Title: Handbuch der Geschichte der Buchdruckerkunst. Erster Teil
Author: Carl Berendt Lorck
Release date: June 24, 2022 [eBook #68395]
Most recently updated: October 18, 2024
Language: German
Original publication: Germany: Verlag von J. J. Weber
Credits: Peter Becker, Franz L Kuhlmann and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by The Internet Archive)
Anmerkungen zur Transkription
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CARL B. LORCK
HANDBUCH DER GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCKERKUNST
VON
CARL B. LORCK.
ERSTER TEIL
ERFINDUNG. VERBREITUNG. BLÜTE. VERFALL.
1450-1750.
LEIPZIG
VERLAG VON J. J. WEBER
MDCCCLXXXII.
Jeder denkende Mensch, mag er nun als Buchdrucker, Buchhändler oder Schriftsteller der weltumgestaltenden Erfindung Gutenbergs näher stehen oder auch nur als Laie die Segnungen, derselben schätzen gelernt haben, fühlte gewiss den Trieb, etwas Zusammenhängendes über die Entstehung, die allmähliche Verbreitung und die technische Vervollkommnung der Buchdruckerkunst zu erfahren, und hegte den Wunsch Näheres über das Leben des Erfinders und seiner bedeutenderen Nachfolger, die bis auf die Jetztzeit für oder durch diese Kunst wirkten, zu hören.
Verlangte jedoch ein solcher Wissbegieriger nach einem leicht verständlichen, übersichtlich geordneten Handbuch der Geschichte der Buchdruckerkunst, das ihm als Führer durch die mehr als vierhundert Jahre dienen konnte, in welchen das von der Presse ausströmende Licht bereits die Welt erleuchtet, so wird er die Erfahrung gemacht haben, dass sein Suchen ein vergebliches war.
[VI] Wir besitzen gelehrte, höchst wertvolle Prachtwerke über die vorgutenbergischen Drucke und die Zeit der Inkunabeln; es existieren hunderte von Parteischriften über Gutenberg und die ihm gegenübergestellten, zu Erfindern heraufgeschraubten, mythischen Persönlichkeiten; wir haben eine Reihe von zumteil erschöpfenden Schilderungen einzelner berühmter Drucker oder Druckerfamilien; ferner zahlreiche Jubelschriften, welche von dem Gange der Kunst in einzelnen Städten erzählen; auch ist kein Mangel an fachlichen Lehrbüchern oder an Berichten über die verschiedenen mit der Typographie in Verbindung stehenden Erfindungen.
Es steht uns somit ein reiches, mitunter fast durch seine Fülle erdrückendes Material für eine allgemeine Geschichte der Buchdruckerkunst zu Gebote. An einem Handbuch jedoch, welches dieses Material in natürliche Perioden systematisch einzuordnen, nach Ländern und nach mit einander verwandten Gruppen zu gliedern versuchte, um in einer einigermassen gleichmässigen Durchführung jeder Zeit, jedem Lande sein Recht zu gewähren, ohne dass der Verfasser dabei vergässe, dass er für die Angehörigen einer bestimmten Nationalität schreibt, fehlt es noch heute, wie in meiner Jugendzeit, wo ich vergeblich nach einem solchen Leitfaden auf dem typographisch-geschichtlichen Gebiet mich umsah und schliesslich darauf angewiesen war, aus den verschiedenen Quellen die mir erwünschten Belehrungen selbst zu sammeln.
Somit wurzeln die Anfänge dieses Handbuches in dem eigenen wirklich und lebhaft gefühlten Bedürfnis nach einem solchen. In späteren Jahren fing ich an in den von mir herausgegebenen „Annalen der Typographie“ das Gesammelte in einer Reihe von Artikeln, die jedoch nur die [VII] älteren Perioden der Kunst behandelten, zu veröffentlichen. Das Vorhaben, diese Artikel bis auf die neueste Zeit zu vervollständigen und sie dann zu einem Gesamtbild zusammenzufügen, wurde durch Berufsarbeiten für lange in den Hintergrund gedrängt, die Arbeit jedoch nach Zeit und Gelegenheit immer wieder aufgenommen.
So entstand das jetzt vorliegende Buch als ein Ergebnis längerer Vorarbeiten ohne den bestimmten Entschluss einer Veröffentlichung. Als jedoch die jetzigen Inhaber der Verlagshandlung J. J. Weber zu Anfang des Jahres 1880 den Wunsch äusserten, dass eine Veröffentlichung und zwar in ihrem Verlag stattfinden möchte, bin ich unter Benutzung der inzwischen erschlossenen, teilweise wichtigen Quellen ernstlich an eine nochmalige Durcharbeitung des Manuskripts gegangen.
Bei meinen Verlegern war inzwischen der, ihrerseits gewiss vollständig berechtigte Wunsch rege geworden, das Buch in einer „illustrierten Prachtausgabe“ erscheinen zu lassen, und sie hatten mir bereits zu Ostern 1881 ihre desfallsigen Ansichten in der Form eines gedruckten Prospektus für das Publikum unterbreitet.
So viel Verlockendes es auch für jeden haben mag, sein Buch in ein prächtiges Gewand kleiden zu lassen, so konnte ich, das ganz bestimmte Ziel vor Augen, ein knappes und einfaches Handbuch für den praktischen Bedarf, wie es mir als wünschenswert vorschwebte, zu liefern, mich doch meinerseits mit dieser Ansicht zu jener Zeit nicht befreunden. Ich würde mich damit der unvermeidlichen Gefahr ausgesetzt haben, der Illustration zuliebe von dem mir vorgezeichneten Weg abgedrängt zu werden.
Obgleich nicht allein der persönlichen Neigung, sondern auch dem pekuniären Interesse meiner Verleger durch eine [VIII] illustrierte Prachtausgabe wohl am besten entsprochen worden wäre, liessen diese doch bereitwilligst meinem Standpunkt Gerechtigkeit widerfahren.
Sowohl das über die Entstehung und den Zweck der vorliegenden Arbeit oben gesagte, als auch mein Lebensberuf schliessen schon von allem Anfang die Erwartung aus, als habe man es hier mit einem gelehrten Werk zu thun, bestimmt, die Ergebnisse tiefer Forschung ans Tageslicht zu fördern. Weder sollte meine Aufgabe noch konnte dieselbe eine höhere sein, als meinen Berufsgenossen oder denjenigen, die sonst Drang nach einer leichteren Orientierung in dem Gewirr der Geschichte der Buchdruckerkunst empfinden, nützlich zu sein, indem ich den Versuch machte, das aufgespeicherte Material nach bestem Wissen und Gewissen zu sichten, zu ordnen, und indem ich mich, die geschäftliche Praxis zurhand, bestrebte, einige von der Gelehrsamkeit im Dunkel gelassene Punkte klar zu stellen. Was die neue Zeit betrifft, so gab ein Geschäftsleben, das sich fast über die ganze Periode der neuen Blüte der Typographie und der verwandten Künste und Gewerbe seit den dreissiger Jahren erstreckt, wohl auch manchmal Gelegenheit, das vorhandene Material durch die eigene Erfahrung zu vervollständigen.
Es konnte nicht in meinem Plan liegen, mit der Geschichte der Buchdruckerkunst die des Buchhandels zu verbinden. Beide Berufszweige sind jedoch derart eng mit einander verknüpft und so viele der auftretenden Persönlichkeiten wirkten zu gleicher Zeit als Drucker und als Verleger, dass es nicht zu umgehen war, auch Ausflüge auf das Gebiet des Buchhandels zu unternehmen. Sehr nahe lag ebenfalls die Versuchung, die Geschichte der übrigen graphischen Künste und Gewerbe, welche zur Herstellung eines Buches mitwirken, ausführlicher zu [IX] behandeln. Um jedoch die Übersichtlichkeit nicht zu stören und den Umfang des Buches nicht gar zu sehr über die gesteckten mässigen Grenzen hinaus zu vermehren, war es geboten, dieser Versuchung nur in so weit nachzugeben, als es zum Verständnis der gestellten Aufgabe notwendig war.
Die Geschichte der Buchdruckerkunst zerfällt in zwei natürliche Hauptabschnitte. Der erste, welcher die Erfindung, Verbreitung, Blüte und den allmählichen Verfall behandelt, und sich über einen Zeitraum von über dreihundert Jahren erstreckt, findet seinen Abschluss in der letzten Hälfte des XVIII. Säculums. Der zweite Hauptabschnitt führt uns durch die Periode des Wiederaufwachens der Typographie und deren Schwesterkünste in die Zeit der zweiten, mittels der enormen technischen Fortschritte und der neuen Vervielfältigungsarten im Verein mit der freiheitlichen Entwickelung der Presse hervorgerufenen Blüte, deren wir uns heute erfreuen.
Jeder dieser beiden Hauptteile, die sich wieder in mehrere Abteilungen verzweigen, ist in seinem Wesen so eigenartig und verlangt eine so verschiedene Art der Darstellung, dass auch eine äusserliche Trennung in zwei vollständig abgeschlossene Hälften geboten schien.
Zur Beurteilung der Grundsätze für die Behandlung der verschiedenen Abschnitte verweise ich auf die, jedem der Bücher vorangeschickte „Einführung“, in welcher ich mich sowohl über den jedesmal leitenden Gesichtspunkt als auch über die jedesmaligen Quellen und deren Benutzung ausgesprochen habe. Dass mir nur sehr wenige der letzteren unbekannt geblieben sind, habe ich vor allem der Fachbibliothek des Börsen-Vereins der deutschen Buchhändler, [X] der Liberalität des Vorstandes derselben und der unermüdlichen Gefälligkeit der Bibliothek-Verwaltung zu verdanken.
Dass trotz aller angewendeten Sorgfalt noch Vieles für die mir Nachfolgenden (denen ich jedoch das Arbeiten in mancher Beziehung leichter gemacht haben dürfte, als es mir geworden ist) zu thun übrig geblieben, und dass selbst die grösste Mühe und der redlichste Wille, etwas Brauchbares zu liefern, fehlende Eigenschaften nicht immer ersetzen können, fühlt vielleicht niemand mehr als der unterzeichnete
Carl B. Lorck.
GESCHICHTE
DER
BUCHDRUCKERKUNST
1450—1750.
ERFINDUNG UND VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST
1450—1500.
Seite | |
EINFÜHRUNG IN DAS ERSTE BUCH (3-10). | |
I. KAPITEL. | |
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST. | |
Älteste Spuren der Vervielfältigung. Die Manuskripte. Der Metall- und Holzschnitt. Die Kunstschulen. Die xylographischen Werke. Die Vorbedingungen für die Erfindung der Buchdruckerkunst. | 11-22 |
II. KAPITEL. | |
DIE ERFINDUNG. | |
Johannes Gutenberg. Herkunft. Aufenthalt in Strassburg. Gutenberg in Mainz. Verbindung mit Johann Fust. Peter Schöffer. Gutenbergs Unglück. Sein Tod. Sein Andenken. | 23-36 |
III. KAPITEL. | |
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IN DEUTSCHLAND. | |
Schnelle Verbreitung der Kunst. Die Nachfolger Gutenbergs in Mainz. Peter Schöffer und seine Nachkommen. Ulm. Beromünster. Basel. Bamberg. Albrecht Pfister. Augsburg. Nürnberg. Wien. Der Norden: Köln, Münster, Magdeburg, Leipzig. | 37-54 |
IV. KAPITEL. [XIV] | |
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IM AUSLANDE. | |
Italien: Subiaco und Rom. Venedig. Foligno. Mailand. Florenz. Spanien und Portugal. Frankreich: Paris. Lyon. Die Niederlande: Die Histoires. Colard Mansion. England: William Caxton. Skandinavien: Dänemark. Schweden. Die slawischen Länder. Ungarn. Die Türkei. | 55-76 |
V. KAPITEL. | |
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST UND DIE LITTERARISCHE PRODUKTION. | |
Die Technik: Schriftgiesserei. Satz. Druck. Korrektur. Die Pressen. Die Farbe. Die Ausschmückung der Bücher. Das Pergament und das Papier. Die Buchbinderkunst. Die Litterarische Produktion: Der Buchhandel. Die Zensur. | 77-96 |
GLANZPERIODE UND VERFALL DER BUCHDRUCKERKUNST
1500—1750.
Seite | |
EINFÜHRUNG IN DAS ZWEITE BUCH (98-104). | |
VI. KAPITEL. | |
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND. | |
Die deutschen Malerschulen. Der Kupferstich und der Holzschnitt. Michel Wolgemut. Albrecht Dürer, seine Zeitgenossen und Nachfolger: Hans Burgkmair, Hans Schaeuffelein, die „Kleinmeister“. Hans Holbein d. j. Lucas Cranach d. ä. Die Schweizer und Elsasser Künstler. Über die „eigenhändigen“ Holzschnitte der Zeichner. | 105-126 |
VII. KAPITEL. | |
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND UND IN DEN SKANDINAVISCHEN LÄNDERN. | |
Nürnberg: Der Theuerdank. Die deutschen Schriften. Augsburg: Hans Schönsperger d. ä. Frankfurt am Main: Chr. Egenolff, Sigism. Feyerabend, die Merians. Mainz: Die Nachfolger Schöffers. Tübingen: Der slawische Druck. Cotta. Strassburg: Illustrierter Druck. Basel: Joh. Froben, die Familie Petri, Joh. Oporinus. Zürich: Chr. Froschauer. St. Gallen: Leon. Straub. Wien: Johan Sigriener, Hans Kohl, Joh. v. Gehlen. Leipzig: Melch. Lotter, Valentin Bapst. Gute und schwere Zeiten. Wittenberg. Der Norden. Berlin. | |
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER. Dänemark, Norwegen und Island, Schweden und Finnland. | 127-158 [XV] |
VIII. KAPITEL. | |
DER DRUCKBETRIEB UND DAS BUCHGEWERBE IN DEUTSCHLAND. | |
Die Schriftgiesserei und die Druckschriften. Die Technik des Setzens und Druckens: Der Satzapparat, die Korrektur, die Presse, die Farbe. Prinzipal, Geselle und Lehrling. Die Buchbinderkunst. Der Buchhandel: Die litterarische Produktion, das Verhältnis zwischen Autor und Verleger. | 159-174 |
IX. KAPITEL. | |
ITALIEN, SPANIEN, PORTUGAL UND DAS SÜDLICHE AMERIKA. | |
Venedig. Die Familie Aldus: Aldus Pius Manutius, Paul Manutius, Aldus ii. Dan. Bomberg. Mechitar. Rom: Die Buchdruckerei der „Propaganda“. Genua. Florenz: Die Giunta. Padua. Die Xylographie: Ces. Vecellius, der Clair-obscur-Druck. Ugo da Carpi, Graf Ant. Zanetti, John Jackson. | |
Spanien und Portugal. Brocario und die complutinsche Polyglotte. Madrid. Ant. Bortazar. — Mexico. Joh. Kromberger, Juan Pablos. Lima. Peru. St. Domingo u. a. | 175-192 |
X. KAPITEL. | |
FRANKREICH. | |
Die Lage des Buchdruckers. Der Staat und die Presse. Die Xylographie, die livres d'heures. Anton Verard. Geofroy Tory. Jodocus Badius. Conrad Néobar. Berühmte Druckerfamilien. Die Stephane: Heinrich i., Robert i., Heinrich ii., Ende der Familie. Die Gründung der königlichen Buchdruckerei. Ant. Vitré. Savary de Brèves. Lyon: Seb. Gryphius, Jean de Tournes, Steph. Dolet. Die Schriftgiesserei. Die Buchbinderkunst. | 193-216 |
XI. KAPITEL. | |
DIE NIEDERLANDE. | |
Die Illustration. Christoph Plantin, seine Nachkommen, das Plantinsche Museum. Die Familie Blaeu. Die Elzeviere: Ludwig i., Matthias und Bonaventura, Isaack, Bonaventura und Abraham i. Johann und Daniel. Ludwig und Daniel, das Ende des Hauses. Die Nachahmer der Elzeviere. Die Familie Enschedé und die Schriftgiesserei. | 217-254 |
XII. KAPITEL. [XVI] | |
ENGLAND. NORDAMERIKA. | |
Das allmähliche Wachstum der englischen Presse. Wynkyn de Worde, Richard Pynson, Reynold Wolfe, John Day, Th. Vautrollier, Th. Roycrofft, Sam. Palmer, Sam. Richardson. Oxford, Cambridge. Die schottische und die irische Presse. Die Stereotypie und Will. Ged. Das Zeitungswesen. Die Schriftgiesserei. | |
NORDAMERIKA. Kleine Anfänge der Presse. John Glover, James Franklin, Benjamin Franklin. Die deutschen Einwanderer und ihre Presse. Christoph Sauer und seine Nachkommen. | 255-276 |
XIII. KAPITEL. | |
DIE SLAWISCHEN LÄNDER. DIE TÜRKEI. DIE OSTASIATISCHEN LÄNDER. | |
Polen. Russland: Moskau, St. Petersburg. Die Türkei: Konstantinopel, Ibrahim und Said Efendi. Syrien. Das östliche Asien, China, das chinesische Tafeldruckverfahren und die Papierfabrikation. Europäischer Druck in Asien. Afrika. | 277-288 |
Register. | |
A. Namen- und Sachregister | 289-300 |
B. Nachweis der angeführten Quellenschriften | 301-304 |
MIT Dunkelheit und Vorurteilen ist die Geschichte derjenigen Kunst umhüllt, welche geschaffen war, Licht über die Wissenschaften zu verbreiten, sie zu erhalten und fortzupflanzen — so klagte schon der berühmte Johann Gottlieb Immanuel Breitkopf in seinem leider nur Bruchstück gebliebenen Werk über die Geschichte der Buchdruckerkunst.
Hundertmal wurde diese Klage seit Breitkopf wiederholt, teils mit Recht, teils mit Unrecht. Allerdings sind manche Punkte der Erfindungsgeschichte noch heute in ein Dunkel gehüllt, das kaum je gelichtet werden wird, wenn nicht ein absonderlicher Glücksfall ein typographisches Pompeji oder Olympia aus irgend einem verschütteten Keller an das Tageslicht fördern sollte; jedoch mit solchen Glücksfällen kann selbstverständlich nicht gerechnet werden und nicht jeder, der nach Funden gräbt, ist im Finden ein Schliemann.
[4] In manchen Punkten jedoch hat das Licht der wissenschaftlichen Kritik die, durch unpraktische Gelehrsamkeit, missverstandenen Patriotismus, Mangel an technischen Kenntnissen bei den Schriftstellern, kritiklose Kompilation oder Köhlerglauben an zweideutige Zeugnisse noch mehr verdichteten Wolken endlich durchbrochen.
Was mehr als alles Andere zu dem langen Zustande der Unsicherheit beigetragen hat, in welchem sich die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst befand, ist, dass man nicht im voraus einig gewesen, was man eigentlich unter Buchdruckerkunst — Typographie — zu verstehen hatte. Wie leicht wäre bei genügender Klarheit hierüber mancher Streit zu verhindern gewesen! Die Kunst des „Druckens“ bestand, selbst in Deutschland, lange vor Gutenberg, ja die Chinesen übten, wenn man sich auch nur an das streng historisch Beglaubigte hält, einen umfangreichen „Bücherdruck“ wenigstens 500 Jahre vor Gutenberg. Ist trotzdem auch nur ein Wort darüber zu verlieren, dass die Chinesen nicht die „Typographie“ erfunden haben? Cicero spricht, so klar wie man es verlangen kann, das Prinzip des Setzens aus. Ist deshalb der gelehrte Römer ein Gutenberg gewesen? Zugegeben selbst, dass in Haarlem ein ehrlicher Küster oder Lichtzieher, zugleich ein guter Grossvater, als Spielzeug für seine Enkel Buchstaben in Baumrinde geschnitten hat; ja, noch viel weiter gegangen und angenommen, er hätte in dieser Weise sogar ein Büchlein fertig gebracht, konnte man diesen Mann als den Prototypographen bezeichnen? Gewiss nicht, wenn wir die unerlässlichen Bedingungen vor Augen haben, welche das Wesen der „Typographie“ bilden. Mit diesem Namen kann man nur diejenige Kunst bezeichnen:
den niedergeschriebenen Gedanken, mittels „mechanisch durch Guss vervielfältigter“ Typen (also beweglicher Metalltypen) gesetzt, wiederzugeben und diesen Satz nach dessen Einreibung mit Druckfarbe „mechanisch“ durch die „Druckerpresse“ in einer beliebigen Anzahl vollständig gleicher Abdrücke herzustellen.
Mit anderen Worten: die Erfindung der Buchdruckerkunst schliesst die Erfindung der Schriftgiesserei, des Setzens, des Pressendruckes, der Farbenbereitung in sich ein. Als Bestandteile gehören zu ihr: die Stempel, die Matern, die Metalltypen, die mechanische Presse nebst den verschiedenen Utensilien, die Farbe.
Die Erfindung einzelner, zu dieser Gesamtheit gehörender Teile macht nicht die Erfindung der Buchdruckerkunst aus. Würde man Gutenberg zwar die Presse, die Farbe und die in Holz geschnitzten Buchstaben lassen, jedoch die Erfindung der Schriftgiesserei auf [5] Schöffer übertragen, so wäre Gutenberg nicht der Erfinder derjenigen Kunst gewesen, welcher die ganze zivilisierte Welt bereits auf vier Säkularfeiern als ihrer grössten Wohlthäterin, als der Verbreiterin des Lichtes, als der Befreierin von allen geistigen Fesseln gehuldigt hat, derjenigen Kunst, welche die Grossmacht der Presse geschaffen hat.
Jedoch, es steht unzweifelhaft fest, die Erfindung gehört in ihrem vollen Umfange Gutenberg „und ihm allein“. Dies hat die wissenschaftliche Kritik, welche in neuerer Zeit eine, blosses Material anhäufende Gelehrsamkeit ablöste, unwiderruflich festgestellt. Über diesen Punkt muss man endlich die Akten als geschlossen betrachten, wie dies auch in den folgenden Blättern geschieht.
Ob die 36zeilige Bibel vor der 42zeiligen gedruckt wurde, ob Caxton 1476 oder 1477 die Kunst nach London brachte, ob in Köln die Fratres vitæ communis zuerst gedruckt haben und dergleichen Einzelnheiten werden die Federn der Gelehrten noch lange in Bewegung setzen und die Entscheidung ist gewiss von dem höchsten Interesse. Es kann jedoch nicht der Zweck dieses Handbuches sein, das Für und Wider solcher Fragen breit zu erörtern, ohne doch ein bestimmtes Resultat ziehen zu können. Selbst eine, vielleicht zu zuversichtliche Annahme eines zweifelhaften Datums oder Faktums ist in einem Handbuch manchmal weniger nachteilig, als eine Verwirrung des Urteils durch die sich fortwährend wiederholende Erhebung von Zweifeln.
Von den Werken, welche im allgemeinen die Vorgeschichte der Erfindung, diese selbst und die früheste Periode der Kunst behandeln, erwähnen wir folgende, welche, namentlich so weit sie die älteren xylographischen und typographischen Druckerzeugnisse in Reproduktionen vorführen, mutmasslich eine grössere Anzahl von Lesern interessieren werden.
Wenn wir die Jubelschrift des Oberbibliothekars Dr. Karl Falkenstein: „Geschichte der Buchdruckerkunst in ihrer Entstehung und Ausbildung“, mit vielen Illustrationen (Leipzig 1840), obenan stellen, so geschieht es, weil dies Werk sehr vieles dazu beigetragen hat, die Lust an der Geschichte der Typographie zu wecken und zu nähren, zugleich, weil es das einzige ist, welches den Anlauf nimmt, die Geschichte bis auf die damals neueste Zeit, 1840, [6] fortzuführen. Der Zweck eines Handbuches für den täglichen Gebrauch konnte und wollte das Buch jedoch nicht erfüllen, welches als Jubelschrift zur Verherrlichung der Erfindung und des Erfinders das Hauptgewicht auf die Vorgeschichte und die Erfindung selbst, sowie auf die Bekämpfung der Gegner Gutenbergs legen musste. Auch konnte es nicht anders sein, als dass die Behandlung vom gewerblich-technischen Standpunkt aus gegen die bibliographische Arbeit zurücktreten musste, was ja vollständig aus dem Berufe des berühmten Bibliothekars, aus dessen Feder das Buch stammt, sich erklärt. Dies macht sich namentlich in Betreff der Ausführung sowohl der Periode des nachmaligen Aufblühens der Kunst seit der Mitte des xviii. Jahrhunderts als auch der neuesten, den ganzen technischen Betrieb umgestaltenden Zeit geltend. Seit dem Erscheinen des Werkes, das schon lange im Buchhandel fehlt, sind ausserdem mehr als 40 Jahre verflossen, die nicht nur manches Bedeutende in der Kunst zutage gefördert haben, sondern auch über die Vergangenheit derselben in vielen Beziehungen ein helleres Licht verbreiteten. Es werden dem Werke viele fehlerhafte Angaben vorgeworfen; solche waren wohl kaum zu vermeiden, und darf dieser Umstand denjenigen, der den Versuch macht ein Kompendium der Geschichte der Buchdruckerkunst zu liefern, der Pflicht nicht entheben, dankbar anzuerkennen, dass diese Aufgabe ohne die Anhaltspunkte, welche das Falkensteinsche Buch gewährt, eine weit mühsamere gewesen sein würde.
Ein sehr bedeutendes Werk ist T. O. Weigels und Ad. Zestermanns: „Die Anfänge der Druckerkunst in Bild und Schrift an deren frühesten Erzeugnissen in der Weigelschen Sammlung erläutert. Mit 125 Facsimiles und vielen in den Text gedruckten Holzschnitten“. 2 Bde. fol. (Leipzig 1866). Die Verfasser stellen sich ganz entschieden auf die Seite Gutenbergs: „Es gelang mir nicht“, sagt Weigel, „für Hollands Ansprüche auch nur ein einziges Dokument vor 1460 zu entdecken“. Das Werk, in den Brockhausschen Druck- und Kunstanstalten ausgeführt, ist zugleich, indem es die alte Kunst uns vor Augen führt, ein würdiges Denkmal der neueren graphischen Kunst Deutschlands.
Ein merkwürdiges, eine ganze Gutenberg-Bibliothek ersetzendes Werk ist: „Gutenberg, Geschichte und Dichtung, aus den Quellen nachgewiesen von A. van der Linde“[7] (Stuttgart 1878). Der Verfasser musste, nachdem er die Koster-Legenden der Holländer in mehreren Streitschriften auf das grausamste der Lächerlichkeit preisgegeben hatte, Holland verlassen und lebt als kgl. Bibliothekar in Wiesbaden. Die erste Abteilung des Werkes giebt die Geschichte der Erfindung, wie wir sie nun endlich als feststehend betrachten müssen, wenn nicht ein vollständig neues Material geboten werden sollte, denn mit dem alten kommt man dem Ziele nicht näher. Die zweite Abteilung erzählt die verschiedenen Erfindungs-Märchen und berichtet auf nicht weniger als 500 enggedruckten Seiten über die Fälschungen und Irrtümer. Zahlreiche Urkunden machen den Beschluss. Der Verfasser bietet mit seinem Buche keine leichte Lektüre und erschwert sie den meisten ausserdem durch die ungewohnte Schreibweise und die unzähligen Einschaltungen und Erläuterungen.
Leider schlägt der gekränkte und hart behandelte Verfasser einen gehässigen und einem streng wissenschaftlichen Werk nicht ganz angemessenen Ton an, der eher seiner guten Sache schadet als sie fördert. Das Wahre bleibt jedoch wahr und es mag sein, dass es, Gegnern gegenüber, die recht wohl sehen und hören können, aber nicht wollen, unmöglich ist, sich nicht von der Leidenschaft hinreissen zu lassen. Die von anderen Seiten dem Peter Schöffer auf Kosten Gutenbergs gewordene Bevorzugung hat möglicherweise van der Linde in seiner scharfen Kritik gegen Schöffer viel zu weit geführt.
Von den bereits noch vor Falkensteins Jubelschrift erschienenen Werken, die namentlich dazu beigetragen haben Gutenbergs Namen hoch zu halten und seine Erfinderehre den holländischen Ansprüchen gegenüber zu wahren, sind zu nennen:
„Die Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johann Gensfleisch genannt Gutenberg“, von C. A. Schaab. 3 Bde. (Mainz 1830-1831).
„Kritische Geschichte der Erfindung der Buchdruckerkunst durch Johann Gutenberg zu Mainz“, von J. Wetter. Mit einem Atlas (Mainz 1836).
J. G. I. Breitkopf, der mehr, als irgend jemand, die Befähigung hatte, eine Geschichte der Buchdruckerkunst zu schreiben, hat uns [8] leider nur einzelne wenn auch wertvolle Bruchstücke hinterlassen.
Im Gegensatz zu Weigel treten zwei englische Autoren Ottley und Sotheby entschieden für die holländischen Ansprüche in die Schranken und lassen Gutenberg wenig von seinem Ruhm. Interessant sind beide Werke durch die grosse Zahl von Nachbildungen. Der Titel von Ottleys Werk lautet:
„An inquiry concerning the Invention of printing by the late William Young Ottley, with an introduction by J. Ph. Berjeau. Illustrated with 37 plates and numerous wood engravings“ (London 1863). Herr Ottley findet es sehr natürlich, dass Fust dem Gutenberg den Stuhl vor die Thüre gesetzt, nachdem letzterer sich unfähig bewiesen hatte, seine Aufgabe zu lösen: „Er war ein schlauköpfiger Schwindler, geschickt genug, die Arbeit anderer zu benutzen, aber nicht befähigt eigene Ideen zu erzeugen und durchzuführen, ein Mann ohne mechanisches Geschick und ohne Erfindungsgabe“. So urteilt Ottley über Gutenberg.
Herr Samuel Sotheby ist zwar kein Verehrer von Gutenberg, lässt sich jedoch nicht auf eine so gehässige Polemik wie Ottley ein. Das Endergebnis seiner Untersuchungen ist, dass die Kunst mit beweglichen Typen zu drucken in den Niederlanden bereits 1454 geübt wurde. Das von seinem Sohne Samuel Ligh Sotheby herausgegebene Werk ist betitelt:
„Principia typographica. The block-books or xylographic delineations of Scripture history, issued in Holland, Flanders and Germany, during the XV Century. Exemplified and considered in connection with the origin of printing“ (London 1858).
Hieran schliessen sich: J. W. Holtrop, „Monuments typographiques des Pays-Bas au XV Siècle“ (Haag 1851-1868).
Ein lehrreiches und verdienstliches Buch ist: „A treatise on wood engraving historical and practical by Jackson and W. A. Chatto. 2. Ed.“ (London 1861). Chatto lieferte den Text; J. Jackson gegen 300 vortreffliche xylographische Nachbildungen, wenn auch zum grossen Teil in verkleinertem Formate.
Namentlich durch ihre vorzüglichen Abbildungen instruktiv sind die Werke Thomas Frognall Dibdins, des berühmten Bibliomanen und Bibliothekars des Lord Spencer auf Althorp. Sein [9] Hauptwerk: „The bibliographical Decameron or ten days' pleasant discourse upon illuminated Manuscripts and Subjects connected with early Engraving, Typography and Bibliography“ (London 1817) strotzt von prachtvollen Stichen und Holzschnitten, die in vandalischer Weise zerstört wurden, um das Buch selten zu erhalten. Der Text ist schwatzhaft; die Noten, welche neun Zehnteile des grossen dreibändigen Werkes bilden, strömen von Gelehrsamkeit und Belesenheit über, sind aber schwer geniessbar.
Unter den populären Werken, welche Nachbildungen bringen, sind erwähnenswert: H. N. Humphreys' „The illuminated books of the middle age“ (London 1844) und desselben Verfassers: „History of the art of printing“ (London 1867), eine anspruchslose klare und fassliche Darstellung der Verbreitung der Kunst. Die 100, teils schwarzen, teils farbigen, Reproductionen haben zwar den Vorzug, dass sie meist in den Originalgrössen aufgenommen sind, die Photolithographie lässt jedoch an Klarheit zu wünschen übrig. Eine dritte Sammlung von Humphreys ist: „Masterpieces of the early printers and engravers“ (London 1869).
In dem Verfasser des Werkes: „The invention of printing“ L. De Vinne. Mit vielen Abbildungen (New-York 1876) haben wir es nicht mit einem Gelehrten, jedoch mit einem tüchtigen Praktiker, zugleich durchgebildeten Manne zu thun. Sein Buch ist klar und verständlich geschrieben, namentlich sind seine technischen Exkurse sehr lehrreich und anziehend. Beigegeben ist eine grosse Zahl besonders gut ausgeführter, wenn auch in den meisten Fällen reduzierter Illustrationen. Herr de Vinne ist ein enthusiastischer Verteidiger Gutenbergs, demzufolge auch leicht geneigt, ein zu strenges Urteil über die Thätigkeit Schöffers zu fällen, dem, wie schon gesagt, v. d. Linde ganz beistimmt.
Von französischen Werken seien erwähnt: A. Bernards „De l'origine et des débuts de l'imprimerie en Europe“ (Paris 1853).
Ein Werk, das in kleinem Umfang einen Schatz des Wissenswerten birgt, ist Ambroise Firmin Didots „Essai typographique et bibliographique sur l'histoire de la gravure sur bois“ (Paris 1853). Der berühmte Buchdrucker, Buchhändler, Gelehrte und Sammler (gestorben 1876) verband mit der grössten Vertrautheit der deutschen Verhältnisse eine vollkommene Unparteilichkeit.
[10] In neuester Zeit erregten in der typographischen Welt ein nicht gewöhnliches Aufsehen J. P. A. Maddens, „Lettres d'un Bibliographe“. 5 Bde. (Paris, 1868-1878). Zahlreiche Abhandlungen in Briefform, welche eine Menge von Fragen in Bezug auf die Erfindungs- und die Inkunabelnzeit behandeln, bilden den Inhalt. Ein Hauptzweck des Verfassers ist die Führung des Beweises, dass die Fratres vitæ communis in ihrem Kloster am Weidenbach bei Köln eine grosse Druckanstalt gehabt haben, aus welcher eine Anzahl der ältesten bedeutenden Typographen als Ulrich Zell, Nik. Jenson, Collard Mansion, Will. Caxton, Mentelin u. a. hervorgegangen sind. Von seiner seltenen Kombinationsgabe und seinem ungemeinen Scharfsinne sowohl im Aufstellen der eigenen Wahrscheinlichkeitsbeweise als im Entdecken der Trugschlüsse anderer legt zwar fast jede Seite Zeugnis ab, doch wird es nicht leicht sein, alles zu unterschreiben, was Madden behauptet, und solange er nicht Thatsachen bringen kann, bleibt der Wert seiner Briefe für die Geschichte mehr negativer Art, indem sie zur Vorsicht in der Annahme manches bis jetzt als thatsächlich Anerkannten mahnen.
Die Schriften, welche die Geschichte einzelner Perioden, Länder, Städte oder Persönlichkeiten berühren, sind an den betreffenden Stellen des Textes, soweit es der Plan des Buches notwendig oder wünschenswert erscheinen liess, angeführt.
ZUR VORGESCHICHTE DER BUCHDRUCKERKUNST.
Älteste Spuren der Vervielfältigung. Die Manuskripte. Der Metall- und Holzschnitt. Die Kunstschulen. Die xylographischen Werke. Die Vorbedingungen für die Erfindung der Buchdruckerkunst.
IST es auch bei jeder Erfindung, bei welcher ja der Zufall und der Blitz des Geistes eine so wesentliche Rolle spielen, eine schwer zu beantwortende Frage, warum sie gerade zu „der“ Zeit oder bei „dem“ Volke entstanden, so lässt sich andererseits doch nicht leugnen, dass jede Erfindung in der Zeit wurzeln und im Zusammenhange mit dem Geiste der Zeit stehen muss, wenn sie nicht ein Embryo bleiben soll. Ein Denker, der seiner Zeit vorauseilt, empfängt vielleicht die Idee; ist jedoch das Zeitalter für sie nicht reif, so bleibt sie in dem Kopfe des Empfangenden ruhen, oder letzterer wird, wenn er sie ausspricht, als ein Phantast oder gar als ein Wahnsinniger betrachtet, bis er in dem vergeblichen Kampf gegen den Unverstand wohl gar schliesslich ein solcher wird.
Es kann auch keineswegs als eine blosse Zufälligkeit betrachtet werden, dass die Kunst mit beweglichen Typen zu drucken von den Alten trotz der hohen Kulturstufe, auf welcher sie standen, nicht erfunden wurde, obwohl ihre Kinder durch Schablonen schreiben lernten und mit geschnittenen, zu Worten zusammenzureihenden [12] Buchstaben spielten. Eben so wenig kann man es jedoch als ein Spiel des Zufalls betrachten, dass die Erfindung der Buchdruckerkunst in das fünfzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert des Wiedererwachens der Poesie, der Wissenschaft und des Kampfes für die kirchlich-religiöse Freiheit, fiel. Die Zeit brauchte die Waffe für den grossen geistigen Kampf und der Geist der Zeit schaffte sie, als die Reife einmal gekommen war.
In dem Gesagten liegt schon, dass wir es hier nicht mit einer urplötzlich aus dem Kopfe des Erfinders entsprungenen, bereits vollständig gewaffneten Erscheinung zu thun haben. Viel eher passt der einfache Vergleich mit einem, schon in den ältesten Zeiten gelegten Samenkorn, das, sich selbst überlassen, zwar gekeimt und Blätter getrieben hatte, aber erst unter der aufmerksamen Pflege des verständigen Gärtners die schönsten Blüten spendete.
Versuchen wir es in dem Folgenden in Kürze die Spuren des Entstehens und des Wachstums der Pflanze zu verfolgen.
In Stein gehauen, in Erz gegraben, in Thon eingedrückt oder in Wachstafeln geritzt, sind von den Völkern des Altertums die ersten Dokumente auf uns gekommen: Regententafeln, Gesetze und Nachrichten über denkwürdige Ereignisse oder bedeutende Persönlichkeiten. Als die Kultur stieg, schrieb man auf Papyrusblätter oder auf Pergamentrollen und ganze Werke wurden auf diese Weise der Nachwelt erhalten. Die Autoren hielten sich ihre Schreiber, die entweder Sklaven oder Freigelassene waren. Es bildete sich die Klasse der Abschreiber und wir finden sowohl bei den Griechen wie bei den Römern Buchhändler, welche die Bücher-Rollen (volumina) in grösserer Zahl entweder zum Verleihen oder zum Verkaufen abschreiben liessen und reich assortierte Bücher-Lager hielten. Selbst Spuren des Farbendrucks, sowie der Vervielfältigung der Illustrationen durch Schablonendruck, trifft man an.
„Es brennt“, heisst es im Kinderspiel, wenn Einer nahe daran ist, den versteckten Gegenstand zu finden. Und so konnte man auch hier sagen „es brannte“, denn man war der Kunst der mechanischen Vervielfältigung durch Typen und Druck nahe; doch gefunden ward sie nicht, denn die Zeit drängte nicht auf die Erfindung hin. Die wohlfeile Arbeitskraft der Abschreiber und die gute Organisation ihrer Arbeit genügten vollkommen für billige und [13] rasche Herstellung der Werke. Das freie öffentliche Leben bei den Kulturvölkern des Altertums, der heitere südliche Himmel, das leichte, fröhliche Dasein waren ohnehin nicht geeignet, Stubengelehrsamkeit zu nähren. Man hörte die Dichterwerke öffentlich vorlesen, sah in den, Allen zugänglichen Theatern den Schauspielen oder den Wettkämpfen zu, lauschte den Rednern des Forums. Alle Staatsakte geschahen öffentlich; das ganze politische und geistige Leben gipfelte in der Hauptstadt; man hatte genügende Gelegenheit öffentlich die Ansichten auszutauschen; es fehlte das Bedürfnis, im stillen Kämmerlein, von Büchern umgeben, über das Erlebte nachzugrübeln und sich gelehrten Forschungen hinzugeben[1].
Es folgte die Völkerwanderung und damit die Zertrümmerung des frischen geistigen Lebens. Alle Völker Europas versanken in Barbarei. Die Überreste der Gelehrsamkeit und des Studiums fanden sich nur in den Klöstern vor. Hier entstand nach und nach das Bedürfnis, die liturgischen Bücher und die Lehrmittel zu vervielfältigen. Die Mönche hatten in ihrem beschaulichen Leben Zeit nicht allein zu einem Abschreiben in einfacher Weise, sondern auch, dies zu einer Kunst auszubilden. In roter Farbe ausgeführte Zierrate waren schon bei den Römern gebräuchlich, die sich des Miniums bedienten, um die Überschriften der Bücher oder Kapitel ins Auge fallend zu machen. Das Verfahren verpflanzte sich nach Griechenland und dem Orient, uns ist daraus noch die Bezeichnung „Rubrik“ geblieben. Später wurden die Anfangsbuchstaben der Abschnitte und Paragraphen durch Hinzufügung von roten Strichen bemerkbarer gemacht, oder man malte die Buchstaben ganz rot aus. Im Griechischen Reiche wurde die rote Farbe ganz besonders in Ehren gehalten und zu den heiligen Schriften sogar rotes Pergament verwendet mit Buchstaben in Silber oder Gold. Auch bei den Gothen ward diese Ausschmückungskunst geübt, wie der berühmte Codex argenteus, die Übersetzung des Neuen Testaments von dem Bischof Ulfilas, beweist, der einen Schatz der Universitätsbibliothek [14] zu Upsala in Schweden bildet. Die fränkischen Könige nahmen bald die Pracht der Handschriften an, die in Deutschland durch Karl den Grossen bekannt wurde[2].
Die Mönche gingen in der kunstreichen Abschrift und Ausschmückung der Bücher immer weiter. Es fand eine förmliche Teilung der Arbeit nach den verschiedenen Fähigkeiten statt. Einige schrieben, andere verglichen, korrigierten und rubrizierten. Kunstfertige Brüder (rubricatores, illuminatores, miniatores) malten Anfangsbuchstaben, Randverzierungen und bildliche Darstellungen und oft entstanden auf Pergament geschriebene wahre Prachtwerke mit herrlichen Miniaturen in kostbare Deckel von Sammet oder sogar von edlem Metall, mit Edelsteinen besetzt, gebunden, die mit goldenen Spangen geschlossen wurden. Solche Werke hatten natürlich einen sehr hohen Preis und wurden mitunter mit einem Rittergut aufgewogen, konnten also selbstverständlich nur von Fürsten und reichen Leuten angeschafft werden.
Zu dieser Pracht der Ausstattung passte schlecht die im vii. Jahrhundert aufgekommene Sitte, eine Menge von Wörtern so zu abbrevieren, dass schliesslich eine besondere Gelehrsamkeit dazu gehörte, ein Manuskript zu entziffern. Diese Unsitte wurzelte nicht bloss in dem Wunsch, das teure Pergament zu sparen, sondern wohl auch in der römischen Geschwindschrift (den tironianischen Noten), welche schon zu Ciceros Zeiten gebräuchlich waren.
Als gegen das Ende des elften Jahrhunderts ein, namentlich durch die Benediktinermönche genährtes, regeres geistiges Leben begann, als die Menschheit durch die Kreuzzüge in eine, bis dahin ungeahnte Bewegung geraten war, als der Geschmack für die Klassiker sich wieder zu zeigen begann und die Nachfrage nach abgeschriebenen Büchern grösser ward, da fingen auch Laien an Bücher abzuschreiben und den Bücherhandel zu treiben. Förmliche [15] Korporationen bildeten sich (stationarii, librarii). In Italien und Frankreich beschränkten sich die Handschriftenhändler auf einige Universitätsstädte; sie waren, wie später auch die Buchdrucker, in Paris Beamte der Universität, und standen, was Ein- und Verkauf betraf, unter Aufsicht der letzteren. Ohne Vorwissen des Rektors durften sie einem Studenten nichts abkaufen, mussten schwören, reell zu sein und dem Käufer nur den 40. Pfennig als Gewinn abzunehmen. Unter den deutschen Städten fand nur in Wien eine ähnliche Kontrolle statt, die, wenn sie auch in Einzelnheiten ihr Gutes gehabt haben mag, doch im allgemeinen nachteilig wirkte. Die Produktion der Manuskripte und der Handel mit denselben entwickelten sich deshalb auch in Deutschland viel freier, manchmal selbst an Orten, wo keine innere Veranlassung vorlag, so in dem Städtchen Hagenau (um 1430). Die Manuskriptenhändler, die noch lange nach der Erfindung der Buchdruckerkunst fortbestanden, besuchten die Jahrmärkte und Messen und selbst in Frankfurt blühte nach der Erfindung der Buchdruckerkunst der Manuskriptenhandel neben dem Buchhandel. Auch die Lehrer verkauften an die Schüler die denselben notwendigen Bücher.
Die Abschriften und das Material für diese war aber immer noch teuer und nur die Auserwählten konnten lesen. Man nahm also, um auf das grössere Publikum zu wirken, seine Zuflucht zu der, Allen verständlichen, in Metall- oder Holzschnitt ausgeführten „Bilderschrift“. Um Heiligen- und andere Bilder herzustellen, entstanden die Zünfte der Briefmaler und Illuministen. Brief (Breve sc. scriptum) wurde jedes einseitig gedruckte einzelne Blatt genannt, es mochte nun eine Spielkarte, ein Heiligenbild, ein Ablassbrief, eine Anordnung o. dgl. sein.
Als bekannt darf das Wesen des Holzschnittes, wodurch dieser sich von dem Kupferstich unterscheidet und der Schrifttype gleichkommt, angenommen werden, nämlich darin bestehend, dass im Holzschnitt das auf den Holzstock gezeichnete Bild stehen gelassen wird, während alle nicht gezeichneten Stellen weggeschnitten werden, so dass schliesslich die Zeichnung erhaben auf dem Holzstock zurückbleibt, während im Kupferstich umgekehrt die Zeichnung graviert oder geätzt wird, also in der Tiefe liegt. Das Material für den Holzschnitt war zu der Zeit, von welcher hier die Rede ist, Linden-, [16] Birn- oder Buchenholz, das in Längenschnitten mit dem Messer bearbeitet wurde, während man jetzt beinahe ausschliesslich nur Buchsbaum in Querschnitten verbraucht und mit dem Stichel behandelt.
Früher war man gewohnt, alle erhaben geschnittenen Formen als Holzschnitte zu bezeichnen. Durch aufmerksame Prüfung kam man jedoch zu der Erkenntnis, dass ein Teil der vorhandenen Abdrücke von Metallplatten herrühren, und dass der Metallschnitt dem Holzschnitt vorangegangen sei. Die Möglichkeit des Unterscheidens liegt namentlich in der Farbe der vorhandenen Drucke, indem die Metallschnitte etwas grauer, griesslicher und weniger gesättigt erscheinen, als die Holzschnitt-Drucke. Öfters kann man auch in den Umfassungslinien Verbiegungen wahrnehmen, die in einer Holzplatte nicht möglich gewesen sein würden; man hat auch heute noch erhaltene Metallstiche vorgefunden.
Wir nähern uns hiermit schon der Buchdruckerkunst. Die erste ausgedehnte Anwendung eines Druckverfahrens ist der farbige Zeugdruck, der in Europa mutmasslich zuerst in Italien geübt wurde. Ohne uns in ältere Zeiten zu verlieren steht es fest, dass schon im xii. Jahrhundert Seiden- und Leinenstoffe durch Formendruck verziert wurden. Eine allgemeinere Verwendung fand der Zeugdruck im xiii. Jahrhundert und erscheint oft auf den Futterstoffen der reicheren liturgischen Ornate. Gegen den Schluss des xiii., namentlich aber zu Beginn des xiv. Jahrh., wurde auch Leder bedruckt und als Tapete verwendet, selbst auf Bucheinbänden findet man farbige Muster auf dünnes Schafsleder gepresst. Die verzierten Tapeten zeigen nicht nur biblische Scenen sondern auch Gegenstände aus dem Sagenkreise; unter die vorzüglichsten gehören die zu Sitten in der Schweiz. Die beim Zeugdruck vorkommenden Farben beschränken sich zuerst hauptsächlich auf Schwarz und Rot, die Goldverzierungen sind durch Bestäuben erzielt. Auf grösseren Gemälden kommt an den Gewändern der Figuren eine besondere Art von Farbendruck vor, indem die Stellen mit einer kreide- oder gipsartigen Masse überzogen und dann mittels Formen mit Mustern bedruckt wurden (Teigdrucke). Auch nach der Erfindung der Buchdruckerkunst wurde der Zeugdruck mit Holz- oder Metallformen fortgesetzt, der in neuerer Zeit in grossartiger Weise als Kattundruck ausgebildet wurde.
[17] Die ältesten uns bekannten bildlichen Darstellungen in Metallschnitt reichen nach den gründlichsten Untersuchungen bis gegen Ende des xii. Jahrhunderts zurück, Holzschnitte bis gegen Ende des xiv. Einer der ältesten Metallschnitte ist das, früher in der T. O. Weigelschen Sammlung in Leipzig, jetzt in dem Germanischen Museum in Nürnberg befindliche Blatt „Christus am Kreuze“. Unzweifelhaft beglaubigt ist der Holzschnitt „Der heilige Christoph“ aus dem Jahre 1423. Die Erhaltung dieser, wie mancher anderen alten Drucke ist der Sitte zu verdanken, die Deckel der Büchereinbände durch Aufeinanderkleben solcher auszufüttern oder zu bekleben. Freilich haben wir durch diese Sitte andererseits den Verlust zahlreicher Blätter zu beklagen.
Die bildlichen Darstellungen hatten hauptsächlich religiöse Vorwürfe und das Bedürfnis zeigte sich namentlich in den Zeiten bedeutender religiöser Aufregung, wie zu Ende des xiv. und zum Beginn des xvi. Jahrhunderts. Um die Andacht beim Gebet zu erhöhen, wurden die Angerufenen durch Bilder versinnlicht. So entstanden die zahlreichen Darstellungen der heiligen Jungfrau, der Kreuzigung, der Himmelfahrt, der gesamten Passion, der Heiligen, des Weltgerichts. Gesteigert wurde der Verbrauch durch die religiösen Brüderschaften und die Wallfahrten. Es folgten die zusammenhängenden Bildwerke, die zumteil schon im frühen Mittelalter gezeichnet vorhanden waren, und im xv. Jahrhundert xylographisch und typographisch vervielfältigt wurden. Die Hauptsache ward im Bilde dargestellt und die notwendige Erklärung und die Nutzanwendung in Schrift beigegeben.
Daneben machte jedoch auch das profane Leben seine Forderungen geltend und wurde durch eine Menge, teilweise sittenloser Darstellungen befriedigt. Johann Gerson in Paris, zu Anfang des xv. Jahrhunderts, drang — wie später Luther — auf eine sittliche Umkehr und auf Beseitigung schlechter und sittenverderbender Bücher und Bilder, die sogar in den Kirchen zu Paris an hohen Festtagen verkauft wurden. Es ist jedoch von solchen Erscheinungen nichts auf uns gekommen. Das öffentliche Schamgefühl scheint das Vernichtungswerk gründlich betrieben zu haben. Von profanen Büchern mit achtbaren Zwecken sind einige erhalten worden, z. B. das „moral play“, die „zehn Lebensalter“, das „Glücksrad“.
[18] Neben den Heiligenbildern, ja vielleicht noch vor diesen, war das Buch des Teufels, die Spielkarten, ein sehr gesuchter Artikel, der stark abgenutzt wurde. Schon um das Jahr 1300 wurden die Karten in Italien bekannt, kamen aber wahrscheinlich erst in dem letzten Viertel des xiv. Jahrh. nach Deutschland. Um der grossen Nachfrage zu genügen, benutzte man ein Druckverfahren, durch welches die Figuren (darunter auch Heilige) nach den Farben in Metallblätter ausgeschnitten und die Farben schablonenmässig auf das Papier getragen wurden. Später schnitt man die Umrisse in Holz, druckte diese und malte den inneren Raum aus[3].
Die Entscheidung über das Alter eines Metall- oder Holzschnittes ist eine schwierige Aufgabe. Kolorit, Technik, Papier, Kleidung der Figuren, die Art das Haar zu tragen, Bewaffnung u. s. w. müssen in Betracht gezogen werden, um den Ort und die Zeit der Entstehung festzustellen. Später kommt der Vergleich mit den wenigen datierten Drucken hinzu. Auch die Mundart der, von den Figuren ausgehenden Sprüche und die Form der, zu diesen benutzten Schrift gewähren Anhaltepunkte, letztere jedoch insofern weniger, als die Mönchsschrift sich ziemlich unverändert das xv. Jahrh. hindurch erhielt. Nach den erwähnten Merkmalen lassen sich die graphischen Kunsterzeugnisse vor Gutenberg in gewisse Schulen einordnen: die Schwäbische (Ulm, Augsburg); die Fränkische (Nürnberg, Nördlingen); die Bayerische (Freising, Tegernsee, Kaisersheim, Mondsee); die Niederrheinische (Köln, Burgund). Von diesen Schulen lieferten die beiden letzteren die besten Zeichnungen; die letzte ausserdem auch noch die besten Schnitte.
Beim Fortschreiten der Kunst bekommen die Zeichnungen Andeutungen von Schattierung. Auf die einfachen Unterschriften der Bilder folgen ganze Sprüche, gewöhnlich Bibelstellen und Verse; oft in der Form von Devisen aus dem Munde einer Figur hervorgehend. Aus den Sprüchen werden schliesslich ganze Textseiten, [19] die dem Bilde gegenüberstehen. Das Bedürfnis der weltlichen Belehrung führt schliesslich zu einem Buch ohne Bilder, dem Donatus. Aus den Briefmalern werden Briefdrucker (am Rhein printers genannt) und Formenschneider, welche Massen produzieren, von denen leider sehr vieles in der Zeit des dreissigjährigen Krieges vernichtet, einiges aber doch erhalten wurde[4].
Die Zünfte der Genannten standen oft in grossem Ansehen. Als die bedeutendsten sind zu nennen: die in Augsburg (1418), Nürnberg, Frankfurt a. M., Mainz, Köln, Lübeck. In Ulm sind um das Jahr 1410 schon Kartenmacher und Kartenmaler, Formenschneider jedoch erst 1441. In Brügge bestand 1454 eine Brüderschaft St. Johannis des Evangelisten, zu welcher Schreiber, Schulmeister, Buchhändler, Buchbinder, Bildermacher, Bildschnitzer, Illuminatoren, Holzdrucker, Formenschneider und Briefdrucker gehörten und die noch lange nach Erfindung der Buchdruckerkunst blühte. In Italien und Frankreich kannte man solche Vereinigungen erst im xvi. Jahrhundert; sie hiessen im letztern Lande: tailleurs et imprimeurs d'histoires et figures.
Noch druckte man nicht auf einer Presse, sondern das Papier wurde auf die Druckform, welche mit leichter Erdfarbe, später mit einer aus Lampenruss und Firnis gemischten Schwärze eingerieben war, gelegt. Mit einem harten Lederballen, der mit Pferde- oder Kalbshaaren gestopft war, strich man über die Rückseite des Papiers hin und her, ähnlich wie die Holzschneider mittels des Falzbeines ihre Probeabdrücke machen und wie die Chinesen noch heutigentages ihre Bücher drucken. Da der Reiber einen sehr starken Eindruck in dem Papier hinterliess, so konnte man nicht auf die Rückseite desselben nochmals drucken, sondern diese sogenannten Reiberdrucke sind nur einseitige (anopistographische). Um ein Blatt mit bedruckter Vorder- und Rückseite zu bilden, musste das Blatt umgebogen und an den beiden Rändern zusammengeklebt oder geheftet werden, wie es heut zu Tage noch bei den chinesischen Büchern der Fall ist.
[20] Selbst nach Erfindung der beweglichen Typen hört der Tafeldruck nicht ganz auf, namentlich für Sachen, wozu kleinere Typen erforderlich, deren Guss noch zu schwierig war. In dieser Weise vertraten die Holzplatten zumteil die späteren Stereotypplatten. Man konnte die ersteren, deren Material so gut wie nichts kostete, bequem aufbewahren, um nach Bedürfnis Abdrücke zu machen, und hatte nicht nötig, den Aufwand an Papier für längere Zeit im voraus zu bestreiten. Nach Erfindung der Buchdruckerpresse konnte man selbstverständlich beide Seiten des Papiers bedrucken.
Von den Tafeldrucken in Buchform, speziell Xylographische Werke genannt, sind etwa 30 auf unsere Zeit gekommen, von denen die umfangreichsten gegen 50 Blatt umfassen. Sie sind teils nur Bilder ohne Text, teils Bilder mit Text, schliesslich Text ohne Bilder. Von einigen sind die Federzeichnungen, welche der Anfertigung der Holzschnitte vorausgingen, erhalten, andere sind später typographisch ausgeführt, andere wieder xylographisch auf der Buchdruckerpresse gedruckt. Der grösste Teil ist religiösen Inhalts, der künstlerische Wert gewöhnlich unbedeutend. Wir nennen die hauptsächlichsten:
Ars moriendi. Eine Anleitung, selig zu sterben, in einer kompendiösen und in einer ausführlichen Darstellung (speculum artis bene moriendi). Das Buch schildert die Versuchungen des Menschen durch den Teufel, dem der Schutzengel entgegentritt. Der Stoff war ein sehr beliebter und das Buch wurde in allen germanischen und romanischen Sprachen bearbeitet. Der Verfasser ist nicht bekannt. Ein, früher im Besitz von T. O. Weigel in Leipzig befindliches, jetzt dem British Museum einverleibtes xylographisches Exemplar der ars moriendi gilt als die erste, zugleich die vollendetste Ausgabe. Sie besteht aus 12 Bogen kl. fol., in bräunlicher Farbe gedruckt. Die Schrift ist die Mönchsschrift. Die Konzeption und die Ausführung übertrifft in dem geistigen Ausdruck der Figuren und in kunstgerechter Handhabung des Messers alles, was von Kunstblättern des xv. Jahrh. bekannt ist. Allen Anzeichen nach stammt das Werk aus Köln, wo es auch aufgefunden wurde[5].
[21] Historia St. Johanni eiusque visiones apocalypticae oder „das Buch der haymlichē Offenbarungē Sant Johans“ war schon frühzeitig der Gegenstand bildlicher Darstellung. Es giebt drei Ausgaben mit 50, drei mit 48 Vorstellungen.
Ars memorandi: Die Kunst, die Erzählungen der vier Evangelisten in Erinnerung zu behalten. Ein ebenfalls beliebtes, öfters aufgelegtes Werk in 15 rohen, mit blasser Farbe gedruckten Holztafeln, und 15 Blättern mit Text.
Biblia Pauperum, „Die Armenbibel“, ist eine Reihe neutestamentlicher Darstellungen von der Geburt der heiligen Jungfrau an bis zum jüngsten Gericht, unter beständiger Hinweisung auf das Alte Testament. Das Buch ist wahrscheinlich niederrheinischen Ursprungs. Die Benennung erklären Einige, als sei das Buch für die geringeren Ordensgeistlichen, die sich Pauperes Christi nannten, bestimmt, Andere nehmen an, es solle damit gesagt sein, sie sei eine Bibel für die an Gütern oder am Geiste Armen.
Speculum humanæ salvationis (holländ.: Spieghel der menscheliker Behoudnisse): „Der Heilsspiegel“, ist ebenfalls eine Reihe neutestamentlicher Darstellungen. Von den vielen Ausgaben dieses beliebten Buches ist nur eine mit in den Tafeln geschnittenem Text, die übrigen sind typographisch ausgeführt. Das Buch ist niederrheinischen Ursprungs und die Holländer erklären dieses späte Produkt für ein von Koster mit beweglichen Typen gedrucktes Werk.
„Der Entkrist“, die Legende von dem falschen Messias. 26 Bl. in kl. fol.
„Die Legende des heiligen Meinrad“, 48 xylogr. Blätter in 8°.
Von den xylographischen Werken weltlichen Inhalts sind folgende besonders erwähnenswert:
„Die Kunst Ciromantia Dr. Joh. Hartliebs“, Leibarzt des Herzogs Albrecht des Frommen zu Bayern, 24 auf beiden Seiten bedruckte Blätter.
„Der Kalender des Magisters Johannes de Gamundia“, die älteste bekannte Ephemeride (gedruckt um d. J. 1470). Das Werk bestand nicht bloss aus der uns allein erhaltenen Tafel, sondern hatte 11 Foliobogen Text.
„Der deutsche Kalender von Magister Johann von Kunsperk“ (Regiomontanus) um d. J. 1473. Von diesem Werke hat man Exemplare, [22] welche nach dem Druck abgeschrieben sind, ein Beweis, dass die gedruckten Bücher damals noch teuer waren und dass man in den Klöstern immer noch Zeit übrig hatte.
Von den Lehrbüchern war namentlich der Donatus sehr verbreitet. Der Verfasser Älius Donatus, welcher um 335 n. Chr. in Rom lehrte, hat mehrere kleine grammatische Schriften hinterlassen, aus welchen man einen Auszug in Katechismusform: Donatus minor bildete, der bis tief in das xviii. Jahrhundert noch im Gebrauch war.
Um die Mitte des xv. Jahrh. hebt sich der Sinn für die klassische Litteratur in merklicher Weise. In Italien erblüht ein frisches Geistesleben, durch Dante, Boccaccio und Petrarca geweckt. Die fürstlichen Häuser der Medici, Visconti und Este suchen ihre Ehre in der Beschützung und Pflege der Dichtkunst und der Wissenschaften. Im Norden bilden der Hof von Burgund und die niederländischen Städte Pflanzschulen der Kultur. In Deutschland geht das Lehns- und Ritterwesen zuende und der Bürgerstand erhebt sich mächtig. Die Fragen der Kirche sind auf die Tagesordnung gesetzt: Wiclef und Huss haben der Reformation vorgearbeitet.
Streitigkeiten an der Prager Universität veranlassen die Auswanderung von Lehrern und Schülern, welche die Gründung der Hochschulen zu Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt, Würzburg und Leipzig zur Folge haben. Die Zeit war für die Entdeckung der Buchdruckerkunst gereift und die neue Welt des Geistes sollte noch eher, als die neue Welt jenseit des Meeres, ihren Columbus finden. Dieser war: Johannes Gutenberg.
DIE ERFINDUNG.
Johannes Gutenberg. Herkunft. Aufenthalt in Strassburg. Gutenberg in Mainz. Verbindung mit Johann Fust. Peter Schöffer. Gutenbergs Unglück. Sein Tod. Sein Andenken.
[23] JOHANNES GENSFLEISCH ZU GUTENBERG, geboren in Mainz um das Jahr 1397, gehörte einer dortigen angesehenen Patrizierfamilie an. Sein Vater, Frielo Gensfleisch, heiratete Else, letzte Sprosse des Patriziergeschlechtes „zum Gutenberg“. Dieser Ehe entstammten zwei Söhne Frielo und Henne (Johannes).
Von den Jugendjahren und dem Bildungsgang des Johannes ist nichts bekannt. In die Streitigkeiten zwischen dem Adel und den Bürgern von Mainz verwickelt, wanderte die Familie Gensfleisch 1421 von Mainz aus und zog wahrscheinlich zuerst nach Eltville im Rheingau, wo sie Güter besass. Hier wohnte 1434 noch der älteste Sohn Frielo. Aus einer Urkunde, welche Johannes Gutenberg (bei diesem seinen Weltnamen werden wir ihn künftig nennen) im Jahre 1434 in Strassburg ausstellte, erfährt man erst mit Bestimmtheit, dass er dort sein Domizil aufgeschlagen hatte. Er wohnte im Kloster Arbogast an der Ill, eine Viertelstunde vor dem Weissturmthore, an der, jetzt Grüneberg genannten Stelle. In der erwähnten Urkunde erklärt Gutenberg, dass er, dem Strassburger Magistrat zuliebe, den Mainzer Stadtschreiber Nikolaus, den er hatte [24] festnehmen lassen, um die Zahlung einer Rente von dem Mainzer Rate zu erzwingen, welche dieser beanstandete, weil Gutenberg nicht nach Mainz zurückgekehrt war, loslassen wolle. Gleichzeitig verzichtet Gutenberg auf jede Forderung an die Stadt Mainz.
Als industrielles Talent zeigt sich Gutenberg erst um das Jahr 1435 („etliche Jahre vor 1439“). Zu der erwähnten Zeit sucht Andreas Dritzehn ihn auf, mit dem Begehren, Gutenberg möge ihn in einige von den Künsten einweihen, mit welchen er sich abgebe. Gutenberg ging hierauf ein und schloss einen Vertrag in Betreff des „Steinepolierens“ mit Dritzehn ab. Im Jahre 1437 traf Gutenberg ein weiteres Abkommen mit Hans Riffe, Voigt zu Lichtenau, bezüglich des „Spiegelmachens“, einer Kunst, die man anlässlich der 1439 bevorstehenden Wallfahrt nach Aachen mit Vorteil auszubeuten hoffte. Gutenberg sollte zwei Anteile von dem Ertrag haben, Riffe einen. Als Dritzehn hiervon Kenntnis erhielt, drang er darauf, auch in diese Gemeinschaft aufgenommen zu werden und Gutenberg gab ihm schliesslich den einen seiner zwei Anteile. Später erlangte Anthonin Heilmann, ein geistlicher Herr, noch für seinen Bruder Andreas Heilmann, der wie Dritzehn zur Kürschnerzunft gehörte, eine Teilnahme. Man einigte sich schliesslich dahin, dass er die Hälfte von Dritzehns Drittel bekam. Jeder Teilnehmer musste an Gutenberg 80 Gulden zahlen.
Als die Aachener Wallfahrt auf das Jahr 1440 verschoben wurde, entschlossen sich die Teilnehmer, den Vertrag zu prolongieren und auf andere Zweige zu erweitern. Andr. Dritzehn und Andr. Heilmann sollten je 125 Gulden einzahlen. Nach einigen Schwierigkeiten wurde der Vertrag im Sommer 1438 auf fünf Jahre abgeschlossen. Starb in dieser Zeit einer der Beteiligten, so sollten dessen Erben nach Ablauf des Vertrags mit 100 Gulden abgefunden werden. Das Verhältnis unter den Teilnehmern blieb ein freundliches. Das Geschäft war namentlich Spiegelmachen, eine Kunst, die damals Bedeutung hatte. Besonderes Gewicht wurde bei dieser Fabrikation auf die gepressten Metallrahmen gelegt. Dass die Compagnons sich mit Metallarbeiten beschäftigten, geht deutlich aus ihren Ankäufen hervor.
Weihnachten 1438 erkrankte Dritzehn in gefährlicher Weise und starb an einem der Weihnachtsfeiertage. Andr. Heilmann, [25] dem daran liegen musste, dem Gerede Neugieriger vorzubeugen, ersuchte den Tischler Saspach, der für die Gesellschaft eine Presse gefertigt hatte, diese auseinanderzunehmen, „dann wisse niemand, was die Stücke zu bedeuten hätten“. Saspach ging auch am 26. Dez. hin, aber „das Ding“ war fort. Auch Gutenberg hatte seinen Diener Lorenz Beildeck mit einem ähnlichen Auftrage gesandt. Vergebens; die Presse war fort. Wozu sollte sie aber gedient haben? Es konnte eine Druckerpresse gewesen sein, aber ebenso wohl eine Art von Prägepresse für die Verzierungen der Spiegelrahmen. Andere haben die Vermutung ausgesprochen, es handle sich um ein Giessinstrument, einen Apparat, der wirklich neu und für die Ausbeutung der Erfindung der Buchdruckerkunst, falls es sich doch um diese gehandelt haben sollte, weit massgebender war als eine Presse. Was ein auseinandergenommenes Giessinstrument bedeuten könne, sollte allerdings dem Uneingeweihten zu erraten schwer geworden sein.
Gegen die klaren Bestimmungen des Vertrags forderten die Brüder des verstorbenen Dritzehn, in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden. Gutenberg, der diesen Antrag verwarf, ward nunmehr von den Dritzehns bei dem grossen Rate zu Strassburg verklagt, jedoch nach Abhören von vielen Zeugen freigesprochen. Das Urteil vom 12. Dezbr. 1439 lautete: Die Erben Dritzehns hätten sich bei der festgesetzten Entschädigung von 100 Gulden zu beruhigen, von welchen 85 Gulden, welche Dritzehn noch an Gutenberg angeblich schuldete, abgezogen werden sollten, vorausgesetzt, dass letzterer die Richtigkeit der Angabe beschwören würde. Den Eid leistete Gutenberg.
Wüssten wir auch nicht aus diesem Rechtsstreit, dass Gutenberg bis zum Sommer 1443 in Strassburg gebunden gewesen, so könnten wir aus dem Steuerregister, in welchem er in den Jahren 1439, 1443 und 1444 verzeichnet ist, leicht erfahren, dass er um diese Zeit in Strassburg verweilte. In diesem Register wird Gutenberg als „Konstofler“ bezeichnet, d. h. als Mitglied einer lokalen Innung im Gegensatz zu den gewerblichen. Auch eine Bürgschaftsurkunde Gutenbergs aus dem Jahr 1441 ist vorhanden. Einem anderen Dokument ist sein Siegel beigefügt mit der Umschrift: S. Hans Gensfleisch dei Gutenb'g. Aus dem Strassburger Aufenthalt erfährt man ferner, dass Gutenberg auf Grund eines angeblich nicht gehaltenen Eheversprechens von Anna zur eisernen Thüre in Anspruch genommen [26] wurde. Von einer Heirat ist keine Spur zu finden, jedoch schreibt sich Anna später Annel Gutenbergerin.
Die pekuniären Erfolge der Strassburger Unternehmungen entsprachen den Erwartungen der Teilnehmer nicht und Gutenberg kehrte, wahrscheinlich in der Hoffnung von seinen Verwandten das erforderliche Geld zur Durchführung seiner Pläne zu erlangen, nach Mainz zurück. Am 23. April 1444 weilt er noch in Strassburg. Nach Mainz muss er, in Begleitung von seinem treuen Diener Lorenz Beildeck, zu Ende d. J. 1444 oder zu Anfang d. J. 1445 gekommen sein. In Strassburg finden sich keine Spuren einer Buchdruckerkunst vor.
Von den ersten fünf Jahren aus dem Aufenthalt Gutenbergs in Mainz ist so viel wie nichts bekannt, nur dass sein Oheim Henne Gensfleisch der ältere den „Hof zum Jungen“ mietete und ihn darin aufnahm, ferner, dass ein anderer Verwandter Arnold Gelthuss für ein Darlehn von 150 Goldgulden, welches er am 6. Oktober 1448 gegen einen Zins von 5 Goldgulden für das Hundert aufnahm, sich verbürgte. Nur hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass seine Pläne sich in einem vorgeschrittenen Stadium befanden, dass jedoch seine Mittel zur Durchführung nicht genügten.
Da erschien zu einer, in ihrer Folge teueren Hülfe ein angesehener und gut situierter Bürger, Johannes Fust. Am 22. Aug. 1450 wurde ein Vertrag zwischen diesem und Gutenberg abgeschlossen, nach welchem Fust 800 Goldgulden gegen 6% Zinsen vorstreckte. „Das Gezüge“ blieb Unterpfand. Sollten die Kontrahenten in Differenzen geraten, so hatte Gutenberg die 800 Gulden zurückzuzahlen. Ausserdem wurde übereingekommen, dass Fust jährlich bis zu 300 Gulden für Löhne, Hauszins, Pergament, Papier, Farbe und andere Erfordernisse vorschiessen sollte. Der ganze Vertrag hatte somit einen rein finanziellen Charakter. Gutenberg gab den Gedanken, das Werkzeug, die Arbeit; Fust das Geld. Von einer Miterfinderschaft des letzteren ist mit keinem Worte die Rede.
In seinem ganzen nachherigen Verfahren zeigt sich Fust als ein so vorsichtiger und klug berechnender Geschäftsmann, dass unbedingt angenommen werden muss, die Erfindung habe beim Abschluss des Vertrags bereits auf einer weit vorgerückten Stufe der Entwickelung gestanden. Mit einem projektmachenden Junker, der [27] weiter nichts mitbrachte, als etwa den Gedanken, Holztafeln in einzelne Buchstaben zu zersägen und diese Buchstaben einzeln an einander zu reihen und zu drucken, würde ein Fust kaum den Vertrag abgeschlossen haben. Und wie sollte ein strebender Geist, wie Gutenberg, der jahrelang sich in Metallarbeiten geübt hatte, auf den Gedanken kommen, grosse Hebel in Bewegung zu setzen, um xylographische Drucke zu liefern oder bewegliche Holztypen zu schaffen? Was heutzutage mit allen Raffinements der Hülfsmaschinen kaum gelingen würde, sollte im Jahre 1450 denkbar gewesen sein! Gutenberg müsste kein Erfindergenie gewesen sein, wenn er hölzerne Typen je zu einem anderen Zweck hergestellt hätte, als um Versuche zu machen und allenfalls sie als Stempel zu benutzen, um Matern zum Guss der Buchstaben zu schaffen. Und, hat auch Gutenberg wirklich seine ersten Stempel in Holz geschnitten, so wird es nicht lange gedauert haben, bis er eingesehen hat, dass für die Stempel Metall, und zwar ein härteres als das der Mater oder der Type, unumgänglich notwendig sei. Es kann nicht genug betont werden: „Die mechanische Vervielfältigung der Typen bildet das Wesen der Typographie“. Hätte Gutenberg nicht die Schriftgiesserei erfunden, so gehörte ihm auch nicht die Erfindung der Buchdruckerkunst. Dass Peter Schöffer wesentliche Verbesserungen in diesem Zweige eingeführt habe, muss man jedoch annehmen.
Mit dem grossen Werke Gutenbergs ging es, wie mit so vielen anderen Unternehmungen von Bedeutung: es verschlang, bevor es in seiner Vollendung Geld bringen konnte, mehr Geld, als berechnet war. Im Dezember 1452 schoss Fust abermals 800 Goldgulden vor, sorgte aber vorsichtigerweise auf das beste für die Sicherstellung. Nicht allein das „Gezüge“, sondern das „Werk des Buches“ wurde ihm verpfändet und der Vorteil sollte ein gemeinschaftlicher sein. Hier ist also von einer wirklichen Beteiligung die Rede, was einen sicherern Beweis liefert, dass nicht mehr an der Rentabilität gezweifelt wurde.
Welches waren nun die ersten unbestreitbaren Erzeugnisse der Gutenbergschen Presse? Den grössten Absatz versprachen natürlich Schulbücher, namentlich die schon früher erwähnte sehr beliebte Grammatik des Älius Donatus. Ein Fragment (jetzt in Paris), zwei Pergamentblätter, eines solchen von Gutenberg gedruckten [28] Donats, wurde als Einschlag einer alten Rechnung entdeckt. Die grossen Typen des Schriftchens sind die der 36zeiligen Bibel. Verkehrtstehende Buchstaben weisen unwiderleglich auf eine typographische Herstellung hin, die um das Jahr 1451 stattgefunden haben muss.
Am 12. Aug. 1451 bewilligte der Papst Nikolaus v. denjenigen, welche zur Unterstützung des Königreichs Cypern in seinem Krieg gegen die Türken Geld spendeten, einen allgemeinen Ablass, der für die drei Jahre vom 1. Mai 1452 - 1. Mai 1455 erteilt wurde. Paulinus Zapp (Chappe) besorgte von Mainz aus den Vertrieb der Ablassbriefe für Deutschland. Das Geschäft wollte aber nicht recht gehen, bis, nach dem Fall von Konstantinopel (1453), Europa aufschrak. Nunmehr nahm der Generalinquisitor Johann von Capistran die Sache in die Hand und predigte den Kreuzzug gegen die Türken. Jetzt fand der Ablasshandel einen günstigeren Boden. Zur massenhaften Anfertigung dieser „Anteilscheine auf Seligkeit“ eignete sich Gutenbergs Erfindung ganz vorzüglich. Man liess nur den Raum für den Ort, den Tag und den Namen des Aktieninhabers offen und die Ausstellung konnte in raschester Weise vor sich gehen. Ein vollständig „geschriebener“ Ablassbrief aus Lübeck, datiert vom 6. Okt. 1454, ist noch vorhanden, daneben sind aber auch „typographisch“ hergestellte Exemplare mit der Jahreszahl mccccliiii aufgefunden. Nach dem ersten Mai 1455 waren die Urkunden wertlos und deshalb die Pergamentblätter namentlich von den Buchbindern benutzt, oder sie gingen im Laufe der Jahrhunderte verloren. Allmählich sind jedoch 23 solcher Denkmale der ältesten Typographie ans Licht gezogen, die alle aus dem Zeitraum vom 25. Nov. 1454 bis zum 30. April 1455 stammen. Aus diesen geht hervor, dass Gutenberg im Jahre 1454 wenigstens zwei Schriftgattungen besessen hat: die grosse Donattype und eine kleinere, die jedoch zu keinem Buche von ihm benutzt wurde.
Mit Resultaten wie die erwähnten war Gutenberg jedoch nicht zufrieden; sein Sinn trachtete nach einem grösseren Ziele. Und welches Ziel konnte der neuen Erfindung würdiger sein, als die Verallgemeinerung der heiligen Schrift. Wir stehen nun vor einem der wichtigsten der vielen, noch dunklen Punkte in der Erfindungsgeschichte.
Es liegen zwei Bibeln vor, über welche Meinungsverschiedenheit [29] obwaltet: die „42zeilige“ (die sogenannte „Mazarinsche“), unzweifelhaft von Gutenberg und Fust begonnene und von Fust und Schöffer vollendete, und die „36zeilige“ (die „Schellhornsche“)[1]. Welcher von beiden gebührt die Priorität? Früher wurde diese allgemein der 42zeiligen zugesprochen und die 36zeilige Bibel als ein Druck Alb. Pfisters in Bamberg betrachtet. Alle neueren Forscher jedoch, Didot, Weigel und Zestermann, Madden, de Vinne, van der Linde, sind darin einig, dass die 36zeilige Bibel die erste sei und ebenfalls aus Gutenbergs Offizin stamme. Diese neuere Ansicht wird durch eine, aus der Schöfferschen Druckerei direkt stammende Überlieferung bestätigt, welche Ulrich Zell nach Köln brachte und die 1499 gedruckt erschien. Hiernach wäre die erste Bibel die mit den „grossen Missalbuchstaben“ gedruckte d. i. die „36zeilige“. Dieselben Typen, die für den erwähnten Donat dienten, wurden 1454 zu: „Eyn manūg d' christēheit widd' die Durkē“ verwendet und gingen wahrscheinlich später in den Besitz Pfisters in Bamberg über. Dies mag Veranlassung zu der Annahme gegeben haben, dass die 36zeilige Bibel aus Pfisters Offizin stamme, wogegen jedoch dessen sonstige typographische Leistungen und viele äussere Umstände und innere Gründe entschieden sprechen.
Die 36zeilige Bibel umfasst 881 Blätter oder 1762 zweispaltige Seiten, zumeist in Lagen von 5 Bogen gefalzt, und ist in der Regel in drei Bände gebunden. Zum Zweck der kalligraphischen Ergänzung sind die Räume für die grossen Initialen freigelassen. Die neue Kunst wollte eine genaue Reproduktion der Manuskripte geben. Deshalb wurden auch die Drucklettern den geschriebenen Buchstaben mit den vielen Abbreviaturen nachgebildet. Was in Druck nicht nachgeahmt werden konnte, wurde hineingezeichnet. Eine beabsichtigte Täuschung hierin erblicken zu wollen dürfte kaum zutreffend sein; man wagte es einfach nicht von dem herrschenden Geschmack abzugehen. Ähnliches findet man noch heute bei den für den Orient bestimmten Druckschriften, deren Schwierigkeit hauptsächlich darin liegt, dass alle Abwechselungen der Handschrift genau [30] nachgebildet werden müssen. Das Druckjahr der 36zeiligen Bibel ist nicht zu entdecken gewesen. Ein rubriziertes Exemplar in Paris trägt das Datum 1461. Dies würde allerdings sehr gegen die Priorität dieser Ausgabe sprechen, wenn es nicht auch sonst vorkäme, dass Exemplare eines Buches erst später rubriziert wurden. Im Jahre 1460 hatte man schon Blätter dieser Bibel als Makulatur benutzt. Die ersten Bogen zeigen in technischer Beziehung noch Unsicherheit, der Druck ist sehr stark, das Register steht nicht gut, und auch andere Mängel sind sichtbar, der spätere Teil ist besser gearbeitet[2].
Sollte die 36zeilige Bibel die erste und somit die zuerst aufgefundene 42zeilige Bibel dem Alter nach die zweite gewesen sein, so bleibt sie nichtsdestoweniger ein höchst ehrwürdiges und bedeutendes Druckmonument. Es ist ein zweibändiger Foliant von 324 und 317, im ganzen also von 641 Blättern von zweispaltigen Zeilen. Die 66 Lagen bestehen meist aus je fünf Bogen (Quinternionen). Gedruckte Seitenzahlen, Signaturen, Kustoden und Initialen fehlen. Ein rubriziertes Exemplar ist mit dem Datum 24. Aug. 1456 bezeichnet. Man hat Exemplare sowohl auf Pergament wie auf Papier. Die auf Pergament gedruckten Exemplare, von denen man sechs kennt (davon je eins in Leipzig und Berlin), sind mit brillant ausgemalten Initialen mit Goldverzierungen geschmückt; die auf Papier gedruckten, von welchen neun erhalten wurden (darunter in Frankfurt a. M., Leipzig, München, Wien), haben wechselnd rote und blaue Initialen.
Einen tüchtigen Mitarbeiter fanden Gutenberg und Fust in Peter Schöffer. Im Prinzip hatte Gutenberg die Erfindung allein vollbracht, aber in der technischen Ausführung der Einzelnheiten mag vieles noch gefehlt haben. Die Stempel und Formen (Matrizen) waren noch unvollkommen. Die Schärfe der Typen verlor sich schnell auf Grund der Weichheit des Metalls für die Schrift und die Matern; auch die Zeichnung und der Schnitt der Stempel (Patrizen) liessen zu wünschen übrig. Hier scheint nun Peter Schöffer zum Vorteil der Kunst energisch eingegriffen zu haben.
Schöffer[3] war in Gernsheim zwischen 1420 und 1430 geboren. Näheres über seine Familie und seine Jugend ist nicht bekannt, nur dass [31] er sich zuerst der Jurisprudenz widmete und sich längere Zeit in Paris aufhielt, wo er sich einen Ruf als tüchtiger Illuminator und Rubrikator erwarb. Nach Mainz scheint er in dem Jahre 1450 oder 1451 gekommen zu sein, wahrscheinlich um in den erwähnten Eigenschaften in der Gutenbergschen Offizin zu wirken. Hier hat er nun mutmasslich weitergehende Talente entwickelt, ohne dass es sich jedoch genau feststellen lässt, wie weit seine Thätigkeit sich erstreckte. Jedenfalls hat er die Form der Buchstaben verbessert, ein grösseres Ebenmass derselben sowie auch eine bessere Legierung des Schriftmetalls veranlasst, und einen schöneren Schnitt der Stempel in härterem Metall (Stahl) eingeführt, wodurch man in den Stand gesetzt wurde, dieselben in kupferne Matrizen einzutreiben. Kurz: hat auch Schöffer die Schriftgiesserei nicht erfunden, so bleibt ihm doch das grosse Verdienst, sie in die Bahn gelenkt zu haben, die sie bis jetzt nicht verlassen hat. Auch die Verbesserung der Schwärze durch Zusatz von Firnis soll sein Werk gewesen sein.
Dass die Verdienste Schöffers nicht klein sein konnten, lässt sich schon daraus schliessen, dass der angesehene und wohlhabende Fust kein Bedenken trug, dem armen Schreiber seine Tochter Christine zur Ehefrau zu geben. Diese Tüchtigkeit und dieses Zutrauen, welches Fust in Schöffer setzte, sollten leider Gutenberg verderblich werden, denn sie gaben Fust die Zuversicht, feindlich gegen ihn aufzutreten. Für Schöffers Beteiligung bei diesen Schritten liegt kein Beweis vor; zweideutig jedoch hat er sich wenigstens insofern gezeigt, als er später auf Kosten Gutenbergs sich die Ehre der Erfindung anzueignen versuchte.
Mag nun sein, dass die Auslagen zu gross und die Auflagen zu klein, oder, dass Gutenberg in der praktischen Geschäftsführung nicht der rechte Mann gewesen, die neue Kunst hatte trotz aller technischen Fortschritte keinen finanziellen Erfolg gehabt. Es kam soweit, dass Fust Klage gegen Gutenberg erhob. Er forderte:
Erstes eingeschossenes Kapital: | 800 | Goldgulden |
Zinsen darauf: | 250 | " |
Zweites Kapital: | 800 | " |
Zinsen darauf: | 140 | " |
Zins vom Zins: | 36 | " |
zusammen | 2026 | Goldgulden. |
[32] Gutenberg machte dagegen geltend, 1) dass Zinsen von den 800 Gulden zwar in dem Dokument festgestellt seien, dass aber Fust versprochen habe, solche nicht zu erheben; 2) dass die ersten 800 Gulden nicht voll eingezahlt gewesen; 3) dass er in Betreff der zweiten 800 Gulden zwar die Verantwortung, nicht aber Zinsen zu tragen habe; 4) dass die zugesagten 300 Gulden jährliches Betriebskapital nicht entrichtet worden seien. Hiergegen wird Fust der Eid auferlegt, welchen er leistet, und Gutenberg, der nicht persönlich erschienen war, wird am 6. Nov. 1455 zur Zahlung verurteilt. Auf Fusts Verlangen stellte der Kleriker und Notar Ulrich Helmasperger eine Urkunde über die Verhandlung auf, welche ein wichtiges Dokument in der Erfindungsgeschichte bildet.
Der Vertrag zwischen Gutenberg und Fust hatte somit seine Endschaft erreicht; wie sich jedoch die schliessliche Auseinandersetzung gestaltet hat, ist nicht bekannt. Aus später erschienenen Druckwerken geht hervor, dass die Typen der noch nicht vollendeten 42zeiligen Bibel auf Fust übergegangen sind, dass Gutenberg dagegen die Typen der 36zeiligen behielt. Denn nach dem Tode Fusts druckte sein Nachfolger Peter Schöffer mit der zuerst erwähnten Schrift einen Donat, während gegen Ende des Jahres 1456 mit den zuletzt genannten Typen ein Kalender auf das Jahr 1457 fertiggestellt wurde.
