von andern Filmen. (Ich möchte hier die Bemerkung einfügen, daß juristisch nach Hellwig nicht von einem „Leihen“, sondern „Pachten“ der Filme gesprochen werden muß.) Ich würde außerdem Programme, die allein 1000 oder gar 2000 m Filme umfassen, für viel zu lang halten. Ich gehe dabei von der meines Erachtens aber schon allgemein anerkannten Auffassung aus, daß 1. Filme nur in Verbindung mit Lichtbildern und Vortrag vorführbar sind (so zeigen es auch die neuen Programmbeispiele der Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung), 2. der Vortrag nicht während der Filmvorführung, sondern nur dazwischen stattfinden darf. Auf diese Weise dauert mit den unentbehrlichen Pausen ein Programm mit etwa 800 m schon reichlich 2 Stunden. Außerdem stellt die Gesellschaft ihren Mitgliedern ein „Wanderkino“ zur Verfügung, das Apparate, Filme und Lichtbilder (ganze Programme), zwei Vorführungen täglich (eine mit Lichtbildern) und Erläuterungen umfaßt. Für die Filme werden Aufnahmen mit Farbenphotographie bevorzugt (darunter sind wohl kolorierte Filme zu verstehen). — In ähnlicher Weise versorgt

2. die Süddeutsche Lichtbilderzentrale München (siehe oben) die ihr angeschlossenen Vereine mit fertig zusammengestellten „Volksbildungsabenden“, die Lichtbilder, Filme, Vortrag, Gedichte, Lieder u. a. umfassen (Wanderkino). Die mir mitgeteilten Programme machen einen sehr ansprechenden und geschmackvollen Eindruck.

3. Bei weitem die meisten Filme dieser Art (schätzungsweise 500, nebst 101 fertigen Programmen), darunter eine große Menge erdkundliche und andere naturwissenschaftliche, hält die Lichtbilderei GmbH., M.Gladbach (siehe oben), bereit, und ihr Verleihsystem ist wohl auch das beweglichste, das sich daher den Bedürfnissen von Schulen, Bildungsvereinen, Reformkinos usw. am meisten anpassen läßt. (Kataloge „Belehrende Filme für Schule und Volk“ — „Belehrende Programme für Volk und Schule“.) Da die Lichtbilderei auch eine Verleihanstalt für Kinos selbst hat (die natürlich nur, wenn auch mit Zugeständnissen an manche Vorurteile des Kinobesitzerdurchschnitts, sittlich einwandfreie und geschmacklich diskutable Programme liefert), so ist sie in der Lage, der Reformsache bedeutende Opfer zu bringen. Wer also für einzelne Vorträge und Veranstaltungen einigermaßen frei wählen will (im allgemeinen können natürlich auch hier nicht Filmteile, sondern nur ganze Filme abgegeben werden), der findet hier am ehesten, und zwar zu sehr billigen Bedingungen, was er braucht.

Die Lichtbilderei ist aber auch im Begriffe, die weitern in dieser Schrift geforderten Verbesserungen zu organisieren, indem sie aktuelle, vollständig ausgearbeitete Reformprogramme — freilich nicht nur erdkundliche, sondern von jedem rechtmäßigen Gebiete der Kinematographie — gebrauchsfertig mit allem Zubehör (Filme, Lichtbilder, Texte, Musik, ausführliche Vorführungsanweisungen usw.) unmittelbar für den geschäftlichen Turnus in Kinotheatern bereitstellt. Die Ausarbeitung dieser Programme liegt in meiner Hand (Reformprogramme Häfker). Damit ist der wesentliche Schritt zur Verpflanzung wirklicher Kinoreform in die Kinotheater getan, wohin sie gehört — denn alle Versuche außerhalb dieser Theater sind, abgesehen von der Unterrichtskinematographie, ja doch nur Anregungen und Versuche, die stets zu einer gewissen Unvollkommenheit verurteilt, mindestens auf die Dauer ohne große Opfer nicht durchführbar sind.

