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Wenn umständliche Nachrichten von den Leben geschickter Künstler sich einer guten Aufnahme bei solchen Personen schmeicheln dürfen, welche die Künste lieben und treiben, dergleichen es in unsern gebildeten Zeiten viele gibt, so darf ich erwarten, daß man ein zweihundert Jahre versäumtes Unternehmen lobenswürdig finden werde: ich meine die Herausgabe der Lebensbeschreibung des trefflichen Benvenuto Cellini, eines der besten Zöglinge der florentinischen Schule. Eine solche Hoffnung belebt mich um so mehr, als man wenig von ihm in den bisherigen Kunstgeschichten erzählt findet, welche doch sonst mit großem Fleiße geschrieben und gesammelt sind.
Zu diesem Werte der Neuheit gesellt sich noch das höhere Verdienst einer besondern Urkundlichkeit: denn er schrieb diese Nachrichten selbst, in reifem Alter, mit besonderer Rücksicht auf Belehrung und Nutzen derjenigen, welche sich nach ihm den Künsten, die er auf einen so hohen Grad besaß, ergeben würden.
Dabei finden sich noch sehr viele Umstände, die auf wichtige Epochen der damaligen Zeitgeschichte Bezug haben, indem dieser Mann teils durch Ausübung seiner Kunst, teils durch fortdauernde Regsamkeit Gelegenheit fand, mit den berühmtesten Personen seines Jahrhunderts zu sprechen oder sonst in Verhältnisse zu kommen, wodurch dieses Werk um so viel bedeutender wird. Denn man hat schon oft bemerkt, daß sich der Menschen Art und wahrer Charakter aus geringen Handlungen und häuslichen Gesprächen besser fassen läßt als aus ihrem künstlichen Betragen bei feierlichen Auftritten oder aus der idealen Schilderung, welche die prächtigen Geschichtsbücher von ihnen darstellen. Dessenungeachtet ist nicht zu leugnen, daß unter diesen Erzählungen sich manches findet, das zum Nachteil anderer gereicht und keinen völligen Glauben verdienen dürfte. Nicht als wenn der Autor seine brennende Wahrheitsliebe hie und da verleugne, sondern weil er sich zuzeiten entweder von dem unbestimmten und oft betrügerischen Rufe oder von übereilten Vermutungen hinreißen läßt, wodurch er sich denn ohne seine Schuld betrogen haben mag.
Aber diese bösen Nachreden nicht allein könnten das Werk bei manchem verdächtig machen, sondern auch die unglaublichen Dinge, die er erzählt, möchten viel hierzu beitragen, wenn man nicht bedächte, daß er doch alles aus Überzeugung gesagt haben könne, indem er Träume oder leere Bilder einer kranken Einbildungskraft als wahre und wirkliche Gegenstände gesehen zu haben glaubte. Daher lassen sich die Geistererscheinungen wohl erklären, wenn er erzählt, daß bei den Beschwörungen betäubendes Räucherwerk gebraucht worden; ingleichen die Visionen, wo durch Krankheit, Unglück, lebhafte, schmerzliche Gedanken, am meisten aber durch Einsamkeit und eine unveränderte elende Lage des Körpers der Unterschied zwischen Wachen und Träumen völlig verschwinden konnte. Und möchte man nicht annehmen, daß ein Gleiches andern weisen und geehrten Menschen begegnet sei, auf deren Erzählung und Versicherung uns die Geschichtsbücher so manche berühmte Begebenheiten, welche den ewigen und unveränderlichen Gesetzen der Natur widersprechen, ernsthaft überliefert haben?
Sodann ersuche ich meine Leser, daß sie mich nicht verdammen, weil ich eine Schrift herausgebe, worin einige Handlungen, teils des Verfassers, teils seiner Zeitgenossen, erzählt sind, woran man ein böses Beispiel nehmen könnte. Vielmehr glaube ich, daß es nützlich sei, wenn jeder sobald als möglich sowohl mit den menschlichen Lastern als mit der menschlichen Tugend bekannt wird. Ein großer Teil der Klugheit besteht darin, wenn wir den Schaden vermeiden, der uns daher entspringt, wenn wir an die natürliche Güte des menschlichen Herzens glauben, die von einigen mit Unrecht angenommen wird. Besser ist es nach meiner Meinung, dieses gefährliche Zutrauen durch Betrachtung des Schadens, welchen andere erlitten haben, baldmöglichst los zu werden als abzuwarten, daß eine lange Erfahrung uns davon befreie.
Dieses leisten vorzüglich die wahren Geschichten, aus denen man lernt, daß die Menschen bösartig sind, wenn sie nicht irgendein Vorteil anders zu handeln bewegt. Ist nun diese Geschichte eine solche Meinung zu bestärken geschickt, so fürchte ich nicht, daß man mich, der ich sie bekannt mache, tadeln werde. Denn indem man so deutlich sieht, in welche Gefahr und Verdruß allzu offnes Reden, rauhe, gewaltsame Manieren und ein unversöhnlicher Haß, welche sämtlich unserm Verfasser nur allzu eigen waren, den Menschen hinführen können, so zweifle ich nicht, daß das Lesen dieses Buchs einer gelehrigen Jugend zur sittlichen Besserung dienen und ihr eine sanfte, gefällige Handelsweise, wodurch wir uns die Gunst der Menschen erwerben, empfehlen werde.
Ich habe genau, außer in einigen Perioden zu Anfang, die sich nicht wohl verstehen ließen, den Bau der Schreibart beibehalten, den ich im Manuskripte fand, ob er gleich an einigen Orten vom gewöhnlichen Gebrauche abweicht. Der Autor gesteht, daß ihm die Kenntnis der lateinischen Sprache mangle, durch welche man sich einen festen und sichern Stil zu eigen macht. Dessenungeachtet aber, wenn man einige geringe Nachlässigkeiten verzeiht, wird man ihm das Lob nicht versagen, daß er sich mit vieler Leichtigkeit und Lebhaftigkeit ausdrückt, und obgleich sein Stil sich keineswegs erhebt noch anstrengt, so scheint er sich doch von der gewöhnlichen Wohlredenheit der besten italienischen Schriftsteller nicht zu entfernen: ein eigner und natürlicher Vorzug der gemeinen florentinischen Redart, in welcher es unmöglich ist, roh und ungeschickt zu schreiben, da sie schon einige Jahrhunderte her durch Übereinstimmung aller übrigen Völker Italiens als eine ausgebildete und gefällige Sprache vor andern hervorgezogen und durch den Gebrauch in öffentlichen Schriften geadelt worden ist.
So viel glaubte ich nötig anzuzeigen, um mir leichter Euren Beifall zu erwerben. Lest und lebt glücklich!