Gutenbergs Mut war durch den ihm beigebrachten Schlag nicht erschüttert, und es scheint ihm nicht einmal schwer geworden zu sein, wieder in Besitz von Betriebsmitteln zu kommen. Zwar wurde auch diesmal eine Verpfändung notwendig, aber sein Gläubiger Conrad Humery, „der Stadt Mainz Pfaff und Jurist“, war ein verständiger, Gutenberg wohlgesinnter Mann. Gutenberg fertigte ganz neue Typen an und druckte mit diesen zuerst zwei kleine undatierte Schriften: Matthäus de Cracovia, tractatus racionis et consciencie, 22 Blatt in Quarto, und Thomas de Aquino, Summa de articulis fidei, 12 Blatt in Quarto. Dann aber brachte er im Jahre 1460 mit der neuen Schrift ein Riesenwerk zustande, einen Folianten von 373 zweispaltig und eng gedruckten Blättern (ohne Signatur, Kustoden und Seitenzahlen). Diese bedeutende Leistung war die berühmte erste Ausgabe des Joannis de Janua: Summa quae vocatur Catholicon. Den Anfang bildete eine lateinische Grammatik in vier [33] Abteilungen (64 Blatt), dann folgt als fünfter Teil ein lateinisches Lexikon. Am Ende des Buchstaben I (Blatt 189 rechte Seite) steht gedruckt das Wort sequitur und darunter geschrieben in alio folio; die Rückseite des Blattes ist weiss gelassen und somit konnte das Werk in zwei Bände gebunden werden.
Zum Schluss des Werkes ergreift der Erfinder selbst, jedoch ohne seinen Namen zu nennen, zum ersten, zugleich zum letzten male das Wort. Die Schlussschrift (Kolophon) ist lateinisch und lautet übersetzt[4]:
„Unter dem Beistande des Allerhöchsten, auf dessen Wink die Zungen der Kinder beredt werden und der oft den Kleinen offenbart, was er den Weisen verbirgt, ist dieses vortreffliche Buch Catholicon im Jahre der Menschwerdung des Herrn mcccclx in der guten, der ruhmwürdigen deutschen Nation angehörigen Stadt Mainz, welche die Gnade Gottes mit so hehrem Geisteslichte und freiem Gnadengeschenke den anderen Völkern der Erde vorzuziehen und zu verherrlichen gewürdigt hat, gedruckt und zustande gebracht worden, und zwar nicht mittels des Rohres, des Griffels oder der Feder, sondern durch das bewundernswerte Zusammenpassen, Verhältnis und Ebenmass der Patronen und Formen[5].“
So spricht sich der Erfinder selbst über die Erfindung aus. Es ist kaum anzunehmen, dass er sich nur aus Bescheidenheit oder aus falschem Stolz nicht genannt haben sollte, oder gar aus Verdruss, weil seine Leistungen durch die Schöffers überflügelt waren. Wir müssen leider eher glauben, dass derjenige, der für andere die Goldminen entdeckt hatte, nicht in der Lage war, seinen Namen nennen zu dürfen, mögen nun die Gründe in einem noch nicht geregelten Verhältnis zu Fust oder in seiner neuen Stellung zu Humery oder sonst wo gelegen haben.
Aus dem Jahre 1461 haben wir noch einen Ablassbrief, mit den Typen des Catholicons gedruckt. Dann kam das für Mainz und die junge Kunst so verhängnisvolle Jahr 1462. Der Erzbischof von Mainz, Diether, Graf zu Isenburg, war von Kaiser und Papst abgesetzt. Die Domherren wählten den Grafen Adolf von Nassau; die [34] Bürger aber nahmen Partei für Diether. In der Nacht vom 27. zum 28. Oktober 1462 erstürmte Adolf die Stadt. Hunderte von Bürgern fielen, andere wurden ausgeplündert und vertrieben und ihre Häuser verwüstet. Dies Schicksal traf auch die Offizin Fust und Schöffers. Mainz war in wenigen Tagen entvölkert und seiner Privilegien beraubt. Handel und Gewerbe lagen auf lange darnieder und von einer weiteren Ausdehnung der Buchdruckereien in Mainz konnte vorläufig keine Rede sein. Obwohl die Offizin Gutenbergs verschont geblieben war, da der Besitzer zum Grafen hielt, so musste er doch mit seiner Druckerei auswandern. Er führte dieselbe nach Eltville, der Residenz Adolfs, über.
Am 15. Januar 1465 wurde er zum Hofdienstmann des Grafen auf Lebenszeit ernannt. Als solcher hatte er jährlich die Hofkleidung eines Edlen, für sein Haus zwanzig Malter Korn und zwei Fuder Wein steuerfrei. Wachdienst, Einschätzung u. s. w. ward ihm auf immer erlassen. Da die Hofdienstmänner für ihre Person freien Tisch am Hoflager und für ihre Pferde Futter erhielten, so dürfen wir uns Gutenberg wenigstens nicht als von materiellen Sorgen zu seinem Lebensende gequält vorstellen. Seine Offizin hatte er pachtweise seinen Verwandten Heinrich und Nikolaus Bechtermünze überlassen.
Gutenberg starb in der Zeit zwischen dem 24. Nov. 1467 und dem 24. Febr. 1468 und wurde aller Wahrscheinlichkeit nach in der Dominikanerkirche[6] zu Mainz begraben. Diese ging in der Nacht vom 20. zum 21. Juli 1793 bei der Beschiessung von Mainz durch die Franzosen in Flammen auf und auch die an derselben Stelle errichtete Fruchthalle brannte (1875) nieder.
Am 24. Febr. 1468 bescheinigt Humery, dass der Graf ihm den Vorrat der zu Gutenbergs Nachlass gehörenden Formen, Buchstaben und Werkzeuge verabfolgt habe. Gleichzeitig verpflichtet sich Humery, den betreffenden Apparat nur in der Stadt Mainz zu benutzen. Sollte er jedoch denselben verkaufen und ein Mainzer Bürger soviel dafür geben wollen, wie ein Fremder, dann gebühre dem Mainzer der Vorzug. Aus dieser Fürsorge Adolfs muss man schliessen, dass er Gutenberg sehr zugethan und dass [35] dessen Aufnahme an seinem Hofe eine Belohnung gewesen, entweder für die Verdienste Gutenbergs im allgemeinen oder um ihn selbst insbesondere.
Die Offizin ging in den vollständigen Besitz des Nikolaus Bechtermünze über, dessen Bruder Heinrich bereits 1467 verstorben war. Nikolaus setzte das Geschäft bis 1477 in Verbindung mit einem anderen Patrizier Wigand Spiess von Ortenberg fort. Gegen das neu aufgeblühte Geschäft Fust und Schöffers aufzukommen mag wohl schwer gewesen sein. Die ersten Drucke der neuen Offizin waren mit den Typen des Catholicons ausgeführt.
Nach dem Tode des Nikolaus überliessen seine Erben das sämtliche Material der Brüderschaft des gemeinsamen Lebens zu Marienthal in der Nähe von Eltville. Von diesen kam es 1508 an Fr. Hewmann aus Nürnberg, Buchdrucker im Kirschgarten zu Mainz. Beim genauen Durchgehen eines Buches aus dessen Offizin soll die älteste Type Gutenbergs aus den Ablassbriefen von 1454 und 1455 und der 36zeiligen Bibel wieder erkannt worden sein, während die Nachfolger Gutenbergs bis dahin von dessen Typen nur die des Catholicons benutzt hatten[7].
Hiermit nehmen wir Abschied von Gutenberg und dessen Offizin. Das erste äussere Andenken an ihn wurde 1504 von Ivo Wittig gestiftet und bestand in einem Denkstein im Hofe „Zum Gutenberg“. Seitdem hatte Mainz seinen grossen Bürger ganz vergessen und die typographischen Schätze von Mainz waren in ausgedehntester Weise verschleudert. Die Stadt musste die Demütigung erleben, dass der französische Präfekt Jeanbon-St.-André 1804 den ersten Vorschlag machte, Gutenberg ein Denkmal zu setzen, zu dem ganz Europa beitragen sollte, und dass Napoleon im Sept. 1804 in Mainz dekretierte, dass ein grosser Gutenbergplatz geschaffen werden sollte. Es blieb allerdings beim Dekret. Erst die mit vielem Pomp, 1821, in Haarlem begangene vierte Säkularfeier der, von den Holländern für sich in Anspruch genommenen Erfindung der Buchdruckerkunst war imstande Gutenbergs Vaterstadt aufzurütteln. Die Kasinogesellschaft liess ihrem neu eingeweihten Hause den ursprünglichen Namen „Zum Gutenberg“ wiedergeben und eine goldene Inschrift über das Eingangsthor setzen. Am 24. Oktb. [36] 1824 folgte ein Denkstein im Garten. Im Hofe selbst stiftete der Kunstverein ein Standbild in Sandstein, den „Ritter“ Gutenberg, eine Satzform haltend, darstellend.
Im Jahre 1831 erging ein Aufruf „an die gebildete Welt“ zur Errichtung eines erhabenen Monuments zur Säkular-Feier der Buchdruckerkunst 1836![8] Es wurde eine Aufforderung an die Künstler der Plastik erlassen, Entwürfe einzusenden, „um dann das beste aus jedem zu benutzen“. Thorwaldsen erklärte 1832 die Ausführung eines, für den Erzguss berechneten Modells ohne Entgelt übernehmen zu wollen, jedoch ohne Konkurrenz. Der Vorschlag wurde angenommen und Crozatier in Paris mit dem Guss betraut. Die feierliche Einweihung fand am 17. Aug. 1837 statt[9].
Seit dem 24. Juni 1840 besitzt auch Strassburg auf dem Gutenbergsplatz ein Standbild des Erfinders, von David modelliert und von Soyez & Ingé in Paris gegossen. Ein drittes schönes Denkmal von Herrn von der Launitz in Frankfurt a. M. zeigt Gutenberg, Fust und Schöffer in einer Einigkeit, wie sie bei ihren Lebzeiten so sehr erwünscht gewesen wäre, die jedoch auf dem Denkmal fast wie eine Satire aussieht.
„Alles zusammengenommen“, so sagt Dr. van der Linde, „existiert noch kein der Erfindung der Typographie entsprechendes Monument. Gleichwie das nächste Jahrhundert bei seiner Säkularfeier den schlüpfrigen Boden der Sage zu verlassen und sich auf den Felsen der Geschichte zu stellen, das heisst, das erste halbe Jahrtausend der Typographie
1450-1950
zu feiern hat, so errichte auch das neu entstandene Deutsche Reich entweder in seiner politischen Hauptstadt Berlin oder in seiner typographischen Hauptstadt Leipzig ein grossartiges, alle Kleinkrämerei beschämendes Gutenberg-Monument.“
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IN DEUTSCHLAND.
Schnelle Verbreitung der Kunst. Die Nachfolger Gutenbergs in Mainz. Peter Schöffer und seine Nachkommen. Ulm. Beromünster. Basel. Bamberg, Albrecht Pfister. Augsburg. Nürnberg. Wien. Der Norden: Köln, Münster, Magdeburg, Leipzig.
ES ist eins der Hauptwunder der überhaupt wunderbaren Geschichte der Buchdruckerkunst, dass sie sich in einer verhältnismässig so kurzen Zeit von 1455-1475 beinahe über das ganze zivilisierte Europa verbreitete. Zwar liegt es auf der Hand, dass eine so wichtige Erfindung, nachdem sie einmal in den ersten Erzeugnissen der Presse ans Licht getreten war, auch von Anderen erfasst werden und, durch kein Gesetz geschützt, sofort Nachahmung finden würde. Vergleichen wir jedoch ihr schnelles Vordringen mit dem Gang der grossen Erfindungen der neueren Zeit, z. B. der Gasbeleuchtung oder der Eisenbahnen, so wird man finden, dass letztere, obwohl durch viele mitwirkende Umstände unterstützt, sich nicht so schnell Bahn gebrochen haben wie die Buchdruckerkunst.
Und wie geschah dieses Wunder?
Zu einer Zeit, wo das Reisen ein so beschwerliches und gefahrvolles Unternehmen war, wie wir es uns jetzt nicht mehr recht vorstellen können, bahnten ausdauernde deutsche Arbeiter, die unermüdlichen Pioniere der Erfindung, sich ihren Weg über die weiten [38] Gefilde Deutschlands und Frankreichs, ja überschritten die Alpen und die Pyrenäen, um die Fahne der neuen Kunst in fremden Ländern aufzupflanzen. Es war, als ob Gutenberg ihnen einen unwiderstehlichen Talisman vermacht hätte, durch welchen Deutschland bestimmt wurde, die Wiege der Reformation zu werden und den Weg für jegliche Art des Fortschrittes im Vaterlande sowohl wie in fremden Ländern zu ebnen.
War auch die Absicht, den Lebensunterhalt zu verdienen, die erste Triebfeder der Jünger Gutenbergs gewesen, so ist doch die Unermüdlichkeit, mit der sie, das Geheimnis der neuen Kunst mit sich führend, nach den fernsten Teilen Europas drangen, der höchsten Bewunderung wert. Ein gewisser berechtigter Künstlerstolz und ein achtungswerter Ehrgeiz erwarben ihnen Zuneigung und Vertrauen, wo sie erschienen. Mit Energie verfolgten sie ihr Ziel ohne Rücksicht auf Hindernisse und Gefahren, als furchtlose Apostel und prädestinierte Verbreiter eines neuen Glaubens, von dem sie durchdrungen und begeistert waren[1].
Folgen wir nun diesen begeisterten Jüngern auf ihren Wegen in Deutschland und in den fremden Ländern bis zum Schluss des Jahrhunderts, nachdem wir erst Kenntnis von dem Fortschreiten der Druckerei von Fust und Schöffer genommen.
Im Besitz des neuen Gutenbergschen Materials und der genügenden Geldmittel, mit der technischen Tüchtigkeit verbunden, gelang es bald Fust und Schöffer, den Erfinder der Kunst zu überflügeln und nach der kurzen Zeit von noch nicht zwei Jahren eine grossartige Leistung der Typographie zu vollenden: das Psalterium von 1457. Dieses Druckwerk ist das erste, welches mit der Angabe des Druckers, des Druckortes, der Jahreszahl und des Datums (14. Aug. 1457) zugleich mit farbigen Initialen versehen ist, während Seitenzahl, Signatur und Kustoden immer noch fehlen. Man kennt 6 Exemplare, von denen drei 175, die anderen nur 143 resp. 136 Blätter zählen. Als unvollständig können letztere jedoch nicht bezeichnet werden, da alle den Schlusssatz enthalten. [39] Die Auslassungen geschahen wahrscheinlich aus Sparsamkeitsrücksichten, um nicht zu viel Pergament zu verbrauchen[2].
Dreihundertundsechs grosse Initialen, in rot und blau gedruckt, schmücken das kostbare, der starken Benutzung wegen nur auf Pergament gedruckte Buch. Eine Hauptzierde ist das, den Text anfangende Initial B. Der eigentliche Körper des Buchstabens bildet ein Viereck von 9 cm Höhe und Breite, rechnet man jedoch die Ausläufer mit zur Höhe, so beträgt diese 31 cm. Die Ornamentierung trägt einen maurischen Charakter und ist wahrscheinlich einem spanischen Manuskripte nachgebildet. Über die Herstellung dieser farbigen Initialen sind die Kenner nicht einig. Die vollendete Genauigkeit des Passens schliesst, bei den damaligen technischen Hülfsmitteln, den Gedanken an einen Doppeldruck aus. Einige halten dafür, dass die Holzschnitte in einzelne Teile nach den Farben zerlegt, diese einzeln eingefärbt, und dann, in einander gefügt, mit Einem Druck hergestellt sind, ganz in der Art des, zu Anfang unseres Jahrhunderts entstandenen Congrevedruckes. Andere behaupten, die Holzschnitte seien blind in den Bogen gepresst und nachher ausgemalt und wollen überhaupt an vielen Stellen des Textes eine Übermalung weniger gut gedruckter Sätze und Buchstaben entdeckt haben. Wie dem auch sei, so ist die Ausführung der Doppelfärbung eine technisch vollendete. Ohne Mängel ist das Werk dennoch nicht, namentlich ist der Ausschluss ein unregelmässiger und haben die Zeilen verschiedene Länge; auch Druckfehler, selbst so auffälliger Natur wie spalmorum statt psalmorum in der ersten Zeile des Schlusswortes, kommen vor. Merkwürdig ist es überhaupt, dass gerade die Schlussworte der alten Drucke nicht selten Fehler aufzuweisen haben; namentlich in Bezug auf Jahreszahlen, was mitunter zu den sonderbarsten Schlussfolgerungen für die Geschichte der Buchdruckerkunst Anlass gegeben hat.
Zugegeben, dass die ganze blendende Pracht der Erscheinung die, an unseren nüchternen Buchdruck gewöhnten Beschauer befangen gemacht und sie veranlasst hat, die Mängel zu übersehen und alles für unübertrefflich zu halten, so kann man doch das Psalterium nur als ein Wunderwerk ansehen, wenn man bedenkt, dass [40] es nur wenige Jahre nach der Erfindung erschien. Über diesen so schnellen Aufschwung muss man staunen und bekennen, dass die vier Jahrhunderte, die seit der Zeit vergangen sind, zwar in der technischen Tüchtigkeit und Korrektheit des Materials grosse Fortschritte gemacht haben, in der eigentlichen Kunst jedoch verhältnismässig wenige; ja wir möchten bezweifeln, dass ein Meisterwerk von heute nach 400 Jahren ein so jugendliches Gepräge besitzen wird, wie das Psalterium heute zur Schau trägt. Fasst man ausserdem ins Auge, dass dies Werk kaum 21 Monate nach der Trennung Fust und Schöffers von Gutenberg ausgegeben werden konnte, so liegt der Gedanke nahe, dass die Anfänge schon aus der Zeit der Verbindung stammen, worauf auch die von der sonstigen Schöfferschen abweichende Schrift und die Ausstattungsart hinweisen.
Bereits im Jahre 1459 erschien eine zweite Auflage in etwas vergrössertem Format, von der man zwölf Exemplare kennt. Eine dritte folgte 1490; eine vierte 1502; die fünfte, aus dem Jahre 1516, stammt aus der Offizin des jüngeren Schöffer.
Am 6. Oktober 1459 vollendeten Fust und Schöffer Durandi, Rationale divinorum officiorum, welches mit neuen Typen Schöffers gesetzt wurde. Am 25. Juni 1460 erschienen: Constitutiones Clementi V. Im Frühjahr 1462 druckten Fust und Schöffer die erste politische Flugschrift in Brief- (Plakat-)Form, das Manifest Diethers von Isenburg gegen Adolf von Nassau, welches verhängnisvoll für ihre Druckerei werden sollte.
Das vierte der grossen Mainzer Druckmonumente (vorausgesetzt, dass die 36zeilige Bibel das erste gewesen), war die, fünf Jahre nach dem Psalterium erschienene „Biblia sacra latina“ („Die 48zeilige“ genannt). Dies Werk bildet zwei Foliobände von je 242 und 239 zweispaltigen Blättern zu 48 Zeilen. Die Exemplare sind teils auf Pergament, teils auf Papier gedruckt; in die ersteren sind die Initialen hineingemalt, in den letzteren fehlen sie gewöhnlich. Gegen siebenzig Exemplare dieses Druckwerkes, welches sowohl durch seine typographische Schönheit, wie auch als erste vollständig datierte Bibel einen Hauptrang einnimmt, sind erhalten.
So wenig wie Gutenberg früher den Mut verlor, so wenig war es mit Fust und Schöffer der Fall, als ihre Offizin in der Nacht vom [41] 27.-28. Okt. bei der Eroberung von Mainz durch den Grafen Adolf 1462 verwüstet wurde und in Flammen aufging.
Schon 1465 ward die Herausgabe von „Cicero de officiis“ unternommen, worin zum erstenmale griechische Schriften, jedoch in Holz geschnitten, verwendet wurden. Im Sommer 1466 war Fust, um den Verkauf der Verlagswerke zu betreiben, nach Paris gereist. In dem folgenden Jahre war er nicht mehr am Leben; wahrscheinlich ist er in Paris, wo damals die Pest hauste, gestorben.
Schöffer setzte nun das Geschäft allein fort. Unter seinen Druckwerken ist noch die am 24. Mai 1468 erschienene herrliche Ausgabe von: „Justiniani Institutiones cum glossa“ zu nennen, in deren Schlussschrift er sich selbst auf Kosten Gutenbergs etwas gar zu grosssprecherisch hervorhebt.
Ob Schöffer auch das Verdienst gehabt hat, die erste rein deutsche Schrift, die „Schwabacher“, zu erfinden, lässt sich nicht bestimmt ermitteln. Sie kommt zum erstenmale 1486 in Mainz zum Vorschein in dem Werke Bernhard von Breydenbachs „Heylige reyssen gen Jerusalem“, das bei Erhard Rewich gedruckt wurde. Da Schöffer im J. 1492 die Chronik der Sachsen mit dieser Schrift druckte und man von Rewich aus Utrecht, der als Maler die Reisen Breydenbachs mitmachte und auf dessen Buche als der Drucker genannt wird, in letzterer Eigenschaft sonst nichts kennt, so dürfte die Annahme, dass Rewich nur der Herausgeber und Peter Schöffer der Drucker und Erfinder der Schrift sei, manches für sich haben. Andernfalls müsste man annehmen, was ja nicht als einziger Fall dastehen würde, dass Breydenbach als reicher Mann für dieses Werk eine eigene Druckerei von Schöffer hätte einrichten lassen. Woher der Name „Schwabacher“ stammt, ist ebenfalls nicht ermittelt. Die Anwendung der Schrift als Werkschrift hält sich bis in die Mitte des xvi. Jahrhunderts und man verwandte sie ebensowohl zu lateinischen wie zu deutschen Texten. Später unterlag sie mancherlei Änderungen, die sie der Fraktur näherführten. Als Auszeichnungsschrift findet die Schwabacher noch bis gegen die Mitte unseres Jahrhunderts Verwendung. Dann kam sie in Vergessenheit, um in neuester Zeit wieder als Buchschrift aufzuleben.
Bald hätte noch ein neuer schwerer Verlust das Schöffersche Geschäft getroffen. Das Bücherlager, welches Fust nach Paris [42] gebracht hatte, wurde, nachdem Schöffers dortiger Faktor Hermann von Stathoen ebenfalls 1475 gestorben war, als herrenloses Gut vom Fiskus in Besitz genommen. Zur Wiedererlangung seines Eigentums reiste Schöffer selbst nach Paris, erreichte auch glücklich sein Ziel und ernannte Conrad Henlif[3] zu seinem Faktor. Schöffer kann eigentlich als der erste Sortiments-Buchhändler betrachtet werden, da er nicht allein mit seinen eigenen Druckwerken Handel trieb, sondern auch die Erzeugnisse anderer Drucker verkaufte.
Von 1493 erlahmt seine Thätigkeit. Das letzte Buch mit seinem Namen ist die schon erwähnte vierte Auflage des Psalterium (21. Dez. 1502). Das erste Buch mit dem Namen seines Sohnes ist vom 27. März 1503 datiert. Sonach fällt der Todestag Schöffers, den man nicht genau kennt, in diese Zwischenzeit. Am 9. Juni 1836 wurde das ihm von seiner Vaterstadt Gernsheim errichtete Denkmal enthüllt.
Kehren wir auf unserer Wanderung[4] nach STRASSBURG[5] zurück, so begegnen wir als den ersten Buchdruckern dort Johann Mentelin und Heinrich Eggesteyn. Von beiden existieren Bibeln schon aus dem Jahre 1466; jedoch ohne Nennung des Druckers und des Datums. Die ersten datierten Drucke aus Strassburg gehören Eggesteyn an (1471) das: Decretum Gratiani. 2 Bde. fol. und die: Constitutiones Clementi V., ebenfalls in fol., in welchen der Drucker sagt, er habe schon unzählige Bände gedruckt. Dass auch Mentelin um diese Zeit eine grössere Thätigkeit entwickelt hatte, geht schon daraus hervor, dass er 1471 einen — den ersten überhaupt existierenden — Verlagskatalog auf einem Oktavblatt von 19 Zeilen herausgab[6] und dass Kaiser Friedrich iii. ihn schon 1468 auf Grund seiner Verdienste in den Adelstand erhob. Eggesteyns Wirksamkeit endigt schon 1472; Mentelin starb 1478 und sein Begräbnis fand unter grossen Ehren im Dome statt[7].
[43] Die ersten Strassburger Drucke sind weit unvollkommener als die Mainzer, und weisen eine ganz abweichende Type auf. Es war deshalb nicht so unnatürlich, dass man auf eine selbständige und ältere Erfindung in Strassburg, der „Wiege der Kunst“, — jedoch wie Schaab richtig bemerkt „eine Wiege ohne Kind“ —, schliessen wollte.
Das benachbarte Basel, das später einen bedeutenden Platz in der Geschichte der Typographie behauptet, nahm die Kunst bald auf. Allgemein wird jedoch nicht Basel, sondern der Flecken BEROMÜNSTER im Canton Luzern, eine Stunde von Sempach, wo am 9. Juli 1386 Arnold Winkelried durch seine heldenmütige Aufopferung „der Freiheit eine Gasse brach“, als erster Druckort der Schweiz betrachtet. In dem dortigen berühmten Chorherrenstift des Erzengels Michael lebte ein, durch seine Gelehrsamkeit hervorragender Mann Elias Eliae (Helias Helie)[8] aus dem berühmten Geschlecht derer von Laufen. Derselbe soll die Buchdruckerkunst durch Ulr. Gering, der später als erster Buchdrucker in Paris wirkte, nach der Schweiz gebracht haben und dort als erstes Buch den Mamotrectus des Joh. Marchesini, ein beliebtes, für höhere Schulen bestimmtes Wörterbuch der schwersten Ausdrücke der Bibel, gedruckt haben. Hiergegen wird jedoch Zweifel erhoben, und der Mamotrectus soll, inklusive der Jahreszahl 1470, nur ein Nachdruck einer Mainzer Ausgabe aus diesem Jahre sein und frühestens 1474 gedruckt, dagegen das 1472 erschienene: Roderici, Speculum vitæ humanæ das erste Buch aus Beromünsters Presse sein. Um diese Zeit kam auch die Kunst nach BASEL[9] durch Bartholdus de Basilea (eigentlich aus Hanau). Das erste Buch mit Jahreszahl ist Magister Konrads Repertorium vocabularum von 1473. Michael Wenssler und Fr. Biel druckten die Briefe Gasparinis von Bergamo ohne Jahreszahl. Eine handschriftliche Notiz in einem Exemplar in der Baseler Stadtbibliothek [44] bezeichnet es als im Jahre 1472 gekauft. Bernhard Richel druckte bis 1482. Bekannt sind seine vier Ausgaben der Vulgata. Aus seiner Offizin stammt auch die erste Ausgabe des „Sachsenspiegels“, des von Eyke von Reppgowe zwischen 1215-1230 verfassten deutschen Rechtsbuches.
Bekannt ist ebenfalls Johannes Bergmann von Olpe (1494-1499), namentlich durch die mit 114 merkwürdigen Holzschnitten geschmückte Ausgabe von Sebastian Brants „Narrenschiff“. Die erste Auflage dieses oft gedruckten und nachgedruckten Buches erschien 1494.
Der berühmteste unter den ältern Buchdruckern Basels war Johannes Ammerbach aus Reutlingen (geb. 1434). Seine Liebe zu den Wissenschaften führte ihn nach Paris, wo er sich dem Rektor Joh. v. Stein anschloss. Dies mag wohl den Anstoss gegeben haben, dass Ammerbach sich der Buchdruckerei widmete. Als Magister artium kehrte er nach Deutschland zurück, arbeitete eine zeitlang als Korrektor bei Anton Koberger. Zwischen 1475 und 1480 eröffnete er seine Offizin in Basel und liess sich namentlich sorgfältige Ausgaben der hauptsächlichsten Kirchenväter angelegen sein. Er war der erste Baseler Buchdrucker, der sich der Antiqua bediente. Unterstützt wurde er in seinen Unternehmungen von seinen gelehrten Freunden Aug. Dodo, Conr. Pellicanus, Beat. Rhenanus und Joh. v. Stein, der von Paris nach Basel gezogen war.
Den Grund, weshalb die Druckkunst in Basel so schnell Wurzel fasste, muss man namentlich in seiner 1460 gegründeten, frisch aufblühenden Universität suchen. Mitgewirkt hat vielleicht auch der Umstand, dass die Papierfabrikation dort in grossem Flor stand. Bereits 1440 besass Hans Halbysen dort eine Papiermühle. Einen besonderen Aufschwung erhielt die Fabrikation durch die Brüder Antonius und Michael, die Gallicianen, welche um 1470 aus Spanien eingewandert waren.
ULM[10] war, nächst Augsburg, in der ersten Hälfte des xv. Jahrhunderts die wichtigste Stadt Schwabens und zählte über 50000 Einwohner. Es war nicht allein durch seinen Handel reich, sondern zeichnete sich auch durch die Pflege der Poesie und der bildenden [45] Künste aus. Baukunst, Holzbildnerei, Malerei, Formenschneiderei blühten dort und die Häupter der Schwäbischen Schule Martin Schön, Bartholomäus Zeitblom und Martin Schaffner hatten einen grossen Ruf. Neben Anfertigung von Heiligenbildern war das Kartenmachen sehr in Schwung und grosse Massen dieser Erzeugnisse gingen nach Italien. Es war deshalb natürlich, dass die Buchdruckerei dort schnell Fuss fasste. Nächst Augsburg hat Ulm die meisten Wiegendrucke aufzuweisen, nämlich 136, unter denen 86 datierte. Ludwig Hohenwang aus Elchingen war einer der ersten Ausüber der Kunst. Er war selbst Zeichner, Formenschneider, Schriftsteller und Drucker, der mit Holztafeldruck anfing. Vier Ausgaben der ars moriendi sollen aus seinen Pressen hervorgegangen sein. Seine keineswegs vorzügliche Type ähnelt der römischen und seine Bücher zeichnen sich unvorteilhaft durch die Masse der Abbreviaturen aus, mitunter über 300 auf einer 32zeiligen Seite. Wahrscheinlich spielte Schriftmangel dabei eine Rolle, denn man findet, wie öfters in alten Drucken, kleine Buchstaben für grosse, oder einander ähnliche Buchstaben als Ersatz für einander verwendet, z. B. ein K für ein R.
Scheint es demnach nach neueren Untersuchungen, als müsse Johannes Zainer dem Genannten den Ehrenplatz als „erster“ Buchdrucker einräumen, so ist letzterem wenigstens der Ruhm als Ulms bedeutendsten Druckers und als eines der hervorragendsten in Deutschland gesichert. Durch einen langen Zeitraum, von dem Anfange der siebenziger Jahre des xv. bis zur Mitte der zwanziger Jahre des xvi. Jahrh., lieferte er umfangreiche Druckwerke. Zwar hat man von ihm kein datiertes Werk älter als 1473 aufzuweisen, da er jedoch um diese Zeit mit einer Anzahl, zumteil Vorbereitungen aus langer Hand erfordernder Werke auftritt, so muss er jedenfalls früher als 1473 zu wirken angefangen haben, und die handschriftliche Notiz des Käufers eines von ihm gedruckten Buches: „Albertus Magnus, de adherendo deo“, dass es 1470 gekauft sei, dürfte auf Wahrheit beruhen. Wahrscheinlich gebührt ihm, nicht Günther Zainer in Augsburg, der Ruhm, die Antiqua zuerst in Deutschland eingeführt zu haben. Ob er ein Bruder des Augsburger Zainer gewesen ist, weiss man zwar nicht, beide stammen jedoch aus Reutlingen. Überhaupt kennt man von seinem Privatleben wenig mehr, als dass es eine Kette von Sorgen war.
[46] Leonhard Holl, Ulms dritter Buchdrucker, besass eine Spielkartenfabrik. Seine Waren gingen bis nach Konstantinopel. Er war der erste, der ein Werk mit in Holz geschnittenen Landkarten, worin zumteil Typen eingesetzt werden konnten, druckte. Es war dies: Claudii Ptolomäi Alexandrini Cosmographia mit 32 Karten von Johann Schnitzer von Armsheim ausgeführt. Pekuniären Erfolg hatte Holl davon nicht; erst musste er das Werk versetzen, später verkaufen. Es kam darauf in die Hände eines Venetianers Justus de Albano, der durch seinen Faktor Johannes Reger eine neue Ausgabe druckte.
AUGSBURGS[11] erster Buchdrucker Günther Zainer (1468-1475) ist wahrscheinlich ein Schüler Fusts oder Schöffers gewesen. Bei ihm erschien um 1470 die erste Ausgabe von Thomas a Kempis' „Vier Bücher von der Nachfolge Christi“, ein Buch, welches nächst der Bibel am häufigsten aufgelegt worden ist. Eine grosse Anzahl deutscher Bücher druckte Johann Bämler (1472-1492). Anton Sorg (1475-1498) gab das erste Wappenbuch heraus, enthaltend die Wappen aller bei dem Konzil von Constanz anwesenden Herren. Einen hochberühmten Namen erwarb sich der Augsburger Erhard Ratdolt, ein fahrender Buchdrucker, dessen Namen mit der venetianischen Buchdruckergeschichte rühmlichst verknüpft ist. Am meisten glänzt Hans Schönsperger der Ältere (1481-1523). Über diesen sowie über Ratdolt wird später ausführlicher zu sprechen sein.
Der Vater der Typographie NÜRNBERGS[12] ist Johann Sensenschmid (1473-1478), ein durch Gelehrsamkeit und Korrektheit seiner Druckwerke bekannter Buchdrucker, der 1478 nach Bamberg zog. Auch der berühmte Astronom Joh. Regiomontanus (Joh. Müller aus Königsberg) errichtete in Nürnberg eine Druckerei und druckte deutsche und lateinische Kalender. Des grössten Namens als Buchdrucker und Buchhändler erfreute sich aber Antonius Koberger[13] (1473-1513). Er arbeitete mit 24 Pressen und beschäftigte über 100 Gesellen. Man kennt 220 aus seinen Pressen hervorgegangene [47] Werke, beinahe alle in Folio-Format von bedeutendem Umfange, von grosser Korrektheit und Eleganz. Allein 19 Bibeln druckte er, darunter eine in deutscher Sprache mit gothischen Typen und mit denselben Holzschnitten ausgestattet, die bereits in Köln zu der niederdeutschen Bibel von 1480 verwendet waren.
Die Ausführung befriedigte jedoch Koberger nicht und gab ihm Veranlassung, Schritte zu thun, um künftig auf heimischem Boden stehen zu können. Wie rasch dies gelang, zeigt der 1491 erschienene „Schatzbehalter des Reichtums des ewigen Heils“. Die Holzschnitte sind zwar ungleich, je nach Fertigkeit der Holzschneider, aber die Zeichnungen, die unzweifelhaft Michel Wohlgemut angehören, sind durchweg mit Geschmack und künstlerischem Sinn ausgeführt, zugleich unter Innehaltung der Grenzen, welche die noch nicht vollendete Technik des Holzschnittes verlangte.
Das 1493 sowohl in einer deutschen, wie in einer lateinischen Ausgabe erschienene „Buch der Chroniken und Geschichten“ des Doktor Hartmann Schedel ist als illustriertes Werk eins der merkwürdigsten Presserzeugnisse des xv. Jahrhunderts. Da ein Übereinkommen mit Wohlgemut und Wilh. Pleydenwurf über die Lieferung der mehr als 2000 in dem Buch enthaltenen Illustrationen (von den zweimal und öfter vorkommenden abgesehen) erst 1491 getroffen wurde, so sieht man, dass über bedeutende sowohl xylographische wie typographische Kräfte verfügt wurde. Zum Schluss des Werkes werden die angesehenen Nürnberger Bürger Sebald Schreyer und Sebastian Kammermaister als um die Förderung des Werkes verdient erwähnt, ohne dass jedoch über die Art und Weise etwas verlautet, vielleicht haben sie als reiche Kunstkenner die Kosten der Illustrationen getragen.
Bei dem Druck der „Reformation der Stadt Nürnberg“ (1475) wendete Koberger eine verschönerte halbgothische Schrift an, welche der nachherigen Fraktur sehr nahe stand und die später auch bei dem grossen Druckwerke „Leben der Heiligen“ (1488) benutzt wurde.
Die Wirksamkeit Kobergers als Verleger war eine so grosse — sein Katalog zählt allein 33 Bibeln auf —, dass die Kräfte der eigenen bedeutenden Offizin zur Herstellung aller Werke nicht zulangten und [48] öfters andere Offizinen in Anspruch genommen werden mussten, namentlich die von Johannes Ammerbach in Basel. Aus Kobergers Briefwechsel[14] mit diesem zeigt sichs, wie umsichtig er für alles besorgt war, und mit Recht allgemein den Ruf eines ungemein fleissigen, ordnungsliebenden und pünktlichen Mannes genoss.
Selbst bei dieser grossen Verlagsthätigkeit ruhte Koberger nicht. Er trieb zugleich einen ausgedehnten Sortimentshandel, hatte an mehreren Orten Filialen und Agenten, ja es scheint sogar, als habe er sich auch mit anderen als buchhändlerischen Geschäften befasst. Diese seine Thätigkeit brachte ihm Ansehen und goldene Früchte. Auch im häuslichen Leben war er gesegnet und hatte von seinen zwei Frauen mehr als zwanzig Kinder, von denen einige ebenfalls eine bedeutende geschäftliche Wirksamkeit entfalteten. Er starb im J. 1513.
In BAMBERG[15] wirkte Albrecht Pfister (geb. um 1420; gest. um 1470), von vielen für einen selbständigen Erfinder der Buchdruckerkunst und den Drucker der 36zeiligen Bibel gehalten. Als Beweis wird die Identität der Typen dieses Werkes mit denen des Bonerschen „Fabelbuches“ (1461), der „vier Historien“ (1462), sowie des „Belial“, welche Pfisters Namen tragen, angeführt. Dagegen spricht entschieden die typographisch sehr niedrig stehende Ausführung sämtlicher Druckwerke Pfisters. Wer die 36zeilige Bibel gedruckt hat, wird schwerlich als Künstler so tief sinken. Die Typen kann Pfister ja recht wohl von Gutenberg erworben haben.
[49] Das Bonersche Fabelbuch (1461) enthält 88 sehr geringe Holzschnitte und wurde früher für das erste deutsche illustrierte Buch[16] gehalten. Die Priorität muss jedoch den: „Sieben Freuden Mariä“ und der „Leidensgeschichte Jesu“ (1450-1460) eingeräumt werden, die in künstlerischer Beziehung über dem Fabelbuch stehen. Ob letztere beiden Erzeugnisse der Pfisterschen Presse angehören, lässt sich nicht ermitteln. Unter diesen bleiben noch zu erwähnen: eine „Armenbibel“ deutsch (wahrscheinlich 1462), sowie dasselbe Werk lateinisch. Es enthält 17 Blätter in Folio mit 170 Holzschnitten. Mutmasslich hat Pfister keinen bleibenden Aufenthalt in Bamberg gehabt, denn in neunzehn Jahren, bis 1481, ist kein aus Bamberger Pressen hervorgegangenes Werk bekannt.
Der von Nürnberg nach Bamberg übergesiedelte Johann Sensenschmid (1482-1490) lieferte ein prachtvolles Missale ordinis S. Benedicti und später im Verein mit Heinrich Petzensteiner (bis 1491) das Missale ecclesiæ Ratisponensis, welches so grossen Beifall fand, dass der Drucker desselben mit vielen ähnlichen Aufträgen beehrt wurde.
In WIEN[17] stand die 1365 begründete Universität in voller Blüte und der Kaiser Friedrich iii. war der Buchdruckerkunst wohl gewogen. Er hatte, wie erwähnt, Joh. Mentel in den Adelstand erhoben und die Kunst durch ihre und ihrer Verwandten Aufnahme in seinen und des Reiches Schutz und durch Verleihung eines Wappens[18] geehrt. Zu verwundern bleibt es umsomehr, dass erst 1482 in [50] Wien gedruckt wurde. Allerdings waren die Zeiten nicht gerade die günstigsten. Im Jahre 1481 führte Matthias Corvinus von Ungarn zum drittenmale seine Heere nach Österreich; 1482 brach die Pest in Wien aus; 1485 zog Matth. Corvinus siegreich dort ein und behauptete seine Herrschaft bis 1490.
Aus dem Jahre 1482 stammen die ersten unbedeutenden Druckerzeugnisse Wiens ohne Namen und Datum. Bis zum Jahre 1492 zeigt sich keine weitere Spur vom Druck und erst von da ab kann man eigentlich von einer Buchdruckerkunst in Wien reden.
In dem zuletzt genannten Jahre druckte Joh. Winterburger, aus Winterburg bei Kreuznach, A. Flacci: Persij Satire. Weder dieser Druck, noch die 1492 gedruckte Leichenrede Bernh. Pergers auf den Kaiser Friedrich iii. trägt die Firma Winterburgers und nur die Typen gestatten den Schluss, dass sie von ihm ausgeführt wurden. Da seine Druckerei damals eine sehr gut eingerichtete war, so ist es nicht unmöglich, dass sie schon 1482 bestand und dass die Drucksachen aus jener Zeit von ihm stammen, doch sind keine Beweise dafür vorhanden, und die lange Pause wäre nicht ganz leicht zu erklären. Erst 1493 kommt sein Name vor, zum erstenmale auf dem Ceremoniell zu dem „begencknus Kaiserlicher Maistat“, Friedrich iii. Kaiser Maximilian begünstigte Winterburger sehr und verlieh ihm die Führung des kaiserlichen Adlers[19]. Er verdiente aber auch jede Aufmunterung, denn er druckte kostbare Werke und förderte die Arbeiten nicht allein der Wiener Gelehrten. Er starb im hohen Alter (1519), in demselben Jahre wie sein Gönner, der Kaiser.
In den West- und Nordmarken des Deutschen Reiches ist es ganz besonders KÖLN, das in den ersten Zeiten der Kunst die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Seine Lage machte es zum Mittelpunkte der Verbreitung des Buchdrucks im Norden Deutschlands und überhaupt Europas, und von dort gehen auch viele der typographischen Verbesserungen aus, z. B. die Anwendung der Signaturen, der Pagination, des eigentlichen Buchtitels und der Kolumnentitel, der kleinern Schriften und Formate. Viele der Buchdrucker, die mit Ruhm anderswo arbeiteten, erhielten ihre typographische [51] Bildung in Köln. Schon im frühesten Mittelalter war es ein Sitz der Wissenschaft und der Kunst, und seine 1388 gegründete Universität bildete einen Hauptsitz der Theologie und der Philosophie. Ulrich Zell, ein berühmter Schönschreiber, Illuminator, Rubrikator und Schüler der Mainzer Offizin, war der erste Drucker Kölns. Seine frühesten Werke sind Chrysostomus: Super psalmo quinquagesimo und die Bulla retractionum Pii II., datiert Rom 16. März 1463. Von seinen vielen Meisterwerken verdient die lateinische Bibel in zwei Grossfolio-Bänden (wahrscheinlich aus dem Jahre 1470), besonders erwähnt zu werden. Die erste niederdeutsche Bibel, eins der berühmtesten und wertvollsten Erzeugnisse der Kölner Presse, gehört ohne Zweifel dem Nikolaus Götz (1474-1478). Sein Geschäftsnachfolger war Heinrich Quentell (1479-1500), der berühmteste Typograph Kölns und Stammvater einer hochangesehenen typographischen Familie.
Solange die geistreichen Kombinationen Maddens nicht durch unwiderlegliche Thatsachen unterstützt werden, kann die von ihm angenommene grosse Druckanstalt und typographische Ausbildungsschule der fratres vitæ communis in Köln nicht der Geschichte eingereiht werden[20].
Auf die erwähnte energische und werkthätige Korporation dürfte die erste Presse MÜNSTERS[21] zurückzuführen sein. Die Brüderhäuser in Köln und Rostock standen mit denen zu Münster in naher Beziehung und die ersten Pressen hier empfingen ihre Hauptnahrung von dem Humanismus. Der Name des ersten Druckers ist Johannes Limburgus, Aquensis (von Aachen), und der erste Druck: Kodri Kerkmeister, Comedia (1485). Mit dem nächsten Jahre verschwindet aber die Presse Münsters und taucht erst zu Anfang des xvi. Jahrh. wieder auf. Bei der dort herrschenden Gelehrsamkeit und Geistesthätigkeit bleibt nur die Vermutung übrig, dass die mit Münster eng verknüpften Städte Köln und Deventer, namentlich die letztere, dort Filiale errichtet haben; nur so lässt sich die grosse Druckthätigkeit Deventers erklären.
[52] Die grösste Bedeutung als Drucker in Münster hat der bekannte Humanist Theodorik Tzwyvel. Von seinen vielen Druckwerken sind jedoch verhältnismässig nur wenige übrig geblieben und die Wiedertäufer, die seine Druckerei plünderten, haben gründlichst für die Zerstörung gesorgt.
In LÜBECK[22], welches eine tüchtige Pflanzschule für den Norden wurde, erschien 1498 die erste niederdeutsche Ausgabe des „Reineke de Voss“, von der das einzige bekannte Exemplar in Wolfenbüttel aufbewahrt wird. In HAMBURG[23] druckten 1491 die Brüder Hans und Thomas Borchardus. Aus dem xv. Jahrh. ist nur ein einziger Hamburger Druck bekannt: Laudes beate Marie virginis. Das Buch ist zwar sauber ausgeführt doch in seiner ganzen Ausstattung sehr einfach ja fast dürftig gehalten. Überhaupt scheinen die ersten dortigen Drucker auf keiner hohen Stufe gestanden und nicht mit besonderem Glück gearbeitet zu haben.
Ein überaus reges geistiges Leben entfaltete die reiche Stadt MAGDEBURG[24], wohin die neue Kunst durch Albert Ravenstein und Joachim Westfal, zwei Brüder des gemeinsamen Lebens, gebracht wurde. Sie lieferten 1483 und 1484 mehrere kleinere Schriften, dann aber auch ein grösseres, auf Laien berechnetes niederdeutsches Evangelienbuch in Folio. Westfal, der aus Stendal stammte, zog 1486 oder 1487 mit der Offizin nach dort; von Ravenstein hört man nichts weiter.
Eine staunenswerte Thätigkeit entfaltete Moritz Brandis, der von dem damals im Erzstift regierenden kunstsinnigen Erzbischof, Ernst, Prinz von Sachsen, aus Leipzig berufen wurde. Seine Offizin war mit zwölf Typengattungen und mit mindestens 9 Suiten von Initialen ausgestattet. Sein Meisterdruck ist die erste Ausgabe eines Missale in Folio; die zweite Stelle gebührt dem Halberstädter Breviarium in 8° von 1495.
Besondere Beachtung verdient die Magdeburger Xylographie. Schon die ersten Drucke von dort zeigen Holzschnitte. Moritz Brandis [53] lieferte 1492 einen Folianten mit vierzig, 1494 einen anderen mit elf Holzschnitten. Die meisten der, während eines Zeitraumes von siebzehn Jahren erschienenen Holzschnitte zeigen eine solche künstlerische Verwandtschaft, dass man auf die Abstammung von einem und demselben Künstler oder von einer und derselben Kunstanstalt schliessen muss. Dies wird noch bestätigt durch einen, im Kloster Zinna, dem einzigen Ort der Mark Brandenburg, ausser Stendal, der im xv. Jahrhundert eine Presse hatte, gedruckten „Marienpsalter“, ein für damalige Zeit seltenes Prachtwerk, das auf 116 Blatt in Quart nicht weniger als 189 vortreffliche Holzschnitte enthält[25].
LEIPZIG[26], das später eine so wichtige Rolle in der Geschichte der Typographie spielen sollte, erhielt eine Druckerei erst zu einer Zeit, als manche andere Städte schon Bedeutendes geleistet hatten; ja es war nicht einmal die erste Stadt Sachsens, die die Kunst in ihren Mauern aufnahm, denn es giebt bereits Bücher aus dem Jahre 1473 mit dem Druckorte MERRSBORG[27]. Trotzdem ist die Einführungsgeschichte in Nebel gehüllt. Thatsache ist nur, dass Andreas Friesner, Sohn eines Ratsherrn in Wunsiedel, ein gelehrter Mann, der mit Sensenschmid in Nürnberg zusammen gewirkt hatte und 1479 nach Leipzig als Professor der Theologie berufen wurde, eine Buchdruckerei mit sich brachte. Ob er jedoch selbst gedruckt hat, oder ob er vielleicht seine Offizin einem der, als die frühesten bekannten, Buchdrucker Leipzigs übergeben hat, lässt sich nicht ermitteln. Im Jahre 1482 bekleidete Friesner die Stelle eines Rektors der Universität Leipzig. Er starb in Rom im Jahre 1504 und vermachte seine Presse dem Leipziger Predigerkonvent[28].
Ein datierter Druck ist erst aus dem Jahre 1481 bekannt, er trägt jedoch keine Druckerfirma. Es ist ein sehr sauber auf gutes Papier gedrucktes Bändchen in klein Quart, so frisch aussehend, als wäre es erst vor einem Jahrzehnt aus der Presse gekommen. [54] Es führt den Titel: Johāis viterbiēsis: Glosa sup. Apocalipsim und das Impressum: Lipczk MCCCC LXXXI in pfesto michahelis. Der Schnitt der, namentlich durch ihre absonderlich geformten Initialen sich auszeichnenden halbgothischen Type ist derselbe, mit welchem das erste mit Namen des Druckers versehene Buch Leipzigs gedruckt wurde: Albici tractatulus de regimine hominis, welches von Marcus Brandis (1487) herrührt. Nicht weniger gut ist ein Benedictionale des Marcus Brandis aus dem Jahre 1487. Die Notensysteme sind rot eingedruckt, aber behufs handschriftlicher Einzeichnung der Noten leer gelassen. Für mit Marcus Brandis identisch wurde früher Moritz Brandis (1488-1498) gehalten, der, wie erwähnt, später nach Magdeburg zog.
Konrad Kachelofen, der langezeit für Leipzigs ersten Buchdrucker angesehen wurde, entwickelte eine grosse Thätigkeit von 1489 ab, in welchem Jahre er Joh. Widmanns von Eger: „Behende vnd hübsche Rechenung auf allen Kaufmannschaft“ druckte, ein Lehrbuch der elementaren Mathematik, in welchem auch einfache Holzschnitte vorkommen. Eine ausgezeichnete Leistung ist das im Jahre 1495 gedruckte Meissner Missale. 1495 zog Kachelofen, der in Leipzig herrschenden Pest wegen, nach Freiberg; die Leipziger Stadtbibliothek besitzt jedoch einen „Leipzig 1513“ datierten Druck von ihm.
Vor dem Schluss des xv. Jahrhunderts konnte Leipzig über 150 datierte Drucke aufweisen, abgesehen von den vielen undatierten.
DIE VERBREITUNG DER BUCHDRUCKERKUNST IM AUSLANDE.
Italien: Subiaco und Rom. Venedig. Foligno. Mailand. Florenz. Spanien und Portugal. Frankreich: Paris. Lyon. Die Niederlande: Die Histoires. Colard Mansion. England: William Caxton. Skandinavien: Dänemark. Schweden. Die slawischen Länder. Ungarn. Die Türkei.
VOR allen fremden Ländern gebührt ITALIEN der hohe Ruhm, die Buchdruckerkunst zuerst aufgenommen, sie wesentlich verbessert, vervollkommnet und in edelster Weise verwendet zu haben, und mit diesem Ruhm, den man den Italienern in vollstem Masse zollen muss, könnten sie wohl zufrieden sein. Wenn sie jedoch noch im Jahre 1868 soweit gingen, ihrem Landsmann Pamphilo Castaldi als dem Erfinder der Buchdruckerkunst in seinem Geburtsorte Feltre ein Denkmal zu errichten, so verfielen sie aus missverstandenem Patriotismus in einen Irrtum, zu dessen Entschuldigung sich noch bei weitem weniger sagen lässt, als für die Ansprüche der Holländer.
Wie für die klassischen und bildenden Künste war Italien auch für die Poesie das gelobte Land und hatte bereits seinen Dante, Boccaccio und Petrarca hervorgebracht. Es waren namentlich die Höfe der Mediceer in Florenz und der Herzöge von Este in Ferrara, welche die Mittelpunkte der Kultur bildeten, an welchen die genannten grossen [56] Sterne und noch manche zweiten Ranges glänzten. Die nach der Eroberung von Konstantinopel (1453) nach Italien geflüchteten Gelehrten nährten noch mehr den Sinn für die klassische Litteratur und fanden Unterstützung bei den aufgeklärten Fürsten, welche Pflanzschulen für die Wissenschaften und Bibliotheken gründeten und die Werke der griechischen Klassiker übersetzen liessen.
So war in Italien wie in keinem andern Lande der Boden für die neue Kunst geebnet. Bereits im Jahre 1480 hatten vierzig Städte Buchdruckereien, zumteil hervorragender Art, die namentlich mit der Herausgabe der Klassiker beschäftigt waren, während in dem Mutterlande der Typographie noch immer Gebetbücher und trockene Kompendien die hauptsächlichsten Druck-Erzeugnisse bildeten.
Conrad Sweynheim und Arnold Pannartz, wahrscheinlich zwei der überall hin verstreuten Schüler Gutenbergs, gründeten die erste Druckerei Italiens in dem Kloster SUBIACO. Das Städtchen Subiaco mit dem berühmten Stammkloster der Benediktiner liegt in unwirtlichster Berggegend 14 Stunden von Rom. Entfernt von der Stadt auf den höchsten nackten Felsen ragt das nur mit grossen Schwierigkeiten zu ersteigende Kloster. Der Kommandaturabt desselben, der Kardinal Johannes a Turrecremata, ein eifriger Bewunderer der Buchdruckerkunst, veranlasste durch einige Mönche deutscher Nation die Einberufung Conrads aus Schweinheim, bei Mainz, und Arnold Pannartz' aus Prag. Sie kamen 1464 an. Zuerst entstand ein Donatus, dann des Lactantius De divinis institutionibus (1465), des heiligen Augustinus De civitate dei (1467), und wahrscheinlich auch 1465 Ciceros De oratore[1].
Der Lactantius war das erste Buch, welches in römischer Schrift gedruckt wurde. Die Kalligraphie hatte in Italien bereits zu den Zeiten der Römischen Kaiser eine hohe Stufe erreicht. Durch den Wechsel der herrschenden Völker in Italien änderte sich auch die Schrift vielfach. Als die Gothen im v. Jahrh. sich zu Herren Italiens machten, fingen die römischen Kapital-Buchstaben schon an, eine veränderte Gestalt anzunehmen; die eigentliche kleinere runde [57] Kurrentschrift kam jedoch erst im viii. Jahrhundert auf. Nichts natürlicher, als dass Sweynheim und Pannartz sich dem nationalen und gefälligen Schriftsystem zuwendeten und für ihr Werk die römische Schrift annahmen, der sich die jetzige Antiqua fast ganz anschliesst. Ein in Paris befindliches Manuskript, welches 1459 in Italien geschrieben wurde, des heiligen Augustinus De civitate dei, zeigt ganz die Schrift, wie sie in dem Lactantius verwendet wurde. In dem ersten Bogen des Werkes ist, um die griechischen Zitate hineinzuschreiben, Raum gelassen; in den späteren Bogen wurden zum erstenmal griechische Typen verwendet, denn die Zitate in Schöffers Princeps-Ausgabe von Ciceros De officiis waren Holzschnitte.
Es zeigten sich jedoch bald die Schwierigkeiten einer so abgelegenen, schwer zugänglichen Lage und Sweynheim und Pannartz folgten daher gern der Einladung der beiden Brüder Pietro und Francesco Marquis von Massimi, nach ROM zu kommen; in deren Palast sie 1467 installiert wurden, zunächst um Ciceros Briefe zu drucken. In dieser Ausgabe findet man zum erstenmale die reine Antiqua, wie sie schon in den Manuskripten des viii. u. ix. Jahrh. vorkommt.
In den fünf folgenden Jahren entwickelten Sweynheim und Pannartz eine grosse, jedoch weit über ihre Kräfte gehende Thätigkeit, die sie dem geschäftlichen Ruin entgegenführte. Aus ihren Pressen gingen hauptsächlich Ausgaben der Klassiker hervor, unter anderen ein Livius (1469), von welchem ein Exemplar, 1815, mit nahe an 20000 Mk. bezahlt wurde. Rom war zwar ein Sitz der Gelehrsamkeit, lag aber ausserhalb des grossen Verkehrskreises. In dem Verhältnis, wie sich das Bücherlager von Sweynheim und Pannartz füllte, leerte sich ihre Kasse, und als sie den 5. Band der Bibelerklärungen des Nikolas de Lyra gedruckt hatten, waren sie ganz ohne Mittel. Der Herausgeber des Werkes, ihr Freund der Bischof Andr. Bussi, empfahl sie zwar dringend der Unterstützung des Papstes Sixtus iv. Das Gesuch, welches für die Buchdruckergeschichte deshalb ein besonderes Interesse hat, weil man daraus erfährt, dass die gewöhnliche Auflage eines Buches 275 Exemplare gewesen, von den populären Werken 550, hat jedoch entweder gar keinen oder keinen genügenden Erfolg gehabt und die Vereinigung ward aufgelöst. Sweynheim scheint sich nach der Trennung hauptsächlich [58] mit Schriftschneiderei beschäftigt zu haben und machte auch die ersten Versuche, Landkarten für die Buchdruckerpresse in Kupfer hoch geschnitten herzustellen, um damit die Geographie des Ptolomäus zu drucken, erlebte aber nicht die Vollendung dieses ausgezeichneten Unternehmens, dessen letzte Platten von Arnold Bucking angefertigt wurden. Von Sweynheim hört man nach 1473 nichts mehr. Pannartz druckte bis 1476, um welche Zeit beide Teilnehmer gestorben zu sein scheinen.
Noch vor der Übersiedelung der Genannten nach Rom war Ulrich Han (Gallus) durch den Kardinal Torquemada nach dort berufen worden. Han druckte mit gothischer Schrift das erste Buch mit Holzschnitten in Italien, Torquemadas Meditationes (1467).
Nach VENEDIG kam die Buchdruckerei erst 1469, überflügelte jedoch in dem mächtigen Stapelplatz des Handels, wo zugleich Wissenschaft und Kunst blühten, bald die aller anderen Städte Italiens. Auch hier traten Deutsche als die ersten Buchdrucker auf. Johann von Speyer (Johannes de Spira) druckte 1469 als erstes, zugleich als Musterwerk, Ciceros Briefe. Sehr geschätzt ist auch sein Plinius, von dem ein Exemplar 1781 in Paris für ungefähr 4500 Mk. verkauft wurde. Seine Type nähert sich der Antiqua; in der Interpunktion wendet er Punktum, Kolon und Fragezeichen an. In einer Ausgabe des Tacitus, die jedoch möglicherweise von seinem Nachfolger herrührt, kommen arabische Zahlen als Pagination vor. Seine Verdienste wurden von dem Dogen, Pasquale Malipiero, so hoch geschätzt, dass man ihm das Privilegium als alleinigem Drucker auf venetianischem Territorium erteilte. Von diesem Privilegium, das glücklicherweise für die Verbreitung der Kunst nur ein persönliches war, sollte er jedoch keinen Nutzen ziehen, indem er 1470 starb. Sein Bruder Johann Wendelin von Speyer setzte das Geschäft fort und druckte viele elegante Klassikerausgaben; auch die erste italienische Bibel. Er verband sich mit Johann von Köln (1471-1487), der sich wieder später mit Nikolaus Jenson vereinigte.
Nach dem Erscheinen der Gutenbergschen Bibel war die Kunst in Paris nicht unbeachtet geblieben. Auf direkte Veranlassung des Königs Karl VII. erging am 3. Okt. 1458 eine Ordre an die königlichen Münzmeister, einen erfahrenen Mann nach Mainz zu senden, der die neue Kunst erlernen sollte. Die Wahl fiel auf [59] Nikolaus Jenson, einen geschickten Graveur, dem es auch wirklich gelang, die Kunst sich zu eigen zu machen. Er kehrte jedoch nicht nach Paris zurück, sondern ging nach Venedig, wo er als einer der berühmtesten Buchdrucker von 1470-1481 wirkte. Er erkannte sofort die grosse Verwendbarkeit der Römischen Schrift, dabei jedoch auch die Mängel der vorhandenen Muster. Letztern half er ab, gab der Schrift noch mehr Rundung und brachte die schöne „lateinische Schrift“ zustande, die schnell zur allgemeinen Geltung kam und noch in solcher steht und stehen bleiben wird. Jensons Schrift wurde erst die venetianische genannt; in den italienischen Schriftproben heisst sie lettera antiqua tonda. Die Italiener behielten den Namen Antico. Deutschland und das nördliche Europa benannten sie Antiqua, Frankreich und Holland Romain (auch droit) Romeyn, England Roman.
Um dem Geschmack der Zeit Rechnung zu tragen, schnitt Jenson jedoch auch gothische Schriften, die sich ebenfalls durch ihre Schönheit auszeichnen. Auch eine griechische Schrift, jedoch ohne Versalien, rührt von ihm her. Seine Werke sind alle typographische Meisterstücke. Er starb reich und angesehen im Sept. 1481; selbst der Papst ehrte ihn und verlieh ihm den Titel eines Pfalzgrafen.
Unter den deutschen Buchdruckern in Venedig gehört in die erste Reihe Erhard Ratdolt (1476-1486), der bereits oben unter den Augsburger Buchdruckern genannt wurde; sein „Euklid“ (1482) in gothischer Schrift und reich ornamentiert, gilt als ein Meisterwerk ersten Ranges und verschaffte ihm nach vielen Seiten den ehrenvollsten Ruf. Dieses Werk ist das erste mit mathematischen Figuren ausgestattete. In den Prachtexemplaren davon kommt auch zum erstenmale Golddruck vor. Seinen Kunstsinn zeigte Ratdolt besonders durch Anwendung schön verzierter Initialen, die unter dem Namen litteræ florentes bekannt sind, und durch seine sehr fein in Holzschnitt ausgeführten Randverzierungen. Er war zugleich der erste, der Titelblätter in modernem Sinn allgemein aufnahm. Auch musikalische Werke mit beweglichen Typen führte er aus. Im Jahre 1486 folgte er dem Rufe des Bischofs Johann von Werdenberg und kehrte nach Augsburg zurück, wo er nur bis 1516 wirkte, wenigstens finden sich nach dieser Zeit keine Spuren einer geschäftlichen Thätigkeit.
[60] Noch ist Christoph Valdarfer, der später nach Mailand übersiedelte, zu nennen. In Venedig druckte er noch das Decamerone des Boccaccio, von welchem ein Exemplar im Jahre 1812 nach dem Tode des Herzogs von Roxburgh für 2260 £ Sterl. (über 45000 Mk.) verkauft wurde, die höchste Summe, die je für ein Buch gezahlt wurde.
Am Schluss des Jahrhunderts (1494) ging noch ein typographischer Stern erster Grösse in Venedig auf: Aldus Pius Manutius, dessen Glanz die nächste Periode erfüllt. Zu dieser Zeit waren gegen 150 Druckereien auf einmal in Venedig in Betrieb. Über 3000 Werke hatten bis dahin hier das Licht erblickt. Nimmt man die Auflage eines Werkes durchschnittlich auf nur 300 Exemplare an, und jedes Werk durchschnittlich zu zwei Bänden, so macht dies gegen zwei Millionen Bände.
Das Städtchen FOLIGNO im Kirchenstaate ist durch Zufall zu einer typographischen Rolle gekommen. Johann Numeister, ein Schüler Gutenbergs, suchte sein Glück in Italien und kam auf seiner Reise nach Rom durch Foligno. Ein angesehener Bürger dort, Emilianus de Orfinis, veranlasste ihn (1470), seine Presse in Foligno aufzuschlagen. Im Jahre 1472 erschien seine Prachtausgabe von Dantes Divina commedia. Numeister verwendete anfänglich die römische Schrift, später eine gothische, der Gutenbergschen Bibelschrift ähnliche.
MAILAND und FLORENZ bekamen die ersten Pressen durch Eingeborene. Über die Einführung in Mailand ist viel gestritten worden; es scheint jedoch unzweifelhaft, dass sie durch Philippus de Lavagna (1469) geschah. In Florenz lebte ein Goldschmied, Bernardo Cennini, der mit an Ghibertis berühmten Thüren gearbeitet hatte. Es schmerzte ihn, dass Italien gänzlich von Deutschland in der Buchdruckerkunst abhängig sein sollte. Er studierte deshalb genau die Drucke und Manuskripte und ging nun selbst daran, Stempel, Schriften, Pressen u. s. w. herzustellen, was ihm zwar gelang, jedoch unter solchen Opfern, dass er bald wieder zu drucken aufhören musste. Es scheint, als habe er die griechischen Schriften für den Homer geliefert, womit Demetrius Chalcondylas, ein von Candia ausgewanderter Grieche, im J. 1488 hervortrat[2]. Es [61] dauerte aber nicht lange, dass kunsterfahrene Deutsche nach Florenz kamen, darunter Nikolas von Breslau, der 1477 Bellinis Monte Sancto di Dio druckte, das erste Werk mit Illustrationen in Metallplatten, da Sweynheims Ptolomäus noch nicht erschienen war. Noch bedeutender ist seine Ausgabe von Dante. Die Wirksamkeit der berühmten Familie Giunta gehört der folgenden Periode an.
Nach GENUA kam als erster Drucker Matthias Moravus („aus Olmütz“, 1474), die Schreiber petitionierten jedoch gegen die Konkurrenz und Moravus ging nach Neapel. In SONCINO druckte Abraham Colorito 1488 eine schöne hebräische Bibel mit reichen Ornamenten und Einfassungen. Die erste Offizin Siciliens wurde in MONTREALE bei Palermo 1472 angelegt. In FANO druckte 1514 Gregor Gregorio das erste arabische Buch.
Fünf Jahre nach der Ankunft Sweynheims und Pannartz' in Subiaco war die Kunst überall in Italien und zwar fast nur durch Deutsche eingeführt.
SPANIEN[3]. Obwohl die Gelehrsamkeit und die Wissenschaften in Spanien hoch in Ehren gehalten wurden, so fand die Einführung der Buchdruckerkunst doch verhältnismässig spät statt. Sie geschah dort, wie fast überall, durch Deutsche, die Lehrlinge unter den Eingeborenen ausbildeten, bis diese nach und nach die Plätze der Lehrmeister einnahmen.
Trotz aller inneren Kriege und der Strenge der geistlichen Zensur muss die Buchdruckerkunst doch manche Aufmunterung seitens hochgestellter und wissenschaftlich gebildeter Männer gefunden haben. Früher wurde allgemein die Historia Hispanica des Roderic Sanctius de Arevalo, Erzbischofs von Valencia, als das erste in Spanien gedruckte Werk betrachtet; es stammt jedoch aus den Pressen von Ulrich Han in Rom. Nachdem im J. 1470 VALENCIA eine Universität erhalten hatte, liess die Druckkunst nicht lange auf sich warten. Das älteste dort gedruckte Buch ist mutmasslich die, [62] 1474 erschienene Sammlung von 36 Gedichten zur Ehre der heiligen Jungfrau; 1475 folgten ein Sallust und ein Dictionarium linguæ latinæ in fol.; sämtlich ohne Nennung des Druckers.
Der erste datierte Druck ist eine Biblia sacra in fol. von Lambert Palmert (Palomar), einem Deutschen, begonnen im Febr. 1477, beendigt im März 1478. Von diesem Werk sind nur die vier letzten Blätter in einem Exemplar in den Archiven des Domes zu Valencia entdeckt worden. Wahrscheinlich ist die Auflage nach geistlicher Ordre auf das gründlichste vernichtet. Als Protektor oder Mitarbeiter Palmerts wurde der ausgezeichnete Astronom Alfons Fernandes von Cordova genannt. Palmert druckte bis 1494, um welche Zeit sich nicht wenige deutsche Drucker in Valencia etablierten.
Aus SARAGOSSA findet sich ein, 1475 von Matthias Flander, wahrscheinlich einem fahrenden Buchdrucker, geliefertes Buch: Guidonis de Monte-Rocherii, manipulus curatorum vor. Der erste, fest in Saragossa etablierte deutsche Buchdrucker war Paulus Huros aus Constanz (1485-1499).
In SEVILLA traten die ersten einheimischen Buchdrucker: Anton Martinez, Bartholomäus Segur und Alphons del Puerto zusammenwirkend auf zum Druck eines Sacramentale. 1480 fällt schon der Name Martinez weg; 1482 ist Alphons del Puerto allein zurück. Später folgen mehrere Deutsche, als: Paul von Köln, und Joh. Pegnizer aus Nürnberg. Das Tribunal der Inquisition hatte i. J. 1500 eine eigene Druckerei, aus welcher die Ordonnanzen des Grossinquisitors Didacus Deca hervorgingen.
Aus BARCELONA ist mutmasslich: Th. von Aquino, commentar. in libros ethicor. Aristotelis von Petrus Brunus et Nicolaus Spindeler (1478) das erste Buch. SALAMANCA zeigt trotz seiner berühmten Universität erst zu Ende des xv. Jahrh. Drucke auf.
Unter Basel wurde bereits mitgeteilt, dass Friedr. Biel nach BURGOS ging und dort 1485-1517 druckte. Er war ein sehr tüchtiger und erfahrener Mann.
In dem Kloster auf dem Berge MONSERRAT druckte ein Deutscher Joh. Luschmer in den Jahren 1499-1500, und ging dann nach Deutschland zurück. Madrids Buchdruckergeschichte gehört der folgenden Periode an.
[63] PORTUGAL verdankt den Juden die Einführung, den Deutschen die Fortbildung der Druckerkunst. Die portugiesischen Juden wurden seit jeher von ihren Stammesgenossen als eine Art Aristokratie betrachtet und hatten zu Ende des xv. Jahrhunderts durch ihre Bildung und Wohlhabenheit eine grosse Bedeutung erlangt.
Der Jude Mestre (Magister) Abraham d'Ortas druckte 1484 zu LEIRIA den Almanach. perpetuus ecclesiasticus astronomi Zacubi, den ältesten Druck Portugals. Ob der Sephar Orach Chaim (1485) in Leiria oder in Ixar in Spanien gedruckt wurde, ist wohl nicht ganz zu entscheiden. 1489 druckten die Rabbis Eliezer und Samuel Zorba in Lissabon des Rabbi Mosis Nachmanidis hebräischen Kommentar zum Pentateuch und das Sepher Thephilod (1495). Eliezers Sohn Zacchäus setzte das Geschäft fort.
Um für den Druck christlicher Werke nicht auf Juden angewiesen zu sein, liess die Königin Eleonora, Gemahlin Johanns ii., die Buchdrucker Valentin aus Mähren (Valentin de Moravia oder Valentin Fernandes Allemão) und Nikolaus aus Sachsen nach LISSABON kommen. Valentin wirkte von 1495-1513 und wird servidor e empremidor de sua Alteza genannt. Er nahm durch seine Bildung eine angesehene Stellung ein, ward Sekretär für die lateinische Korrespondenz des Königs, Dom Manuel, und verfasste nach den Berichten des Seefahrers Diego Gomes zwei Schriften über dessen Reisen. Als 1496 das Edikt erschien, nach welchem es jedem Nichtchristen unter Todesstrafe verboten wurde, im Lande sich aufzuhalten, mehrte sich die Arbeit seiner Pressen, auch gaben die umgestalteten Justizverhältnisse, der rasch steigende Handelsverkehr und die Kolonialverwaltung, sowie die rege Missionsthätigkeit für die Kolonien viel zu thun. Eine seiner ersten Arbeiten war die, im Verein mit Nikolaus von Sachsen gedruckte Vita Christi des Karthäusermönches Ludolfo de Sachsonia (1495), welche auf direkte Veranlassung der königlichen Familie unternommen wurde. Nur ein einziges vollständiges Exemplar in der Lissaboner Bibliothek existiert. Unter den vielen Werken Valentins befindet sich eine, von ihm selbst besorgte Übersetzung der Reisen des Marco Polo. Nach 1506 verringert sich seine Thätigkeit und sein Name verschwindet 1513, ohne dass es bekannt ist, ob Tod, Geschäftsaufgabe oder Rückreise Veranlassung gewesen.
[64] Im Jahre 1509 hatte sich Hermann von Kempen (Armão de Campos, Alemã) in Setuval niedergelassen. Später zog er nach Lissabon mit dem Titel empremidor und bombardeyro d'El Rei. Die Bombardiere bildeten eine aus hundert Mann bestehende Leibgarde des Königs, die viele Vorteile, als Freiheit von Steuern, vom Kriegsdienst, von Einquartierung, ausserdem einen nicht geringen Sold hatte. Da hauptsächlich Metallarbeiter, die selbst ihre Munition anfertigen konnten, wozu sie das Rohmaterial erhielten, in diese Garde gewählt wurden, so ist Hermanns Beruf als Schriftgiesser wahrscheinlich bei seiner Aufnahme bestimmend gewesen. Sein Hauptwerk ist das von Garcia de Resende herausgegebene Cancioneiro Geral, ein berühmtes Liederbuch, das die Poesien von 275 höfischen Dichtern enthält. Der Druck ist sauber und geschmackvoll in gothischer Schrift. Von diesem Buch sind nur ganz wenige unverstümmelte Exemplare übrig geblieben. Der König, Dom Fernando, übersandte das in seinem Besitz befindliche dem Stuttgarter Verein der Bücherfreunde behufs einer von Dr. v. Kausler 1846-1849 veranstalteten Ausgabe, welche dieses wichtige Werk der portugiesischen Nation erhalten hat.
Als Valentins Wirksamkeit zu stocken begann, berief der König, Dom Manuel, Jakob Kromberger aus Sevilla nach Lissabon (1508) und verlieh ihm, wie allen fremden Buchdruckern, die sich in Portugal niederlassen wollten, den Titel Ritter des königlichen Hauses. Sie mussten jedoch den Besitz von 2000 Dublonen in Gold nachweisen und Altchristen (christãos velhos) sein.
Ob Johann Gerling, der 1494 in BRAGA druckte, auch auf königliche Veranlassung berufen wurde, oder ob er ein fahrender Buchdrucker war, lässt sich nicht bestimmen. Das von ihm gedruckte Brevier von Braga, seine einzige Leistung, ist deshalb besonders wichtig, weil es die Gebete und Hymnen nach dem Ritus der Mosaraber, einer Christengemeinde, die unter der Maurenherrschaft fast ohne jede Verbindung mit Rom fortbestanden hatte, enthält. Schliesslich siedelte noch im xvi. Jahrhundert Joãs Blavio de Colonia Agrippina (1554) als Hofbuchdrucker nach Lissabon über und druckte (bis 1556) 36 Werke.
Die älteren portugiesischen Drucke gehören zu den grössten bibliographischen Seltenheiten. Unter 739 Inkunabeln der Lissaboner [65] Bibliothek sind nur 4 portugiesische. Die Bibliothek zu Oporto zählt 109 Inkunabeln, davon bloss 2 portugiesische.
Dass FRANKREICH[4], wo die Universität PARIS eine so grosse Anziehungskraft auf die ganze wissenschaftliche Welt ausübte, mit der Einführung der Buchdruckerkunst zurückblieb, muss hauptsächlich den ungünstigen politischen Verhältnissen nach dem Tode Karls vii. und der Thronbesteigung seines grausamen Sohnes Ludwigs xi. zugeschrieben werden, obwohl dieser, nach seiner Art, ein Freund der Wissenschaft war. So begünstigte er unter anderen auch Jean Fouchet von Tours, den bedeutendsten Illuminator damaliger Zeit, dessen Miniaturen in Josephus' „Jüdischen Altertümern“ in ihrer Art unerreicht sind. Dass der König an Schöffer einen Ersatz von 2425 Thaler für sein, von dem Gerichte mit Beschlag belegtes Bücherlager gewährte, zeugt auch von Interesse für die Kunst.
Der Anblick der gedruckten Bücher, die gebotene Möglichkeit, z. B. eine gedruckte Bibel für 50 Kronen kaufen zu können, veranlasste Wilhelm Fichet, Doktor an der berühmten theologischen Fakultät, der sogenannten Sorbonne, den Rektor der Universität Johann Heinlein, nach seinem Geburtsort Stein bei Constanz Johann von Stein genannt, zu bewegen, für die Einführung der Kunst Schritte zu thun. Stein berief demzufolge seinen Landsmann Ulrich Gering aus Constanz nach Paris. Gering, der die Kunst in Mainz gelernt hatte, brachte Martin Crantz von Basel und Michel Friburger von Colmar mit sich und errichtete die erste Buchdruckerei Frankreichs in den Gebäuden der Sorbonne. Das erste Buch, welches dort gedruckt wurde, waren die Briefe von Gasparino di Bergamo (1470), denen später ein rhetorisches Werk Fichets und mehrere Klassikerausgaben mit Kommentaren von Stein folgten. Für diese Werke bediente sich Gering, vielleicht unter dem Einflusse seiner Gönner von der Sorbonne, einer, der römischen Type Jensons ähnlichen Schrift. Als er aber später die Räume der Sorbonne verliess und seine Offizin nach der rue St. Jacques verlegte, nahm er die allgemein beliebte gothische Type an, die man Allemand, oder auch, nach den gebrochenen Ecken, lettres de forme [66] nannte. Die kleinere Schrift, mit der man Schulbücher druckte, wurde nach der: Summa St. Thomæ, einem solchen Buche, lettres de somme genannt. Die grössern Anfangsbuchstaben hiessen lettres cadeaux, die runden Anfangsbuchstaben der Kapitel lettres tourneurs. Die gothische Schrift wurde auch von Peter Kaiser (Caesaris) und Johann Stoll, ebenfalls zwei Deutschen, die sich kaum drei Jahre nach Gering in Paris etabliert hatten, angewendet. Später bildete sich eine halbgothische Schrift aus, bis Jod. Badius 1501 die römische Type wieder einführte, die nun endgültig die herrschende blieb.
Durch das Beispiel mit Schöffers Faktor klug geworden, hatte Gering schon 1474 um Naturalisation nachgesucht, die ihm auch gewährt wurde. Crantz und Friburger gingen 1478 wieder nach Deutschland zurück und Gering nahm später Berthold Remboldt zum Teilnehmer, dessen Virgil so sorgfältig korrigirt war, dass er als fehlerfrei gilt. Ein Meisterwerk ist sein Corpus juris canonici, in fünf Spalten, mit verschiedenen Schriften, rot und schwarz, gedruckt. Gering erwarb sich ein bedeutendes Vermögen und vermachte dasselbe bei seinem Tode (1510) grösstenteils der Sorbonne.
Das erste „französisch“ in Frankreich gedruckte Buch Les grandes chroniques de la France stammt nicht aus Gerings Presse, sondern wurde 1476 von Pasquier Bonhomme gedruckt. Einmal aufgenommen, verbreiteten sich die Buchdruckereien rasch, es sind deren bis zum Jahre 1500 in Paris 66 bekannt.
In LYON führte Bartholomäus Buyer die Kunst (1473) ein. Das erste Werk war das „Compendium“ des Kardinal Lothar. Der eigentliche Drucker war jedoch nicht Buyer, sondern Wilh. Leroy, trotz des französischen Namens wahrscheinlich ein Deutscher (König). Mit dem Jahre 1477 verschwindet dieser Name und kommt erst 1488 wieder zum Vorschein. Einen bedeutenden Platz nimmt Joh. Trechsel ein, der, selbst ein gelehrter Mann, mit einer grossen Zahl von Gelehrten auf dem besten Fusse stand. Seine Tochter Thalie, die eine gelehrte Erziehung, wie es mit den Töchtern der Buchdrucker damaliger Zeit öfters der Fall war, genossen hatte, war mit dem berühmten Buchdrucker Joh. Badius verheiratet, der zusammen mit Joh. Lascaris als Korrektor für Trechsel gewirkt hatte.
[67] Die Druckkunst nahm in Lyon einen sehr schnellen Aufschwung und die Stadt hatte zu Ende des xv. Jahrhunderts schon 50 Buchdruckereien, aus denen gegen 400 Werke hervorgegangen waren. Viele hunderte von Setzern, Druckern und Giessern fanden dort Beschäftigung. Die Mehrzahl der Drucker waren deutschen Ursprungs. Die Papiermühlen produzierten grosse Quantitäten des vortrefflichsten Papiers. Der Buchhandel in der freien Messstadt Lyon war ein sehr bedeutender, welches damals dem Buchhandel das war, was ihm Leipzig heute ist, und mit Ausnahme von Venedig lieferte keine Stadt dem Buchhandel eine grössere Zahl von Büchern. Von dem Nachdruck hielt sie sich nicht frei, namentlich hatte Aldus unter diesem zu leiden.
Nach BORDEAUX brachte Michel Svirler aus Ulm 1486 die Druckerkunst.
In den NIEDERLANDEN druckte wahrscheinlich Dierik Martens[5] 1473 zu AALST in Ostflandern das erste Buch, jedoch noch lange erhielt sich die Anfertigung der Manuskripte neben dem Druck von Büchern, die sich mit ihren rohen, ungeschlachten Holzschnitten nicht mit den prachtvollen Miniaturen messen konnten. Ein Zentralpunkt der Manuskriptmanufaktur war die reiche Handelsstadt BRÜGGE. Kunstlosere Manuskripte wurden zu sehr billigen Preisen hergestellt, während die kostbar ausgestatteten einen hohen Wert behielten. Jacques Raponde erhielt z. B. 500 Goldkronen für La legende dorée, ystorié de belles ystories. Ein Werk mit Miniaturen illustrieren, die sich auf den historischen Inhalt bezogen, nannte man historier, die Bilder selbst hiessen histoires. Eine grosse Stütze fanden die Illuminatoren in dem kunstsinnigen Burgundischen Hofe, namentlich war der mächtige Herzog Philipp der Gute ein grosser Liebhaber, der überall seine Agenten hatte, um seltene Bücher zu erwerben; auch unterstützte er die Umarbeitung älterer Werke in das neuere Französisch. Fraglich ist es sogar, ob er nicht die neue Kunst zuerst in Belgien einführte. Raoul le Fèvre hatte eine Bearbeitung der Iliade: Histoires de Troyes, geschrieben und 1464 dem [68] Herzog ein prachtvolles Exemplar überreicht. Es fand so vielen Beifall, dass die Schreiber und die Illuminatoren nicht genug Exemplare schaffen konnten, und es ist nicht unmöglich, dass das Werk unmittelbar am Hofe des Herzogs gedruckt wurde. Karl der Kühne, der Sohn und Nachfolger Philipps, war zwar auch ein Freund schön ausgestatteter Manuskripte, aber seine kriegerischen Unternehmungen machten es ihm unmöglich, den Künsten des Friedens dieselbe Unterstützung zu gewähren, wie es sein Vater gethan.
In Brügge war ein hervorragendes Mitglied der Künstlergilde, Colard Mansion[6], der Gründer der ersten Presse (1476). Er war als Illuminator, Autor und Drucker thätig und bediente sich in seinen Drucken einer eigentümlichen, nach französischen Handschriften gebildeten, semigothischen Type. Die holländischen Schriften damaliger Zeit waren im ganzen sehr roh. Nur Richard Paff in Deventer zeichnet sich durch eine schöne nationale Schrift (Duits) aus, die den Leistungen des berühmten Schriftschneiders Fleischmann im xviii. Jahrhundert wenig nachsteht.
In DEVENTER entstand auch die Vereinigung der Brüder des gemeinsamen Lebens, welche um die Verbreitung des Sinnes für Bücherwesen und Buchdruckerkunst wesentliche Verdienste sich erworben hat. Zu den Städten, die durch ihre Beteiligung bei dem Bunde der Hansa eine Bedeutung erlangt hatten und wo ein frisches Leben blühte, gehörten die drei Hauptorte Oberyssels: Deventer, Zwolle und Kampen. Namentlich genoss Deventer ein gutes Ansehen.
Hier lebte Gerhard Groote (Gerhardus magnus)[7], geboren 1340 aus einer dortigen Patrizier-Familie. Gerhard bildete sich erst in Paris, dann in Köln aus, trieb scholastische Philosophie, Gottesgelahrtheit und Magie und lehrte in uneigennützigster Weise unter einem ansehnlichen Zulauf. Da fasste er plötzlich den Entschluss der Welt abzuschwören, ohne jedoch in einen geistlichen Orden zu treten, denn er wollte „keine Seele eines Menschen auf seine Verantwortlichkeit nehmen“. Öffentlich verbrannte er seine kostbaren [69] magischen Bücher und nahm ein einfaches Diakonat an, welches ihn berechtigte öffentlich zu lehren.
Seine Hauptaufgabe ward es nun, den, das Volk verdummenden Einfluss der Bettelmönche zu untergraben. Seine Predigten in Deventer und an anderen Orten waren so stark besucht, dass die Kirchen die Menge nicht fassen konnten und er im Freien reden musste. Selbstverständlich war die Wut der Bettelmönche gegen ihn eine grosse, und es gelang ihnen auch, ein Verbot gegen das Predigen Grootes zu erwirken. Dieser unterwarf sich demütig, um durch Übersetzen und Unterweisung der reiferen Jugend zu wirken. Er lehrte seine Schüler Bücher abzuschreiben und damit etwas Geld zu ihrem Unterhalte zu verdienen. Bei der steigenden Arbeit hatte er in Floris Radewynzoon (Florentinus Radewini) eine vortreffliche Stütze. Was dieser mit den Schülern verdiente gab er an Groote ab. „Was hindert uns“ — rief Florentinus einmal aus —, „dass wir und diese Brüder vom guten Willen (fratres bonæ voluntatis) die Früchte unserer Arbeit zusammenlegen und uns als Brüder zu einem frommen gemeinsamen Leben (fratres vitæ communis) verbinden?“
Hiermit war der Gedanke einer freiwilligen Vereinigung ohne klösterliches Gelübde ausgesprochen, um zugunsten der Bildung und der Wissenschaft die Zeit zu verwenden und das Erworbene in eine gemeinschaftliche Kasse niederzulegen, aus welcher die Bedürfnisse aller bestritten wurden. Auch eine gleichmässige Kleidung bezeichnete die Brüder als solche.
Groote selbst sollte die eigentliche Ausbildung der Gesellschaft der Brüder nicht erleben; er starb, indem er liebevoll andere pflegte, an der Pest am 20. Aug. 1384. Die Stiftung in Deventer hob sich mehr und mehr. Florentinus fand in dem gebildeten Gerhard von Zütphen eine wesentliche Hülfe. Andere Städte folgten dem Beispiel Deventers, so Delft und Münster. Der Neid veranlasste Verfolgungen; die Brüder wurden bei dem Papste Martin v. als der Todsünde schuldig, als Mörder und als falsche Propheten denunziert, jedoch freigesprochen, und eine Bulle Eugens iv. aus dem Jahre 1431 bedrohte denjenigen, der dem Wirken der Brüder etwas in den Weg legte, mit dem Banne.
Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst nahmen die Brüder, statt des Abschreibens, das Drucken in die Hand und erwarben sich namentlich [70] in Holland, in Westfalen und in den Nordwestmarken Deutschlands grosse Verdienste um die Anlegung von Druckereien. In Deventer, wo die Schule zum Schluss des ersten Drittels des XVI. Jahrhunderts ihre höchste Blüte erreichte, war dies zwar nicht der Fall, vielleicht weil Paffs Druckerei einen ausgezeichneten Rang einnahm, dagegen in Gouda, Brüssel, Löwen, an welchem letzteren Ort die Druckerei jedoch nicht reussierte, sodass die Brüder sich wieder dem Abschreiben zuwendeten[8].