Bestrebungen, den Kinotheatern und namentlich den Schulen ganze Programme und einzelne Filme zugänglich zu machen, werden auch vom Rektor Lemke, Storckow (Mark) nicht ohne Sachkenntnis und praktischen Blick vertreten. Es würde mich zu weit über den Gegenstand dieser Schrift hinausführen, diese Bewegung eingehend zu besprechen; dies geschieht an anderer Stelle. Vorläufig ist auch hier sowohl dem Rektor Lemke wie der Firma Pathé Frères gegenüber (mit der er in engem Zusammenhange steht) Vorsicht anzuraten, da die kinoreformerischen Zugeständnisse von dieser Seite mit viel Phrasen, abzulehnenden Geschäftsinteressen und — besonders von Pathé Frères — mit dem Bestreben verbunden sind, andere, ernster zu nehmende und gründlichere Kinoreformarbeit zu hintertreiben. So willkommen und erfreulich selbstverständlich gerade die Zugeständnisse leistungsfähiger Firmen an die Sache der Kinoreform sind, so unbedingt ist doch dem Laien zur Überlegung zu empfehlen, was mir kürzlich eine besonders der Förderung der wissenschaftlichen und Schulkinematographie dienende, ernstzunehmende Zeitschrift schrieb: „Es macht so den Anschein, als ob sich unter dem Titel wissenschaftlicher Film manches verbergen würde, was, unter der Lupe besehen, sich als etwas ganz anderes entpuppt. Leider ist es nun mal so, daß große Firmen nur einen redegewandten Reiseschriftsteller oder Reisevertreter zu harmlosen Schulmännern zu schicken brauchen, um alsbald mit einem an schönen Phrasen überreichen Empfehlungsschreiben dieser Herren tüchtig Reklame zu machen. Solche Fälle lassen sich mehrere aufzählen.“ Das kann ich nur Wort für Wort bestätigen und füge hinzu, daß verantwortungsloser und launischer Kinoreformdilettantismus der Sache mehr geschadet hat als die gesamte Schundproduktion gewisser Firmen.

Firmen, die erdkundliche Filme im weitern Sinne des Wortes regelmäßig in die Welt senden, sind u. a. Urban (London), Eclipse (Paris), Cines (Rom), Raleigh & Robert (Paris), Edison (Amerika), Pathé Frères (Paris), Eclair (Paris), Gaumont (Paris), Neue Photographische Gesellschaft (Berlin), Meßters Projektion (Berlin), Expreß-Films (Freiburg i. B.). Alle diese Firmen haben (außer Expreß?) ihre deutschen Vertretungen und Filialen in Berlin, zum Teil auch in andern deutschen Städten. Die meisten bringen etwa als ein Achtel ihrer Wochenproduktion „aktuelle“ (d. h. nicht „gestellte“) Filme, darunter naturgemäß viele geographische. Besondere (englische und französische) Kataloge darüber — die aber nicht dauernd maßgeblich sind — bringen u. a. die Firmen Urban, Eclipse, Radios gemeinsam heraus. Einen deutschen Auszug daraus erhält man von der Firma Eclipse (Berlin). Von den andern lasse man sich die regelmäßigen Prospekte schicken. Besondere Mitteilungen machten mir die folgenden Firmen:

1. Expreß-Films-Co., GmbH., Freiburg i. B. Redaktion und Verlag „Der Tag im Film“, erste und älteste internationale tägliche kinematographische Berichterstattung. — Diese Firma fertigt nur Naturaufnahmen und „Aktualitäten“ (wissenschaftliche Filme, Militär, Industrie, Sportbilder usw.) und hat besondere Expeditionen dazu teils ausgerüstet, teils ausgesandt. Abzüge von allen bisher erschienenen erdkundlichen Filmen werden an Händler (nur? — warum?) unverbindlich für 80 Pf. für das Meter verkauft. Begleittexte usw. und Material dazu werden stets an Ort und Stelle gesammelt. Intelligente geeignete Leute werden in Kursen zu Aufnahmeoperateuren ausgebildet. Besonders wertvoll sind natürlich die Expeditionsbilder, von denen die Firma folgende Liste aufstellt:

Expeditionsbilder

Eine Reise quer durch Afrika.

Eine Reise durch Indien.

Eine Reise in die arktischen Regionen.

Die deutsche arktische Zeppelin-Luftschiff-Studienreise 1910 nach Spitzbergen unter Leitung Sr. Kgl. Hoheit Prinz Heinrich von Preußen und Sr. Exzellenz Graf v. Zeppelin.

Die Besteigung des Himalaja durch Se. Kgl. Hoheit den Herzog der Abruzzen, Welthöhenrekord 7493 m.

