Geboren am 9. April 1770 in Ludwigsburg, gestorben am 7. April 1812 in Hamburg.
Kerner bekämpfte die Gewalten des Absolutismus und begeisterte sich für die Ideale der Französischen Revolution, ohne die realen Verhältnisse Frankreichs, die er teilweise als Augenzeuge von 1791 bis 1801 beobachten konnte, unkritisch gutzuheißen. In seinen politischen Anschauungen zeigte er beachtliche Prinzipientreue.
Georg Kerner, dessen Persönlichkeit zuerst von seinem jüngeren Bruder, dem Dichter Justinus Kerner, in den Erinnerungen Das Bilderbuch aus meiner Knabenzeit (1849) gewürdigt wurde, war ältestes Kind des Oberamtmanns Christoph Ludwig Kerner in Ludwigsburg, der ihn sehr streng erzog. Nachdem er in seiner Heimatstadt die Lateinschule besucht hatte, studierte er seit 1779 an der Hohen Carlsschule in Stuttgart. Mit gleichgesinnten Freunden demonstrierte er dort zu Beginn des Jahres 1791 seine Revolutionsbegeisterung. Nach seiner medizinischen Promotion wandte er sich nach Straßburg, um sein Studium an der dortigen Universität fortzusetzen. Er wurde Mitglied der "Gesellschaft der Freunde der Konstitution" und am 12. Juli 1791 zu deren deutschem Sektretär gewählt. Ende 1791 reiste er mittellos und zu Fuß nach Paris. Als Nationalgardist schützte er am 20. Juni und am 10. August 1792 das Leben Ludwig XVI. Obgleich ihn die Entwicklung in Frankreich enttäuschte, schrieb er im Oktober und November an den französischen Außenminister, um ihn auf günstige Bedingungen für eine Revolutionierung Württembergs hinzuweisen. In Paris, wo er u.a. mit Gustav von Schlabrendorf, Georg Forster, Adam Lux und Konrad Engelbert Oelsner zusammentraf, erlebte und überlebte er die radikalste Phase der Französischen Revolution. Wie Adam Lux, dessen Pariser Zeit er detailliert schilderte, sympathisierte er mit den Girondisten und schrieb im April 1793: "Noch ist die Sache Frankreichs, so gräßlich verzerrt und so blutig sie ist, noch ist sie besser als die Sache der Tyrannen Europens, noch ist es menschenwürdiger, unter den Greulen der Anarchie zu leben, als ruhig unter dem Fuß eines schwindsüchtigen Kaisers, eines elenden Königs von Preußen, eines gekrönten englisch-hannoveranischen Narren und eines russischen Weibes zu erlahmen..." (zit. nach Voegt, S.418). Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Arzt am Hospital der dänischen und schwedischen Gesandtschaft, aber auch als Korrespondent der Hamburgischen Neuen Zeitung.
Im April 1794 floh Kerner in die Schweiz und wurde von der dortigen französischen Gesandtschaft für eine geheime Mission in Württemberg eingesetzt. Er sollte auf einen Separatfrieden zwischen seinem Vaterland und Frankreich hinarbeiten. Kerner war nicht erfolgreich und reiste erneut nach Paris, wo er seit Beginn des Jahres 1795 lebte. Von dort schrieb er für die Zeitschrift "Klio" von Paul Usteri, den er in Zürich kennengelernt hatte, die Artikelserie Briefe aus Paris. Als Augenzeuge berichtete er anschaulich über die Aufstände vom Germinal und Prairial, wo er selbst unter Einsatz seines Lebens gegen die Aufständischen kämpfte. Angesichts der Politik der Thermidorregierung und Kerners Furcht vor einer Wiederkehr des Royalismus wurde er zum radikalen Republikaner. Über die Regierung urteilte er im September 1795: "Dieses schändliche Sanftmutsystem bringt uns mit jedem Tage einem furchtbaren Abgrund näher, und ich behaupte zuversichtlich, daß es uns mehr Blut kosten wird, als uns jemals der Terroism gekostet hat. Dieses System ist mit anderen Worten eine förmliche Lossprechung von allen Pflichten gegen republikanische Gesetze und republikanische Beamte; ein lauter Aufruf zur vollkommensten Anarchie; ein großer Schritt zum Königstume...." (zit. nach Voegt, S.240).