HAARLEM erhielt 1483 seinen ersten Buchdrucker Jakob Bellaert. Nach einem langen Zeitraume, in welchem Haarlem keine Buchdruckerei hatte, associiert sich 1561 Jan van Zuren mit Dirk Volckharts Coornhert zur Errichtung einer solchen. In einem Empfehlungsschreiben an den Rat zu Haarlem vindiziert letzterer der Stadt die Ehre der Erfindung und auch sein Socius erzählt hiervon, jedoch ohne den Namen des Erfinders zu nennen. Zu diesen gesellt sich ein Florentiner Luigi Guicciardini, der sich 1550 in Antwerpen aufhielt und eine Beschreibung der Niederlande herausgab, in der viele Erzählungen von Meermännern und Meerweibern, die in Haarlem gelebt haben, enthalten sind. Auch dieser berichtet, dass die Buchdruckerkunst in Haarlem erfunden sei, lässt jedoch die Wahrheit dahingestellt.
Diese Nachrichten wurden nun oft nachgeschrieben und jeder neue Abdruck als ein neuer Beweis für Haarlem ausgebeutet. Indes wären diese Mythen wahrscheinlich längst vergessen, wäre nicht Hadrianus Junius (Adrian de Jonghe), Doktor und Rektor zu Haarlem, aufs neue als Vertreter der Erfindungsrechte Haarlems aufgetreten und zwar unter genauer Angabe des Namens, Zunamens, der Wohnung des Erfinders und der Jahreszahl der Erfindung. In seinem, auf Veranlassung der Deputation der Stände von Holland geschriebenen Werke: Batavia, das von grossartigen Fabeln wimmelt, erzählt er, dass Laurenz, Johanns Sohn, mit dem Beinamen Koster (Küster), beim Spazierengehen in einem Wäldchen bei Haarlem Buchstaben aus Baumrinde als Spielzeug für seine Enkel geschnitzt habe. Ein zufälliger Abdruck eines solchen Buchstabens veranlasste [71] ihn, der ein Mann von grossem Verstand war, mit seinem Schwiegersohne Thomas Peter weitergehende Entwürfe zu machen und schliesslich die Buchdruckerkunst in optima forma zu erfinden und zu betreiben.
Das Geschäft erweiterte sich und warf reichlichen Gewinn ab. Unter seinen Gehülfen befand sich jedoch ein ungetreuer Diener, „Johannes, wahrscheinlich Faust“. Dieser steckte am Christabend, während der Meister und seine Familie in der Kirche war, die Offizin in den Sack, und fort war er, als man nach den Feiertagen die Druckerei wieder eröffnete. Hadrianus Junius erinnert sich ganz genau, dass ein alter ehrwürdiger Mann mit langen weissen Haaren, Namens Nikolaus Gelius, erzählt habe, wie „er“ sich wieder erinnere, in „seiner“ Jugend von einem gewissen Buchbinder, Cornelius, damals ein Mann von 80 Jahren, die Geschichte gehört zu haben, und dass letzterer, wenn er von dem Räuber erzählte, jedesmal bitterlich geweint habe.
Das ist die Koster-Legende, die so viele Federn in Bewegung gesetzt, so viele Bitterkeit hervorgerufen und Kosters Manen zwei öffentliche Denkmäler eingebracht hat. Die Holländer haben, wie aus dem nächsten Abschnitt hervorgehen wird, so viele wahrhaft grosse Verdienste um die Buchdruckerkunst, die von der ganzen gebildeten Welt freudig anerkannt werden, dass sie ohne Nachteil ihren Koster-Missgriff zugeben können[9].
Nachdem über die Einführung der Kunst in ENGLAND vieles hin und her gestritten worden, kann es jetzt als feststehend betrachtet werden, dass sie im Jahre 1477 durch Caxton stattfand.
William Caxton[10] wurde in der Grafschaft Kent geboren. Da er im Jahre 1438 bei einem der angesehensten Kaufleute der City, Robert Large, in die Lehre kam und eine solche Lehre gewöhnlich [72] sieben Jahre dauerte und mit dem 24. Jahre endigte, so ist, wenn wir diese Zahlen für Caxton gelten lassen, sein Geburtsjahr etwa 1421.
Nach der Vermählung des Herzogs von Burgund, Karl des Kühnen, mit der Schwester Edwards iv. von England, Margaretha, war es das eifrigste Bemühen der englischen Regierung, die zum Nachteil beider Länder erloschenen Handelstraktate wiederherzustellen. Caxton, der in Brügge lebte, wo die Engländer eine „Nation“ bildeten und eine angesehene Stellung als Geschäftsmann und Gouverneur (etwa Konsul) einnahm, war einer der drei Abgeordneten, die zum Zweck der Unterhandlung nach dem Burgundischen Hoflager gesandt wurden, wo er bald eine persona grata wurde, die namentlich bei der Herzogin so hoch in Gunst stand, dass sie ihn bewog, in ihren Dienst zu treten. In diesem fand Caxton Musse genug, mit litterarischen Arbeiten, denen er stets zugethan gewesen, sich zu beschäftigen. Im Jahre 1469 begann er die Übersetzung des schon erwähnten Buches Raoul le Fèvres: Histoires de Troyes und auch die englische Übersetzung fand, wie das Original, so grossen Beifall, dass Caxton den Entschluss fasste, es durch den Druck vervielfältigen zu lassen. So erschien in den Jahren 1473 bis 1474 im Druck das erste englisch geschriebene Buch: The recuyell of the historyes of Troy, 351 Folio-Seiten. Früher hielt man allgemein dafür, dass dies Buch den Pressen Ulrich Zells in Köln entstamme, doch sprechen viele äussere und innere Zeichen dafür, dass es ein Werk Colard Mansions in Brügge sei. Während des Druckes seiner Übersetzung scheint nun Caxton sich mit der Technik der Buchdruckerkunst vertraut gemacht zu haben und der Entschluss bei ihm gereift zu sein, seinem Vaterlande die Kunst zuzuführen. Nach einer Abwesenheit von 35 Jahren kehrte er nach LONDON zurück, den kostbaren Schatz einer Druckerei-Einrichtung mit sich führend.
Das erste Buch von Caxton, welches von ihm mit einem vollständigen Impressum versehen wurde, ist: The dictes and sayings of the philosophers, das im November 1477 erschien. Seine Offizin war in Westminster gelegen, jedoch nicht in der Abtei selbst. 15 Jahre wirkte er noch als Drucker, zugleich als Übersetzer und Bearbeiter eines grossen Teils der von ihm gedruckten Schriften, deren Zahl 94 beträgt inkl. 7 Drucke, die er bereits in Brügge hat [73] ausführen lassen, und 3, die erst nach seinem Tode erschienen. Da unter diesen nicht weniger als 33 Unica sind, zumteil nicht einmal im vollständigen Zustande, so ist anzunehmen, dass die Zahl der Erzeugnisse seiner Pressen eine noch wesentlich grössere gewesen ist. Die umfangreichsten sind: Chaucers Canterbury tales in zwei Auflagen von je 742 und 622 Seiten; Polychronicon, 890 Seiten; The noble history of King Arthur, 862 Seiten; und The golden Legend, 892 Seiten. Letzteres mit vielen Illustrationen versehene Buch, von dem kein vollständiges Exemplar erhalten wurde, muss als Caxtons Hauptwerk betrachtet werden. Die Technik sowohl als die Korrektur seiner Bücher waren höchst mangelhaft und die Holzschnitte sehr untergeordneter Natur, wie überhaupt damals von Kunst und Künstlern in England nicht zu reden war.
Aus dem gesagten geht hervor, dass Caxton nicht einer der begeisterten Jünger Gutenbergs war, wie sie in anderen Ländern in nicht geringer Zahl getroffen wurden, welche die Kunst ihrer selbst wegen liebten. Er war ein praktischer Engländer und Geschäftsmann, der nicht den Wissenschaften Opfer brachte oder seine Ehre in korrekten, geschmackvollen Ausgaben der Klassiker suchte, sondern Bücher druckte, von welchen er einen tüchtigen Absatz und raschen Gewinn hoffen durfte. Kann aus den wenigen Exemplaren, die von seinen vielen Büchern auf die Gegenwart gekommen sind, auf die Aufnutzung geschlossen werden, so hätte er nicht falsch gerechnet. Im ganzen existieren 5-600 Exemplare seiner Druckwerke, die sich fast ausnahmslos in englischen Händen befinden und grösstentheils mit den höchsten Preisen erworben wurden. Für ein nicht vollständiges Exemplar von: The historyes of Troy wurde in der Versteigerung des Herzogs von Roxburgh 1060 £ Sterl. 10 s. über (21000 Mark) gezahlt.
Caxton starb, geehrt und geachtet, gegen Ende des Jahres 1491. Wenn die Engländer ihn und seine Werke, obwohl sie typographisch auf einer niedrigen Stufe stehen, so hoch halten und im Jahre 1877 sein vierhundertjähriges Jubiläum so glänzend begingen, so zeigten sie damit eine, sie selbst ehrende Dankbarkeit gegen einen Mann, der ihnen die Wohlthaten der Presse, die in keinem anderen Lande sich grösser als in England erwiesen, teilhaft werden liess.
[74] Es erübrigt, einen Blick auf SKANDINAVIEN zu werfen.
„Der gothische Sprachstamm ist eine Lyra, deren Saiten zwischen den österreichischen Alpen und den skandinavischen Bergen gespannt sind, und es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass Vieles, dessen Wert nicht hoch genug geschätzt werden kann, von Deutschland kam. Von dort erhielt der Norden die Buchdruckerkunst, von dort die Reformation.“
Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen im Norden waren in Stein gemeisselte oder in Holz geschnittene Runen. Noch wichtiger für das spätere Kulturleben waren die Sagen und Lieder, die von Mund zu Mund, von Generation zu Generation sich verpflanzten. Selbst nach Einführung des Christentums hatte das neue Alphabet einen harten Kampf mit den Runen zu bestehen und noch im Jahre 1547 kamen Fälle der Benutzung solcher vor.
Nach DÄNEMARK[11] brachten deutsche Mönche die ersten Bücher. Die Bildung unter der dänischen Geistlichkeit war nicht gross, obwohl die Universität Paris stark von Dänen besucht wurde. Stationarii und librarii hatte Dänemark nicht aufzuweisen. Das erste Buch: eine lateinische Beschreibung der Belagerung von Rhodos, wurde in ODENSE auf der Insel Fühnen im Jahre 1482 von einem fahrenden deutschen Buchdrucker, Johann Snell, gedruckt.
Im Jahre 1485 druckte Steph. Arendes in Schleswig: Missale Slesvicense. Die Hauptstadt des Reiches, KOPENHAGEN, erhielt erst 1490 eine Offizin durch Godfred van Gehmen van Os, der früher in Gouda in Holland gewirkt haben soll. Nur 19 Bücher können mit Sicherheit als aus seinen Pressen hervorgegangen bezeichnet werden. Das bekannteste darunter ist: Dansk Rimkrönike, welche in den Jahren 1495-1508 viermal aufgelegt wurde und das einzige in dänischer Sprache gedruckte Buch aus dem xv. Jahrhundert ist. Gehmens Type ist eine sehr hübsche und sein Druck ein guter. In RIPEN in Jütland druckte 1504 Matthäus Brand aus Lübeck, der später nach Kopenhagen zog. Ihm folgte Povel Räff, früher Rektor der Universität, der erste Däne, der die Buchdruckerei betrieb.
[75] In SCHWEDEN druckte (1483) der aus Dänemark gekommene Johann Snell das erste Buch: Dialogus creaturum moralizatus. Auf Snell folgte Johann Fabri mit dem Breviarium Strengnense 1494, während Fabris Witwe 1496 das Breviarium Upsalense vollendete. Von da ab tritt eine Unterbrechung von über 50 Jahren ein, in welcher man von der Kunst in Schweden keine Spuren findet.
Auch Ungarn und die Slawischen Länder[12] eigneten sich bald die neue Erfindung an.
UNGARN stand zur Zeit der Erfindung unter dem Scepter des aufgeklärten und sich für die Wissenschaften sehr interessierenden Königs Matthias Corvinus. Derselbe hatte mit grossen Kosten unter Mitwirkung des bekannten Joh. Regiomontanus seine berühmte Bibliothek einrichten lassen. Wenn auch die Angabe der Bändezahl auf 50000 jedenfalls eine äusserst übertriebene ist, so war sie doch für damalige Zeit eine höchst bedeutende. Berühmt waren auch die vorzüglichen Einbände, die noch heute als grosse Schätze bei den Sammlern gelten.
Der Kanzler Ladislas Gerab berief einen, damals in Italien weilenden deutschen Buchdrucker Andreas Hess nach OFEN, wo er auf Kosten des Königs die Chronica Hungarorum (1473) druckte. Der Typencharakter dieses gut ausgeführten Werkes ist der der Antiqua. Da man von Hess nur noch ein sehr mittelmässiges Buch ohne Datum: Magni Basilii de legendis poetis libellus kennt, so wird man versucht, diesen Druck für einen früheren als die Chronica zu halten.
Unter den Nachfolgern des Matthias schwand die geistige Blüte. Auch die berühmte Bibliothek ging nach und nach zurück und litt durch Vernachlässigung, Diebstahl u. s. w. grosse Verluste, so dass sie bereits sehr von ihrem Glanze heruntergekommen war, bevor die Eroberung Ofens durch den Sultan Soliman den Prächtigen ihr den vollständigen Ruin brachte, indem vieles verwüstet, der Rest nach [76] Konstantinopel geführt wurde, von wo aus später einiges, namentlich als Geschenke der Sultane, nach Wien und Pest zurückkam.
Auch BÖHMEN und POLEN standen zur Zeit der Erfindung der Kunst auf einer hohen Stufe der Kultur. Prag liess sich in der Aufnahme der Kunst von PILSEN überflügeln, von wo aus schon aus dem Jahre 1475 ein Neues Testament in böhmischer Sprache stammt. Zwar trägt ein Buch, Guido de Colonnas trojanischer Krieg, die Jahreszahl 1468, doch bezieht sich diese wohl nur auf die Zeit der Abfassung des Manuskripts. Die Schriften in diesem Werk sind eben so schön, wie die Ausführung eine liederliche ist. PRAG folgte im Jahre 1478 mit: Statuum utraquestorum articuli. 1488 erschien die erste Bibel in der Landessprache; die zweite, mit Holzschnitten illustriert, wurde 1489 in der kleinen Bergstadt KUTTENBERG durch den gelehrten Martin von Tissnova gedruckt, der später Dekan der philosophischen Fakultät in Prag wurde. An diese Stadt knüpft sich eine der lächerlichsten Gutenberg-Legenden, nach welcher Johann Faust das Licht der Welt in Kuttenberg erblickte, eine Legende, die noch im J. 1840 Verteidiger aus missverstandenem Patriotismus fand. Dieser Faust soll in Prag studiert, in Mainz aber seiner Vaterstadt zu Ehren sich Johann Kuttenberger genannt haben.
In KRAKAU, dem Sitz der Wissenschaften und der Kunst in Polen, druckte zuerst Swaybold Frank 1491; er lieferte auch russische Werke. In RUSSLAND soll 1493 in TSCHERNIGOW gedruckt worden sein und zwar Werke in illyrischer Sprache mit cyrillischen Schriften. Diese Schrift, deren sich die Süd- und Ostslawen schon im ix. Jahrh. bedienten, war von dem Bischof Cyrillus und seinem Bruder Methodus erfunden.
Selbst die TÜRKEI, wo die Ausübung der Buchdruckerei durch den Sultan Bajazet ii. 1483 unter Todesstrafe verboten war, hat Drucke aus dem xv. Jahrh. aufzuweisen, die von Juden ausgeführt wurden. Eine hebräische Geschichte des Josephus Ben Gorion trägt das Impressum Konstantinopel 1490.
DIE TECHNIK DER BUCHDRUCKERKUNST UND DIE LITTERARISCHE PRODUKTION.
Die Technik. Schriftgiesserei. Satz. Druck. Korrektur. Die Pressen. Die Farbe. Die Ausschmückung der Bücher. Das Pergament und das Papier. Die Buchbinderkunst. Die Litterarische Produktion. Der Buchhandel. Die Zensur.
[77] DIE SCHRIFTGIESSEREI[1], die wichtigste aller der zum Druckgewerbe gehörenden Beschäftigungen, ist zugleich diejenige, deren Anfange uns am unbekanntesten geblieben. Dies ist jedoch sehr erklärlich, denn gerade in diesem Teil der Thätigkeit lagen der Schwerpunkt und das eigentliche Geheimnis der Typographie. Eine Zeichnung von Jost Amann[2] aus dem Jahre 1568 zeigt uns einen Giesser, vor einem niedrigen Ofen sitzend, in welchen die Giesspfanne eingelassen ist. Werkzeuge liegen umher. Neben dem Giesser steht die Mulde mit fertigen Typen, an welchen der Anguss noch haftet. Auf einem Wandbrett sind Siebe, Tiegel und Giessinstrumente gereiht. Die Siebe dienten ohne Zweifel dazu, den Sand fein zu sieben, in welchem sowohl die Metallstangen als auch die grossen Buchstaben geformt wurden. Die äussere Gestalt des Giessinstruments [78] weicht etwas von der des jetzigen ab und nähert sich der eines Stereoskop-Apparates. Eine Feder zum Halten der Mater ist nicht zu erblicken, dagegen bemerkt man ein Loch an der Seite des Instruments, durch welches jedenfalls die Mater gesteckt wurde, so dass sie festlag, solange der Guss des Buchstabens dauerte. Die erwähnte Abbildung ist jedoch über hundert Jahre jünger als die Erfindung; was sich in der Zwischenzeit geändert hatte, ist nicht bekannt. Dass die Giessinstrumente aus Messing gefertigt wurden, scheint aus der öfteren Erwähnung der Typen: „als in Messing gegossen“ hervorzugehen, denn dass man damit „Messingtypen“ gemeint haben sollte, ist undenkbar.
Aus welchem Stoff die Stempel in der allerersten Zeit gewesen, lässt sich nicht sagen, wahrscheinlich versuchte man es erst mit Holz und ging dann zu einem leicht zu bearbeitenden Metall über. Unter solchen Umständen konnte von einem „Einschlagen“ des Stempels in das Mater-Metall natürlich keine Rede sein; man wird also annehmen müssen, dass die Herstellung der Matern anfänglich mittels „Eindrückens“ in eine halberstarrte Masse geschah. Jedoch konnten solche Stempel und Matern nicht auf die Dauer befriedigen und man musste zum Stahl für die Stempel, zum Kupfer für die Matern greifen. Dass der Handel mit Schrift und Matern sehr schnell in Aufnahme kam, geht daraus hervor, dass dieselben Schriften an den verschiedensten Orten vorkommen.
Ein korrektes „Kegelsystem“ ist im xv. Jahrh. noch nicht bemerkbar. Die Dimensionen der Typen hingen von den Eigentümlichkeiten des gerade vorliegenden Manuskripts ab. Der Buchdrucker von damals hatte noch nicht den Wert regelmässig sich abstufender Schriftgrade kennen gelernt und ahnte noch nicht, welche Unannehmlichkeiten er durch die Willkür in der Schriftgrösse auf sich und seine Nachkommen laden würde. Bei der Kostspieligkeit der Giessinstrumente ist nicht anzunehmen, dass man für jede einzelne Schrift ein besonderes Instrument hätte haben sollen, wahrscheinlicher ist es, dass die Instrumente eingerichtet waren um sowohl auf Kegelhöhe als auf Buchstabenweite gestellt zu werden.
Auffällig genug ist es, dass auch nicht eine der Millionen Typen aus der ersten Zeit der Druckkunst auf uns gekommen ist, ja dass wir, mit einer unfreiwilligen Ausnahme, nicht einmal eine getreue [79] Abbildung einer solchen besitzen. Einem Drucker, der 1476 in der Offizin des Konrad Winter in Köln arbeitete, müssen wir auf Grund seiner Unachtsamkeit sehr verpflichtet sein. Indem er nämlich eine, vielleicht zu locker geschlossene Schriftform einschwärzte, hat er mit dem Farbeballen einen schwachen Buchstaben herausgezogen und dies nicht beim Einfahren der Form bemerkt. Die liegengebliebene Type ist nun durch den Tiegel so fest in die Schrift hineingedrückt und auf den Bogen so genau abgedruckt worden, dass wir eine ganz genaue Seitenansicht derselben besitzen. Die Buchstabenhöhe stimmt ganz genau mit der alten französischen von 10½ geom. Linie oder 24 mm neuen Masses überein. An der sichtbaren (rechten) Seitenfläche der Type befindet sich eine runde Vertiefung von etwa 3 mm im Durchmesser. Da die Type keine Signatur hat, so diente augenscheinlich diese Vertiefung dem Setzer als Richtschnur beim Aneinanderreihen der Buchstaben. Der Fuss ist nicht ausgekehlt, man sieht daraus, dass die ersten Typen keinen Gusszapfen gehabt haben und dass die Höhe durch Absägen reguliert wurde.
Über die üblichen Schrift-Quantitäten ist es fast unmöglich etwas zu ermitteln. Die rasche Förderung vieler der älteren umfangreichen Druckwerke, trotz der Erschwerung durch das Einreihen der Bogen in Lagen, lässt vermuten, dass die Typenvorräte manchmal beträchtlich gewesen sind.
Die Beschäftigung des SETZERS, des DRUCKERS und des Giessers war, wie jetzt, im allgemeinen eine getrennte. Die Zahl der Setzer war grösser, als die der Drucker. Erstere waren nicht selten Männer von Bildung und Verständnis für ihr Fach. Diejenigen, die sich für das Geschäft so ausbilden wollten, dass sie später selbst Meister werden konnten, mussten eine angemessene Entschädigung zahlen. Wie jetzt, rekrutierten sich auch die Prinzipale von damals hauptsächlich aus der Klasse der Setzer. Hatte ein solcher vom Drucken und Giessen so viel gelernt, dass er die Arbeit Anderer überwachen konnte, so war es nicht gar zu schwierig eine Buchdruckerei zu gründen. Mit den erkauften Matern und einem Giessinstrument zog der Meister nach irgend einer Stadt. Die einfachen Utensilien konnten überall angefertigt werden, das Metall für [80] die Schrift und das Papier waren in den grösseren Städten zu haben.
Der Buchdrucker fing nun zu giessen an, schlug seine Presse auf, mischte seine Farbe und konnte dann die Arbeit beginnen. Fing solche an zu fehlen, so lud er seine Druckerei auf einen Wagen und zog nach einem andern Ort, wo man eines Buchdruckers benötigt war, um dort seine Thätigkeit zu beginnen.
Die „Setzkästen“ ruhten zu zweien, einer hüben, einer drüben, auf einem Pult, das wie ein grosses doppeltes Notenpult konstruiert war. Die Zahl der Fächer hat auf Grund der vielen Ligaturen eine sehr grosse sein müssen. Durch letztere wurde die Kunst des Setzens damals eher schwieriger, als heute. Bei der grossen Ähnlichkeit mancher Ligaturen unter einander war das korrekte Ablegen sehr erschwert und Fehler kamen deshalb auch leichter beim Setzen vor. Ob die Fächer der Setzkästen, wie es nach den Abbildungen den Anschein hat, gleichgross gewesen sind, lässt sich nicht feststellen. Unwahrscheinlich ist es nicht, denn die, heute im Satz oft vorkommenden, und deshalb grössere Fächer verlangenden Buchstaben wurden auf Grund der vielen Ligaturen damals nicht für sich allein so massenhaft verwendet.
In der Regel wird der Setzer oder die Setzerin sitzend und säuberlichst angeputzt abgebildet, während die Drucker mit der Toilette es nicht gar zu ängstlich genommen zu haben scheinen und oft in einem, dem adamitischen sich sehr nähernden Kostüm dargestellt werden.
Der „Winkelhaken“ war aus Holz, sehr einfach und für wenige Zeilen und nur für ein Format berechnet. Dass der Setzer öfters mit dem Winkelhaken in der rechten Hand abgebildet wird, berechtigt nicht zu dem Schluss, dass viele unter ihnen „links“ gewesen sind. Es beruht dies allein auf Unachtsamkeit und auf Übersehen des Umstandes, dass die Zeichnung im Schnitt umgekehrt zu stehen kommt. Ganz im Anfang hatte man mutmasslich nicht einmal einen Winkelhaken, sondern reihte die Zeilen gleich in einem flachen Kasten auf, der zugleich als Rahmen diente. Setzlinien benutzte man nicht, sondern stellte eine Zeile unmittelbar auf die andere, wodurch natürlich das Ausschliessen erschwert wurde, da die Schrift sich nicht so leicht auf der doch immer etwas rauhen [81] Fläche der Typen hin- und herschieben liess. Der Kasten mit den fertigen Kolumnen liess sich leicht in die Presse stellen. War der Schluss auch nicht ein besonders fester, so war man bei Benutzung der Ballen und der leichten Farbe nicht so sehr der Gefahr ausgesetzt, dass die Buchstaben herausgezogen wurden, wie es jetzt bei den Walzen mit starkem Zug und der schweren Farbe der Fall ist. Dagegen stiegen öfters die Ausschlussstücke und verunstalteten den Druckbogen. Stege und Regletten scheint man nicht gehabt zu haben.
Dass das „Tenakel“ frühzeitig gekannt war, geht ebenfalls aus den Abbildungen hervor, doch darf man annehmen, dass anfänglich dem Setzer in der Regel nach dem Manuskript diktiert wurde, und dass der Vorlesende so eingeübt war, dass er gleichzeitig mehreren Setzern aus verschiedenen Manuskripten diktieren konnte. Abweichungen im Satz in einem und demselben Werk können kaum anders erklärt werden, als dass der Satz gleichzeitig von mehreren Setzern nach Diktat gesetzt wurde. Für die Annahme des Diktierens des Manuskripts glaubt man eine Bestätigung darin zu finden, dass man auf anderen Abbildungen den Vorleser mit dem Manuskript in der Hand sieht, während die, um ihn herum arbeitenden Setzer kein Tenakel mit Manuskript auf ihren Setzpulten vor sich haben. Doch kann die für den Vorleser gehaltene Person auch der Besitzer oder Besteller sein und das Fehlen des Tenakels dem Zeichner zuzuschreiben sein.
An einem geschmackvollen Arrangement des Satzes, einer angenehmen Abwechselung der Schriften oder einer wohlthuenden Durchsichtigkeit durch weitere Trennungen der Zeilen und Absätze fehlt es im allgemeinen sehr und die durch die übermässig gedrängten und stark geschwärzten Typen hervorgebrachte Unklarheit wird noch durch Versündigungen gegen die ersten orthographischen Regeln vermehrt. Eigennamen sind bald mit Versalien, bald mit gemeinen Buchstaben, je nach Laune des Setzers oder nach dem Schriftenvorrat, gesetzt. Die allein üblichen Interpunktionszeichen Komma, Kolon, Punktum finden in der willkürlichsten Weise Verwendung. Krumme, ungleich ausgeschlossene Zeilen, mangelhaftes Umbrechen kommen ganz allgemein vor. Versetzungen von Zeilen und Seiten, sogar Weglassungen von ganzen Seiten im Druck [82] gehören nicht zu den Seltenheiten, Wörter werden in der wunderbarsten Weise geteilt. Am schlimmsten von allem ist die grenzenlose Willkür im Abkürzen. Der Setzer dehnt oder drängt die Wörter, bis sie in das Längenmass der Zeile passen oder hackt nach Belieben ein Glied von ihnen ab, wenn sie durchaus nicht passen wollen. Oft wird zwar ein alter Druck auf Grund der Regelmässigkeit des Ausschlusses gelobt, sieht man jedoch näher hin, so findet man, dass die Regelmässigkeit gewöhnlich nur durch Eigenmächtigkeit erreicht wurde. Mag man auch manche gerechte Klagen über das Verfahren heutiger Kunstjünger führen, eins steht doch fest, dass die Kunst, die Typen derart zu arrangieren, dass der Sinn des Autors klarer ans Licht tritt, eine Errungenschaft der modernen Setzerei ist.
Das bei der KORREKTUR befolgte System ist nicht vollständig klar. Es kommen in verschiedenen Exemplaren desselben Buches sonderbare Fehler vor, die darauf hindeuten, dass die Setzer selbst die Korrekturen, und zwar manchmal recht schlecht, lasen. Als Gegensatz muss erwähnt werden, dass schon Gutenbergs Bibel, wenn sie auch nicht fehlerfrei wurde, doch sehr sorgfältig korrigiert ist. Auch wissen wir, dass oft ausgezeichnete Gelehrte die Korrektur besorgten; sie waren in solchen Fällen nicht sowohl Korrektoren als Redaktoren des Textes. Im allgemeinen ist es jedoch ein Irrtum, wenn angenommen wird, dass die ältern Druckwerke sich durch ihre Korrektheit vor den heutigen Erscheinungen auszeichnen.
Auffällig genug ist es, dass die ersten Drucker ihre PRESSEN so wenig erwähnen. Es scheint fast, als ob man die Presse als eine alte Erfindung keiner besonderen Aufmerksamkeit wert hielt. Mit Unrecht; denn ist auch das Prinzip der Presse ein altes, so war doch der Mechanismus der Druckerpresse neu. Die Vorzüge fallen leicht in die Augen, wenn man sie mit der Schraubenpresse vergleicht, welche letztere jedenfalls als Vorbild für die Druckerpresse gedient hat. Die Bibel Gutenbergs muss unbedingt auf einer Presse hergestellt worden sein, deren Druck rasch gesteigert und rasch gemindert werden konnte und die mit einem beweglichen Fundament, einem Deckel und einem Rähmchen versehen gewesen ist[3]. [83] Die erste Abbildung einer Presse stammt von Jod. Badius in Paris. Auf dieser Abbildung, wie auch auf allen anderen, steht die Bank mit den zu bedruckenden und mit den bedruckten Papierhaufen jenseit des Fundaments und des Karrens. Der Drucker zieht den Bengel unter grosser Kraftanstrengung mit beiden Händen an, den rechten Fuss stemmt er gegen den schrägen Tritt an. Und doch war der Tiegel nur so gross wie die Hälfte der Schriftform; es gehörte demnach ein zweimaliges Anziehen des Bengels dazu, um eine Form zu drucken. Der erste Zug erfolgte, wenn der Karren zur Hälfte, der andere, wenn er ganz eingefahren war.
Da die Pressen nur aus Holz und von gewöhnlichen Tischlern konstruiert waren, so blieb vieles zu wünschen übrig. Selten mögen wohl Tiegel und Fundament eine vollkommen gleichmässige Oberfläche gebildet haben. Die unten abgesägten Typen hatten nicht ganz genaue Höhe, und das Papier nicht gleiche Stärke, was die Ungleichheiten vermehrte.
Um alle diese Unebenheiten auszugleichen war eine weiche Lage zwischen Tiegel und dem Druckbogen notwendig, damit die Schrift tief genug in das Papier eingedrückt wurde. Unter solchen erschwerenden Verhältnissen verdienen die damaligen Leistungen des Druckers oft um so grössere Anerkennung.
Um das Register zu erzielen, bediente man sich anfänglich vierer Punkturen in den Ecken. Die Plätze für den Rotdruck waren in dem ersten Schwarzdruck mit niedrigen Quadraten ausgefüllt. Nachdem der Schwarzdruck vollzogen war, wurden die rot zu [84] druckenden Buchstaben hineingestellt und durch Unterlagen etwas über die Schrifthöhe erhöht und dann, nachdem die betreffenden Stellen in einem zweiten Rähmchen ausgeschnitten waren, gedruckt.
Die FARBE der alten Drucke ist von sehr ungleicher Güte. In den Drucken von Nic. Jenson in Venedig ist sie intensiv schwarz, sammetweich und glänzend. Die Gutenbergsche Bibel ist mit kräftiger tiefschwarzer aber glanzloser Farbe gedruckt. In dem Psalter von Fust und Schöffer ist die Farbe bald glanzvoll, bald matt. In anderen Drucken ist die Farbe wieder bräunlich oder schmierig, wieder in anderen ohne Konsistenz und abwaschbar. Nicht selten ist die Schwärze in einem und demselben Werke bald sehr dick, bald sehr sparsam aufgetragen. Hierbei hat jedenfalls die grosse Verschiedenheit des Papiers wesentlich Schuld, sowie die Unregelmässigkeit im Feuchten. Das Pergament ist öfters zu stark poliert, öfters nicht ganz frei von Kalk oder Fett. Die allgemein aufgestellte Behauptung, die ältere Farbe sei tiefer und glanzvoller als unsere, ist nicht ganz korrekt. Sie scheint allerdings tiefer, weil man sie auf Grund der grossen Typen und des starken Auftrags massenhafter sieht; hätte man eine neue zarte Antiqua mit derselben zu drucken gehabt, so würde sie wohl auch weniger schwarz erschienen sein. Die Einschwärzung der Form geschah mittels Ballen, wie sie noch vor etwa 50 Jahren im Gebrauch waren.
Wie die Farbe zusammengesetzt wurde, ist nicht gesagt. Hier giebt das aufgefundene Ausgabebuch der Ripoli-Presse von 1481, welches die verbrauchten Materialien aller Art nach ihrer Quantität und ihren Preisen angiebt, einigen Anhalt. Vom Russschwarz ist keine Rede, wohl aber von Pech. Den ersten Platz nimmt Leinöl ein; Schellack und dünner Firnis dienten dazu, der Farbe Glanz zu geben, ausserdem sind erwähnt Cochenille und Harz.
Die „Illuminatoren“ und „Rubrikatoren“ verschwinden nach der Erfindung der Buchdruckerkunst noch nicht von der Bühne. Die Initialen werden zumteil nur in Umrissen, zumteil gar nicht eingedruckt und dann von den Illuminatoren mehr oder weniger kunstvoll ausgemalt und vergoldet; auch in dem Texte werden die Majuskeln, manchmal auch die Interpunktionstrennungen mit roten Farbenstrichen hervorgehoben. Da diese Arbeiten zeitraubend, [85] demzufolge kostspielig waren, so verschob man sie öfters; man findet deshalb viele Inkunabeln, in denen nur der Raum für die Initialen gelassen ist, ohne dass diese später ausgeführt wurden.
Die eigentliche ILLUSTRATION wurde von den ersten Buchdruckern vernachlässigt, wahrscheinlich um nicht den Manuskript-Charakter der Bücher zu stören. Die nachfolgenden waren jedoch weniger ängstlich. Abgesehen von dem Mangel an künstlerischem Wert nahm man es mit dem Sinn und der Wahrheit ziemlich leicht. Oft kommen in einem und demselben Werk sogar damals lebende Persönlichkeiten in ganz verschiedenen Auffassungen vor, oft dienen dieselben Holzstöcke als Konterfeis von einem halben Dutzend historischer Personen von Adam ab bis auf die damalige Zeit. Städte wurden ebenfalls ganz nach der Phantasie abgebildet und derselbe Schnitt, selbst in einem und demselben Werke, bald als Jerusalem, bald als London oder irgend eine andere Stadt vorgeführt. Ob eine Einfassung im Einklang mit dem Texte stand oder nicht, war ganz gleich. So kann man um die Seiten von Gebetbüchern Einfassungen sehen, in welchen Affen ihr tolles Spiel treiben oder gar anstössige Scenen aus der griechischen Mythologie vorgeführt werden. Mit den Holzschnitt-Illustrationen wurde schon frühzeitig Handel getrieben und dieselben zu Ausgaben in verschiedenen Sprachen benutzt.
Obwohl das Baumwollen-Papier[4] anderthalbhundert Jahre vor der Erfindung der Buchdruckerkunst in Europa bekannt war, so wurde für die ersten Druckwerke doch auch von dem PERGAMENT, wenn auch daneben von dem Papier, Gebrauch gemacht. Teils wollte man dem Gedruckten möglichst den Charakter des Manuskriptes wahren, teils waren die liturgischen Bücher einer so starken Abnutzung ausgesetzt, dass das solidere, wennauch teurere Material vorgezogen wurde.
[86] Die Bearbeitung der Tierfelle als Stoff zum Beschreiben stammt aus dem grauen Altertum. Schon Herodot berichtet, dass man auf präparierte Hammel- und Ziegenfelle geschrieben habe. Später spricht Josephus in seinen jüdischen Altertümern von einem prachtvollen, auf Ziegenfell ausgeführten Manuskript aus dem Jahre 277 v. Chr. Will man Plinius glauben, so rührt die Erfindung des eigentlichen Pergaments (Charta pergamena) aus der Stadt Pergamum in Kleinasien, her, als der ägyptische König Ptolomäus Epiphanes aus Eifersucht über die Bestrebungen des pergamenischen Königs Eumenes ii. (andere sagen Attalus ii.), eine mit der alexandrinischen wetteifernde Bibliothek zu schaffen, die Ausfuhr des Papyrus verbot. Später wurde das beste Pergament, von den Römern gewöhnlich membrana genannt, in Rom verfertigt.
Das Material für die Anfertigung des Pergaments, soweit es zum Schreiben oder Bedrucken verwendet wird, sind Lamms-, Schafs-, Ziegen- und namentlich Kalbsfelle. Das aus letzteren hergestellte Fabrikat heisst vellum (Velin), die Kälber dürfen, wenn das Velin gut werden soll, nicht älter als sechs Wochen geworden sein; die feinste Sorte liefern die Felle der ungeborenen Kälber (velots).
Die Zubereitung des Pergaments[5] ist eine mühsame und zeitraubende. Die Felle werden in eine Kalkgrube gethan, von der Wolle, den Haaren, den Fleisch- und Fettteilen sorgsamst gereinigt, abwechselnd in Wasser und wieder in Kalk gelegt, auf Rahmen gespannt, geschabt, mit Kreide und Farbe ein- und mit Bimsstein abgerieben.
In Frankreich, wo die Fabrikation lebhaft betrieben wurde, gehörten die Pergamentmacher unter die Jurisdiktion der Universität. Alles nach Paris eingeführte Pergament musste nach der Halle der Mathuriner gebracht werden, um dort von den Universitätsbehörden geprüft und gestempelt zu werden (rectorier). Zu ihren Rechten zählte die Universität auch den Verkauf auf den zwei grossen Messen zu St. Denis und St. Ladre.
Die nach Europa durch die Araber gebrachte Verfertigung des BAUMWOLLEN-PAPIERS fasste mit jenen zuerst in Spanien Wurzel, [87] hauptsächlich in Xative, Valencia und Toledo. Anfänglich wurde zur Fabrikation nur rohe Baumwolle benutzt, dann baumwollene Lumpen, später baumwollene und leinene gemischt, schliesslich im xiv. Jahrh. leinwandene allein. Als mit der arabischen Herrschaft in Spanien auch die dortige Papierfabrikation sank, wendete letztere sich namentlich nach Italien. Um Mailand, Venedig, Florenz, Bologna, Parma, in Padua, Treviso, namentlich in Fabriano entstanden Papiermühlen, die nicht allein Italien, sondern bis in das xv. Jahrh. hinein fast ausschliesslich den Süden Deutschlands versorgten, ja ihr Fabrikat bis nach Sachsen sandten, während West- und Niederdeutschland ihren Bedarf aus Frankreich und Burgund bezogen, welche Länder auch nach England ihren Absatz hatten. Von den Papiermärkten waren namentlich die in Brügge, Antwerpen und Köln bedeutend.
Aus dem gesagten geht schon hervor, dass die Fabrikation, wennauch in Deutschland nicht unbekannt, hier doch nicht genügend fortgeschritten war, um den heimischen Bedarf zu decken, noch weniger, um an eine Ausfuhr zu denken.
Die Bezugsquellen der Papiere lassen sich namentlich aus den „Wasserzeichen“, Marken der Fabriken, erkennen, welche zugleich, wenn nicht untrügliche, so doch beachtenswerte Beiträge zur Beurteilung des Entstehens älterer Druckwerke liefern, untrüglich deshalb nicht, weil einerseits einige dieser Zeichen, z. B. der Ochsenkopf oder das Monogramm P fast überall verbreitet waren, andererseits, weil oft Papiere aus verschiedenen Ländern oder Orten stammend und mit verschiedenen Zeichen versehen in einem und demselben Werke verwendet wurden. Das Entstehen des Ochsenkopfes und des P ist nicht genügend erklärt. Ganz unwahrscheinlich ist es nicht, dass man den Ochsenkopf wählte, weil St. Lucas, dessen Symbol bekanntlich ein Ochs ist, der Hauptpatron der Malergilden von Italien bis nach den Niederlanden war, und zu diesen Gilden gehörten auch die Papiermacher. Das P dürfte auf „Papier“ hindeuten. Es wird dies dadurch um so wahrscheinlicher, als dieses Zeichen dem italienischen Papier (Carta) fehlt. Doch das alles ist Mutmassung.
Einige Wasserzeichen als Schiff, Anker, Weintraube, Kardinalshut, Bischofsmütze, gekreuzte Schlüssel, sowie die Wappen von [88] einzelnen Ländern, Städten und Familien deuten zwar mitunter etwas näher auf einen Abstammungsort des Papiers, sie sind jedoch auch nicht immer zuverlässige Kennzeichen, da z. B. Löwen, Lilien, Kronen in so vielen Wappen vorkommen.
Die deutschen Wasserzeichen sind in Bezug auf Bestimmung des Alters und des Entstehungsortes der Bücher deshalb weniger wichtig, weil die deutschen Papiere erst zu einer Zeit recht zur Geltung kamen, zu der die Druckorte, Jahreszahlen und Verleger fast allgemein auf den Büchern genau angegeben stehen.
Die älteste deutsche Papierfabrik scheint die von U. Stromer in Nürnberg gewesen zu sein, für welche im J. 1390 Arbeiter aus Italien berufen wurden. Trotzdem wurden aber doch die ersten Nürnberger Drucke auf italienischem Papier gedruckt. Basels Bedeutung für die Papierfabrikation wurde bereits S. 44 erwähnt.
In Augsburg ward 1468, in Kempten 1477 die erste Mühle angelegt. Ein Hauptplatz der Fabrikation war um die Mitte des xv. Jahrhunderts die ehemalige Reichsstadt Ravensburg in Schwaben, wo grosse Massen von Papier, jedoch keins, das mit den vorzüglicheren Sorten des Auslandes den Vergleich aushielt, geliefert wurde[6].
Das älteste Druckpapier war stark geleimt, kräftig aber hart, und verschieden in der Stärke, so dass gewissenhafte Druckereien das Papier nach Stärke, wie auch nach Färbung, sortierten. Die rauhe Oberfläche war dem Druck nicht günstig und das Satinieren und Glätten war unbekannt. Man machte bald die Erfahrung, dass das ungeleimte Papier nicht allein billiger, sondern auch zur Aufnahme der fetten Druckfarbe zweckdienlicher sei, als das geleimte.
Aus dem gesagten geht hervor, dass wir jetzt vollkommenere Werkzeuge und besseres Material haben. Es wird schneller, billiger und mit grösserer Akkuratesse und Eleganz, mit mehr Rücksicht auf die Bequemlichkeit des Lesers und mit weit mehr Abwechselung für das Auge gedruckt, so dass die alten Drucke im allgemeinen doch nicht den Vergleich mit den neuen aushalten. Vieles, was bei den alten Drucken uns fesselt, ohne dass wir uns stets genaue [89] Rechenschaft von dem Grund ablegen können, beruht sicherlich auf dem Umstand, dass sich in der ersten Zeit Schriftgiesser, Buchdrucker, Verleger in einer Person vereinigten. Hierdurch entstand eine einheitliche Durchführung; man möchte fast sagen, es macht sich eine ausgeprägte Persönlichkeit in dem Werke geltend, so dass man schon beim Aufschlagen eines Buches sofort weiss, mit wem man zu thun hat, und sich wie zuhause fühlt.
Sind nun auch die technischen Verbesserungen grossartig, so ist die Arbeit des Typographen in ihrem Wesen dieselbe geblieben. Die Druckweise Gutenbergs ist nicht veraltet und weder durch die Lithographie, noch durch die Photographie, noch durch irgend ein anderes Verfahren der Neuzeit in Schatten gesetzt; ihr gehört immer noch die Führung der graphischen Künste, und sie wird ihr wohl auch für die Zukunft bleiben.
In engster Verbindung mit der Buchdruckerkunst stand die BUCHBINDERKUNST[7], und es konnte von einer solchen eigentlich erst nach der Entstehung des gedruckten Buches die Rede sein. Die ältesten handschriftlichen Denkmale sind nicht in Bogen-, sondern in Rollenform, indem man ein Blatt an das andere der Länge nach klebte und das Papier nur einseitig beschrieb, sie konnten also auch nicht gebunden werden, sondern mussten als Rolle (volumen) behandelt werden. Nach der Erfindung des Pergaments trat ein anderes Verfahren ein, man faltete die Pergamentblätter, beschrieb sie auf beiden Seiten und bildete Lagen, gewöhnlich aus vier Doppelblättern bestehend. Diese wurden auf schmale Streifen Pergament geheftet und mit einem Stück Pergament umgeben, von welchem das obere Blatt öfters breiter geschnitten war, als die anderen Blätter, so dass es wie die Klappe einer Brieftasche die eingelegten Blätter schützte.
Von eigentlichen festen Einbänden gaben die römischen Diptychen, d. h. zwei mit Wachs überzogene, an der einen Langenseite verbundene Holztafeln, die ersten Proben. Waren in dieser [90] Weise, statt zwei, drei oder mehr Platten verbunden, so hatte man Triptychen oder Polyptychen. Die Deckelseiten wurden öfters mit Schnitzwerk, Bildnissen von Konsuln oder Kaisern, in der christlichen Zeit von Heiligen geschmückt, wobei es mitunter einem Kaiser passierte zu einem Heiligen zu avancieren. Für die schweren Ritualbücher auf Pergament wurden ähnliche feste Einbände beibehalten, und die Deckel in Holz oder Elfenbein künstlich geschnitzt oder in durchbrochenem Metall gearbeitet, oft unter Ausschmückung mit Perlen und Edelsteinen. Auch Sammet- und Seidenüberzüge mit reichen Goldstickereien kamen zur Anwendung. Während des xi. Jahrhunderts machte sich der deutsche Kunstfleiss und Geschmack, namentlich am Niederrhein, geltend. Es entstanden eine grosse Anzahl Arbeiten in Metall mit farbenprächtigem Schmelz überzogen, eine Technik, die im xii. Jahrh. besonders in Limoges in Frankreich zur Geltung kam.
Solche wertvolle Bände sind in ziemlich grosser Zahl erhalten. Die Werkstätten befanden sich in den Klöstern; die Verfertiger waren Mönche oder Laienbrüder und arbeiteten mit den Abschreibern und Illuminatoren Hand in Hand.
Durch die Kreuzzüge lernte man die kunstreiche Lederbearbeitung des Orients kennen. Das Gerben der Tierfelle ward schon in alter Zeit von den Chinesen und Ägyptern in hoher Vollendung geübt. Durch die Araber wurde diese Technik nach Spanien und Sicilien gebracht. Der Corduan, der Saffian, das Chagrinleder und die Juchten gaben ein vortreffliches Material für Bucheinbände ab.
Der Corduan (so nach der Stadt Cordova, von den Franzosen Maroquin, von den Engländern Morocco genannt) ist ein narbiges Ziegenleder, von dem sich der Saffian nur durch seine Glätte unterscheidet. Der Chagrin (persisch Sagre) ist wie mit runden Körnchen übersät, was durch Hineintreten von Samenkörnern hervorgebracht wird. Juchten ist meist Rinds- oder Pferdeleder, welches mit Laugen, Beizen und Farbstoffen behandelt und durch Birkenöl geschmeidig gemacht wird.
Durch Verzierungen wurden die Lederflächen belebt, in der ältesten Zeit sind diese gewöhnlich in das Leder eingeschnitten und die vertieften Stellen mit Farbe ausgemalt. Der Grund wird öfters punktiert oder mit kleinen eingetriebenen Verzierungen in Kreisform [91] ausgefüllt. Das feuchte Leder wurde auch mit dem Modellier-Eisen plastisch bearbeitet und reiche Figurenbilder hergestellt. Manchmal kam die Schrotmanier zur Anwendung. Von den mit Stanzen und Rollen eingepressten Ornamenten wurde ein sehr freigebiger Gebrauch gemacht. Die Ecken waren gewöhnlich mit, meist durchbrochenen, Metallbeschlägen versehen. Spangen (Klausuren, Schleissen), teils von Leder, teils von Metall, hielten die Deckel zusammen. Die grossen Folianten waren ungemein schwer, ruhten gewöhnlich auf Schrägpulten und waren oft in den Bibliotheken an Ketten gelegt.
Den Übergang zur Renaissancezeit bilden die Arbeiten, welche der ungarische König Matthias Corvinus in seiner ausgezeichneten Bibliothek zu Ofen gesammelt hatte. Sämtliche Bücher dieser Bibliothek, für welche jährlich 33000 Dukaten verwendet wurden, wurden in Sammet oder Leder gebunden, mit goldenen oder silbernen Spangen und mit dem Wappen des Königs geschmückt. Dreissig Schreiber und Maler, darunter bedeutende Künstler, waren regelmässig für die Bibliothek beschäftigt.
DIE LITTERARISCHE PRODUKTION[8]. Es ist nicht die Aufgabe eines Handbuches der Geschichte der Buchdruckerkunst, die Werke alle aufzuzählen, welche den Pressen ihr Dasein verdanken, [92] noch weniger eine Kritik zu üben, aber es dürfte doch geboten sein, in aller Kürze zu überblicken, in welcher Weise die Presse und der Buchhandel sich bei der Verbreitung der Erzeugnisse des Geistes in der ersten Zeit — der Periode der Wiegendrucke (Inkunabeln) — beteiligten[9].
Musste auch die Presse in ihren Anfängen vielfach der mystischen Schwärmerei, der pedantischen Scholastik und spitzfindigen Dialektik sowie dem Aberglauben und der Charlatanerie dienen, so dauerte es doch nicht lange, bis ihr segensreicher Einfluss sich auf das ganze wissenschaftliche und Kulturleben geltend machte. In allen Fächern entbrannte ein Wettkampf der Gelehrten und Kunstverständigen, um durch die Presse ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Entdeckungen weiter zu verbreiten, Irrtümer aufzuklären und die Fesseln des Wahnes zu sprengen.
Als die segensreichste Wirkung der Erfindung der Buchdruckerkunst ist die rasche Durchführung der Reformation zu bezeichnen. Die Presse bemächtigte sich sofort der heiligen Schriften, und wie schon oben berichtet wurde waren nicht weniger als drei Ausgaben der lateinischen Bibel die Hauptwerke des Erfinders und seiner Geschäfts-Nachfolger. Zu diesen kamen die weiteren Bibel-Ausgaben des Mentelin und des Eggesteyn in Strassburg, des Günther Zainer und des Ant. Sorg in Augsburg, des Bernh. Richel in Basel, des Ulrich Zell und des Nik. Götz in Köln, des Sweynheim und Pannartz in Rom, des Sensenschmid und der Koberger in Nürnberg. In Paris erschien die Bibel 1476, in Venedig 1475, in Neapel 1476; deutsche Bibeln wurden verbreitet in Strassburg 1466, in Augsburg 1469, in Nürnberg 1471; Ausgaben in französischer, italienischer, spanischer und holländischer Sprache gab es in den siebenziger Jahren; plattdeutsche in Köln 1480, in Lübeck 1494; englische, dänische, schwedische und polnische Bibeln folgten zu Anfang des xvi. Jahrhunderts. Wie es die lateinisch gedruckte Bibel war, welche Luther das Licht anzündete, so war es wieder die deutsch gedruckte Bibel in Luthers unübertroffener Übersetzung, die im Verein mit seinen eigenen Schriften und denen [93] Philipp Melanchthons, Ullrich Zwinglis, Joh. Calvins, John Knox' und anderer Reformatoren, unter das Volk ein helles, nicht mehr zu verlöschendes Licht verbreiten.
Neben der Bibel wurden namentlich die Kirchenväter in korrekten und schönen Ausgaben gedruckt, als: Lactantius, Augustinus, Eusebius, Nemesius, Clemens von Alexandrien u. a. War der Nutzen dieser und ähnlicher Werke für die Wissenschaft auch kein durchweg unzweifelhafter, so wurde durch sie doch manche nützliche Kenntnis verbreitet. Selbst die Häupter der Scholastik Thomas von Aquino, Michael Scotus, Albertus Magnus blieben nicht ohne fruchtbringende Anregungen, nicht zu vergessen Roger Baco.
Gross waren die Fortschritte auf dem Gebiete der klassischen Litteratur und der Philologie. Italien, dessen Boden am besten vorgeebnet war, ging voran; es folgten in ruhmwürdiger Weise namentlich Frankreich und die Niederlande. Zuerst kamen die römischen Klassiker an die Reihe, dann die griechischen in lateinischer Übersetzung, schliesslich die Ausgaben in der griechischen Ursprache. Die ersten Förderungsmittel der Linguistik waren die Donate, denen dann viele andere Grammatiken folgten.
Die Zahl der Klassiker-Ausgaben und der Kommentare war eine bedeutende. Den Anfang machte Cicero de officiis (1465 bei Fust und Schöffer); bis zum Jahre 1500 erschienen verschiedene Werke Ciceros zusammen in über 100 Ausgaben. Den Vorrang in dem Klassikerdruck behauptete Venedig, dann folgten Rom, Florenz, Mailand, Neapel, Bologna, Paris, Köln, Augsburg, Nürnberg, Ulm. Die römischen Dichter erschienen fast alle in den ersten 25 Jahren der Kunst, die griechischen in den letzten Dezennien des xv. und in den ersten des xvi. Jahrhunderts. Der Lieblingsdichter war Virgil (1469 bei Sweynheim), von welchem im Jahre 1500 schon siebenzig Ausgaben existierten.
Unter den Philosophen und Naturforschern stand Aristoteles begreiflicherweise obenan. Seine Werke erschienen, jedoch sehr entstellt, in lateinischer Übersetzung nach syrischen oder arabischen Bearbeitungen; eine vollständige lateinische Ausgabe nach dem Originale erblickte erst 1473 das Licht durch Andreas de Asola in Venedig; die erste Original-Ausgabe brachte Aldus Manutius (1495-1498) in 5 Bänden; Plato fand erst später Anerkennung.
[94] Auch die Historiker, Geographen und Mathematiker der Alten wurden verbreitet. Bemerkenswert sind namentlich die Ausgaben des Ptolomäus mit 27 grossen in Kupfer gestochenen Karten von Arnold Buckink e Germania und des Euklid in der prachtvollen Ausstattung durch Ratdolt (1482).
Dass die Typographie sich auch der neuen Erd- und Reisebeschreibung zuwendete, war schon durch die einflussreichen Ereignisse der Kreuzzüge und der grossen Entdeckungen gegeben. Die Kreuzzüge hatten nicht nur die Streiter für die Kirche massenhaft in Bewegung gesetzt, sondern auch manche friedliche und wissbegierige Reiselustige, Minstrels und auch Abenteurer aller Art wurden nach dem Orient gelockt. Dadurch entstanden nicht nur jene romantischen Legenden von dem heiligen Lande, von den Heldenthaten und Abenteuern der Ritter, sondern auch Beschreibungen von Reisen und Erlebnissen auf letzteren. Öfters gingen auch Gesandtschaften an die Herrscher Asiens. Berühmt geworden vor allen Reisenden in Asien ist der Venetianer Marco Polo. Eine italienische Ausgabe seiner Reisen ist erst aus dem Jahre 1496 bekannt; ob eine frühere existierte, weiss man nicht, eine deutsche, nach einer lateinischen Ausgabe veranstaltete Übertragung war schon 1477 vorhanden. Die Reise Bernh. Breydenbachs fand grossen Anklang.
Eine noch grössere Bedeutung für die geographische Litteratur als die Kreuzzüge hatten die grossen Entdeckungen von Christoph Columbus, Amerigo Vespuzzi, Fernando Cortez in Amerika, sowie von Vasco de Gama, Albuquerque in Afrika und Indien. Berichte über diese Entdeckungen lieferten teils die Entdecker selbst, teils Andere. Bedeutend für die Kosmographie und die Kartographie war Martin Behaim aus Nürnberg (1436-1507).
Weniger anziehend waren die Erscheinungen auf dem Gebiete der Geschichte. Die Annalen und Chroniken waren meist trockene kritiklose Aufzählungen von Daten, oder mehr oder weniger dichterisch ausgeschmückte Erzählungen von den Heldenthaten der Ritter. Durch ihre reiche Illustrierung epochemachend war die Schedelsche Chronik.
Unter den Werken der Jurisprudenz waren namentlich die Institutiones juris Justiniani, zuerst von Schöffer 1468 gedruckt, welche in zahlreichen Ausgaben verbreitet wurden.
[95] Die Werke auf dem Gebiete der gesamten Naturwissenschaften und der Heilkunde blieben zumeist ohne grossen Wert. Den Anfang machte auch hier der Druck der Schriften der alten römischen, griechischen und arabischen Ärzte, namentlich des sogenannten Fürsten der Ärzte, Avicenna, von dessen Schriften bereits vor 1500 mehr als 25 Ausgaben im Druck erschienen waren. Bedeutende wissenschaftliche Ausbeute geben sie nicht. Leerer Dogmatismus, Alchemismus und Astrologismus hemmten die freie Forschung. Die grossen geographischen Entdeckungen sollten jedoch auch nicht ohne wohlthätigen Einfluss auf die Naturwissenschaft und ihre Litteratur bleiben, man lernte neue Pflanzen, neue Heilmittel und leider auch neue Krankheiten kennen. Es entstanden hierdurch die zahlreichen mit Illustrationen geschmückten Kräuterbücher und Gärten der Gesundheit.
Italien hatte, wie oben schon erwähnt wurde, noch vor der Erfindung der Buchdruckerkunst seine grossen Dichter: Dante Alighieri, Boccaccio und Petrarca hervorgebracht. Dantes Divina commedia wurde zum erstenmale 1472 in Foligno gedruckt; seine gesammelten Gedichte 1500. Boccaccios Decamerone erschien schon 1470 und dann in sehr vielen Ausgaben, unter welchen die berühmte Valdarfersche (1471). Die erste Gesamtausgabe des Boccaccio datiert aus dem Jahre 1490. Petrarcas Sonetti e trionfi wurden 1471 durch den Druck veröffentlicht.
An die Meisterwerke der Poesie Italiens reichen die dichterischen Erzeugnisse der anderen Länder nicht heran. Mit wenigen Ausnahmen bewegen sich diese in der breiten, epischen Romantik des Rittertums, in den Heldenliedern, in den lyrisch-elegischen Gesängen der Troubadours und Minnesänger, in den, teils scherzhaften, teils ernsten Volksliedern oder in langweiligen didaktischen Gedichten. Unter den humoristischen und satirischen Schriften macht namentlich Sebastian Brants Narrenschiff mit seinen Illustrationen Epoche.
Der BUCHHANDEL. Mit den steigenden Bedürfnissen der Lesewelt und der Verbreitung der Pressen selbst nach kleineren Städten musste die Vereinigung des Schriftgiessers, Buchdruckers, Verlegers und Händlers in einer Person von selbst fallen und die einzelnen Geschäftszweige lösten sich nach und nach vom Stamme ab. Zuerst musste der Buchdrucker-Verleger bei der Schwierigkeit [96] des Betriebs Persönlichkeiten suchen, die seine Fabrikate an das Publikum verhandelten. So nahmen schon Peter Schöffer den Conrad Henliff; Joh. Mentel den Adolf Rusch als Bevollmächtigte und Teilnehmer an, welche weite Reisen machten, um die Bücher an den Mann zu bringen, wozu sie sich auch der Kaufleute bedienten, die Bücher zugleich mit anderen Waren führten. Neben dem kaufmännisch organisierten Vertrieb fand auch das Kolportieren, das Webern, statt. Schon im xv. Jahrhundert fanden sich bedeutende Buchhändler. Niederlagen wurden an den Knotenpunkten des Verkehrs errichtet, und gegen Ende des Jahrhunderts war der Buchhandel in Venedig, Lyon, Frankfurt am Main schon von grosser Bedeutung. Auch Köln war, wenn als Verlagsplatz auch unter dem drückenden Einfluss der geistlichen Bevormundung stehend, ein wichtiger Ort namentlich für die Vermittelung des Absatzes nach den reichen Niederlanden, wo die Buchhändler der angesehenen St. Lucas-Gilde angehörten, und nach England, wo indes der Buchhandel sich nur langsam entwickelte, da es keine Bücher in Tausch anzubieten hatte. Um bedeutende Werke erscheinen lassen zu können, wurde öfters zur Association unter Buchdruckern und Buchhändlern geschritten. Man teilte dann gewöhnlich die Auflagen.
Als die Bedeutung der neuen Kunst den geistlichen und weltlichen Behörden klar geworden war, fand sich, als unwillkommener Gast, baldigst die Zensur ein, schon in den sechziger Jahren in Köln, später in Mainz. Die Formel in Köln lautete: admissum ac approbatum ab alma universitate Coloniensi. Ob jedoch vom Beginn ab die Einholung der Approbation ein Zwang war, oder ob diese mehr als eine Empfehlung nachgesucht wurde, ist nicht ganz klar. Gegen das Ende des xv. Jahrh. findet man jedoch in allen deutschen Erzdiözesen eine wirkliche geistliche Zensur eingeführt.
WIR haben in dem vorstehenden gesehen, wie überraschend schnell die Verbreitung der Buchdruckerkunst durch alle Länder Europas sich vollzog, auch die Verhältnisse und Gründe kennen gelernt, welche zu diesen ausserordentlichen Erfolgen beitrugen. Wir treten jetzt an die zweite, die schönste, Periode der Typographie heran, in welcher sie ihren Weltgang vollendete und in Europa zur hohen Blüte gelangte.
Gelehrte von Ansehen wenden sich, teils direkt als praktische Ausüber, teils indirekt als fördernde Herausgeber, Redaktoren und Korrektoren, der Buchdruckerei zu, als dem vollendetsten Mittel, Aufklärung überallhin zu verbreiten. Sie schaffen durch dieselbe zahlreiche Ausgaben der Klassiker und andere Werke, deren äussere Ausstattung mit dem inneren Wert harmoniert. Eine Anzahl von Familien, die man als den Adel der Buchdrucker bezeichnen kann, erwirbt durch treffliche Arbeiten Ruhm und bewahrt diesen durch lange Reihen von Jahren. Gebildete Herrscher, in Deutschland voran der Kaiser Maximilian i. und die sächsischen Fürsten, in Frankreich Franz i. und fast alle seine Nachfolger, verschmähen es nicht der Typographie und den mit ihr verwandten Gewerben ihre persönliche Aufmerksamkeit zu schenken.
[100] Die Buchdruckerkunst ist in den Dienst der Wissenschaft getreten, sie ist ihr aber mehr eine sorgsame Genossin denn eine rastlos für alles schaffende Magd.
Die schönsten Früchte der ersten Hälfte des xvi. Jahrhunderts reifen jedoch erst durch die enge Vereinigung der Xylographie mit der Typographie. Bedeutende Künstler, die zum Teil nur durch die Holzschnitte ihren Ruf haben, welche, wenn nicht von ihnen selbst, so doch unter ihrer Leitung ausgeführt wurden, widmen sich mit Vorliebe der Illustration. So entstehen sowohl viele, heute noch mustergiltige ganze Werke, als zahllose Einzelblätter.
Diese Hinneigung zum Holzschnitt war nicht dem Zufall oder nur der Bequemlichkeit, für ihn zu zeichnen, zuzuschreiben, sondern sie lag in den Verhältnissen tiefer begründet. Es konnte nicht anders sein, als dass die Maler der Reformationszeit, welche Zeugen der Segnungen der Erfindung Gutenbergs waren, die populärste Kunst, die Xylographie, deren Erzeugnisse so leicht und so weit durch die Druckerpresse verbreitet werden konnten, freudig begrüssen und begierig eine Gelegenheit ergreifen würden, durch welche auch sie berufen waren, an dem grossen Werke der Reformation thätig mitzuwirken.
So wurde das Zeitalter der Reformation, wie die Gegenwart, zugleich ein Zeitalter der Illustration und die glückliche Verbindung von Bild und Wort hat denn auch gar viel zur schnellen Verbreitung der Bildung durch alle Schichten beigetragen. Die Geschichte der illustrierenden Künste, speziell der Xylographie, ist deshalb nicht von der Geschichte der Typographie dieser Periode zu trennen.
Bei den in der Gegenwart mächtig sich kundgebenden ernsten Bestrebungen, die zur Zeit der Renaissance bestandene innige Verbindung der Kunst mit dem Gewerbe wieder herzustellen, musste sich notwendigerweise auch die Aufmerksamkeit aller strebenden Jünger Gutenbergs den goldenen Tagen der Druckkunst zuwenden.
Ehrt man auch die vorangegangenen Anfänge der druckenden Künste als die ältesten ehrwürdigen Denkmale, verfolgt man auch mit lebhafter Teilnahme die allmählichen Fortschritte der Kunst bis zum Beginn des xvi. Jahrhunderts, so kann doch nur ein einseitiges Schwärmen für die Vergangenheit in diesen Leistungen — mit wenigen Ausnahmen — nachahmungswürdige Vorbilder erblicken.
[101] Anders verhält es sich jedoch mit den Werken derjenigen Periode, vor welcher wir jetzt stehen. Hier haben wir es nicht mehr mit nur historisch interessantem oder relativ gutem zu thun, sondern mit Erzeugnissen der besten Schriftschneider, Buchdrucker und Holzschneider und mit meisterlichen Schöpfungen noch heute nicht übertroffener Künstler. Die Werke der Renaissancezeit bilden einen Born, aus dem man immer und immer schöpfen kann, ohne dass ein Versiegen bemerkbar wäre.
Deshalb kann auch ein Zurückgreifen der Schriftschneider auf die besten Schriften des späteren Mittelalters oder ein Hervorholen der, lange Zeit in den Kunstsammlungen und Bibliotheken für das grosse Publikum begraben gewesenen Ornament- oder sonstigen Illustrations-Schätze nicht als ein Rückschritt zu etwas „veraltetem“ bezeichnet werden. Nach den Ausschreitungen über die Grenzen des Schönen, des Zweckmässigen und der wirklichen Fortschritte hinaus, an welche die neuere Zeit ebenso reich ist wie an wirklichen Verbesserungen, trat das Bedürfnis ein, die ruhigen, einfachen und doch kräftigen Formen der Glanzperiode wieder aufzusuchen, und was die Illustration betrifft, so kehren Künstler ersten Ranges mit Befriedigung zu der edlen einfachen Weise eines Dürer oder Holbein zurück.
Damit sei aber nicht behauptet, dass in dieser Richtung nicht das rechte Mass vielfach überschritten werde und dass nicht sklavische Nachahmungssucht auf Irrwege geführt habe, aber im grossen und ganzen bleibt es doch wahr, dass der denkende Schriftgiesser, der illustrierende Künstler und der Typograph in der Renaissancezeit die reichste Anregung und schönste Ermunterung für ein gedeihliches Schaffen auf ihren Gebieten suchen können und finden werden.
Darum bedarf es auch nicht der Entschuldigung, wenn wir bei dieser bevorzugten Zeit und den hervorragenden Persönlichkeiten derselben mit Vorliebe etwas länger verweilen; mussten doch gar zu bald fast in allen Ländern die Folgen der kirchlichen und politischen Spaltungen sich kund geben und der helle Glanz dem mehr oder weniger tiefen Dunkel des Verfalls weichen.
Leider sollte dieser Rückfall auf das empfindlichste das Heimatland der Erfindung treffen. Der Bauernkrieg, die langen inneren religiösen Kämpfe, vor allem der unselige dreissigjährige Krieg und die verwüstenden Züge der Franzosen schlugen der geistigen Entwickelung [102] Deutschlands und seinem nationalen Wohlstande tiefe Wunden, die nur langsam vernarben konnten. Erst zu Ende der vorliegenden Periode zeigten sich der aufgehende Stern des preussischen Staates und die Anfänge der neueren nationalen Litteratur als Vorboten des Fortschrittes auf dem Gebiete der politischen und geistigen Machtstellung Deutschlands.
Je höher der Gipfel war, den Kunst und Bildung in Italien erreicht hatten, um so tiefer war der Fall, der auch hier eintrat. Zu gleicher Zeit seufzte Spanien unter dem Joche der Jesuiten und den Greueln der, den physischen und geistigen Tod verbreitenden Inquisition.
Frankreich musste unter politischen und Religionskämpfen bluten, erreichte jedoch trotzdem in dieser Periode unter der glanzvollen Regierung Ludwigs xiv. sein höchstes äusseres Ansehen und seinen litterarischen Zenith. Infolgedessen sinkt die Typographie hier auch nicht so schnell und erst zu einer Zeit, wo wir bereits von einem beginnenden Wiederaufblühen in anderen Ländern, namentlich in England, zu berichten haben.
Hier war eine Regierungsumwälzung der anderen gefolgt und die Presse hatte in schweren Fesseln gelegen, bis gegen den Schluss der Periode die Freiheit für immer einen festen Boden gewann, auf dem dann auch die Buchdruckerkunst sich eben so mächtig wie schnell entfaltete.
Im skandinavischen Norden wüteten die verwandten Stämme gegen einander und Schweden verzehrte ausserdem seine Kräfte in dem dreissigjährigen Krieg und in den Kämpfen mit Russland. Die Türken überschwemmten Ungarn und Österreich. Schwere und weitverbreitete Seuchen glichen in ihren Folgen den Kriegen.
Somit war ein grosser Teil des zweiten und des dritten Jahrhunderts der Buchdruckerkunst eine, dieser sehr ungünstige Zeit, in der sie nothwendigerweise leiden musste, und erst das vierte Jahrhundert sollte sie zum neuen Glanz wieder erstehen sehen.
Werke, welche ein Gesamtbild dieser interessanten Periode der typographischen und xylographischen Thätigkeit geben, oder auch nur die Geschichte der einzelnen Hauptländer in ihrer Totalität schildern, besitzen wir nicht. Dagegen giebt es eine stattliche Reihe erschöpfender Schilderungen der Wirksamkeit hervorragender [103] Familien oder einzelner Persönlichkeiten, welche den Kern dieser Zeit bilden. Was die Meister der Typographie betrifft, so befindet sich das Ausland in einer besseren Lage als Deutschland, welches nicht einmal ein biographisch-kritisches Werk über die Familie Breitkopf aufzuweisen hat. Es sind namentlich die Franzosen, die sich durch solche Arbeiten Verdienste erworben haben.
Dahingegen bietet Deutschland vorzügliche Werke über seine grossen Künstler, die auch für die Illustration thätig gewesen sind. Solche Quellen des In- und Auslandes werden an den betreffenden Stellen angeführt, hier sei nur der bereits eingangs erwähnten allgemeinen Schilderungen Jackson, Chattos und Firmin Didots gedacht, sowie des, von Dr. Rob. Dohme herausgegebenen Kollektiv-Werkes: „Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit“. 5 Bde. (Leipzig 1875-1881), das kritische Würdigungen und biographische Skizzen fast aller der Kleinmeister, die für die Illustration so Bedeutendes geschaffen haben, enthält.
Einen grossen Vorteil bieten die Kunstverfahren der Neuzeit: Photographie, Lichtdruck, Photolithographie und Zink-Hochätzung, durch die Möglichkeit, mittels derselben eine Anzahl von Werken aus der Renaissancezeit, die auf Grund ihrer Seltenheit und ihrer hohen Preise nur einem kleinen Kreis zugänglich waren, in getreuen Nachbildungen allgemein zu verbreiten; denn Werke, die wie R. Weigels wertvolles „Holzschnitte berühmter Meister“ (Leipzig 1857), vorzügliche Nachbildungen in Xylographie bringen, sind nur bei grosser Opferwilligkeit des Verlegers möglich.
Unter den Kollektivwerken, welche durch die oben erwähnten Verfahren eine reiche Auswahl des für den Typographen zu Studium und Nacheiferung Geeigneten bringen, sind namentlich die von G. Hirth in München und Leipzig herausgegebenen: „Der Formenschatz der Renaissance 1500-1600“ und „Die Bücherornamentik der Renaissance“ erwähnenswert.
Die Schriften der deutschen Fachgenossen aus älterer Zeit geben in Bezug weder auf äussere noch innere Verhältnisse der Buchdruckereien eine nennenswerte Ausbeute. Zu erwähnen sind:
J. H. G. Ernesti, „Die wol-eingerichtete Buchdruckerey“, (Nürnberg 1721). Mit vielen deutschen, lateinischen und orientalischen Schriften.
[104] Chr. Fr. Gessner, „Die so nöthig als nützliche Buchdruckerkunst und Schriftgiesserey“. 4 Teile. (Leipzig 1740-1745). Ein reichhaltiges, fleissig zusammengetragenes Buch mit vielen Illustrationen technischer und geschichtlicher Natur.
Ch. G. Täubel, „Theoretisch praktisches Wörterbuch der Buchdruckerkunst und Schriftgiesserei“ (Wien 1805).
Höher stehen folgende Werke des Auslandes.
M. D. Fertel, La science pratique de l'imprimerie. Avec des fig. 2 Bde. (St. Omer 1723).
P. S. Fournier, Le Jeune, Manuel typographique. 2 Bände (Paris 1764). Das auf vier Bände berechnete Werk wurde durch den Tod des Verfassers unterbrochen.
Joseph Moxon, Mechanick Exercises; or the doctrine of Handy-works, applied to the art of printing (London 1677-1696). Das Buch ist sehr selten und Schreiber dieses nicht zurhand gewesen.
John Johnson, Typographia or the Printers Instructor. 2 Bde. (London 1824), und Thomas Curson Hansard, Typographia (London 1825), erschienen fast gleichzeitig und beide Verfasser waren tüchtige Typographen.
C. H. Timperley, Encyclopaedia of literary and typographical anecdote (London 1842) ist als eine vorsorglich gefüllte Vorratskammer zu betrachten. Die unzähligen Artikel sind nach den Jahreszahlen, aus allen Ländern untereinander, gereiht.
Ein sehr schätzbares Werk aus allerneuester Zeit ist:
E. C. Bigmore and C. W. H. Wyman, A Bibliography of printing with notes and illustrations. I. Band. A-L (London 1880). Das Buch enthält nicht nur eine reiche, wir möchten fast sagen überreiche, typographische Bibliographie aller Länder von der ältesten Zeit bis auf heute, sondern auch eine Menge von schätzbaren historischen Notizen und Illustrationen. Die Fortsetzung des Werkes erscheint vorerst in der von C. Wyman herausgegebenen vortrefflichen Fachzeitschrift: Printing times and Lithographer.
Die bereits in dem i. Buch erwähnten Spezialgeschichten einzelner Druckorte werden in dem ii. Buch nicht wiederholt.
DIE ILLUSTRIERENDE KUNST IN DEUTSCHLAND.
Die deutschen Malerschulen. Der Kupferstich und der Holzschnitt. Michel Wolgemut. Albrecht Dürer, seine Zeitgenossen und Nachfolger: Hans Burgkmair, Hans Schaeuffelein, die „Kleinmeister“. Hans Holbein d. j. Lucas Cranach d. ä. Die Schweizer und Elsasser Künstler. Über die „eigenhändigen“ Holzschnitte der Zeichner.
[105] UNTER wenig günstigen Verhältnissen hatte die Malerkunst in Deutschland sich gestaltet. Das rauhe Klima gestattete keine Entwickelung der Wandmalerei mit ihren grossen Verhältnissen und die alles beherrschende gothische Baukunst benutzte die zeichnenden Künste fast nur zum Zweck der Ornamentierung. Erst um die Mitte des xiv. Jahrhunderts entstanden eigentliche Malerschulen, die jedoch in ihrer ganzen Weise noch die Spuren der früheren Unterordnung der Malerkunst unter die Architektur tragen.
Unter diesen war die rheinische, nach dem Hauptorte KÖLN gewöhnlich die Kölnische Malerschule genannt, die bedeutendste. Sie zeichnete sich durch ideales Streben im Dienste der Kirche aus. Ihr eigentümlich waren demgemäss die schlanken, duftigen Gestalten mit heiligem Gesichtsausdruck in weichen Farben auf Goldgrund gemalt. Rundere, gedrungenere Formen entstanden erst beim Schärferwerden der fortschreitenden Naturbeobachtung und der Vervollkommnung der Technik. Wie früher die Menschen der [106] Künstler mehr Heilige waren, so wurden jetzt die Heiligen mehr gewöhnliche Menschen.
Im Osten war PRAG ein Hauptsitz der Kunst geworden, welche hier unter dem Einfluss des Kaiserhauses, besonders Karls iv., eine, zunächst die weltliche Macht verherrlichende Richtung nahm.
Wie Köln und Prag der geistlichen und staatlichen Gewalt huldigten, so entwickelte sich in Brügge, wie in Nürnberg, wo Handel und Verkehr blühten und ein mächtiges Bürgertum herrschte, die Kunst mehr in der realistischen und begrenzteren Richtung des Bürgertums. BRÜGGE wurde die Pflanzstätte der niederländischen Kunst, die ihre besondere Grösse im kleinsten Genre entwickelte und sich unter der Führung Huberts van Eyck durch eine, bis dahin unbekannte Naturtreue auszeichnete.
Unterstützt durch die Energie seiner Bürger und begünstigt durch seine, allerdings reizlose, Zentrallage war NÜRNBERG nicht allein ein Stapelplatz für die Produkte und Fabrikate Deutschlands geworden, sondern auch ein Knotenpunkt des Zwischenhandels des Nordens und des Westens mit dem Süden und dem Osten. Die Selbstregierung ruhte nach liberalen Grundsätzen in den Händen eines aufgeklärten und reichen Patriziertums, welches die Rechte der, in kleineren Verhältnissen Lebenden zu schonen verstand. Der rege Verkehr hatte den Gesichtskreis nicht allein in staatlichen und kirchlichen Verhältnissen erweitert, sondern auch den Sinn für Wissenschaft und Kunst verallgemeinert, und der Reichtum gab die Mittel, sie zu fördern.
Die Malerschule in Nürnberg nahm zwar unter solchen Umständen, wie in Brügge, einen bürgerlichen Charakter an, jedoch mit einer weit vornehmeren, gemütreicheren und religiöseren Richtung.
Unter Einwirkung der Buchdruckerkunst und der Reformation mussten die neuen Kunstverfahren des Kupferstechers und des Holzschneiders einen besonders günstigen Boden in Deutschland finden. Ohne Unterstützung des sinnebestrickenden Farbenreizes und ohne andere Effektmittel, als die mehr oder weniger geschwellten Linien und die weiteren oder engeren Strichlagen, war der Künstler gehalten, eine um so grössere Aufmerksamkeit der Idee, der Komposition und der korrekten Formengebung zuzuwenden. Bald erreichten diese Künste, indem sie sich den Bestrebungen der sich [107] neu gestaltenden Zeit dienstbar machten, trotz des räumlich kleinen Umfanges die Bedeutung einer monumentalen Kunst, die am fröhlichsten dort gedeihen musste, wo die erwähnten Bestrebungen sich am kräftigsten äusserten, demgemäss also auch in dem geistig-bewegten Nürnberg.
Der erste Formenschneider, der als solcher im Bürgerbuche genannt wird und zwar in den Jahren 1449-1492, ist Hans Formenschneider. Bei dem langen Zeitraum ist es anzunehmen, dass man es mit zwei Persönlichkeiten, vielleicht mit Vater und Sohn, zu thun hat. Auch andere werden genannt, von denen jedoch keine Arbeiten bekannt sind. Ein sehr unternehmender Mann war um diese Zeit Hans Sporer d. j. Seine Hauptwerke sind: „Der Endtkrist“ 2. Ausg. 1472; „Die Kunst zu sterben“ 1473; „Die Armenbibel“ 1475, in denen der Ausdruck der Figuren zum Teil noch etwas entschieden Fratzenhaftes und Gespenstisches hat. Auch Georg Glockendon d. ä. arbeitete schon um 1480 und schnitt u. a. eine „Marie“ mit fünf weiblichen Heiligen und eine „Himmelfahrt Christi“. Von Wolfgang Hamer hat man eine „Heilige Familie“[1].
Der eigentliche Begründer der Nürnberger so berühmten Holzschneiderschule und wahrscheinlich der Einführer des Kupferstiches in Nürnberg ist Michel Wolgemut (geboren 1434). Seine künstlerische Ausbildung erhielt er am Rhein. Nach Nürnberg zurückgekehrt, heiratete er die Witwe des Hans Pleydenwurf, eines achtbaren Künstlers. Einen seiner Stiefsöhne, Wilhelm Pleydenwurf, bildete er als Künstler aus und errichtete, namentlich um die Ansprüche Kobergers für seine grossen Unternehmungen befriedigen zu können, mit ihm zusammen ein Holzschneide-Atelier. Dasselbe nahm eine grosse Ausdehnung an und es entstanden in sehr kurzer Zeit die bereits früher erwähnten Werke: „Der Schatzbehalter“ und Schedels „Buch der Chroniken“[2]. Pleydenwurf starb bereits kurz nach Vollendung derselben (1495); Wolgemut, der auch eine bedeutende Thätigkeit als Kupferstecher entwickelte, am 30. Nov. 1519. Abgesehen von seinen eigenen künstlerischen Verdiensten behält Wolgemut eine grosse Bedeutung als Lehrer Albrecht Dürers, der stets mit grosser Hochachtung von ihm sprach.
[108] Albrecht Dürer[3], mit dem der Holzschnitt einen hohen Standpunkt erreichte, war am 21. Mai 1471 als dritter Sohn des gleichnamigen Vaters in Nürnberg geboren. Dürer d. ä. war als Goldschmiedegesell 1455 nach Nürnberg gekommen, wo sein Meister Hieronymus Holper ihm seine Tochter zur Frau gab, die ihm achtzehn Kinder gebar. Albrecht wurde von seinem Vater in dem Goldschmiedehandwerk unterwiesen, jedoch auf seinen dringenden Wunsch, Künstler zu werden, mit seinem fünfzehnten Jahre bei Michel Wolgemut in die Lehre gebracht, und er nahm somit vielleicht schon an den Unternehmungen Kobergers thätigen Anteil.
Von seinen Lehrjahren und Wanderungen ist wenig bekannt. Zu Pfingsten 1494 kehrte er von letzteren nach Nürnberg zurück mit den äusseren Vorzügen des Körpers sowohl als mit den inneren des Charakters und der Tüchtigkeit ausgestattet. Er heiratete Jungfrau Agnes Frey, die hübsch und nicht unbemittelt war. Es ist behauptet worden, dass die Ehe nicht glücklich gewesen, doch liegen keine Beweise dafür vor, wenn es auch den Anschein hat, als sei die Agnes mehr eine tüchtige Hausfrau, als eine mit der Künstlernatur Dürers sympathisch gestimmte Seele gewesen. Er bezog ein Haus am oberen Ende der Zisselgasse, welches er gekauft hatte, um dort sein Atelier einzurichten. Das Haus, innerlich und äusserlich leidlich unverändert erhalten, ist in den Besitz des Dürer-Vereins übergegangen.
Dürer, der noch nicht seinen Weltruf hatte, musste des Verdienstes wegen manche Arbeiten übernehmen, an denen er sich sonst kaum versucht haben würde. Aber schon frühzeitig beschäftigte er sich mit einem Gegenstande, woran er seine ganze Kraft bethätigen und sich selbst genügen wollte. Im Jahre 1498 erschien sein Bildercyklus von 15 xylographischen Darstellungen in Folio zur „Offenbarung St. Johannis“. Der Text ist zweispaltig auf die Rückseite der Bilder gedruckt, jedoch nicht immer so, dass Text und Bild korrespondieren. Das Werk erschien sowohl in einer deutschen als in einer lateinischen Ausgabe und in mehreren Auflagen. Komplette Exemplare sind selten. Hiermit war der, bis dahin bekannte Kreis der Leistungen weit überschritten und die Thätigkeit des Geistes [109] zeigte sich selbst der aussergewöhnlichen Fertigkeit der Hand so weit überlegen, dass die Ausübung der Kunst nicht mehr als Handwerk gelten konnte.
Dürers bahnbrechende Richtung für den Holzschnitt lag in seiner Manier für diesen zu zeichnen. Bis dahin bestand der Holzschnitt hauptsächlich nur in derben Umrissen auf das Kolorieren berechnet. Zwar hatte Wolgemut eine künstlerische Richtung mit Glück eingeschlagen, aber erst Dürer erreichte die Vollendung. Durch Abwechselung von Licht und Schatten erzielte er eine grössere malerische Wirkung, als durch Kolorit möglich war. Dazu gehörten jedoch Formenschneider, die auf seine Intentionen eingingen. Solche konnte aber Dürer ausbilden, denn niemand verstand es besser, als er, seinen künstlerischen Willen fest und bestimmt mit der Feder anzugeben. Es blieb für den Formenschneider nichts anderes übrig, als Strich für Strich der Zeichnung zu folgen. Dürer wusste ganz genau, was er der Technik des Holzschneiders zumuten konnte. Es war dies zwar weitergehenderes als sonst üblich, jedoch nicht mehr, als was mit dem einfachen Material geleistet werden konnte. Wie sicher er dies zu berechnen wusste, zeigt am besten der Vergleich seiner Holzschnitt-Technik mit seiner Kupferstich-Technik, für die keine solche hemmenden Schranken existierten.
Aus den ersten Jahren des xvi. Jahrh. stammen eine grosse Zahl von Zeichnungen, Stichen und Holzschnitten von seiner Hand. Sein überströmender Geist legte in seinen Zeichnungen zum Teil die Gedanken nieder, die er später zu abgeschlossenen Werken ausarbeitete.
Nach zehnjähriger und aufreibender Arbeit machte er eine Reise nach Italien. Aus den mitgenommenen kleinen Kunstwerken und den Vorräten seiner Stiche und Drucke hoffte er Vorteile zu erzielen, die indes nicht so reichlich ausfielen, wie die Ehrenbezeigungen, die ihm erwiesen wurden. Bei seiner Rückkehr malte er eine grosse Altartafel für den Kaufherrn Jakob Heller in Frankfurt, welche allgemeine Bewunderung erregte, aber doch so wenig lohnte, dass Dürer wieder zur Feder und zum Stichel griff. Zu den bedeutendsten seiner Leistungen gehören die drei „Passionen“ und das „Leben der Maria“ in Holzschnitt und Kupferstich. Sie haben [110] durch Jahrhunderte ihren unvergänglichen Wert behauptet und sind wieder und wieder nachgebildet, nachdem die Originale nicht mehr für den Bedarf ausreichten.