Die Molukken-Expedition der Herren Dr. Deninger und Dr. Tauern.

Die Expedition des Herrn Dr. Koch (Grünberg) nach dem Quellgebiet des Amazonenstromes.

Die schweizerische Grönland-Expedition des Herrn Dr. A. de Quervain.

Die deutsche Hilfsexpedition Lerner nach Spitzbergen zur Auffindung der Schröder-Strantz-Expedition.

Die offizielle Reise Sr. Kgl. Hoheit des Kronprinzen von Griechenland in die eroberten Gebiete.

„Mit der Kamera in der Schlachtfront“, Aufnahmen vom griechisch-bulgarischen Krieg, welche unsere Reporter auf Befehl Sr. Majestät des Königs von Griechenland aufgenommen haben usw. usw.

Auch sonst weisen die Listen eine Fülle geographischer Aufnahmen auf. Es ist hier wie überall zu berücksichtigen, daß die internationalen Firmen auch Aufnahmen untereinander austauschen oder sie gegenseitig für bestimmte Länder unter ihre geschäftlichen Fittiche nehmen.

Besonders interessant ist die Bemerkung der Firma: „In Deutschland ist für belehrende Filme großer Rückschritt zu verzeichnen, in England und Amerika großer Fortschritt.

Diese — auch sonst bestätigte — Bemerkung überrascht mich durchaus nicht. Die Ursachen sind zum Teil aus dieser meiner Schrift zu ersehen. Wir Deutschen unterscheiden uns von andern Völkern dadurch, daß wir, besonders wo „Wissenschaft“ und „Bildung“ in Betracht kommen, entweder gründlich mittun wollen oder gar nicht. Wenig Völker stehen auf solcher Höhe wissenschaftlicher, keines auf solcher Höhe pädagogischer und volkserzieherischer Gewissenhaftigkeit wie das deutsche; niemand kann sich nach Feinheit und Durchgeistigung der Lehrmethoden, niemand nach dem Stande allgemeiner bewußter ästhetischer Volkskultur mit uns messen. Das führt gewiß einerseits auch gerade in Deutschland zu unliebsamen Erscheinungen: Pedanterie, Trockenheit, „Schulmeisterei“, beflissene Vielgeschäftigkeit, Übersehen des Wesentlichen und Hängenbleiben in Kleinigkeitskrämerei, weltfremder „Idealismus“. Gewiß, solche Nebenerscheinungen auch in der Kinoreform selbst haben viel dazu beigetragen, die Jugend und das Volk von „Reform“programmen eher abzuschrecken. Das Beiwort „belehrend“ mußte durch solchen Zusammenhang einen unangenehmen Beigeschmack bekommen. Ebenso wie mit Worten wie „Bildung“ und „Gebildete“ bei uns viel Mißbrauch getrieben wird. (Es ist bezeichnend, daß andere Sprachen überhaupt keine Bezeichnung für diesen Begriff haben.) So kommt es wohl, daß die Massen anderswo — zumal wo, wie in Frankreich, England, Amerika, ein frischerer internationaler Wind, mehr Odem vom Weltmeer, weht als leider immer noch bei uns, geographische, ethnographische usw. Bilder leichter und lieber aufgenommen werden. Man nimmt sie eben hin, wie sie sind, empfindet sie gar nicht als besonders „belehrend“, denkt sich nicht viel dabei und macht noch weniger Ansprüche. Wenn uns Deutschen das Spielzeug gefallen soll, so muß es solider und namentlich feiner ausgeführt sein. Das Bessere — wovon wir infolge unserer verhältnismäßig hohen allgemeinen Volksbildung doch mindestens ein Gefühl in uns tragen — ist hier der Feind auch des „Guten“. Das bloße Gaffen befriedigt uns nicht, wir wollen auch für den Geist was haben. In Deutschland wird die erdkundliche Geographie nicht eher durchdringen, als bis sie in dem Geiste, dem ich in dieser und meiner vorigen Schrift Ausdruck gegeben habe, durchgeführt ist. Filme allein, und wenn sie noch so gut sind, sind nur — Rohstoff.

