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Es stand geschrieben, daß ich dort, in der Kinderstube unserer seefahrenden Vorfahren, lernen sollte, auf den Wegen meines Berufes zu wandeln und zu reifen in der Liebe zur See, in blinder Liebe, wie es junge Liebe oft ist, aber in verzehrender und selbstloser Leidenschaft, wie alle wahre Liebe sein muß. Ich verlangte nichts von ihr, nicht einmal Abenteuer. Darin zeigte ich vielleicht mehr intuitive Weisheit als große Selbstverleugnung, denn noch nie wurden Abenteuer erlebt, nach denen man verlangte. Wer auszieht, um mit vorbedachtem Streben Abenteuer zu erleben, wird nur taube Blüten finden, es sei denn, er gehöre wirklich zu den Lieblingen der Götter und den Großen unter den Helden, wie der vortreffliche Ritter Don Quijote de la Mancha. Wir gewöhnlichen Sterblichen mittelmäßigen Geistes, die nur allzu beflissen sind, böse Riesen als rechtschaffene Windmühlen anzusehen, erleben die Abenteuer wie kurze, seltene Besuche. Unvermutet dringen sie in unser zufriedenes Dasein ein, und oft kommen sie, wie es ungebetene Gäste gerne tun, zu ungelegenen Zeiten. Wir sind dann froh, sie unerkannt und ohne Dank für die hohe Gunst wieder ziehen zu lassen. Wenn man nach vielen Jahren am Wendepunkt in der Mitte seines Lebensweges zurückblickt auf die Ereignisse der Vergangenheit, die uns wie eine freundlich gesinnte Menge betrübt nachzusehen scheinen, indessen wir eilends dem kimmerischen Ufer zustreben, dann erblicken wir vielleicht hier und dort in der grauen Menschenmasse eine Gestalt, von der ein schwacher Glanz ausgeht, als hätte sich auf sie alles Licht unseres schon im abendlichen Zwielicht stehenden Lebens vereinigt. Und an dieser Glut vermögen wir unsere wahren Abenteuer zu erkennen, diese einst ungebetenen Gäste, die wir in unserer Jugend unversehens aufgenommen haben.
Wenn das Mittelmeer, diese ehrwürdige (und manchmal schrecklich übelgelaunte) Kinderfrau aller Seefahrer, meine Jugend wiegen sollte, dann hat das Schicksal die Beschaffung der dafür notwendigen Wiege einer Schar unverantwortlich junger Männer übertragen, die der reine Zufall zusammenführte. Immerhin waren sie alle älter als ich, aber Männer, die in froher Sorglosigkeit und wie trunken vom provenzalischen Sonnenschein ihr Leben nach dem Muster von Balzacs ›Histoire des Treize‹ vertändelten, wozu dann noch ein Schuß Romantik de cape et d'épée kam.
Das Schiff, das in jenen Jahren meine Wiege war, hatte ein berühmter Bootsbauer am Fluß Savona erbaut, aufgeriggt wurde es von einem anderen tüchtigen Mann auf Korsika, und in seinen Papieren war es als »Tartane« von sechzig Tonnen aufgeführt. In Wirklichkeit war es eine richtige Balancelle mit zwei kurzen, nach vorn geneigten Masten und zwei gebogenen Rahen, von denen jede so lang wie der ganze Rumpf des Schiffes war. Ein richtiges Kind des Lateinersees, dessen zwei riesige Segel den spitz zulaufenden Schwingen am schlanken Rumpf eines Seevogels ähnelten, und es selbst war wie ein Vogel, wenn es über die See hinglitt, anstatt sie zu durchfahren.
Das Schiff hieß ›Tremolino‹. Wie man das übersetzen soll? Der Bebende? Was für ein Name für das schneidigste kleine Fahrzeug, das jemals seine Bordwand in schäumende Gischt getaucht hat. Zugegeben, ich habe es tage- und nächtelang unter meinen Füßen beben gefühlt, aber das rührte nur von der großen Anspannung seines pflichttreuen Mutes her. In seiner kurzen, aber glänzenden Laufbahn hat es mich nichts gelehrt, mir aber alles gegeben. Ich schulde diesem Schiff das Erwachen meiner Liebe zur See, die sich mit dem Beben seines schnellen kleinen Körpers und dem Brausen des Windes unter dem Lateinersegel mit sanfter Gewalt in mein Herz stahl und meine Phantasie unter ihren despotischen Einfluß brachte. ›Tremolino‹! Bis zum heutigen Tage kann ich diesen Namen nicht aussprechen und nicht einmal schreiben, ohne daß es mir seltsam eng um die Brust wird in Erinnerung an Freud und Leid dieses ersten leidenschaftlichen Erlebnisses.