Eine der Passionen in Folio und eine in Oktav sind in Holzschnitt ausgeführt, die dritte, auch in Oktav, ist in Kupfer gestochen. Die beiden ersteren erschienen 1511 in Buchform. Die „grosse Passion“ ist 12 Blätter stark mit ebenso vielen Darstellungen; die „kleine Passion“ 38 Blätter mit 37 Darstellungen, beide mit lateinischen Versen von Chelodonius, einem Benediktinermönch und Freund Dürers. Die dritte „Passion“ in Kupferstich von 16 Blättern ward erst 1513 vollendet; sie ist ohne Text und scheint nie in Buchform ausgegeben worden zu sein. Die, ihrem Stoff nach umfangreichste „kleine Passion“ fängt mit dem Sündenfall an und endigt mit dem jüngsten Gericht; die Bezeichnung Passion ist demnach nicht ganz korrekt.
In keinem Werke aber prägt sich der eigentümliche Geist Dürers und überhaupt der deutschen Kunst voller und klarer aus, als in der Reihe von zwanzig, „Unser Frauen Leben“ behandelnden Holzschnitten. Auch was die Ausführung betrifft, gehört dieser Cyklus zu dem vorzüglichsten, was die Holzschneidekunst je geliefert hat.
Neben diesen Hauptwerken schenkte uns Dürer in diesem Zeitpunkt seines reichen Schaffens eine grosse Anzahl von Einzelblättern, die den genannten an Originalität der Erfindung und in der Ausführung nicht nachstehen. Daneben musste er auch Zeit und Lust finden, Blätter für Kinder und zum Schmücken von Schachteln; Zeichnungen von Wappen der Patrizier zum Einkleben in ihre Bücher; Nachbildungen naturhistorischer Gegenstände, u. dgl. m. zu liefern.
Eine besondere Klasse von Arbeiten, die zu den, für den Typographen interessantesten gehören, sind die Werke, die er für den Kaiser Maximilian ausführte, der zwar ein poetisches Gemüt und einen regen Sinn für die schönen Künste besass, diese jedoch hauptsächlich nur durch deren Ausbeutung zu seiner persönlichen Verherrlichung bethätigte.
Der Kaiser hatte den Gedanken gefasst, die ganze Glanzfülle seiner ruhmreichen Abstammung, seine weite Herrschaft, Leben [111] und Thaten durch eine „Ehrenpforte“, einen „Triumphzug“ nebst einem „Triumphwagen“ darstellen zu lassen. Den hauptsächlichsten Teil der Arbeit wollte er Dürer übertragen, aber auch andere Künstler sollten bei den Werken beschäftigt sein. Unter diesen ragte besonders Hans Burgkmair, geboren zu Augsburg 1473, gestorben ebendaselbst 1529, hervor, der, durch seinen Aufenthalt in Venedig von der dortigen Kunst beeinflusst, einer der Hauptvertreter der Renaissance in Deutschland wurde. Berühmt ist er hauptsächlich durch seine Holzzeichnungen zu den erwähnten und anderen durch Maximilian i. hervorgerufenen Werken. Er lieferte 30 Platten zur Ehrenpforte, 66 zu dem Triumphzug. Von ihm stammen grösstenteils die 245 Zeichnungen zu dem „Weisskunig“, auch eine Verherrlichung des Kaisers, des weiteren arbeitete er mit an den 124 Blatt: „Heilige des österreichischen Kaiserhauses“. Berühmt ist auch sein „Turnierbuch“ mit 52 Illustrationen.
Den Auftrag zur „Ehrenpforte“ erhielt Dürer mutmasslich schon im J. 1512. Der gelehrte Johannes Stabius war mit der litterarischen Leitung und der Abfassung der vielen Inschriften betraut. Dürer ergriff die Sache mit grossem Eifer und vollendete seine Arbeit schon 1515, obwohl die Aussichten auf die entsprechende Entschädigung nicht gross waren, da der Rat von Nürnberg das Ansinnen des Kaisers, der nicht gern aus eigener Tasche zahlte, „Dürer Steuerfreiheit zu gewähren“, ablehnte oder vielmehr Dürer veranlasste, selbst den Antrag zurückzunehmen. Ebenso weigerte sich der Rat, ein, vom Kaiser auf Grund verschiedener Arbeiten Dürer zugestandenes Jahresgehalt von 100 Gulden zugunsten des Künstlers von den an Maximilian zu zahlenden Abgaben in Abzug zu bringen.
Die „Ehrenpforte“ ist das grossartigste, was jemals in Holzschnitt geschaffen worden ist. Sie besteht aus 92 Holzstöcken, die zusammengestellt eine Ausdehnung von nahe an 3 Meter 50 ctm. Höhe und 3 Meter Breite einnehmen. Mit einer Sicherheit ohne gleichen zeichnete Dürer die Blätter mit Feder und Pinsel. Mit gleicher Genauigkeit schnitt sie Hieronymus Andreä. Das Werk ist nicht ein Triumphbogen im antiken Stil, sondern ein hoher giebelgekrönter Renaissancebau, durch runde Türme flankiert und mit drei Thoren versehen. Der Reichtum an historischen Darstellungen, [112] Allegorien, Portraitfiguren und ornamentalem Schmuck ist geradezu überwältigend.
Der „Triumphzug“ bildet in seiner Entfaltung ein Tableau von 54 Metern Länge bei 37 ctm. Höhe und besteht aus 135 Stöcken, war jedoch auf eine noch grössere Zahl berechnet. Von den Stöcken lieferte Burgkmair 66, Dürer zeichnete 24 Blatt. Dieses grossartige xylographische Werk bietet, abgesehen von dem Kunstgenuss, einen höchst interessanten Stoff für das Studium der Kostüme, Waffen, Geräte und Sitten damaliger Zeit. Das eingehende Programm verfasste des Kaisers Sekretär Marx Treytz-Saurwein.
Der „Triumphwagen“, sozusagen der Mittel- und Schwerpunkt der gesamten Unternehmungen, ist ein Werk Dürers. Die Zeichnungen entstanden 1514-1515, die Holzschnitte waren 1522 fertig. Der Rat Pirckheimer hatte die Idee ausgearbeitet, die sich lediglich auf schale Lobrednerei gründet. Der Kaiser fährt auf einem von 12 Pferden gezogenen Triumphwagen, umgeben von allegorischen Figuren, die alle seine Tugenden repräsentieren. Die aus 8 Holzstöcken bestehende Komposition hat eine Länge von 2 Meter 32 ctm. bei einer Höhe von 47 ctm.
Als Kaiser Maximilian am 12. Jan. 1519 starb, gerieten seine Kunstunternehmungen ins Stocken. Dass der Kaiser nicht gern zahlte, wurde schon erwähnt. Dürer und Andere hatten ihr Honorar noch nicht erhalten. Um sich bezahlt zu machen, gab Dürer den „Triumphwagen“ auf seine Rechnung heraus. Die erste Ausgabe erschien 1522 mit deutschem, die zweite 1523 mit lateinischem Text; nachgedruckt wurde das Werk in Venedig 1589. Auch von dem „Triumphzug“ verkaufte man einzelne Blätter. König Ferdinand, dem daran lag, dass das Werk des Kaisers nicht in Privathände zersplittert würde, erwarb durch Vermittelung des Rates zu Nürnberg die noch unbezahlten Stöcke, die nach Wien kamen. Im Jahre 1759 machte man den Versuch, das ganze Werk herauszugeben. 1799 wurde eine neue Ausgabe veranstaltet und die noch fehlenden Stöcke durch Radierungen ersetzt.
Zu seinem eigenen Gebrauch hatte Maximilian ein Gebetbuch zusammenstellen lassen, das er von Joh. Schönsperger in Augsburg in kostbarem Pergamentdruck ausführen liess. Die Initialen [113] wurden nach einem, dem Congrevedruck ähnlichen Verfahren mehrfarbig eingedruckt. Man kennt bloss drei Exemplare dieses Werkes, eins in der k. k. Bibliothek zu Wien, das andere in der Münchner Bibliothek, das dritte in dem British Museum. Zu 45 Blättern zeichnete Dürer mit farbiger Tinte Einfassungen, die einen wahren Schatz von Ornamenten und Allegorien, Ernst und Scherz, Profanem und Heiligem in bunter Reihe enthalten. Dürer scheint die Absicht gehabt zu haben, sie durch seine Schüler fortsetzen zu lassen. Es existieren auch acht Blatt von anderer Hand gezeichnet, die fälschlich Lucas Cranach zugeschrieben wurden; eher dürften sie Hans Springinklee gehören[4].
Im Jahre 1520 unternahm Dürer in Gesellschaft seiner Frau eine Reise an den Rhein und nach den Niederlanden, auf welcher er dort mit grossen Ehren empfangen wurde und mit vielen berühmten Persönlichkeiten in Berührung kam. Sein Hauptzweck war, den Kaiser Karl v., dessen Einzug in Antwerpen und Krönung in Aachen er beiwohnte, zur Zahlung der, ihm vom Kaiser Maximilian ausgesetzten Rente zu veranlassen, was ihm auch, nach verschiedenen vergeblichen Bemühungen an den Kaiser hinanzukommen, schliesslich in Köln gelang.
Eine Hauptthätigkeit Dürers in den letzten Jahren seines Lebens war die Ausarbeitung und Herausgabe seiner litterarischen Arbeiten, für welche er sich durch sein ganzes Leben vorbereitet hatte. Sein erstes Werk erschien 1525 unter dem Titel: „Underweysung der Messung, mit dem Zirkel und Richtscheyte, in Linien ebnen wnd gantzen Corporen“. Für Buchdrucker hat das Werk ein besonderes Interesse, weil es die Verhältnisse der Buchstaben zum erstenmal in Deutschland nach geometrischen Grundsätzen feststellt. Es erlebte mehrere Auflagen, sowie eine Übersetzung in das Lateinische von Joh. Camerarius. Sein zweites Werk ist eine „Befestigungslehre“; sein Hauptwerk (1525) führt den Titel: „Hierine sind begriffen vier Bücher von mennschlicher Proportion“, und erlebte viele Ausgaben in vielen Sprachen.
Seine letzte Zeit verlebte Dürer geschätzt von allen bedeutenden Männern in einfachen, jedoch keineswegs ärmlichen Verhältnissen. [114] In den Niederlanden hatte er sich ein Fieber geholt, das er nicht wieder los werden konnte, trotz dessen er aber noch übermässig arbeitete. Er starb am 6. April 1528. Seit 1840 schmückt sein Standbild aus Erz den nach ihm benannten Platz in Nürnberg und die dortigen Künstler begehen zu seinem Geburtstage jährlich an seinem Grabe eine einfache Feier.
Die Zeitgenossen und Nachfolger Dürers zeigen, mit Ausnahme des durchaus selbständigen Hans Holbein, einen unverkennbaren Einfluss des grossen Meisters. Wenige unter ihnen, denen man im allgemeinen auf Grund der räumlichen Kleinheit ihrer meisten Arbeiten den Namen „Kleinmeister“ beigelegt hat, standen jedoch als Schüler in einer näheren Verbindung mit Dürer. Nur von zweien wissen wir mit Bestimmtheit, dass sie Dürers „Lehrjungen“ gewesen: Hans von Kulmbach und Hans Springinklee, und gerade über diese sind die sonstigen Nachrichten dürftig.
Hans Fuss, nach seiner Vaterstadt Hans von Kulmbach, trat, nachdem er die Malerei bei Jacopo dei Barberi (Jakob Walch) gelernt, 1510 bei Dürer in weitere Lehre. Ob er viel für graphische Kunst gezeichnet hat, ist nicht bekannt. Ein Blatt für den Triumphzug ist noch vorhanden mit den hineingezeichneten Korrekturen Dürers.
Hans Springinklee, geboren zu Nördlingen 1470, entwickelte für die graphischen Fächer eine grosse Thätigkeit. Er zeichnete 60, durch seelenvolle Innigkeit sich auszeichnende Bilder zu dem Hortulus animæ, der zuerst 1516 und dann in mehreren schnell auf einander folgenden Auflagen bei Koberger erschien. Er arbeitete auch mit an den Illustrationen zu dem Weisskunig und an verschiedenen Unternehmungen Dürers, dessen Art er sich innig anschloss. Auch grössere Einzelblätter hat man von ihm.
Erhard Schön war ein Mitarbeiter Springinklees bei dem Hortulus animæ (ob auch bei Dürers Werken ist nicht bekannt), lieferte auch die zwölf Apostel und 24 Blatt Heilige. Er war Verfasser eines Lehrbuches: „Unterweysung der Proportion und Stellung der Bossen (Modellfiguren)“ mit einer Anzahl gut gezeichneter Köpfe und Körper in verschiedenen Lagen mit Konstruktionsnetzen; geschätzt sind von Sammlern seine Spielkarten. Er starb zu Nürnberg 1550.
[115] Georg Pencz, Hans Sebald Beham und Barthel Beham sind Namen, die nicht allein durch die Gemeinsamkeit der Kunstübung, sondern auch durch die gemeinsamen Schicksale unzertrennlich geworden sind.
Alle drei lernten in Nürnberg und erhielten in jungen Jahren die Meisterschaft (ob in der Werkstatt Dürers ist nicht bekannt), jedenfalls gehörten sie alle zu seinen begabtesten Nachfolgern. In jugendlicher Schwärmerei wurden sie erklärte Anhänger des Thomas Münzer, der anfangs der zwanziger Jahre nach Nürnberg kam. In einen Prozess wegen Verbreitung deistischer und sozialistischer Ansichten verwickelt, mussten die drei Maler ihrer Vaterstadt den Rücken kehren.
Pencz wurde nach einem Jahr begnadigt und später sogar Ratsmaler. Er war ein vorzüglicher Kupferstecher in einer neuen Manier, die sich nicht mit den einfachen Strichlagen Dürers begnügte, sondern nach italienischen Vorbildern malerische Wirkung durch Licht und Schatten und durch Abstufung der Töne zu erreichen suchte. Er liebte es, zusammenhängende Folgen von Blättern zu liefern, z. B. die Geschichte Abrahams, Josephs; 25 Blatt aus dem Leben Jesu. Vorzugsweise wandte er sich Folgen aus dem klassischen Altertum zu, als z. B.: „berühmte Liebespaare“, „Beispiele der Standhaftigkeit“, „unglückliche Frauen“. Man besitzt von ihm 126 Blätter: Er starb 1550, hinterliess aber, trotz fleissigen Arbeitens, die Seinen in grosser Dürftigkeit.
Mehr Glück hatten die Behams, namentlich der jüngere, Barthel. Der ältere Hans Sebald Beham (geb. zu Nürnberg 1500) steht vielleicht von allen Kleinmeistern als Zeichner Dürer am nächsten, und übertrifft ihn als Kupferstecher. Er befindet sich schon vollständig auf dem Boden der Renaissance. Nach verschiedenen Schicksalen fand er in Frankfurt 1534 eine bleibende Stätte und ein reiches Feld seiner Thätigkeit. Für viele Werke Chr. Egenolffs lieferte er Illustrationen; für die Weltchronik (die in neun Auflagen erschien) 80 Holzschnitte; 26 Holzschnitte zu der Offenbarung St. Johannis; eine ähnliche Zahl zu dem Neuen Testament; ferner zu einem Handbuch der Fecht- und Ringerkunst und einem Buch vom gesunden Lebensregiment u. s. w. Als er 1550 starb, hinterliess er 270 Kupferstiche und an 500 Holzschnitte. [116] Seinen Grundsätzen, für die er in der Jugend büssen musste, blieb er bis an sein Ende treu.
Die Herausgabe eines „Büchlein von den Proportionen des Ross“ brachte ihn in Konflikt mit der Witwe Dürers, welche hierin eine widerrechtliche Aneignung eines Manuskripts Dürers erblickte und ein Verbot des Buches Behams erwirkte, bis Dürers Werk, das übrigens von ganz anderen Gesichtspunkten ausgeht, erschienen sei.
Es wird behauptet, er habe gegen Ende seines Lebens eine Weinschenke errichtet und einem liederlichen Leben sich ergeben, dagegen scheint jedoch die grosse Zahl von Arbeiten, die gerade aus seinen letzten Lebensjahren stammen, zu sprechen.
Barthel Beham ging nach München und trat 1527 in den Dienst des Herzogs Wilhelm von Bayern, der ihn auf seine Kosten nach Italien sandte, wo er plötzlich im besten Mannesalter und auf der Höhe seiner Kunst starb. Von seinen Kupferstichen sind 85 auf die heutige Zeit gekommen. Ganz vorzügliches leistete er in Ornamentvorlagen für das Kunsthandwerk, wie in Vignetten für Bücher. In derselben Richtung zeichnete sich Ludwig Krug in Nürnberg aus.
Hans Leonhard Schaeuffelein (geb. um 1476) lehnt sich sehr an Dürer an. Er wendete sich mit Vorliebe dem Holzschnitt zu, dessen Technik ganz der Richtung seines Geistes entsprach. Wahrscheinlich lernte er zuerst bei Wolgemut und arbeitete später bei Dürer, bis dieser 1505, vor seiner Abreise nach Italien, seine Werkstatt auflöste. Im Jahre 1507 lieferte er bereits eine Holzschnittfolge von 65 Blatt für das Speculum passionis des Dr. Pinder. Von ihm rühren 118 Zeichnungen für die Holzschnitte zu dem Theuerdank (1512) her, die von dem vorzüglichen Holzschneider Jost de Negker geschnitten wurden. Bei Schönsperger erschien ferner von ihm „Der Heiligen Leben“ mit 130 kleinen Holzschnitten und, im Verein mit Hans Burgkmair und Georg Brew, „Das Leiden Christi“.
Schaeuffelein heiratete die Nürnberger Patriziertochter Afra Tucher und wandte sich 1515 nach Nördlingen, der Heimat seines Vaters. Aus der Zeit seines dortigen Aufenthaltes sind zu nennen: seine Holzschnittzeichnungen zu Ciceros Buch „Von den Pflichten“; [117] zu den Historien des Boccaccio; zu einem Buche mit dialektischen Vorschriften; zu dem „goldenen Esel“ des Apulejus und zu mehreren religiösen Werken. Am bedeutendsten sind einige, dem täglichen Leben entnommene Darstellungen, Bilder aus dem Soldatenleben und namentlich 20 Blätter mit Hochzeitstänzern. Ein Abendmahl zeichnet sich durch seine ungewöhnliche Grösse, 1 Meter 2 ctm. Breite bei 71 ctm. Höhe, aus. Schaeuffelein besass wenig Genie und konnte sich nicht von dem noch nicht fertigen Standpunkt der Form emanzipieren, auf welchem Dürer damals, als er nach Italien reiste, stand. Schaeuffelein starb 1549.
Albrecht Altdorfer, wahrscheinlich in Amberg um 1480 geboren, tritt weit selbständiger und origineller auf als Schaeuffelein, wenn er ihn auch nicht in der Technik übertrifft. Er zersplitterte seine Kräfte nach verschiedenen Richtungen hin. 1505 siedelte er nach Regensburg über und wurde 1526 dort Ratsbaumeister. Er ist als Vater der modernen Landschaftsmalerei zu betrachten und brachte es auch in der Ätzmanier zur Virtuosität. Die Zahl seiner Kupferstiche beläuft sich auf etwa 80, die der Holzschnitte auf 70, die der Radierungen auf 30. Er starb im Jahre 1538.
Michael Ostendorfer, ein Zeitgenosse Altdorfers (1490-1559), leistete als Zeichner mehr denn dieser und würde sicherlich bedeutendere Werke geliefert haben, wenn nicht die Not ihn gezwungen hätte, die Kunst allein als Erwerbsmittel zu betrachten und allerlei, seinen Fähigkeiten nicht angemessene Arbeiten zu unternehmen. In der ersten Periode seiner Thätigkeit sind seine besten Arbeiten der Verherrlichung der Jungfrau Maria gewidmet, besonders ein Holzschnitt von ungewöhnlicher Grösse: „Die Kirche der schönen Maria zu Regensburg“. Als diese Stadt 1542 das Augsburger Bekenntnis annahm, widmete Ostendorfer seine Kunst mit Eifer der Reformation. Seine bedeutendste Komposition ist ein umfangreicher Holzschnitt „Die Kreuzabnahme“ (1548).
Aus der grossen Zahl von Zeichnern für Formenschnitt von der Mitte des xvi. Jahrhunderts ab sind nur wenige nennenswert, unter diesen besonders: Virgilius Solis, Jost Amann, Peter Flötner und Melchior Lorch.
Virgil Solis, geboren 1514 zu Nürnberg, hat für die Typographie eine besondere Bedeutung, weil er eine grosse Zahl der [118] schönsten Zierstöcke für Bücherornamentierung erfand. Von ihm sind 600 Kupferstiche bekannt und die Zahl seiner Holzschnitte ist ebenfalls gross, als: 100 biblische Figuren zum Alten Testament; 116 zum Neuen; 67 zur Geschichte der Bibel; 178 zu Ovids Metamorphosen; 194 zu Äsops Fabeln. Er starb um 1562.
Jost Amann[5] war einer der talentvollsten Holzzeichner seiner Zeit und näherte sich mehr als Virgil Solis den alten Meistern. Seine Figuren haben jedoch etwas theatralisches. Er war im J. 1539 in Zürich geboren, zog 1560 nach Nürnberg und arbeitete vieles für dortige, besonders jedoch für Frankfurter Buchhändler, namentlich für Sig. Feyerabend. Wir haben von ihm Bibelillustrationen; Icones Livianæ, Bilder aus der altrömischen Geschichte; Zeichnungen zu Reineke Fuchs; das Stamm- und Wappenbuch; Kostümwerke von Bedeutung. Bekannt ist das 1564 erschienene: „Hans Sachse, eigentliche Beschreybung aller Stände auf Erden — aller Künste und Handwerken“. Wir finden darin auch den Schriftgiesser, Drucker, Briefmaler, Formenschneider, Buchbinder. Bei etwas grösserer Aufmerksamkeit auf die Details seitens Amanns würden diese Abbildungen von grösserem Werte für die ältere Geschichte der Buchdruckerkunst sein. Der Text in Versen bietet keine besonderen Anhaltepunkte. Amann starb 1591.
Peter Flötner aus Nürnberg, gestorben um 1546, war in erster Reihe Bildhauer, doch auch als Zeichner besonders für den Formenschnitt thätig. Unter den erhaltenen etwa 60 Holzschnitten zeichnen sich besonders eine Reihe von Landsknechtsbildern vorteilhaft aus. Von Wert für die Ornamentik ist noch heute seine Sammlung von 24 Vorlegeblättern für Goldschmiede und sonstige Metallarbeiter.
Melchior Lorch aus Flensburg, geb. 1527, lieferte schon in seinem 18. Jahre tüchtige Stiche. Zu Dürer muss er in persönlichen Beziehungen gestanden haben, da er dessen Portrait 1550 in Kupfer stach, ebenso 1548 das Bildnis Luthers. Lorch machte grosse Reisen und besuchte zweimal, indem er kaiserliche Gesandtschaften begleitete, Konstantinopel. Die reiche Ausbeute, die er aus dem Orient mitbrachte, erschien 1570 in einem Buch, verlegt zu [119] Hamburg. Später trat Lorch in den Dienst des Königs Friedrich ii. von Dänemark. Eine, auf zwei Platten geschnittene figurenreiche Darstellung der Sintflut ist die grösste der von ihm erhaltenen Kompositionen. Er starb zu Rom 1585.
Geschickte Kupferstecher waren Jakob Binck und Hans Ladenspelder. Der erstere, zu Anfang des xvi. Jahrh. geboren, siedelte 1531 nach Kopenhagen über, wo er Hofmaler wurde, wir haben ungefähr 150 Stiche von ihm. Von Ladenspelder (1511-1554) sind etwa 50 Stiche auf uns gekommen; er neigt sich mehr den Italienern zu.
Heinrich Aldegrever ist der letzte der Künstler, die mehr oder weniger unter den sich widerstrebenden Einflüssen der Gothik und der Renaissance stehen. Er wurde 1502 entweder in Paderborn oder in Soest geboren. Der Reformation sehr zugethan, stach er die Portraits Luthers und Melanchthons und griff die Pfaffenwirtschaft in mehreren Stichen an. Gegen 300 als echt anerkannte Stichblätter sind von ihm vorhanden. In grösseren Bilderfolgen behandelte er biblische Geschichten, z. B. die Adams und Evas, des barmherzigen Samariters, des keuschen Joseph. Seine ornamentalen Arbeiten gelten noch heute als nachahmenswerte Vorlagen, namentlich diejenigen Blätter, in welchen er sich an das einfache Pflanzenornament hält[6].
Eine Sonderstellung behauptet Lucas Cranach[7], so genannt nach seiner Vaterstadt Kronach in Oberfranken, wo er 1472 geboren wurde. Im Jahre 1504 trat er in die Dienste des Kurfürsten Friedrich des Weisen, bei dem, so wie auch bei den Kurfürsten Johann dem Beständigen und Johann Friedrich dem Grossmütigen er in grosser Gunst stand und zu denen er treu hielt. Nach Wittenberg übergesiedelt, kaufte er 1520 dort eine Apotheke, trieb auch Buch- und Papierhandel, beteiligte sich bei einer Buchdruckerei und lieferte, unterstützt von zahlreichen Gehülfen, eine Unzahl von Bildern, die zwar geschätzt wurden, aber doch keinen Vergleich mit denen Dürers und Holbeins vertragen. Durch Zeichenfeder wie durch Pinsel kann er als ein tüchtiger Mitarbeiter an dem Reformationswerk [120] gelten, nicht nur, dass er die Bildnisse der Reformatoren allgemein verbreitete, sondern er trug auch durch seine satirischen Bilder dazu bei, einerseits das Papsttum blosszustellen, andererseits die Religiosität zu fördern. Unter seinen Mitbürgern war er sehr angesehen und er bekleidete das Amt eines Bürgermeisters. Mit dem Kurfürsten Johann Friedrich ging er nach Weimar, wo er im Oktober 1553 starb.
Von beglaubigten Kupferstichen Cranachs giebt es kaum ein Dutzend; von Holzschnitten jedoch über 500, teils Einzel-Blätter, teils Suiten. Unter letzteren erwähnen wir: „Die Leiden Christi“ 14 Blatt; die 1509 als Passio Jesu Christi erschienen, und später vielfach benutzt wurden; „Christus und die Apostel“, 14 Blatt; „Die Marter der Apostel“, 12 Blatt; „Passional Christi und Antichristi“, 26 Blatt, wovon 13 je eine Scene aus dem Leben Christi, diesen gegenüber 13 je eine aus dem Leben eines Papstes vorstellen; „Das Papsttum“, 10 Blatt, dann „Das Wittenberger Heiligtumsbuch“, 119 Blatt, mit Abbildungen und Beschreibungen kostbarer Gefässe etc.
In Strassburg lebte Hans Baldung, genannt Grün, wenige Jahre nach Dürer (1475) in Schwäb. Gmünd geboren. 1509 liess er sich in Strassburg nieder. Als Maler ist er namentlich durch sein Altarbild in dem Freiburger Münster bekannt (1510-1526). Nach seiner Rückkehr nach Strassburg widmete er sich besonders dem Holzschnitt und lieferte auch schöne Blätter in Clair-obscur-Manier. Grossartig sind seine Apostel-Figuren aus den Jahren 1518-19. Man kennt etwa 150 Blätter von seiner Hand. Ein wahres Kleinod für die deutsche Kunstgeschichte ist sein Skizzenbuch, welches in Karlsruhe aufbewahrt wird. Er starb im Jahre 1545.
Ein besonderer Glücksstern ruhte über Basel. Hier wirkte zuerst Urse Graf (geb. 1470, gest. 1530), von dessen Zeichnungen manche nicht hinter denen Dürers und Burgkmairs stehen (Leben Christi in 24 Bl.); dann Tobias Stimmer (geb. zu Schaffhausen 1534), dessen „Newe künstliche Figuren biblischer Historien“ (1576) Rubens als eine Schatzkammer der Kunst bezeichnete. Stimmer starb um das Jahr 1590.
Basels grösster Stolz ist jedoch Hans Holbein der jüngere dessen Vater Hans, ein Maler von Verdienst, aus Augsburg stammend, [121] um das Jahr 1495, in welchem der Sohn geboren wurde, nach Basel zog.
Die erste bedeutendere Holzschnitt-Arbeit Holbeins ist „Mucius Scävola und Porsenna“. Das Werk des englischen Kanzlers Thomas Morus, ‚Utopiaʻ, welches bei Joh. Froben in Basel erschien, war Veranlassung für Holbein, mit Erasmus in Berührung zu kommen, der ihn dem Kanzler empfahl, durch dessen Vermittelung er als Hofmaler Heinrichs viii. in das Schloss Whitehall zog, wo er seine unvergleichlichen Bildnisse malte und zeichnete und 1543 starb. Basel besuchte er in den Jahren 1529 und 1539[8].
Holbein lieferte, abgesehen von seinen Alphabeten, über 300 Zeichnungen für den Holzschnitt, darunter Randverzierungen, Titelblätter, Buchdruckerzeichen u. dgl. Seine drei in der Geschichte der Holzschneidekunst unübertroffen dastehenden Werke sind: „Das lateinische Totentanzalphabet“, „Der Totentanz“ und „Die Bilder zur Bibel“.
„Das Totentanzalphabet.“ Auf Blättern von nur 24 Millimeter in Quadrat hat es Holbein verstanden in Verbindung mit Initialen Gruppen zu komponieren, von welchen jede eine Scene darstellt, wie der Tod den Menschen in jedem Alter und in jeder Lebensstellung erfasst. Die Zartheit des Stiches, die Reinheit der Linien veranlassten Kenner, hierin eher Hochschnitte in Kupfer als Holzschnitte zu suchen. Die 24 Vignetten, auf ein Blatt gedruckt, sind nur in ganz wenigen Exemplaren vorhanden; auf zwei davon wird Hans Lützelburger als der Formschneider angegeben. Was aus den Originalen geworden, weiss niemand, kopiert sind sie vielmals. Loedel in Göttingen hat sie vortrefflich nach dem schönen Exemplar in Dresden gestochen.
„Der Totentanz.“ Noch berühmter ist der Totentanz, der in dreizehn Ausgaben existiert. Früher hielt man dafür, dass die erste gedruckte Ausgabe von den Originalstöcken, welche eine Höhe von nur 6 ctm. 5 mm. und eine Breite von 5 ctm. haben, in Lyon erschienen sei, neuere Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass wenigstens die zwei ersten Ausgaben aus Basel stammen und dass wahrscheinlich erst die vierte aus der Offizin der Gebr. Trechsel in [122] Lyon herrührte. Dass die Schnitte in Basel hergestellt wurden, dürfte ebenfalls zweifellos sein; in Lyon waren damals keine, dieser Aufgabe gewachsenen Holzschneider. Man schreibt sie dem, mit dem Namen Holbein so eng verknüpften Formenschneider Hans Lützelburger, genannt Franck, zu. Die iv. bis xi. Ausgabe wurde in Lyon; die xii. in Basel; die xiii. wieder in Lyon gedruckt. Die viii. Ausgabe und die folgenden haben statt 41 Blätter deren 53. In dem Hin- und Herwandern der Holzschnitte liegt nichts befremdendes; ein solches fand öfters statt.
Die Engländer haben behauptet, dass die Originale für die Holzschnitte des Totentanzes Gemälde im Schlosse Whitehall, welches 1697 in Flammen aufging, gewesen seien. Die mit der Feder ausgeführten, und durch leichtes Aufsetzen von braunen Tinten gehobenen Originalzeichnungen befinden sich jetzt, nach verschiedenen Schicksalen, in dem kaiserlichen Kabinet in St. Petersburg. Das Werk ist vielfach kopiert, in Holzschnitt hat man 48, in Kupferstich 43 Ausgaben. Die von dem bekannten englischen Kupferstecher Hollar in London 1647 gelieferten Stiche sind nach den, damals in Besitz des Lord Arundel befindlichen Originalen gemacht.
Holbein erzielt in diesem Werke, dessen Gedankentiefe, Kraft und Naivetät man nicht genug bewundern kann, mit den einfachsten Mitteln die grösste Wirkung. Er schafft keine Schwierigkeit für den Holzschneider, die Schatten deutet er nur schwach an.
Die Icones Veteris Testamenti halten sich in demselben einfachen Stil. Der Ausdruck ist kräftig und naiv; eine Eigentümlichkeit sind die etwas kurzen Figuren. Die erste Ausgabe erschien 1538 bei Trechsel in Lyon. Sie enthält 92 Blätter. Schon 1539 folgte die zweite. Die dritte Ausgabe druckten die Gebr. Frellon, welche überhaupt fünf Ausgaben lieferten, nachdem sie die Druckerei von Trechsel erworben hatten.
Wer die Platten geschnitten hat, ist unbekannt geblieben; dass Hans Lützelburger allein eine so bedeutende Arbeit hätte ausführen können, ist nicht anzunehmen. Angesehene Kenner haben vermutet, dass die Schnitte in Paris besorgt sind.
Im Jahre 1830 haben zwei geschickte englische Holzschneider, John und Mary Blyfield, sowohl diese Zeichnungen, als auch den Totentanz so getreu nachgebildet, dass sie kaum von den Originalen [123] zu unterscheiden sind. In demselben Jahre, wo das Original Holbeins in Lyon erschien, liess Pierre Regnault in Paris eine, jedoch schwache Nachahmung erscheinen.
Mit den Arbeiten Holbeins hatte die Holzschneidekunst ihren Höhepunkt erreicht. Trotz aller Fortschritte in der Technik, die heute spielend alle Schwierigkeiten überwindet, giebt es nichts, was den, mit so einfachen Mitteln und bei so kleinen Dimensionen erreichten Effekt dieser Kunstwerke übertrifft. Die Vortrefflichkeit der Ausführung hat Sachkundige veranlasst, in dem Holzschneider den Künstler selbst erkennen zu wollen. Überhaupt ist die Frage öfters aufgeworfen: „Waren in der ersten Periode des Holzschnittes Zeichner und Holzschneider dieselbe Person?“, eine Frage, die unterschiedliche Beantwortung gefunden hat.
Es mag wohl unzweifelhaft sein, dass die Künstler damaliger Zeit, wo Kunst und Gewerbe einander weit näher standen, als heutzutage, die Technik des Holzschnittes innegehabt und öfters selbst die Xylographie geübt, namentlich die Teile eines Bildes geschnitten haben, die besondere Sorgfalt erforderten. Ebenso unzweifelhaft ist es aber wohl auch, dass dies eine Ausnahme war, und dass die Zeichner sich in der Regel des Formenschneiders bedienten, um die langwierige Arbeit des Schnittes auszuführen.
Es bleibt so gut für diese Periode, wie für unsere Zeit anzunehmen, dass zwei Künstler bei der Arbeit zusammenwirkten: der eigentlich Erfindende, der die Komposition entwarf und aufs Holz zeichnete (riss) — eine Arbeit, die aber in manchen Fällen auch von einem zweiten Künstler besorgt wurde —, und der Holzschneider, der selbst und durch seine Gehülfen den Schnitt ausführte.
Das Monogramm Holbeins oder Dürers auf einem Holzschnitt beweist ebensowenig, dass er den Schnitt ausgeführt hat, als heutzutage das Horace Vernets oder Adolph Menzels uns glauben lässt, dass diese in Holz geschnitten haben. Dass der Holzschneider nicht seinen Namen beigefügt hat, liegt einfach darin, dass er damals noch nicht den Anspruch machte, als selbständiger Künstler zu gelten. Die Aufgabe des Holzschneiders war nur, die Zeichnung auf das genaueste wiederzugeben; je sklavischer er hierin arbeitete, je weniger er Anspruch auf Selbständigkeit machte, ein um so besserer Holzschneider war er. Abgesehen von den eigenen Äusserungen [124] Dürers, woraus hervorgeht, dass er sich wenigstens hauptsächlich nur mit der Zeichnung beschäftigt hat, beweist die grosse Zahl von Holzschnitten von ihm, sowie die Verschiedenheit in der Ausführung, dass sie nicht Arbeiten eines einzigen Mannes sein können; und so wird es wohl auch mit den Arbeiten mancher anderer Künstler der Fall sein.
Über eine besondere Art der Illustration, welche sowohl in Deutschland, wie in anderen Ländern allgemein üblich wurde, die „Druckerzeichen“[9] mögen hier einige Worte Platz finden.
Schon in der frühesten Periode machten die Buchdrucker Gebrauch von Wappenschildern, Sinnbildern und Wahlsprüchen, die so zu sagen die Stelle eines Fabrikzeichens einnahmen und sowohl ein Ursprungs-Zeugnis als auch ein Eigentumszeichen bildeten. Bereits Fust und Schöffer bedienten sich eines solchen; dass jedoch der zweite Zweck des Druckerzeichens nicht immer erfüllt wurde, beweisen schon die Klagen des Aldus, dass die Nachdrucker in Lyon nicht allein seine Bücher nachdruckten, sondern auch sein Zeichen, den weltberühmten Anker von einem Delphin umschlungen, nachmachten, so dass jedermann glauben müsse, er sende solche fehlerhafte Drucke in die Welt.
Mit dem zunehmenden Geschmack an Verzierungen wurde immer mehr Phantasie und Geschick auf Erfindung und Ausführung der Druckerzeichen verwendet. Die Familie der Elzevire wählte den vieltragenden Ölbaum, welchen die griechische Mythe als das segensreiche Geschenk der weisen Göttin Minerva an die Menschheit bezeichnete. Die Stephane nahmen ebenfalls einen Baum, welchem der fromme und gelehrte Heinrich Stephanus eine Apostelfigur beigab, die mit einem Fingerzeig auf die herabgefallenen gebrochenen Zweige und auf den Ausspruch des Apostel Paulus: Noli altum sapere, sed time (Strebe nicht zu hoch, sondern sei besorgt) warnend hinweist.
[125] Plantin kennzeichnete den Geist, der seine Arbeiten leitete, durch eine Hand und einen Zirkel mit dem Motto Labore et constantia (durch Arbeit und Beständigkeit). Froben führte einen, von Schlangen umwundenen Stab, auf welchem eine Taube sitzt, was Erasmus zu dem Ausspruch veranlasste, dass der gelehrte Drucker in Wahrheit die Schlangenklugheit mit der Taubeneinfalt vereinige. Die Familie Marnef wählte den Pelikan, wie er sich die Brust zerfleischt, um seine Jungen zu nähren.
Künstlerisch ist das Zeichen des Oporin: der auf dem schwimmenden Delphin sich wiegende Arion, der von den Winden getragen zu werden scheint, ebenfalls bemerkenswert der Saturn des Colinäus, sowie das schöne Sinnbild der Gioleti mit dem grossen, keck in die Sonne schauenden Adler und dem Motto semper eadem. Voller Kraft und Grazie ist auch der Greif der Familie Gryphius und der prächtige Pegasus, auf dem die Wechel ihrem Ruhme entgegeneilten. Würdig obigen beigesellt zu werden ist das merkwürdige Symbol des Hieron. Scott: eine weibliche Figur auf einer Erdkugel, welche dem leisesten Druck der Zügel zu gehorchen scheint, die sie in ihrer Hand hält. Prosaischer war die Herleitung des Druckerzeichens von dem Zeichen des Wohnhauses wo gedruckt wurde.
Manchmal hatten die Insignia eine bedeutende Grösse. Riesenhaft ist der wilde Löwe des Mylius von Strassburg, ebenso wie die drei reissenden Bestien Brylingers, während Couteaus kolossaler Löwe friedlich auf einem Schild von Blumen ruht.
Besonders beliebt waren die rebus-ähnlichen Wortspiele. Das Wappen Baumanns in Breslau zeigt ein unfertiges Haus mit dem Baumeister davor. Apiarius (Bienenzüchter) in Ingolstadt sendet einen Bären baumaufwärts trotz des diesen umgebenden Bienenschwarmes. Froschauer in Zürich mag für seinen schlechten Rebus einige Entschuldigung in dem Humor finden, mit welchem sein Junge den riesenhaften Frosch reitet oder letzterer auf den Baum klettert. Für Granjon lag das Wortspiel fertig in der grossen Binse (grand jonc). Das Schiff (Galliote) des Galliot du Pré fährt unter vollen Segeln dahin. Der wuchtige Elephant Regnaults gewinnt sehr in den Händen seiner Witwe durch den pikanten Zusatz, dass sie das Elephantentum fortsetzen werde: Sicut Elephas sto!
[126] Namentlich die englischen Buchdrucker gefielen sich in den, oftmals bis an die Grenze des Erlaubten getriebenen Wortspielen. William Middleton stellte sein W. M. mitten auf eine Tonne. William Griffith sendet uns einen Greif mit einer Bartnelke (Sweet William) in dem Schnabel. Thomas Woodcock (Holzhahn) setzte einen Hahn auf einen Scheiterhaufen mit der Umschrift Cantabo Jehovae, quia beneficit (ich will dem gnadenreichen Gott lobsingen). Thomas Pavier führte als Zeichen einen arbeitenden Pflastersetzer (pavier) mit dem Motto: Thou shalt labour, till thou return to dust (du sollst arbeiten, bis du wieder zu Staube wirst). Reynard Wolf lässt seine Namensvettern, Fuchs und Wolf, Schildhalterdienste bei ihm verrichten. Das Zeichen John Days (Tag) zeigt eine von der aufgehenden Sonne beleuchtete Landschaft; im Vordergrunde ein Schlafender, den ein Engel weckt, mit dem Ausspruch: Arise! for it is Day (Steh auf, denn der Tag ist da).
Gewisse einfache und sehr leicht verständliche Embleme scheinen als ein Gemeingut der Drucker aller Länder gegolten zu haben, so gebrauchten Oeglin, Notary, Martens, Thanner und Weissemburger die Erdkugel; die Druckerpresse wurde benutzt von Ascensius, Vascosan, Roigny, Schilders, de Preux, Hanns Lufft u. s. w., Kreuz, Stern und Anker wurden in allen erdenklichen Zusammenstellungen verwendet, die Zeit zeigt sich in allerlei Gestalten, die Schlange windet sich durch eine Menge von Druckerzeichen, ja selbst in der Benutzung der Kohlköpfe findet Rivalität statt. Die oft vorkommende Axt, welche einen Holzblock spaltet, erhielt eine schreckliche Vorbedeutung in dem Zeichen des grausam hingeopferten Etienne Dolets.
Als nach und nach die Buchdrucker aufhörten, zugleich die tonangebenden Verleger zu sein, und Lohndrucker der Buchhändler wurden, mussten sie den Verlegern den Platz räumen und bescheiden in den Hintergrund treten. Die Verleger nahmen nun ihrerseits vielfach Embleme an, in der Regel jedoch allgemeiner Natur, z. B. eine brennende Lampe, ein aufgeschlagenes Buch, eine Presse im Strahlenkranze, einen Greif oder einen Schild mit den Anfangsbuchstaben der Firma u. s. w.
DIE TYPOGRAPHIE IN DEUTSCHLAND UND IN DEN SKANDINAVISCHEN LÄNDERN.
Nürnberg: Der Theuerdank. Die deutschen Schriften. Augsburg: Hans Schönsperger d. ä. Frankfurt am Main: Chr. Egenolff, Sigism. Feyerabend, die Merians. Mainz: Die Nachfolger Schöffers. Tübingen: Der slawische Druck. Cotta. Strassburg: Illustrierter Druck. Basel: Joh. Froben, die Familie Petri, Joh. Oporinus. Zürich: Chr. Froschauer. St. Gallen: Leon. Straub. Wien: Johan Sigriener, Hans Kohl, Joh. v. Gehlen. Leipzig: Melch. Lotter, Valentin Bapst. Gute und schwere Zeiten. Wittenberg. Der Norden. Berlin.
DIE SKANDINAVISCHEN LÄNDER. Dänemark, Norwegen und Island, Schweden und Finnland.
[127] DER Ruhm, die Arbeiten der in dem vorigen Kapitel erwähnten Künstler durch den Druck verbreitet zu haben, gehört vor allen Nürnberg, dann Augsburg, Frankfurt am Main, Strassburg, Basel; doch auch manche Druckstädte des Auslandes, besonders Lyon, trugen dazu bei, den Ruhm deutscher Künstler im Ausland weiter zu verbreiten.
Dass NÜRNBERGS Pressen den grössten Anteil an den von Maximilian I. veranlassten Werken haben mussten, geht als natürliche Folge aus dem oben mitgeteilten hervor. Typographisch das interessanteste Druckerzeugnis bleibt: „Die Geheuerlichkeiten und eins teils der geschichten des löblichen streytparen und hochberühmten Helds und Ritters Tewrdanckhs“. Der Text ist eine [128] recht schale Poesie des Probstes Melchior Pfinzing zu St. Sebald in Nürnberg, und, wie alle durch Maximilian hervorgerufenen Werke, auf dessen alleinige Verherrlichung abgesehen. Das Buch schildert allegorisch alle die Abenteuer, die er zu bestehen hatte, bis er in den Besitz der Herzogin Maria von Burgund gelangte, und ist hauptsächlich nur seiner artistisch-typographischen Ausstattung wegen berühmt geworden.
Aus der Korrespondenz des Kaisers mit seinem Sekretär Peutinger geht hervor, wie lebhaft er sich für diese Arbeit interessierte. Er war eifersüchtig, wenn er glaubte, ein Künstler stelle seine Aufträge gegen die anderer zurück, und besuchte öfters das Holzschneide-Atelier des Hieronymus Resch, um sich von dem Vorwärtsschreiten des Werkes zu überzeugen. Aber das Bezahlen war, wie schon erwähnt wurde, nicht seine starke Seite. Die Zeichnungen lieferten Schaeuffelein und andere angesehene Künstler.[1]
Die „Theuerdanktype“ ist eine ganz eigentümliche und kann als ein Wendepunkt in der deutschen Schriftschneiderei betrachtet werden, indem von nun an die gothische Schrift verlassen und die jetzt gebräuchliche Fraktur ausgebildet wurde. Die Zeichnung zu der Schrift besorgte der Hofsekretär des Kaisers Maximilian, Vincenz Röckner, und soll er dazu ein, von dem bekannten Schriftzeichner Joh. Neudörffer hinterlassenes Manuskript benutzt haben. Wer die Stempel schnitt, lässt sich nicht bestimmt nachweisen, wahrscheinlich war es Hieronymus Andrae, nach damaliger Sitte Hieronymus „Formenschneider“ genannt. Es ist um so eher anzunehmen, dass Andrae die Schrift schnitt, als er sie später in verschiedenen Grössen ausführte und sie zugleich in der von ihm eingerichteten Buchdruckerei benutzte, in welcher auch die Bücher Dürers gedruckt wurden.
Man hat lange darüber gestritten, ob nicht der Theuerdank von Holztafeln gedruckt sei, jedoch einen unscheinbaren, aber sicheren Gegenbeweis gefunden, indem in der ersten Ausgabe von 1517, unter dem vierundachtzigsten Bilde, in der Unterschrift ein umgekehrtes i vorkommt, ein Beleg, dass auch ein Satzfehler von Wert sein kann. Die verschiedenen Formen der Versalbuchstaben, sowie die in Holz geschnittenen angesetzten Züge und vielen Zieraten [129] konnten freilich leicht zu der Annahme führen, dass auch die eigentümliche Schrift Holzschnitt sei. Diese Annahme konnte noch durch die Menge der verschiedenartigsten Ligaturen bestätigt werden; mit solchen war man jedoch damals äusserst freigebig. Die Theuerdankstype, ohne die Zieraten, behielt bis in das xvii. Jahrhundert ihre Geltung, sowohl in Deutschland, wie in Holland, und alle andere deutsche Schriften bildeten sich nach derselben.
Antonius Kobergers Wirksamkeit lernten wir schon früher kennen. Die Bedeutung des Geschäftes hörte mit seinem Tode (1513) nicht auf. Der Sohn Ant. Koberger war damals minderjährig. Der eigentliche Chef des Hauses scheint Johannes Koberger, entweder ein Sohn des älteren Antonius aus erster Ehe oder ein Neffe desselben, gewesen zu sein; das Verhältnis ist jedoch nicht ganz klar. Johannes war ein Mann von grosser Thatkraft und das Geschäft befand sich 1532 in einem blühenden Zustand; seit dieser Zeit hört man jedoch von demselben nichts mehr. Antonius starb im J. 1540; Johannes 1543.
Durch die grosse Korrektheit seiner Ausgaben zeichnete sich Johann Petreijus aus. Das bis in die neueste Zeit bestehende Endtersche Geschäft wurde 1604 gegründet. Aus diesem stammt auch das erste deutsche typographische Handbuch (1721).
Eine grosse Bedeutung hat Nürnberg für die Schriftgiesserei. Unter den Schreibmeistern (Modisten), welche die deutsche, besonders die Kanzlei- und die Fraktur-Schrift, zu Ehren brachten, war Paul Fischer bedeutend. Sein Schüler Johann Neudörffer d. ä. war der erste, der die deutsche Schrift in die später allgemeine Form brachte. In den Jahren 1538, 1544 und 1549 gab er seine Anweisungen heraus. Neudörffer starb 1581. Einen guten Ruf erwarb sich Pancratius Lobinger, dessen Schriften noch um die Mitte des xviii. Jahrhunderts beliebt waren[2].
AUGSBURG zählte den Drucker des Theuerdanks zu seinen Bürgern. Es war Hans Schönsperger der ältere, der von 1481 bis 1523 eine Reihe ausgezeichneter Druckwerke lieferte. Er stellte jedoch die erste Auflage nicht in Augsburg her, sondern wurde nach Nürnberg berufen, um das Werk dort unter den Augen des Verfassers auszuführen. Die zweite Auflage schreibt sich jedoch [130] aus Augsburg. Von Schönspergers sonstigen Druckwerken war das Regimen sanitatis das erste, das „Neue Testament“ das letzte. Von seinem gerühmten Verfahren, Gold- und Silberdruck auszuführen, wissen wir nichts näheres.
Von bedeutenden Augsburger Druckern sind noch zu nennen: Erhard Oeglin (Ocellus), der zuerst in Deutschland hebräische, und Hans Müller, welcher zuerst griechische Bücher lieferte. Hans Froschauer brachte ein Werk mit musikalischen Noten, die jedoch nicht Typen, sondern Holzschnitte sind: Lilium musicae planae. Auch Privatpersonen übten die Kunst, z. B. der gelehrte Arzt Sigmund Grimm und der reiche Kaufmann Marx Würsing; ja man lernt selbst eine Art Aktien-Buchdruckerei kennen, die, nach ihrem Signet sogenannte: Ad insigne Pinus, mit welcher eine Schriftgiesserei verbunden war. Aus dieser Offizin ging eine Reihe von guten Ausgaben der römischen und griechischen Klassiker hervor. Als Schriftgiesser war Johann Rainmann berühmt, man hat sogar behauptet, dass Aldus Manutius seine ersten Typen von ihm bezogen habe.
Für den Buchhandel behielt Augsburg lange seine Bedeutung. Hier erschien auch 1564 der erste Messkatalog.
FRANKFURT A. M., die bedeutende Handels- und Kulturstadt, bekam, wenn man von einem zweifelhaften Hanns Petersheim absieht, erst 1531 eine Buchdruckerei durch Christian Egenolff[3] aus Hadamar im Westerwalde (geb. am 26. Juli 1502). Er war ein feingebildeter Mann, der in lebhafter Korrespondenz mit Melanchthon und anderen Gelehrten stand. Seine Drucke (1531 bis 1555), namentlich die lateinischen Ausgaben und seine deutsche Bibel, sind sehr sorgfältig ausgeführt. Auch seine Schriftgiesserei war berühmt, und er lieferte Schriften für einen grossen Teil der deutschen Offizinen, wie überhaupt die Schriftgiesserei und die Stempelschneiderei damals und bis auf den heutigen Tag in Frankfurt blühten. Von seinem Schwiegersohne Sabon stammt der, dessen Namen tragende Schriftkegel.
Als berühmter Buchdrucker, Holzschneider und Buchhändler glänzt Sigismund Feyerabend (geb. um 1527; gest. um 1590). [131] Er entwickelte eine grossartige Thätigkeit, besonders in der Herausgabe illustrierter Werke, wobei er namentlich von den Künstlern Virgil Solis und Jost Amann unterstützt wurde. Manche seiner grossen Verlagsunternehmungen setzte er in Gemeinschaft mit Simon Hütter, Johann Feyerabend, Weigand Hahn und Georg Rabe ins Werk. Die Holzschnitte fertigte er zum Teil selbst. Als Korrektor und litterarischer Berater stand ihm Franz Modius zur Seite, wofür dieser einen Jahresgehalt von 200 Kronenthalern bezog. Feyerabend und seine gleichnamigen Verwandten druckten wenigstens sieben Ausgaben der Bibel und fünf der biblischen Bilder in Folio, neun Ausgaben der Bibel in kleinerem Format; eine Passion; Cäsar, Livius, Josephus, Plutarch, alle in Folio; Werke über Krieg, Sport, Ackerbau; Chroniken; Kochbücher, sämtlich mit zahlreichen Holzschnitten.
Eine grosse Einwirkung auf die Frankfurter Bücherproduktion übten die Merian, Vater und Sohn. Matthias Merian der Vater (geb. 1593 zu Basel, gest. 1651 zu Schwalbach), genoss schon im 20. Jahr den Ruf eines tüchtigen Kupferstechers. Er wirkte einige Zeit in Frankfurt bei seinem Schwiegervater, dem Kupferstecher und Buchhändler Theod. de Bry, und ging dann nach Basel, wo er zuerst einzelne Stadtpläne herausgab. Auf den Wunsch de Brys kehrte er 1623 nach Frankfurt zurück, wo er sich als Künstler und Buchhändler den besten Ruf erwarb und eine ganz enorme Thätigkeit entwickelte. Sein Sohn Matthias Merian d. j. (geb. 1621 zu Basel, gest. 1687) war fast noch berühmter als sein Vater und setzte die Unternehmungen desselben fort, wobei sein Schwager Thomas Götz und sein Bruder Kaspar ihn unterstützten[4].
Einen ausserordentlichen Ruf erwarb sich Andreas Wechel, Sohn des berühmten Pariser Buchdruckers Christ. Wechel. Wie der Vater zeichnete sich auch der Sohn durch die Sorgfalt für die Korrektheit seiner Druckwerke aus. Die Druckerei wurde nach Wechels Tod unter Beibehaltung der Firma von Wechels Schwiegersöhnen Claude Morny und Jean Aubry im gleichen Geiste fortgesetzt.
Die von Johann Andreae 1667 gegründete Buchdruckerei und Schriftgiesserei nimmt bis auf die neueste Zeit eine höchst ehrenvolle Stelle ein.
[132] Weder Mainz, noch Köln, die in der ersten Zeit eine so hervorragende Rolle spielten, behaupteten in dieser späteren Periode ihren früheren Rang.
In MAINZ ging, wie bereits erwähnt, die neue Gutenbergische Buchdruckerei 1508 auf Friedrich Hewmann aus Nürnberg über. Schöffer hatte zwei Söhne, Johann und Peter. Peter Schöffer der jüngere[5] druckte von 1513-1520 nur vier kleinere Schriften, sodass fast anzunehmen ist, er habe in Mainz keine Druckerei selbst besessen und die wenigen Schriften in der Offizin seines Bruders gedruckt. Seine Verhältnisse scheinen nicht gut gewesen zu sein. 1518 soll er nach Worms gezogen sein, wahrscheinlich ist es jedoch erst im Jahre 1528 gewesen. Dort druckte er bis 1529, dann in Strassburg, schliesslich von 1541-1542 in Venedig. Sein Todesjahr ist nicht bekannt, mutmaasslich liegt es nicht weit von 1542 ab. Sein Sohn Ivo blieb bei dem Onkel Johann in Mainz.
Johann Schöffer, der ältere Sohn Peters, ward einer der angesehensten Bürger von Mainz und hat während seines Wirkens (1502-1531) eine Menge tüchtiger Werke gedruckt, unter anderen eine Übersetzung des Livius mit Holzschnitten. In der Dedikation zu diesem Werk giebt er unumwunden Gutenberg die Ehre der Erfindung, während er bei anderen Gelegenheiten diese seinem Grossvater Fust zu vindizieren versucht hatte. In den Jahren 1519-1523 erschienen bei ihm mehrere Werke von Ulrich von Hutten und Erasmus. Er starb 1531 und hinterliess vier Töchter. In der Leitung des Geschäfts folgte ihm sein Neffe Ivo, der im Jahre 1552 kinderlos starb, gerade ein Jahrhundert, nachdem sein Grossvater mit Hand an das grosse Werk gelegt hatte. Die Druckerei ging in den Besitz von Balthasar Lips über, und wurde aus dem Hofe „Zum Humbrecht“ verlegt.
Johann Schöffer ii, der Sohn des obengenannten, etablierte sich später in Herzogenbusch, wo seine Nachkommen das Geschäft bis 1796 fortführten, zu welcher Zeit die Familie mit einem Jakob Schöffer ausstarb.
Einen guten Namen hat sich TÜBINGEN, seit 1477 Universitätstadt, erworben. Eingeführt wurde die Kunst durch Johannes Ottmar 1498. Eine interessante Episode bildet um die Mitte des [133] xvi. Jahrh. der slawische Bücherdruck in Tübingen und Urach[6]. Der Primus Truber, 1531 Domherr in Laibach, war der Lehre Luthers ergeben. Um drohenden Verfolgungen zu entgehen, griff er zur Flucht und erhielt eine Predigerstelle in Rotenburg a. d. Tauber, später in Kempten. Sein sehnlichster Wunsch war, seinen wendischen Landsleuten die Bibel in ihrer Sprache schaffen zu können. Nach vielen Schwierigkeiten brachte er einen Katechismus zustande, stiess aber auf Zensurhindernisse in Neuenburg und Schwäb. Hall und musste den Druck (1550) heimlich in Tübingen veranstalten. Auf Veranlassung des Bischofs Paulus Vergerius, welcher, der Religion wegen geflüchtet, sich in Graubündten aufhielt, übersetzte er das Evangelium Matthäi. Den Druck übernahm die Morhardsche Buchdruckerei in Tübingen auf Kosten des Herzogs Christoph von Württemberg. Später wurde jedoch eine Presse nach Reutlingen verlegt. Das erste Evangelium in wendischer Sprache erschien 1555; im Herbst 1557 war der ganze erste Teil des Neuen Testaments vollendet, 1560 der zweite.
Ein Hauptförderer des slawischen Drucks war Hans Ungnad, Freiherr von Sonnegg. Er schickte den Priester Stephan Consul, der schon Truber behülflich gewesen war, im Jahre 1560 nach Nürnberg, um bei dem Stempelschneider Joh. Hartwach und bei dem Schriftgiesser Simon Auer glagolitische Schriften (vgl. S. 76) nach seiner Anweisung fertigen zu lassen. Später liess er die beiden Genannten nach Urach, wo Truber Pastor geworden war, kommen (1561), um unter dessen und des nach Urach berufenen Anton Dolmatas Aufsicht cyrillische Schriften zu schneiden, überhaupt eine Druckerei einzurichten, die unter Steph. Consuls Leitung stehen sollte. Auch andere Gelehrte aus Serbien und Bosnien wurden berufen. Waren Typen für die slawischen Sprachen nicht in genügender Menge vorhanden, so wurde auch in italienischer Sprache gedruckt. Nach Ungnads Tod (1564) geriet die Druckerei ins Stocken, die Typen wanderten, nach der Schlacht bei Nördlingen von den Kaiserlichen gefunden, als Geschenk Kaiser Ferdinands iii. nach Rom in die Druckerei der Propaganda. Tübingen brachte auch [134] 1522 den ersten hebräischen Druck, die durch Reuchlin herausgegebenen Buss-Psalmen.
Hier stand auch die geschäftliche Wiege des weltberühmten Cottaschen Etablissements. Die Familie Cotta war eine der ältesten und reichsten Adelsfamilien der Lombardei und behauptet, ihre Ahnen bis in die römische Konsularzeit verfolgen zu können. Durch ihre Parteinahme gegen Franz Sforza ging sie ihrer Güter verlustig und wanderte nach Deutschland aus. Bonaventura Cotta, der Stammvater des im Buchhandel und Buchdruck berühmten Zweiges der Familie, liess sich in Sachsen nieder. Durch die Verhältnisse darauf angewiesen lernte Joh. Georg Cotta den Buchhandel bei Zimmermann in Wittenberg, ging 1640 nach Tübingen und erwarb durch Heirat das frühere Brunnsche Geschäft. Der Glanz des Hauses gehört der nächsten Periode.
Nach HEIDELBERG, das durch seine Bibliothek in Ruf stand, war der berühmte Hieronymus Commelinus (1587-1597) gekommen. Seine Ausgaben griechischer und römischer Schriftsteller, unter welchen Athanasius und Chrysostomus besonders geschätzt werden, sind so angesehen wie die Drucke der Stephane und der Aldi. Die Offizin wurde nach Commelinus' Tod von Judas Bonnutius fortgesetzt. In Heidelberg druckte auch Ernst Vögelin, der Leipzig auf Grund seiner krypto-calvinistischen Schriften hatte verlassen müssen. Das Vorzüglichste in Bezug auf typographische Ausstattung dürften wohl die römischen Geschichtschreiber von Haurisius sein.
STRASSBURG zeichnet sich in zweifacher Beziehung aus, erstens durch eine grosse Zahl von bedeutenden illustrierten Werken, dann durch die lebhafte Beteiligung der Humanisten bei seiner litterarischen Produktion. Die Stadt hatte seit 1459 ihre Universität und das benachbarte Schlettstadt war der Sitz einer gelehrten Schule, wo der Humanismus besondere Pflege fand. Namentlich waren es Jakob Wimpfeling, Johann Geiler von Kaisersberg und vor allen Sebastian Brant, welche zum Schluss des xv. und zum Beginn des xvi. Jahrhunderts einen grossen Einfluss übten.
Was die bildende Kunst betrifft, so besass Strassburg schon im xv. Jahrh. nicht allein den bedeutendsten Kupferstecher Martin Schongauer, sondern war auch im Holzschnitt sehr produktiv. [135] Kein deutsches Buch damaliger Zeit hatte einen so durchgreifenden Erfolg gehabt wie Seb. Brants zuerst in Basel (vergl. S. 44) erschienenes „Narrenschiff“, zu welchem er, nach Behauptung Einiger, selbst Zeichnungen, sogar Holzschnitte geliefert haben soll. Wenn dies auch nicht der Fall gewesen wäre, so beweist wenigstens dieses Werk und die Beteiligung Brants bei verschiedenen der bedeutenden Unternehmungen des Johann Reinhard, genannt Grüninger (1483-1528), welch grosses Gewicht dieser merkwürdige Mann und Schriftsteller auf die Verbindung von Text und Illustration legte.
Die Hauptwerke Grüningers sind der „Horaz“ in 4°, aus d. J. 1489; der „Terenz“ in Folio, von 1496; besonders aber der „Virgil“ in Folio, von 1492, mit über 200 „sorgfältig ausgeführten, durch Seb. Brant beigefügten Figuren und Bildern“, von welchen etwa 40 die Grösse von zweidrittel, 170 von einer halben Folioseite haben. Einen sonderbaren Eindruck machen die Helden und Götter in dem Kostüm des xvi. Jahrh. Eine in Lyon gedruckte Ausgabe bringt, ohne Wissen Seb. Brants, ausser den Holzschnitten der Strassburger eine Anzahl von weniger zarter Natur, die er in der letzteren unterdrückt hatte. Es ist dieses Buch nächst dem Theuerdank eins der interessantesten illustrierten Werke des xvi. Jahrh. Kunstkenner haben behauptet, die Schnitte seien Metallhochschnitte, sie sind aber die Beweise dafür schuldig geblieben.
Ein merkwürdiges Buch ist die von Grüninger gedruckte Logica memorativa, ein Lehrbuch der Logik des Thomas Murner in Krakau in Form von Spielkarten. Die erste Auflage war in Krakau erschienen; der Verfasser erlitt als Zauberer den Flammentod. Auch zwei grosse illustrierte Ritterromane erschienen bei Grüninger, die wahrhaftige Historie von Hug Schapler, einem Fleischersohn, der die Krone Frankreichs errang (als Hugo Capet) und die Geschichte einer französischen Königstochter, die nach vielem Unglück Königin von England wurde. 1503 erschien bei ihm: Hortulus animæ mit 57 Holzschnitten von Hans Springinklee und Erhard Schön.
Johann Knoblauch brachte 1508 eine „Passion“ mit 25 Blatt von Urse Graff, ferner Geiler von Kaisersbergs „Granatapfel“, von Hans Baldung illustriert.
[136] Ausser den Genannten druckten noch Joh. Scott, Wendelin Richel, Reichart Beck, Bernh. Jobin u. a. viele illustrierte Ausgaben. Besonders nennenswert sind Jobins: Icones illustrium virorum, recensente Nic. Reusnero, 1587, mit Zeichnungen von Tob. Stimmer. Zu HAGENAU waren Heinr. Grau und Theodor Anselm unternehmende Verleger, die mit auswärtigen Künstlern von Rang, z. B. mit Hans Schaeuffelein, in Verbindung standen. Ein Elsasser Formenschneider, Jakob von Strassburg, gab 1503 in Venedig den „Triumphzug Cäsars“ in 12 Folioblättern heraus.
Das Auftreten der Renaissance in Strassburg beginnt mit Joh. Wächtlin, genannt Pilgrim oder der Meister mit den gekreuzten Pilgerstäben, der Maler und Formenschneider zugleich gewesen sein soll. Er zeichnete sich namentlich durch den xylographischen Farbendruck aus. Mit dem „Clair-obscur-Druck“ sollte durch zwei oder drei Holzstöcke mit verschiedenen Farben die Wirkung der damals sehr beliebten Federzeichnungen auf farbigem Papier mit weiss aufgesetzten Lichtern erreicht werden. Der Ursprung gehört jedenfalls Deutschland, in der Weiterbildung war jedoch bald Italien voran.
Nur wenige Städte haben auf eine so glanzvolle Druck-Periode zurückzublicken, wie BASEL auf seine in der ersten Hälfte des xvi. Jahrh. Selten haben Wissenschaft, Kunst und Technik brüderlicher zusammen gewirkt, als dort. Namentlich ist es das Dreigestirn Froben, Petri und Oporinus, welches einen hellen Glanz verbreitet.
Johannes Froben (geb. um 1460, gest. im Okt. 1527) stammt aus Hammelburg in Franken. Er bezog die Universität zu Basel und bekam durch die Bekanntschaft mit Ammerbach, in dessen Offizin er als Korrektor arbeitete, Lust zur Buchdruckerei. Im Jahre 1491 fing er seine Thätigkeit mit dem Druck einer Bibel in höchst zierlicher Schrift an. Seine Hauptwirksamkeit beginnt aber erst von der Zeit, als Erasmus 1514 nach Basel zog und seine Wohnung im Frobenschen Hause aufschlug, wo er mit wenigen Unterbrechungen bis zu seinem Tode weilte. Erst mit vier, dann mit sieben Pressen druckte er über dreihundert, meist sehr bedeutende Werke, darunter die erste griechische Ausgabe des Neuen Testaments.
[137] Das Verhältnis zu Erasmus erweckte grossen Neid unter Frobens Kollegen; aber nicht nur mit dem Neide, sondern auch mit dem Nachdruck und anderen geschäftlichen Sorgen hatte er zu kämpfen. Neben den Vorteilen, welche die Verbindung mit Erasmus ihm brachte, musste er den Nachteil mit in den Kauf nehmen, dass Luthers Schriften, die vorzugsweise nachgefragt wurden, und alle anderen Schriften in den Hintergrund drängten, von seiner Druckthätigkeit ausgeschlossen blieben, während sein Kollege, Adam Petri, der Luther-(Nach-)drucker Basels wurde.
Trotz aller Thätigkeit erwarb Froben kein Vermögen. Eine nicht gut geregelte Wirtschaft und die Ausgaben, die er auf seine Druckwerke, namentlich auf eine sorgfältige Korrektur derselben, verwendete, waren zu gross. Als Korrektoren, oder „Kastigatoren“ wirkten für ihn, ausser Erasmus, namentlich sein Schwiegervater Wolfgang Lachner, dann Marc. Heiland, Wolfg. Musculus und Joh. Oecolampadius. Zu den Titeln liess er sich meist Zeichnungen von Hans Holbein d. j. und Urse Graff liefern. Froben verlor sein Leben infolge eines Falles von einer Leiter. Die Vollendung seines Lieblingswerkes, der schönen Ausgabe des Augustinus, welche er im Verein mit Ammerbach und Petri angefangen hatte, sollte er nicht erleben, aber sein treuer Freund Erasmus that alles, damit die Ausgabe im Interesse der Kinder Frobens rasch gefördert wurde. Der Sohn Hieronymus Froben (geb. 1501, gest. 1563) hielt das Verhältnis zu Erasmus aufrecht, der in Frobens Hause „Zur Luft“ im Jahre 1536, siebenzig Jahre alt, starb. Hieronymus druckte später im Verein mit seinem Schwager Nikolaus Episcopius d. ä. (Bischoff) und seinen Söhnen Ambrosius und Aurelius Froben eine Reihe von bedeutenden Werken[7].
Johannes Petri, zu Langendorf an der Saale 1441 geboren, ward 1488 Bürger von Basel. Er druckte nur wenige Bücher allein, die meisten gemeinschaftlich mit Ammerbach und Froben. Er brachte seinen sechsjährigen Neffen Adam Petri (geb. 1482, gest. um 1525), der nach Johannes' Tod (1511) das Geschäft übernahm, mit nach Basel. Die Reformatoren, namentlich Luther, wurden gute Beute für seine Pressen. Blitzschnell folgten seine Nachdrucke den [138] Originalen auf dem Fusse. Luthers Neues Testament erschien im Sept. 1522; im Dez. war schon der Nachdruck Petris da. Er machte bessere Geschäfte als sein Freund Froben und scheint trotz seiner reformatorischen Druckthätigkeit gut katholisch gesinnt gewesen zu sein, wenigstens stand er in dem besten Verkehr mit den Kartäusern. Für die künstlerische Ausschmückung seiner Druckwerke arbeitete namentlich Hans Schaeuffelein. Der Sohn Heinrich Petri (geb. 1508, gest. 1579) studierte erst die Medizin, übernahm jedoch später die Druckerei und führte sie mit Eifer fort. Vom Kaiser Karl v. wurde er in den Ritterstand erhoben.
Die Druckthätigkeit seiner Nachfolger war seit 1620 nur eine geringe, doch bestand die Firma noch 1660. Durch verschiedene Hände kam die Offizin schliesslich in die Thurneisens und Schweighausers.
Zu grossem Ansehen gelangte auch Johannes Oporinus[8] (Herbster). Unter ärmlichen Verhältnissen am 25. Jan. 1507 zu Basel geboren, wurde er in einem Kontubernium armer Schüler in Strassburg, woher sein Vater stammte, erzogen. Später bekleidete er eine Lehrerstelle an der Klosterschule St. Urban im Kanton Luzern, gab jedoch, von der neuen Lehre angezogen, jene auf, fand 1526 bei Froben Beschäftigung als Korrektor und gewann die Freundschaft des Erasmus. Später folgte er dem berühmten Theophrastus Paracelsus als Famulus nach Strassburg, wo er unter dessen Leitung die Medizin studierte, kehrte jedoch nach zwei Jahren nach Basel zurück und wirkte als Professor erst im Lateinischen, dann im Griechischen. Im Jahre 1539 kaufte er mit drei Anderen, darunter seinem Schwager Rob. Winter, die Offizin des Andreas Brabander. Die Teilnehmer wirtschafteten jedoch nicht gut und Oporin versuchte es nun mit Winter, später, unter schweren Sorgen, allein.
Oporin wetteiferte in Beziehung auf Schönheit der Ausgaben, Sorgfalt der Korrekturen und inneren Wert der Verlagswerke mit Froben. Selbst sehr wissenschaftlich gebildet, stand er mit vielen Gelehrten in innigem Verkehr und zeigte in allen Verhältnissen einen eisernen Fleiss und eine unermüdliche Ausdauer. Er beschäftigte über fünfzig Arbeiter und druckte mehr als siebenhundert und [139] fünfzig grössere und kleinere Werke, darunter viele von ihm selbst emendierte oder übersetzte Klassiker.
Bis jetzt hatte man den Holzschnitt hauptsächlich nur als künstlerischen Schmuck der Bücher verwendet, jetzt sollte man durch die berühmte Ausgabe von Vesalius' Anatomie verstehen lernen, welchen Wert der Holzschnitt für den wissenschaftlichen Zweck und das leichtere Verständnis eines Werkes hat. Der berühmte Arzt und Anatom Andreas Vesalius hatte in Venedig von Johann de Calcar, einem Schüler Tizians, zahlreiche Holzschnitte anfertigen lassen, durch die mit grossem Talent die Anatomie des Menschen erläutert wurde. Diese sandte Vesalius seinem Freunde Oporin (1543), um damit sein Werk: De humani corporis fabrica zu illustrieren. Das grosse Portrait Vesalius' an der Spitze des Buches konnte für ein Meisterwerk Tizians gehalten werden. In seiner Sorgfalt um den guten Druck ging Vesalius so weit, dass er den Faktor der berühmten Bombergschen Druckerei in Venedig mitfolgen liess, dass er die Ausführung überwache. Um so mehr mussten ihn die schlechten Ausgaben der Nachdrucker empören.
Im Jahre 1566 zog sich Oporin von dem Geschäft zurück und starb am 6. Juli 1568. Er war viermal verheiratet, ohne jedoch besonderes häusliches Glück zu geniessen.
Unter die verdienten Buchdrucker Basels gehören ferner Michael Isengrin, welcher eine zweite, die erste des Aldus Manutius an Schönheit übertreffende, vollständige Ausgabe des Aristoteles druckte, dann auch Josias Münsch (1550), Konrad von Mecheln (1685) und Emanuel Thurneisen.
Mit Stolz blickt ZÜRICH auf Christoph Froschauer[9] (oder Froschower), dem es zu einem grossen Teil die Blüte seines litterarischen Lebens verdankt. Im xv. Jahrhundert zeigt sich in Zürich noch keine Spur der Buchdruckerkunst. Der erste bekannte Druck ist ein, am 6. Januar 1504 von dem Rate erlassenes Mandat, ohne Namen des Druckers. Wahrscheinlich war dieser Hans am Wasen, [140] der 1508 einen Kalender mit guten Vignetten druckte. Von Wasen hörte man weiter nichts.
Erst 1519 erhielt Christoph Froschauer aus Neuburg bei Oetting in Bayern das Bürgerrecht. Sein Geburtsjahr kennt man nicht; es fällt jedoch wahrscheinlich in das zweitletzte Jahrzehnt des xv. Jahrh. Ob Christoph ein Verwandter des Augsburger Druckers, Johann Froschauer, war, ist nicht bekannt.
Froschauer war ein wissenschaftlich gebildeter, sehr thätiger und zugleich glücklich spekulierender Mann. Er schloss sich sofort Zwingli an und blieb diesem und der Reformation ein innig ergebener, wenn auch nicht zelotischer Freund. Seinem Beruf gab er sich mit grosser Liebe und mit heiligem Ernst hin. Das ihm entgegengetragene Vertrauen und den erworbenen Wohlstand verwendete er in der edelsten Weise.
Seine ersten datierten Drucke fallen in das Jahr 1521. Es waren zwei von dem gelehrten Leo Jud ins Deutsche übersetzte Schriften des Erasmus: „Ein klag des Frydens“ und „Ein nützliche wndervisung eines Christenlichen Fürsten wol zw regieren“. Von Zwingli erschienen bei ihm gegen 80 Schriften, oft in mehreren Ausgaben, einige davon druckte Hans Hager (1520-1526). Von da ab hörte man vom letzteren nichts mehr, und Froschauer war der alleinige Drucker bis 1554, als sich Andreas Gessner, ein naher Verwandter des bekannten Conrad Gessner, etablierte. Zahlreiche Schriften von Leo Jud, Rod. Gualther (Walther), C. Pellikan, Peter Martyr, Ludwig Lavater und namentlich von Heinrich Bullinger, ausserdem eine grosse Anzahl Ausgaben der Klassiker wurden von Froschauer verlegt.
Seine wichtigste Thätigkeit war jedoch sein Bibeldruck. In den Jahren 1524-1529 stellte er die erste vollständige Schweizerausgabe der Bibel in Folio fertig, und von da ab verging selten ein Jahr, in welchem nicht entweder die ganze Bibel oder wenigstens Teile derselben in deutscher, lateinischer, selbst in englischer Sprache erschienen. Zu der ersten deutschen Ausgabe wurde mit Ausnahme der poetischen und prophetischen Bücher, welche von Schweizer Gelehrten übersetzt wurden, die lutherische Übertragung benutzt. Später führten Einheimische das ganze Werk aus. Im Jahre 1535 wurde die berühmte englische Bibel, von Moses Coverdale übersetzt [141] und mit Holzschnitten von Hans Sebald Beham illustriert, gedruckt. In den Jahren 1524-1564 erschienen nicht weniger als 27 Ausgaben der vollständigen Bibel und viele Abdrücke des Neuen Testaments. Anfänglich benutzte Froschauer die Antiquaschrift, später veranlasste er den Schnitt einer an die Schwabacher sich anlehnenden Schrift, liess Vignetten und Initialen anfertigen und verwandte überhaupt die grösste Sorgfalt auf die Ausstattung. Die lateinischen Ausgaben der Bibel waren von den Gelehrten sehr geschätzt.
Mit der Erweiterung des Geschäfts musste er auch nach einer grösseren Lokalität suchen und fand eine solche in einem ehemaligen Barfüsserkloster. Als diese Räumlichkeit jedoch i. J. 1551 eine andere Bestimmung erhielt, kaufte er ein früheres Dominikaner-Frauenkloster, welchem er den Namen: „Die Froschau“ gab, den es noch heute trägt. Auf dem Brunnenhäuschen dort befindet sich noch sein Insignium. Er modelte dasselbe in verschiedener Weise um, immer blieb jedoch der Frosch ein Hauptbestandteil. In der ältesten Ausführung wird dieser von einem behelmten Knaben geritten, der in der Linken den Zaun, in der Rechten eine Fahne, mit der Inschrift CR. FR., hält.
Die Frankfurter Messe besuchte Froschauer eine lange Reihe von Jahren zweimal jährlich und machte mit seinem Verlage vorteilhafte Geschäfte. Mit Gelehrten des In- und Auslandes stand er auf dem freundschaftlichsten Fusse und zeigte sich ihnen gefällig, wo er nur konnte; so räumte er beispielsweise ein ihm gehörendes Haus flüchtigen englischen Gelehrten vollständig ein, die sich mehrere Jahre hindurch in Zürich aufhielten.
In seinem Geschäft wurde er getreulich von seinem Bruder Eusebius und von dessen Söhnen Eusebius und Christoph unterstützt. Kinderlos verheiratet, hinterliess er dem Neffen Christoph Froschauer das ganze Geschäft zu sehr billigen Bedingungen. Er starb hochbejahrt am 1. April 1564. Der Neffe blieb unverheiratet. Nach dessen Tode, 2. Febr. 1585, wurde das Geschäft noch bis 1590 fortgeführt und dann aufgelöst. Die Druckerei ging auf Johann Wolf über, der jedoch noch bis 1595 einzelnen Werken die Bezeichnung typis Froschovianis beifügte. Das Verzeichnis des Froschauerschen Verlags zeigt 1564 bereits 601 Nummern, von da bis 1595 noch 264. Im J. 1626 kam die Druckerei in den Besitz der Familie [142] Bodmer, 1723 an Heidegger & Rahn und wurde 1765 mit der Orellschen Buchdruckerei, die jetzt noch blüht, vereinigt.
ST. GALLEN erhielt erst 1578 eine Buchdruckerei durch Leonhard Straub, der eine sorgfältige Erziehung genossen und in den besten Offizinen gearbeitet hatte. Ein von ihm gedruckter Wandkalender hat eine zu merkwürdige Geschichte, um sie hier mit Stillschweigen zu übergehen. Auf dem Kalender waren die Wappen der 13 Kantone, darunter das Appenzeller, ein Bär, abgebildet. In Appenzell bemerkte man indes, dass es eine Bärin, nicht ein „männlicher Bär“ sei! Grosse Aufregung entstand; man verlangte Rüstung zu einer Fehde gegen St. Gallen. Der dortige Rat erbat sich drei Tage Bedenkzeit, die aber nicht gewährt wurde. In dieser kritischen Lage übernahm der Abt von St. Gallen die Vermittelung. Der Bär hatte jedenfalls nur den Vorwand abgegeben, der arme Straub musste jedoch Abbitte leisten und eidlich erklären, er habe nur aus Einfalt gehandelt. Straub lebte in ewigem Hader mit der Zensur; schliesslich musste er die Stadt verlassen, und starb 57 Jahre alt 1607 in Konstanz. Sein Geschäft blühte noch im Besitz seiner Söhne und Enkel über hundert Jahre fort[10].
In WIEN eröffnete Hieronymus Victor aus Liebenthal im Fürstenthum Jauer seine Offizin im Jahre 1510. Die Kunst hatte er wahrscheinlich in der Hallerschen Druckerei in Krakau erlernt. Er vereinigte sich mit Joh. Singriener aus Oetting in Bayern, trennte sich jedoch 1514 wieder von ihm, worauf letzterer seine eigene Druckerei eröffnete. Joh. Singrieners Wirksamkeit durch 33 Jahre war eine bedeutende und eine grosse Zahl gut ausgestatteter Werke ging aus seiner Offizin hervor, unter welchen das 1517 erschienene Tripartium opus juris consuetudinarij incluti regis Hungarie, über 70 Bogen stark, einen bedeutenden Platz einnimmt. Die vielen in dem Werk vorkommenden Druckfehler entschuldigt der Drucker damit, dass er das Werk in 40 Tagen (!) habe liefern müssen, eine Leistung, die selbst heute für eine grosse Druckerei eine bedeutende gewesen sein würde. Singriener war nicht nur ein tüchtiger Buchdrucker, sondern auch ein wissenschaftlich gebildeter, von den Gelehrten und Geistlichen gern gesehener Mann. Unter seinen vielen [143] Drucken sind besonders schön ausgeführt: Pomponius Mela in Fol.; Bandinus auf Pergament; Cicero, Pro lege Manilia. Seine Söhne Matthäus und Johannes setzten das Geschäft fort, bis es mit dem Tode des letzteren erlischt.
Hans Kohl (Johannes Carbo) gehörte zu den fahrenden Buchdruckern und arbeitete in Wien von 1549 bis 1551. Er war gut mit deutschen, hebräischen und griechischen Lettern versehen und druckte zuerst in Verbindung mit Aegidius Adler (Aquila), aus den Niederlanden gebürtig. Im J. 1550 arbeitete letzterer allein und übertraf seinen früheren Compagnon durch die Menge und Schönheit seiner Ausgaben. Er starb bereits am 17. Aug. 1552.
Die Offizin wurde von Michael Zimmermann (Cymbermannus) übernommen, dem bedeutendsten Buchdrucker Wiens aus dieser Zeit. Er druckte Werke in italienischer, spanischer, arabischer, hebräischer und syrischer Sprache, zu denen er die Schriften von Kaspar Kraft aus Ellwangen bezogen hatte. Seine Ausgaben schmückte er mit rotem Druck, sowie mit illuminierten Figuren und Landkarten.
Ein Pole, Rafael Hofhalter (Skrzetuski), der sein Vaterland auf Grund religiöser Misshelligkeiten verlassen hatte, kam nach vielen Wanderungen nach Wien, wo er mit Kaspar Kraft, 1556, ein Privilegium für eine Buchdruckerei „mit schönen, zierlichen, auf die neue französische Art geschnittenen Buchstaben“ erhielt. Er lieferte sehr hübsche Ausgaben. Eine interessante Erscheinung ist das bei ihm (1561) erschienene „Thurnier Buch“ mit einem kunstreich geschnittenen Titel und Wappen in Holzschnitt, sowie mit sieben grossen und kostbaren Kupferstichen, von Hanns Lautensack gestochen. Im Jahre 1562 wanderte Hofhalter, ebenfalls wohl aus religiösen Gründen, nach Ungarn aus; 1565 druckte er in Debreczin calvinistische Schriften. Sein Sohn Rudolph betrieb die Buchdruckerei in Grosswardein und folgte später dem Ruf des Fürsten Johann nach Weissenburg in Siebenbürgen.
Ferdinand i. hatte 1551 die Jesuiten nach Wien berufen. Der Rektor Johann Victoria, ein geborener Spanier, kam auf den Gedanken, zum besten der Religion und armer Studenten durch milde Beiträge eine Druckerei anzulegen, die schon 1559 eröffnet wurde. Ein Hauptartikel war der, auf Befehl des Kaisers von dem bekannten Pater Canisius aus Nymwegen verfasste Katechismus, [144] der in viele Sprachen übersetzt wurde und noch jetzt in österreichischen Volksschulen im Gebrauch ist. Die Druckerei hörte 1565, kurz nach dem Tode des kaiserlichen Beschützers der Jesuiten, auf, und wurde 1577 als „Zeug“ an den Generalvikar von Gran, Nikolaus Telegdi, verkauft, der damit eine Druckerei zu Tyrnau gründete.
Die Buchdruckerkunst in Wien hatte, namentlich durch Fremde gepflegt, im xvi. Jahrh. im ganzen genommen auf einer hohen Stufe gestanden. Dasselbe war mit der Xylographie der Fall. Unter den Verlegern, die eine besonders gute Einwirkung auf die Wiener Buchdruckerei dieser Periode übten, ist die Familie Atlantsee zu erwähnen, die unter den Buchhändlern damaliger Zeit einen bedeutenden Namen hatte, namentlich was Lukas Atlantsee betrifft.
Im xvii. Jahrh. dagegen ging es zu Wien, wie überall, mit der Kunst zurück. Die Folgen des dreissigjährigen Krieges und der Türkenkriege blieben nicht aus; die Bedeutung der Wiener Buchdruckereien sank fast auf ein Nichts und die meisten Verlagswerke wurden in Nürnberg, Augsburg und Ulm gedruckt. Der bedeutendste Wiener Drucker ist Johann von Gehlen. Er stammte aus einem alten westfälischen Geschlecht und war zu Antwerpen am 17. Mai 1645 geboren, widmete sich den Studien und erlernte dann den Buchhandel und die Buchdruckerei. Durch Geschicklichkeit und Fleiss erwarb er sich bald ein Vermögen, sodass er 1672 die Buchdruckerei seiner Schwägerin, der Witwe des Buchdruckers J. B. Haquet, kaufen konnte. Er war in Besitz bedeutender linguistischer Kenntnisse und erwarb sich die Freundschaft der Gelehrten. Vom Kaiser Leopold i. erhielt er im Jahre 1678 das Privilegium eines k. k. italienischen Hofbuchdruckers und wurde ermächtigt, eine italienische und lateinische Zeitung herauszugeben. Während der Belagerung von Wien durch die Türken liess er die Druckerei ruhen und stellte sich in die Reihe der Verteidiger. Nach aufgehobener Belagerung versuchte er eine deutsche Zeitung zu gründen, welche in unbestimmter Zeitfolge herausgegeben wurde. Die Regierung, welche das nützliche einer regelmässigen Zeitung einsah, sicherte einer solchen bedeutende Vorteile zu, infolgedessen Gehlen die erste regelmässige Zeitung unter dem Titel „Posttäglicher Mercurius“ 1703 zweimal wöchentlich herausgab. Am 8. Aug. d. J. begann er eine zweite politische Zeitung „Das Wiener Diarium“, [145] ebenfalls posttäglich. Dasselbe wurde später Organ der Regierung und es entstand daraus die k. k. privilegierte Wiener Zeitung.