2. Société des Etablissements Gaumont, Paris, Deutsche Gaumont-Gesellschaft m.b.H., Berlin. Bringt jede Woche ein bis zwei erdkundliche Filme heraus. Ältere Aufnahmen können nur nach Katalog hergestellt werden. Teile von Negativen werden nicht kopiert. Erdkundliche Aufnahmen wurden unter Mitwirkung von Gelehrten, Lehrern und Forschungsreisenden, solche für Schulzwecke unter Aufsicht eines Pädagogen gemacht. „Der sprechende Film Gaumont“ ist meines Wissens nur eine neue Synchronvorrichtung, die für erdkundliche Aufnahmen nicht in Betracht kommt; doch wurde u. a. ein krähender Hahn damit gezeigt. Die Firma rühmt sich auch, „eine komplette Lösung der Naturfarbenkinematographie“ gefunden zu haben. Die Erfindung, die Kinemacolor übertreffen soll, wird von der Presse sehr gelobt. Von Gaumont wurden u. a. die Südpolaufnahmen der Expeditionen Shackleton und Scott gemacht. „Wir hoffen, daß die Schulen endlich einsehen werden, welche materiellen Opfer die großen Filmfabriken im Interesse der Schulkinematographie bringen.“ Es liegt im Interesse dieser Filmfabriken, daß sie der Organisation einer Filmmesse usw., wie ich sie vorgeschlagen habe, ebenso wie andern Bestrebungen zur Verwirklichung von Reformbestrebungen nicht wie bisher Gleichgültigkeit entgegenbringen oder gar Schwierigkeiten machen. Nur wenn Naturfilme in einem Zustande, der allen Ansprüchen entspricht, in den Verkehr kommen, wird ihre Herstellung für die Fabriken nicht mehr ein Opfer sein.

3. Die Firma Meßters Projektion GmbH., Berlin S 61, erzeugt etwa 20 v. H. erdkundliche Aufnahmen, darunter solche von Prof. C. H. Schillings (Berlin), Prof. Dr. Neuhaus, Prof. Dr. Bockenheimer, Sr. Hoheit Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg, Marinemaler Rave (Schröder-Strantz-Expedition). Hat auch Aufnahmen eigens für Schulzwecke gemacht. Auf Begleittexte, Material dazu usw. hat die Firma keinen Wert gelegt. Baut auch besondere Apparate für Schule und Liebhaberzwecke, für Expeditionen (leichtes Gewicht usw.); u. a. einen Apparat, mittels dessen auf einen Film oder Reihen Bilder nebeneinander genommen werden können. „Wir halten die Bestrebung, naturwissenschaftliche Filme zu machen, durch den Mangel an Käufern für solche Bilder für nicht rentabel.“

4. Die Neue Photographische Gesellschaft A.-G., Berlin-Steglitz, deutsche Vertretung für wissenschaftliche Filme: Gesellschaft für wissenschaftliche Filme und Diapositive GmbH., Berlin, Wilhelmstr. 1a, bringt außer andern naturwissenschaftlichen Filmen auch erdkundliche (allgemeine und astronomische Geographie, Aufnahmen von Meeresstürmen in der biologischen Anstalt in Helgoland unter Leitung von Prof. Dr. Berndt, aus der Folge „Aus dem Leben des Meeres“). Unter den Aufnehmenden Herr G. N. Mendel, der sich viel mit naturwissenschaftlichen Studien beschäftigt hat. „Wir halten es für angebracht, daß die Schule sich mit den Kinobesitzern in Verbindung setzt derart, daß die Kinobesitzer wöchentlich oder zweimal wöchentlich wissenschaftliche Kinovorstellungen unter Leitung der Schule zu billigern Preisen abgeben.“

Aus sonst eingelaufenen Antworten auf unsere Fragebogen ist — abgesehen von Verneinungen sämtlicher Fragen und Antwortablehnungen — hervorzuheben: eine „Klasse für sich“ sind Institute wie die „Urania“ sowie die „Treptower Sternwarte“ in Berlin, die auch die Kinematographie in den Dienst ihrer volksbildenden Tätigkeit gestellt haben. Die „Treptower Sternwarte“ (Dir. Archenhold) berichtet, trotzdem die Programme nur „belehrend“ sind, daß die Vorträge, namentlich auch die Sondervorstellungen vor Vereinen, großen Beifall finden.