Als der aus Württemberg stammende französische Diplomat Karl Friedrich Reinhard (1761-1837) Ende des Jahres 1795 zum Gesandten der deutschen Hansestädte mit dem Sitz in Hamburg ernannt wurde, stellte er Kerner als seinen Privatsekretär ein. Beide wurden vor allem von dem aufgeklärten Kreis um Georg Heinrich Sieveking und dem Arzt Johann Albert Heinrich Reimarus freundlich aufgenommen. 1796 heiratete Reinhard die Tochter des Arztes, Christine Reimarus. Der französische Gesandte verwandte Kerner für mehrere diplomatische Missionen, die diesen nach Bremen, Hildesheim, Berlin und zweimal nach Paris führten, wo er Augenzeuge des antiroyalistischen Staatsstreiches vom 18. Fructidor (5. September 1797) wurde. Über einen Teil seiner politischen Reiseeindrücke berichtete er in Zeitschriften, die er dann später als Buch veröffentlichte: Briefe über Frankreich, die Niederlande und Teutschland, geschrieben in den Jahren 1795, 1796 und 1797 (1797). Im April 1797 gründete er die Philanthropische Gesellschaft in Hamburg, eine politische Vereinigung, die auch Juden aufnahm und sich für die Erhaltung, Festigung und Propagierung republikanischer Ideale einsetzte. Zu ihren Mitgliedern zählte Johann Gotthard Reinhold (1771-1838), ein Jugendfreund Kerners, mit dem er auf der Hohen Carlsschule einen ewigen Freundschaftsbund geschlossen hatte und dem er in Hamburg die Stelle eines batavischen Gesandtschaftssekretärs vermitteln konnte. Als Kerner nach Italien abgereist war, dominierte vorübergehend Leonard Bourdon bei den Philanthropen, bevor die Gesellschaft im November 1798 vom Hamburgischen Senat verboten wurde. Als Reinhard 1798 als Gesandter an den Hof des Großherzogs Ferdinand III. nach Florenz versetzt wurde, folgte Kerner ihm. In Italien beobachtete und beklagte Kerner die Korruption der französischen Behörden und sympathisierte mit den italienischen Patrioten. 1799 flohen die Diplomaten vor den österreichischen Truppen und Reinhard, kurze Zeit Außenminister Frankreichs, war von 1800-1801 in Bern Gesandter bei der Helvetischen Republik.
Während Reinhard weiterhin in französischen Diensten blieb, löste sich Kerner von seiner Wahlheimat und begab sich Ende 1801 wieder nach Hamburg. In einem längeren Aufsatz, der in der Zeitschrift Frankreich anonym mit dem Titel Auszüge aus den Briefen eines Deutschen aus Paris erschien, distanzierte er sich von Frankreich und der napoleonischen Machtpolitik. Antinapoleonisch war zudem das Journal Der Nordstern (1802), eine Zeitschriftengründung Kerners, die vermutlich von Reinhard, der seit dem Juni als Gesandter in Hamburg lebte, inhibiert wurde (Verbot selbst durch Beschluß des Senats). Es kam zu einer vorübergehenden Distanz zwischen beiden Männern. Kerner entschloß sich in Hamburg als Arzt zu wirken und gegab sich nach Kopenhagen, um dort sein medizinisches Wissen zu vervollständigen. Nach einer Reise durch Südschweden, über die er in dem Buch Reise über den Sund berichtete, eröffnete er Ende 1803 eine Privatpraxis in Hamburg. Am 27.Mai 1804 heiratete er die Hamburgerin Johanna Friederike Duncker. So engagiert sich Kerner dem ärztlichen Beruf, speziell der Geburtshilfe, widmete - er wurde 1807 zum Armenarzt ernannt und plante eine Reform des Entbindungswesens -, so entsagte er doch nie politischen Aktivitäten. Er war seit 1804 Mitarbeiter der Zeitschrift Nordische Miszellen und dichtete später das haßerfüllte Gedicht Das blaue Fieber gegen die Eroberungskriege Napoleons. Als Agent der Städte Bremen und Lübeck versuchte er während der französischen Besatzungszeit allzu harte Maßnahmen der französischen Behörden zu mildern. 1812 brach in Hamburg eine Fleckfieberepidemie aus. Der unermüdliche helfende Arzt infizierte sich und starb zwei Tage vor seinem 42. Geburtstag.
Kerners umfangreicher Nachlaß hat sich nur in Resten erhalten; trotzdem zeigen die Ergebnisse der neueren Forschung, daß sich noch manche Dokumente seines ungewöhnlichen Lebens finden lassen. Seine revolutionäre Leidenschaft, die elementare Dynamik, mit der er sich als Republikaner bis zur Selbstaufgabe für seine Ziele einsetzte, sollten dazu anregen sein politisch-publizistisches Werk vorzustellen.
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