Gehlen starb am 13. Mai 1724, 72 Jahre alt. Sein Sohn Joh. Peter Gehlen wurde in den Adelstand erhoben.
BRESLAU hatte in seiner „Stadtbuchdruckerei“ ein sehr angesehenes Geschäft, das noch nach 350 Jahren blüht. Der Begründer Andreas Winkler war ein gelehrter Mann, der in Krakau studiert hatte und die Kunst in echt wissenschaftlichem Sinne (1538-1555) übte. Auf ihn folgten Crispinus Scharffenberg, dessen Sohn Johann, dann Georg Baumann und dessen gleichnamiger Sohn; die späteren Nachfolger gehören der nächsten Periode an.
Es wurde schon früher erwähnt, dass ein solches Zusammenwirken der zeichnenden Kunst, der Xylographie und der Buchdruckerei, welches im Süden Deutschlands eine gar stattliche Reihe herrlicher Drucke zuwege brachte, in dem Norden Deutschlands nicht angetroffen wird, wo die Presse sich hauptsächlich nur als treue Dienerin der Wissenschaft und der Reformation zeigte. Es gilt dies ganz besonders von LEIPZIG[11], welches dieser Aufgabe bis auf den heutigen Tag treu geblieben ist. Kunstbegeisterte Fürsten und Künstler ersten Ranges besass Leipzig nicht; Schule und Universität waren die Mäcene seiner Buchdruckereien. Leipzigs Klassiker-Ausgaben zeichnen sich durchweg durch ihre Sauberkeit und Genauigkeit aus und viele derselben stehen noch heute neben den Aldinen und Juntinen in Ansehen. Gelehrte Männer verschmähten es nicht, die Korrekturen zu übernehmen, und Leipzig hat es verstanden, sich den Ruhm der Sorgsamkeit für die Textreinheit seiner Presserzeugnisse zu wahren.
Als Mann von Geschmack ist Martin Landsberg aus Würzburg (1499-1516) zu erwähnen. Er gehörte zu den gelehrten Buchdruckern, interessierte sich sehr für die Herausgabe wissenschaftlicher Werke und machte sich namentlich durch seine Klassiker-Ausgaben bemerkbar. 1519 siedelte er nach Halle über. Wolfgang Stöckel [146] (Molitor), aus München, ward in Erfurt, wo er eine zeitlang eine Buchdruckerei hatte, Bakkalaureus. 1495 kam er nach Leipzig. Er druckte hauptsächlich Klassiker: Ovid, Priscian, Seneca, Aristoteles, später theologische Schriften, von welchen die, bis zum Jahre 1520 gedruckten, Partei für Luther nehmen, zumteil von diesem verfasst waren. Von da ab wurde er ein heftiger Gegner der Reformation und druckte schon im Jahre 1520 eine Streitschrift des Franziskaner Alveld, eines der erbittertsten Gegner Luthers; wahrscheinlich ist er auch der Drucker der Schriften Emsers gegen jenen. Herzog Georg der Bärtige rief ihn 1524 als Hofbuchdrucker nach Dresden. Valentin Schumann (1525-1535) brachte vorzügliche Klassiker-Ausgaben, darunter das erste griechische Buch Leipzigs. Jakob Thanner (Abiegnus) lieferte sehr gute Schulausgaben.
Unter den Buchdruckern, bei welchen die Reformation eine bereite Hülfe fand, ist Melchior Lotter obenan zu nennen. Er stammte aus Aue im sächsischen Voigtlande, heiratete die Tochter Kachelofens, Dorothea, und erhielt am 16. Juni 1498 das Leipziger Bürgerrecht. Ungefähr in dem Jahre 1500 wurde er der Geschäftsnachfolger seines Schwiegervaters. Die zweite Ausgabe des Meissner Missale hatten Kachelofen und Lotter gemeinsam gedruckt, von nun an ging eine grosse Anzahl Missalen, Breviarien und dergl., die das Bisthum Meissen herausgab, aus Lotters Pressen hervor. Dieser selbst siedelte, vor der Pest aus Leipzig fliehend, für eine zeitlang nach Meissen über. Seine eigene Verlagsthätigkeit auf dem Gebiete der Philosophie und der Philologie war eine ausserordentliche. Ein treuer wissenschaftlicher Mitarbeiter war ihm Hermann Tulich, der später Professor in Wittenberg wurde. Seit 1518 hatte Lotter wiederholt für Luther Druckaufträge bekommen und letzterer bewog ihn, eine Druckerei in Wittenberg anzulegen, aus der jedoch Lotter kein Segen erwachsen sollte. Er selbst übersiedelte jedoch nicht nach Wittenberg, sondern sandte seine beiden Söhne Melchior und Michael. Zum grossen Teil sind die zahlreichen Schriften, welche Luther im Anfang der zwanziger Jahre in die Welt sandte, aus Lotters Pressen hervorgegangen. Selbst das Monumentalwerk des Reformators, die Bibelübersetzung, wurde von diesem unternommen und schon am 21. Sept 1522 war der Druck des Neuen Testaments vollendet. Während des Drucks des Alten Testaments tritt jedoch ein Erkalten [147] des freundschaftlichen Verhältnisses Luthers zu ihm ein und Hans Lufft erscheint nun als der bevorzugte Bibeldrucker, wenngleich die Verbindung zwischen Luther und Lotter nicht ganz aufhörte. Der Grund, weshalb der letztere von dem ersteren fallengelassen wurde, und weshalb auch der Kurfürst Friedrich ihm ungnädig wurde, ist nicht bekannt. Lotters Thätigkeit, die jedoch sehr erlahmte, lässt sich noch bis Ende der dreissiger Jahre verfolgen. Er soll im Jahre 1542 gestorben sein.
Ein Buchdrucker ersten Ranges ist Valentin Bapst (1541 bis 1589). Seine Erzeugnisse werden von Kennern als den besten ebenbürtig erklärt. Ein reich illustriertes Werkchen sind die „Geistlyche Lieder mit einer neven Vorrede D. M. Luth.“. Interessant dürfte es manchem sein, aus dem Vorwort zu erfahren, wie ein so ernster Mann wie Luther über die Bücher-Illustration denkt:
„Wer nicht singen vnn sagen wil, das ist ein Zeichen, das ers nicht glaubet, vnn nicht ins new fröliche Testament, Sondern vnter das alte, faule, vnlustige Testament gehöret. Darumb thun die Drucker sehr vol dran, das sie gute Lieder fleissig drucken vnd mit allerley zierde, den Leuten angeneme machen, da mit sie zu solcher Frewde des Glaubens gereitzet werden, vnnd gerne singen. Wie denn dieser Druck Valentin Bapsts sehr lustig zugericht ist, Gott gebe, das damit dem Römischen Bapst, der nichts denn heulen, trawren vnd leid in aller welt hat angericht, durch seine verdampte, vntregliche vnd leidige Gesetze, grosser abbruch vnd schaden geschehe, Amen“.
Berühmt waren die Klassiker-Ausgaben von Ernst Vögelin (1559 bis 1578), dem Schwiegersohn V. Bapsts, sowohl hinsichtlich der technischen Ausführung als der Korrektheit, so dass sie den Aldinen gleich geachtet werden. Vögelin, selbst ein studierter Mann, wurde in Religionsstreitigkeiten verwickelt, flüchtete, und starb in Heidelberg 1590. Grossen Ruf erwarben sich Abraham Lamberg (1587 bis 1629), Henning Gross (1575 bis 1621), Gregorius Ritzsch (1624 bis 1643) und dessen Sohn Timotheus Ritzsch (1638 bis 1678), der bedeutende theologische und juristische Schriften verlegte.
Infolge der Reformation war der Schwerpunkt der Kultur immer mehr nach dem Norden verlegt. Hier wehte eine frischere [148] Luft, während der Süden weit mehr dem Einfluss der katholischen Kaiser, den Einflüsterungen des Klerus und den Plackereien der kaiserlichen Bücherkommissionen und Zensoren preisgegeben war. Auch die städtischen Behörden in Frankfurt a. M. hatten nicht den Wert eines vollständig unbehelligten buchhändlerischen Verkehrs genügend erkannt.
Nichts war deshalb natürlicher, als dass der Norden sich von den Büchermessen Frankfurts zu emanzipieren und in der berühmten Messstadt des Nordens — wo die Regierung jetzt liberaleren Ansichten huldigte, die Zensur in humanerer Weise üben liess und die Bücher von der Accise befreit hatte — einen selbständigen Büchermarkt zu gründen wünschte. Zur Michaelis-Messe 1594 erschien der erste Leipziger Messkatalog, herausgegeben von dem Buchhändler und Buchdrucker Henning Gross, zu dem sich in den Jahren 1598-1619 ein zweiter Katalog von Abraham Lamberg gesellte, der 1620 mit dem von Gross vereinigt wurde. Zwar konnte Leipzig als Verlagsplatz im Jahre 1595 nur 68 Artikel gegen 117 in Frankfurt aufweisen, aber schon 1600 war das Verhältnis ein besseres, nämlich 125 gegen 148, und 1632 trug Leipzig seinen glänzendsten Sieg davon mit 221 Werken gegen 68 aus Frankfurt. Die Messkataloge von 1565-1640 verzeichnen 8216 in Leipzig erschienene Werke, davon kommen 243, als die stärkste Zahl einer Jahresproduktion, auf das Jahr 1613.
Aber der Rückschlag der ungünstigen Zeiten sowohl für den Buchhandel als für die Buchdruckerei konnte nicht ausbleiben und Leipzig litt mit ganz Sachsen vorzugsweise unter den Drangsalen des dreissigjährigen Krieges. Mangelhafte Schriften, nachlässige Korrektur, schlechtes Papier kennzeichnen die Mehrzahl der Bücher aus damaliger Zeit. Nicht besser war es mit der Xylographie bestellt. Hiergegen halfen natürlich weder Beschränkungen der Buchdruckereien auf Leipzig, Wittenberg und Dresden, noch kurfürstl. konzessionierte Buchdruckereiordnungen, Taxen zur Regulierung der Papier- und Bücherpreise und Visitationsabschiede an die Universitäten, worin Rektor und Dekane ermahnt werden, für guten Druck und sorgfältige Korrektur zu sorgen.
Selbst nach dem endlich eingetretenen Frieden dauerte es lange, ehe sich die Buchdruckerei von ihrem tiefen Verfall erholen konnte. [149] Trotzdem hat Leipzig, selbst aus der trübsten Periode, Druckwerke und Drucker aufzuweisen, die jeder Zeit Ehre gemacht haben würden, und hörte nie auf, namhafte Werke aus allen Gebieten der Wissenschaften an das Tageslicht zu fördern. Ein wesentlicher und andauernder Aufschwung tritt jedoch erst gegen Ende des xvii. Jahrhunderts ein. Die Zahl der angesehenen Verlagshandlungen wuchs, unter denen die von M. G. Weidmann, J. F. Gleditsch, Joh. Fritsch, Joh. Fr. Zedler, Joh. S. Heinsius zu nennen sind.
Der Messkatalog[12], dieser Gradmesser des Buchhandels, wies eine Steigerung auf. Leipzig, das Frankfurt im Jahre 1604 zum erstenmale überholt hatte und von da ab bald vorangeht bald zurückbleibt, behält nun, mit Ausnahme des Jahres 1680, die Führung und weist im Jahre 1689 310 Werke gegen Frankfurts 90 auf; 1699 319 gegen 109 und im Jubeljahre 1740 253 gegen 74. Die Zahl der Presserzeugnisse Leipzigs von 1641 bis 1740 betrug 19711, wozu das Jahr 1698 mit 401 Artikeln das stärkste Kontingent stellte.
Mit den Buchhändlern mussten die Buchdrucker Schritt halten. Unter letzteren zeichneten sich aus: Heinr. Christ. Takke durch orientalische Schriften, ganz besonders aber Bernh. Christoph Breitkopf[13]. Er war am 2. März 1695 in Klausthal geboren. 1718 kam er nach Leipzig, heiratete 1719 die Witwe des Buchdruckers Joh. Kasp. Müller, und übernahm die Buchdruckerei, die damals sehr in Verfall geraten war. Breitkopfs Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit liessen ihn jedoch Gönner finden, die ihn in den Stand setzten, sich herauszuarbeiten und den „Goldenen Bären“ zu bauen, der das Geschäft 135 Jahre lang beherbergen sollte und Veranlassung zu dem Druckerzeichen dem „Bären“ gab. Der „Silberne Bär“ ward dem goldenen gegenüber 1765-67 erbaut. Die Offizin, im Jahre 1722 die dreizehnte in der Rangordnung, war 1742 schon die dritte und der Besitzer zur Zeit des Jubelfestes 1740 angesehener Oberältester der Innung, welche damals 17 Prinzipale mit 137 Gehülfen zählte. Auf dem Boden des tüchtigen Druckerhandwerks erwuchs bald ein ansehnlicher Bücherverlag, der 1723 mit einer hebräischen Handbibel begann. Die Messkataloge von 1725 bis 1761 weisen 656 Verlagswerke Breitkopfs auf. Den wesentlichen Charakter erhielt [150] der Verlag jedoch durch die engen Beziehungen Breitkopfs zu J. Chr. Gottsched und dessen Frau Luise, geb. Kulmus. Gottsched blieb bis zu seinem Ende Breitkopfs Freund und Hausgenosse im Goldenen Bären. Seine Druckerei übergab Breitkopf 1745 seinem Sohn; im Verlage wirkte er noch bis 1762 und starb hochbetagt und geehrt am 26. März 1777. Er erlebte es noch, wie Gottsched ihm 1736 prophezeit hatte, dass, obwohl er als der erste Buchdrucker Deutschlands gegolten hatte, sein Sohn ihn noch überstrahlte. Die Geschichte darf aber nicht vergessen, dass dies dem Sohne vielleicht nur dadurch möglich geworden ist, dass der Vater ihm die Druckerei in einem Zustande hinterliess, der ihm gestattete, sich ohne Schranken seinen, mitunter sehr kostspieligen Versuchen und Erfindungen hinzugeben.
Ein schlagendes Beispiel, wie das Buchdruckergewerbe mit dem geistigen Leben fällt und steigt, giebt WITTENBERG[14], wo Luthers Wirksamkeit die Kunst zu einer schnellen Blüte trieb. Melchior Lotter d. jüng. (1519-1523) begann die Reihe der Reformationsdrucker. Ihm folgte Georg Rhawe (1520-1548), welcher sowohl Schriften von Luther als von Melanchthon druckte. Sein Hortulus animæ mit Cranachs Zeichnungen ist ebenso geschätzt wie Gabr. Schnellboltzs Sammlung von Portraits in einer so vorzüglichen Ausführung, dass man die Zeichnungen Lucas Cranach zuschreibt. Der bekannteste unter Wittenbergs Buchdruckern ist Hans Lufft, „der Bibeldrucker“ (1525-1584). Er druckte 1534 die Luthersche Bibelübersetzung, die 1541, 1545 und 1546 in neuen Auflagen wiederholt wurde. Da auch die meisten andern Schriften Luthers aus seinen Pressen hervorgingen, so gewann sein Geschäft eine grosse Ausdehnung. Für den Bibeldruck allein arbeiteten fortwährend drei bis vier Pressen, und man behauptet, dass gegen 100000 Exemplare der Bibel aus seiner Offizin hervorgegangen sind. Die Pressen von Hans Weyss, Peter Seitz und Johann Kraft wurden ebenfalls durch die Reformation im Gang erhalten.
Auch in HAMBURG eröffnete die Reformation der Presse ein weiteres Feld, jedoch hatte sie hier mit einer besonderen Schwierigkeit zu kämpfen. Während die hochdeutsche Schriftsprache durch [151] die Reformation fast überall Boden gewann, blieb sie hier dem Volke ein mehr oder weniger fremdes Idiom. Die Verleger Hamburgs konnten für Werke in niederdeutscher Sprache nur auf ein kleines, mehr lokales, Publikum rechnen, anderseits die für das Volk bestimmten Schriften nicht hochdeutsch drucken. Hierin trat erst zu Anfang des xvii. Jahrhunderts eine Änderung ein.
In ROSTOCK bestand schon 1476 eine angesehene Buchdruckerei der „Brüder des gemeinsamen Lebens“. Die Reformation bereitete ihr den Untergang (1534) und zwar zum grossen Verdruss der Gelehrten. Noch im Jahre 1564 klagt der Professor Chyträus, dass es in Rostock nur einen Buchhändler mit einer Druckerpresse und einem Lehrling gebe, sodass viele gelehrte Ausländer nicht einmal wüssten, dass in Rostock eine hohe Schule vorhanden sei.
BERLIN[15] war im Jahre 1500 zwar die Residenz der Kurfürsten in den Marken, aber eine unbedeutende Stadt, die nicht einmal eine Buchdruckerei besass, während Stendal und Kloster Zinna bei Jüterbogk deren vor dem Schluss des xv. Jahrhunderts hatten (vergl. S. 53), und Frankfurt a. d. O. wenigstens 1502 eine solche, wenn auch nur in einem kleinen Massstabe, durch Martin Tretter erhielt.
Erst um das Jahr 1540, zu einer Zeit, wo der Süden Deutschlands bereits über seinen typographischen Glanzpunkt hinaus war, erfolgte die Einführung der Kunst in Berlin und zwar auf besonderen Betrieb des Kurfürsten Joachim ii., welcher 1539 Johann Weiss, der schon seit 1525 als ein anerkannt tüchtiger Buchdrucker in Wittenberg gewirkt hatte, nach Berlin berief. Das erste dort gedruckte Buch, die Kirchenordnung im Kurfürstenthum der Marken, erschien 1540.
Bis 1544 lieferte Weiss etwa 20 Druckwerke, von da ab hört man weiter nichts von ihm, und da auch die in Frankfurt a. d. O. bestehende einzige Buchdruckerei von Joh. Hanaw eingegangen war, so hatte die Mark Brandenburg 1544 keine Buchdruckerei.
Frankfurt a. d. O. erhielt endlich, nachdem Nikolaus Wolrab dort auf kurze Zeit (1547-1549) aufgetreten und dann wieder [152] verschwunden war, in Joh. Eichhorn aus Nürnberg einen tüchtigen Buchdrucker mit einem alleinigen Privilegium für die Mark ausgerüstet (1567). In Berlin findet sich aber fast 30 Jahre lang keine Spur einer Buchdruckerei, bis 1574 Leonhard Thurneysser zum Thurn als solcher erscheint.
Dieser Leonhard Thurneysser war kein gewöhnlicher, aber ein unsteter Mensch. Geboren zu Basel 1530, war er nach einander Goldschmied, Naturhistoriker, Chemiker, Bergmann, Arzt, in allen Eigenschaften tüchtig; bald arm, bald reich. Nach langen Reisen in Europa und Asien kam er 1568 zurück und erwarb sich Ruf als Arzt durch seine Wunderkuren, die er auch mit Glück an der Gemahlin des Kurfürsten Johann Georg in Frankfurt a. d. O., wo er sich wegen des Druckes seiner Werke aufhielt, übte. Der Kurfürst nahm ihn in seine Dienste und gab ihm in Berlin ein Lokal in dem Grauen Kloster, um dort zunächst für seine eigenen Werke eine Druckerei einzurichten, aber auch, um für den Kurfürsten zu drucken. Die Offizin stattete Thurneysser auf das beste nicht nur mit deutschen, sondern auch mit allerlei orientalischen Schriften aus. Später kam eine Schriftgiesserei und Holzschneiderei dazu. Seine Bücher sind sehr sorgfältig gedruckt. Bedeutend und weit verbreitet war sein Verlag von Kalendern, die zu der Zeit überhaupt fast nur von Ärzten herausgegeben wurden.
In Thurneyssers damals glänzenden Verhältnissen trat aber ein allmählicher Rückgang ein. Unruhig wie er war, siedelte er 1579 nach Basel über und ging dort eine unglücklich ausfallende Ehe ein, die durch einen Prozess ihm grossen pekuniären Verlust brachte. Nach Berlin zurückgekehrt, verliess er 1584 heimlich die Stadt und verschwand von der Bühne. Die Druckerei hatte er schon 1577 für 1100 Thaler an seinen tüchtigen Gehülfen Michael Hentzke verkauft, der bereits 1580 starb. Dessen Witwe heiratete Nik. Voltz, einen tüchtigen Buchdrucker, der jedoch aus Mangel an Mitteln gezwungen war, einen Teilhaber zu nehmen, den er in dem Rektor des Gymnasiums zum Grauen Kloster, Wilh. Hilden, fand. Sie druckten jeder unter seinem Namen, bis Voltz 1586 wieder in den alleinigen Besitz des Geschäftes kam, mit welchem er 1593 nach Frankfurt a. d. O. zog. Hier fand er 1619 sein Ende, jedoch ohne bessere Erfolge seiner Thätigkeit erreicht zu haben.
[153] Von 1593 bis 1599 tritt nun wieder eine Pause in der Druckthätigkeit Berlins ein. In diesem Jahr berief der Kurfürst Joachim Friedrich iii. Christoph Runge, Buchdrucker zu Neudamm, nach Berlin, wo er bis 1607 druckte. Sein Sohn Georg, später sein Enkel Christoph, setzten das Geschäft fort. Letzterer entwickelte mit seiner gut ausgestatteten Offizin eine bedeutende Thätigkeit. Bei ihm wurde 1615 die erste Zeitung Berlins gedruckt. Sein sorgenvolles Leben schloss im Jahre 1681[16].
Im Jahre 1660 wurde der erste Hofbuchdrucker ernannt, Georg Schultze, der eine gut eingerichtete Buchdruckerei aus Guben mit nach Berlin brachte, wo ihm im Schlosse ein Lokal eingeräumt wurde. Er starb 1685. Seine Nachfolger im Amte brachten es nicht weit, und von 1721 ab, in welchem Jahre der damalige Inhaber kassiert wurde, hört man nichts weiteres von der Schlossdruckerei.
Dieserart waren die bescheidenen Anfänge der Buchdruckerkunst in der jetzigen Kaiserresidenz, Millionenstadt und dem Hauptsitz deutscher Wissenschaft und Kunst.
DÄNEMARK[17]. Die Einführung der kirchlichen Reformation war nicht ein so entscheidender Wendepunkt in dem geistigen Leben Dänemarks, wie in dem Deutschlands. Der König Christian ii. begünstigte zwar die Bestrebungen der Humanisten und der Reformatoren, konnte sie aber während seiner unruhigen und blutigen Laufbahn nicht genügend stützen. Die erste dänische Ausgabe des Neuen Testaments wurde so zu sagen unter seinen Augen in Leipzig 1524 gedruckt. Überhaupt war der Buchdruck in Dänemark noch nicht imstande, mit den Bedürfnissen Schritt zu halten und viele Bücher wurden in Paris, Antwerpen, Köln, Lübeck, Magdeburg und Rostock ausgeführt, an letzterem Orte durch die Fratres vitæ communis, namentlich aber durch Ludw. Dietz, der 1533 Luthers Bibel plattdeutsch gedruckt hatte. Sein Name hatte in Dänemark einen so guten Klang, dass er vom König Christian iii., als dieser den Vorsatz gefasst hatte, eine schöne Ausgabe der Bibel veranstalten zu [154] lassen, nach Kopenhagen berufen wurde, wo er das Vorhaben des Königs in würdigster Weise ausführte. Der Vorschlag war von dem Reformator Bugenhagen ausgegangen, der auch die erwähnte plattdeutsche Bibel besorgt hatte, welche noch um ein Jahr eher erschien, als die erste vollständige hochdeutsche Bibel durch Hans Lufft. Dietz wurde mit seinem Gehülfen und seiner Druckerei 1548 nach Kopenhagen kostenfrei übergeführt; dort erhielt er freies Quartier, eine Ladung Holz, 200 Reichsthaler Handgeld und für jedes der 3000 Exemplare der Auflage 1 Gulden. Durch eine Abgabe von 2 Reichsthalern auf jede Kirche in Dänemark wurden die Kosten für das Papier zuwegegebracht. Am Johannistage 1550 war der Druck zur grössten Zufriedenheit beendigt und Dietz und seine Offizin wurden wieder nach Rostock gebracht. Diese Bibel ist ein vorzügliches Druckwerk, mit guten Holzschnitten geschmückt, welche teilweise schon früher in Deutschland benutzt waren. Das Portrait des Königs und ein Titelblatt sind von Jakob Binck ausgeführt. Ein anderer Deutscher, Hans Stockelmann, war der erste eigentliche Universitätsbuchdrucker (1574) und genoss als solcher bedeutende Vorteile. Die Universität besass jedoch keine rechte geistige Selbständigkeit und man blickte nach Wittenberg als nach einem Richterstuhl ohne Appell in Angelegenheiten der Kirche und der Wissenschaft. Die Zensur, die sich 1524 Eingang verschafft hatte, um gegen Luthers Schriften angewendet zu werden, wurde nun umgekehrt von den Protestanten nach Herzenslust geübt. Die Herausgabe eines Spottliedes gegen einen Bischof kostete 1586 dem Prediger Jakob Nielsen den Kopf. Die Einfuhr gedruckter Bücher wurde 1562 verboten. Ein litterarisches Eigentumsrecht erkannte die damalige Zeit nicht an. Selbstverständlich konnte der Buchhandel keine grossen Fortschritte machen; eine zunftmässige Organisation desselben bestand nicht und die Bücher waren verhältnismässig teuer und selten. Unter den Verlegern fand, wie in Deutschland, ein Tauschhandel statt; Kataloge und Bekanntmachungen waren nicht gebräuchlich, doch besuchten dänische Buchhändler die Frankfurter und die Leipziger Messen und erhielten Besuch von deutschen und holländischen Verlegern. 1614 wurden die ersten Zeitungsprivilegien erteilt.
Schriftgiessereien hatte Dänemark noch nicht gehabt und die nötigen Typen führten Deutschland und Holland ein. Nicht [155] nur das Druckmaterial, sondern auch die Arbeiter wurden aus dem Auslande geholt. Mit der Papierfabrikation wollte es auch nicht recht vorwärts gehen. Die erste Fabrik wurde auf Seeland i. J. 1576 errichtet, prosperierte aber nicht. Sogar berühmte Schriftsteller mussten den Druck ihrer Werke einstellen, weil das benötigte Papier nicht zu beschaffen war.
Im Jahre 1589 legte der berühmte Astronom Tycho de Brahe, neben seiner schon seit 1584 bestehenden Privatdruckerei auf der kleinen Insel Hveen im Öresund, auch eine Papierfabrik an; dieselbe hörte jedoch bald auf. Bei ihm hielt sich der berühmte holländische Buchdrucker und Geograph Wilh. Janszoon Blaeu längere Zeit auf und arbeitete zusammen mit ihm zu wissenschaftlichen Zwecken.
Um die Buchbinderei war es nicht ganz übel bestellt, sie wurde aber hauptsächlich von Franzosen und Deutschen betrieben. Von letzteren berief man z. B. im Jahre 1550 Christoph Schoch aus Wittenberg und Paul Knobloch aus Lübeck, um die 2000 Exemplare der obenerwähnten Bibel Christians iii. zu binden, wofür sie neben freier Station den hohen Preis von 2 Mark dänisch pro Stück erhielten.
Wie der Glanz und die Herrlichkeit der Geistlichkeit vor der kirchlichen Reformation erloschen war, so sank nach der grossen politischen Umwandlung durch die Einführung des absoluten Königtums im Jahre 1660 die Macht des Adels auf immer und damit auch die von ihm der Litteratur und den Wissenschaften gewährte Unterstützung. Ein freies, aufgeklärtes und wohlhabendes Bürgertum als Ersatz gab es noch nicht. Von den Königen wurden zwar viele Hofbuchdrucker und Hofbuchhändler ernannt, es handelte sich jedoch nur um leere Titel. Pietismus und Bigotterie herrschten in den oberen Kreisen und verbreiteten sich nach unten, um dann dem Materialismus Platz zu machen. Lateinisch war immer noch die Sprache der Gelehrten, wer nicht lateinisch schrieb, schrieb deutsch und es dauerte lange, ehe die dänische Sprache und Litteratur zu Ehren kamen. Die Zensur wurde mit Strenge gehandhabt; der Nachdruck blühte und die Einfuhr von Büchern war hoch besteuert.
Glänzend konnte demnach der Zustand der Buchdruckerei und des Buchhandels nicht sein. Hierzu kam noch der grosse Brand von [156] Kopenhagen 1728, nach welchem das Geschäft ganz darnieder lag und erst durch Georg Höpfner wieder zu Ehren kam. Im Jahre 1722 gab es ausserhalb Kopenhagens keine Presse in Dänemark, 1769 arbeiteten 12 Buchdruckereien. Vieles wurde jedoch in Deutschland gedruckt, wenn auch nicht viel besser. Ein Deutscher, Ernst Heinrich Berling, hatte um 1740 eine Schriftgiesserei angelegt, und das Verbot der Einfuhr von Schriften-Guss erlangt. Aber dieses Verbot scheint nicht beachtet worden zu sein. Die Fraktur war die allgemein gebräuchliche Type und ein Versuch des Buchdruckers Jokum Wielandt, 1723, sie durch Antiqua zu ersetzen, misslang. Im Jahre 1754 wollte man eine „Freie dänische Buchdruckerei“ begründen mit ähnlicher Tendenz wie die „Gelehrte Buchhandlung“ in Deutschland; sie endigte mit gleichem Misserfolg. Im Jahre 1720 war das erste kritische Blatt erschienen. Mit den Zeitungen sah es keineswegs gut aus. Die in deutscher Sprache geschriebenen waren reine Abklatsche der elenden Hamburger Zeitungen. 1666 erschien eine gereimte dänische Zeitung „Dansk Mercurius“. Erst ein Kopenhagener Lokalblatt „Die Nachrichten des Adress-Komptoires“ hatte einen solchen Erfolg, dass nun auch Provinzstädte Lust bekamen an dem Gewinne teilzunehmen, was dann auch die Verbreitung der Buchdruckereien mit sich brachte.
In dem mit Dänemark politisch und sprachlich verbundenen NORWEGEN ging die wissenschaftliche und litterarische Bewegung ganz in der dänischen auf, so dass die Buchdruckereien dort nicht festen Fuss fassen konnten. Das erste Buch wurde in CHRISTIANIA i. J. 1643 von einem wandernden Buchdrucker, Tyge Nielsen aus Kopenhagen, gedruckt. Eine fest angesiedelte Offizin erhielt Norwegen erst durch einen Deutschen, Valentin Kuhn.
Auf ISLAND herrschte und herrscht noch die von den eingewanderten Norwegern mitgebrachte altnordische (Norräna-)Sprache und ein reges geistiges Leben. Die Reformation ward 1551 eingeführt, und Island erhielt, noch vor dem Mutterlande, eine Buchdruckerei. Dieselbe wurde auf Veranlassung des letzten katholischen Bischofs Jon Arason durch dessen Schreiber, den Schweden Jon Matthiasson, in HOLUM eingerichtet und hier erschien 1531 das erste Buch Missale Nidarosiense (Drontheimsches Missal). Als der Bischof, ein Opfer seiner Überzeugung, gefallen war, nahm der weniger skrupulöse [157] Matthiasson die lutherische Lehre an, behielt die Druckerei und druckte mehrere evangelische Schriften. Die Offizin zog öfters hin und her und wurde 1574 von dem Bischof Guldbrand Thorlakson übernommen, mit neuem Material versehen und erweitert, so dass sie 1584 eine Folio-Bibel, von der später mehrere Auflagen erschienen, isländisch drucken konnte. Der Bischof besorgte selbst eine sehr genaue Korrektur und soll sogar die zierlichen Initialen gezeichnet und geschnitten haben. Im Jahre 1704 kam die Offizin nach SKALHOLT, wo sie über 40 Drucke lieferte, und dann, nach längerem Stillstand, 1704 nach Holum zurück.
In SCHWEDEN wurde die Bibel zum erstenmale 1521 schwedisch gedruckt; 1548 das Neue Testament in finnischer Sprache. 1594 liess Karl xi. eine königliche Buchdruckerei einrichten, deren erster Vorstand Anund Olai war, und die, bald unter deutschen, bald unter schwedischen Dirigenten, tüchtiges geliefert hat.
Sowohl Gustav ii. Adolf, als seine gelehrte Tochter, Christina, förderten eifrig die Buchdruckerkunst. Zu einer Zeit, wo diese sonst bereits anfing in Misskredit zu kommen, verlieh Gustav Adolf den Buchdruckern Einkünfte. 1626 berief er aus Deutschland Peter von Selou, damit er heilige Schriften mit russischen Typen drucke. 1636 gab er dem alten Bischofssitz STRENGNÄS eine Druckerei, nur damit der Bischof von Schonen, Laurentius Paulinus, mit grösserer Bequemlichkeit den Druck seiner Schriften überwachen konnte. Mit dem Bischof wanderte die Druckerei später nach Upsala. Dem geschickten Formenschneider und Kupferstecher Heinrich Keyser schenkte er einen, in Deutschland erbeuteten Buchdruckerei-Apparat, mit welchem Keyser, unter der Regierung Christinas, die sehr geschätzte, sogenannte Bibel der Königin Christina druckte. Bekannt ist Keyser namentlich durch sein Werk Insignia nobilitatis Suecanae mit sehr gut ausgeführten Wappen. Als Keyser sich in seinen Hoffnungen auf guten Erfolg getäuscht sah, zerstörte er in Unmut die Illustrationen, so dass das Werk sehr selten geworden ist. Der tüchtige Sohn Keysers druckte in vorzüglicher Weise die schönste Ausgabe der schwedischen Bibel, die erst 1703, nach seinem 1699 erfolgten Tode, vollendet wurde.
Die Königin Christina hatte einen bekannten Amsterdamer Buchdrucker Johann Jansson (nicht der berühmten Blaeu'schen [158] Familie angehörend) nach Stockholm berufen. Ausser festem Gehalt wurden ihm manche Vorteile, darunter freie Papiereinfuhr, zugestanden. Als die Königin die gelehrte Schule in Åbo in Finnland zur Universität erhoben hatte, berief der akademische Senat 1642 Peter Valdius als Universitätsbuchdrucker. 1713 wurde die Druckerei, auf Grund der Kriegsunruhen, nach Stockholm gebracht.
Über der in Gothenburg 1650 von Amund Grefwe errichteten Offizin ruhte ein Unglücksstern. Erst ging ein Schiff, welches neue Typen und Papier aus Hamburg bringen sollte, unter, und 1669 brannte, mit einem grossen Teil von Gothenburg, die Druckerei ab.
In UPSALA mit seiner schon 1476 gestifteten Universität hatte Paul Griis 1510 die Kunst eingeführt. Der König Karl Gustav unterstützte ihn dabei, indem er ihm die Einkünfte eines Ritterguts überliess. Griechisch, hebräisch, Runen und arabisch wurden bereits mit dem Anfang des xvii. Jahrhunderts dort gedruckt; die letztere Schrift wurde von Peter Kirsten aus Breslau eingeführt, die Runen verbesserte 1702 Peringskjöld.
In Upsala lebte auch der berühmte Gelehrte Olaus Rudbeck, bekannt durch sein grosses Werk Atlantica, sive Manheim, von welchem Band i-iii in Folio mit einem grossen Atlas in den Jahren 1675-1698 fertig wurden. Um den Druck zu fördern, hatte Rudbeck selbst 1686 eine Druckerei angelegt, mit welcher, bei dem grossen Brande Upsalas 1702, der noch in der Presse befindliche iv. Band so gründlich vernichtet wurde, dass nur 3 oder 4 Exemplare übrig geblieben sind.
LUND hatte 1666 durch Karl xi. seine Universität erhalten. Die Versuche, die 1668 und 1676 gemacht wurden, die Druckerkunst dort heimisch zu machen, waren jedoch für lange Zeit ohne rechten Erfolg.
DER DRUCKBETRIEB UND DAS BUCHGEWERBE IN DEUTSCHLAND.
Die Schriftgiesserei und die Druckschriften. Die Technik des Setzens und Druckens: Der Satzapparat, die Korrektur, die Presse, die Farbe. Prinzipal, Geselle und Lehrling. Die Buchbinderkunst. Der Buchhandel: Die litterarische Produktion, das Verhältnis zwischen Autor und Verleger.
[159] MÖGEN auch abweichende Urteile darüber herrschen, welcher Anteil an der technischen Weiterbildung der neuen Kunst dem Erfinder selbst, welcher seinen Genossen und ersten Nachfolgern gehört, so steht doch das eine fest, dass die Technik der Kunst und der mechanische Apparat, nachdem die ersten unsicheren Versuche hinter den genannten lagen, eine derartige Festigkeit im Prinzip und Abrundung in der Ausführung gewonnen hatten, dass man, trotz der Fortschritte der Gewerbe und der Anwendung wissenschaftlicher Grundsätze auf dieselben, in der langen Zeit von dem Jahre 1500 bis zu dem Jahre 1750 nicht imstande war, das Überkommene durch Neues zu ersetzen[1].
Successive Verbesserungen in der Herstellung der Schriften und des Druckes traten zwar ein, aber keine durchgreifenden Reformen. Erst zu Ende des xviii. Jahrhunderts zeigten sich die Vorboten solcher, jedoch erst dem xix. Jahrhundert war es beschieden, ihnen Fleisch und Blut zu geben.
[160] In der SCHRIFTGIESSEREI bestanden die Verbesserungen, nachdem man schon frühzeitig gelernt hatte, die Stempel in Stahl, die Matern in Kupfer, die Schriften in härterer Metallmischung herzustellen, hauptsächlich in der Einführung der nach bestimmten Regeln sich abstufenden Schriftgrössen (Kegel-System), während anfänglich Zufälligkeiten oder Laune bestimmend waren.
Leider wurde vom Beginn ab weder in Betreff des Kegels noch der Schrifthöhe eine Einheitlichkeit in allen Ländern durchgeführt. Nicht allein verfolgte jedes Land seinen eigenen Weg, sondern in den einzelnen Ländern, und zwar ganz besonders in Deutschland, herrschte Verschiedenheit, die sich sogar auf die einzelnen Städte ausdehnte, ja, selbst in den Druckereien einer und derselben Stadt sah es oft traurig genug um die Einheitlichkeit aus.
Das Giessinstrument war so eingerichtet worden, dass die Buchstaben beim Giessen einen trichterförmigen Anguss erhielten, dessen Schwere die scharfe Ausprägung des Buchstabenbildes förderte. Die Interpunktionszeichen wurden vermehrt und erhielten eine zweckmässigere, weniger prätentiöse Form. Die überaus zahlreichen Ligaturen der Buchstaben wurden auf eine kleine Zahl beschränkt und die sogenannten Auszeichnungsschriften zum Hervorheben einzelner Zeilen oder Wörter eingeführt.
Die Typen wurden mit einer Einkerbung (Signatur) versehen. Diese diente nicht allein dem Setzer als Richtschnur, um den Buchstaben gleich aus dem Kastenfach richtig zu fassen und in den Winkelhaken einzureihen, sondern auch als Unterscheidung der verschiedenen, auf einem und demselben Kegel gegossenen Schriftsorten, indem man mit der Stellung der Signatur auf der unteren, beim Satz oberen, Langseite der Type wechseln, nach Befinden auch gleichzeitig mehrere Signaturen anbringen konnte.
Mit der steigenden Zahl der Schriften war dieses Unterscheidungszeichen recht notwendig geworden. Bereits das, 1721 erschienene, Handbuch von Ernesti weist nicht weniger als 47 verschiedene Frakturschriften bei 18 Kegelstärken auf. Man sieht auch hieraus, welche grosse Ansprüche schon damals an die Schriftgiessereien und Buchdruckereien gestellt wurden. In Deutschland verdoppelten sich diese Ansprüche, denn man musste auch in Antiqua- und Kursiv-Schriften wohl versorgt sein. Das erwähnte [161] Handbuch bringt 21 Antiqua- und 14 Kursiv-Proben, daneben 11 Grade Griechisch und 9 Grade Hebräisch, ausserdem arabische, samaritanische, armenische, koptische, cyrillische, glagolitische, russische, hunnische, scytische, wendische Schriften, Runen, Choral- und gewöhnliche Noten.
War auch die eigentliche Stereotypie noch nicht zur Anwendung gekommen, so kann doch kein Zweifel darüber obwalten, dass man bereits im xv. Jahrhundert in ziemlich ausgedehnter Weise das Clichieren geübt hat, freilich noch aus freier Hand durch Eindrücken der grossen Initialen oder der Holzstöcke in ein halberstarrtes Metall oder in Thon, wodurch man eine, für das weitere Giessen verwendbare Mater gewann.
Obwohl die Frakturschrift die in Deutschland herrschende Schrift war, so zeigte sich doch keine grosse Thätigkeit in der Fortbildung derselben; wir berührten diese bereits, als von Nürnberg die Rede war (S. 129). Als Auszeichnungsschrift wurde hauptsächlich die Schwabacher Schrift, nachdem sie aufgehört hatte Buchschrift zu sein, benutzt; auch machte sich die Typographie die Kanzlei- und die Kurrentschrift dienstbar. Mit der Kanzlei nahm der herumreisende Schriftschneider Schmidt in Leipzig einen nicht üblen Versuch vor; Crabath in Prag schnitt eine schattierte Schrift mit einem starken und einem schwachen Strich. Mit der Kurrentschrift wurde zu Beginn des xviii. Jahrhunderts verschiedentlich experimentiert. Voran ging Christ. Zink in Wittenberg, ihm folgten Schmidt und in Wien von Trattnern. In Basel zeichneten sich Joh. Putorius und W. Haas aus, in Frankfurt a. M. Luther.
Noch weniger als in der Fraktur leistete Deutschland in der Antiqua. Frobens und Oporins Typen blieben noch zu Anfang des xvii. Jahrhunderts massgebend, obwohl diese selbst mehr Nachahmungen des römischen, als des verbesserten venetianischen Schnittes waren.
Als zu Ende des xvii. Jahrhunderts die Verbreitung der holländischen Ausgaben in Deutschland den Sinn für schöne Drucke geweckt hatte, fing man an, sich Matrizen aus Holland kommen zu lassen. Besonders war es der Schriftgiesser Erhard in Leipzig, welcher sich die Janssonschen Schriften anschaffte. In Nürnberg schnitt Joh. Lobinger lateinische Schriften, die Beifall fanden, [162] ebenso, in Nachahmung der holländischen, Christ. Zinck in Wittenberg. Ein eigentlicher Bahnbrecher erstand jedoch nicht unter den deutschen Schriftgiessern. Wahrscheinlich würde ein solcher auch, in Ermangelung jeglicher Unterstützung und Aufmunterung, das Schicksal so mancher Bahnbrecher gehabt haben. Unter solchen Verhältnissen findet man deutsches Geschick und Talent, wie in manchem anderen Fach, so auch in der Schriftgiesserei hauptsächlich nur im Dienste des Auslandes thätig.
DIE TECHNIK DES SETZENS UND DRUCKENS. Was den Satz-Apparat betrifft, so wurde der Setzkasten zweckmässiger eingeteilt, und für die Fraktur und Antiqua verschieden eingerichtet; auch machte die öftere Benutzung der orientalischen Schriften besondere Kästen für diese notwendig. Der „Winkelhaken“ wurde verstellbar und aus Metall angefertigt. Das „Schiff“ erhielt den Doppelboden (Zunge) zum Ausziehen, war jedoch noch von Holz. Die eisernen Schliessrahmen fanden überall Eingang.
Der Satz selbst bekam durch den Durchschuss, die Absätze, die Schmutztitel, Buch- und Kapitel-Einteilungen eine freiere, übersichtlichere Gestaltung. Die Titel in der jetzigen Einrichtung wurden allgemein, ebenso die Angabe des Druckorts und des Datums, des Druckers, später auch des Verlegers. Die kleineren Schriftgattungen gestatteten die Verwendung der kleineren, handlichen Formate. Die Zahl der letzteren war eine übergrosse, ausser den gewöhnlichsten: Folio, Oktav, Duodez und Sedez, wurden: Achtzehner, Vierundzwanziger, Zweiunddreissiger, Achtundvierziger, Zweiundsiebenziger, Sechsundneunziger oft verwendet, es kamen dazwischen aber auch noch andere vor. Die Kolumnentitel, die Signatur, die Norm und der Kustos waren an und für sich kleine, aber doch wesentliche Verbesserungen. Die Accidenzarbeiten hatten noch keine grosse Bedeutung.
Die Presse von 1750 war im Prinzip und in allen wesentlichen Bestandteilen dieselbe wie die aus dem Jahre 1500. Sie wurde aus Holz konstruiert, jedoch fertigte man nach und nach die Spindel, die Mutter, den Tiegel aus Messing oder Eisen und das Fundament und die Schienen aus Eisen. Als Verbesserer der Pressen werden namentlich Danner in Nürnberg und Wilh. Janszoon Blaeu in Amsterdam genannt.
[163] Um eine Form zu drucken war ein zweimaliges Anziehen des Bengels notwendig, da der Tiegel nicht gross genug war, um eine volle Form zu decken. Der Karren wurde deshalb erst bloss bis auf die Hälfte der Form hineingefahren und der erste Druck geübt, dann ganz hinein, damit auch die andere Hälfte gedruckt wurde.
An der Presse arbeiteten zwei Drucker, der „Pressenmeister“ und der „Ballenmeister“[2], die sich jedoch gewöhnlich in der Arbeit ablösten. Der jedesmalige Ballenmeister hatte die zwei pilzförmigen Ballen aus Holz, die mit Rosshaaren überdeckt und mit Schafleder überzogen waren, einzufärben, die von dem Farbetische entnommene Farbe durch tüchtiges Reiben der Ballen an einander gut zu verteilen und dann die Form einzuschwärzen, indem er, unter fortwährend wiegender Bewegung der Ballen, diese erst von oben nach unten und dann seitwärts auf die Schrift drückte, und länger an den Stellen, die eine besonders sorgfältige Einfärbung verlangten, z. B. bei grossen Titelschriften und Illustrationen, anhielt.
Trotz dieser zeitraubenden Manipulationen konnten doch zwei Drucker in einem Arbeitstag 2000 Drucke, flinke Drucker sogar 3000, also resp. 1000 und 1500 vollständige Bogen fertig bringen.
Die Farbe wurde von jeder Buchdruckerei selbst bereitet und bestand aus Leinöl-Firnis und Kienruss. Sie war im allgemeinen eine gute, und es kam hauptsächlich nur darauf an, dass der Firnis die richtige Stärke erhielt. Da das Sieden desselben nicht ohne Feuergefahr war, so gestattete man es nur auf einem, dazu von den Stadtbehörden bestimmten Platz. Der Tag des Siedens galt als halber Festtag für die Drucker. Um dem siedenden Öl sowohl die wässerigen als die überflüssigen fettigen Teile zu nehmen wurden Stückchen von Brotrinde oder Semmel hineingesteckt. Mit Salz bestreut, wurden diese Brotstückchen gern gegessen, sie mehrten aber noch den selbstverständlichen Durst ins unberechenbare und das Bier schmeckte nun um so besser.
Die Korrektur-Abzüge wurden mittels der Bürste abgeklopft, mitunter auch in grausamer Weise abgetreten! Man legte [164] eine Partie Makulatur über den abzuziehenden Bogen und trat nun den Druck ab, indem man sich auf die Form stellte.
Grössere Offizinen hatten ihre Haus-Korrektoren und es bildete sich ein besonderer Stand der Korrektoren von Beruf. Soll man nach den Ermahnungen eines ihrer Kollegen[3] urteilen, so müssen sie nicht immer sich des solidesten Lebenswandels befleissigt haben, denn neben einem guten Auge verlangt er vor allen Dingen von einem guten Korrektor, dass er „mit allem Fleiss für der Trunkenheit sich hütet, auff dass er nicht etwa gantz nichts, oder hingegen mehr, als in Wahrheit vorhanden, sehe oder auffzeichne. Und, welcher zu dieser Verrichtung verordnet, gerne trincket, ist ein unnützer Mensch, zu welchem der Druckherr, wann er ihm offt also bezecht sihet, ohne Vorwunderung wol sagen möchte: troll dich du Bösewicht“.
Der Buchdruckerprinzipal musste, bevor er eine Offizin eröffnete, den Buchdruckereid ablegen, der, wenn auch nicht überall der gleiche, stets darauf ging, nichts ohne Zensur und keine Schmähschrift zu drucken und den Buchdruckerei-Ordnungen gemäss sich zu betragen. Die Rechte der Innungen waren durch die Statuten und Freiheiten in den Artikel-Briefen gesichert. Die Überwachung derselben, die Aufbewahrung der Lade und die Führung der Innungsrechnungen war dem Oberältesten, dem „Ladenvater“, übertragen, der auf dem Generalsitz (Session), welcher jedesmal 14 Tage vor der Messe abgehalten wurde, gewählt ward.
Die Gesellen bildeten ebenfalls unter sich einen Verein, der seine zwei Obergesellen oder Assessoren, einen Drucker und einen Setzer, hatte, die bei den Gesellen ungefähr die Stellung einnahmen, wie der Oberälteste bei den Meistern, und für den Nutzen der Gesellschaft zu sorgen hatten.
Die Gesellen arbeiteten entweder in festem Lohn oder konsensweise, d. h. wurden per Stück bezahlt. Das Engagement galt von Messe zu Messe; 14 Tage vor der Messe wurde der „Anredetag“ abgehalten; wollte der Meister den Gesellen noch ein halbes Jahr behalten, so wurde er „angeredet“, geschah dies nicht, so wusste er, dass er nach 14 Tagen „Feierabend“ hatte. Was der Geselle von Messe zu Messe von seinem Lohn stehen liess, hiess seine Messbesoldung. Wurde er verschrieben, so erhielt er „Laufgeld“. [165] Beim Eintritt musste er „Introitus“ zahlen, war er nicht gut beleumundet, so wurde er von seinen Kollegen zurückgewiesen. Er hatte das Recht den Degen zu tragen.
Der Introitus, die Abgaben der Ausgelernten, „das Titulgeld“, welches der Verleger für den Druck eines roten Titels zahlte, oder sonstiges Trinkgeld wurde jährlich zweimal, zu Fastnacht und zu Martini, verteilt oder vertrunken. Zu Martini gab der Prinzipal einen Schmaus.
Der Lehrling wurde, wenn er eine Probezeit von einigen Wochen gut bestanden und durch Zeugen nachgewiesen hatte, dass er in ehrlicher Ehe geboren war, „aufgedungen“. Er hatte 5-6 Jahre zu lernen und den Meister und die Gesellen zu bedienen. Hatte er seine Lehre ehrlich bestanden, so wurde er „Kornut“ oder Hörnerträger und hatte als solcher wöchentlich an die eigentlichen Gesellen eine Abgabe, „nach christlicher Billigkeit“, zu zahlen. Wollte er nun als Geselle losgesprochen sein, so musste er sich dem „Postulat“, oder der Deposition, unterwerfen. Dies geschah unter scenischen Festlichkeiten und in Anwesenheit der Gesellen und Bekannten mit ihren Damen. Erst trat der Prologus auf und hielt eine salbungsvolle Lobrede auf die Kunst. Mit dem unförmlichen, mit Hörnern versehenen Hut aus schwarzem Leder bedeckt[4], wurde nun der Kornut von dem Knecht eingeführt, von letzterem durchgehechelt, geschimpft, geschlagen und mit guten Lehren versehen. Der Kornut lässt sich alles gefallen und verspricht dem Depositor, den Gesellennamen mit Ehren zu führen, die Laster der Jugend und die schlechten Sitten abzulegen, und einen tugendsamen Wandel zu führen. Hierauf erhält er die Konfirmation als Geselle, und die von ihm gewählte „Kranzjungfer“ setzt ihm den Kranz auf. Das ganze Schauspiel wimmelte von Trivialitäten und Roheiten[5]. Der Schmaus bei dem „Postulatvater“, der für gute Speise und guten Trank zu sorgen verpflichtet war, bildete selbstverständlich durchaus nicht eine Nebensache.
[166] Von der Zucht und Ordnung in den Druckereien bekommen wir keinen besonders vorteilhaften Begriff, wenn wir die Anordnungen lesen, in welchen den Gehülfen eingeschärft wird, „ihrem Druckherrn gebührliche Ehre und Gehorsam zu erzeigen, ihm nicht widersetzig zu sein, viel weniger mit thatsächlicher Gewalt sich an ihm zu vergreifen“, und sie ermahnt werden: „das Fluchen, Gottlästern, Andere zur Banckhauen zu unterlassen; Abends nicht mit Ungestüm anzuklopfen, jauchzen, geschrey zu tumultuiren, nicht die Wehren zu zucken; das liederliche Feiern, mehrenteils um des unchristlichen Saufens, Schwelgens und Tollisirens willen, sowie das Abhalten heimlicher Conventikula behufs des Aufwiegelns anderer Gesellen, einzustellen“.
DIE BUCHBINDERKUNST[6]. Keine andere gewerbliche Technik konnte in dem Masse durch die Buchdruckerkunst beeinflusst werden, als die Buchbinderei. Die Folianten und Quartanten weichen den Oktavbänden und zierlichen Bändchen, infolge dessen auch das Material für den Einband ein leichteres wird. An Stelle der Holzplatten tritt die Pappendecke oder der aus mehreren zusammengeklebten Blättern bestehende Überzug. Die Beschläge fallen nach und nach weg, die Spangen bleiben jedoch noch lange. Die Bereitung des Leders vervollkommnet sich und es wird in allen Farben verwendet. Durch die Filetten wird ein grösserer Reichtum an Mustern möglich. Jetzt kommen namentlich die arabisch-maurischen phantasiereichen Flachornamente zur Geltung, daneben erhalten sich jedoch Ornamente im Sinne der Renaissance aus antiken Motiven entspringend unter Hinzufügung von Figuren-Schmuck. Götter und Helden, Kaiser und Könige, Reformatoren, reiche Wappen, ganze zusammenhängende Figurenbilder dienen als Einbandsschmuck, wobei oft nicht die geringste Rücksicht auf den Inhalt genommen wird. Selbst die namhaftesten Künstler, wie Hans Holbein d. j., Lucas Cranach Vater und Sohn, Virgil Solis, u. a. verschmähten es nicht, ihre Talente der Buchhülle zuzuwenden. Das Interesse des grossen Publikums und die Bücherliebhaberei der Reichen und Grossen unterstützten die Kunst. In vielen Privatbibliotheken [167] war der Einband fast Hauptsache geworden. Manche Liebhaber aus den höchsten Ständen, selbst Könige und Fürsten, übten persönlich das Buchbinden.
Die österreichisch-burgundischen kur- und pfalzbayrischen Herrscher, die protestantisch sächsischen Fürsten Ernestinischer und Albertinischer Linie, hatten schöne Büchersammlungen. Sowohl Kurfürst Friedrich der Weise († 1525) als auch der unglückliche Johann Friedrich der Grossmütige liessen ihre prachtvollen Bibelausgaben und die Werke der Reformatoren für die Universitätsbibliotheken mit prächtigen Einbänden versehen, die noch heute die Zierde der Sammlungen in Jena, Weimar, Leipzig und Dresden sind. Die Hauptwerkstätte war Wittenberg, der bedeutendste Buchbinder dort Theodor Krüger. Seinen Arbeiten schliessen sich die von Kaspar Krafft und die reichen farbigen Lederbände aus den Offizinen der beiden Cranach an. Auch der gelehrte Herzog Georg der Bärtige († 1539) und sein Bruder Heinrich der Fromme († 1541) hatten dieses Interesse für die Kunst.
Unter den Förderern ist ferner der Kurfürst August von Sachsen (1526 bis 1586) zu erwähnen. Im Jahre 1555 legte er den Grund zu der jetzigen königlichen Bibliothek in Dresden und umfasste diese Anstalt mit grosser Liebe. Er berief die Buchbinder Georg Krause und Kaspar Meuser als Hofbuchbinder, und sandte sie auf Reisen, dass sie Bücher ankauften. Um den Betrieb besser unter Augen zu haben, errichtete er ihnen im Schlosse eine Werkstätte und beteiligte sich selbst eifrig bei den Arbeiten. Die Ornamentierung war eine mannigfaltige und die Goldpressung prächtig. Bemerkenswert sind die, zumteil unübertroffenen, gemalten Bände, die sich bis zu Ende des xvii. Jahrh. hielten. Besondere Sorgfalt wurde dem Schnitt zugewendet. Auf dem Goldschnitt schlug man mittels Punzen eine Zeichnung ein und malte die Zwischenflächen aus. Interessant ist auch die Technik, den ein wenig verschobenen Schnitt zu bemalen, und dann nachträglich den scharf zusammengepressten Schnitt zu vergolden. Wird nun ein so gebundenes Buch aufgeschlagen, und dadurch der Schnitt wieder verschoben, so tritt die Untermalung in matten Farben hervor. Man hat diese Art von Arbeit in neuester Zeit mit Glück wieder aufgenommen. Sehr praktisch sind die Bände der kurfürstlichen Reisebibliothek. [168] Damit sie nicht zu sehr ins Gewicht fielen, wurden sie in feines Pergament ohne Pappenunterlagen gebunden.
Etwas zurück gegen die früheren stehen die unter den Kurfürsten Christian i. und ii. von Christoph Weidlich, Matthias Hauffe, Bastian Elert und Kaspar Krafft gelieferten Arbeiten. Man wandte sich damals wieder der Technik der durchbrochenen Metallarbeiten mit unterlegtem Sammet zu, in der Hans Reichardt in Leipzig Meister war. Noch mancher tüchtige Buchbinder dieser Zeit aus dem Süden und Westen wäre zu nennen.
Die schweren Jahre brachten bald die Periode des Verfalls. Der Lederband tritt zurück, die technische Behandlung wird vernachlässigt und das Pergament meist glatt behandelt. Die glänzenden Schweinslederbände der Holländer, die sogenannten Horneinbände, und die lange in Holland in Gebrauch bleibenden Kartonnagen mit Rücken von rotem Schafsleder und Pappendeckel, mit marmoriertem oder gefedertem Papier überzogen, treten in den Vordergrund.
DER BUCHHANDEL UND DIE BÜCHER-PRODUKTION[7]. Nach dem Ablauf des ersten Viertels des xvi. Jahrhunderts trat mit dem Buchhandel eine Wandlung ein, indem er sich von den Jahrmärkten emanzipierte und eine respektable Stellung einnahm. Viele der grösseren Buchdruckereien verwandelten sich in Buchhandlungen. Die grosse Masse der Buchdrucker geriet dagegen in Abhängigkeit von den Verlegern. Die Buchhandlungen bemühten sich, als abgeschlossene Geschäftskorporationen von den Regierungen anerkannt zu werden und Privilegien zu erlangen, ohne zu bedenken, wie sehr sie damit den Regierungen eine Handhabe zu ihrer Beaufsichtigung und der leichteren Durchführung der Zensur-Massregeln gewährten. Überwachungs-Kommissionen wurden ernannt und die Buchhändler verpflichtet, nichts regierungsfeindliches zu drucken. [169] Die Zensur wurde streng, und, was noch schlimmer war, launenhaft geübt; im Norden im allgemeinen etwas freisinniger, als im Süden.
Den Impuls zu einem grösseren Bücherbetrieb hatten zuerst Luthers Schriften gegeben; selbst seine Feinde mussten einräumen, dass seine Bücher fast in jeder Bauernhütte zu finden waren. Zwar verlor sich das religiöse Lesebedürfnis nach und nach, aber die einmal geweckte Leselust blieb. Die schönwissenschaftliche Litteratur verschaffte den Buchdruckereien viele Arbeiten und gewährte dem Buchhandel ein neues Feld für seine Thätigkeit. Namentlich war es die fremde Litteratur, der das Publikum von Beginn ab seine Neigung zuwendete. Boccaccio, Äneas Sylvius und der Amadis von Gallien blieben die erklärten Lieblinge.
Erst im Laufe des xvii. Jahrh. hebt sich die deutsche Litteratur und erweckt eine grössere Teilnahme, trotz der ungeheuerlichen Romane, Erzählungen von Naturereignissen, Missgeburten, Unglücken; je scheusslicher, je besser. Die Verarbeitung dieser Stoffe geschah namentlich in Augsburg und Nürnberg. Hier, sowie auch in Frankfurt am M., erschienen zuerst „die neuen Zeitungen“[8], die sich aus Flugblättern nach und nach in regelmässig erscheinende Zeitungen umwandelten, damit aber auch mehr und mehr dem Buchhandel entzogen wurden, um in die Hände der Postanstalten überzugehen, namentlich war die Thurn und Taxissche Post bemüht, den ganzen Zeitungs-Verlag ihres Bezirks in die Hände zu bekommen. Hingegen erhielten die, gegen Ende des xvii. Jahrh. entstandenen wissenschaftlichen Journale eine besondere, immer wachsende Wichtigkeit für den Buchhandel. Auch der Kalender-Vertrieb erlangte grössere Bedeutung. Einige waren ausserordentlich verbreitet, wie die, von Leonh. Thurneysser in Berlin 1572-1585 herausgegebenen (vergl. S. 152). Angeblich um die Richtigkeit der Kalender zu überwachen, wurden sie von den Regierungen mit Stempel versehen und öfters zum Gegenstand eines Monopols gemacht, welches man verpachtete.
Auch ernsthaftere Lektüre bricht sich Bahn, namentlich Übersetzungen der griechischen und lateinischen Klassiker, gewöhnlich mit Holzschnitten, später mit Kupferstichen illustriert. In diesem [170] Verlag zeichneten sich namentlich Augsburg, Strassburg und Frankfurt a. M. aus. Chroniken und Länderbeschreibungen, Originale und Übertragungen, denen ebenfalls durch Illustrationen Reiz verliehen wurde, lieferten namentlich Sigismund Feyerabend, Theod. und Joh. Th. de Bry sowie die Matth. Merian in Frankfurt (s. S. 130); besonders bekannt waren die Gottfriedsche Chronik mit ihren Fortsetzungen, das Theatrum mundi, die Zeilerschen Topographien mit ihren unzähligen Kupferstichen und Plänen. Eine Menge grosser Reisewerke, durchgehends reich illustriert, erschienen bei L. Hulsius und später bei seiner Witwe in Nürnberg.
Wennauch die Buchhändler selbst durch die Messen die neuen Bücher kennen lernten, so blieb immer noch die Schwierigkeit des Bekanntmachens derselben für das Publikum. Französische und englische Buchhändler hatten schon früher Verlagsverzeichnisse gedruckt, deutsche Buchhändler fingen jedoch mit solchen erst in der letzten Hälfte des xvi. Jahrh. an. Wenn die Gelehrten nicht durch ihre Korrespondenz zufällig von dem Erscheinen eines Buches Kenntnis erhielten, so waren sie ganz von ihrem Buchhändler abhängig. Hatten sie mit ihrem Auftrag eine Messe versäumt, so musste in der Regel die nächste Messe abgewartet werden.
Dies wurde wesentlich anders, als der Augsburger Buchhändler Georg Willer 1564 den „Messkatalog“ ins Leben rief. Derselbe erschien jährlich zweimal. 1592 hört der Katalog unter Willers Firma auf. Im Jahre 1598 nahm die Stadt Frankfurt die Sache selbst in die Hand, und der Messkatalog erschien nun bis 1615, bei Peter Kopff in Frankfurt: cum permissu superiorum. Mit den Messkatalogen trat ein Umschwung im Buchhandel ein. Die Buchhändler waren genötigt, ihre Erwerbungen regelmässig auf den Messen zu machen und ein Lager des Neuesten zu halten.
Für die Verleger war es natürlich von grösster Wichtigkeit, dass die Neuigkeiten vor der Messe fertig vorlagen. Von den Besuchern waren die Holländer, Belgier, sowie die Pariser und Lyoner Buchhändler die wichtigsten. Das Hauptgeschäft beruhte auf Tausch, der sich schon im xv. Jahrh. ausgebildet hatte. Wennauch anfänglich den Verhältnissen angepasst, hatte dieses System doch später auch seine grossen Inkonvenienzen, da Produktion und Konsumtion der einzelnen Länder und Städte und Firmen nicht [171] immer sich die Wage halten konnten. Dies verursachte eine teilweise Überproduktion in mittelmässigen oder schlechten Büchern, um doch Tauschobjekte zur Messe mitbringen zu können. Die grossen verlegenden Buchdruckereien, die nicht Sortimentshandel trieben, konnten überhaupt nicht tauschen und so bildete sich teilweise ein reiner Handel gegen Geld, der sogenannte Nettohandel, aus.
Das erste grosse Sortimentslager gründete der Frankfurter Buchhändler Paul Brachfeldt, in den letzten Jahren des xvi. Jahrh. Ausländische Verleger, wie die Elzeviere, hielten in Frankfurt Lager. Hierdurch gestaltete sich neben dem Messhandel ein regelmässiger Verkehr der Sortimentshandlungen mit Frankfurt, doch gestattete die Zerrüttung der Verhältnisse kein rasches Emporblühen, wozu die Massnahmen der kaiserl. Regierung das ihrige beitrugen. Auch die Frankfurter Behörden hatten dieser in die Hände gearbeitet, als sie dem Kaiser Maximilian ii. vorschlugen, er möge selbst Beamte senden, um die Überwachung des Buchhandels, welche der Rat abgelehnt hatte, zu besorgen. Die Massregel war jedoch erst unter dem Kaiser Rudolph ii., 1579, zur Ausführung gekommen. Seit dem Jahre 1629 verfuhr die kaiserl. Bücherkommission vollständig souverän und der Rat machte nur ab und zu einen vergeblichen Versuch, den Einfluss derselben zu mindern. Darunter litt begreiflicherweise die Frankfurter Messe ausserordentlich, während das aufblühende Leipzig den Vorteil davon hatte. Doch wirkten noch andere Gründe gegen Frankfurt. Je mehr die lateinische Sprache als Gelehrtensprache durch die deutsche verdrängt wurde, um so mehr schmälerte sich der Absatz der deutschen Bücher im Auslande. Die fremden Buchhändler blieben deshalb nach und nach aus, namentlich weil auch der Absatz ihrer Artikel durch die Übersetzungssucht der deutschen Verleger geringer wurde. Der Verkehr mit Italien war schon um 1570 durch den Index librorum prohibitorum et expurgendorum des Papstes Pius iv. so gut wie vernichtet. Mit den spanischen Niederlanden verfiel der buchhändlerische Verkehr nach den Ordonnanzen Philipps ii. Am längsten hielt sich noch die Verbindung mit Holland, jedoch bot letzteres bloss Bücher dar und nahm keine, wodurch der Handel erschwert wurde, besonders da Holland zumteil seinem klassischen Verlag untreu wurde, und sich den französischen Artikeln und dem Nachdruck [172] zuwandte. Wie Leipzigs Übergewicht um das Jahr 1650 eine vollendete Thatsache wurde, ist bereits berichtet (S. 149). Ohne die Reformation und ihren segensreichen Einfluss auf die Pflege der Wissenschaft, würde es doch Leipzig kaum gelungen sein, seine Suprematie zu erlangen. Die Gründung der Universitäten Wittenberg, Frankfurt a. d. O., später Königsberg; die Kunstliebe der sächsischen und brandenburgischen Kurfürsten und ihr Interesse für die Wissenschaften hatten einen mächtigen Einfluss geübt, und im Norden ein bis jetzt brachgelegenes Terrain dem Buchhandel, sowohl hinsichtlich der Produktion als der Konsumtion, gewonnen[9].
Neben Leipzig und Frankfurt a. M. entstanden auch andere Kommissionsplätze mit beschränkteren Geschäftskreisen, darunter namentlich Augsburg, das ein Mittelpunkt des katholischen Verlags wurde, und Nürnberg. Auch in Strassburg zeigte sich zu Beginn des xvii. Jahrhunderts ein weiter gehender Verkehr.
Die Autorenverhältnisse boten nicht viel erfreuliches. Bei der Ungunst, in welcher die deutsche Litteratur stand, sahen sich viele Autoren genötigt, ihre Werke auf eigene Kosten drucken zu lassen. Wer keine bedeutende litterarische Bekanntschaften oder einflussreiche Verbindungen hatte, war übel daran und der Willkür der Buchhändler anheim gegeben. Diese suchten durch lockende Titel, in Kupfer gestochene Titelblätter und in den Text [173] gedruckte Vignetten die Kauflust zu reizen, die eigentliche Ausstattung jedoch wurde immer schlechter und die Inkorrektheit ging oft über alle Grenzen. Die Honorare waren sehr klein, oft nicht so hoch wie Schreiberlöhne. Manchmal wurde durch Freiexemplare gezahlt. Als Ausgleich musste die „Dedikation“ an einen vornehmen oder reichen Mann dienen, der seine Dankbarkeit für die erwiesene Ehre klingend zu zeigen imstande war, bis auch dieses Mittel in Misskredit kam. Zu den schlechten Verhältnissen trugen der Nachdruck und die sowohl strenge als willkürliche Zensur noch das ihrige bei. Letztere wurde von Lutheranern, Calvinisten und Katholiken, je nach ihrer Konvenienz, zur Unterdrückung der Schriften der Gegner benutzt und bei der engen Verknüpfung der geistlichen mit den politischen Wirren bald auf das weltliche Gebiet übergeführt. Manchmal beruhte die Unterwerfung unter die Zensur auf vorheriges Abkommen mit den einzelnen Buchdruckern, bis sie mit dem Anfang des xviii. Jahrh. vollständig organisiert war.
Da der Betrieb des Buchhandels jedem freistand, so war es natürlich, dass manche, die nicht den genügenden Grad von Bildung besassen, besonders zu dem Sortimentshandel sich drängten, namentlich solche, die schon mit dem Buchhandel in Berührung standen, z. B. Papier- und Pergamentmacher, Buchbinder u. s. w. Bei den ersteren mag wohl der Eintritt in den Buchhandel öfters ein unfreiwilliger gewesen sein, wenn sie statt Barzahlung Bücher annehmen mussten. Am wichtigsten war die Beteiligung der Buchbinder. Je mehr sich der Sortimentshandel organisierte, je mehr fiel der Kleinhandel, namentlich auf den Jahrmärkten, den Buchbindern zu. Auf der andern Seite schmälerten Reisende den Markt. In dem Grade wie die Bildung und die deutsche Litteratur sich verbreiteten, stieg der Zudrang zum Buchhandel und damit die Unsolidität.
Grossen Nachteil brachte ferner die Masse der Bücherauktionen. Aus allen Winkeln wurden Bücher zusammengetrieben, gebundene und rohe, komplette und defekte. Die Käufer wurden geprellt und gegen die Buchhändler unwillig gemacht, die ihre Lager in jeder Weise räumten, um Geld zu machen. An Stelle der Auktionen traten später die Bücherlotterien, die sich bis in die Mitte des xix. Jahrh. erhielten. Nicht allein Sortimentslager, sondern ganze Verlagsgeschäfte wurden in dieser Weise versilbert und das [174] Publikum betrogen. Ebenfalls ein arger Missbrauch war das, wennauch in seinen Anfängen nicht verwerfliche, Pränumerationswesen, indem die Versprechungen gewöhnlich nur mangelhaft oder gar nicht gehalten wurden.
Die Trennung des Verlags vom Sortiment wurde immer üblicher. Die Zahl der Verleger wurde durch Buchdrucker vermehrt, die öfters durch die ungünstigen Arbeitsverhältnisse zum Verlegen gedrängt wurden, um das Personal in Zeiten zu beschäftigen, wo die Aufträge der Verleger fehlten.
Hierdurch hörte das Tauschgeschäft ganz auf. Um die Artikel an den Mann zu bringen, sah man sich genötigt die Neuigkeiten „in Kommission“ zu versenden. In dem letzten Viertel des xviii. Jahrhunderts war dies Geschäft vollständig organisiert und führte wieder zur Errichtung der Kommissionslager und der Gross-Sortimentslager in Leipzig. Viele Sortimentshändler zogen es vor, ihren Bedarf von den grossen Leipziger Kommissionären zu beziehen, statt mit den vielen Verlegern in Verbindung zu stehen.
Durch diese Änderungen, verbunden mit der Verschlechterung des Münzfusses, traten erhöhte Ladenpreise ein, wodurch wieder der Nachdruck gefördert wurde, namentlich waren es der Süden von Deutschland und Österreich, welche den Nachdruck gewerbsmässig betrieben. Die kaiserliche Regierung leistete demselben in den Erblanden Vorschub, indem sie in diesen die erteilten kaiserlich deutschen Privilegien nicht respektierte, ein Beispiel, das gar zu willig bei anderen deutschen Fürsten Nachfolge fand. Da der Verkehr auf der Messe den Nachdruckern so gut wie verschlossen war, so nahmen sie ihre Zuflucht zu dem Colportagehandel und zogen auch Buchbinder, Landgeistliche, Schullehrer in ihr Interesse durch Gewährung von grossen Rabatten. Die Verleger rechtmässig erworbener Schriften folgten dem gegebenen Beispiel.
ITALIEN, SPANIEN, PORTUGAL UND DAS SÜDLICHE AMERIKA.
Venedig. Die Familie Aldus: Aldus Pius Manutius, Paul Manutius, Aldus ii. Dan. Bomberg. Mechitar. Rom: Die Buchdruckerei der „Propaganda“. Genua. Florenz: Die Giunta. Padua. Die Xylographie: Cäs. Vecellius, der Clair-obscur-Druck. Ugo da Carpi, Graf Ant. Zanetti, John Jackson.
SPANIEN UND PORTUGAL. Brocario und die complutinsche Polyglotte. Madrid. Ant. Bortazar. — MEXICO. Joh. Kromberger, Juan Pablos. LIMA. PERU. ST. DOMINGO u. a.
[175] RIESENHAFT waren bereits die Fortschritte Italiens in der ersten Periode der Buchdruckerkunst gewesen, sie sollten in dieser zweiten Periode noch weitergehendere werden.
Der hervorragendste Wahrer und allezeit Mehrer des typographischen Ruhmes Italiens war ganz besonders der Gründer der berühmten aldinischen Familie. Aldus Manutius[1], der Mann, dem die Jünger Gutenbergs neben diesem die grösste Verehrung schuldig sind, war in der Zeit zwischen 1447 und 1449 in dem Städtchen Bassiano in der Nähe der pontinischen Sümpfe geboren. Wenn Aldus von 1500 ab sich Romanus nennt, so geschah es nur, weil diese Bezeichnung eine höhere Geltung in den Augen des Publikums verlieh.
Sein Taufname Aldo ist der typographische Familienname geblieben; Manuzio kommt selten vor, dagegen nannte sich [176] Aldus gewöhnlich Aldo Pio, welchen Namen ihm sein Zögling Alberto Pio, Fürst von Carpi, als Zeichen seiner hohen Achtung zuerteilt hatte. Seit 1503 wird Aldo Pio Manuzio Romano oder Aldus Pius Manutius Romanus geschrieben.
Aldus hatte eine zwar gelehrte aber nicht gute Erziehung gehabt. Er war in die Hände eines Pedanten geraten und fand erst später in Rom seine wirkliche Ausbildung. Von seinem ernsten Streben und seinem Eifer legen die vielen, von ihm kommentierten griechischen Ausgaben und seine wertvolle griechische Grammatik Zeugnis ab.
In dem freundlichen Verkehr mit den fürstlichen Angehörigen seines Zöglings, des Albertus Pius, namentlich dem gelehrten Johannes Pius, entstand ohne Zweifel die erste Anregung, eine „gelehrte Buchdruckerei“ zu gründen und ist es auch wahrscheinlich, dass die Mittel zur Anlage derselben von den genannten herrühren.
Venedig, wo Künste und Wissenschaften blühten, schien mit Grund der günstigste Boden für ein solches Etablissement. Aldus begab sich, entweder in dem Jahre 1488, oder 1489, dahin. Sein erstes datiertes Druckwerk ist Constantin Lascaris' griechische Grammatik, im Jahre 1495 vollendet. Wahrscheinlich ist es, dass zwei kleine Werke ohne Datum, wenn auch später als das von Lascaris angefangen, doch früher erschienen sind, nämlich Musäus' Gedicht Hero und Leander, griechisch und lateinisch, und die Galeomyamachia, griechisches Gedicht von Theod. Prodromos.
Mit rastlosem Eifer ging Aldus an das grosse Werk, eine griechische Ausgabe von Aristoteles, die noch nicht existierte, herzustellen. Um sich von dem Umfang und den Schwierigkeiten dieses Unternehmens ein klares Bild zu machen, muss man sich vergegenwärtigen, dass der Inhalt von fünf Foliobänden aus zahlreichen noch nicht herausgegebenen Abhandlungen in verschiedenen, beinahe unleserlichen oder durch die Unwissenheit der Kopisten korrumpierten Manuskripten zusammengestellt werden musste, ohne dass der Herausgeber eine frühere Ausgabe als Leitfaden zur Seite hatte, so dass er selbst die jeden Augenblick entstehenden Zweifel nur durch seinen Scharfsinn lösen konnte. Bedenkt man ferner, dass diese Arbeiten sich nicht auf den Aristoteles beschränkten, dass Aldus vielmehr eine grosse Zahl anderer [177] Ausgaben in derselben Weise besorgt hat, so muss man seine Arbeitskraft staunend bewundern und kann unmöglich streng über einzelne typographische oder kritische Fehler mäkeln. 1495 wurde das erwähnte Werk, welches Aldus zu dem ersten Rang sowohl als Buchdrucker wie als Herausgeber erhebt, begonnen; 1598 war es vollendet. Inzwischen förderte er viele kleinere, aber doch wichtige Ausgaben an das Tageslicht und seine Wahl wurde stets mit Einsicht und Geschmack getroffen. Während seine Kollegen sich noch grösstenteils auf den Druck mystischer, scholastischer oder höchstens juristischer Werke beschränkten, war es Aldus vorbehalten, eine neue Richtung vorzuzeichnen, und nichts hat mehr zur Verbreitung der klassischen Studien beigetragen, als seine billigen, korrekten und handlichen Ausgaben, die es beinahe jedem möglich machten, die Werke anzuschaffen.
Die Annahme, dass Aldus der Erste war, der ganze Bücher mit griechischer Schrift druckte, beruht auf einem Irrtum. Zwar wurde noch gewöhnlich der Platz für griechische Zitate freigelassen, um diese später hineinzuschreiben; man hat jedoch griechische, sogar umfangreichere, Werke vor denen von Aldus, als: aus Mailand Lascaris' Grammatik von 1476; aus Florenz Homer von 1488. Aber die Zahl war klein und die Werke folgten einander langsam, während die griechischen Ausgaben des Aldus so zahlreich waren und so schnell zum Vorschein kamen, dass es selbst bei gewöhnlichen Druckwerken überraschend gewesen wäre.
Nachdem Aldus eine grosse Zahl griechischer Meisterwerke gedruckt hatte, ging er an die des alten Roms. Auch hier fing er mit einer Grammatik, und zwar einer eigenen Arbeit, an. Um seine Bücher allgemein zu verbreiten, fasste er den Plan zu einer Sammlung in klein Oktav (enchiridii forma), wovon ein Bändchen jedoch ziemlich so viel, wie sonst ein Quartband, enthalten sollte, und liess von Franz von Bologna, der auch den Schnitt der meisten seiner übrigen Schriften geleitet hat, seine berühmte schrägliegende Schrift schneiden, nach Muster der üblichen Cancellaresca Romana Cursiva. Als nächstes Vorbild soll Petrarcas Handschrift gedient haben. Da die Mehrzahl der Bücher noch geschrieben war, so heimelte diese Buchschrift, die mit der Feder geschrieben zu sein schien, die Leser zwar sehr an, und ganze Bücher, zuerst der Virgil, [178] wurden auch damit gedruckt. Bald jedoch behielt die gefällige, zugleich kräftige Antiqua die Oberhand, und die Cursiv wurde dann hauptsächlich nur zu den Einleitungen, Noten und als Auszeichnungsschrift zu der Antiqua benutzt, bis in neuester Zeit die fette, halbfette, Egyptienne, Stein- und andere Schriften ihr den Rang abliefen. In Deutschland behielt die Schrift den Namen Cursiv; in Frankreich hiess sie Italique (auch Penche); in England Italic.
Man kann sich vorstellen, mit welcher Begeisterung die schönen und bequemen Ausgaben des Aldus aufgenommen wurden. Der Sprung von den schweren Folianten und Quartbänden zu diesen niedlichen Bändchen, die man überall mit sich führen konnte, war nicht viel kleiner, als von den Manuskripten zu dem Gedruckten überhaupt. Am 13. Nov. 1502 erhielt Aldus vom Senat ein zehnjähriges Privilegium für seine Cursiv und am 17. Dezbr. ein solches vom Papste Alexander vi., welches von Julius ii. und Leo x. verlängert wurde. Auch sonst wurde er durch Privilegien geschützt, die indes wenig respektiert wurden. Schon 1502 fingen die Lyoner, jedenfalls auf Antrieb der Giunta in Venedig, an, die Aldinen nachzudrucken. Aldus beschwert sich in einer gedruckten Anzeige, welche er wahrscheinlich verteilte, über den Schaden, der ihm, und namentlich seiner Ehre, durch die fehlerhaften Ausgaben der Lyoner zugefügt werde, und giebt die Fehler an, woran letztere zu erkennen wären. Die Lyoner druckten Cartons oder neue Ausgaben und berichtigten diese Fehler, so dass die Käufer nun erst ganz sicher waren, Originalausgaben zu kaufen.
In den Jahren 1501-1505 entwickelte Aldus eine grosse Thätigkeit und es verging kein Monat, worin nicht wenigstens ein klassisches Werk aus seiner Offizin hervorging. Alles war an diesen Büchern gut; der Satz mit Verständnis und Gleichmässigkeit besorgt; der Druck rein auf gutem starken geleimten Papier, mit vorzüglicher Farbe, die noch heute ihre Tiefe und ihren Glanz behalten hat.
Aldus war selbstverständlich nicht imstande gewesen, die Riesenaufgabe, die er sich gestellt hatte, allein zu erfüllen. Er verstand es aber, einen Kreis von gelehrten Männern um sich zu sammeln, die von demselben Streben, die Schätze der Litteratur allen zugänglich zu machen, beseelt waren. Von diesen lebte eine [179] Anzahl in seinem Hause ganz von ihm unterhalten, während andere für Honorar oder nur für die Ehre arbeiteten. Diese sogenannte Aldi Neacademia, gegründet gegen 1500, versammelte sich an gewissen Tagen bei ihm und bestand aus etwa 30 Mitgliedern. Durch Tod und Wegzug lichteten sich aber die Reihen, und die Akademie hörte nach einigen Jahren auf. Ausser mit den Mitgliedern dieser stand Aldus selbstverständlich mit vielen anderen Gelehrten in Verbindung, unter welchen sich auch Erasmus befand, mit dem er zuerst in einem engen Freundschaftsbunde, später aber beinahe in Feindschaft lebte.
Der orientalischen Sprachen, besonders des Hebräischen, selbst mächtig, wollte Aldus auch an den Druck hebräischer Werke gehen. Es existiert aus den letzten Jahren des fünfzehnten Jahrhunderts ein Probeblatt von einer Bibel in Folio, lateinisch, griechisch und hebräisch, mit schönen Typen gedruckt, dieselbe ist jedoch nicht zur Ausführung gekommen und Aldus hat sich somit den Ruhm nehmen lassen, zuerst eine Polyglott-Bibel zu bringen. Dass weder von ihm, noch von seinen Nachfolgern eine handliche Ausgabe des Neuen Testaments gedruckt worden ist, mag vielleicht in den Verhältnissen zu Rom gelegen haben.
Gegen das Jahr 1500 verheiratete sich Aldus mit Maria Asola († 1520), der Tochter von Andreas Torresanus aus Asola, welcher 1479 Jensons Druckerei in Venedig gekauft hatte.
1506 musste Aldus Venedig verlassen und seine Druckerei schliessen, nachdem er durch den Krieg, welcher Italien verwüstete, den grössten Teil seines Vermögens verloren hatte. 1507 fing er unter Sorgen wieder zu drucken an, bis eine Assoziation mit seinem reichen, thätigen Schwiegervater Andreas Asolanus ihn in den Stand setzte nach 1508 das Geschäft wieder kräftig zu betreiben. In den Jahren 1510-11 ruhte es jedoch nochmals und wurde erst 1512 wieder eröffnet, in welchem Jahre auch sein dritter später so berühmte, Sohn, Paul Manutius, geboren ward.
1513 und 14 entfaltete Aldus wieder grössere Thätigkeit und rüstete sich für eine noch grössere, als ihn in seinem 66. Jahre der Tod am 7. Febr. 1515 überraschte. Ob seine irdischen Überreste seinem Wunsche gemäss nach Carpi gebracht wurden, wissen wir nicht. Der Abbé Zenier liess im Jahre 1828 eine einfache Gedenktafel [180] an dem Hause Nr. 2013 in der Nachbarschaft des Campo di S. Agostino, unzweifelhaft sein Druckhaus, anbringen.
Das berühmte Druckerzeichen des Aldus stellt einen, von einem Delphin umschlungenen Anker vor und soll die, mit der Festigkeit verbundene Beweglichkeit und Schnelligkeit, also das sprüchwörtliche festina lente, symbolisch ausdrücken. Wie seine Typen und seine Ausgaben, so wurde auch sein Druckerzeichen widerrechtlich von anderen, selbst von den Giunta, nachgemacht, auch später von neueren Druckereien angenommen.
Nach dem Tode des Aldus wurde die Buchdruckerei von seinem Schwiegervater Andreas Torresanus aus Asola in Verein mit dessen Söhnen Franz und Friedrich fortgeführt. Andreas war ein tüchtiger Mann, wenn er es auch nicht so wie Aldus verstand, die besten geistigen Kräfte für seine Unternehmungen um sich zu sammeln. Die Kinder von Aldus lebten erst mit ihrer Mutter in Asola, kehrten aber bald wieder nach Venedig zurück, woselbst Paul Manutius eine sorgsame Erziehung genoss, jedoch durch geistige Anstrengungen seine Gesundheit so sehr schwächte, dass er sich mehrere Jahre hindurch ganz von den Studien zurückziehen musste. Bald sollte er auch in anderer Weise den Ernst des Lebens kennen lernen, indem das Geschäft infolge von Familienauseinandersetzungen vier Jahre lang (von 1529-1533) geschlossen blieb. In dem letzteren Jahre übernahm Paul, nur 21 Jahre alt, die Buchdruckerei, vorerst für gemeinschaftliche Rechnung mit seinen Geschwistern und den Asolas.