Prof. Dr. Karl Sapper vom Geographischen Seminar der Universität Straßburg i. E. schreibt: „Kinematographische Vorführungen haben wir hier noch nicht gemacht, weil die Möglichkeit fehlt; ich würde sie aber in der Völkerkunde, Wirtschafts- und Verkehrsgeographie, auch physischen Erdkunde für sehr instruktiv halten (bei geeigneter Auswahl).“

In Altenburg (Sachsen-Altenburg) ist die Schulbehörde dabei, eine Sammlung erdkundlicher Filme zu beschaffen.

Die Industrielle Gesellschaft Mülhausen i. E. hat mit zufriedenstellendem Erfolge erdkundliche Filme für wissenschaftliche und populäre Vorträge benutzt, „nur ist es noch schwierig, geeignete Filme leihweise zu erhalten“.

Das Institut für Zuckerindustrie der Landwirtschaftlichen Hochschule, Berlin N 65, hat einen Film über Zuckerrübenkultur in Arbeit und besitzt Filme über Ahornzuckerfabrikation, Zuckerrohrfabrikation, Champagnerfabrikation. Die Haltbarkeit der Filme ist gut. Die Aufbewahrung findet im kühlen, feuchten Raum statt. Verliehen werden Filme und Diapositive nicht.

Manchen weitern Beitrag zum Thema sowie Nachweise usw. enthält Sellmann, „Kino und Schule“ (Lichtbühnen-Bibliothek Nr. 6); pädagogisch besser als „kinematologisch“ ist Knospe, „Der Kinematograph im Dienste der Schule“, unter besonderer Berücksichtigung des erdkundlichen Unterrichts. Manchen guten Gedanken neben manchem oberflächlichem enthalten die Schriften von Lemke, auch in dessen Zeitschrift „Lichtbildkunst“ findet sich Brauchbares; es ist aber zu beachten, daß hier überall das Bild durch geschäftliche Interessen getrübt und „einseitig koloriert“ ist. Wer in der Angelegenheit der Nutzung der Kinetographie für Schule, Wissenschaft, Volksbildung und Kinoreform auf dem laufenden bleiben will, halte sich an die ernstzunehmenden Zeitschriften „Bild und Film“, Zeitschrift für Lichtbilderei und Kinematographie, Verlag der Lichtbilderei M.Gladbach (das einzige Fachblatt, das ausschließlich von allgemeinen Gesichtspunkten ausgehend ernster Kinoreform dient), und „Film und LichtbildStuttgart, das derselben Sache ebenso ernsthaft besonders vom Interesse der Wissenschaft und Schule aus nachgeht.

Sachregister

Lichtbühnen-Bibliothek


Lichtbild- und Kino-Technik. Von F. Paul Liesegang. 8o (76) Mit 55 Abbildungen. Broschiert M. 1.—. Heft 1.

Inhalt: Der Lichtbilderapparat und seine Wirkungsweise. Die Lichtquellen. Zubehör zum Lichtbilderapparat. Anschaffungs- und Betriebskosten des Lichtbilderapparates. Die Glasbilder und deren Aufbewahrung. Aufstellung und Handhabung des Lichtbilderapparates. Die episkopische Projektion. Wissenschaftliche und mikroskopische Projektion. Der Lichtbilderapparat als Scheinwerfer. Der Lichtbilderapparat als photographischer Vergrößerungsapparat. Die Darstellung lebender Lichtbilder. Handhabung des Kinematographen. Behandlung und Pflege des Kinematographen. Das kinematographische Aufnahmeverfahren. Die Herstellung des Trickfilms. Die wissenschaftliche Kinematographie.

Kino und Kunst. Von Hermann Häfker. 8o (72) Broschiert M. 1.— Heft 2.

Inhalt: Allgemeines: Der Ruf nach Kunst. Das Wesen der Kinematographie. Die künstlerische Aufgabe. — Die Herstellung des Films: Die künstlerischen Gesichtspunkte in der technischen Filmherstellung. Technische, industrielle usw. Lehr- und Verdeutlichungsaufnahmen. Geschichtliche und kulturgeschichtliche Aufnahmen. Die Schönheit der natürlichen Bewegung. — Die Vorführung: Gestellte Bilder. Kinematographie oder Kinetographie. Das Programm. Einzelheiten. Wege.

Kino und Gemeinde. Von Dr. Willi Warstat und Franz Bergmann. 8o (112) Broschiert M. 1.50. Heft 3.