Trotz seiner Jugend zeigte er gleich den überlegenen Geist und trat mit grosser Energie in die Fusstapfen seines Vaters. Da dieser die griechische Litteratur beinahe erschöpft hatte, legte sich Paul namentlich auf Herausgabe der lateinischen Klassiker und gewann zu diesem Zweck die tüchtigsten Gelehrten für sich. 1535 liess er sich zwar durch falsche Vorspiegelungen verleiten, nach Rom zu gehen, wo sein eigentlicher Zweck sich bald als verfehlt ergab; aber die dort angeknüpften Verbindungen mit vielen wissenschaftlichen Notabilitäten kamen ihm später zu statten.
Nachdem die Druckerei in Venedig 1541 nochmals auf Grund von Familienmisshelligkeiten geruht hatte, übernahm sie Paul endlich [181] 1542 ganz für seine und seiner Geschwister alleinige Rechnung und heiratete 1546 Katharina Odoni, welche vier Kinder gebar, von denen das älteste, Aldus, am 13. Febr. 1547 das Tageslicht erblickte.
Von einer schweren Krankheit genesen, ging Paul 1555 nach Bologna, wo man ihn, ebenso wie in Ferrara und in Spanien, zu fesseln versuchte; aber sein Lieblingsgedanke, ein Etablissement in Rom zu begründen, liess ihn alle vorteilhaften Anerbietungen abschlagen. Inzwischen hatte in Venedig der Senator Badoano, 1556, die Idee zu einer grossartigen Academia Veneziana, mit der eine gelehrte Buchdruckerei verbunden werden sollte, gefasst. Dem Paul Manutius beabsichtigte man den Lehrstuhl der Beredsamkeit und die Direktion der Buchdruckerei zu übertragen. Bedeutende Vorbereitungen wurden getroffen, aber die Akademie nahm ein schnelles und klägliches Ende.
Da machte der Kardinal Seripandi, im Namen des Papstes Pius iv., dem Paul ebenso vorteilhafte als ehrenvolle Anerbietungen, wenn er nach Rom kommen wollte, um dort eine Reihe heiliger Bücher, Kirchenväter u. s. w., herauszugeben. Es wurden ihm für die Zeit von 12 Jahren jährlich 500 Dukaten in Gold, ferner 300 Dukaten Umzugsentschädigung zugesichert, und seinem Sohne eine Pension von 150 Dukaten in Aussicht gestellt. Die Druckerei sollte auf Kosten des Papstes, der auch alle laufenden Ausgaben zu zahlen hatte, eingerichtet, der Verdienst aber zwischen dem päpstlichen Stuhl und Paul geteilt werden. Solchen mit seinen Wünschen stimmenden Anerbietungen konnte Paul nicht widerstehen.
In Rom wurde er mit grosser Aufmerksamkeit aufgenommen und gut eingerichtet. Typen wurden durch Vermittelung von Thomas Giunta geliefert; denn die berühmten Cursiv-Matern des Aldus, die in den Besitz der Torresanis gekommen waren, wollten diese nicht hergeben, während die griechischen Matern, die man einem Bruder des Paul, Antonius, der eine kurze Zeit in Bologna etabliert war, anvertraut hatte, durch dessen liederliche Wirtschaft verloren gegangen waren.
Aber diese Aussichten für Aldus waren nicht von langer Dauer. Die eine Hälfte der Buchdruckerei ging als Eigentum auf den Magistrat von Rom über, während die von dem Papst Sixtus v. im Vatikan gegründete typographische Anstalt ganz den Platz [182] ausfüllte, der ursprünglich für Pauls Druckerei bestimmt war. Die vorteilhaftesten Arbeiten wurden dieser entzogen; der Magistrat verpachtete sogar seinen Anteil an andere und nach dem Tode Pius' iv. liess man im Jahre 1566 Paul die Schlüssel abfordern. Zwar wurde diese harte Massregel auf Anordnung Pius' v. rückgängig gemacht, aber für Paul sollte keine rechte Freude mehr aus seiner Stellung erwachsen.
Der mancherlei Chicanen müde, gab er 1570 seine Stellung in Rom auf, um nach Venedig zurückzukehren, wo es mit der, an Dom. Basa verpachteten Aldinischen Druckerei auch nicht zum besten ging. Vorher wollte er jedoch seine Gesundheit durch eine Reise kräftigen. Den ganzen Winter 1571 verbrachte er in Mailand. Nach Venedig, wo er nun nicht mehr im eigenen Hause Herr war, kam er erst im Mai 1572, kehrte aber schon im Juni nach Rom zurück, um seine Tochter, die er dort in einem Kloster zurückgelassen hatte, zu holen. Hier wurde er von seinen Freunden so gut aufgenommen, dass er seinen Entschluss änderte und ganz dort blieb. Der neue Papst Gregor xiii. war ihm sehr gewogen und er erhielt von ihm eine zwar mässige, jedoch seinen Bedürfnissen genügende Pension. 1573 verheiratete er seine Tochter mit Alexander Honorio. Paul hatte nun die Aussicht, ruhig seinen Freunden und seinen Lieblingsneigungen leben zu können; aber ein so heiterer Abschluss seiner sorgen- und mühevollen Wirksamkeit war ihm nicht vergönnt. Er starb schon 1574 in den Armen seines Sohnes Aldus, allgemein geachtet, allgemein betrauert, und ward in der Kirche Sancta Maria sopra Minervam begraben, wo noch eine einfache Namensinschrift auf einem Denkstein die Stelle seiner Gruft bezeichnet.
Sein Sohn Aldus ii., der älteste von vier Geschwistern, war, wie erwähnt, 1547 geboren und ein frühreifes Kind, welches die Hoffnung erregte, es werde seinem Vater und Grossvater gleich werden, wenn nicht gar sie hinter sich lassen. Schon im zehnten Jahre war er bei einer Ausgabe von Ciceros Briefen behülflich und im vierzehnten gab er seine Orthographiæ ratio heraus. Im Jahre 1562 ging er zu seinem Vater nach Rom, wo er bis 1565 weilte, sich vielfach schriftstellerisch beschäftigend.
[183] Nach Venedig zurückgekehrt, wurde ihm von seinen Vettern Bernh. und Hieron. Torresanus der Vorschlag gemacht, mit ihnen gemeinschaftlich zu drucken, was sich jedoch zerschlug. 1572 heiratete er eine Tochter aus der berühmten Buchdrucker-Familie der Giunta, Franzisca Lucrezia, wodurch auch zwischen den rivalisierenden Familien eine geschäftliche Verbindung eintrat, wahrscheinlich unter Mitbeteiligung Basas, des Pächters der Aldinischen Druckerei, deren alleiniger Besitzer Aldus nach dem Tode des Vaters geworden war.
Einer Ernennung Aldus' zum Professor der schönen Wissenschaften (um 1576) folgte bald ein vorteilhafter Ruf nach Pisa von seiten des Franz von Medici. Kaum hatte er diesen angenommen, als er ein noch ehrenvolleres Anerbieten von Rom aus erhielt, und sein Ansehen war so gross, dass sein Name, obwohl er die Stelle jetzt ausschlagen musste, in die Liste der Professoren eingetragen wurde, und die Stelle unbesetzt blieb. Gegen Ende des Jahres konnte er endlich diesem Ruf und seiner Neigung folgen und nach Rom gehen, wo der Papst Clemens viii. ihm auch die Aufsicht über die Vatikanische Druckerei anvertraute.
Die alte berühmte Aldinische Druckerei gab er 1585 ganz ab, überhaupt war er mehr durch Umstände als durch Neigung Buchdrucker. Seine zeitige geistige Reife und die ihm so früh zugefallene litterarische Ehre hatten ihn der Druckerei abspenstig gemacht. Die Genugthuung, Bücher zu schreiben, ging ihm über die lohnende materielle Arbeit der Förderung der Buchdruckerei.
Aldus starb, nachdem seine vier Kinder ihm schon im Tode vorangegangen waren, am 28. Oktober 1597 im 51. Jahre und mit ihm der letzte berühmte Sprössling einer Familie, die der Wissenschaft und der Typographie die grösste Ehre gemacht, und deren Ruhm nicht erlöschen wird, so lange einer der zahlreichen Bände existiert, welche in dem Zeitraum eines Jahrhunderts aus ihren Pressen hervorgingen. Renouard verzeichnet in seinen Annalen 153 Ausgaben von Aldus Manutius; 109 von den Asolas; 592 von Paul Manutius; 215 von dem jüngeren Aldus; ausserdem noch 36 nicht datierte Werke aus den Aldinischen Pressen, in Summa 1105 Ausgaben von 780 Autoren. Von Nachdrucken zählt er 64 auf.
[184] Glücklicher in ihren äusseren Erfolgen und spekulativer als die Aldi zeigt sich die zweite berühmte Buchdrucker-Familie Italiens, die der Giunta (Junta) in FLORENZ. Hat sie auch nicht die höchsten Ehren der Familie Aldus erreicht, so nimmt sie wenigstens nach ihr die erste Stelle ein und die Mitglieder der Familie waren, ohne selbst Gelehrte von Rang zu sein, unterrichtete und tüchtige Männer, die ihre Kunst thatkräftig und mit Vorteil zu üben verstanden.
Die Familie Giunta[2] gehörte zu den angesehenen in Florenz und existierte schon im 14. Jahrhundert. Luc-Antonius und sein Bruder Philippus, deren Vater Wollhändler war, begannen zu derselben Zeit, wie Aldus in Venedig, zu drucken.
Luc-Antonius Giunta kam, nachdem er das Geschäft eines Buchhändlers schon in Florenz betrieben hatte, um 1480 nach Venedig, wo sein erstes Verlagswerk sich aus dem Jahre 1482 schreibt; Buchdrucker ward er wahrscheinlich 1503. Eine seiner Hauptunternehmungen war der Druck des Galenus in lateinischer Sprache. Während Aldus mit seiner grossen griechischen Ausgabe bedeutenden Verlust hatte, druckten die Giunta in der Zeit von 1522-1625 elf Auflagen ihrer lateinischen. Sie spekulierten auf einen billigen Preis und reussierten.
Luc-Antonius starb im Jahre 1537 oder 1538 und einer seiner drei Söhne, Thomas, übernahm die Buchdruckerei. Thomas hinterliess keine Kinder, aber seine Neffen führten das Geschäft unter der Firma: apud Juntas weiter und zwar mit so vielem Glück, dass ihr Nachfolger, Gio-Maria Giunta, in den Jahren 1626-1628 jeder seiner zwei Töchter 100000 Scudi, nach jetzigem Geldwerte gleich 500000 Mark, mitgeben konnte. Sie heirateten zwei venetianische Nobili Foscarini und Cornaro, und mit ihnen endigte der venetianische Zweig der Familie, während das Geschäft in Venedig auch von dem Florentiner Zweig fortgesetzt und 1642 von einem Modesto Giunta geleitet wurde. Noch im Jahre 1791 wird eine dieser Familie angehörende Persönlichkeit erwähnt.
Philipp Giunta, der Bruder Luc-Antonius', hatte Florenz nicht verlassen und etablierte dort eine Buchdruckerei und Buchhandlung. Sein erster Druck: Zenobii Proverbia, aus dem Jahre 1497, [185] war ein griechischer, ebenso der im Jahre 1500 folgenden Orphei Argonautica, sonst druckte er nur lateinische und italienische Ausgaben, namentlich in kleinem Oktav mit der, der Aldinischen nachgebildeten Cursivschrift; den griechischen Druck nahm er erst 1514 wieder auf.
Philipp starb am 16. September 1517, nachdem er die erste griechische Ausgabe von Plutarch, von ihm selbst redigiert, gedruckt hatte. Sein Sohn Bernhard führte das Geschäft für die Erben weiter und ihm hat man die berühmte Quartausgabe von Boccaccios Decamerone zu verdanken, die als Prototyp aller späteren Ausgaben diente, bis die Entdeckung eines, im Jahre 1384 angefertigten Manuskriptes den Wert des Buches verringerte. Der enorme Preis der Giuntaschen Ausgabe veranlasste 1729 einen Nachdruck, der in allen Äusserlichkeiten das Original nachzuahmen versuchte; der Betrug wurde jedoch bald entdeckt.
Das Florentiner Haus kam zwar dem Venetianer an Reichtum nicht gleich, hielt sich aber stets auf einem geschäftlich respektablen Standpunkte. Bernhard starb 1551; die Druckerei wurde von einem seiner vielen Söhne, Philipp, dirigiert und bestand noch im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts. Glieder der Familie etablierten sich in Rom, Burgos, Madrid und Lyon, an letzterem Orte wohl zunächst in der unedlen Absicht, die Aldinen ungestört nachzudrucken. Hinsichtlich der Ausstattung stehen die Juntinen den Aldinen sehr nach und haben bei den Sammlern nie das Ansehen gehabt wie letztere.
Was die Aldi und die Giunta für den griechischen, lateinischen und italienischen Druck waren, war Daniel Bomberg für den hebräischen. Dieser Zweig der Typographie war bisher nur von den jüdischen Buchdruckern zu Soncino, Neapel, Pesaro und Konstantinopel geübt. Bomberg, gebürtig aus Antwerpen, war nicht Jude, gründete jedoch in Venedig eine, nur der hebräischen und rabbinischen Litteratur gewidmete Druckerei, in welcher er drei Ausgaben der Bibel mit den besten rabbinischen Kommentaren in vier Foliobänden, ausserdem noch fünf korrekte Handausgaben, einen prachtvollen babylonischen Talmud in zwölf Foliobänden nebst mehreren rabbinischen Werken druckte. Die Korrektur besorgte im Verein mit vielen tüchtigen Korrektoren der gelehrte Chaja Maier Ben David. Die hebräischen Typen Bombergs gelten [186] bis auf die neueste Zeit für die schönsten, und ein Pergament-Abdruck seiner Bibel von 1525, der sich auf der Wolfenbütteler Bibliothek befindet, wird als ein typographisches Juwel betrachtet. Er soll zwischen 3-4 Millionen Kronen für hebräischen Druck ausgegeben, und nicht genug auf seinen eigenen Vorteil gesehen haben.
Auch der sonstige orientalische Druck musste vorzugsweise in dem, mit dem Orient so lebhaft verkehrenden Venedig Pflege und Unterstützung finden. 1518 wurde hier der Koran arabisch gedruckt. 1701 gründete der Armenier Mechitar auf der Insel St. Lazaro bei Venedig ein Kloster, mit welchem eine für orientalischen, speziell armenischen Druck eingerichtete Druckerei verbunden wurde. Eine Foliobibel von 1733 mit Kupfern ist wohl das erste grössere aus ihr hervorgegangene Druckwerk.
Doch auch ausserhalb Venedigs wurde der orientalische Druck in Italien geübt. Das erste gedruckte arabische Buch: Septem horæ canonicæ erschien 1514 in FANO in der auf Kosten des Papstes Julius ii. von Gregor Gregorio errichteten Buchdruckerei. Genua, Ferrara, Trient[3] lieferten manches Beachtenswerte. In ROM hatte der Papst Pius iv. schon die Vatikanische Bibliothek gegründet, welche von Sixtus v. vervollständigt wurde. Als die im Jahre 1622 gestiftete Kongregation zur Verbreitung des Glaubens (de propaganda fide) 1627 mit ihrem Missionsseminar eine für die Zwecke der Mission eingerichtete Druckerei verband, wurde die vatikanische Offizin hiermit vereinigt und durch die orientalischen Schriften des berühmten Druckers und Stempelschneiders Stefanus Paoli vermehrt. Diese Druckerei lieferte nun in vielen Sprachen Neue Testamente und Andachtsbücher, hat aber nie eine Wirksamkeit entwickelt, die im Einklang mit ihren bedeutenden Mitteln stand[4].
In GENUA erschien 1516 die erste Polyglotte, ein Psalterium in hebräischem, griechischem, arabischem, chaldäischem Text mit drei lateinischen Übersetzungen und mit lateinischen Interpretationen. Der Verfasser war der Dominikaner Agostino Giustiniani, der Drucker Peter Paul Porrus. Justinianus hatte die Absicht, die ganze Bibel [187] in derselben Weise herauszugeben, aber die Unterstützung, welche der Versuch fand, war eine so geringe, dass er davon absehen musste. An die Worte des xix. Ps. 5. V. „ihre Rede gehet an der Welt Ende“ hatte er eine Biographie des Columbus geknüpft, die jedoch so mangelhaft war, dass der Rat zu Genua die Verbreitung verbot.
In PADUA[5] gründeten die zwei gelehrten Brüder Gaetano und Giovanni Antonio Volpi eine bedeutende Buchdruckerei zur Herausgabe von Klassikern und übergaben die Leitung dem Giuseppe Comino, der sich durch grosse technische Tüchtigkeit auszeichnete. Die cominischen Ausgaben der Klassiker, der Zahl nach zwanzig, sind sowohl wegen ihrer Ausstattung als Korrektheit berühmt.
Die Blüte der, durch die Unterstützung fein gebildeter Fürsten und Grossen, sowie einer reichen, unabhängigen Bürgerschaft geförderten litterarischen Kultur ging mit dem Ende des xvi. Jahrhunderts zurück; mit ihr verfiel, wie überall, so auch in Italien, die Buchdruckerkunst, die erst in viel späterer Zeit als anderswo, zugleich mit der, auch spät errungenen, politischen, nationalen Unabhängigkeit und damit verbundenen Press-Freiheit, sich wieder zu heben beginnen sollte.
DER HOLZSCHNITT entwickelte sich in Italien nicht in demselben Masse wie in Deutschland, und der Kupferstich behauptet den Vorrang. Nur Venedig macht einigermassen eine Ausnahme. Doch übte Dürers Stil seinen Einfluss auch in Italien und wir sehen sogar einen bedeutenden Künstler, Marc-Antonio Raimondi, die Holzschnitte Dürers in Kupferstich wiedergeben, weshalb ihn Dürer verklagte, wobei er jedoch nur erreichte, dass es Raimondi untersagt wurde, Dürers Monogramm mit nachzumachen.
Eine merkwürdige Erscheinung auf dem Gebiete des illustrierten Druckes ist die von Aldus (1499) herausgegebene Hypnerotomachia oder der Kampf des Schlafes und der Liebe. Die reichen Illustrationen wurden gewöhnlich Benedetto Montagna zugeschrieben, von einigen sogar Raphael, wahrscheinlich gehören sie aber einem, unbekannt gebliebenen Künstler. Von Andrea Mantegna [188] haben wir einige vorzügliche Holzschnitte, ebenso von dem erwähnten Kupferstecher Marc-Antonio Raimondi (geb. 1488, gest. 1546). Cesar Vecellio lieferte seine berühmten Habiti antichi e moderni, 420 Kostümbilder, die von Christoph Krieger (geb. 1550, gest. 1606) aus Nürnberg in Holz geschnitten wurden[6]. Vecellius war ein Neffe Tizians und es ist von Kennern behauptet worden, Tizian selbst habe die Originalzeichnungen geliefert. Jedenfalls ist Vecellius sehr durch seinen berühmten Verwandten beeinflusst worden und die Zeichnungen nähern sich dessen grossartigem Stil. Die Ausführung in Holzschnitt ist leider eine nur mittelmässige[7]. Sonst haben, besonders in Venedig, eine Anzahl tüchtiger, aber dem Namen nach unbekannter Meister der paduanisch-venetianischen Schule gearbeitet. Als Verfertiger der vielen, mit dem aus den Buchstaben J. B. zusammengesetzten Monogramm bezeichneten venetianischen Holzschnitt-Illustrationen ist nunmehr in neuester Zeit Giovanni Brito erkannt worden.
In dem farbigen (Clair-obscur-)Druck behaupteten die Italiener das Übergewicht; wenn sie aber auch auf die Erfindung Anspruch machen, sind sie im Unrecht, da deutsche Clair-obscur-Drucke aus dem Jahre 1509 von Lucas Cranach existieren, während die ersten Drucke des angeblichen Erfinders Ugo da Carpi erst aus dem Jahre 1518 herrühren. Das Verfahren besteht, wie schon kurz erwähnt wurde, darin, durch mehrere Platten, in verschiedenen Farben oder Tonabstufungen gedruckt, den Effekt des mit farbigen Tuschen gezeichneten oder in Sepia ausgeführten Bildes hervorzubringen. Durch gänzliches Aussparen der lichten Stellen fügt das, an diesen Stellen zum Vorschein kommende weisse Papier noch die Wirkung hinzu, als wären weisse Lichter aufgesetzt. Öfters wurden die ersten Konturplatten in Kupfer gestochen, die Töne aber mittels Holzplatten aufgedruckt. Die Schwierigkeit der Ausführung dieser Arbeiten liegt darin, dass die Grenzen der verschiedenen Platten sich vollständig decken müssen, was bei dem Druck, trotz feinster Punkturen und genauester Anlage, äusserst [189] schwer zu erzielen ist, da das Papier während des Druckes seinen Feuchtigkeitszustand, folglich seine Grösse, ändert, auch die Punkturlöcher allmählich sich erweitern, was zur Unsicherheit beiträgt.
Ausser Ugo da Carpi (gest. um 1520) besitzt Italien eine ziemliche Anzahl tüchtiger Künstler in diesem Genre, unter welchen Nicolo Boldrini aus Vicenza und Andreas Andreani (geb. 1540, gest. 1625) bedeutende Plätze einnehmen. Letzterer gab Platten von grossen Dimensionen nach den wundervollen Mosaiken Domenico Beccafumis ausgeführt. Sein „Triumphzug Cäsars“, von Andrea Mantegna gezeichnet, ist ebenfalls von grosser Bedeutung.
Noch in später Zeit machte sich der Graf Anton Marie Zanetti, geboren in Venedig 1680, dort gestorben 1766, bekannt durch seine Bestrebungen, den Clair-obscur-Druck aufs neue zu Ehren zu bringen. In einem grossen Werke von 101 Blättern in Folio giebt er besonders Kopien nach Parmesano. Leider wurde dieses kostbare Werk nur in 30 Exemplaren gedruckt und dann die Platten vernichtet. In den Jahren 1738-1743 lebte ein Engländer John Jackson, der in Papillons Schule sich ausgebildet hatte, in Venedig, wo er eine Anzahl sehr tüchtiger Kopien von berühmten italienischen Meistern in Clair-obscur-Manier fertigte.
In SPANIEN und PORTUGAL machte die Buchdruckerei in dieser Periode keine grossen Fortschritte. Die bis Ende des xv. Jahrhunderts gedruckten Bücher zeigen keine anderen Schriften, als die in Frankreich verwendeten halbgothischen, und bis in die Mitte des xvi. Jahrhunderts behalten die spanischen Bücher immer noch das Aussehen derjenigen des xv. Jahrhunderts.
Eine Berühmtheit der spanischen Buchdruckergeschichte weist die Stadt ALCALA DE HENARES (Complutum) auf. Der Kardinal und Premierminister Ferdinand des Katholischen, Franz Ximenes de Cisneros, hatte 1499 die dortige Universität begründet und einen ausgewählten Kreis von Gelehrten, namentlich Linguisten, dahin versammelt. Man brauchte Bücher für die Studierenden und berief Wilhelm de Brocario aus Pampelona, der als tüchtigster Buchdrucker Spaniens galt. Er druckte erst eine Anzahl von Klassikern und dann auf Befehl des Kardinals die berühmte Complutinsche [190] Polyglott-Bibel in 6 Bänden in Folio (1514-1517), eins der prachtvollsten Druckerzeugnisse damaliger Zeit. Den Kostenaufwand, welchen die Ausarbeitung und Herstellung des Werkes verursachten, schätzt man auf über 50000 Goldkronen. Nach der Vollendung beanstandete der Papst Leo x. die allgemeine Verbreitung, welche erst am 22. März 1520 zugestanden wurde. Die Übergabe des Werkes in den Verkehr fand erst 1522 statt. Brocario druckte bis 1522; sein Sohn, Johann, noch lange nach ihm. Berühmt war auch Michel de Eguia. Alfonse de Fonseca, der Nachfolger Ximenes' bei Karl v., trat ganz in die Spuren seines Vorgängers und unterstützte die Kunst.
Als MADRID 1560 Residenz geworden, zogen die Könige auch Buchdrucker nach dort, und ernannten königliche Hofbuchdrucker, auch wurde, in Nachahmung der Pariser Anstalt, eine königl. Buchdruckerei errichtet. Die Kunst kam jedoch nicht recht in Flor; wollte man ein Buch recht schön gedruckt haben, so suchte man vorzugsweise Plantin in Antwerpen, oder dessen Nachfolger Moretus, auf. Unter den Madrider Buchdruckern müssen wir Johann de la Cuesta nennen, dem die Ehre vorbehalten blieb, die erste Ausgabe von Miguel de Cervantes' unsterblichem Werke: El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha, zu drucken.
Einen bedeutenden Namen hatte Antonio Bortazar in Valencia. Der König Philipp v. wurde auf ihn aufmerksam gemacht; bevor jedoch die Organisationspläne zur Ausführung kommen konnten, starb Bortazar. In SEVILLA zeichnete sich Johann Kromberger, ein Deutscher, aus. Der berühmteste Name der spanischen Druckkunst, Joachim Ibarra, gehört der nächsten Periode an.
Begreiflicherweise waren die Spanier die ersten, welche die Buchdruckerkunst in MITTEL- und SÜD-AMERIKA einführten und zwar volle hundert Jahre bevor Nordamerika eine Presse hatte. Dort, wie hier, waren die, in dieser Periode gedruckten Schriften hauptsächlich religiösen Inhalts. In MEXICO erschienen jedoch auch einige geschichtliche Werke und viele sprachliche Bücher für den Gebrauch der Eingeborenen, in den mancherlei Idiomen derselben abgefasst[8]. Was die Zahl, den Umfang und die Ausstattung [191] der Bücher betrifft, ging der Süden Amerikas bis gegen das Ende des xvii. Jahrh. bedeutend dem Norden voran.
Über die Zeit der Einführung und die Person des Einführenden herrschten sehr abweichende Ansichten; jetzt steht es wenigstens unwiderleglich fest, dass Bücher 1540 in Mexico gedruckt wurden, und dass die Einführung der Kunst also noch vor diesem Jahre, wahrscheinlich um 1537, auf Betrieb des Vicekönigs Antonio de Mendoza geschah.
Lange galt die Annahme, dass das Vocabulario en lingva Castellana y Mexicana (1571) des Franziskaners Alonso de Molina das erste Werk und Antonio de Spinosa der erste Drucker gewesen. Die Druckerlaubnis wurde 1569 erteilt und so ist auch das Vorwort datiert. Der erste Teil dieses bedeutenden Werkes besteht aus 122, das zweite aus 162 numerierten Blättern in Folio, dasselbe also im ganzen aus 568 Seiten[9].
Später ward Johan Krombergers Druck: Doctrina Christiana, in dem Jahre 1544 mit gothischer Schrift ausgeführt, aufgefunden, die man nun für das älteste Buch Mexicos hielt, bis auch diese Annahme, und zwar durch sechs eigene Drucke Krombergers älteren Datums, widerlegt wurde. Sein erstes Buch, Manual de adultos, von welchem jedoch nur die letzten Blätter erhalten wurden, stammt nämlich schon aus dem J. 1540; das zweite: Relacion del espantable terremoto etc. de Guatemala, erschien 1541[10].
Nach den angesehenen Geschichtsforschern D. Padella, Alonzo Fernandez und Gonzales Danila hat Juan de Estrada in dem Novizenhause zu Mexico noch vor 1740 eine Übersetzung aus dem Lateinischen des Joh. Climachus: Escala esperitual para llegar al cielo geliefert und Juan Pablos sie gedruckt. Nur nennt Danila den Verfasser Juan de la Magdalena, was sich leicht als Klostername des Paters Juan de Estrada erklärt.
[192] Es dürfte jedoch nicht gar zu schwer sein, diese widersprechenden Nachrichten mit einander in Einklang zu bringen. Da der Vizekönig Antonio de Mendoza 1535 nach Mexico kam und dem (oben erwähnten) Kromberger in „Sevilla“ den Auftrag gegeben hatte, eine Druckerei in Mexico anzulegen, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass Kromberger den Juan Pablos nach dorthin gesandt hat, so dass dieser mit einem gewissen Recht als der erste Drucker der neuen Welt bezeichnet werden, und Kromberger doch die erste Druckfirma dort gewesen sein konnte. Pablos kann also für Kromberger die erwähnte Escala esperitual um 1537 gedruckt haben. Kromberger starb vor 1541, doch hat man später aus dem Geschäft in Sevilla Bücher mit seiner Firma. Und so wird es wohl auch in Mexico gewesen sein, bis wahrscheinlich Pablos das Geschäft erwarb, denn 1550 kommt auf der Doctrina Christiana seine Firma vor und dann später öfters.
Icazbalceta führt 93 in Mexico und 7 in PERU gedruckte Werke aus der Zeit von 1540-1600 auf. Zeitungen hatten Mexico und LIMA mutmasslich schon von Ende des xvii. Jahrh. Die Jahrgänge 1728-1730 der Mexico-Gazette sind noch vorhanden. Ein litterarisches Journal Gazetta de literatura erschien 1750.
Auf ST. DOMINGO war in der Stadt gleichen Namens eine spanische Presse zu Beginn des xvii. Jahrh. thätig. Es durfte jedoch nichts ohne besondere Erlaubnis der Kolonialregierung gedruckt, und von jedem Werk mussten derselben zwanzig Exemplare abgegeben werden. In PORT AU PRINCE hatten die Franzosen 1750 eine königliche Druckerei etabliert.
SURINAM erhielt von den Holländern vor 1775 eine Offizin. In dem portugiesischen Amerika scheint die Presse in den Händen der Regierung geblieben zu sein und diese erst gegen Ende des Jahrhunderts in Thätigkeit gewesen zu sein. In CORDOVA bestand bereits im xvii. Jahrh. eine geheime Jesuitenpresse.
FRANKREICH.
Die Lage des Buchdruckers. Der Staat und die Presse. Die Xylographie, die livres d'heures. Anton Verard. Geofroy Tory. Jodocus Badius. Conrad Néobar. Berühmte Druckerfamilien. Die Stephane: Heinrich i., Robert i., Heinrich ii., Ende der Familie. Die Gründung der königlichen Buchdruckerei. Ant. Vitré. Savary de Brèves. Lyon: Seb. Gryphius, Jean de Tournes, Steph. Dolet. Die Schriftgiesserei. Die Buchbinderkunst.
[193] WENN auch die Unterstützung der Universität der Einführung der Buchdruckerkunst in Frankreich grossen Vorschub geleistet und ihr anfänglich auch materielle Vorteile gewährt hatte, so zeigten sich doch andererseits bald die Nachteile durch stete Bevormundung und die Kunst nahm, trotz einer Reihe von ausgezeichneten Druckerfamilien, unter welchen, wie in Italien, wieder Eine alle anderen überragt, nicht die freie Entwickelung, wie dort[1].
Nicht allein Bücher, sondern selbst das Material, als Schriften und Farbe, waren abgabenfrei. Aber man wollte als Ersatz für diese Begünstigungen, dass die Bücher auch äusserlich mit Sorgfalt behandelt würden; man verlangte, dass sie sowohl mit guter Schrift [194] als auch auf gutem Papier gedruckt werden sollten, worüber Inspektoren zu wachen hatten. Buchdrucker, Korrektoren oder Autoren wurden für die Fehler verantwortlich gemacht und mussten nötigenfalls Cartons drucken lassen. Wollten sie sich gegen Versehen Anderer schützen, so mussten sie die, von ihnen korrigierten Bogen kontrasignieren und deponieren. Die Bücher, die nicht im Besitz der vorgeschriebenen Eigenschaften waren, wurden vernichtet und die Unachtsamen bestraft.
Auch auf mässige Preise hatten die Inspektoren zu halten, die anfänglich zwar von den Druckereien aus eigenem Antrieb innegehalten wurden, später aber nicht. Nicht weniger wurde der Zustand des Materials überwacht. Das Abspenstigmachen eines Korrektors seitens der Konkurrenten unterlag einer Strafe. Mit den auf Subskription ausgegebenen Werken nahm man es sehr streng. Jeder Prospektus musste von einem Probebogen begleitet sein, welcher ganz genau Format, Papier und Schrift, sowie Umfang und Preis des Werkes angab. Bei Übertretungen musste den Subskribenten der doppelte Betrag dessen, was sie schon gezahlt hatten, vergütet werden, abgesehen von der sonstigen gerichtlichen Brüche.
Um als Buchdrucker oder Buchhändler aufgenommen zu werden war es notwendig, vier Jahre gelernt und drei Jahre gedient zu haben, Zeugnisse seiner Fähigkeiten im Lateinischen und Griechischen, seiner Moralität und seiner Rechtgläubigkeit beizubringen, ausserdem bei einem Examen zwei Drittel der Stimmen der acht Examinatoren für sich zu haben. Die Meister waren berechtigt, den guten Arbeitern höher als nach der Taxe zu zahlen, ohne dass diejenigen, welche diese Vergünstigung wegen mangelhafter Arbeit nicht genossen, sich beschweren konnten. Sowohl Lehrlinge als Gehülfen und Korrektoren wohnten in den Häusern der Meister.
Der Pergament- und der Papierhandel unterlag ebenfalls der Kontrolle, und der Universität waren in Bezug auf Ankauf Vorrechte eingeräumt. Später bestimmte ein Reglement für die Papierfabrikation, dass alles Papier geleimt sein müsse, und setzte strenge Strafen auf das Untermengen der Masse mit Kalk oder anderen ätzenden Stoffen.
Aber solche Schutzmassregeln konnten selbstverständlich unter den zerrütteten politischen und finanziellen Verhältnissen, und in [195] Ermangelung der Freiheit der geschäftlichen Bewegung und der Presse, ebensowenig in Frankreich wie anderswo ein Zurückgehen der Kunst verhindern. Fesseln der verschiedensten Art wurden der Presse angelegt und das Schwert des Damokles hing fortwährend über den Häuptern der Buchdrucker und Buchhändler.
Franz i., der Typographie persönlich wohlgesinnt, bestätigte alle vorhandenen Privilegien und stand, als die Sorbonne 1521 ein fulminantes Verdammungsurteil über die Lutherische Lehre ausgesprochen hatte und dadurch Gefahren über manche Buchdrucker und Buchhändler heraufbeschworen wurden, zuerst auf deren Seite, liess sich jedoch später verleiten, den strengsten Massregeln zuzustimmen. Zugleich wurde die Zahl der Buchdruckereien in Paris auf nur 12 festgesetzt. Die Thätigkeit der 12 auserwählten nahm dafür einen um so grösseren Umfang an, so dass sogar Mangel an Arbeitern eintrat, was bereits damals von den Gehülfen benutzt wurde, um einen wohlorganisierten Strike mit gegenseitigen Unterstützungskassen in Scene zu setzen, welchem erst 1539 durch polizeiliche Massregeln ein Ende gemacht wurde.
Heinrich ii. erliess ein Verbot, theologische Schriften ohne Autorisation der theologischen Fakultät zu drucken, auch musste der Name des Autors und des Druckers auf jedes Werk gedruckt werden. Karl ix. verwehrte 1563 unter Androhung der strengsten Strafe, überhaupt etwas ohne Erlaubnis zu drucken; alle Bücher mussten von seinem Geheimrate geprüft werden. Ludwig xiii. erteilte 1616 dem Grosssiegelbewahrer die Vollmacht, die Zensur jeder tauglichen Person zu übertragen. Zur Handhabung der inneren Polizei ward ein Syndikat, bestehend aus fünf Mitgliedern (les gardes de la librairie), 1618 errichtet.
Der Geschmack an der nationalen Litteratur, welcher schon zu Ende der Regierung Ludwigs xiii. namentlich durch die Gründung der Akademie und durch die Werke Corneilles Nahrung gefunden hatte, gewann allgemeine Verbreitung in der Glanzperiode der Litteratur und der Kunst während der Regierung Ludwigs xiv. und äusserte seine Wirkung auch auf die Buchdruckerei, der der König, sowie sein Minister Colbert, sehr zugethan war, was sie jedoch nicht verhinderte, die beschränkenden Massregeln fortzusetzen. Die Zahl der Pariser Buchdruckereien wurde auf 36 [196] festgesetzt. Zugleich wurde bestimmt, dass jede Druckerei wenigstens vier Pressen und acht Sorten Antiqua- und Cursiv-Schriften haben müsse.
Die Aufhebung des Edikts von Nantes (1683) hatte zur Folge, dass die französischen Papiermacher nach England gingen, wo die Papierfabrikation noch keine hohe Stufe einnahm. Als Ludwig xiv. die Fortschritte der englischen Papierfabrikation bemerkte, wendete er grosse Summen auf, um die Arbeiter zur Rückkehr zu bewegen, was ihm auch gelang; jedoch, die Fabrikation, die einmal dort Fuss gefasst hatte, entwickelte sich trotzdem auf das glänzendste.
Im Jahre 1723 wurde von Ludwig xv. ein Dekret erlassen, durch welches die Pressverhältnisse geordnet wurden und das bis zum Beginn der Revolution Bestand hatte.
Wenden wir unsere Aufmerksamkeit auch in Frankreich zuerst der Xylographie zu, so finden wir, dass die Verhältnisse hier nicht ganz so wie in Deutschland lagen. Dort war sie nicht, wie es hier der Fall war, eine Lieblingsmanier der Künstler, um selbständige Kunstwerke oder Kunstblätter herzustellen, sondern diente fast nur dem Illustrationszweck, namentlich nur der Ornamentierung der Bücher. Die Aufgabe, zu zeigen, was in letzterer Beziehung geleistet werden konnte, fiel besonders den Andachtsbüchern zu. Die sehr beliebten illustrierten Chroniken und Ritterromane enthielten fast nur rohe Umrisse, bestimmt von den Künstlern ausgemalt zu werden, die öfters, wenn die Vorwürfe ihnen nicht gefielen, die Stellen mit ganz anderen Kompositionen ausfüllten und die vorhandenen Illustrationen ganz übermalten.
Die Andachtsbücher (livres d'heures) wurden anfänglich fast nur auf Pergament gedruckt, damit die Miniaturisten, von welchen Paris eine Anzahl der gepriesensten besass, grössere Kompositionen und Initialen, für welche Platz gelassen worden war, hineinmalen konnten. Die bunten Figuren, nach byzantinischer Art auf Goldgrund gemalt, boten einen prächtigen Anblick dar. Später versuchte man durch Holzschnitte die Kunst der Miniaturisten, so weit dies ohne Farbe möglich war, zu ersetzen und hatte es um 1486 soweit gebracht, solche Bücher, dem Geschmack des Publikums angemessen, durch Hülfe allein der Druckerpresse herstellen zu können.
[197] Ein Teil der bekanntesten Herausgeber der Livres d'heures, als: Pigouchet, Simon Vostre, Giles Hardoyn, Marnef, Michel le Noir u. a., nahmen die gothischen Schriften und den strengeren deutschen Stil an, und manche Illustrationen verraten unverkennbar den Einfluss Dürers, namentlich aus der Zeit seines Aufenthaltes in Venedig, so dass öfters Dürersche Figuren, von italienischer Architektur oder Ornamenten umgeben, vorkommen. Andere Herausgeber als: Guyot, Marchand, Gourmont, Simon de Colines, Janot, Anabat, vor allen Geofroy Tory standen ganz unter dem Einfluss des italienischen Geschmackes und adoptierten folglich als Druckschrift die Antiqua.
Die schöne Ausführung dieser Bücher und ihr, im Vergleich zu den Manuskriptenpreisen sehr wohlfeiler Ankaufspreis hatten einen bedeutenden Absatz zur Folge. Man wandte sich von allen Seiten mit Aufträgen nach Paris, wodurch die Buchdruckereien einen grossen Aufschwung nahmen. Mit der zunehmenden Menge und Billigkeit liess aber auch die Vortrefflichkeit der Ausführung nach. Die Feinheit der Vignetten scheint auf Metallhochschnitt hinzuweisen, was durch den Buchdrucker Jean Dupré, 1488, bestätigt wird, der von Vignetten, imprimées en cuyvre, spricht. Wie hoch diese Bücher jetzt von den Sammlern geschätzt werden, geht daraus hervor, dass die Preise seit dem Beginn des Jahrhunderts bis auf das fünfzigfache gegen damals gestiegen sind.
In wie weit die obengenannten und andere, deren Namen in Verbindung mit den illustrierten Büchern gebracht werden, Drucker, Herausgeber oder ausübende Künstler waren, ist nicht immer genau festzustellen.
Anton Verard, geboren zu Paris gegen d. J. 1450, gestorben 1512, anfänglich Kalligraph und Miniaturist, hatte jedenfalls selbst eine Buchdruckerei, obwohl es auch Bücher giebt, die bei Anderen für seine Rechnung gedruckt wurden. Er widmete sich ganz besonders der Herausgabe von Chroniken und Rittergeschichten. Ihm verdankt man die ersten Ausgaben von Froissart und Monstrelet. Er wurde von der kunstsinnigen Königin Anna von Bretagne sehr begünstigt und in verschiedenen seiner Verlagswerke sieht man ein Bild, auf welchem er knieend der Königin ein Exemplar überreicht. Die Zahl der von ihm herausgegebenen Werke ist eine sehr grosse. [198] Ist auch der künstlerische und litterarische Wert dieser Bücher kein bedeutender, so trugen sie doch mächtig bei, den Sinn für ritterliche Ehre und Ritterpflichten zu nähren, bis das Erscheinen des Don Quixote dem Enthusiasmus einen mächtigen Dämpfer aufsetzte. Von da ab haben diese Romane nur für den Bibliophilen Wert.
Unter den Herausgebern illustrierter Bücher, überhaupt unter den Reformatoren der Kunst und der Schriftsprache in Frankreich, nimmt Geofroy Tory einen ganz hervorragenden Platz ein[2]. Geboren in Bourges um das Jahr 1480, widmete er sich mit Erfolg den Studien, begann zugleich um 1505 das Zeichnen und die Holzschneiderei. Eine zeitlang trieb er diese und die Philosophie friedlich nebeneinander, er war jedoch kein Mann der Halbheit, gab deshalb seinen Lehrstuhl auf und widmete sich ganz der Kunst.
Ein Werk des Italieners Sigismund Fanti über die Verhältnisse der Buchstaben (Venedig 1514) gab Tory die Anregung zu seinen späteren Arbeiten, auch waren ihm die Werke Dürers, in welchen dieser sich mit Schrift beschäftigt, bekannt. Er liess sich in die Zunft der Buchhändler aufnehmen, zu welcher er als Illuminator und Holzschneider gehörte, und bereitete für ein Andachtsbuch eine Serie von Einfassungen in antikem Stile vor. Während seiner Arbeiten, die jedoch fast zwei Jahre durch den Schmerz über den Tod seiner geliebten Tochter, Agnes, unterbrochen wurden, reifte bei ihm die Idee zu einem linguistisch-typographischen Werke, das 1529 unter dem Titel erschien: „Champ-fleury, au quel est contenu L'art et science la deue et vraye Proportion des lettres Attiques, qu'on dit autrement Lettres antiques et vulgairement Lettres Romaines, proportionees selon le Corps et Visage humain“.
Das Werk zerfällt in drei Abteilungen. Die erste enthält die Anweisung zu dem rechten Gebrauch der Sprache; die zweite behandelt die Entstehung der Kapitalschrift und die Belehrung, wie die Kapitalbuchstaben in Übereinstimmung mit dem Körper und dem Gesicht eines wohlgebildeten Menschen stehen. Geistreiche Illustrationen in Holzschnitt dienen zur Versinnlichung der Theorie, die zwar kaum für etwas anderes als ein Paradoxon erklärt werden [199] kann, jedoch in der sinnreichsten Weise durchgeführt ist. Der dritte Teil wendet sich der Praxis zu, und giebt genaue Zeichnungen der Buchstaben und begleitet sie mit Untersuchungen über die Aussprache. Den Schluss machen 13 Alphabete, vier Gattungen französischer Schriften: Cadeaulx, Forme, Bâtard, Tourneure, mehrere orientalische Schriften, grosse Kapitalbuchstaben (Imperiales, Bullatiques), Phantasiebuchstaben (Utopiques) mit Arabesken, verzierte Initialen u. s. w.
Das Werk, welches 1529 erschien, veranlasste eine wahre Revolution in der französischen Typographie und Orthographie. In der Technik wurde es eine Hauptveranlassung zur vollständigen Beseitigung der gothischen Type und zu einem neuen Schnitt der Antiqua. Robert Stephanus fand sich veranlasst, alle seine Schriften zu verwerfen und andere einzuführen, die sich nun in ihrer neuen Gestalt beinahe bis zum Anfang des xix. Jahrhunderts unverändert erhielten. Noch wichtiger waren die Veränderungen in philologischer Hinsicht, da von nun an die Accente, Apostrophe und Cedillen, so wie eine verbesserte Orthographie eingeführt wurden.
Dies konnte von dem, die Wissenschaften und die Typographie so sehr liebenden König Franz i. nicht unbemerkt und unbelohnt bleiben. Er ernannte Tory, 1530, zum königlichen Hofbuchdrucker, ein Titel, mit dem reelle Einnahmen verbunden waren, auch wurde ihm zuliebe eine 25. Stelle als Universitätsbuchhändler geschaffen, da die festgesetzte Zahl 24 bereits voll war. Torys Todestag ist nicht genau bekannt, er muss aber vor dem Jahre 1534 liegen, da seine Witwe, Perette le Hulin, um diese Zeit das Geschäft fortführte. Im Jahre 1535 gingen die verschiedenen Offizinen auf Olivier Mallard über; nur die Holzschneiderei behielt die Witwe. Mallard, der das Zeichen Torys, die zerbrochene Vase mit der Umschrift non plus, wahrscheinlich eine Anspielung auf seine durch den Tod seiner Tochter vernichtete Lebenskraft, fortführte, starb 1542. Das Material kam in die Hände Thielemann Kervers. Der berühmte Schriftgiesser Claude Garamond, ein Schüler Torys, war wieder ein Lehrer der nicht weniger berühmten Wilh. le Bé und Jacques Sanleque.
Die eigentliche illustrierte Litteratur, in der der Schriftsteller, wenn nötig, sich der Illustration unterordnet, wurde von Denys [200] Janot (1530-1545), noch mehr von seinem Nachfolger Stephan Groulleau (1547-1565) in System gebracht. Als Schriftsteller unterstützte sie Gilles Corrozet mit seiner geschmackvollen Feder und als Künstler Jean Cousin mit seinem grossen Zeichnertalent. Es ist schwer die Stellung der einzelnen Teile dieses vierblätterigen Kleeblattes genau festzustellen. Die Begierde des Publikums nach ihren Produktionen war eine so grosse, dass es nicht immer möglich war, sie zu befriedigen. Man musste deshalb, in Ermangelung der schönen Renaissance-Vignetten, öfters zu Zeichnungen älteren Datums greifen und so findet man, sogar in einem und demselben Buch, oft neues und geschmackvolles neben altem und stillosem.
Janots letztes Werk, l'Amour de Psyché et de Cupidon, erst durch seine Witwe, aus der berühmten Buchdruckerfamilie de Marnef stammend, herausgegeben, ist zugleich sein schönstes. Die Witwe heiratete 1547 Stephan Groulleau, der viele der zierlichsten illustrierten Ausgaben lieferte. Gilles Corrozet, geb. 1510, starb 1568. Jean Cousin, ebenfalls 1510 geboren, 1590 gestorben, war Zeichner, Goldschmied, Bildhauer und Geometer.
Von Zeichnern und Holzschneidern sind noch zu nennen: Mercure Jollet, Pierre Wojiriot, nach seinem Geburtsort de Bouzey genannt, ein Schüler Cousins und vielseitiger Künstler. Die Prinzessin Marie von Medici (geb. 1573, gest. 1642) war nicht allein eine grosse Gönnerin der Kunst, sondern soll auch die Xylographie in tüchtiger Weise geübt haben.
Jean Papillon (geb. 1660, gest. 1710) war der Stammvater einer Holzschneider-Familie, die eine gewisse Berühmtheit erlangt hat, ohne eigentlich grosse Ansprüche darauf machen zu können. Am bekanntesten ist Jean Papillon durch seinen: traité historique et pratique de la gravure sur bois (2 Bde. Paris 1766) geworden, ein Werk, das zwar ohne Kritik geschrieben ist, jedoch eine Menge von Nachrichten über zeitgenössische Künstler enthält, die man sonst nicht haben würde.
Von den Papillons ab sank der Holzschnitt vollständig und nur der Kupferstich wurde zur Bücher-Illustration benutzt, nicht allein durch Beigabe besonderer Blätter, sondern auch indem man Vignetten in den Text eindruckte[3].
[201] Unter den zugleich gelehrten und tüchtigen Buchdruckern ist zu nennen Jodocus Badius[4] (1498-1535), nach seiner Vaterstadt Asch bei Brüssel auch Ascensius genannt. In Lyon hatte er bei Trechsel als Korrektor fungiert und dessen Tochter geheiratet. Er druckte über 400 Werke, die sich durch Schönheit und Korrektheit empfehlen, und versah viele Klassiker-Ausgaben mit seinen Anmerkungen. Er war zu gleicher Zeit Buchhändler, Buchdrucker, Schriftschneider und Schriftgiesser. Seine drei Töchter verheirateten sich mit drei der berühmtesten Typographen, Michael Vascosan, Joh. Roigny und Robert Etienne. Der Sohn, Conrad Badius, ebenfalls ein tüchtiger Gelehrter und Buchdrucker, ging, als Calvinist verfolgt, 1549 nach Genf, wo er litterarisch und typographisch fortwirkte. Sein Schwager Vascosan, dessen Bücher in Druck und Papier gleich schön und grösstenteils mit Antiqua gedruckt sind, wurde 1566 königlicher Typograph und lieferte, ungerechnet neue Auflagen, 297 Werke.
Der Schwiegersohn Vascosans, Friedrich I. Morel (1571-1583), ist Stammvater einer gelehrten und berühmten Druckerfamilie, von welcher der Sohn des Genannten, Friedrich ii. Morel, das bedeutendste Glied war. Seine Kommentare zu den Psalmen sind noch heute hoch geschätzt.
Eine andere berühmte Familie war die Wechelsche, begründet 1522 von Christian Wechel aus Basel. Derselbe druckte öfters den Flavius Vegesius, von dem mehr als 50 Ausgaben existieren, und gab die Werke Dürers in lateinischer Sprache heraus. Maittaire verzeichnet 335 von ihm verlegte Werke, durch welche er vorzugsweise die Medizin, die Anatomie und die Chirurgie förderte. Er beschäftigte die berühmtesten Korrektoren seiner Zeit, Friedr. Sylburge und Joh. Obsopäus. In religiöse Streitigkeiten verwickelt, zog er es vor nach Frankfurt a. M. zu gehen, wo er 1554 starb. Sein Sohn Andreas (1535-1573) war ebenfalls ein ausgezeichneter Drucker. Wie der Vater, nur noch im höheren Masse, war er der Religion wegen Verfolgungen ausgesetzt. In der Bartholomäusnacht entging er zwar der Todesgefahr, aber sein Eigentum wurde konfisziert. Er zog, 1573, mit seiner Familie nach Frankfurt (vergl. S. 131).
[202] Das Geschlecht, welches neben den Aldi zu den höchsten typographischen Ehren gelangte und durch das ganze sechzehnte und einen Teil des siebzehnten Jahrhunderts eine grossartige litterarisch-typographische Thätigkeit entwickelte, war die Familie Etienne[5] oder nach damaliger Sitte Stephanus, die mit dem Heinrich Stephanus als Stammvater begann.
Sein Geburtsjahr kennen wir nicht, wissen auch nichts von seiner Jugendgeschichte und in welcher Weise er die Fähigkeiten erwarb, die ihm einen hervorragenden Platz unter den tüchtigsten und gelehrtesten Buchdruckern sicherten. Eine kurze Zeit (1502 bis 1504) arbeitete er zusammen mit einem gelehrten deutschen Buchdrucker Wolfgang Hopyl, dessen Ausgaben bis 1489 zurück- und bis 1522 heraufgehen.
Die Ausgaben Heinrich i. Stephanus' erreichen, so weit bekannt, die Zahl von gegen 130, wovon einige in Gemeinschaft mit andern Buchdruckern oder für fremde Rechnung, 107 aber für eigene Rechnung ausgeführt wurden. Die meisten waren in Folio und mit grosser Sorgfalt gedruckt. Der Inhalt ist beinahe ausschliesslich theologisch und philosophisch, denn die klassische Litteratur war noch immer Domaine der Italiener und hatte sich noch nicht nach Frankreich den Weg gebahnt.
Heinrich, welcher 1520 im August oder September starb, hatte drei Söhne, Franz, Robert und Carl, welche alle Buchdrucker oder Buchhändler wurden. Die Witwe Heinrichs verheiratete sich das Jahr nach dessen Tod mit Simon de Colines (Colinäus), der mutmasslich schon Teilhaber des Geschäfts gewesen war und nun Besitzer der Buchdruckerei wurde, deren Schriftenvorrat er vermehrte, namentlich durch eine, grösstenteils von ihm selbst geschnittene Cursiv. Er machte sich durch seine schöne Klassikerausgabe berühmt.
Robert, der zweite Sohn, war 1503 geboren. Über seine Jugend wissen wir nichts, wahrscheinlich ist er im väterlichen Hause geblieben, wo er auch nach der Verheiratung seiner Mutter mit Colines arbeitete. Robert heiratete Perette, die Tochter von Jod. Badius, die eine gelehrte Bildung hatte und das Lateinische fliessend [203] sprach. Überhaupt war durch den steten Verkehr der Gelehrten in Roberts gastfreiem Hause, das öfters durch die Besuche Franz i. und Margarethas von Navarra geehrt wurde, das Lateinische die tägliche Umgangssprache geworden, die selbst den Dienstboten geläufig war. Perette ward die Mutter von acht Kindern und starb gegen 1550, worauf Robert Margaretha Duchemin heiratete.
Roberts Wirksamkeit richtete sich auf die Herausgabe der so sehr notwendigen Elementarbücher für das Studium der alten Sprachen und auf korrekte Ausgaben der Klassiker; die Angabe, dass er seine Korrekturbogen öffentlich aushing, gehört jedoch in das Gebiet der Dichtung. Vor allem beschäftigte ihn die Herausgabe der heiligen Schriften, lateinisch, griechisch und hebräisch. Schon die, 1523 in Sedez gedruckte, sorgfältig revidierte lateinische Ausgabe des Neuen Testaments erregte das Missvergnügen der Sorbonne gegen den jugendlichen Herausgeber auf Grund der Emendationen, welche er notwendig fand, und gab das Signal zu den Verfolgungen, unter welchen er sein lebenlang zu leiden hatte. Jede neue Ausgabe der Bibel brachte ihm zwar neue Ehren, aber auch neue Sorgen und Anfeindungen, gegen welche ihn die Gunst Franz i. nur wenig zu schützen vermochte.
Die Zahl seiner Drucke beträgt über 600. Sein Hauptwerk, welches allein als Ehrendenkmal für ihn genügend gewesen sein würde, ist der Thesaurus linguæ latinæ (1532). Die vergeblichen Versuche, ein altes Vocabularium des Calepin zeitgemäss zu korrigieren, gaben dazu die Veranlassung. Alle Gelehrten, die Robert anging, ein neues Lexikon zu liefern, schreckten vor der Arbeit zurück, an die nunmehr Robert selbst unter Beihülfe eines bescheidenen Gelehrten Joh. Thierry mit einem solchen Eifer ging, dass das grosse Werk nach zweijähriger Arbeit vollendet war. 1536 erschien eine zweite, verbesserte Auflage, eine dritte 1543 und später noch weitere Ausgaben.
Bei Gelegenheit des Druckes seiner hebräischen Bibel (1539-1546) wurde Robert am 24. Juni 1539 vom König Franz i. zum königlichen Drucker für die lateinischen und hebräischen Schriften ernannt, wozu noch im J. 1545 die Erhebung zu demselben Posten für das Griechische kam, welchen zuerst Conrad Néobar inne gehabt hatte. Es war der Aufmerksamkeit Franz i. nicht entgangen, [204] dass die griechischen Drucke Frankreichs trotz der Anstrengungen des gelehrten François Tissard im Verein mit dem tüchtigen Praktiker Gilles de Gourmont, die zuerst 1507 ein griechisches Buch in Frankreich gedruckt hatten, weit den italienischen nachstanden. Dem wollte der König abhelfen und glaubte in Conrad Néobar (1538-1540) den rechten Mann gefunden zu haben. Durch Patent vom 17. Januar 1538 wurde er zum königlichen Drucker für das Griechische ernannt mit einem Jahresgehalt von 100 Goldthalern nebst den Vorteilen der Universitäts-Angehörigen, auch sollten alle von ihm zuerst gedruckten Werke auf 5 Jahre Schutz geniessen. Die Schriften sollte Claude Garamond schneiden. Dies erlebte Néobar nicht, der schon nach zwei Jahren starb, in der kurzen Zeit sich aber bereits einen berühmten Namen erworben hatte.
Stephanus übernahm nun die weitere Leitung. Die Zeichnungen zu der Schrift rühren von dem berühmten Kalligraphen Angelus Vergecius (Auge Vergece) her, zumteil auch von dessen damals erst fünfzehnjährigen Schüler Heinrich, dem Sohne Roberts. Diese Schriften sind kaum durch irgend eine spätere Produktion übertroffen und wurden bis in die neueste Zeit in der kaiserlichen Druckerei in Paris verwendet. Auch der berühmte Schriftschneider und Schriftgiesser Wilhelm le Bé wurde von Robert, namentlich für die hebräische Bibel, beschäftigt. Dafür, dass die hebräischen Schriften ebenfalls für königliche Rechnung geschnitten wären, liegen keinerlei Beweise vor.
Der fortwährenden Verfolgungen durch die Sorbonne müde, ging Robert 1550 oder 1551 nach Genf, um dort in der Ruhe, die er in Frankreich nicht hatte finden können, mit den Reformatoren Calvin, Theodor Beza u. a. zusammenzuleben, ihre Werke zu drucken und die Bibelausgaben ungestört fortzusetzen. Es scheint, als habe Robert mit Standhaftigkeit und Kraft die mit der Übersiedelung verbundenen Verluste und das Ungemach aller Art ausgehalten. Seine Wirksamkeit in Genf war gleich eine bedeutende, das Pariser Geschäft wurde jedoch nicht geschlossen und 1556 beginnt sein Sohn Robert ii. dort seine Ausgaben.
Dass die Genfer Robert unentgeltlich als Mitbürger aufnahmen, konnte ihm seinen Verfolgern gegenüber, gegen die er eine bittere Rechtfertigungsschrift veröffentlichte, als eine Genugthuung gelten. [205] Es ist ihm vielfach zum Vorwurf gemacht, dass er die berühmten königlichen griechischen Schriften mit nach Genf nahm. Sein Biograph Renouard hat mit schlagenden Gründen ihn gegen den Verdacht, als habe er damit etwas unrechtmässiges gethan, verteidigt. Im Jahre 1621 wurden die Schriften, welche für 1500 Goldthaler dem Rate von Genf von Roberts Enkel, Paul, verpfändet waren, von der französischen Regierung für 3000 Livres gekauft und von Paul nach Paris gebracht. Bei den Verhandlungen deutet nichts darauf hin, als sei Paul nicht rechtmässiger Besitzer der Matern gewesen. Seit 1774 befinden sie sich in der Staatsdruckerei in Paris.
Seinem lateinischen Wörterbuch wollte Robert ein griechisches folgen lassen. Mit den Vorarbeiten beschäftigte er sich lebhaft, wurde aber dabei vom Tode überrascht. Den Zustand dieser Vorarbeiten kennen wir nicht, doch müssen dieselben nach der Aussage des Vollenders, seines Sohnes Heinrich, weit vorgeschritten gewesen sein.
Robert starb am 7. Sept. 1559, 56 Jahre alt. Von seinen acht Kindern werden Heinrich ii., geb. 1528; Robert ii., geb. 1530, und Franz ii. Gegenstand weiterer Besprechung sein. Von Roberts i. Bruder Franz i. ist wenig zu sagen; man kennt das Datum seiner Geburt nicht, weiss auch nicht, ob er verheiratet war. Wahrscheinlich war er nur Buchhändler; ein Buch von ihm später als aus dem J. 1548 kennt man nicht, schliesst deshalb auf seinen frühen Tod um diese Zeit, der vielleicht auch nur Schuld gewesen sein wird, dass er keine grössere Berühmtheit erlangte; denn seine kurze Wirksamkeit zeugt von grosser Tüchtigkeit.
Der jüngste Bruder Roberts i., Karl (geb. 1504 od. 1505), war ein tüchtiger Arzt, geschickter Buchdrucker und ausgezeichneter Gelehrter. Der Wegzug Roberts von Paris war der Grund, dass Karl wider seinen Willen das Geschäft übernehmen musste; er setzte aber dabei seinen ärztlichen Beruf fort. Die Druckerei übte er nur bis zum Jahre 1561, produzierte aber in der kurzen Zeit eine Reihe von guten Ausgaben, die einen ehrenvollen Rang unter den Erzeugnissen der Familie einnehmen. Er starb 1564 im Gefängnis, worin er sich, einige behaupten wegen religiöser Ansichten, andere wegen Schulden, befand; Thatsache ist, dass er vieles verloren hatte und dass man seit 1561 geschäftlich nichts weiter von ihm hörte.
[206] Nach dem Tode Roberts i. fiel das Geschäft dem Sohne Heinrich ii. zu und Robert ii. wurde enterbt; doch scheint dies keineswegs ein Akt der Rache gegen Robert gewesen zu sein, der dem katholischen Glauben treu geblieben war, sondern eine aus Klugheit getroffene Massregel; denn wir sehen Robert ii. seine Wirksamkeit auf Grundlage des früheren Pariser Geschäfts beginnen und in freundschaftlichem und geschäftlichem Verkehr mit seinem Bruder bleiben. Er starb 1571. Seine Witwe heiratete Mamert Patisson, einen tüchtigen Buchdrucker.
Heinrich ii., dessen Ruhm denjenigen der übrigen Mitglieder der Familie noch überragte, war 1528 geboren, in demselben Jahre, in welchem die berühmte lateinische Folio-Bibel seines Vaters erschien. Er wurde von dem Lehrer des Dauphin, Pierre Danis, auf das sorgfältigste im Griechischen unterrichtet; auch schrieb er das Griechische ebenso kalligraphisch schön wie sein Lehrmeister Angelus Vergecius und trieb eifrig Mathematik, selbst Astrologie. Von 1546 ab liess ihn der Vater an den litterarischen Arbeiten teilnehmen, die er mit der Redaktion des Dionysius von Halikarnass begann. Nach dreijährigen Reisen in Italien, wo er die Bibliotheken durchsuchte und Italienisch wie ein Eingeborener sprechen und schreiben lernte, kam er 1549 nach Paris zurück, reiste aber schon 1550 nach England und 1551 nach Flandern, wo er das Spanische studierte. Wahrscheinlich folgte er dem Vater nach Genf, kehrte aber bald nach Paris zurück und ging dann wieder nach Rom.
Seine typographische Laufbahn begann Heinrich erst 1557. Zwar nennt er sich Typographus Parisiensis, welches aber nicht ausdrücken soll, dass seine Offizin in Paris war; die Bezeichnung sollte ihm nur ein grösseres Gewicht in den Augen des Publikums verschaffen. Wahrscheinlich auf Grund seiner Reisen und der Kosten des Etablissements kam Heinrich bald in Verlegenheit, wurde aber durch ein Mitglied der berühmten Familie Fugger, Hulderich, unterstützt und erhielt von ihm eine jährliche Rente. Er nannte sich deshalb auch zehn Jahre lang Fuggerorum Typographus. Dies hörte aber, zugleich mit der Freundschaft, 1568 auf.
Mit grosser Energie ging Heinrich an die Fortsetzung der Wirksamkeit des Vaters, in einer Weise, die seine körperlichen Kräfte überstieg. Wenn auch die typographische Ausstattung ein [207] wenig hinter der der Pariser Ausgaben zurückbleibt, so kann ihnen dies doch den inneren Wert nicht rauben. 1572 erschien das Werk, welches seinen Arbeiten die Krone aufsetzte, der Thesaurus linguæ græcæ, aber er hatte damit seine pekuniären Kräfte erschöpft. Den grössten Schaden that ihm Johann Scapula durch einen Auszug. Obwohl Scapula an der Korrektur von Stephanus' Werk und an der Redaktion teilgenommen hatte, entblödete er sich nicht zu erklären, dass er nur zufällig den Thesaurus gesehen habe und dass seine Arbeit ganz dem eigenen Geiste entsprungen sei. Eine editio posterior, die Heinrich einige Jahre nachher veranstaltete, ist nur durch Umdruck einzelner Blätter eine neue Ausgabe.
Von jetzt ab fängt Heinrich ein nomadisierendes Leben an, das erst mit seinem Tode aufhören sollte. Er folgte darin zumteil seinen Neigungen, beabsichtigte aber auch seine grossen Lagervorräte an den Mann zu bringen. Namentlich Deutschland und seine Büchermessen besuchte er regelmässig, kam auch nach Wien und selbst nach Ungarn; war ebenso öfters in Paris, wo er vom König Heinrich iii. gut aufgenommen wurde.
1597 wollte Heinrich von Genf aus wieder Frankreich besuchen. Er verblieb eine zeitlang in Montpellier, wo seine Tochter Florence an den gelehrten Isaak Casaubon verheiratet war, dem er seine Mitwirkung bei dessen litterarischen Arbeiten anbot. Diese scheint abgelehnt worden zu sein und Heinrich setzte nun seine Reise weiter fort, kam krank nach Lyon und liess sich in das Spital bringen, wo er in den ersten Tagen des März 1598, gegen 90 Jahre alt, starb. Heinrichs finanzielle Lage war zwar nie glänzend gewesen, doch haben wir nicht nötig anzunehmen, dass ihn die Armut in das Spital führte. Seine Verlegenheiten gingen nicht so weit, dass seine Existenz gefährdet war, und der Verkauf seiner Werke deckte nicht allein seine Schulden, sondern liess auch noch etwas für die Witwe übrig und erhielt die Druckerei seinem Sohne Paul.
Paul war zwar ein tüchtig gebildeter Mann, besass jedoch nicht die geschäftliche Energie des Vaters, betrieb das Geschäft in wenig hervorragender Weise und verkaufte dasselbe 1627 an die Gebr. Chouet. Ein Sohn Pauls, Antonius, entwickelte Tüchtigkeit und Thätigkeit in Paris, war jedoch nicht vom Glück begünstigt und starb 1674 schwach und erblindet, 84 Jahr alt, im Hôtel-Dieu.
[208] Der jüngste Bruder Heinrichs ii., Franz ii., kam schon jung mit seinem Vater nach Genf, wurde dort in der protestantischen Konfession erzogen und wissenschaftlich ausgebildet. Im Jahre 1562 hatte er in Genf eine Druckerei, die bis zum Jahre 1582 fortbetrieben wurde, jedoch keine besondere Thätigkeit entwickelte. Später zog er nach der Normandie.
Das grossartige Wirken der 1713 gegründeten Didot'schen Buchdruckerei gehört der folgenden Periode an.
Es ist mehrfach angenommen worden, König Franz i. habe die königl. Buchdruckerei gestiftet; dem ist nicht so, und das Verhältnis der „Königlichen Buchdrucker“ zu ihm ist schon oben klargelegt. Er förderte die Kunst durch Unterstützung einzelner hervorragender Drucker in dieser oder jener Richtung, wo es über die Kräfte des einzelnen gegangen wäre, die notwendigen Opfer zu bringen. Das Verdienst, die königliche Buchdruckerei gegründet zu haben, gehört Ludwig xiii. und dem Kardinal Richelieu[6].
Im Jahre 1631 hatte der zuletzt Genannte den Druck der liturgischen und heiligen Schriften in verschiedenen, auch orientalischen Sprachen, einem Consortium von Pariser Buchdruckern übergeben, unter der Bedingung, dass eine Anzahl von Exemplaren zu Missionszwecken der Regierung gratis zur Disposition gestellt würde. Der Verein veröffentlichte auch mehrere solche Bücher in arabischer Sprache, die Muselmänner wollten sie aber nicht annehmen, und Selim i. erneute das strenge Verbot Bajazet ii. (vgl. S. 76). Der Verein entsprach überhaupt nicht den Absichten des Kardinals und hatte selbstverständlich zunächst seinen eigenen Vorteil vor Augen. Richelieu fasste nun 1640 den Entschluss, eine Staatsanstalt, Die königliche Buchdruckerei, zu errichten.
Eine Grundlage war schon in den griechischen Schriften Franz i. vorhanden gewesen, welche durch die Erwerbung der orientalischen Schriften Savary de Brèves' bedeutend vermehrt worden war. Der Genannte war 1589 als französischer Gesandter nach Konstantinopel gegangen, lebte dort eine lange Reihe von Jahren und hatte grosses Interesse für orientalische Litteratur gefasst, eine bedeutende [209] Manuskripten-Sammlung angelegt und arabische, persische und syrische Typen schneiden lassen, im ganzen über 1600 Stempel. Von Konstantinopel zurückgekehrt, liess er mit seinen Typen 1613 in Rom, 1615 in Paris drucken, wo mehrere Werke ex typographia Savariana erschienen.
Savary de Brèves starb bereits 1627. Von mehreren Seiten erstrebte man die Erwerbung der Typen, es gelang jedoch 1632 dem Buchdrucker Antonius Vitré, diese und die Manuskripte im geheimen Auftrag des Königs, der früher vergeblich 27000 Livres geboten hatte, für die höchst mässige Summe von 4300 Livres anzukaufen.
Zwischen Vitré einerseits und den Erben de Brèves' und der Regierung andererseits entstanden sehr langdauernde unerquickliche Differenzen; schliesslich kamen die Typen nach dem Tode Vitrés 1691 definitiv in den Besitz der königlichen Druckerei, welche sie den Pariser Buchdruckern zur Disposition stellte. Die Typen waren bereits von Vitré zum Druck der Polyglott-Bibel des Präsidenten le Jay benutzt. Diese Bibel in hebräischer, samaritanischer, chaldäischer, griechischer, syrischer, lateinischer und arabischer Sprache ist eins der merkwürdigsten Druckerzeugnisse des xvii. Jahrhunderts. Jay opferte mehr als 100000 Thaler für dieses Werk und ruinierte sich vollständig. Es lag, wie man berichtet, ganz in seiner Hand, diesen Schlag abzuwenden, wenn er sich dazu verstanden hätte, dem Kardinal Richelieu die alleinige Ehre als Urheber einzuräumen; er wollte jedoch diese sich nicht nehmen lassen.
Die königliche Buchdruckerei ward auf das beste im Louvre eingerichtet und Sebastian Cramoisy zum Direktor ernannt. Richelieu hatte namentlich Missionszwecke vor Augen und man begann daher mit dem Drucke von Andachtsbüchern, die gratis verteilt werden sollten. Die Wirksamkeit nahm aber bald eine typographisch grossartigere Richtung an und man lieferte in dem ersten Jahrzehnt an 100 Werke, die mit dem grössten Luxus und aller Sorgfalt ausgeführt, teilweise mit Stichen und Vignetten der besten Künstler, selbst eines Nic. Poussin, geschmückt waren.
Im Jahre 1692 bestimmte Ludwig xiv., der sich nicht weniger als sein Vorgänger für die kgl. Druckerei interessierte, dass ein grosses Werk: Description et perfection des arts et des metiers, von [210] welchem der erste Band die Buchdruckerei, die Schriftgiesserei und die Buchbinderkunst umfassen sollte, herauszugeben sei. Dieser Band, der einzige, welcher überhaupt erschien, entsprach jedoch gerechten Erwartungen nicht. Wichtiger war die Bestimmung des Königs, dass eine besondere französische Schrift gezeichnet und geschnitten werden sollte, welche nur in der königl. Druckerei Verwendung finden dürfe. Zwar waren die, s. Z. von Claude Garamond geschnittene, vortrefflich, man fand jedoch den Duktus etwas veraltet. Eine Kommission von Akademikern wurde ernannt, die sich mit dem Schriftschneider Philipp Grandjean in Verbindung setzte, in welcher ihm erst sein Schüler Jean Alexandre 1723, dann dessen Schwiegersohn Louis Luce folgten. Die neue prachtvolle Schriftengarnitur, welche 1745 vollendet wurde, leidet an einer kleinen Geschmacklosigkeit. Die Schrift sollte, wie erwähnt, nur für die kgl. Druckerei sein; man musste deshalb für sie etwas eigentümliches erfinden. Dies bestand in einigen Strichelchen, welche einer Anzahl Buchstaben angehängt wurden. Diese Geschmacklosigkeit hat sich bis auf den heutigen Tag erhalten. Die erste Verwendung fand diese Schrift 1702 in einem Prachtwerke Médailles sur les principaux événements du règne de Louis le Grand[7].
Aus den erwähnten Jahreszahlen ist bereits ersichtlich, dass Ludwig xiv. nicht die Vollendung der von ihm angeregten Verbesserungen erlebte. Für die Anstalt blieb dies ohne weitere Folgen, denn der Regent sowohl als der junge König Ludwig xv. waren der Druckkunst wohlgesinnt. Der letztere hatte sogar in den Tuilerien für seinen persönlichen Gebrauch eine kleine Buchdruckerei, [211] aus der ein Werkchen: Cours des principaux fleuves et rivières de l'Europe composé et imprimé par Louis XV, roy de France et de Navarra. Paris 1718, stammt.
Die griechischen Typen des Néobar und Stephanus wurden restauriert, hebräische geschnitten und die Anfertigung chinesischer Typen unter der Aufsicht des Herrn de Fourmont angeordnet, womit der Anfang schon 1742 gemacht wurde, während die Vollendung des im ganzen missglückten Unternehmens sich jedoch weit über die Grenze unserer Periode hinauszog.
Wie Ludwig xiv. die Vollendung des sorgfältig Angebahnten nicht erlebte, so auch nicht der verdienstvolle Direktor Sebastian Cramoisy. Er starb i. J. 1669; sein Nachfolger und Enkel Marbre-Cramoisy, ein eben so tüchtiger Mann wie der Grossvater, 1687. Diesem folgte der bekannte Lyoner Buchdrucker Jean Anisson, der 1709 sein Amt zugunsten seines Schwagers und Associés, Claude Rigaud, niederlegte; nach ihm traten wieder die Anissons ein.
Die grossartigen Werke alle aufzuzählen, die aus der königlichen Anstalt hervorgegangen sind, ist nicht möglich, erwähnt seien nur die Biblia sacra in 8 Folio-Bänden; die Concilia generalia etc., 37 Bde.; Scriptores historiæ Byzantinæ, 29 Bde.; Gallia christiana, 13 Bde., alle in Folio; Buffon, histoire naturelle, 33 Bände in Quarto.
Als ein Zeichen des Ansehens, worin die Buchdruckerkunst stand, kann es gelten, dass die Sitzungen der von Richelieu gegründeten französischen Akademie bei ihrem Buchdrucker und Buchhändler, Jean Camusat, stattfanden, der öfters als Repräsentant der Akademie verwendet wurde. Bei seinem Tode 1639 veranstaltete dieselbe eine Leichenfeier, ausserdem ehrte man sein Andenken, indem man seiner Witwe die Funktionen als Buchdrucker der Akademie liess, gegen den Willen Richelieus, welcher diesen Posten Cramoisy zugedacht hatte.
Doch, wie erwähnt, das wahre belebende Prinzip, die allgemeine gesunde freiheitliche Bewegung, fehlte und konnte nicht durch persönliche Vorliebe der regierenden Häupter ersetzt werden; der Verfall der Buchdruckerei in Frankreich wurde zwar lange aufgehalten, konnte jedoch nicht abgewendet werden, als die Revolution und dann die Reaktion über Frankreich hereinbrachen.
[212] In Frankreich spielte ausserhalb Paris nur Lyon[8] eine wichtige Rolle in der typographischen Geschichte Frankreichs, namentlich durch die Produktion einer grossen Anzahl illustrierter Werke. Es entstand eine besondere Holzschneiderschule, deren berühmtestes Mitglied Salomon Bernard war. Auch Werke deutscher Künstler erschienen in Lyon, vor allen anderen zu nennen Holbeins „Totentanz“ und dessen Illustrationen zu dem Alten Testament. Von der Bedeutung des dortigen Druckgewerbes kann man sich daraus eine Vorstellung machen, dass bei dem Einzug Heinrichs ii. in Lyon, 1548, nicht weniger als 413 Drucker, prachtvoll kostümiert, ihn im festlichen Aufzug empfingen.
Ausser durch seine illustrierten Werke zeichnete Lyon sich durch schöne Schriften aus. Jean Grandjon lieferte 1558 eine Cursivschrift, die berühmt geworden ist. Er suchte die Feinheit der Federzüge nachzumachen in ähnlicher Weise wie es in der Theuerdanktype der Fall war. Auch das Binden der Bücher erreichte, namentlich durch das Interesse, welches Joh. Grollier daran nahm, hier eine grosse Vollkommenheit (vergl. S. 215).
Zu den bedeutendsten Buchdruckern Lyons zählte Sebastian Gryphius (1528-1566). Er war zu Reutlingen geboren und einer der gelehrtesten Männer seiner Zeit, der eine grosse Anzahl nützlicher Bücher in lateinischer, griechischer und hebräischer, dagegen nur wenige in französischer Sprache herausgegeben hat. Sein Sohn Anton, ebenfalls ein sehr unterrichteter Mann, aber im Geschäft unpraktisch, starb arm.
Ein Schüler von S. Gryphius war Jean de Tournes (geb. 1504, gest. 1564). Er stattete seine Bücher reichlich mit künstlerischem Schmuck aus. Besonders hervorzuheben sind: Delectus amicorum; Ovid; mehrere Ausgaben der Bibel und des Neuen Testaments. Er starb an der Presse arbeitend. Der Sohn Jean de Tournes war noch gelehrter als der Vater, kam ihm aber als Buchdrucker nicht gleich. Der Reformation ergeben, wurde er eingekerkert, sein Haus geplündert, seine Bücher verbrannt und seine Papiere verwüstet. Zwar kam er mit dem Leben davon, als aber Heinrich iii. Todesstrafe über die Bekenner der neuen Lehre aussprach, zog er nach [213] Genf und gründete dort eine Buchhandlung und Buchdruckerei, die bald in Flor kamen.
Das Leben des unglücklichen Stephan Dolet[9] (1508/09-1546) gehört mehr der Litteratur-, als der typographischen Geschichte an. Dolet stammte aus einer angesehenen Familie in Orleans, genoss einer ausgezeichneten Erziehung, und zählte unter die gelehrtesten Männer damaliger Zeit. Sein stürmischer Charakter und die Kühnheit seiner religiösen Ansichten stürzten ihn in Ungelegenheiten aller Art. Von Toulouse verbannt, flüchtete er nach Lyon und wurde Korrektor in Gryphius' Offizin, wo er wahrscheinlich die Kunst lernte. Bereits 1536-1538 druckte Gryphius das bedeutendste Werk Dolets: Commentarii linguæ latinæ. Nachdem er in einem Streit den Maler Henri Guillot getötet hatte, war er gezwungen, Lyon zu verlassen, erhielt jedoch durch die Protektion der Königin Margaretha von Valois und vieler mächtigen Freunde die Erlaubnis, nach Lyon zurückzukehren, wo er 1537 eine Druckerei errichtete, aus der viele geschätzte Werke hervorgingen. Seine scharfe Feder schaffte ihm überall Feinde, mit seiner Kollegenschaft überwarf er sich, indem er in Lohnstreitigkeiten sich auf die Seite der Gehülfen stellte. Mehrmals eingekerkert, flüchtig geworden, dann wieder zurückgekommen, wurde er angeklagt, Schriften zugunsten der Reformation gedruckt zu haben, und am 3. Aug. 1546 in Paris lebendig verbrannt.
Ein ebenso gewandter Buchdrucker als Buchhändler war Guillaume de Roville aus Tours. An Geschmack wetteiferte er mit de Tournes, und seine Druckwerke enthalten viele schöne Illustrationen. Er erwarb sich grosses Ansehen und grosse Reichtümer. Die Gebrüder Jean und François Frellon (1520-1570) sind namentlich als Drucker Holbeinscher Illustrationen bekannt. Ausser den genannten hat Lyon auch im xvii. Jahrh. noch manche tüchtige Buchdrucker aufzuweisen, unter diesen die Mitglieder der Familie Anisson, deren bekanntestes, Jean Anisson, in Verein mit seinem Bruder Jacques druckte, bis er zum Direktor der königlichen Druckerei im Louvre ernannt wurde. Anissons Druckerei war die letzte von künstlerischer Bedeutung in Lyon, sie fabrizierte jedoch später auch nur gewöhnliche Ware.
[214] Von den Provinzstädten ist noch Rouen zu erwähnen, wo namentlich ein grosses Druckgeschäft mit Missalen stattfand, welche nach England ausgeführt wurden, und Sedan, wo eine, noch heute geschätzte, Sammlung von Klassikern mit einer sehr kleinen Schrift, Sedanoise, von Jean Jannon, gedruckt wurde.
Aus dem, was oben über die Schriften der kgl. Druckerei, der Stephane und anderer in Paris und Lyon gesagt wurde, geht bereits hervor, dass Frankreich in der STEMPELSCHNEIDEREI und SCHRIFTGIESSEREI den Vorrang behauptete.
Die älteste der Privatschriftgiessereien ist die von Guillaume le Bé. Mit den von ihm selbst geschnittenen Schriften vereinigte er 1561 einen grossen Teil der Stempel des verstorbenen Garamond. Die le Bé folgten sich in vier Generationen. 1730 kam das Geschäft in die Hände von Fournier l'ainé.
Die Anfänge der zweiten Giesserei durch Jacques Sansleque, Schüler des le Bé, reichen bis auf das Jahr 1596. Auch dieses Geschäft erbte durch vier Generationen auf Jacques, Louis und Louis Eustache Sansleque.
1736 begann Fournier le jeune, Bruder des Besitzers des le Béschen Geschäfts, eine Schriftgiesserei eigentümlicher Art, indem er selbst alle Schriften derselben zeichnete, schnitt, abschlug und justierte, wozu er etwa 30 Jahre gebrauchte. Er schrieb das bereits erwähnte Manuel typographique (2 Bde. Paris 1764), dessen zweiter Band, fast nur systematische Schriftproben enthaltend, uns ein ziemlich klares Bild von dem damaligen Stande des Typenwesens giebt. In dem ersten Band entwickelt Fournier sein, 1737 aufgestelltes, System des typographischen Punkts, welches, später von Didot fortentwickelt, die Einheit in der französischen Schriftgiesserei zuwege brachte[10]. Zwar bestand ein Reglement v. 28. Febr. 1723 sowohl in Betreff der Schrifthöhe als der Progression der Schriftkegel. Dieses wurde hinsichtlich der Höhe (10½ geom. Linien) nicht [215] beachtet, so dass letztere bis auf 10% differierte, und für die Kegel fehlte eine „Normal-Einheit“, von welcher man auszugehen verpflichtet war, so dass das Reglement gar keinen Nutzen erzielte.
In der STEREOTYPIE hatte der Buchdrucker Valeire bereits zu Anfang des xviii. Jahrh. Versuche gemacht und einen Kalender von Messingplatten gedruckt. Die Typen wurden in Thon eingepresst; da die Tiefe jedoch nicht gleichmässig war, konnten die Platten es auch nicht werden.
Eine hohe Stufe erreichte die Buchbinderkunst. Als Förderer derselben steht obenan der erwähnte Jean Grollier, Vicomte d'Aguisy (1479-1565), Schatzmeister unter mehreren französischen Königen. Er hatte in Italien schöne Einbände lieben gelernt, ahmte sie nach und veredelte sie. Er liess die Bücher in seinem Hause binden und legte selbst Hand mit an. Die Bände Grolliers mit der Devise: J. Grolliero et amicis gelten noch heute als Edelsteine der Buchbinderkunst und werden mit den höchsten Preisen bezahlt. Mit Grollier übernimmt Frankreich die Führung in der Buchbinderei und behauptet sie. Ausgezeichnet in seinen Bänden war der Zeitgenosse Grolliers, Geoffr. Tory. Als würdiger Förderer gegen Ende des xvi. Jahrh. erwies sich Ch. A. de Thou, Direktor der königlichen Sammlungen. Während Grolliers und Torys Bände phantastische arabische Ornamente zeigten, sind die Fonds der meist in Maroquin ausgeführten Bände de Thous hauptsächlich mit an die Natur sich anschliessenden Verzierungen: Lorbeer-, Öl- und Eichenzweige gefüllt, während die Ornamente in die Zwischenräume der Ranken verwiesen sind. Die Bände de Thous sind ausserordentlich gesucht und mit bis zu 15000 Fr. bezahlt. Ebenfalls geschätzt und selten sind die bei weitem einfacheren gleichzeitigen Bände des Königs Franz i. Sie sind meist in schwarzes Leder oder Sammet gebunden, nur mit der königlichen Chiffre und einem Salamander in Gold geschmückt.
Prächtig und sehr geschmackvoll sind die Bände des Königs Heinrich ii., namentlich diejenigen, welche er für seine Geliebte, die geistreiche Diana von Poitiers, herstellen liess. Das für sie mit Aufwand aller künstlerischen Ausschmückung eingerichtete Schloss Anet enthielt eine Sammlung von gegen 800 in Ziegen- oder [216] Schafleder gebundenen Bänden. Sie sind reich mit Symbolen der Liebe ornamentiert, z. B. den verschlungenen Anfangsbuchstaben H und D, zu welchem letzteren noch galanterweise das Zeichen der jungfräulichen Göttin Diana, die Mondsichel, gefügt wurde.
Unter den späteren Meistern ist le Gascon, der Buchbinder der Königin Anna von Österreich, berühmt geworden. Er war durchaus originell, verzichtete auf die Wirkung verschiedener Farben und wendete nur einfache Goldpressung auf dem einfarbigen Untergrund an; die leeren Stellen zwischen den Linien wurden mit Punkten oder kleinen Ornamenten ausgefüllt. Seine Hauptepoche fällt in die Zeit von 1640-1655.
Als Ersatz für die Vielfarbigkeit suchte man dem Leder durch künstliche Texturen und neue Färbungen Abwechselung zu geben; so erhielt der rote Maroquin den Charakter der schuppigen Schlangenhaut, in welcher Weise die Bücher des Ministers Colbert gebunden wurden, man ahmte Marmor, Granit, Stoffe nach, verliess die Pflanzenornamente und die Arabesken, imitierte durch Punkte Spitzenmuster oder überspannte die Decken wie mit goldenen Spinnengeweben.