Inhalt: 1. Teil: Die Bedeutung des Gemeindekinos für die Reform des Kinematographenwesens. 1. Die Mißstände im Kinematographenwesen und ihre Ursache. 2. Die Unzulänglichkeit prohibitiver Mittel bei der Reform des Kinematographenwesens. 3. Die positive Reformarbeit der kinematographischen Musterbühnen, der Gemeindekinos. 4. Die Gemeindekinobewegung und ihre Erfolge. Die Arten der Gemeindekinos. 5. Die Aufgaben der Gemeindekinos. 6. Der Gemeindekino und sein Verhältnis zu den Privattheatern und der Industrie. 7. Die Zentralisation der Gemeindekinos. Zentralverband für Kinoreform. — 2. Teil: Das Kinowesen vom verwaltungsrechtlichen und wirtschaftlichen Standpunkte. 1. Polizeiliche Mittel gegen den Kinoschund. 2. Besteuerung der Kinematographentheater. 3. Gemeindelichtspielhäuser. 4. Zentralorganisation für Gemeindekinos. Anhang.

Kino und Bühne. Von Willy Rath. 8o (52) Broschiert M. 1.— Heft 4.

Inhalt: 1. Emporkömmling Kino. 2. Die Bühne in Not? 3. Künstlerische Möglichkeiten des Lichtspiels.

Rechtsquellen des öffentlichen Kinematographenrechtes. Von Dr. Albert Hellwig. 8o (256) Geb. M. 5.— Heft 5.

Kino und Schule. Von Prof. Dr. Adolf Sellmann. 8o (72) Broschiert M. 1.— Heft 6.

Inhalt: 1. Wider den Schulkino. 2. Für den Schulkino. 3. Der Kino und die einzelnen Unterrichtsfächer. 4. Der Kino und die verschiedenen Schulgattungen. 5. Der Schulfilm. 6. Kino und Unterricht. 7. Erfahrungen auf dem Gebiete der Schulkinematographie.

In kurzem wird erscheinen:

8. Heft: Allerlei vom Kino für jedermann. Von H. Häfker.

Bild und Film

Zeitschrift für Lichtbilderei und Kinematographie. Verlag der Lichtbilderei GmbH. in M.Gladbach. Quartformat. Erscheint monatlich. Abonnement halbjährlich M. 2.40. Redaktion: Dr. Lorenz Pieper, M.Gladbach, Waldhausener Straße 100.

Das Abonnement kann durch jede Buchhandlung, durch die Post und auch direkt durch den Verlag bewirkt werden; im letztern Falle liefert der Verlag im Postüberweisungsverfahren, läßt Bezugsgebühr und Bestellgeld durch die Post einfordern und liefert an diese. Probehefte stehen gratis zur Verfügung.

Bild und Film“ war als erste Kinozeitschrift auf dem Plane, frei von Geschäfts- und Parteirücksichten ausschließlich dem idealen Ziele einer ethischen und literarischen Hebung des Kinowesens die Wege zu bahnen. Sie läßt es sich vor allem angelegen sein, die zahlreichen Bildungsmöglichkeiten aufzuweisen, die der Kinematograph im Interesse der modernen Volksbildung, des Unterrichts und der Jugendpflege für Volk und Schule in sich trägt. Als Organ der vom vierten Westfälischen Provinzial-Landgemeindetag in Münster (1912) eingesetzten Kinematographischen Kommission (Vorsitzender: Amtmann Berkermann, Eickel) fördert sie speziell die Errichtung und Leitung von Kinematographentheatern durch die Gemeinden. Das Abonnement ist vor allem zu empfehlen den zahlreichen, weitverästelten Volksbildungsorganisationen, der Presse, den Kommunen, Polizeiverwaltungen, Lehrerkreisen, Volks-, Fach-, Fortbildungs- und Hochschulen, den kirchlichen Kreisen der verschiedenen Konfessionen und den verschiedenen Standesorganisationen, die ja alle auch die Volksbildung auf ihre Fahne geschrieben haben. Ebensosehr aber sind interessiert die Kinobesitzer selbst, denen an der allseitigen Hebung des Kinowesens gelegen ist.

Es liegen abgeschlossen vor:

 I. Jahrgang 1912. Vier Hefte. gr. 4o (128) Geb. M. 3.20

II. Jahrgang 1913. Zwölf Hefte. gr. 4o (270) Geb. M. 6.—

Preis der Einbanddecke M. 1.10

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