Zu Anfang des xvii. Jahrh. wirken du Seuil, Padeloup und Derome. Die Goldpressung wird übermässig angewendet. In der Ornamentierung herrscht Zerfahrenheit. Um 1750 tritt noch eine anmutige Art der Goldpressung auf: Vögel, die sich in Ranken wiegen oder um diese herumflattern. Der Üppigkeit der Zeit gemäss werden die Deckel mit Atlas oder Sammet überzogen und mit Gold-, Silber- und anderen Stickereien geschmückt, sogar die Gobelins werden der Buchbinderei dienstbar. Man verfällt aber nach und nach in Geschmacklosigkeit und geht in dieser so weit, beide Deckelseiten und den Rücken mit einem fortlaufenden Bild zu überziehen. An Stelle des reichen Vorsatzes tritt farbiges marmoriertes, gefedertes oder verschiedene Stoffe nachahmendes Luxuspapier. Schon zu Anfang des xviii. Jahrhunderts macht sich der Papierüberzug als Ersatz für das Leder bemerkbar und die Periode des Halbfranzbandes beginnt.
DIE NIEDERLANDE.
Die Illustration. Christoph Plantin, seine Nachkommen, das Plantinsche Museum. Die Familie Blaeu. Die Elzeviere: Ludwig i., Matthias und Bonaventura, Isaack, Bonaventura und Abraham i. Johann und Daniel. Ludwig und Daniel, das Ende des Hauses. Die Nachahmer der Elzeviere. Die Familie Enschedé und die Schriftgiesserei.
[217] DAUERTE es auch lange, ehe die Buchdruckerkunst in dem jetzigen Belgien und Holland recht heimisch wurde, so trieb sie, einmal dorthin verpflanzt, um so tiefere Wurzel; die Blütezeit derselben währte viel länger als in Deutschland, der Verfall war dort nie so gross als hier.
Dieselben Eigenschaften, welche die niederländische Malerkunst auszeichnen, die grosse Sauberkeit der Ausführung und die über alle Einzelheiten sich erstreckende minutiöse Sorgfalt, kennzeichnen auch die dortige Typographie. Gleich den malenden Künstlern des Landes verfolgten die Buchdrucker und Verleger im allgemeinen eine realistische Tendenz. Sie veranstalteten eine Menge für das Leben und die Wissenschaft nützlicher Werke, huldigten jedoch selten der idealen Richtung, welche vorzugsweise in Deutschland, jedoch auch in Frankreich und Italien, durch Zusammenwirken des Griffels der Künstler mit der Feder des Schriftstellers die uns bekannt gewordene Reihe prächtiger Erzeugnisse des Buchgewerbes hervorgebracht hat.
[218] Dennoch blieben die Niederländer nicht ohne Verdienste um die vervielfältigenden Künste, doch machen sich diese hauptsächlich in dem Kupferstich und der Radierung, weniger in der mit dem Buchgewerbe enger verbundenen Xylographie, geltend.
Deutschlands Albrecht Dürer stellen sie ihren Lucas van Leyden (Dammetz, geboren 1494, gestorben 1533) entgegen. Er lieferte etwa 200 Stiche; für den Holzschnitt ist seine Thätigkeit eine unbedeutende. Im Clair-obscur-Druck zeichnen sich aus: Hubert Goltz (geb. 1524, gest. 1583), dessen Icones imperatorum Romanorum in Kupferstich mit aufgedruckten Holzschnittplatten ausgeführt sind; Abraham Bloemaert (geb. 1567, gest. 1647); und Heinr. Goltzius. Dieser nähert sich in mancher Hinsicht Luc. van Leyden. Schon 1523 erschien bei Dodo in Amsterdam eine Passion in 62 Blättern von einem ungenannten Künstler (Joh. Walter von Assen?), welcher ein Jahrhundert vor Rembrandt in der bekannten Manier dieses Künstlers zeichnete. Rembrandt selbst (geb. 1606, gest. 1665) hat sich im Holzschnitt versucht und Joh. Livens (geb. 1607, gest. 1663), sowie Dirk van Bray (gest. 1680) ahmten mit Glück seinen Stil im Holzschnitt nach, während Rubens' Zeichnungen einen tüchtigen Dolmetsch in dem Holzschneider und Zeichner Christoph Jegher fanden, einem geborenen Deutschen, der 1620-1660 in Antwerpen wirkte.
Eine Notiz von K. v. Heinecken hat zu vielen Debatten über einen mystischen frühesten Xylographen der Niederlande „Phillery“ Anlass gegeben. Allem Anschein nach schrumpft derselbe zu einem erst in den zwanziger Jahren des xvi. Jahrh. lebenden Holzschneider „Willem“ zusammen und beruht der Name Phillery wohl nur auf undeutlichen Schriftzügen.
Als Träger der Buchdruckerei erblicken wir in den Niederlanden wie in Italien und Frankreich mehrere berühmte Familien, vornehmlich die der Plantin, der Blaeu und der Elzeviere.
Das blühende und mächtige Brügge hatte auf Grund seiner Haltung gegen den Kaiser Maximilian i. seine Privilegien verloren, die auf ANTWERPEN übertragen wurden. Hierdurch hatte die letztere Stadt seit dem Beginn des xvi. Jahrhunderts einen grossen Aufschwung als Depot zwischen Nord und Süd genommen. Auch [219] die Buchdruckerei behauptete dort eine angesehene Stellung, und es erschienen viele wertvolle und gut ausgestattete Werke. Unter Karl v. erreichte die Stadt ihre höchste Blüte, ward jedoch zugleich ein Angelpunkt für die reformatorische Bewegung in den Niederlanden, welche, nachdem Karl v. am 25. Okt. 1555 die Regierung zugunsten seines Sohnes Philipp ii. niedergelegt hatte, so schwere Zeiten über das Land heraufbeschwören, jedoch auch ihre Freiheit begründen sollte.
Inmitten der politischen und religiösen Gährung liessen sich, um das Jahr 1550 herum, Plantin und seine Frau Johanne Rivière in Antwerpen nieder. Christoph Plantin[1], in Mont-Louis bei Tours in Frankreich geboren, hatte bei Robert Macé in Caen gelernt und eröffnete nach vielen Reisen einen kleinen Buchladen mit Buchbinderei, während seine Frau mit Leinen-Waren handelte. Der Gerichtsschreiber Graphäus gab Plantin seine Bücher zu binden und machte ihm kleine Vorschüsse. 1550 wurde er als Buchdrucker in die St. Lucas-Gilde aufgenommen, aber erst 1555 hatte er in dem von ihm angekauften Hause auf dem Freitagsmarkt eine vollständig eingerichtete Offizin.
Eifersüchtig auf den Ruhm derselben, sorgte er für die schönsten Schriften und den besten Druck. Wennauch die Verwendung silberner Typen in das Reich der Fabel gehört, so steht es doch fest, dass er in seiner Giesserei mit dem Guss solcher experimentiert hat. Plantin gehörte auch nicht zu den Druckern, die, nach dem Ausspruch des Erasmus, „lieber 6000 Fehler, wie Ameisen, in ihren Werken herumkribbeln sehen, als einen tüchtigen Korrektor bezahlen“; im Gegenteil, er hatte sich die Worte Heinrich Stephanus', dass „die Korrektur das für die Druckerei ist, was die Seele für den Leib“, zu eigen gemacht. Überhaupt verstand er, wennauch nicht in Besitz tiefer Kenntnisse, als vorzüglicher Praktiker, dabei zäh ausdauernd in der Durchführung seiner Pläne, die Talente Anderer zu benutzen.
Der erste seiner Korrektoren war der berühmte Cornelius van Kiel, oder Kilianus (geb. um 1528, gest. 15. April 1607), der während [220] seines fünfzigjährigen Wirkens in dem Plantinschen Hause sehr zu dem Ruhme desselben beitrug. Über alle Beschreibung anspruchslos, dachte van Kiel nie daran, sich selbst geltend zu machen, zufrieden wenn nur das Haus, an das er seine Existenz geknüpft hatte, gedieh.
Eine zweite Stütze hatte Plantin in dem gelehrten Theodor Pullmann (geb. um 1510), von Profession ein Walkmüller, jedoch von seiner Jugend ab den Wissenschaften mit Leidenschaft ergeben. Leider führte diese ihn in seinem Emendieren der Klassiker zu weit, und oft füllte er die Lacunen in kühnster Weise aus. Auch mit dem berühmten Justus Lipsius stand Plantin in engem geschäftlichen Verkehr.
Einen Hauptmitarbeiter im Geschäft fand Plantin in Franz Raphelingius. Derselbe hatte in Paris eifrigst griechisch und lateinisch getrieben und seine Studien in Cambridge vollendet. Plantin nahm ihn nicht allein als Korrektor auf, sondern gab ihm auch seine älteste Tochter Margaretha zur Ehe. Als Plantin, 1582, das belagerte Antwerpen verliess und das Geschäft in Leyden eröffnete, leitete Rapheling die Stammoffizin und trieb zugleich den Buchhandel. Nach der Rückkehr Plantins nach Antwerpen übernahm dagegen Rapheling das Geschäft in Leyden und wurde an dortiger Universität Professor der hebräischen Sprache. Er war ein Mann von bedeutenden Kenntnissen und ein unermüdlicher Mitarbeiter an dem grossen Bibelwerke Plantins.
Eine geschäftlich noch kräftigere Stütze fand Plantin in Johannes Moretus (Jean Moerentorff), geboren in Antwerpen am 22. Mai 1543. Anfänglich Arbeiter bei Plantin, gefiel er, wenn er auch dessen Ideale von einem Buchdrucker nicht vollständig entsprach, doch durch seine praktische Tüchtigkeit diesem noch mehr als der gelehrte Rapheling und er gab ihm seine zweite Tochter Martina zur Frau. Die dritte Tochter ward mit Gilles Beys, ebenfalls einem tüchtigen Buchdrucker, verbunden, welcher der Filiale des Geschäfts in Paris vorstand.
Das Werk, welches den Namen Plantin in der Buchdruckerwelt unsterblich gemacht hat, und in seinem Leben eben so eine Epoche bildet, wie der Thesaurus græcæ linguæ in dem Dasein des Heinr. Stephanus, ist die „Biblia sacra hebraice, chaldaice, [221] græce et latine. Philippi II. reg. cathol. pietate et studio ad sacro sanctæ ecclesiæ usum Christoph Plantinus excud. Antwerpiæ“.
Die erste Idee eines polyglotten Bibelwerkes[2] stammt von Aldus Manutius, wie aus der in der National-Bibliothek zu Paris vorhandenen Probe hervorgeht (S. 179). Diese dreispaltige Seite enthält den hebräischen, griechischen und lateinischen Text und gab wahrscheinlich Veranlassung zu der in den Jahren 1514-1517 in Alcala in Spanien gedruckten Polyglotte des Kardinal Ximenes (S. 189), die bereits eine grosse Seltenheit geworden, sodass öfters der Gedanke entstanden war, eine neue Polyglottbibel zu drucken. Diesen Plan hatte auch der Kurfürst August von Sachsen gefasst, gab ihn aber zugunsten des Plantinschen Vorhabens auf. Auch Philipp ii. beabsichtigte ein ähnliches Werk ausführen zu lassen. Als Plantin ihm die Probebogen seines Unternehmens überreichen liess, ging er bereitwillig auf dessen Idee ein, bewilligte die Zahlung der für Druck und Papier allein auf 24000 Gulden veranschlagten Kosten, gewährte ausserdem einen Vorschuss von 6000 Dukaten und bestellte seinen Kaplan Arias Montanus als Überwacher der litterarischen Herstellung. Letzterer kam am 18. Mai 1568 nach Antwerpen und empfing vom König ausser seinem Gehalt noch einen Zuschuss von 300 Kronen jährlich; für die Textrevision wurde eine Anzahl tüchtiger Gelehrter gewonnen. Den Auftrag zur Anfertigung der Schriften erhielt der berühmte Schriftgiesser Wilhelm le Bé in Paris.
Der Druck begann im Jahre 1568 und dauerte bei fortwährender Beschäftigung von 40 Arbeitern bis zum Jahre 1572. Anfänglich war das Werk auf vier Bände berechnet; auf Plantins Vorschlag wurde jedoch noch das Neue Testament in der syrischen Sprache, welches bereits in Wien gedruckt war, mit einverleibt, so dass das Werk mit Inbegriff der drei Bände „Appendix“ aus acht Bänden besteht. Ausser 12 Pergament-Abdrücken wurden 1200 Exemplare gedruckt; 10 auf Imperial-Velin zu 40 Gulden das Ries; 30 Exemplare auf etwas geringeres; 200 auf Royal-Velin aus Lyon und 960 Exemplare auf Royal-Papier aus Troyes. Im Verhältnis zu den Kosten waren die Verkaufspreise mässig gestellt. Der Preis [222] betrug für eins der 200 Exemplare auf Royal-Velin 40 Kronen, für ein gewöhnliches 35 Kronen[3].
Ein mühsames Werk war vollbracht; Plantin selbst sagt: „Jetzt, wo die Bibel vollendet ist, stehe ich mit Überraschung und Erstaunen vor der Arbeit, welche ich nicht nochmals machen möchte, selbst wenn man mir 12000 Kronen dazu schenkte, und obwohl sie jetzt, wo die Schriften und die Einrichtung vorhanden sind, vielleicht um 6000 Kronen billiger zu stehen kommen würde“. Nimmt man seine Aussprüche buchstäblich, so war ihm nicht allein kein angemessener Vorteil, sondern sogar ein direkter Nachteil aus der Arbeit erwachsen; jedoch, Plantin war ein schlauer Geschäftsmann, der sich nicht gern tief in die Karten blicken liess.
Ohne Verdriesslichkeiten sollte es nicht abgehen. Der König wünschte die Approbation des Papstes Pius v. Dieser verweigerte sie jedoch entschieden und Plantin erhielt Ordre, vorläufig kein Exemplar auszugeben. Montanus musste im Auftrag des Königs nach Rom gehen, um womöglich die Angelegenheit zu ordnen. Er kam gerade an, als Gregor ix. den Stuhl des verstorbenen Pius v. eingenommen hatte und fand den neuen Papst günstiger für die Sache gestimmt. Die Approbation wurde 1572 erteilt. Hiermit waren jedoch die Anfechtungen nicht vorbei. Einer der erbittertsten Feinde des Unternehmens, der Professor León de Castro in Salamanca, denunzierte Plantin und Montanus der Inquisition. Montanus reichte seine Rechtfertigung ein, erhielt aber erst nach vier Jahren, 1580, insoweit Recht, dass das Buch dem Schicksal entging, auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt zu werden.
Durch Patent vom 10. Juni 1570 wurde Plantin zum Prototypographus der Niederlande ernannt. Es handelte sich dabei nicht um einen blossen Ehrentitel. Er hatte die Rolle der Meister und Lehrlinge, sowie der autorisierten Korrektoren, Holzschneider und Kupferstecher zu führen, eine Liste über alle Werke, deren erster und letzter Bogen ihm behändigt werden mussten, anzufertigen, und sollte ausserdem die Bücherpreise bestimmen. Alle Änderungen in den Arbeiterverhältnissen waren ihm anzuzeigen. Die Mühen und Verdriesslichkeiten bei diesem Amte waren jedoch so gross, dass [223] Plantin i. J. 1576 seine Entlassung nachsuchte. Einmal war er sehr nahe daran, die Gunst des Königs zu verscherzen, indem auf Veranlassung des Wiedertäufers Niclaes aus Münster, mit dem er in inniger Verbindung stand, mehrere ketzerische Schriften, angeblich freilich ohne Wissen des zufällig abwesenden Besitzers, in seiner Offizin gedruckt wurden. Über seine religiöse Überzeugung herrschte bereits lange einiger Zweifel, er verstand es jedoch so gut, sich wenigstens äusserlich als guter Katholik zu geben, dass er allen drohenden Gefahren entging.
Plantins Druckerthätigkeit blieb eine sehr grosse. Ruelens und Backers Annalen zählen von ihm 1031 Druckwerke auf, obwohl viele Bibelausgaben und Missalen nicht mit angeführt sind. Mit dem Missale Romanum von 1522 fängt eine Reihe von prachtvollen liturgischen Werken an, durch welche die Plantinsche Druckerei sich langezeit auszeichnete.
Die Typen des Plantin halten den Vergleich mit denen seiner Zeitgenossen, Aldus Manutius und Heinr. Stephanus, vollkommen aus. Seine Cursiv ist besonders elegant und nicht so schreibschrift-ähnlich, wie die Aldinische. Die Antiqua ist etwas derb und breit, jedoch für das Auge gefällig, leicht lesbar und den Schriften des Stephanus vollständig ebenbürtig. Die griechischen Schriften sind schöner als die des Aldus. Zu loben ist ferner die Genauigkeit des Gusses, einschliesslich des Durchschusses und der Quadrate. Die ganze Disposition der Titel, der Schriftkolumnen und der Vignetten zeigt Geschmack und Verständnis.
Das erste, 1555 angenommene Druckerzeichen Plantins war ein Baumstamm, um welchen sich ein Weinstock schlingt, mit zwischen den Zweigen herabhängenden Trauben. Ein Weinbauer ist beschäftigt die schlechten Zweige abzuschneiden. Als Umschrift liest man Excerce imperium et ramos compesce fluentes[4]. Als Zeichen bedient er sich von 1558 ab des Zirkels, von einer Hand aus den Wolken geführt, mit der Inschrift: „Labore et constantia“. Zwei allegorische, schildhaltende Figuren versinnlichen des weiteren den Gedanken, worauf der Zirkel schon hinweist: der feste Teil desselben deutet auf die Beständigkeit in dem einmal Vorgenommenen; der bewegliche auf die rastlose Arbeit.
[224] Plantin starb am 1. Juli 1589, 75 Jahre alt. Sein letztes Werk war der i. Band der: Annales ecclestiastici Cæsaris Baroni Sorani.
Nach seinem Tode übernahm Rapheling das Leydener Geschäft. Beys behielt die Pariser Filiale und Moretus die Antwerpener Offizin, deren Leitung er schon seit zwei Jahren besorgt hatte.
Johannes Moretus besass keine tiefergehenden Kenntnisse, verstand es aber die Verbindungen mit den vielen Gelehrten aufrecht zu erhalten. Als im Jahre 1592 die Vulgata in Rom gedruckt wurde, erhielt er durch päpstliches Breve vom 11. März 1597 für zehn Jahre das Alleinrecht, jenseit der Alpen das Werk zu drucken und zu verbreiten, unter der Verpflichtung, die grösste Sorgfalt auf Korrektur und Druck zu verwenden und durchaus keine Änderungen vornehmen zu lassen.
Unter der Leitung von dem Sohne des Johannes, dem gelehrten Balthazar Moretus, nahm die Plantinsche Druckerei noch durch lange Zeit eine hochangesehene Stellung ein. Gegen die Mitte des xvii. Jahrhunderts jedoch schwand die Bedeutung mehr und mehr, und mit dem Beginn des xviii. Jahrh. war der geschäftliche Glanz des Hauses erloschen. Äusserlich wurde jedoch alles mit grosser Pietät in dem alten Stand gelassen und das Haus mit allen seinen reichen Sammlungen, welche es, von dem grossen Publikum ungekannt und selbst für Auserwählte nur schwer zugänglich, umfasste, sorgfältig erhalten. Da wurden seitens der Verwaltung der Stadt Antwerpen Verhandlungen über die Erwerbung dieser typographischen Schatzkammer angeknüpft. Nachdem der Graf von Flandern die Initiative ergriffen hatte, zeigte sich die Staatsregierung geneigt, einen wesentlichen Anteil der Kosten auf sich zu nehmen, der aber später sehr zusammenschrumpfte. Schliesslich wurde i. J. 1875 ein Vertrag abgeschlossen, nach welchem das Haus und die Sammlungen für 1200000 Franken, von welchen der Staat die 200000, die Stadt die 1000000, zahlte, in den Besitz der letzteren überging. Hiermit ist ein wahres graphisches Museum für alle Zukunft erhalten, welches mit jedem Jahr, das uns ferner von der früheren Geschäftsweise rückt, an Wert gewinnt. Es ist geboten, demselben in einer Geschichte der Buchdruckerkunst einige Seiten zu widmen.
[225] Das HÔTEL PLANTIN, auf dem Freitagsmarkt gelegen, nimmt die eine Seite desselben ganz ein. Die Façade wurde durch Joh. Moretus restauriert, das alte Merkzeichen jedoch erhalten. Hat man die Thorschwelle überschritten, befindet man sich in einem Vestibule mit vier Eingangsthüren, zwei rechts, zwei links, während eine gut erhaltene Glasthüre das Vestibule von dem Hofe abschliesst. Eine besondere Zierde des ersteren ist das Medaillonporträt des Balthazar Moretus, darüber ein Adler, in der linken Klaue einen, zu dem Wappen der Moretus gehörenden, Stern haltend.
Der Hof bildet ein grosses Viereck, von dessen vier Seiten drei ihr ursprüngliches Aussehen ganz behielten. Das Hauptgebäude besteht aus einem Erdgeschoss und zwei Etagen; der rechte Flügel aus zwei Etagen und einem Bogengang, der sich auch unter die Hälfte des Hintergebäudes erstreckt, das ganz von den Zweigen und Blättern eines dreihundertjährigen Weinstocks, zwischen welchen die mit Blei eingefassten Fensterscheiben sichtbar werden, überdeckt ist. Der linke Flügel, aus neuerer Zeit stammend, besteht aus Einer Etage. Büsten von Plantin, Johannes, Balthazar und Joh. Jak. Moretus, Just. Lipsius u. a. zieren die Façaden. Der ganze Hof übt in seiner Abgeschlossenheit einen besonderen Reiz aus, es ist, als könne von aussen keine Störung hier hineindringen. Nichts Verunstaltendes, nichts Zerfallenes, wennauch die Zeit dem Gemäuer ihr Gepräge aufgedrückt hat; man fühlt sich um Jahrhunderte zurückversetzt.
In der Werkstätte findet sich der Apparat für 20-25 Setzer vor. Die Setzkästen sind noch gefüllt, die Tenakel stehen noch darauf befestigt. Die Kästen sind nicht so hoch angebracht, wie bei uns, man arbeitete sitzend, und die Sessel stehen noch in den Gassen; an den Wänden hängen die Kolumnenschnuren. Es ist, als wäre die Arbeit nur von der üblichen Mittagspause unterbrochen und als müsste sie baldigst wieder begonnen werden.
Im Hintergrunde des Zimmers liegen auf verschiedenen Tischen: Linien in allen Grössen, Schiffe mit noch nicht umbrochenem Satz, Durchschuss u. dgl. Die hintere Wand ist von Aufsätzen mit Regletten und Keilen eingenommen. Zwei zum Druck fertige Formen lehnen an der Wand. Auch ein Stoss Papier steht noch da. An der linken Langseite sind sieben hölzerne Pressen aufgestellt.
[226] Durch zwei kleine Räume, von denen der eine das Arbeitszimmer des Just. Lipsius war, der andere die Revisionsbogen von verschiedenen Werken in bester Ordnung enthält, kommt man in das Zimmer der Korrektoren, ein längliches Viereck und einer der grössten Räume des Hauses. Alles steht noch auf seinem alten Platze, alles spricht von den grossen Arbeitern, deren Namen mit dem Ruhme des Hauses Plantin verbunden sind, und die hier viele Jahre in rastloser Wirksamkeit zugebracht haben. Zur Rechten steht eine enorme Truhe, gefüllt mit Briefen, Korrekturbogen, Manuskripten, weiter das Pult der Korrektoren, ein Meisterstück der Holzschnitzerei. Eine Seite desselben lehnt an der Mauer. An zwei Seiten sind Sitze mit hohen Rücklehnen und reichen Bildschnitzereien auf einem Podium angebracht, so dass man eine Stufe hinaufsteigen muss. Unter dem Pult befinden sich viele Fächer. Zwei mächtige Repositorien enthalten eine grosse Anzahl von Kästen, jeder derselben trägt den Namen einer der Städte, mit welchen Plantin Verbindungen unterhielt, und umschliesst die Aushängebogen der in Arbeit befindlichen Werke aus dieser Stadt und die darauf bezügliche Korrespondenz. Der übrige Wandraum ist mit Wandschränken und Regalen ausgefüllt, welche Pakete mit Vorratsschriften und Defekten zu den in Gebrauch befindlichen Schriftsorten enthalten; durch alles geht der Geist der genauesten Ordnung.
In dem obern Stock ist die Bücherstube für das Trocknen, das Abpressen und Komplettieren der Bücher. Hier steht auch ein Schatz von hohem Wert, ein Schrank, dessen Kästen eine bedeutende Anzahl, mit grösster Akkuratesse geordneter Geschäfts- und Familienbriefe bergen. Die Schriftgiesserei nimmt zwei Räume ein; der eine für das eigentliche Giessen bestimmt, der andere für das Schleifen, Fertigmachen und Verpacken. Auch das Firniskochen wurde hier besorgt. Ferner zeigt man eine Bronziermaschine. In diesen Räumen steht ebenfalls alles da, als ob die Arbeit eben aufgehört hätte. Das Handwerkszeug hängt an den Wänden, die Giessöfen enthalten Reste von flüssig gewesenem Metall. Probepakete, Stempel, Instrumente liegen umher. Auch einige silberne Buchstaben finden sich vor, jedenfalls Resultate von unpraktisch befundenen Versuchen, Typen aus diesem Metall zu formen.
[227] Die grosse Bibliothek (es giebt auch eine kleine) ist ein längliches Viereck, dessen Wände, soweit sie nicht durch die Fenster unterbrochen werden, mit Regalen bedeckt sind. Durch die ganze Länge des Zimmers zieht sich ein Doppelpult, unten mit Fächern versehen. Hier lagern Bücher, Zeichnungen, Stiche nach Rubens, Teniers, van Dyck, Jordaens u. a., fast alle in den ersten Abdrücken vor der Schrift. Ein Album umfasst mehr als vierhundert Handzeichnungen der grossen Meister, darunter elf Rubens. Dreiunddreissig Familienporträts vollenden den Schmuck des Raumes.
Selbstverständlich bilden die Plantinschen Drucke einen wichtigen Bestandteil der Bibliothek, sie sind jedoch nicht ganz vollzählig. Die Zahl der Manuskripte kann man auf 200 anschlagen. Von Inkunabeln sind gegen 60 vorhanden. Die Zahl der sonstigen Bücher wird auf 9000 geschätzt, darunter eine auserlesene Sammlung von Missalen, Breviarien u. dgl.
Eine typographische Kuriosität ist ein Band, welchen Johann Moretus 1576 Plantin gewidmet hat, der eine Sammlung der Titel von allen bei Plantin bis zum Jahre 1576 gedruckten Büchern enthält, gewiss ein interessantes Musterbuch für Typographen. Von noch grösserem Interesse dürfte das Studium des Journals des Hauses und der Hauptbücher aus drei Jahrhunderten, 1566 bis 1865, sein. Mit letzterem Jahre hörte die Thätigkeit des Hauses auf, die bereits früher auf ein Minimum reduziert war.
Ferner sind noch aufbewahrt: die Messabsatz-, die Arbeits- und die Buchbinderbücher, Kataloge der verschiedensten Art, sowie die Korrespondenz-Brouillons, geeignet Licht über manches zu werfen, was jetzt dunkel ist. Die Zahl der Holzstöcke beträgt mindestens 15000; die der Kupferstiche 7 bis 8000. Von den kostbaren Porträts aus den Meisterhänden Rubens', van Dycks und anderer, den prachtvollen Meubeln, den seltenen Porzellanstücken und von vielen anderen Kostbarkeiten wollen wir hier nicht reden. Abgesehen von diesen, bietet das Plantinsche Museum in typographischer Hinsicht ein so ungemeines Interesse, dass die typographische Welt sich zu der Opferwilligkeit der Bürgerschaft der Stadt Antwerpen Glück zu wünschen hat, welche diese Schätze der Zukunft erhielt.
[228] Eine zweite bedeutende Druckerfamilie war die der Blaeu in Amsterdam. Wilhelm Blaeu[5], geboren zu Alkmar im Jahre 1571, legte sich auf Astronomie und war ein Schüler und Freund des berühmten dänischen Astronomen Tycho de Brahe (S. 155). Blaeus Hauptthätigkeit war der Herausgabe astronomischer und Karten-Werke gewidmet. Selbst ein tüchtiger Mechaniker, richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Vervollkommnung der Druckpressen, deren neun, von verbesserter Konstruktion und nach den neun Musen benannt, in seiner Offizin aufgestellt waren. Die Verbesserungen bezogen sich namentlich auf den elastischen Zug. Blaeu starb am 21. Okt. 1638 und sein Sohn Johann (geb. 1596) setzte die Druckerei fort, zuerst in Verbindung mit seinem Bruder Cornelius, von 1641 ab allein. Im Jahre 1663 lieferte er einen prachtvoll ausgeführten Atlas in zwölf Grossfoliobänden, dem mehrere ebenso grossartige Werke folgten. Seine Offizin galt für die bedeutendste und schönste Europas, sie beschäftigte regelmässig über 40 Arbeiter namentlich mit dem Druck grosser Werke, mit Karten und Illustrationen, für deren Herstellung er einen besonderen Ruf hatte. Am 22. Febr. 1672 brannte die Offizin gänzlich ab. Die strenggläubigen Protestanten erklärten dies für ein Strafgericht des Himmels, weil Blaeu viele Breviarien und Missalen für die Papisten druckte. Er starb am 28. Dezember 1673 und wurde von seinen Söhnen Peter und Johann gefolgt.
Es bleibt noch die berühmteste der holländischen Buchdruckerfamilien, die, wenn von den Leitsternen der Typographie die Rede ist, gewöhnlich mit den Geschlechtern des Aldus und des Stephanus zusammen genannt wird.
Ludwig Elzevier, der Stammvater des berühmten Geschlechts, ist zu Löwen in Brabant um das Jahr 1540 geboren. Aus den Arbeitsbüchern des Plantin geht hervor, dass ein Buchdrucker Johann aus Löwen mit dem Beinamen Helsevier bei ihm von 1565-1588 arbeitete. Ob dies Ludwigs Vater war, ist nicht ermittelt, doch ist es nicht unwahrscheinlich, da Ludwig sich schon in jüngern Jahren in Antwerpen aufhielt und ihm dort zwei Kinder Matthias (1564) und Ludwig (1566) geboren wurden. Die Mutter derselben [229] hiess Mayke (Marie) Duverdyn. Die Hypothese in Bezug auf Ludwig Elzeviers Vater gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass Ludwig, der die Buchbinderei übte, von Plantin beschäftigt wurde, der, selbst früher Buchbinder, sich der Buchdruckerei und dem Verlagshandel mit so grossem Erfolge gewidmet hatte[6].
Antwerpen war, wie schon erwähnt wurde, der Herd der reformatorischen Bewegung in den Niederlanden geworden, von welcher auch Elzevier ergriffen wurde. Die scharfen Edikte des Kaisers Karl v., welche Todesstrafe für den Anschluss an eine sektiererische Verbindung feststellten, waren noch in Kraft, wenn sie auch unter der milden Regierung der Statthalterin Margaretha von Parma nicht so gefährlich waren. Die Lage änderte sich jedoch, als König Philipp ii. den Herzog von Alba (1567) mit dem Auftrag sandte, durch Feuer und Schwert jede Spur der Ketzerei zu vertilgen. Tausende von Familien verliessen den heimatlichen Herd; auch die Ludwig Elzeviers gehörte zu diesen und zog nach Wesel, wo zahlreiche Emigranten sich zusammengefunden hatten und von wo eine thätige Propaganda ausging. Viele Bücher und kleinere Schriften reformatorisch-agitatorischen Inhalts in vlämischer Sprache wurden dort gedruckt und von dort aus verbreitet, so dass Elzevier als Buchbinder auf Beschäftigung rechnen konnte.
Wie man über seinen Aufenthalt in Antwerpen hauptsächlich aus den Geburtsscheinen seiner Kinder Positives weiss, so auch über seine Existenz in Wesel und später in Douai. In Wesel wurde sein dritter Sohn, Aegidius; in Douai Justus und Arnold geboren. Nach seinem Vaterland ist er jedenfalls erst nach der Übernahme der Regentschaft durch Louis de Requesens i. J. 1574 zurückgekehrt, und mag wohl nur, weil in Antwerpen schon verdächtig, Douai vorgezogen haben, das seit 1462 eine wallonische Universität besass, die Philipp ii. als Gegengewicht zu den Universitäten in Genf und Paris mit ihrer freieren religiösen Bewegung errichtet hatte, so dass ein Buchbinder auch hier auf Erwerb rechnen durfte. Der Friede zu Gent, 1576, schien den religiösen Wirren ein Ende machen zu [230] wollen; als sich jedoch die wallonischen Provinzen 1579 wieder unter das Joch Spaniens begaben, zogen die Protestanten, unter diesen Elzevier, wieder aus, letzterer nach Leyden, damals, nächst Amsterdam, die volkreichste Stadt Hollands, wo der Handel blühte und die von Wilhelm von Oranien begründete Universität einen raschen Aufschwung nahm.
Elzevier fand, als er 1580 mit seinen fünf Söhnen und einer Tochter Marie nach Leyden kam, eine Stütze bei den vielen emigrierten Landsleuten. Im übrigen kann er nicht ganz ohne Mittel gewesen sein, denn er erwarb bald zwei Häuser, von denen das eine auf der „Rapenburg“, in der Nähe der Universität gelegen war. Dass er für letztere beschäftigt war, beweisen viele Rechnungen. Die günstige Lage im Zentrum der Gelehrsamkeit veranlasste ihn den Buchhandel anzufangen, der bald einen ziemlichen Umfang genommen haben muss, wie man aus einem unerfreulichen Zusammenstoss mit Plantin erfährt. Elzevier war diesem für gelieferte Bücher 1270 Gulden schuldig und musste 1583 vor Gericht erklären, dass Plantin berechtigt sei, sich an seine beiden Häuser zu halten, wenn Zahlung in den übereingekommenen Terminen nicht erfolgen würde.
Elzevier hatte Gelegenheit gehabt, verschiedene bibliopolische Erwerbungen für die Universität in einer für diese vorteilhaften Weise zu machen, was auch Anerkennung fand, so dass er am 30. September 1586 zum Pedell mit 72 Gulden Gehalt ernannt wurde. Noch mehr sollte ihm aber die Gunst der Universität in indirekter Weise zustatten kommen. Elzevier konnte die oben erwähnten Verbindlichkeiten gegen Plantin nicht erfüllen und er musste seine Häuser diesem überweisen. In dieser Not richtete er das Gesuch an den akademischen Senat, auf dem Grund und Boden der Universität einen Laden errichten zu dürfen, weil es sehr zum Nachteil der Professoren und Studierenden gereichen würde, wenn er seinen Laden weit weg von der Universität verlegen müsste. Das Gesuch Elzeviers wurde zugestanden; bis 1595 besass er den Laden ganz umsonst, von da ab musste er 75 fl. Miete bezahlen. Dieser Laden war die Wiege des Glanzes der Elzeviere, jedoch hatte Ludwig noch lange mit Sorgen zu kämpfen. Erst das Jahr 1594, in welchem er Bürger von Leyden wurde, scheint den Wendepunkt zum Günstigen gebildet zu haben.
[231] Seinen ältesten Sohn Matthias nahm er um 1590 als Teilnehmer auf, später den zweitjüngsten Bonaventura; der zweite Ludwig ging als Buchhändler nach dem Haag, der vierte Justus nach Utrecht. Der dritte Aegidius erscheint nur vorübergehend in dem Haager Geschäft, seine übrigen zwei Söhne, Arnold und Adrian, gehören so wenig wie seine zwei Töchter der Geschichte der Buchdruckerkunst an.
Von seinen Verlagswerken erschien das erste 1592; nach 1594 folgten sie in ununterbrochener Reihe. 1595 wendete er zum ersten male das Insigne an: den Adler auf einer Säule, in den Klauen das Bündel mit sieben Pfeilen haltend und mit der Umschrift: Concordia res parvæ crescunt, wie bekannt die Devise der holländischen Republik. Um diese Zeit fängt auch sein regelmässiger Besuch der Frankfurter Messen an. Ludwig begriff sehr wohl, dass die Erzeugnisse des Geistes nicht auf den heimischen Markt sich beschränken konnten und suchte den ausländischen Markt auf. Er selbst war viel gereist und liess auch seinen Sohn Bonaventura noch jung auf Reisen gehen. Seit 1601 besuchte er regelmässig zweimal jährlich die Frankfurter Messe, wo er ein besonderes Depot hatte, ohne sich durch die damals mit solchen Reisen verbundenen vielen Mühseligkeiten und Gefahren abhalten zu lassen. Als die Buchmesse sich mehr und mehr nach Leipzig zog, folgte Elzevier dem Strom doch nicht, sondern fuhr fort, Frankfurt zu besuchen, wo er fast das Monopol für Versorgung Deutschlands mit ausländischer Litteratur hatte. Mit Paris unterhielt er ebenfalls regelmässige Verbindungen, obwohl der Verkehr dort mancherlei Beschränkungen unterworfen war.
Der Umfang seiner Geschäfte und das Zutrauen der Autoren zu ihm stiegen fortwährend. Nicht wenige der letzteren übergaben ihm ihre Werke in vielen Exemplaren zum Debit. Wenn deshalb sein Name öfters in Verbindung mit dem eines anderen Verlegers auf einem Titel vorkommt, so ist daraus nicht zu schliessen, dass es sich um eine Association handelte, sondern, dass ein Verleger ihm den Debit eines Werkes für das Ausland übertragen hatte.
Bei seiner grossen Thätigkeit im Vertrieb war er nicht immer gar zu wählerisch in den Mitteln. Er kaufte öfters liegengebliebene Auflagen und versah sie, unter Benutzung seiner Firma, mit neuen [232] Titeln; manchmal wurden einige Seiten neu angedruckt oder zwei Bände in einen verbunden, und dann solche als neue Ausgaben versandt. Kurz, es wurden verschiedene, auch noch heute im Buchhandel übliche Mittel angewendet, die man nicht gerade als Unrecht bezeichnet, die aber doch auch nicht zu den ganz soliden zählen. Dass sein persönlicher Charakter ein ehrenwerter war, dafür sprechen das grosse Zutrauen und die Auszeichnung, welche ihm von den Gelehrten, seinen Geschäftsfreunden und seinen Mitbürgern entgegengetragen wurden.
So war der Name Elzevier, noch ohne Hinzutreten des Elements, welches seinen eigentümlichen Ruhm begründen sollte, der Typographie, ein sehr gut renommierter geworden. Ludwig selbst sollte eine Buchdruckerei nicht besitzen, wohl aber erleben, dass sein Enkel Isaack, zweiter Sohn des Matthias, eine solche (1616) erwarb. Noch konnte man nicht auf den künftigen typographischen Ruhm schliessen, und die Werke, die Ludwig in den verschiedenen Offizinen ausführen liess, zeichneten sich in Nichts vor hundert anderen aus, wenn man auch später, als der Nimbus das Haus umgab, oft versucht hat, einen besonderen Wert herauszufinden, wo keiner vorhanden war.
Ludwig näherte sich dem Ende seiner Laufbahn, auf die er mit Befriedigung zurückschauen konnte. Der unbekannte Handwerker war ein durch Europa angesehener Mann geworden. Vier Söhne hatten den Beruf des Vaters ergriffen; ein Enkel übte die Buchdruckerei; sie konnten sich in ihrer Wirksamkeit gegenseitig stützen und ergänzen. Sein neues Vaterland war in seiner Freiheit anerkannt, es war ihm beschieden, auch seinen religiösen Überzeugungen sich ruhig hingeben zu können.
Doch sollten seine letzten Tage noch in peinlicher Weise eine Störung erleiden. Ludwig hatte erlangt, dass sein Sohn Matthias 1607 ihm als Vicepedell adjungiert wurde. Am 11. Nov. 1616 wurde ein Teil der Universitätsgebäude vom Feuer zerstört und die Untersuchungsrichter gaben der Nachlässigkeit der Pedelle allein die Schuld. Matthias wurde seines Amtes enthoben; über Ludwig wurde der Beschluss noch nicht gefasst. Die Möglichkeit ist wohl nicht ausgeschlossen, dass dies Ereignis heftig auf ihn eingewirkt hat; Thatsache ist es, dass er gleich zu Anfang des Februar [233] 1617 starb und am 4. Febr. neben seiner Frau, die ihm schon vor drei Jahren im Tode vorangegangen war, begraben wurde. Übrigens wurde Matthias in demselben Jahre wieder in sein Amt eingesetzt, das er bis zu seinem Tode behielt. 1636 war ihm das Recht zugestanden, sich durch seinen Schwiegersohn, Peter Caron, vertreten zu lassen.
Nach dem Tode des Vaters übernahmen der älteste Sohn Matthias und der vorletzte Bonaventura das Leydener Geschäft, jedoch bereits am 3. Septbr. 1622 übertrug der erstere seinen Anteil auf seinen ältesten Sohn Abraham.
Der zweite Sohn Ludwigs, Ludwig ii., wahrscheinlich 1566 geboren, ging 1590 als Buchhändler nach dem Haag. Seinen Laden hatte er in einem grossen Saal des Palais der Generalstaaten, vorzugsweise de Zaal genannt, an dessen Wänden Buchhändlerstände ringsum eingerichtet waren. Mit einer kurzen Unterbrechung in den Jahren 1598-99 stand er an der Spitze des Haager Etablissements, welches keine grosse Bedeutung hatte, und nur eine ganz geringe Verlagsthätigkeit entwickelte. Ludwig ii. starb wahrscheinlich 1621. Das Geschäft erwarb Bonaventura und übergab es wieder in demselben Jahre an Jacob Elzevier, den dritten Sohn des Matthias. Jacob zog sich 1636 zurück, ging in Staatsdienst über und siedelte sich schliesslich in Gensingen im Kurpfälzischen an. Das Haager Geschäft blieb als Filiale bei dem Leydener. Von dem dritten Bruder Aegidius weiss man nur, dass er in der Abwesenheit Ludwigs eine kurze Zeit das Haager Geschäft besorgte. Er starb als Kaufmann in Leyden 1651.
Der vierte Bruder Justus (geb. 1575) erhielt in Utrecht das Bürgerrecht als Buchhändler. Von seinen vier Kindern war das älteste, Ludwig iii., der später so berühmte Gründer des Amsterdamer Hauses. Sein Todesjahr ist nicht bekannt. Ein Enkel von ihm, Peter, trieb kurze Zeit den Buchhandel in Utrecht und verschwand 1675 von der geschäftlichen Bühne. Der fünfte Sohn wurde Landschaftsmaler, der siebente, Adrian, trat in die Dienste der Ostindischen Compagnie und wurde 1609 von den Wilden auf den Bandainseln ermordet.
Bevor wir an die weitere Geschichte des Stammhauses in Leyden unter Bonaventuras und Abrahams Leitung gehen, müssen [234] wir der Thätigkeit des zweiten Sohnes des Matthias, des Buchdruckers Isaack, gedenken, die fast ihr Ende erreicht hatte, als die zuerstgenannten die ihre begannen.
Isaack war am 11. Mai 1596 in Leyden geboren. Am 14. Febr. 1616 verheiratete er sich mit Jaquemine Symons van Swieten, einer Waise, und wurde wahrscheinlich durch ihr Vermögen in die Lage versetzt, eine Druckerei erwerben zu können, denn seine grossen für den Grossvater ausgeführten Druckwerke datieren aus dem Jahre 1617. Isaack fuhr fort vorzugsweise für Matthias und Bonaventura, später für Bonaventura und Abraham zu drucken. Es finden sich auch Druckwerke vor, die keine andere Firma als die Isaacks tragen, doch lässt sich daraus nicht schliessen, dass er als Verleger und Konkurrent seiner Verwandten aufgetreten wäre, sondern nur, dass solche Werke im Selbstverlage der Autoren erschienen sind.
Am 9. Febr. 1620 erhielt Isaack die Stellung als akademischer Buchdrucker, in der die Familie bis zu ihrem Ende 1712 blieb. Gleich bei der Begründung der Universität Leyden war der Beschluss gefasst, einen gelehrten, namhaften und erfahrenen Mann zum akademischen Buchhändler und Buchdrucker zu ernennen. Die Wahl fiel auf Wilhelm Sylvius, der in Antwerpen mit dem Titel königl. Buchdrucker etabliert war (1579), Sylvius starb bereits 1580. Sein Nachfolger war der berühmte Christoph Plantin (1584), der Antwerpen verlassen hatte, jedoch bald wieder nach dort zurückkehrte. Seine Offizin und sein Amt gingen auf seinen gelehrten Schwiegersohn, Franz von Rapheling, über; das Amt erbte nach dessen Tode (20. Juli 1597) der Sohn Christoph, der ihn jedoch nicht vier Jahre überlebte. Der Senat erwählte nun (1602) Johann Paedts (Patius) zu seinem Nachfolger. Er starb 1620 und das Amt wurde auf Isaack Elzevier übertragen. Als Universitätsbuchdrucker war er verpflichtet, eine und eine halbe Presse für den Druck der kleinen Universitäts-Schriften zur Disposition zu halten. Er hatte für gute Korrektur und dafür zu haften, dass keine willkürlichen Änderungen gemacht wurden; die Besorgung der Bücher zur Frankfurter Messe übernahm er zu festgesetzten Bedingungen. Jährlich erhielt er eine Entschädigung von 50 Gulden.
Das Universitätsgebäude lag, und liegt noch, in einer breiten, von einem Kanal, dessen Ufer mit grossen Bäumen bepflanzt waren, [235] durchzogenen Strasse, der „Rapenburg“. Das Gebäude war früher ein Nonnenkloster gewesen, die Seitenfront kehrte es nach der Strasse, daneben lief eine Mauer, in welcher sich der Eingang zu dem Universitätshof und dem botanischen Garten befand. Das angrenzende Haus hatte Matthias, Isaacks Vater, am 26. Aug. 1608 gekauft. Als Isaack nun Universitätsbuchdrucker geworden war, teilte er dem Senat mit, dass er bereit sei, das Haus seines Vaters zu beziehen, wenn man ihm gestatten wollte, längs seinem Hause in dem unbenutzten Winkel des Universitätshofes, der dem Ganzen keineswegs zur Zierde gereichte, ein Atelier anzubauen. Es würde dies eine sehr grosse Annehmlichkeit für die Professoren und die Studierenden sein. Man fand den Vorschlag annehmbar und gestattete Isaack ein Gebäude von 14 Fuss Tiefe, bestehend in einem Parterre mit einem hohen Dach, zu errichten. Der Eingang für seine Arbeiter sollte jedoch durch sein Haus sein, und das Hofthor nur für die Besucher der Universität dienen. Auch hinsichtlich der Anbringung der Fenster wurden ihm verschiedene Beschränkungen auferlegt. In diesem bescheidenen Lokal, das jetzt verschwunden ist, blieb die Druckerei bis zu ihrem Aufhören.
Die Massregel der Universität, Isaack zu ihrem Buchdrucker zu ernennen, war gewiss eine glückliche, denn durch die Ausführung schwieriger Arbeiten, unter welchen namentlich das Theatrum geographiæ veteris in Folio, für Rechnung des Buchhändlers J. Hondius, besondere Erwähnung verdient, hatte er sich bereits einen guten Namen erworben, und sich auch in anderer Weise, durch den Ankauf der Buchdruckerei des berühmten Orientalisten Erpenius (Th. van Erpe), klüglich vorbereitet. Nicht damit zufrieden, die orientalischen Sprachen zu lehren und Werke herauszugeben, hatte Erpenius eine Druckerei in seinem Hause eingerichtet, die er selbst überwachte. Nach seinem plötzlichen Tod an der Pest am 13. Nov. 1624 legte die Universität grosses Gewicht darauf, seine Druckerei für Leyden zu erhalten. Mit dem seinem Geschlechte eigenen Geschäfts-Instinkt war Isaack den Wünschen der Universität bereits zuvorgekommen, und hatte alle Stempel, Matrizen und Schriften des Erpenius erworben.
Als Druckerzeichen nahm Isaack eine Ulme an, die von einem Rebstock voll Trauben umschlungen wird, daneben steht ein Einsiedler; [236] die Devise lautet: non solus. Der Baum mit dem Rebstock deutet dasselbe an, was das Bund mit den Pfeilen ausdrücken will. Dies Druckerzeichen wurde bis 1712 benutzt. Ein anderes, von Isaack verwendetes: ein Palmbaum mit der Umschrift Assurgo pressa, war ursprünglich das Insigne des Erpenius. Im übrigen bedienten sich Isaack sowohl als auch Bonaventura und Abraham mitunter der Marke des Vaters.
Trotz des günstigen Fortgangs des Geschäfts fasste jedoch Isaack den Entschluss, dasselbe aufzugeben, angeblich aus Besorgnis um die Folgen des langwierigen Krieges in Deutschland. Durch Vertrag vom 24. Dez. 1625 übergab er die Offizin mit 5 Pressen und 1 Kupferdruckpresse, 10 000 Kilo Schriften, Stempeln, Matern etc. seinem Bruder Bonaventura und seinem Neffen Abraham für die Summe von 9000 Gulden, und 2000 Gulden für das Lokal. Im Februar 1626 legte er auch sein Amt nieder und verliess in den letzten Tagen des Jahres Leyden, trat in den Marinedienst und hatte 1632 Kapitänsrang. 1648 finden wir ihn in Delft in Association mit seinen zwei jüngsten Söhnen, um eine Brauerei zu betreiben. Er starb in Köln am 8. Okt. 1651.
Wir kehren nun zu dem Stammgeschäft zurück. Bonaventura, wahrscheinlich so nach dem berühmten Gelehrten Bonaventura Vulcanus (de Smidt) aus Brügge genannt, war 1583 in Leyden geboren. Sein Vater liess ihn zeitig Geschäftsreisen machen. Abraham, in Leyden am 14. April 1592 geboren, war an Stelle seines Vaters eingetreten. Er hatte in Leyden studiert und sich bei seinem Bruder Isaack mit der Typographie vertraut gemacht. Am 21. Mai 1621 heiratete er Katharina van Waesberghe, Tochter des Admiralitätsbuchdruckers in Rotterdam, und kam dadurch in eine unabhängige Stellung, sodass er sich als Buchhändler etablieren konnte. Ein Glück für Bonaventura war es, nachdem 1625 die Druckerei Isaacks ihm noch zugefallen war, einen Mitarbeiter gefunden zu haben, der sich namentlich der Buchdruckerei widmete.
In demselben Jahre heiratete Bonaventura Sahra van Keulen, Tochter des berühmten Gelehrten Daniel Colonius, für ihn ein doppelter Vorteil, indem er nicht nur in eine sehr angesehene Familie eintrat, sondern auch in nähere Verbindung mit einer [237] grossen Anzahl der bedeutendsten Gelehrten trat, die sich nun vorzugsweise der Pressen der Elzeviere bedienten.
Dass unter den obwaltenden Verhältnissen die Stellung als Universitätsbuchdrucker den Elzeviers nicht entgehen konnte, ist fast selbstverständlich. Man gewährte ihnen das Recht, die alte Lokalität innezubehalten, und bewilligte ihnen ein jährliches Gehalt von 100 fl., das auf 200 und später auf 300 fl. erhöht wurde.
Die nun folgenden 26 Jahre waren die des grössten Glanzes des Hauses. Das Streben der Associés war von Beginn ab darauf gerichtet, sich von dem Alltäglichen zu emanzipieren und ihren Erzeugnissen mehr und mehr den Stempel der Vollkommenheit aufzudrücken. Schon ihre ersten Druckwerke übertrafen die Isaacks, und jedes Jahr zeigt einen Fortschritt, sei es in der Schrift, in der Ornamentierung, oder in dem Druck. Schritt für Schritt kann man diese Elzeviere auf ihrem Wege zur Vollendung verfolgen, bis sie, nach zehn Jahren, Meisterwerke wie ihren Cäsar, Terenz und Plinius v. J. 1635 hervorzubringen imstande waren. Ihnen verdankt man die Initiative zu allen den Unternehmungen, welche den Namen Elzevier zu einem unsterblichen in der Geschichte der Buchdruckerkunst und des Buchhandels gemacht haben. Im Jahre 1625 begannen sie die Sammlung der kleinen „Republiken“, für welche sie ein Privilegium vom 15. Mai 1626 erhielten. 1629 weihten sie die Reihe der lateinischen Klassiker in dem berühmten Duodez durch den Horaz und den Ovid ein; 1641 die Kollektion der renommiertesten Schriften einer neueren Zeit mit dem Cid; die Sammlung französischer Klassiker mit Régnier 1642. Daneben folgten aber auch Bücher in grösserem Formate, darunter verschiedene orientalische Werke.
Ihren Hauptruhm bilden jedoch die Duodezausgaben der Klassiker zu billigen Preisen. Zwar waren solche kleinere Ausgaben nicht ohne Vorbild, wir erinnern nur an die „Aldinen“, im allgemeinen war man jedoch bei den grossen Formaten geblieben, bis mit den Elzevieren die Ausnahme Regel wurde. Die Bändchen, von den berühmtesten Kritikern und Kommentatoren der Zeit besorgt, nahmen im Sturm das Publikum für sich ein. Das Oktavformat blieb nur für die Ausgaben mit vielen Noten und Varianten. Durch den billigen Preis von 1 fl. als Mittelpreis für einen Band von [238] etwa 500 Seiten steigerte sich der Absatz enorm. Die Durchschnittsgrösse der Auflagen ist nicht bekannt, sie muss aber eine bedeutende gewesen sein.
Übrigens fehlte es nicht an Stimmen, die diese handlichen Bändchen als eine Herabwürdigung der Gelehrsamkeit bezeichneten und als eine rein kaufmännische Manipulation verdammten. Trotzdem suchten die Gelehrten eine Ehre darin, dass ihre Werke den Kollektionen einverleibt wurden. Ja, selbst Autoren, deren Schriften von den Elzevieren nachgedruckt waren, schrieben ihnen verbindliche Briefe auf Grund der auf den Nachdruck verwendeten Sorgfalt. Das Format wurde in ganz Holland und Belgien standard und auch von mehren Pariser Buchhändlern angenommen. Bald bemächtigte auch die Sammelwut sich der kleinen Bändchen. Noch vor Ablauf des Jahrhunderts wurde von Liebhabern berichtet, die sich das Allernotwendigste versagten, um eine komplette Elzeviersammlung zu besitzen.
Mit der Beschaffung des Papiers scheinen die Elzeviere manchmal Not gehabt zu haben. Öfters wenden sie französisches an, das jedoch schon in Frankreich auf Grund der dortigen Abgaben sehr teuer zu stehen kam, wie viel mehr also im Auslande. Während des Krieges mit Frankreich war die Einfuhr von Papier ganz verboten und die Elzeviere bezogen grosse Massen aus Deutschland, klagen jedoch öfters, dass dieses oder jenes Werk nicht recht gefördert werden könne, weil das in Frankfurt bestellte Papier nicht angekommen sei.
In Betreff der Korrektheit der Elzevier-Ausgaben sind von einander abweichende Stimmen laut geworden. Viele loben dieselbe sehr, viele tadeln derb die Inkorrektheit. Der Grund ist nicht schwer zu finden. Die Elzeviere waren nicht, wie die Aldi, Stephane, oder wie Badius, Morel, Oporin begeisterte Gelehrte, die im Interesse der Wissenschaft Typographen geworden waren und einen Hauptteil der litterarischen Arbeit auf sich nahmen; sie waren praktisch-tüchtige Geschäftsleute, welche die Typographie hochhielten, aber nicht in der Lage waren, durch ihre persönlichen Kenntnisse zur Förderung der Wissenschaft beizutragen. Man darf sich nicht von ihrem Titel „akademischer Buchdrucker“ oder von den gutgeschriebenen lateinischen Anreden in ihren Verlagswerken irreleiten [239] lassen; letztere sind Arbeiten ihrer litterarischen Freunde, namentlich des Dan. Heinsius. Sie gaben sich alle Mühe, für gute Korrektoren zu sorgen, diese waren aber selten; oft mussten sie sich deshalb in Betreff der Korrektur auf die Verfasser selbst verlassen, die bekanntlich selten diese Arbeit in befriedigender Weise üben. So giebt es neben sehr gut korrigierten Ausgaben der Elzeviere auch fehlerreiche. Im allgemeinen sind ihre lateinischen Klassiker sorgsam korrigiert, der Virgil von 1676 gilt sogar als ein nicht leicht zu erreichendes Muster, auch ihre französischen und italienischen Ausgaben, obwohl Nachdrucke, waren öfters weit korrekter als die Originale. Viele bekannte Namen fanden sich unter ihren Korrektoren nicht vor, berühmte gar nicht.
Als eine Eigentümlichkeit der Elzevierischen Geschäftsorganisation wurde schon der ausgedehnte ausländische Vertrieb erwähnt, der bereits von Ludwig begonnen und sowohl (seit 1630) von dem Leydener als später von dem Amsterdamer Haus in System gebracht wurde.
Die meisten Glieder der Familie begannen ihre Thätigkeit mit dieser Branche. Selbst nach seiner Association mit Matthias und Abraham setzte Bonaventura seine Reisen fort; doch nötigten ihn später die steigenden Geschäfte, diesen Teil der Arbeit dem Neffen, Ludwig, zu überlassen, bis dieser sich 1638 in Amsterdam etablierte. Er wurde von Johann, dem ältesten Sohn Abrahams, dieser wieder von Daniel, Bonaventuras Sohn, abgelöst.
Als letzterer später dem Geschäft Ludwigs in Amsterdam beitrat, setzte er seine Reisen für dieses fort.
Über die Depots in Frankfurt, Italien und Paris wurde schon oben gesprochen. Eine grosse Bedeutung hatte die Verbindung mit den skandinavischen Ländern. Kopenhagen, der Hauptsitz der Litteratur im Norden, war gewohnt, sich in Frankfurt zu versorgen. Als jedoch der Verkehr im 30jährigen Krieg immer schwieriger wurde, hielten die Holländer mit ihrem merkantilen Genie es für angebracht, die litterarische Versorgung des Nordens zu übernehmen. Der erste, der den Versuch machte, war der Buchhändler Johann Jansson aus Amsterdam und der Erfolg war ein so glänzender, dass die dänischen Buchhändler bittre Beschwerden über die Eindringlinge führten. Eine Merkwürdigkeit war, dass der Buchhandel [240] dort in den Kirchen betrieben wurde, was erst aufhörte, als Christian iv. die prachtvolle Börse baute, in deren erstem Stock eine Menge Detail-Läden, namentlich für den Buchhandel, sich befanden. Hier mieteten Jansson und die Elzeviere Lokale. Ihr Handel muss ein sehr bedeutender gewesen sein, denn sie liessen besondere Kataloge drucken, von welchen einer auf uns gekommen ist: Catalogus omnium librorum, qui hoc tempore in officina Elzeviriana prostant. Hafniæ 1642. Man sieht, es handelt sich um eine vollständige Filiale. Wer sie dirigierte, ist nicht bekannt; die Elzeviere selbst besuchten jedoch oft Kopenhagen. Nicht weniger gut als dort waren sie in Schweden angeschrieben, und die für die Wissenschaften eingenommene Königin Christine machte ihnen vorteilhafte Anerbietungen, um sie zu bestimmen, ein Haus dort zu gründen. Sie lehnten es ab, dagegen kamen die Verhandlungen mit Joh. Jansson zustande, der 1647 das Privilegium, eine Druckerei anzulegen, erhielt (vgl. S. 157).
Zu dem Glanze des Leydener Hauses trug jeder der Associés bei. Bonaventura leitete mit grossem Geschick den bibliopolischen und kaufmännischen Teil des Geschäfts, wozu ihn eine sorgfältige Vorbereitung geeignet machte. Mit ihm verhandelten gewöhnlich die Gelehrten und die Kunden. Abraham besorgte mit gleicher Sorgfalt und grosser Hingebung das typographische Departement. Eine gute Hülfe hatten sie in Ludwig ii., bis dieser selbst sich etablierte. Eine ganz wesentliche Stütze für das buchhändlerische Geschäft war der berühmte Gelehrte Daniel Heinsius, der so eigentlich die Seele der litterarischen Produktion war. Heinsius war 1580 in Genf geboren. In Leyden war er der bevorzugte Schüler von Jos. Scaliger und später von dessen Nachfolger. Er war ein Universalgenie, in allen Fächern des Wissens zuhause, zugleich ein Dichter von gutem Geschmack. Ganz natürlich, dass ein solcher Mann einen Verleger im Guten sowohl wie im Bösen vollständig beherrschen konnte. In beiderlei Hinsicht übte er auf die Elzeviere, speziell auf Bonaventura, einen grossen Einfluss. Ihm verdanken sie den Besitz einer Reihe der besten Verlagswerke, bei deren Herausgabe er ihnen zuhilfe kam, indem er die Einleitungen und Dedikationen, mit welchen die Verleger ihre Werke begleiteten, schrieb. Er war jedoch eine streitsüchtige, egoistische Natur und hielt die [241] Elzeviere von denjenigen Gelehrten ab, die bei ihm nicht in Gunst standen.
Bonaventura selbst zeigt sich auch nicht durchweg als liebenswürdiger Charakter, namentlich scheint er von einem mitunter hässlichen Geiz beherrscht gewesen zu sein. Nichtsdestoweniger suchte man gern eine Verbindung mit den Elzevieren und rühmte ihre Genauigkeit, Pünktlichkeit und ihren Eifer, sowie ihr warmes Interesse für ihren Beruf, dem sie einen förmlichen Kultus erwiesen. Liebenswürdiger als Bonaventura dürfte Abraham gewesen sein, Wenigstens spricht für seine Beliebtheit, dass die Universität nach seinem Tode, am 14. Aug. 1652, ihm zu Ehren eine goldene Medaille prägen liess, eine Auszeichnung, mit der sie sehr sparsam war. Dagegen geschah nichts zu Ehren Bonaventuras, als dieser einen Monat später, am 17. Septbr. 1652, verschied.
Die Auszeichnung Abrahams fällt um so mehr auf, als schon 1649 Differenzen mit der Universität auf Grund der von den Elzevieren angesetzten Preise entstanden waren. Es kam sogar in Frage, ihnen die Emolumente zu entziehen, während sie ihrerseits auf Erhöhung derselben antrugen. Bei dem Tode Abrahams und Bonaventuras war noch nichts entschieden, doch muss ein Ausgleich stattgefunden haben, denn man bewilligte den Nachfolgern die bisherigen Emolumente, und so blieb es bis zum Erlöschen des Hauses 1712.
Bonaventura vermachte seinem ältesten Sohne Daniel sein Haus auf der Rapenburg und seinen Anteil an allem, was er in Verbindung mit Abraham besessen hatte. Ein Gleiches that Abraham in Betreff seines Sohnes Johann.
Johann, der älteste Sohn Abrahams aus seiner Ehe mit Katharine van Waesberge, war das einzige von dessen Kindern, welches der väterlichen Laufbahn folgte. Er war zu Leyden im Febr. 1622 geboren; 1638 wurde er, 16 Jahre alt, nach Paris gesandt, wohl weniger um sich in der Typographie, als im Französischen zu vervollkommnen und um neue Verbindungen anzuknüpfen oder die alten zu pflegen. Schon 1643 ist er wieder dort, zum Vertrieb von Büchern; 1641 ging er nach Dänemark; 1644 wieder nach Paris. [242] 1647 heiratete er Eva van Alphen aus Leyden; 1649 etablierte er sich im Hause des Grossvaters Bonaventura.
Daniel, der älteste Sohn Bonaventuras und der Sarah van Keulen, war im Aug. 1626 in Leyden geboren. Aus seiner Jugendzeit wissen wir nur, dass er 1645 nach Paris ging, um seine Ausbildung zu vollenden. Dort blieb er gegen drittehalb Jahre, um dann in Leyden zu studieren, dabei nahm er jedoch an den Geschäften teil.
Es war eine schwere Last, welche auf den Schultern der jungen Männer ruhte. Sie begannen jedoch guten Mutes ihr Werk. Ihre Ausgaben der Nachfolge Christi und des Psalters von 1653 gehören zu den besten Erzeugnissen der Elzeviere. Aber die Aussichten für die Zukunft waren weniger freundlich, als bisher. Gleichzeitig mit den Vätern war eine grosse Zahl der gelehrten Freunde und Ratgeber von der Bühne abgetreten; die Universität befand sich in einer Krisis; die Zeiten waren vorbei, wo die Arbeiten ihrer Professoren die gelehrte Welt in Bewegung setzten, sie genügten nicht mehr, um einer Druckerei eine Fülle von Arbeit und Ehre zu bringen. Dabei war das Verhältnis der jungen Männer zu der Universität ein nicht ganz ungestörtes. Es fehlte ihnen noch an der nötigen Erfahrung und Autorität, um glücklich über alle Klippen wegzukommen, Eigenschaften, die dagegen der Amsterdamer Ludwig in hohem Grad besass. Diejenigen berühmten Gelehrten, die durch Heinsius den Leydener Elzevieren entfremdet worden waren, näherten sich Ludwig; selbst Leydener Gelehrte suchten die Verbindung mit ihm. Diese Umstände, dazu Johanns schwankender Charakter werden wohl mitgewirkt haben, um Daniel zu bestimmen aus dem Geschäft zu treten und sich mit seinem Vetter Ludwig in Amsterdam zu verbinden. Ein weiterer Grund mag wohl auch seine Heirat mit Anna Bierninck, Enkelin von seinem Onkel Justus und Nichte und Mündel Ludwigs, gewesen sein. Er trennte sich nach zwei und einem halben Jahre von Johann.
Wir werden nun Ludwigs und Daniels Schicksale in Amsterdam verfolgen, um dann zu dem Leydener Geschäft und dessen traurigem Ende zurückzukehren.
Der Gründer des Amsterdamer Geschäfts, Ludwig iii., ältester der vier Söhne des Justus, war 1604 in Utrecht geboren. [243] Früh vaterlos, wurde er, um zu studieren, nach Leyden gesandt, wo er bei seinem Onkel Matthias wohnte und Gelegenheit fand, sich mit Buchhandel und Typographie bekannt zu machen. Durch seine vielen Reisen kreuz und quer durch Europa hatte er sich vortrefflich für ein eigenes Etablissement vorbereitet. Er war 33 Jahr alt geworden; Aussichten auf eine selbständige Stellung in dem Leydener Geschäft waren nicht vorhanden; Konkurrenz wollte er demselben nicht machen. Er wählte deshalb Amsterdam zum Schauplatz seiner Thätigkeit. Wennauch vorzugsweise Handelsstadt, war Amsterdam doch durch seine gelehrten Gesellschaften bekannt, und besass eine Art von Universität in seinem neu errichteten Athenäum, welches schon berühmte Lehrer zu den Seinigen zählte. Die Leydener Verwandten hatten nichts gegen das Etablissement einzuwenden, sie hofften sogar Vorteile durch energische Verbreitung ihrer Artikel seitens Ludwigs zu erreichen und druckten auch anfänglich mehrere Werke für ihn.
Jedoch Ludwig war der Mann, um ganz auf eigenen Füssen zu stehen. Kaum etabliert, suchte er die Verbindung mit dem berühmten Hugo Grotius, der als schwedischer Gesandter in Paris lebte. Ohne Freigeist zu sein, hatte Ludwig auf seinen Reisen doch in religiösen Angelegenheiten einen freieren Blick erworben, als seine Leydener Verwandten, die eine grosse Strenggläubigkeit entweder wirklich besassen, oder durch die Verbindung mit der Universität zu zeigen gehalten waren. Er war so recht geeignet, als Verleger die unabhängigen Geister um sich zu versammeln. Er zählte sogar zur katholischen Kirche übergetretene zu seinen litterarischen Freunden, ohne dass dies ihn verhinderte, Schriften zu verlegen, welche die Katholiken wenig schonten. Seit 1642 druckte er alle Werke des Cartesius, was auf die volle Unabhängigkeit seines Charakters deutet, denn man weiss, welche heftigen Angriffe der Autor seitens der holländischen Theologen auszustehen hatte, sodass es in Leyden sogar verpönt war, den Namen Cartesius zu nennen. Auch die Werke der Schüler und Anhänger desselben gab Ludwig heraus, ebenso die Schriften der französischen Jansenisten.
Jedenfalls lag es gleich von Beginn ab in Ludwigs Absicht, eine Druckerei anzulegen. Im Jahre 1640 besass er eine solche, wennauch [244] nach einem beschränkten Massstabe, denn seine Mittel waren nicht bedeutend. Er liess sowohl bei seinen Verwandten, wie bei anderen Kollegen, namentlich bei Fr. Hackius in Leyden drucken, der von allen Buchdruckern den Elzevieren am nächsten stand, um so mehr als ein Sohn des Hauses Hackius, Cornelius, mit Margaretha Elzevier, Schwester von dem in Utrecht als Buchhändler etablierten Peter und Nichte Ludwigs, verheiratet war.
Es dauerte nicht lange, so stand das Amsterdamer Geschäft dem Leydener gleich. Von 1640-45 kamen 219 Verlagsartikel heraus. Die Geschäfte wuchsen so rasch, dass es Ludwig nicht immer möglich war, die nötige Ordnung und Pünktlichkeit zu zeigen; er sah sich deshalb nach Hülfe um. So wurde die Association mit Daniel am 1. Mai 1655 abgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit gingen eine Menge Verlagsartikel des Leydener Geschäfts auf Daniel über und von dieser Zeit an begannen auch die Amsterdamer Pressen, die berühmten Duodeze zu reproduzieren, auf welche das Leydener Geschäft bis jetzt faktisch das Monopol gehabt hatte. Die Zahl der von Ludwig und Daniel, während eines neunjährigen Zusammenwirkens, herausgegebenen Werke beträgt gegen 150; auch der Anfang ihres Hauptwerkes, der grossen Bibel von Desmarest, stammt aus dieser Zeit.
Als Zeichen bedienten sie sich der Minerva mit der Aegide, dem Ölzweig und der Eule und mit der Devise Ne extra oleos. Der Gedanke der Devise ist dem Wettrennen der Alten entlehnt, bei welchem das Ziel durch eine Reihe von Ölbäumen bezeichnet war. Die Warnung: „nicht über die Ölbäume hinaus“, heisst also soviel als: „Halte dich innerhalb der richtigen Grenzen, und schiesse nicht über das Ziel hinaus“.
Das Geschäftslokal war „opt Water in den Olm-boom“. Diese Bezeichnung „Auf dem Wasser“ hatte ein Hauptquai in Amsterdam, wo vorzugsweise die Lokale der Buchhändler und Buchdrucker sich befanden. Die Elzeviere bewohnten dort nach und nach verschiedene Häuser; wenn sie nichtsdestoweniger als „in der Ulme“ wohnhaft fort firmierten, so ist dies durch die Sitte erklärlich, die Häuser nicht nur nach den, von dem Besitzer über den Thorweg in Stein gehauenen Emblemen, sondern auch nach den beweglichen Schildern der gewerbetreibenden Bewohner zu bezeichnen.
[245] Im Jahre 1664 zog sich Ludwig zurück, und lebte auf seinem schönen Landsitz, welchen er halbwegs zwischen Amsterdam und Utrecht besass. Sein Name findet sich fernerhin nur auf der Bibel Desmarests, welche 1669 in 2 Bdn. in Folio vollendet wurde. Sie war bei dem Ausscheiden Ludwigs Gegenstand eines besonderen Übereinkommens unter den Associés geblieben. Ludwig starb 1670 in Leyden, infolge eines Beinbruchs.
In allen Angelegenheiten der Familie war Ludwig stets als das Oberhaupt betrachtet worden, und er hatte gesucht, ihr Interesse, wo er konnte, wahrzunehmen. Seine Rechtschaffenheit und Einsicht wurden überall anerkannt. In seinem Testament zeigt er sich als einen durchaus noblen Mann, sowohl gegen Andere, als auch gegen seinen Associé. Es sollten alle Rechnungen mit ihm ohne irgend eine Revision geordnet werden. Es war ihm freigestellt, die Artikel zu den Druck- und Papierkosten ohne Zinsen und sonstige Lasten zu übernehmen, und die daraus entstehende Schuld erst in langen Terminen unter 4% Verzinsung zu zahlen.
Die Weiterführung des ausgedehnten und vielseitigen Geschäfts war für Daniel mit seinen alleinigen Kräften eine schwere Aufgabe, wozu die grösste Energie notwendig war. Hierzu kamen noch ungünstige Zeitverhältnisse. Kurz nach der Übernahme brach der Krieg mit England aus, der zwei Jahre (1665-67) mit wechselndem Kriegsglück, aber unter fortwährender Hemmung der Geschäfte, dauerte. Daniel nahm deshalb Jakob Zetter in sein Geschäft, der den buchhändlerischen Teil sehr gut leitete. 1669 fesselte er den jungen Heinr. Wetstein, der bestimmt war, selbst einen bedeutenden Platz in der niederländischen Typographie einzunehmen, an sich. Wetstein war 1649 in Basel geboren, wo sein Vater Professor der griechischen Litteratur war. Er hatte eine vortreffliche wissenschaftliche Erziehung genossen, aber sein Trieb zur Typographie war ein unwiderstehlicher. Am besten glaubte er seinen Zweck in Holland zu erreichen, trat daher mit seinem 20. Jahre bei Daniel in die Lehre und blieb 7 Jahre bei ihm. 1676 verheiratete sich Wetstein und etablierte sich dann als Buchhändler. Er war mit Zetter zusammen dem Hause Elzevier von grossem Nutzen. Daniels Buchhandlung hatte vorher nur aus Verlags- oder Kommissionsartikeln [246] bestanden; jetzt fügte Wetstein ein vollständiges Sortiment neuer und alter Bücher hinzu. 1674 gab Daniel, durch Wetstein unterstützt, seinen grossen Lagerkatalog, über 20000 Werke enthaltend, heraus.
In den Jahren 1667-1672 wurden über 100 neue Werke gedruckt, daneben die grosse Bibel fortgesetzt. Daniel sammelte, als letzter der bedeutenden Elzeviere, die ganze Ehre des Namens auf sich und wurde als einer der Buchdrucker majorum gentium betrachtet. Als im Jahre 1672 ein grosser Brand einen bedeutenden Teil des Blaeuschen Geschäfts vernichtete und Blaeu in Verlegenheiten kam, kaufte Daniel eine Anzahl von dessen Verlagsartikeln. Auch von Hackius machte er bedeutende Erwerbungen.
Trotz der schweren Zeiten hat man sich also Daniel nicht als mutlos geworden zu denken, und noch in den Jahren 1675-1680 verliessen 90 Verlagswerke, unter welchen sich einige seiner bedeutendsten Leistungen befinden, seine Pressen.
Da überraschte ihn der Tod mitten unter den Vorbereitungen zu einer Menge neuer grossartiger Unternehmungen. Am 13. Oktbr. 1680 unterlag er dem wiederholten Anfall eines heftigen Fiebers, wie solche in Amsterdam nicht selten auftreten.
Die Verhältnisse waren schwer zu beherrschen. Zwar beabsichtigte die Witwe das Geschäft fortzusetzen, sah aber bald die Notwendigkeit einer Beschränkung ein. Zuerst kam die Reihe an die Schriftgiesserei, bei welcher Gelegenheit ein Licht über die Entstehung der Elzevier-Schriften geworfen wird. Es gelang dem Herrn Alfons Willems, im Plantinschen Museum in Antwerpen ein Schreiben von der Witwe Daniels an die Witwe des Balthazar Moretus aufzufinden, in welchem erstere den Plantins ihre Schriftgiesserei anbietet, mit 27 Sorten von Stempeln und 50 Sorten Matern „gemaekt wesende bij Christoffel van Dyck, de beste meester van sijnen en onsen tijdt, en bij gevolge de beroemste gieterije, die ooyt ist geweesi“. Beigefügt ist eine Schriftprobe, ein einzelnes Blatt in Plakatformat, mit der Überschrift: „Proeven van Letteren die gesneden ziin door Wylen Christoffel van Dyck, soo als de selve verkoft sullen werden ten huyse van de Weduwe Wylen Daniel Elsevier, op't Water by the Papenbrugh, in den Olmboom, op Woensdagh, den 5 Martii 1681“.
[247] Zwar ist nur die Rede von den Typen der Amsterdamer, aber es ist nicht anzunehmen, dass diese nur Plagiate der Leydener gewesen. Es würde die Witwe Daniels kaum gewagt haben von van Dyck als von dem ersten Schriftschneider seiner Zeit zu sprechen, wenn er nur ein Plagiator gewesen[7]. Früher hat man die Schriften der Elzeviere dem Claude Garamond oder den Sanleques zugeschrieben. Garamond war jedoch bereits 1561 gestorben, auch zeigen seine Schriften einen abweichenden Charakter. Eher stimmen die Elzevier-Schriften mit denen Sanleques überein, der ein Zeit- und Religionsgenosse der Elzeviere war, so dass die Vermutung, die Schriften stammten von diesem, mehr Wahrscheinlichkeit hatte.
Das Plantinsche Haus nahm das Anerbieten der Witwe Elzevier nicht an, und die Schriftgiesserei ging nunmehr durch Kauf an Jean Bos im Hause Joseph Athias über. Letzterer war ein spanischer Jude, der ein bedeutendes typographisches Etablissement in Amsterdam besass. Er war namentlich bekannt als Drucker einer Anzahl von Bibeln in fremden Sprachen, ganz besonders ist seine hebräische Bibel berühmt, für welche ebenfalls Christoff van Dyck die Schriften geschnitten hatte, die noch jetzt unter die schönsten hebräischen Schriften zählen. Als Belohnung für diese Arbeit erhielt Athias von den Staaten von Holland und Westfriesland eine goldene Medaille an goldener Kette zu tragen, eine Auszeichnung, die noch keinem Israeliten zuteil geworden war. Vielleicht hat Athias seine Dankbarkeit gegen van Dyck, durch Ankauf des ganzen Komplexes seiner Schriften, zeigen wollen. Sein Etablissement ging in die Hände von J. J. Schepper über, später an den Schriftgiesser Johann Roman, der die oben erwähnten Proben genau mit allen Fehlern als Proben seiner Giesserei druckte. Diese kam 1767 an die Brüder Ploos van Amstel in Amsterdam und an Johann Enschedé in Haarlem, die den Fond teilten; später ging das Ganze auf Enschedé über. Dieser, ein warmer Bewunderer der Leistungen des Schriftschneiders Fleischmann, legte übrigens, wie es scheint, kein grosses Gewicht auf die Schriften von van Dyck.
Die Verhältnisse bei dem Tode der Witwe Daniels im Mai 1681 machten alle Gedanken an eine wennauch beschränktere Fortführung [248] des Geschäfts zunichte. Die Erbschaft konnte von den Beauftragten der neun Kinder Daniels nur cum beneficio inventarii angetreten werden. Die Liquidation fiel jedoch über alle Erwartung günstig aus und erzielte nach heutigem Geldwerte eine Summe von etwa einer viertel Million Mark. Die Amsterdamer Verleger hatten sich längst auf diesen Augenblick gerüstet und kauften mit Begierde die berühmten Verlagsartikel.
So verblieb nur die Erinnerung an das angesehene Elzeviersche Haus in Amsterdam. Doch nicht allein der Glanz desselben wurde mit Daniel zu Grabe getragen, auch der hohe Ruhm der niederländischen Typographie im allgemeinen war dahin. Fast gleichzeitig mit Daniel schieden fast alle die grossen holländischen Buchdrucker, welche die letzte Hälfte des xvii. Jahrhunderts mit ihrem Ruhm erfüllt hatten. Zwar erstanden aufs neue tüchtige Männer, welche die typographische Fahne hochhielten, aber die Kette war gebrochen, und es gelang nicht, die Glieder wieder zu einem Ganzen zu vereinigen.
Wir haben nun noch den letzten Blick, der keine Freude gewährt, dem Leydener Hause zuzuwenden.
Daniels Austritt war ein schwerer Schlag, indes verlor Johann den Mut nicht. Da er keinen Associé hatte, suchte er helfende Kräfte zu gewinnen, und es scheint ihm dies durch das Engagement Karl Gerstekorns gelungen zu sein. Wenn unter den schwierigen Verhältnissen Johann den Senat um Erlaubnis ersuchte, die Offizin baulich erweitern zu dürfen, so ist dies, wenn es damit überhaupt Ernst war, nur in der Weise zu erklären, dass er sich auf die Druckerei allein hat beschränken und diese mit aller Kraft hat betreiben wollen. Wenigstens mässigt er seine Verlagsthätigkeit sehr und sucht sein Lager durch Auktionen zu erleichtern. Es gehören immerhin einige seiner Leistungen dieser Zeit, als: de Brebeuf, Pharsalus und P. le Moyne, Gallerie des femmes fortes, zu den besten seiner Pressen.
Johann starb, ohne einen Plan für die Zukunft des Geschäfts gelegt zu haben, am 8. Juni 1661, erst 39 Jahre alt. Seine Witwe entschloss sich, die Geschäfte fortzuführen, und erhielt auch die Bestätigung des Verhältnisses zur Universität. Durch Auktionen in den [249] Jahren 1659, 1660 und 1661 entledigte sie sich des Leydener Lagers und der Haager Vorräte. Mit Ausnahme der Fortführung der grossen holländischen Bibel, die schon während Daniels Zeit angefangen und bei der er beteiligt geblieben war, scheint sie eigenes Verlegen ganz unterlassen zu haben. So ging das Geschäft nach und nach zurück. 1681 übergab sie es dem zweiten Sohne Abraham ii., und starb 1695.
Abraham, am 5. April 1653 geboren, hatte in Leyden studiert und 1679 den Doktorgrad erworben. 1695 wurde er Schöffe zu Leyden. Unter seiner Misswirtschaft verfiel die Druckerei vollständig. Als nach seinem am 30. Juli 1712 erfolgten Tode das Geschäft verkauft wurde, war der Erlös noch nicht 2000 Fl. — Sic transit gloria mundi.
Es konnte nicht anders sein, als dass der grosse Erfolg der Elzevierschen Duodezausgaben auch andere Buchdrucker innerhalb und ausserhalb der Grenzen der Niederlande zur Nachahmung anstachelte. Es dauerte nicht volle zehn Jahre nach den ersten Ausgaben seitens der Elzeviere, bis eine Überschwemmung mit Nachahmungen derselben eintrat, die oft die Vignetten und anderes Beiwerk so genau wiedergaben, dass die Entscheidung, ob ein Buch wirklich den Elzevieren gehörte oder nicht, manchmal eine sehr schwierige war.
Nach der Druckerei der Elzeviere war in Leyden die bedeutendste die von Franz Hackius, die viel für die erstgenannte druckte, und eine sehr leistungsfähige Offizin war. Um die Mitte des xvii. Jahrhunderts gab es in Leyden überhaupt 9 Druckereien mit 23 Pressen, darunter keine mit mehr als vier. In Amsterdam waren die Druckereien nicht so zahlreich, aber sehr tüchtig. Von den Blaeu hörten wir bereits. Johann Jansson, der nicht dieser Familie angehörte, druckte von 1618-1664 und war besonders als Nachdrucker bekannt. Fand ein Werk eines ausländischen oder auch eines holländischen Kollegen Beifall, so war Jansson schnell mit einem Nachdruck bei der Hand. Er hatte, wie schon erwähnt, eine Filiale in Kopenhagen und errichtete eine Druckerei in Stockholm. Nachdem Johann van Waesberge eine Tochter Janssons geheiratet hatte, fügte letzterer den Namen des Schwiegersohns dem seinigen [250] bei. Nach Janssons Tod associierte sich Waesberge erst mit seinem Schwager Elisäus Weyerstraten (1664-1667), später mit dessen Witwe. Von 1669 ab bis zu seinem Tode 1681 druckte er allein[8].
Zu den talentvollsten Nachahmern der Elzeviere gehören auch die Brüsseler Buchdrucker François Foppens (gest. 1684) und Eugène Henry Frix (gest. um 1715).
Ein sehr geschätzter Buchdrucker, Buchhändler, Kartenstecher und Geograph war P. van der Aa (gest. 1730). Sein grösstes Werk, eine Weltgalerie, umfasst 66 Bände. Die berühmte Familie Wetstein wurde schon früher erwähnt.
Nach dem Erlöschen der Familie der Elzeviere ist die der Enschedé die bekannteste, namentlich ist ihre Geschichte mit der der Schriftgiesserei in Holland auf das engste verknüpft.
Es wurde schon früher erwähnt, dass Paffroed in Deventer[9] für damalige Zeit sehr schöne nationale Schriften geliefert hatte. Von da an jedoch machte in den Niederlanden der Schnitt der gothischen Schrift nur sehr langsam Fortschritte. Dürers litterarische Arbeiten waren durch seine Reise in den Niederlanden populär und von Joh. Jansson in Amsterdam sowohl lateinisch als auch (1606) deutsch mit Frakturschrift gedruckt worden. Die Fraktur fand bei den Schriftgiessern Aufnahme und Dirk Voskens z. B. lieferte sie in 14 Graden mit den entsprechenden Schwabacher Schriften. Wahrscheinlich geschah dies mit auf Antrieb Philipps von Zesen, der sich um die Mitte des xvii. Jahrhunderts in Amsterdam aufhielt und eine Anzahl eigener und übersetzter Werke dort und in Leyden herausgab. Auch verschiedene der grossen illustrierten Reisebeschreibungen wurden mit deutscher Schrift gedruckt. Es dauerte jedoch nicht lange, so wurde sie ganz durch die Antiqua und die Schreibschriften nach französischem Duktus verdrängt.
Die Antiqua erreichte jedoch im allgemeinen nicht die Schönheit der Vorbilder. Sie ist in der Regel sehr schmal geschnitten und eng zugerichtet, hauptsächlich auf Betrieb der holländischen Nachdrucker, die viel Ware für das Geld bieten mussten. [251] Ament Tavernier in Antwerpen führte 1558 die, dem Granjon in Lyon nachgebildete Schreibschrift Civilité ein, deren sich Wilh. Sylvius zuerst bediente. Auch Plantin druckte ein Buch mit dieser Schrift, die bis in das xviii. Jahrhundert benutzt wurde. Die Ronde wurde ebenfalls als Werkschrift verwendet; daneben hielt sich die Coulé, von J. F. Rossart und J. M. Fleischmann geschnitten.
Der Stammvater der Enschedés Isaak ward 1681 in Haarlem geboren und gehörte einer in Gröningen angesessenen Buchdruckerfamilie an. Um 1703 eröffnete er eine Buchdruckerei in Haarlem und druckte 1727 im Verein mit seinem Sohne Johannes eine Bibel in Folio nach dem neuen Verfahren von van der Mey und Müller.
Ob dies Verfahren wirklich dasselbe gewesen ist, welches wir jetzt als Stereotypie bezeichnen, blieb langezeit zweifelhaft. J. van der Mey stellte zu Anfang des xviii. Jahrh. mit Unterstützung des deutschen Predigers Johann Müller in Leyden (gest. 1710), der von vielen für den eigentlichen Erfinder gehalten wird, mehrere „stereotypierte“ Werke. Die ersten Versuche haben sich wohl auf zusammengelötete Schrift beschränkt, später scheint es jedoch, als habe man eine wirkliche Stereotypie erfunden, denn unter den zu dem Caxton-Jubiläum in London 1877 ausgestellt gewesenen Gegenständen befanden sich auch vier auf Holz genagelte Platten Meys und Müllers[10]. Die Firma S. & E. Luchtmanns in Leyden, für deren ersten Inhaber Samuel Luchtmanns mehrere solche stereotypierte Werke hergestellt waren, drückt sich in einem Schreiben vom 24. Juni 1801 an A. Renouard in Paris ebensowenig wie der Baron van Weestreenen van Tiellandt in seinem, im Auftrag der niederländischen Regierung abgefassten Bericht recht klar über das Technische aus[11]. Eine Bibel in 4° und eine in Folio; ein Neues Testament englisch und eins griechisch in 18°; ein syrisches Wörterbuch wurden stereotypiert, dann ward es wieder still von der Erfindung.
[252] Isaak Enschedés Sohn Johannes fing schon als Knabe an, Schriften in Holz zu schneiden, und erwarb sich durch fortgesetzte praktische Arbeiten einen sichern Blick, der ihn zu einer Autorität in der Beurteilung xylographischer und typographischer Erstlingsdrucke machte. Sein langes Leben (er starb 1781) teilte er zwischen Wissenschaft und Praxis. Er vermehrte die schon von seinem Vater gegründete ausgezeichnete Bibliothek mit den grössten typographischen Seltenheiten. Das Ideal seines Strebens war, ein Hauptwerk über die Erfindung der Buchdruckerkunst zu schreiben, wobei seine Sammlungen ihm als Unterlage dienen sollten. Leider kam er aber damit nicht einmal so weit, wie Breitkopf mit seiner ähnlichen Arbeit, und wir haben von ihm nur eine Skizze über die Schriftgiesserei in den Niederlanden. Er entdeckte Fragmente eines Donat und eines Horariums, welches letztere von den Holländern als das erste Druckwerk Kosters mit beweglichen Typen angesehen wird. Sein Sohn Dr. Johannes Enschedé war noch mehr Gelehrter als Buchdrucker; er stand in freundschaftlichem Verkehr mit den berühmten Philologen Valckenaer und Ruhnken und vermehrte die seltene typographische Büchersammlung.
Durch die Vereinigung der wissenschaftlichen Bildung mit den praktischen Kenntnissen haben die Chefs ihrer, noch heute fortblühenden Buchdruckerei und Schriftgiesserei das eigentümliche Doppelgepräge eines Geschäfts und einer historischen Sammlung aufgedrückt. Sie stehen in dieser Hinsicht einzig in ihrer Art da, indem es hier gelungen ist, beinahe alle Originalschriften aus der Blütezeit der Buchdruckerei in Holland zu sammeln. Es bleibt unter diesen Umständen um so mehr zu bedauern, dass die prachtvolle Bibliothek im Jahre 1867 durch Versteigerung zerstreut wurde. Sie würde in Verbindung mit den seltenen Schätzen der Giesserei und der Druckerei eine würdige Vervollständigung des Plantinschen Museums abgegeben haben.
Johannes Enschedé wurde 1743 Schriftgiesser, indem er die bekannte Giesserei von Hendrik Floris Wetstein kaufte. Die Stempel für diese Giesserei hatte zumteil der berühmte Stempelschneider Johann Michael Fleischmann geschnitten, der im November 1701 geboren war und am 11. Mai 1768 in Amsterdam starb. Fleischmann fuhr fort, für Enschedés Geschäft zu schneiden, das ausserdem durch [253] die wertvollen Arbeiten Johann Franz Rossarts, geb. zu Namur 1714, gest. zu Brüssel am 26. Mai 1777, vermehrt wurde. Während das Geschäft in dieser Weise durch die besten Künstler der Zeit bereichert wurde, erhielt es seinen historischen Wert durch Erwerbung einer bedeutenden Anzahl älterer Schriftgiessereien ersten und zweiten Ranges. So wurde die Giesserei der Blaeu annektiert, welche am 21. April 1677 in die Hände des Schriftschneiders Dirk Voskens übergegangen war. Das Geschäft Voskens wurde von dem Sohne Bartholomäus übernommen, später unter der Firma Witwe Voskens & Sohn, nachher als Clerk & Voskens fortgeführt und 1780 von Enschedé erworben. Wie die Erwerbung der Elzevierschen Schriftgiesserei durch Enschedé geschah, ist bereits (S. 247) erzählt.
Leider gab es eine Zeit, wo man nicht, wie heute, diese Schätze genügend würdigte, und zu Anfang unseres Jahrhunderts wanderte eine grosse Masse von Stempeln unter das alte Eisen und die wertvollen Matern in die Schmelztiegel, so dass von vielen Schriften nur ein Minimal-Quantum übrig geblieben ist, allenfalls gross genug, um damit einige kleine Wiederabdrücke für den Liebhaber herstellen zu können. Um so mehr muss man den Enschedés dankbar sein, dass sie Abdrücke dieser Schätze, nachdem sie schon mehrere ähnliche Proben gedruckt hatten, in einem „Specimen de caractères typographiques anciens, qui se trouvent dans la collection typographique de Joh. Enschedé et fils, imprimeurs à Harlem“ vereinigten[12], denn diese Probe enthält nur solche Schriften, von welchen die Stempel und Matern nicht mehr existieren, sie führt uns somit die ältere Geschichte der Schriftgiesserei in Holland vor Augen und wir müssen deshalb bei ihr verweilen. Den Anfang machen die grossen Kapitalbuchstaben, überschrieben chalcographia sive typi aenei et matrices plumbeæ. Diese Schriften rühren aus der Zeit Albrecht Dürers her und tragen die Spuren seines Einflusses: die Stempel waren aus Kupfer, die Matrizen aus Blei, wie in der ersten Zeit der Buchdruckerkunst. Auf 12 Grade Antiqua-Versal, 8 Grade Cursiv, 12 Grade schattierte und verzierte Antiqua und 3 Grade schattierte Cursiv folgen die Antiqua- und Cursiv-Buchschriften in [254] breiterem und schmälerem Schnitt, von der groben Canon bis abwärts zur Non plus ultra.
Darauf folgen die berühmten holländisch-gothischen Schriften (Flamand), ebenfalls von der groben Canon bis Non plus ultra, in einer Reinheit des Schnittes und einer Schärfe des Gusses, als wären sie heute aus den Händen des Schriftschneiders und des Giessers gekommen.
Was von den gothischen Schriften gilt, lässt sich auch auf die Fleischmannschen Musiknoten anwenden, welche Veranlassung zu einer heftigen Polemik mit Breitkopf gaben. Höchst interessant ist eine Reihe von zwanzig Schreibschriften (Coulé), unter ihnen die von Fleischmann, „den grootsten en konstigsten Letter-Stempelschnyder, die 'er ooit in de Wæreld geweest is, en mogelyk komen zal“, welche er 1768 vollendete. Dann folgt die merkwürdige, sehr sauber und korrekt ausgeführte Civilité, die ihren Namen von einem im 15. Jahrhundert in Paris erschienenen Büchlein: „La civilité puérile et honnête“ hat. Nach diesen schönen, im besten Stil ausgeführten Schriften bildet allerdings die Ecriture Allemande keinen besonders günstigen Schluss, so wenig wie eine sehr magere, abscheulich geschnittene Cicero Allemande, die einzige Frakturschrift in der Probe, einen schönen Übergang zu zwei alten gothischen Schriften, die zwischen 1470-1480 geschnitten sind.
ENGLAND. NORDAMERIKA.
Das allmähliche Wachstum der englischen Presse. Wynkyn de Worde, Richard Pynson, Reynold Wolfe, John Day, Th. Vautrollier, Th. Roycrofft, Sam. Palmer, Sam. Richardson. Oxford, Cambridge. Die schottische und die irische Presse. Die Stereotypie und Will. Ged. Das Zeitungswesen. Die Schriftgiesserei.
NORDAMERIKA. Kleine Anfänge der Presse. John Glover, James Franklin, Benjamin Franklin. Die deutschen Einwanderer und ihre Presse. Christoph Sauer und seine Nachkommen.
[255] DIE englische Presse, welche später einer Freiheit geniessen und eine Macht erlangen sollte, um welche der Kontinent das Inselland beneiden musste, hatte in ihrem Beginn schwere Kämpfe zu bestehen. Bevormundung mancherlei Art und Privilegien spielen eine grosse Rolle in der englischen Buchdrucker-Geschichte. So lange der erste Buchdrucker Caxton noch ohne Rivalen dastand, waren keine Privilegien notwendig, als aber die Zahl der Buchdrucker wuchs, entstand auch der Wunsch eines Schutzes. Schon 1504 wird William Fawkes als regius impressor genannt, d. h. als berechtigt alle Regierungsarbeiten herauszugeben. Das erste ausschliessliche Privilegium für den Druck eines Buches wurde an Richard Pynson 1518 erteilt, später mit solchen sehr freigebig umgegangen. In diesen Privilegien finden sich auch die ersten Spuren der Anerkennung eines geistigen Eigentumsrechtes, wennauch mehr in dem materiellen Interesse des Verlegers als dem des Autors. Die Privilegien [256] gewährten nicht allein Schutz, sie waren auch eine Art von Empfehlung.
Der Druck „vieler ketzerischer und aufrührerischer“ Bücher war unter der Regierung der Königin Maria Veranlassung, dass die Buchdrucker, die, wie in Deutschland, zugleich Buchführer waren, 1556 in der Genossenschaft Stationers' company vereinigt wurden. Eigentlich handelte es sich nicht um ein neues Institut, denn schon 1403 bestand eine Vereinigung von Abschreibern, Rubrikatoren, Briefmalern, Papiermachern und Manuskriptenhändlern. Die Vorsteher waren für die einzelnen Mitglieder verantwortlich und nur solche durften Bücher drucken. Einige Jahre nachher wurde verfügt, dass jeder, der ein Buch druckte, es in das Register des Vereins eintragen lassen müsse, was ihn gegen den Nachdruck seitens anderer Mitglieder schützte.
Daneben blieben aber königliche Privilegien fortbestehen, die vielfach an Personen ausserhalb des Vereins erteilt und dann für grosse Summen an Mitglieder zur Ausnutzung verpachtet wurden. 1559 verordnete die Königin Elisabeth sogar, dass kein Buch ohne besondere Erlaubnis von ihr oder den von ihr dazu bevollmächtigten Personen erscheinen durfte. Dies wurde jedoch nicht allgemein befolgt, weshalb 1566 Konfiskation, Konzessionsentziehung, Gefängnisstrafen und Bürgschaftsscheine, kurz der ganze Apparat der Presspolizei-Massregeln eingeführt wurde, welchen man in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts in Deutschland so gut zu kopieren verstand. Da aber die Beschwerden immer noch nicht aufhörten, wurde bestimmt, dass mit Ausnahme der Universitätspressen in Oxford und Cambridge nur in London gedruckt werden dürfte. Unter Karl i. wurden auf Antrieb des Erzbischofs Laud 1637 sehr scharfe Verordnungen gegen den Buchhandel und die Presse erlassen und die Zahl der Londoner Buchdrucker auf 20 beschränkt, die der Schriftgiessereien auf 4. Dieselben durften nur je zwei Lehrlinge halten und waren solidarisch verpflichtet, alle Gehülfen zu beschäftigen, denn kein Gehülfe durfte feiern. Nur zu dem Abbrechen der Buchstaben war es gestattet, nicht gelernte Arbeiter zu nehmen.
In den Druckereien bildete das Personal eine sogenannte Kapelle und der älteste Gehülfe war der Vater der Kapelle. Eine [257] Hauptaufgabe derselben war, durch Strafbestimmungen der Kasse vielen Stoff zuzuführen, so war es z. B. strafbar, seinen Winkelhaken fallen, oder drei oder mehr Buchstaben auf der Erde liegen zu lassen u. dgl. m. Die Strafen wechselten von 1-12 Pence; wer widerspenstig war, wurde über den Korrigiertisch gelegt und bekam zehn Pfund und einen Beutel dazu, d. i. elf Schläge auf einen gewissen Teil des Körpers. Jeder Neueintretende musste sein Bienvenue zahlen. Ein sehr beliebtes Spiel war das Raffeln mit Gevierten. Der, welcher die meisten Signaturen nach oben warf, war der Gewinner. Jedes Jahr wurden neue Papierfenster eingesetzt, da musste der Prinzipal eine Stoppelgans mit den nötigen Flüssigkeiten zum besten geben, bei welcher Gelegenheit man zugleich die mit der Druckerei Verkehrenden, mit Ausnahme der Korrektoren, brandschatzte. Die Setzer nannte man nach den Satzschiffen (galleys) Galeerensklaven.
Die Versuche, während der Republik die Bücher dem freien Verkehr zu übergeben, blieben fruchtlos. 1643 erliess das Parlament eine Akte zur Unterdrückung der Missbräuche und Unordnungen. Dem Nachdruck trat man zwar entgegen, sogar der Buchbinder wurde durch das Binden von Nachdrucken strafbar, dagegen beschränkte man die Presse durch neue Edikte weiter und das Erscheinen der Bücher ward von einem vorherigen Erlaubnisschein (license) abhängig gemacht, was Milton zu seiner berühmten Rede für die Pressfreiheit Veranlassung gab.
Die Wiedereinführung des Königtums hatte auch keine grössere Freiheit im Gefolge und es kam noch 1663 die Anordnung dazu, drei Exemplare jedes gedruckten Werkes an die Bibliotheken abzuliefern. Erst 1694 wurden die letzten Restriktivmassregeln gegen die Presse aufgehoben und von dieser Zeit ab kann man England als im Besitz einer freien Presse betrachten.
Mit dem ersten Viertel des xviii. Jahrhunderts hatte London 75 Buchdruckereien, die Provinzen deren 28. In London erschienen an Zeitungen 3 täglich, 10 dreimal die Woche, 5 einmal wöchentlich. Der Zeitungsstempel wurde 1712 eingeführt.
Mit der Anerkennung des geistigen Eigentums war es auch schlecht genug bestellt, und das Verlagsrecht wurde eigentlich als ein dem König gehörendes betrachtet. Erst 1709 wurde das [258] Autorrecht auf vierzehn Jahre garantiert und, wenn der Autor beim Ablauf dieser Frist am Leben war, auf noch weitere vierzehn Jahre.
Unter den Ausübern der Buchdruckerkunst in England befanden sich zwar manche tüchtige Männer und die Kunst machte auch nach ihrer Einführung durch Caxton rasche Fortschritte; aber von solchen hervorragenden Familien, wie wir sie in Italien, Frankreich und Holland kennen gelernt haben, deren Mitglieder gleich bedeutend als Gelehrte und Kunstjünger waren, hören wir ebensowenig wie von solchen zeichnenden Künstlern ersten Ranges, wie die, welche eine Reihe von xylographisch-typographischen Kunstwerken in Deutschland schufen. Die Vorzüge der Engländer als Buchdrucker treten erst in der spätern Periode der Kunst, wo die Mechanik eine hervorragende Stelle einnimmt und die Buchdruckerei sich mehr dem Fabrikbetrieb nähert, in helles Licht.
Unter den mit Caxton nach England gekommenen Buchdruckern zeichnen sich namentlich Wynkyn de Worde und Richard Pynson aus.
Wynkyn de Worde war in Lothringen geboren und ward Mitarbeiter und Nachfolger Caxtons, den er als Drucker bedeutend übertrifft. Er vollendete in dem Caxtonschen Lokal mehrere, von diesem unvollendet hinterlassene Werke, unter welchen die Canterbury tales. Später, wahrscheinlich 1499, bezog er die „Goldene Sonne“ in St. Bride, wo er eine grosse Anzahl, über 400, sehr sorgsam ausgestatteter Werke aus allen Fächern, namentlich jedoch grammatikalischen Inhalts, ausführte. Seine Typen sind ganz verschieden von den bis dahin verwendeten und zeichnen sich durch Schönheit des Gusses und vorzügliche Zurichtung aus. Wahrscheinlich war Wynkyn de Worde selbst Schriftgiesser, wenigstens deutet der Umstand, dass seine Schriften sich in den Werken anderer Druckereien häufig vorfinden, darauf hin. Selbst, wenn es nicht der Fall wäre, verdient Wynkyn de Worde als einer der bedeutendsten Typographen seiner Zeit geschätzt zu werden. Ob er oder Pynson die Antiqua zuerst in England verwendete, lässt sich nicht bestimmt entscheiden. Eins seiner schönsten Bücher ist der Polychronikon in Folio, aus d. J. 1495. Er starb hochbetagt 1534, wennauch eine Ausgabe von „Esop“ aus dem Jahre 1535 noch [259] seinen Namen trägt. In seinem Druckerzeichen verband er das Monogramm Caxtons mit dem eigenen Namen. Mit seinem früheren Kollegen bei Caxton, jetzigem Rival, Pynson, verblieb er in dem besten Vernehmen.
Richard Pynson stammt wahrscheinlich aus der Normandie. Er stand sehr in Gunst bei Hofe und wurde von Heinrich viii. zum Hofbuchdrucker ernannt. Mehr als 200 Werke gingen aus seinen Pressen hervor, sie waren hauptsächlich mit einer, mutmasslich aus Frankreich bezogenen Art semigothischer Schrift gedruckt, und reicher illustriert, als die Druckwerke seiner Vorgänger und Zeitgenossen. Er starb um das Jahr 1529.
Julian Notary druckte 1498 zusammen mit Jean Barbier, einem Franzosen und einem der vorzüglichsten Typographen damaliger Zeit. Man kennt aus ihren Pressen 23 Druckwerke.
Ein Mann von hervorragender Bedeutung ist Richard Grafton, der wahrscheinlich während der letzten Lebensjahre Heinrichs viii. geboren ward und bis in die Regierungszeit der Königin Elisabeth lebte. Grafton war nicht allein ein bedeutender Geschäftsmann, sondern auch ein tüchtiger Autor und angesehener Bürger, der mit den Notabilitäten der Wissenschaft und des Adels in regem Verkehr stand. Sein Name ist besonders eng mit der Geschichte der Verbreitung der heiligen Schrift in England verknüpft, welcher hier, wie beinahe überall, viele Schwierigkeiten in den Weg gelegt wurden, deren Ueberwindung oft mit wesentlicher Gefahr für Gut und Leben verbunden war. „Wir müssen die Buchdruckerkunst ausrotten oder sie wird uns ausrotten“, hatte ein bekannter englischer Geistlicher geäussert, und sein Ausspruch hatte lebhaften Anklang gefunden. Unter solchen Verhältnissen konnte es William Tyndale, ein Engländer, der nach Antwerpen gegangen war, nur im Auslande wagen, zuerst das Neue Testament und dann einen Teil des Alten zu übersetzen und zum Druck zu geben. Die Übersetzung, bei der ihn John Fryth und Joseph Roye unterstützten, ist ein Ergebnis der Energie und des Ernstes, welche die Reformatoren beseelten, und blieb eine Grundlage für alle späteren englischen Bibelbearbeitungen. Das Neue Testament wurde 1526 bei Quentell in Köln, das Alte von Hanns Lufft gedruckt. Der gegen diese Übersetzung in England begonnene Vernichtungskrieg wurde so [260] gründlich durchgeführt, dass von 3000 Exemplaren nur eins, zudem ein defektes, auf uns gekommen ist. Tyndale beabsichtigte nun eine zweite Ausgabe des Neuen Testaments bei Martin Kayser in Antwerpen zu drucken. Aber auch auf fremdem Boden ereilte die Rache den Urheber. Kaiser Karl v. liess sich bestimmen, Tyndales Gefangennehmung und Auslieferung anzuordnen; nach achtzehnmonatlicher Einkerkerung wurde er gehängt und sein Leichnam verbrannt. Fryth kam 1533 in Smithfield auf den Scheiterhaufen, Roye erlitt dasselbe Schicksal in Portugal. Die Holländer druckten die Tyndalesche Übersetzung in grossen Massen nach.
Zwar änderte Heinrich viii., wenn nicht seine Gesinnung, so doch seine Haltung, nachdem Erzbischof Cranmer die Lösung des Bandes, welches ihn an Katharina von Aragonien fesselte, ermöglicht hatte; nichtsdestoweniger wagte man es aber doch noch nicht, eine Bibelübersetzung in England zu drucken. In dem Jahre 1535 erschien die von Myles Coverdale revidierte und vervollständigte Übersetzung Tyndales, jedoch in der Schweiz (ohne Angabe des Druckers Christoph Froschauer in Zürich), da man sich nicht der Verfolgungen enthoben glaubte, soweit die Macht Kaiser Karls v. reichte. Die nach derselben bearbeitete Matthews-Bibel erschien 1517 ebenfalls im Auslande, wahrscheinlich in Deutschland. 1538 bis 1539 liess Grafton in Verbindung mit Edward Whitchurch eine Bibel in Paris drucken, die aber in 2500 Exemplaren nebst den Pressen von der Regierung Franz i. mit Beschlag belegt wurde. Whitchurch, früher ein angesehener Kaufmann und Abgesandter Heinrichs viii. in Deutschland, heiratete später nach der Hinrichtung des Bischofs Cranmer (1656) dessen Witwe.
Das Hauptbibelwerk, welches Grafton selbst druckte, bleibt aber die 1539-1541 erschienene Prachtausgabe, bekannt als die Cranmer- oder die Grosse Bibel. Die Type dieser Bibel, von der man sieben oder acht Ausgaben hat, ist eine schöne gothische; das Titelblatt wird Holbein zugeschrieben. Der Erzbischof Cranmer und Thomas Cromwell, Lord Essex, interessierten sich besonders dafür. Grafton musste es indes erleben, dass seine beiden Gönner durch Henkershand umkamen. Grafton druckte auch das erste autorisierte Gebetbuch nach dem protestantischen Ritus. Eines seiner schönsten Werke ist Edw. Halles Chronicle.
[261] In ernste Verwickelungen kam Grafton, als er in seiner Eigenschaft als königlicher Buchdrucker nach Eduards vi. Tode die Proklamation Jane Grays als Königin druckte. Ihr Königtum dauerte bekanntlich nur 9 Tage und nach der Einsetzung der Königin Maria wurde Grafton gefänglich eingezogen, kam jedoch mit sechswöchentlichem Gefängnis, Einbusse von ihm noch zuständigen 300 £ und Verlust seines Amtes als Hofbuchdrucker davon. Er starb um 1572.
Von englischen Bibeln damaliger Zeit sind ausser den genannten zu erwähnen die John Bydells, eigentlich nur eine verbesserte Ausgabe der Matthewschen, und die „Bischofsbibel“ aus 1568, auch „Leda-Bibel“ genannt, weil die Briefe an die Hebräer als Kopfvignette eine Darstellung der Verbindung Jupiters mit der Leda zur Schau tragen.
Im Jahre 1604 wurden grosse Anstrengungen gemacht, um eine neue tüchtige Bibelübersetzung zu bewerkstelligen. Ein Edikt Jakobs i. stellte die Ernennung einer Kommission von 54 gelehrten Männern fest, welche, in 6 Sektionen geteilt, die Übersetzung besorgen und sich gegenseitig in der Arbeit kontrollieren sollten. Das Werk wurde 1611 durch George Baker fertiggestellt.
Teuer sollte diesem und George Lucas ein Druckfehler, die Weglassung des Wortes „nicht“ aus dem vii. Gebot, in einer von ihnen 1632 gedruckten Bibel zu stehen kommen. Die Auflage wurde konfisciert und die Drucker zu einer Busse von 3000 £ verurteilt. Dieses Geld wurde nach Bestimmung des Königs Karl i. grossenteils zum Ankauf von griechischen Matern und Typen verwendet, welche den königl. Buchdruckern zur Benutzung überlassen werden sollten, die dagegen jährlich wenigstens ein griechisches Buch auf ihre Kosten zu drucken hatten.
Durch seine schlecht gedruckten Bibeln zeichnete John Field sich aus (um 1650). Es wurde ihm sogar nachgesagt, er habe sich von den Independenten bestechen lassen, eine Stelle nach ihren Ansichten zu fälschen. In einer seiner Bibelausgaben sind 3600 Fehler nachgewiesen, man sagt sogar, die Zahl sei eine noch viel höhere.
Eine in der englischen Bibeldruckgeschichte epochemachende Erscheinung ist die von Thomas Roycrofft (geb. 1718) gedruckte Waltonsche Polyglottbibel in sechs Foliobänden, in welchen neun Sprachen repräsentiert sind. Der erste Band erschien 1654, der [262] letzte 1657; es war das erste Werk, welches in England auf Subskription erschien. Das Exemplar wurde zu 10 Pfund Sterl. geliefert und man sammelte bereits in zwei Monaten 900 Subskribenten. Sowohl Cromwell als Karl ii. unterstützten das Unternehmen und Cromwell gewährte Steuerfreiheit für das Papier. Als nach Cromwells Tode König Karl ii. an die Regierung gekommen war, liess Walton einige Dedikationsblätter, auf welchen er sich dankend gegen Cromwell ausgesprochen hatte, durch andere, dem König schmeichelhafte ersetzen, weshalb man von zwei Ausgaben, der republikanischen und der loyalen, spricht.
Als ein Appendix ist ein anderes grossartiges, durch Roycrofft gedrucktes Werk, das Lexicon Heptaglotton des Dr. E. Castell, 2 Bände in Folio 1669, zu betrachten. Der Verfasser setzte leider dabei nicht allein sein Vermögen von 12000 Pfund Sterl. zu, sondern stürzte sich auch noch in Schulden. Siebzehn Jahre hatte er täglich 16-18 Stunden daran gearbeitet und er musste ausserdem noch vierzehn Hülfsarbeiter, die sämtlich während des Druckes starben, in seinem Hause unterhalten. An diese beiden Unternehmungen schliessen sich die 1660 in 9 Foliobänden erschienenen: Critici sacri gedruckt von Cornelius Bee als verwandtes drittes.
Sehr in Gunst am Hofe Heinrichs viii. stand der Deutsche oder Schweizer Reynold Wolfe (gest. 1574). Er war der erste Buchdrucker, der ein Patent erhielt, um lateinisch, griechisch und hebräisch zu drucken, und wurde überhaupt durch die vorteilhaftesten Privilegien begünstigt. Er druckte fast alle Schriften des Erzbischofs Cranmer.
Als ein sehr tüchtiger Mann zeigte sich John Day. Er war in Suffolk geboren und hatte ein Geschäft von grosser Ausdehnung, das er während der Jahre 1544-1583 betrieb; doch setzte er seine Wirksamkeit, wie Grafton und Whitchurch die ihrige, während der Regierung der Königin Marie aus und gab sich in dieser Zeit mit Verbesserungen und Erfindungen ab. Seine schönen Schriften verschafften ihm den Namen des englischen Plantin und er brachte die Antiqua- und Cursivtype zu einer solchen Vollkommenheit, dass von nun ab die gothische Schrift (Black letters) so gut wie verschwand; auch die griechische Schrift vervollkommnete er und liess angelsächsische Typen schneiden. Von seinen Druckwerken nennen [263] wir Cosmographical glasse (1559), mit seiner schönen Cursiv gedruckt und reich illustriert. Besonders geschätzt ist sein Queen Elizabeth's Prayerbook, eins der wenigen englischen Bücher, die in der Ausführung sich mit den französischen livres d'heures messen können. Als sein Hauptwerk gilt Fox's book of martyrs mit sehr guten Illustrationen. Day starb, reich an Jahren und Ehren, 1583. Er war zweimal verheiratet und hatte mit jeder seiner Frauen 13 Kinder.
Mit Ruhm verdient noch Thomas Vautrollier (1574-1588) aus Paris oder Rouen genannt zu werden, vorzüglich wegen seiner Ausgaben der Werke des 1600 in Rom verbrannten Giordano Bruno. Um Verfolgungen deshalb zu entgehen, zog er eine zeitlang nach Edinburgh, wo er vieles dazu beitrug, die dortige Buchdruckerkunst auf eine höhere Stufe zu bringen. Man kennt von ihm 78 Werke.
Mit Dank zu erwähnen, wennauch nicht auf Grund seiner typographischen Leistungen, die sehr primitiver Natur waren, ist Thomas Guy (gest. 1724). Mit der Universität Oxford schloss er einen Vertrag ab, nach welchem er den Druck der heiligen Schriften in die Hand nahm. Hierdurch und durch Spekulationen, die jedoch zu den nicht allzu gut angeschriebenen gehörten, verdiente er ein kolossales Vermögen, von dem er aber für sich keinen Gebrauch machte, indem er im Gegenteil ärmlich und unverheiratet lebte. Mit einem Aufwand von einer viertel Million Pfund liess er das nach ihm genannte Hospital in London erbauen und machte ausserdem zu wohlthätigen und gemeinnützigen Zwecken grosse Schenkungen.
Bekannt durch die nach ihm benannte History of printing war Samuel Palmer (gest. 1732). Dieses Werk rührt jedoch nicht von Palmer selbst her; der eigentliche Verfasser hiess Palmanazar, und der zweite, praktische Teil, der noch folgen sollte, musste aufgegeben werden, weil seitens der Kollegen und der Schriftgiesser sich ein wahrer Sturm der Entrüstung gegen die durch ein solches Lehrbuch vermeintlich entstehende Schädigung des Gewerbes und Entwürdigung der Kunst erhob.
Im Jahre 1741 starb John Barber, der erste Buchdrucker Londons, der die Würde eines Lord Mayors bekleidete. Er stand in naher Berührung mit bedeutenden Männern seiner Zeit wie Lord Bolingbroke, Swift, Pope und anderen.
[264] Bekannt als Schriftsteller, Buchhändler und Buchdrucker ist Samuel Richardson, der berühmte Verfasser der Romane „Pamela“, „Clarissa Harlowe“, „Grandison“ und anderer Werke. Er war 1689 als Sohn eines respektablen Tischlers geboren. Obwohl er nur eine ganz gewöhnliche Erziehung genossen hatte, gab er bald Beweise seines ausserordentlichen Talentes. In seinem fünfzehnten Lebensjahre entschied er sich aus Neigung für den Buchdruckerberuf. Nach sieben schweren Lehrjahren arbeitete er sechs Jahre als Gesell und Korrektor, worauf er selbst ein Geschäft anfing, in welchem er sich durch seine Pünktlichkeit und Ordnungsliebe bald Vertrauen erwarb. Er druckte unter anderen die ersten 26 Foliobände des Journals des Unterhauses. Richardson starb nach längeren Leiden, 72 Jahre alt, am 4. Juli 1761, nachdem ihm sechs Söhne im Tode vorausgegangen waren.
In OXFORD wurde die Buchdruckerei 1478 durch Theodor Rood aus Köln und Thomas Hunt eingeführt. Von 1486 bis 1585 ist eine vollständige Lücke in der Druckgeschichte Oxfords mit Ausnahme der Jahre 1517-1519. Nach der Begründung des Sheldonian theatre im Jahre 1669 wurden hier durch 50 Jahre viele vortreffliche Werke gedruckt und erst 1759 verschwindet die Bezeichnung e theatro Sheldoniano. Die später so berühmte sogenannte Clarendon Press trat 1713 in Wirksamkeit. Der Sohn Lord Clarendons hatte das Manuskript seines Vaters zu der Geschichte der englischen Revolution der Universität geschenkt und mit dem Erlös aus den gedruckten Exemplaren wurde die Druckerei, aus welcher eine grosse Anzahl wertvoller Werke hervorgegangen ist, gegründet. Um die Beschaffung von orientalischen und anderen Typen machte sich namentlich der Bischof Fell verdient. Im Jahre 1672 wurden 4000 £ zum Ankauf von Typen in Holland, Frankreich und England bestimmt, da derzeit keine Schriftgiesserei in England im Gange war. Eine solche erhielt Oxford 1677. Die Universitätsbuchdruckereien in Oxford und Cambridge erwarben auch das Alleinrecht auf den Druck der heiligen Schriften und der englischen liturgischen Bücher. In CAMBRIDGE wurde die erste Presse um 1520 durch Joh. Siberch, einen Freund des Erasmus, errichtet. In YORK druckte Hewe Goes aus Antwerpen, 1509 bis 1516, in welchem letzteren Jahre er nach London übersiedelte.
[265] Nach SCHOTTLAND kam die Kunst 1507 durch Walter Chepman, der Kaufmann war und sich mit einem Praktiker Andreas Myllar verband. Nach Chepman ruhte die Pressthätigkeit Schottlands fast 30 Jahre lang. Erst im Jahre 1576 wurde die heilige Schrift von Thomas Bassandyne gedruckt; selbst in diesem Jahre besass Schottland weder griechische noch hebräische Schriften. Während der Bürgerkriege suchte jede Partei, welche die Macht hatte, hier wie in England die Presse auf jede mögliche Weise zu knechten. 1648 wurde sogar unter Androhung der Todesstrafe verboten, ohne Erlaubnis des Committee of Estates etwas zu drucken. 1661 erschien die erste Zeitung: Mercurius Caledonicus.
1671 erhielt Andreas Andersen, in Vertretung auch anderer Buchdruckereien Edinburghs, soweit gehende Privilegien, dass kein Buch ohne Andersens Erlaubnisschein gedruckt werden konnte. Später trat jedoch eine Beschränkung des Privilegs auf Parlamentsakte und heilige Schriften, so wie auf 41 Jahre ein. Andersen selbst druckte das Neue Testament so fehlervoll, dass es verboten wurde. Mit James Watson, der sich 1695 in Edinburgh etablierte, lag er in fortwährendem Hader, da Watson, Andersens Privilegium zum Trotz, druckte was er Lust hatte, bis ihm die Königin Anna durch ein Patent 1711 das Recht zum Drucken erteilte. Er veröffentlichte nun eine Reihe tüchtiger und sehr gut ausgestatteter Werke, von welchen ein Neues Testament aus d. J. 1715 von „unvergleichlicher Schönheit“ war.
Eine besondere Wichtigkeit hat Schottland als die vermeintliche Wiege der Stereotypie. Bei der weiteren Verbreitung der Buchdruckerkunst konnte es nicht fehlen, dass der Wunsch rege ward, teuere Satzwerke aufheben zu können, um nach Bedürfnis Exemplare zu drucken, ohne dass es nötig war, entweder grosse Kapitalien in Papier und Druck zu stecken, oder auch sich neue Satzkosten zu bereiten. Man konnte sich nicht verhehlen, dass die alten Bilderdrucker mit ihren Platten in dieser Beziehung einen Vorsprung gehabt hatten. Der Gedanke lag zwar nahe, die Schriftformen aufzuheben, aber erstens war das Verfahren bei umfangreicheren Arbeiten kostspielig, und ausserdem unsicher, da in dem beweglichen Satz leicht Fehler vorkommen konnten. Letzterer Umstand liess sich allenfalls beseitigen, indem man die Fussseiten der Buchstaben zusammenlötete, [266] dadurch ging die Schrift aber für jeden anderen Zweck verloren. Wir haben bereits die Versuche van der Meys und Joh. Müllers kennen gelernt.
Die Priorität der Erfindung der Stereotypie, in dem Sinne wie wir jetzt von dieser sprechen, wird fast allgemein dem Schottländer William Ged zugeschrieben. Dieser, ein Goldschmied in Edinburgh, kam gegen das Jahr 1725 auf den Gedanken der Stereotypie. Mittellos, verband er sich mit einem wohlhabenden Mann, der jedoch misstrauisch gegen die Sache wurde und die nötigen Mittel herzugeben sich weigerte. Ged ging nun 1729 nach London und einigte sich mit einem gewissen Fenner und den Schriftgiessern James. Nach ihrem Verfahren wurde der Satz mit einer Gipsmasse übergossen und die Matrize in Schriftzeug abgegossen. Ged erhielt von der Universität Cambridge das Privilegium zum Druck einer Bibel und mehrerer Gebetbücher. Die Platten wurden jedoch auf Grund der grossen Masse von Fehlern, die durch Chicane entstanden sein sollen, unterdrückt. Ruiniert kam Ged wieder nach Edinburgh zurück. Doch gelang es ihm noch, im Verein mit einem dortigen Buchdrucker eine Ausgabe des Sallust (1739, 150 Seiten in 12°, mit Petit gesetzt) herzustellen, die sich jedoch keineswegs auszeichnete. Ged starb 1749. Das Prinzip, mag nun die erste Ausführung Ged, Valeire, van der Mey oder Müller gehören, sollte sich erst später nach den Verbesserungen durch Lord Stanhope für die Praxis vollständig bewähren.
Bedeutende Buchdrucker waren Andreas Foulis († 1774) und Robert Foulis († 1776) in Glasgow, letzterer druckte mehrere vorzügliche Ausgaben von Klassikern, bekannt ist namentlich die 1744 erschienene fehlerfreie Ausgabe des Horaz. Die erste Schriftgiesserei Schottlands errichtete Alex. Wilson und Bain 1742 in St. Andrews. Bei ihrer zunehmenden Geschäftsverbindung mit Irland und Amerika zogen sie nach Gamalachie, einem Dorfe bei Glasgow.
In IRLAND wurde erst 1551 durch Humfrey Powell gedruckt und es dauerte lange, ehe die Kunst hier einigermassen heimisch wurde. Irische Typen wurden 1571 eingeführt und mit solchen ein Katechismus durch Joh. Kerney gedruckt. Noch bis zum Beginn des xviii. Jahrh. wurden beinahe alle bedeutenden Werke ausser [267] Landes hergestellt. Später entstand in dem irländischen Nachdruck dem englischen Buchhandel ein böser Feind.
Das in England jetzt in einer so grossartigen Weise entwickelte Zeitungswesen hatte in seinen schwachen Anfängen manchen schweren Kampf zu bestehen[1].
Zur Zeit des Auslaufens der spanischen Armada (1588) fühlte die Königin Elisabeth das Bedürfnis, durch Mitteilungen über den genauen Stand der Sachen dahin zu wirken, dass die Besorgnisse betreffs der wirklichen Gefahren nicht durch unnötige Furcht vor nicht vorhandenen vermehrt würden. Sie ordnete deshalb das Erscheinen von The english Mercurie published by Autoritie an. Es erschienen hiervon 54 Nummern. An Nachfolgern, unter den Titeln Mercurius, Gazette, Diurnal etc., fehlte es nicht. Darunter waren Certain news of the present week, wahrscheinlich das erste politische Wochenblatt, Imperial and spanish news, das zweite.
Von den periodischen Erscheinungen, die auch auf Belehrung und Unterhaltung des Publikums berechnet waren, hatten namentlich der von 1709 ab dreimal wöchentlich erscheinende Tatler (der Plauderer) herausgegeben von Rich. Steele, als Pseudonym Isaac Bickerstaff, und J. Addisons, 1711 begonnener, Spectator (Zuschauer) einen bedeutenden Leserkreis und grossen Einfluss. Ein Schlag für diese Blätter und die ganze periodische Presse war der 1712 eingeführte Stempel von einem halben Penny für Blätter von einem halben Bogen, von einem Penny für jeden Bogen. Hierdurch wurde der Preis von manchem Blatt verdoppelt, wodurch die Abnehmerzahl sich verminderte, was wieder zu weiteren Preiserhöhungen nötigte. Der Spectator war das einzige Blatt, das, ohne an Verbreitung einzubüssen, den Preis hatte verdoppeln können. 1731 begann das bis auf den heutigen Tag beliebte: The gentlemans Magazine. Von allen konkurrierenden Blättern hatte nur das London Magazine, von einem Consortium Londoner Buchhändler kräftigst begonnen, eine grosse Verbreitung (10000 Expl.) und einen längeren Bestand.
Der Prototyp aller Konversations- und Fachlexika war das 1719 erscheinende Dictionary of arts and science. Unter den Werken, die [268] dem Buchhandel und den Buchdruckereien grossen Verdienst bereiteten, ist Dan. Defoes († 1731) Robinson Crusoe, das, abgesehen von den vielen Nachahmungen, in der ursprünglichen Gestalt, 41 Auflagen erlebte. Bunyans: The pilgrim's progress wurde fortwährend neu gedruckt. Shakespeare war noch nicht populär; die erste gesammelte Ausgabe seiner Bühnenstücke erschien, von zwei Schauspielern herausgegeben, 1623, in fol. Bis 1664 gab es von seinen Werken nur zwei Ausgaben, zusammen in kaum mehr als 1000 Exemplaren gedruckt. 1676 erschien General Catalogue of books 1666-1676, von Rob. Clavel, nach Fächern zusammengestellt und bis 1700 fortgesetzt.
Dass die englische Buchdruckerei nicht ohne eine entsprechende Entwickelung der Schriftgiesserei zur Blüte hatte gelangen können, ist selbstverständlich. Die Zahl der Schriftgiessereien, die, wie erwähnt, anfänglich auf vier beschränkt war, ist bis heute eine verhältnismässig kleine geblieben. Von Bedeutung war Thomas James. Im Jahre 1710 kaufte er Matrizen in Holland und gründete nach seiner Rückkehr eine Giesserei. In Verbindung mit Ged hatte er auch in der Stereotypie experimentiert, was ihm direkt und indirekt Schaden brachte, denn seine Kunden, die Buchdrucker, betrachteten das Verfahren mit scheelen Augen als ein ihnen nachteiliges. Nach dem Tode von Thomas James (1736) vereinigte der Sohn John mehrere ältere Giessereien mit der seinigen und gelangte dadurch in Besitz einer grösseren Anzahl von Matrizen von der Zeit Wynkyn de Wordes bis auf die seine. Später erwarb Rowe Mores (geb. 1730) das Geschäft. Er ist bekannt als Verfasser eines Werkes über Schriftgiesserei und starb 1778 in unglücklicher Lage.
Der bedeutendste der englischen Schriftgiesser war William Caslon, der England erst von dem Kontinent unabhängig machte. Er war in Cradley, Shropshire, geboren, arbeitete für Büchsenmacher als Graveur und bewies als solcher durch Ornamente seine Geschicklichkeit. Gelegentlich fertigte er auch für Buchbinder Stempel. Einige derselben kamen dem Buchdrucker John Watt zu Gesicht. Die Sauberkeit und Genauigkeit derselben liessen ihn folgern, dass Caslon wohl imstande sein würde, den Mängeln der englischen Schriftgiesserei abzuhelfen, und er verhiess ihm seine [269] Unterstützung und Empfehlung, wenn er eine Schriftgiesserei errichten wollte. Seine Freunde liehen ihm 500 £ und er fing nun mit Eifer sein Werk an. Für die Bibelgesellschaft bekam er den Auftrag eine arabische Schrift zu schneiden. Als Unterschrift seiner Firma hatte er sich einiger von ihm geschnittener Antiqua-Buchstaben bedient, von welchen Sam. Palmer so entzückt war, dass er ihm auftrug, die ganze Schrift zu schneiden. Später wurde dies dem Palmer leid, da er gute Gründe hatte, es nicht mit den anderen Schriftgiessereien zu verderben, die durch Caslons überlegene Konkurrenz Schaden leiden mussten. Er suchte deshalb Caslon von seinem Vorhaben wieder abzubringen, was ihm jedoch nicht gelang. Caslon wendete sich an den Buchdrucker William Bowyer den älteren, mit dessen Hülfe nun seine prachtvolle Antiqua-Garnitur, die an Klarheit, Leserlichkeit und Gleichmässigkeit nicht viele ihresgleichen hat, vollendet wurde. In der Zeit von 1720-1780 wurden fast alle Werke von Bedeutung mit den Caslonschen Schriften gedruckt, die den Vergleich mit den Meisterwerken der früheren Periode der Kunst vollständig vertrugen und von späteren nicht übertroffen wurden. Er starb am 23. Januar 1766, 74 Jahre alt.
Die Presse Nordamerikas[2], welche in unserer Zeit eine so grossartige Entwickelung nehmen und die meisten ihrer älteren Schwestern überflügeln sollte, war in dieser Periode noch das „Riesenkind in Wickeln“.
Es lag in den Verhältnissen, dass die Presse in Nordamerika nicht wie in Europa ihre hauptsächlichste Nahrung aus der Wissenschaft und der Litteratur ziehen konnte. In den Tagen des Ringens um die politische und materielle Existenz bestand ihre hauptsächlichste Aufgabe darin, zur Förderung der bürgerlichen Freiheit und der politischen Ausbildung, sowie zur Stärkung des Glaubens unter den Anhängern der vielen religiösen Sekten beizutragen, die in [270] Amerika ein Asyl für das „Seligwerden eines jeden nach seiner Façon“ gesucht und gefunden hatten.
Als Schöpfer der nordamerikanischen Typographie ist der Prediger Joseph Glover zu bezeichnen. Er schiffte sich mit einer Buchdruckerei in England ein, starb jedoch während der Überfahrt; seine Witwe gründete darauf 1638 die erste Druckwerkstätte in CAMBRIDGE (Massachusetts), und das erste Buch, welches aus dieser hervorging, war The Freemans Oath (1639). Die Offizin ward später nach Boston übergeführt und die Leitung Stephan Daye übertragen, dem Samuel Green folgte. Bei der Gründung der frühesten Druckereien in Amerika war in der Regel das Material Eigentum der Regierung oder einer Gesellschaft. Ein verantwortlicher Geschäftsführer wurde ernannt, der unter seinem Namen druckte. Oft blieb in dieser Weise die Leitung einer Buchdruckerei auf lange Zeit in einer Familie.
Viele Bücher wurden noch in England gedruckt. Die Regierung war im allgemeinen der amerikanischen Presse nicht besonders günstig gestimmt, vielleicht im Vorgefühl der Gefahren, die ihr von derselben erwachsen sollten, und die Freiheit der Presse war eine ziemlich beschränkte. 1662 setzten die Behörden von Massachusetts förmliche Zensoren ein und erliessen ein Gesetz, dass ausser der in Cambridge befindlichen Druckerei keine andere im Bereich ihrer Jurisdiktion angelegt werden sollte. Erst um 1755 scheint eine vollständige Freiheit eingetreten zu sein.
In BOSTON ward John Forster mit der ersten Buchdruckerei belehnt, die zweite begann der schon erwähnte Sam. Green. Sie wurde von seinem Bruder Bartholomeo fortgesetzt, der 1704 die erste amerikanische Zeitung The Boston News Letter begann. 1709 erschien bei Green ein Psalter in indianischer Sprache mit der Bezeichnung: Boston, printed by B. Green and F. Printer. Letzterer, ein getaufter Indianer, war jedoch nicht Miteigentümer der Offizin, sondern Drucker daselbst, und sein Name wurde wahrscheinlich nur aus Klugheit auf den Titel gesetzt, um dem Buch bei den Indianern leichteren Eingang zu verschaffen.
Im März 1717 kam James Franklin, älterer Bruder des berühmten Benjamin, mit einer Presse und mit Schriften nach Boston. Die Kunst hatte er in England gelernt, 1719 druckte er für Rechnung [271] des Bostoner Postmeisters die zweite amerikanische Zeitung: The Boston Gazette. Als ihm der Druck derselben entzogen ward, gründete er selbst The New England Courant. Auf Grund von dessen freisinniger Richtung sollte dem James Franklin 1723 die Zensur auferlegt werden. Um dies zu umgehen, sprach er seinen Bruder Benjamin, der bei ihm lernte, los, und das Blatt erschien nun mit dem Impressum: Boston, printed and sold by Benjamin Franklin. James ging später nach Newport und gab die Rhode-Island Gazette heraus. Er starb 1735.
Benjamin Franklin, dessen Ruhm ewig leben wird, war am 17. Januar 1706 geboren. Gehört er auch nicht zu den Koryphäen der Typographie in der Bedeutung, wie ein Aldus, Elzevier, Stephanus, Didot, so werden die Jünger Gutenbergs ihn doch stets mit wahrem Stolz den ihrigen nennen, und er war seinerseits auch nicht nur dem Namen nach einer der ihrigen.
Nach der Übernahme des New England Courant scheint eine Spannung zwischen den Brüdern eingetreten zu sein. Aufgemuntert durch den Gouverneur von Philadelphia Sir William Keith, auf dessen Kosten dort eine Buchdruckerei, die Benjamin aus England holen sollte, anzulegen, ging er nach London. Aber die Kreditbriefe blieben aus und Franklin war, um zu existieren, genötigt als Gehülfe zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Philadelphia errichtete er zusammen mit einem gewissen Meredith eine Buchdruckerei, die Verbindung wurde jedoch bald gelöst und nun entwickelte Franklin seine ganze ausserordentliche Thätigkeit. Er arbeitete von früh bis spät, schrieb seinen Poor Richards almanack, den er 25 Jahre lang herausgab, und gelangte zu Ansehen und Wohlhabenheit.
Mit der deutsch-amerikanischen Typographie ist Franklins Name enger verknüpft, denn seiner Presse entstammt der älteste aufgefundene deutsche Druck Amerikas, ein Büchlein von 96 Seiten in Duodez mit Antiqua gedruckt. Der Titel, der zugleich geeignet ist, eine Vorstellung von der Beschaffenheit der Anfänge der deutsch-amerikanischen Litteratur zu geben, lautet:
„Goettliche Liebes und Lobesgethoene, welche in den Hertzen der kinder der Weiszheit zusammen ein und von da wieder ausgefloszen. Zum Lob Gottes und nun von denen schuelern der [272] himmlischen Weiszheit zur erweckung und aufmunterung in ihrem Creutz und leiden aus hertzlicher Liebe mitgetheilet. Dann mit lieb erfuellet sein, bringt Gott den besten Preisz Und giebt zum singen uns die allerschoenste weisz. Zu Philadelphia, Gedruckt bey Benjamin Franklin in der Marckstrasz 1730“.
Franklins ausserordentliche Verdienste um die Wissenschaft, seine Stadt, seinen Staat und die ganze Menschheit können wir hier nur andeuten. 1752 erfand er den Blitzableiter, wofür die Universität Oxford ihn zum Doktor ernannte, eine damals seltene Ehre. Im bürgerlichen und Staats-Leben stieg er von Stufe zu Stufe, bekleidete, und zwar mit Auszeichnung, selbst den militärischen Posten eines Obersten in der, besonders durch ihn hervorgerufenen, freiwilligen Miliz. Als Agent für Pennsylvanien in England legte er der englischen Regierung, die mit Frankreich in Krieg verwickelt war, einen Plan zur Eroberung Canadas vor, der auch ausgeführt wurde und vollständig gelang. Zur Belohnung erhielt sein Sohn den Posten eines Gouverneurs von New-Jersey. Derselbe wurde jedoch, als er sich später nicht der Revolution gegen England anschloss, zwei Jahre gefangen gehalten. Bei Begründung der Konföderation wurde Benjamin als Abgeordneter Pennsylvaniens zum Kongress und dann zum Präsidenten dieses Staates gewählt, als welcher er die Universität Philadelphia gründete. In seiner Eigenschaft als nordamerikanischer Gesandter in Frankreich leistete er seinem Lande und dessen Unabhängigkeit die grössten Dienste. Die französische Akademie ernannte ihn zu ihrem Mitglied und der Präsident derselben, d'Alembert, begrüsste ihn mit dem berühmt gewordenen: Eripuit coelo fulmen sceptrumque tyrannis[3].
Bei seinem Tode am 17. April 1790 wurde eine vierwöchentliche Landestrauer angeordnet und die französische Nationalversammlung legte seinem Andenken zu Ehren eine dreitägige Trauer an.
Als Franklins Zeit durch die öffentliche Angelegenheit zu sehr in Anspruch genommen wurde, hatte er erst David Holl zum Teilnehmer am Geschäft genommen und ihm dann 1766 die Firma Franklin & Holl ganz übergeben. Hörte er auch damit auf, ein Mitglied des Buchdruckerstandes zu sein, so beweist doch seine, [273] von ihm selbst verfasste Grabschrift, dass er demselben im Herzen treu geblieben war. Sie lautet:
The body of Benjamin Franklin, Printer, (like the cover of an old book, its contents worn out, and stript of its lettering and gilding) lies here, food for worms! Yet the work itself shall not be lost, for it will, as he believed, appear once more in a new and more beautiful edition, corrected and amended by its Author[4].
In BALTIMORE war der erste Buchdrucker Nikolaus Hasselbaugh, von deutschen Eltern in Philadelphia geboren. NEW-YORK erhielt erst 1693 eine Offizin durch William Bradford aus Philadelphia. Die zweite Buchdruckerei errichtete Joh. Peter Zenger 1726. Dieser gab 1733 The New-York weekly Journal heraus, das durch seine freisinnige Haltung Zenger Gefangenschaft eintrug, aus welcher ihn jedoch, nach Verlauf von acht Monaten, der Spruch der Geschworenen erlöste.
Wesentliche Verdienste erwarben sich die deutschen Ansiedler um die Presse. Die ersten derselben gehörten zumeist pietistischen Sekten an, und waren namentlich Anhänger und Freunde Ph. Jacob Speners. Will. Penn, der auf seinen Reisen dem erwähnten näher getreten war, forderte zur Einwanderung auf. Die zu diesem Zweck gebildete „Frankfurter Compagnie“ erwarb ein Stück Land, und der Grund zu Germantown, jetzt ein Teil von Philadelphia, ward gelegt.
Die deutschen Einwanderer waren jedoch nicht allein der Frömmigkeit, sondern auch der Thätigkeit ergeben und bei ihren Mitbürgern gut angeschrieben. Die ersten deutschen Drucke sollen von den in Ephrata angesiedelten Wiedertäufern stammen, von ihren Büchern ist jedoch nichts auf uns gekommen, dagegen besitzt die Historische Gesellschaft in Philadelphia, die um die Sammlung der deutsch-amerikanischen Drucke sich sehr verdient gemacht hat, ihre Presse.
[274] Für die deutschen Ansiedler war die Errichtung von Druckereien eine schwierige Aufgabe. Pressen, Schriften, Papier, Schwärze, kurz alles zum Druck Notwendige musste aus Deutschland beschafft werden. Die grössten Verdienste erwarb sich Christoph Sauer (Saur, Sower), geboren 1693 in Laasphe in Westfalen. Er übte die Profession eines Brillenmachers und wanderte 1724 nach GERMANTOWN aus. Von 1726-1731 lebte er in Lancaster als Heilkünstler, kehrte dann nach Germantown zurück, wo er 1737 oder 1738 eine Druckerei kaufte, die ein Freund in Deutschland erworben und von dort nach Amerika befördert hatte.
Anfänglich wollte es nicht recht gehen und Sauer hatte viele Sorgen. Sein erstes Verlagswerk war ein „ABC Buch, bei allen Religionen ohne billigen Anstoss zu gebrauchen“ (1738) und ein Kalender, welcher bis 1777 fortgesetzt wurde. Sein erstes grösseres Verlagswerk war das, von der Sekte der Siebentäger (die den Sonnabend als Sabbat feierten) herausgegebene Gesangbuch: „Zionitischer Weyrauchs-Hügel oder Myrrhen Berg, worinnen allerley liebliches und wohlriechendes nach Apotheker-Kunst zubereitetes Rauch-Werk zu finden“. Gewidmet war es: „allen in der Wüsten Girrenden und einsamen Turteltäublein“.
Im Jahre 1739 gab Sauer das erste Stück der ersten deutsch-amerikanischen Zeitung heraus: „Der hochdeutsch Pennsylvanische Geschicht Schreiber, oder Sammlung wichtiger Nachrichten aus dem Natur und Kirchen-Reich“, die viermal jährlich erscheinen sollte, hieraus ward bald zwölf- und von 1762 ab 24mal. Von 1775-1777 erschien das Blatt wöchentlich und soll bereits 1751 4000 Abonnenten gehabt haben; die Zahl steigerte sich später auf 8000. Der Titel ward mehrmals geändert, zuletzt von dem jüngern Sauer in „Germantowner Zeitung oder Sammlung wahrscheinlicher Nachrichten aus dem Natur- und Kirchenreich“. Er wählte das Wort „wahrscheinlicher“, da er zu gewissenhaft war, um die Leser durch den Titel zu dem Glauben veranlassen zu wollen, es sei alles wahr, was in der Zeitung stände.
Sauers bedeutendstes Unternehmen war die Herausgabe der deutschen lutherischen Bibel. Bei dieser Veranlassung legte er (1740) selbst eine Schriftgiesserei an, die erste in Amerika, und 1743 war das Werk von 1284 Seiten in Royal-Quart in 1200 Exemplaren [275] vollständig und in Leder gebunden. Diese Bibel war die erste in einer europäischen Sprache in Nordamerika gedruckte; die erste Ausgabe in englischer Sprache erschien, auf Grund des Monopols der Universität Oxford, erst 1782. Ausser der Bibel druckte Sauer das Neue Testament in 7 Auflagen und eine grosse Anzahl Bücher, meist Nachdrucke von in Deutschland erschienenen theologischen Schriften und Andachtsbüchern. Politisch gehörte Sauer zu den Gesinnungsgenossen Franklins und der Einfluss seines Blattes ward von den Regierungsmännern besonders gefürchtet.
Christoph Sauer d. j. dehnte das Geschäft sehr aus, beschränkte jedoch, wie der Vater, den Verlag hauptsächlich auf Schul- und Andachtsbücher. Nur einer seiner vielen Verlagsartikel hat nähern Bezug auf Deutschland: „Das Leben und die heroischen Thaten des König Friedrich ii. von Preussen“. Auch als Buchdrucker blieb der Sohn der bedeutendste Vertreter der deutsch-amerikanischen Presse. Die Bibel druckte er noch in zwei Auflagen, von welchen die letzte fast gänzlich von den Soldaten zu Patronen verwendet wurde, als 1776 der Freiheitskrieg sich nach Germantown gezogen hatte. Alle Druckwerke des Vaters sowohl als des Sohnes zeichnen sich durch Reinheit der Schriften und guten Druck aus; auch das Papier ist kräftig und gut geleimt. Der Sohn stand politisch auf Seiten der englischen Regierung und zog zu seinen Kindern nach Philadelphia, welche ebenfalls für den König Partei nahmen. Er ward als Verräter erklärt, sein Eigentum konfisciert und er nach seiner Rückkehr zu Germantown verhaftet und misshandelt. Seinen Lebensabend verbrachte der tüchtige und redliche Mann in ärmlichen Verhältnissen, und starb 1784.
Zwei seiner Söhne, Peter und Christoph iii., gaben in Philadelphia das einzige, sich zugleich durch seine masslose Sprache auszeichnende deutsche, englischgesinnte Blatt, heraus. Ein dritter Sohn Samuel liess sich erst in Philadelphia, dann in Baltimore als Schriftgiesser, Drucker und Verleger nieder und genoss einen bedeutenden Ruf; der vierte Sohn Daniel setzte das alte väterliche und grossväterliche Geschäft in Philadelphia fort.
Die übrigen deutschen Buchhändler Pennsylvaniens nahmen keinen grossen Rang ein. Die Gebrüder Gotthart und Anton Armbruster gehörten zu den bedeutendsten und gaben eine [276] zeitlang gemeinschaftlich mit Benjamin Franklin die Pennsylvania Gazette heraus. Vor und während der Revolution blühte das Geschäft von Heinrich Müller, der sich 1760 dauernd in Philadelphia niederliess. Sein wöchentlicher „Philadelphia-Staatsbote“ war das erste Blatt, welches am 9. Juli 1776 die Unabhängigkeits-Erklärung veröffentlichte. Bei dem Einzug der Engländer wurde Müllers Offizin verwüstet. Noch verdienen Melchior Steiner und Carl Cist als Drucker und Verleger genannt zu werden. Von einem geregelten buchhändlerischen Verkehr war keine Rede, der Vertrieb wurde durch Hausierer besorgt.
So waren die ersten schwachen Anfänge der amerikanischen Presse, deren Riesendimensionen jetzt unser Staunen erregen. Was würde wohl der einstmalige Gouverneur von Virginien Sir Thomas Berkeley sagen, wenn er heute nach Virginien zurückkehrte, von wo aus er 1671 mit Stolz und Befriedigung nach London berichtete: „Ich danke Gott, wir haben hier keine Freischulen und keine Buchdruckereien, und ich hoffe, es soll noch lange Zeit so bleiben, denn das Lernen hat nur Ungehorsam, Ketzerei und Sektenwesen in die Welt gebracht; die Buchdruckerkunst aber war die Dienerin aller dieser Gräuel; Gott bewahre uns vor beiden“.
DIE SLAWISCHEN LÄNDER. DIE TÜRKEI. DIE OSTASIATISCHEN LÄNDER.
Polen. Russland: Moskau, St. Petersburg. Die Türkei: Konstantinopel, Ibrahim und Said Efendi, Syrien. Das östliche Asien, China, das chinesische Tafeldruckverfahren und die Papierfabrikation. Europäischer Druck in Asien.
[277] POLEN, im xv. und xvi. Jahrhundert ein blühendes Reich, wo Wissenschaft und Litteratur begünstigt wurden, förderte auch rüstig die Buchdruckerkunst. Johann Haller aus Nürnberg (um d. J. 1500), ein Schüler Kobergers, war ein bedeutender Buchdrucker und Buchhändler in KRAKAU. Die Juden begannen 1517 den hebräischen Druck zu üben, der sehr aufblühte. Paul Helic gab 1540 das von einem getauften Juden ins Hebräische übersetzte Neue Testament heraus. Mit ihm gleichzeitig wirkte Hieronymus Victor aus Wien (1518-1543).
Der bedeutendste Buchdrucker war wohl Nikolaus Scharfenberg. Berühmt sind seine den Königen Sigismund August, Heinrich von Valois und Stephan i. gewidmeten Bibeln in polnischer Sprache und seine Constitutiones, statuta et privilegia in comitiis regni etc., die er für den Buchhändler Andreas Lazarsz druckte, der, selbst Buchdrucker, auch eine grosse Anzahl vorzüglicher und hochgeschätzter Werke aus seiner Offizin lieferte.
[278] Einer der angesehensten Männer Polens war Johann Januszowski. Früher Gesandter bei Kaiser Maximilian ii. und Geheimschreiber des Königs Sigismund August, zog er sich von den Staatsgeschäften ganz zurück, um nur den Wissenschaften und der Typographie zu leben. Polen hat seiner Feder und seinen Pressen eine Menge wertvoller Schriften zu verdanken. Ein berühmter Buchdrucker war Franz Cäsarius (wahrscheinlich ein Deutscher, Kaiser), der die Lazarszsche Offizin erwarb, welche über 100 Jahre im Besitz der Familie blieb.
Unter den jüdischen Buchdruckern zeichnete sich namentlich Isaak-Ben-Aaron Prostitz (um 1550) aus. Unter vielen anderen Schriften druckte er sowohl den babylonischen als den jerusalemitischen Talmud. In POSEN, WILNA und LUBLIN, wo sich der Sitz der Socinianer[1] befand, wurde viel gedruckt, ebenso in BRZESC, wo die bekannte Biblia swięta mit Illustrationen (1563) erschien, die nach dem Kostenträger gewöhnlich die Radziwill-Bibel genannt wird. In OSTROG kam auf Kosten des Fürsten Konstantin von Ostrog, Palatins von Kiew, die jetzt sehr selten gewordene Bibel in altrussischer Sprache heraus. Die Leitung hatte der Patriarch Jeremias von Konstantinopel übernommen; die Typen sind genau den slawischen Manuskripten nachgebildet. Der Druck ist vorzüglich, nur das Papier ist nicht gut.
In WARSCHAU wurde erst 1580 gedruckt; in LEMBERG 1593. Die galizische Presse hat nie eine Bedeutung erlangt und wurde von den Jesuiten vollständig beherrscht. Aus Böhmen und Mähren ist wenig zu berichten. PRAG hat einige hebräische Drucke von Bedeutung aufzuweisen. Auf dem Schlosse KRALITZ in Mähren liess der Freiherr von Zarotin von böhmischen Brüdern die erste Bibel in der Landessprache in 6 Quartbänden drucken (1579-1593).
In UNGARN war die frische Blüte bald vorbei und die Buchdruckerkunst in Ofen bis 1725 wieder in Vergessenheit geraten. SIEBENBÜRGEN erhielt in KLAUSENBURG 1550 seine erste Druckerei. Der berühmteste Typograph und Schriftgiesser dort war [279] Nikolaus Tótfalu, der sogar Florenz und Amsterdam mit georgischen und samaritanischen Schriften versorgte.[2]
In RUSSLAND war die alte Zarenstadt MOSKAU der Hauptsitz der slawischen Gelehrsamkeit. Hier entstand unter dem Grossfürsten Iwan Wassiljewitsch 1553 die erste Buchdruckerei Synodalnija typografia durch den Diakon Iwan Feodorow und Timoféew Mstislavzoff unter Aufsicht des Dänen Hans Hannsen, und hier erschien 1564 der in der russischen Litteratur so berühmte Apostol, in slawischer Sprache gedruckt, von welchem das einzige bekannte Exemplar in der Bibliothek der Akademie zu St. Petersburg aufbewahrt wird. Das Volk verjagte die Drucker, die es für Zauberer hielt und die nun ihre Arbeiten in Wilna und Lemberg fortsetzten. Erst 1644 unter Michael Fedorowitsch' Regierung wurde eine neue Offizin eröffnet, deren Erzeugnisse, fast nur aus kirchlichen Werken bestehend, grosses Lob verdienen. Im Jahre 1643 hatte der Klostergeistliche Arsenij Suhanow den Gebrauch einer sehr schmalen und schlanken Schrift eingeführt, die noch jetzt in der Synodaldruckerei unter dem Namen „die arsenijsche“ vorhanden ist. Im Jahre 1663 erschien die zweite sorgfältige Ausgabe der russischen Bibel nach dem Muster der Ostroger v. 1581.
Die Einführung der weltlichen russischen, sich an die Antiqua anlehnenden, Schrift, durch welche die Volkslitteratur sich entschieden von der kirchlichen scheidet, ist ein Werk Peters des Grossen. Dieser erteilte im Jahre 1698 dem Amsterdamer Buchdrucker Tessing das Privilegium, Bücher für Russland zu drucken. Zar Peter liess auch Typen in Holland schneiden und Schrift giessen, mit welcher die Synodal-Buchdruckerei in Moskau 1705 die erste Zeitung in Russland druckte. Bis 1707 war das Drucken ein Vorrecht der Krone oder des Metropoliten gewesen, von da ab durften auch Privatpersonen das Buchdrucker-Geschäft ausüben, welches nun einen kräftigen Anlauf nahm.
[280] Im Jahre 1717 liess Zar Peter die Bibel in Amsterdam von Jan van Duren derart drucken, dass von zwei Spalten die eine den holländischen Text enthielt, während die slawische Übersetzung auf die zweite Spalte in Russland eingedruckt werden sollte. In dieser Weise kam jedoch nur das Neue Testament 1721 zustande, das Alte blieb in der unfertigen holländischen Gestalt.
Im Jahre 1740 errichtete ein Engländer Andrew Johnson eine georgische Buchdruckerei, in welcher die Bibel mit Typen, die auf Befehl des gelehrten georgischen Fürsten Vakuset ausgeführt waren, gedruckt wurde, unter dessen Aufsicht auch das Evangelium Matthäi 1712 als Polyglotte in 8 Sprachen ausgeführt sein soll.
Nach ST. PETERSBURG brachte Peter der Grosse die Pressen von Moskau, das erste hier erschienene Buch war „das Buch des Mars“, datiert 1713. Die erste St. Petersburger Zeitung erschien 1714. Der Senat erhielt 1719 eine eigene Offizin. 1720 errichteten die Mönche in dem St. Alexander Newski-Kloster eine Offizin, 1724 hatte das Admiralitäts-Kollegium, 1727 die Akademie der Wissenschaften, 1735 die Synode eigene Druckerei. Chinesische Bücher wurden bereits 1730 geliefert.
Für GRIECHENLAND war die Kunst so gut wie nicht vorhanden, nur hier und dort erschien vorübergehend eine ambulante jüdische Buchdruckerei.
In der TÜRKEI[3] war auf Anordnung des Sultan Bajazet ii. die Ausübung der Buchdruckerei verboten worden (S. 76) und sein Sohn Selim i. hatte dieses Verbot erneuert. Trotz der angedrohten Todesstrafe druckten jedoch die Juden im Stillen fort und aus den Jahren 1490-1726 sind manche Drucke in hebräischer Sprache bekannt, unter welchen der Polyglott-Pentateuch von 1546 wohl der bedeutendste ist.
Im xvii. Jahrhundert versuchte Nicodemus Metaxa, ein gelehrter Mönch aus Cephalonia, unter den Auspizien des Patriarchen Cyrillus Lukaris eine griechische Offizin in KONSTANTINOPEL zu begründen. Der Versuch wurde jedoch durch die Jesuiten vereitelt [281] und eine 1698 aus Venedig eingeführte armenische Presse auf Befehl des Sultans zerstört.
Erst 1726 unter der Regierung Achmeds ii. trat die, von der Regierung erlaubte, ja von ihr unterstützte freie Ausübung der Buchdruckerei ein. Sie war ein Werk des verdienten und gelehrten Ibrahim Efendi. Besonders thätig war dabei Said Efendi, der als Gesandtschaftssekretär in Paris Geschmack an der Kunst gefunden hatte und nun die nötigen Schriften anschaffte, und zwar diese in Konstantinopel selbst schneiden und giessen liess. Nach vielen Beratungen mit den ersten Staatsmännern und Gesetzverständigen that der Mufti den Ausspruch, dass es gestattet sein solle, mit Ausnahme der Religionsbücher, in arabischer Sprache zu drucken, dass es aber gut sei, wenn vier Oberaufseher ernannt würden, welche wissenschaftliche Kenntnisse genug besässen, um über den richtigen Abdruck der Bücher zu wachen. Das erste Buch, welches demgemäss erschien, war Wankulis: Kitab Lugat, arabisch-türkisches Wörterbuch, 2 Bde., zusammen von 1422 Seiten, 1728. Ein kaiserlicher Befehl stellte den Preis auf 35 Piaster fest. Als erstes mit Antiquaschrift gedrucktes Buch folgte Holdermanns französisch-türkische Grammatik 1730. Um dieses Jahr entwickelte sich eine ziemlich lebhafte Druckthätigkeit, namentlich um geschichtliche und geographische Werke herzustellen, darunter eine Geschichte von Amerika mit Landkarten und Illustrationen, ein Atlas von 39 Tafeln; „das Buch von dem Spiegel der Welt“ u. a.
Dies Aufblühen der Buchdruckerei war jedoch nicht von langem Bestand. Man hat behauptet, dass sie auf Grund einer Pression der vielen Abschreiber auf die Regierung eingestellt worden sei. Das ist jedoch unbegründet, auch dürfte der Schaden, der den Abschreibern entstanden war, nur ein sehr kleiner gewesen sein, da die religiösen Werke nicht gedruckt werden durften, auch das Abschreiben vieler Werke noch notwendig blieb. Mehr scheint der Mangel an Arbeitern massgebend gewesen zu sein und die Vorliebe für schön geschriebene Bücher, die allen Orientalen gemeinsam ist.
Mit Ibrahims Tode tritt der Stillstand ein und erst gegen das Ende des Jahrhunderts lebte die Buchdruckerkunst in Konstantinopel wieder auf.
[282] In der WALLACHEI wurde im Kloster SNAGOF, nahe bei Bukarest, auf Kosten des Woywoden Johannes Konstantin Bessaraba, i. J. 1701 ein griechisch-arabisches Missal gedruckt. Die dortige Klosterbuchdruckerei war reich an arabischen, griechischen und illyrischen Schriften.
In SYRIEN bildeten die Klöster des Libanon eine Zuflucht für abendländische Wissenschaft, wo seit länger als 250 Jahren gedruckt worden ist. Paschalis-Elis und Joseph Ibn-Amimas arabisch-syrischer Psalter ist 1610 datiert. Aus ALEPPO, wo eine Buchdruckerei unter der Direktion des Patriarchen Athanasius von Antiochien bestand, existierten Drucke aus dem Jahre 1706, aus BEIRUT von 1751; georgische aus TIFLIS von 1701. In DAMASCUS druckten die Juden schon 1605. Im Jahre 1622 beschloss ein Konzil der armenischen Bischöfe die Buchdruckerei einzuführen. Ein Mönch aus Eriwan, Uscan oder Osgan (gest. 1676) wurde nach Amsterdam gesandt und druckte dort die Bibel. 1669 errichtete Uscan eine armenische Presse in Marseille, die schliesslich nach Konstantinopel übergeführt wurde.
Im ÖSTLICHEN ASIEN wurde lange vor Einführung von Gutenbergs Kunst der Bücherdruck in ziemlichen Umfange getrieben und CHINA[4] ist oft als die Mutter der Buchdruckerkunst genannt. Nach dem, was wir unter Typographie verstehen, kann davon, wie auch gleich eingangs bemerkt wurde, keine Rede sein, aber der chinesische Bücherdruck ist wichtig und interessant genug, um demselben unsere Aufmerksamkeit zu schenken. Wir übergehen alle sich in das Mythenreich verlierenden Erzählungen von der Entstehung der chinesischen Schrift und der frühesten Verwendung derselben, und halten uns an die historisch begründete Thatsache, dass um das Jahr 1000 n. Chr. viele Bücher von Holztafeln gedruckt wurden. Zuerst waren die Schriften vertieft in Stein oder Holz geschnitten worden, so dass nach der Einreibung mit Farbe die Schrift weiss auf schwarzem Grund erschien; man lernte jedoch bald die Vorzüge des erhabenen Buchstabenschnittes kennen.
[283] Das chinesische Druckverfahren, wie es sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat, ist folgendes:
Aus hartem Holz, gewöhnlich Kirsch-, Birn- oder Pflaumenbaumholz, werden, ½-¾ Zoll dicke Tafeln geschnitten, die kleinen Ritzen und Löcher ausgefüllt und die geglätteten Flächen (man benutzt in der Regel beide) mit einem Reisteig überzogen. Das Herstellen solcher Platten ist ein besonderer Geschäftszweig. Der Schönschreiber malt nun genau und zierlich das zu Druckende auf durchsichtiges Papier und vergleicht seine Arbeit mit dem Manuskript. Ein Blatt (zwei neben einander stehende Seiten) enthält gewöhnlich ein halbes tausend Zeichen. Die beiden Seiten werden mit einem starken Strich umrahmt; ein anderer Strich durch die Mitte des Blattes bezeichnet die Stelle, wo das, nur auf der einen Seite bedruckte Blatt, mit der zugemachten Seite nach aussen gekehrt, beim Heften gefalzt werden muss, ganz wie es bei den xylographischen Reiberdrucken des xv. Jahrh. in Deutschland der Fall war.
Auf die noch feuchte Klebmasse, mit der das Holz überzogen wurde, wird das beschriebene Blatt verkehrt aufgelegt und, nachdem es angetrocknet ist, mit einem benetzten Finger das Papier sorgsam abgerieben. Die Schrift bleibt deutlich auf dem Holzblock zurück. Damit sie noch besser hervortritt und das Holz leichter zu behandeln ist, wird die Oberfläche mit Fett überzogen oder mit Öl getränkt.
Dann geht „der Setzer“ (d. h. der Holzschneider) ans Werk und sticht alles nicht Beschriebene wie bei der Holzschnittzeichnung weg. Den durch einen solchen erhabenen Schnitt entstehenden Druck nennt man den männlichen (Jangwen), wird dagegen die Schrift vertieft geschnitten, so dass sie im Druck weiss auf schwarzem Grund erscheint, so heisst das Verfahren weiblicher Druck (Jenwen).
„Der Drucker“ sitzt vor einer Bank, auf welcher der Block so festgelegt wird, dass er sich nicht rücken und reiben kann, was schon deshalb vermieden werden muss, weil, wie erwähnt, gewöhnlich beide Seiten der Platte zum Schnitt benutzt werden. Auf der einen Seite steht ein Haufen Papier, auf der andern befindet sich der Topf mit der Schwärze, sowie der Pinsel oder die Bürste. Die Druckerschwärze besteht aus gestossenem und durch ein Haarsieb geschüttetem Lampenruss, welcher in Branntwein zu einem Brei [284] aufgeweicht, bis zu einem Zehnteil der Masse mit animalischem Leim oder Pflanzenöl angemacht, schliesslich mit Wasser verdünnt wurde.
Das erste Geschäft des Druckers ist, dass er mit dem in die Schwärze getauchten Pinsel oder der Druckbürste die Tafel zweimal sanft überfahrt, so dass die erhabenstehende Schrift gleichmässig gefärbt wird. Dann legt er einen Bogen auf die Schrift, streicht ihn behutsam mit der Bürste aus, legt einen zweiten Bogen als schützenden Deckel darauf und fährt mit der Bürste oder einem Reiber aus Palmenrinde ein paarmal fest darüber weg, dann ist der Druck fertig. Der Farbenanstrich dient für drei bis vier Abzüge und muss dann erneuert werden. Ein guter Drucker soll täglich zwei- bis dreitausend Blätter liefern können.
Die zusammengefalzten, gedruckten Blätter werden zu einem Heft (pen) vereinigt, selten mehr als 50-80 Blätter. Oft erhalten die Hefte einen obern und untern Deckel, mit Seide oder Brokat überzogen. Die zu einem Werke gehörenden Hefte werden zusammen in einer Kapsel von Pappe oder Holz aufbewahrt. Die Kapseln werden auf die Bücherbretter flach gelegt und über einander geschichtet.
Das beliebteste „Format“ ist, was wir ein längliches Oktav nennen würden. Doch giebt es auch „Ärmel-Ausgaben“ in kleinerem Format und ein „Quartformat“ bis 14 Zoll im Quadrat.
Der „Titel“ kommt nach unserer Bezeichnung hinten, wie bei den semitischen Büchern, die erste Seite eines chinesischen Buches würde also unsere letzte sein. Die „Zeile“ geht von oben nach unten, und jede Zeile ist von der nächsten durch einen Längenstrich geschieden. Der allgemeine und der Kapiteltitel wird der Länge nach in der Mitte des Bundstegs gedruckt, so dass er halb auf der einen, halb auf der andern Kolumne steht. Der Titel zu Anfang giebt das Druckjahr und den Drucker an. Fängt das Buch nicht mit einem Vorwort an, so hat es gewöhnlich ein Schlusswort. Längere Anmerkungen werden auf dem oberen Teil der Seite angebracht und durch einen Strich von dem Text getrennt, kurze öfters mit kleinerer Schrift zwischen den Zeilen eingefügt. Reich illustrierte Ausgaben mit höchst zierlichen Konturzeichnungen sind sehr häufig. Ein Inhaltsverzeichnis wird manchmal beigegeben, nie ein Register, da ja der Begriff einer alphabetischen Anordnung [285] überhaupt den Chinesen mangelt. Die Seiten werden gezählt, aber nicht durch das ganze Werk fortlaufend, sondern für jeden Abschnitt besonders. Vom Staat besorgte Ausgaben sind durch Drachenbilder kenntlich. Der Kaisersitz Hangtscheu war lange der Hauptort der Druckereien und die dort erschienenen Drucke galten als die vorzüglichsten.
Das chinesische und japanische Papier wird hauptsächlich aus Bambusfasern, sowie aus Reis- und Getreidestroh, ausserdem auch aus der Rinde, teilweise aus den Wurzeln des Papier-Maulbeerbaumes (der Broussonetia papyrifera), der Schwertlilienpflanze, sowie aus mehreren Nadelhölzern, endlich aus Baumwolle, Hanf und Abfällen der Seidenspinnerei gefertigt.
Das für die Papier-Fabrikation bestimmte Bambusrohr wird im ersten chinesischen Monat geschnitten, von den Blättern befreit und in 3-4 Fuss lange dünne Stäbe gespalten. Diese werden entweder lose, oder in Bündel gebunden, in Küpen gelegt, worin sie, schichtweise mit Kalklagen bedeckt und mit Wasser übergossen, 3-4 Monate liegen, bis das Rohr in völlige Fäulnis übergegangen ist. Nach dieser Zeit werden die Stücke herausgenommen und mittels Schläger zu einem Brei verwandelt, der dann gehörig gereinigt, und mit etwas Leimwasser vermischt wird. Von der halbflüssigen Masse wird nun diejenige Quantität auf einen viereckigen siebartigen Rahmen geschöpft, die zur Erzeugung eines Bogens nötig ist, der Rahmen vorsichtig, aber rasch, hin und her bewegt, um die gleichmässige Verteilung der Masse auf dem Siebe zu ermöglichen, endlich die so gebildete dünne Schicht halbtrocken als Papierbogen vom Rahmen abgehoben. Diese Bogen werden später auf mässig erhitzte Wände geklebt und bei manchen Papiersorten mit einem Überzug von Reisstärke versehen, schliesslich an der Sonne völlig getrocknet. Für die besten Papiere werden bloss die Schösslinge des Bambus verwendet und diese noch, ehe man sie spaltet, sorgfältig abgeschabt, während für die Fabrikation geringerer Qualitäten auch die Blätter als Material dienen.
Die Anfertigung des Papiers aus den Schösslingen des Papier-Maulbeerbaumes erfolgt so: In jedem Jahre werden die Pflanzen bis auf die Wurzeln abgeschnitten. Von jedem Stengel entstehen in dem folgenden Jahre fünf Triebe, so dass sich im Laufe von fünf [286] Jahren ein dichter Strauch bildet. Die Triebe aus dem fünften Jahre werden zu Papier verarbeitet. Nachdem die Stengel in Stücke von 2½-3 Fuss Länge geschnitten worden sind, werden sie in einem Kessel, der merkwürdigerweise aus Stroh besteht, mit Dampf behandelt. Durch diesen Prozess wird die Rinde von den Stengeln gelöst, welch letztere nur als Brennmaterial zu verwenden sind. Die Rinden werden getrocknet, später einen Tag lang in fliessendem Wasser gewaschen, um die Ablösung der innern Fasern, aus denen das beste Papier gemacht wird, zu erleichtern, während die äussere, dunkle Rinde nur zu ordinärem Papier dient. Die Fasern werden nun gepresst, gekocht und wieder gepresst und dann in Blöcken aufgehoben. Nach Bedarf wird dann die Masse mit einer Art Paste, die aus den Wurzeln des „Tororo“, einer der Baumwollenstaude nicht unähnlichen Pflanze, gewonnen wird, versetzt. Die Mischung wird tüchtig eingerührt, bis die richtige Konsistenz erreicht ist, und dann das Papier in Formen mit zwei Böden geschöpft, getrocknet und beschnitten.
Ein, uneigentlich als Reispapier bezeichnetes Produkt ist das auf der Insel Formosa aus der Aralia papyrifera gewonnene. Das Mark dieser Pflanze wird in dünne Blättchen geschnitten und dann noch flacher gepresst und liefert Stücke von ½-1 Fuss im Quadrat. Die besten Stücke werden zum Bemalen, die kleinen Stücke zu der Fabrikation künstlicher Blumen benutzt.
Zur Fabrikation des Papiergeldes wird in Japan nur der Bast eines Baumes „Mitsumata“ verwendet, welcher ausdrücklich zu diesem Zweck kultiviert wird. Der Bast des Kaji-Baumes, der unserer Weide gleicht, wird namentlich zu Papiermaché verarbeitet, von welchem die Chinesen und Japanesen wie bekannt eine Unendlichkeit von Gegenständen herstellen[5].
EUROPÄISCHE TYPOGRAPHIE IN ASIEN. Um die Einführung der gutenbergischen Typographie im östlichen und südlichen Asien machten sich die Jesuiten-Missionäre schon ausgangs des [287] xvi. oder anfangs des xvii. Jahrhunderts verdient und sie hatten in der Hauptstadt PEKING verborgene Pressen. Eins der ältesten dort gedruckten Bücher ist die Cœlestis doctrinæ vera ratio chinesisch aus dem Jahre 1603. In NANKING gab der Jesuit Nikolas Trigault um 1620 ein chinesisches Wörterbuch in 3 Bänden heraus, das jetzt zu den grössten Seltenheiten gehört. In MACAO wurde schon um 1590 gedruckt. Das erste Buch war der Bericht eines japanesischen Gesandten nach Rom in japanischer und lateinischer Sprache. In CANTON wurde vieles gedruckt, darunter ist zu erwähnen die „Bibliothek nützlicher Kenntnisse“ in 100 Bändchen. Auf der Insel FORMOSA erschien 1661 eine malaische Übersetzung der Evangelien Johannis und Matthäi.
Das Druckverfahren in JAPAN ist dem chinesischen gleich und wird seit uralter Zeit geübt. In europäischer Weise gedruckt erschien bereits 1591 in TACACO auf der Insel Nippon ein Leben der Apostel mit einem angehängten Vokabularium. Gleichzeitig druckten die Jesuiten in AMACUSA. NANGASAKI hatte zu Ende des xvi. Jahrh. schon eine ziemlich thätige Presse.
OSTINDIEN. Im nördlichen Teile Ostindiens, in Kaschmir, Thibet und Kabul, wurde der Holztafeldruck schon seit vielen Jahrhunderten geübt. Der erste Ort, der 1563 nach europäischer Weise druckte, war GOA auf einer Insel an der Westküste des Dekan, die früheste Niederlassung der Portugiesen. Fast gleichzeitig, 1569, erhielt TRANQUEBAR auf der Koromandelküste seine Presse durch die Londoner Gesellschaft für Verbreitung des Evangeliums. Zuerst wurde ein schönes Neues Testament, in Quarto, gedruckt, dann verschiedene Gebetbücher und Katechismen in portugiesischer, englischer und dänischer Sprache, sowie in verschiedenen asiatischen Dialekten. Als Tranquebar in dänischen Besitz kam, war die dänische Mission sehr thätig. Bartholomäus Ziegenbalg und Heinrich Plutschau brachten eine Presse und Schriften aus Deutschland. Auf Kosten des Königs von Dänemark wurden tamulische Schriften in der Waisenhausbuchdruckerei in Halle gegossen und durch J. G. Adler nach Indien gebracht, wo dieser 1714 die vier Evangelien und die Apostelgeschichte, 1715 die Episteln und die Apokalypse herausgab. 1723 erschien die Biblia tamulica, 3 Teile in Quarto. Am wichtigsten für die Typographie Indiens ist BENGALEN, es wurde [288] jedoch die Druckkunst erst 1778 dort eingeführt; demnach gehört die dortige Pressthätigkeit erst einer späteren Periode an.
In dem ASIATISCHEN ARCHIPEL fand die Kunst zuerst auf JAVA eine Heimat. Die niederländisch-indische Gesellschaft errichtete in BATAVIA zu Ende des xvii. Jahrhunderts mehrere Pressen.
Von dem Wunsche beseelt, den Eingebornen das Evangelium in der Landessprache in die Hände zu geben, befahl der Gouverneur von CEYLON Freiherr G. W. von Imhof 1737 eine Druckwerkstätte in COLOMBO zu errichten, die später auch manches wissenschaftliche Werk ans Tageslicht förderte. In der Hauptstadt der Philippinen, MANILLA, wurde um 1600 gedruckt. Im xviii. Jahrhundert wetteiferten die katholischen Missionäre hier mit den protestantischen in Tranquebar in der Verbreitung des Evangeliums.
So war die Kunst Gutenbergs, welche bereits in den ersten hundert Jahren ihres Bestehens sich über ganz Europa den Weg gebahnt und eine hohe Stufe der Ausbildung erreicht hatte, von welcher ungünstige Verhältnisse sie nur zeitweilig herabzudrängen vermochten, über die ganze Welt verbreitet. Schon um die Zeit, welche unsere vorläufige Grenze bildet, galt das, hundert Jahre später ausgesprochene Wort:
LEIPZIG, DRUCK VON W. DRUGULIN.