Pamphilus Gengenbach
Die Totenfresser
Pamphilus Gengenbach

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¶ Der Bapst:
          DEn todten greyffen dapffer an!
    Wann ich den gwalt von christo han,
Die sünd zvergeben hie und dort,
    Auß der pyn erloesen mit eim wort!
5   All zytlich gueter sind mir ergeben:
    Darumb so prassen und wolleben!
Keren euch nit an Luthers tandt:
    Er hat got imm himmel und mich gschant!
Got hat gnůg thon für unser sünd,
10   Als ich in Paulo gschriben sind!
    Darumb so ist der Luther blind,
Der unß anzeigt bůßfoertigs leben,
    Die weyl wir neüt verdienen moegen,
Und got all unser sünd hinnimpt,
15       Als iohan baptist gar wol bestimpt.
Got hat gefast, wissen ir wol,
    Umb das wir all tag seyen vol!
Hat glaebt in grosser armůt,
    Das wir besitzen schaetz und gůt!
20   In demůt hat er gfuert sein leben,
    Hat unß darbey ein beyspil geben,
Das wir soellen tyrannesieren,
    Ein grossen bracht auff erdtrich fueren!
Seinen find hat er ir sind vergeben,
25       Das wir in alzeit widerstreben 4
Und machen krieg in aller waelt!
    Umb all gůtheit nam er kain gaelt,
Die wir verkauffen umb groß gůt!
    Das hat er unß als gton zů gůt,
30   Das cruetz auch für unß all getragen,
    Das wir soellen gůt leben haben!
Am cruetz gehangen nackent bloß,
    Deßgleich er auch sein blůt vergoß,
Das wir tragen vil sydner gwandt
35       Und nit werden als er geschandt!
Auch darnach für unß wellen sterben,
    Das wir all moegen saelig werden!
So nun got durch sin marter hat
    Abgleit all unser missethat,
– Was woellen wir dann wieter fraegen? –
40       Und darzů mir den gwalt geben,
Zů binden und endbinden,
    Auch die einfeltigen christen schinden,
So nit gwissers, dasOb nicht das in dann zu verbessern ist? wir haben:
    Dann wan wir von den todten sagen,
45   Wie wirs erloesen auß der pin,
    Das bewegt die alten mueterlin,
Und auch darzů die alten man,
    Das sy das ir als hencken dran,
Stifften groß iorzyt und vil maessen:
50       Domit hand wir von todten zfressen,
Die weyl wir leben hie auff erden,
    Obschon dem teüfel dsel solt werden.
 
¶ Der Byschoff:
WEren nit todten unds faegfür,
    So weren ietz die byschoff thür:
55   Hetten nit so vil land und leüt,
    Als sy dann hand zů diser zeyt,
Und muest ir hoffgsind übel essen,
    Die sunst all gnůg von todten fressen! 5
 
¶ Der Waeltlich Priester:
60   DOmit ichs Luthers nit vergaeß!
    So hab ich doch selten kain maeß,
Ich engilt synr tüfelischen leer:
    Kein paur will ietzund opffren meer!
Haet ich ietz nit drey gůter pfruend,
65       In meinem hauß ich übel bstuend
Und wurd nit wol von todten fressen!
    Der tüfel hat pauren bsessen:
Sie lond in von dem faegfür sagen,
    Wend aber kein glauben dran haben,
70   Sprechen, es sy itel tandtmaer:
    Das kumpt in als vom Luther haer!
 
¶ Der Bernhardiner:
DEr Lůter thůt ein new leer geben:
    Wir soellen wie die apostlen leben,
Haben weder soeckel noch gelt!
75       Der tüfel dann ein münch sin welt!
Wir muesten dick groß hunger liden!
    Ich wil bey miner regel bliben,
Die mir hat gen sant Bernhardin:
    Do sind vil grosser faß mit win
80   Und darzů auch volle kasten,
    Sein brueder doerffen wenig fasten:
Das wir als haben von den todten!
    Darůmb so lond uns dapffer schroten,
Biß das wir kommen auff das marck:
85       Der irdisch got ist also starck,
Das ers unß kan alles vergeben!
    Darumb lond unß mit froeiden leben
Und die bauren im traeck umbschweben,
    Biß sy kommen inns ewigs leben! 6
 
¶ Der Baettelmünch:
90   WEren die selen im faegfür,
    Thaet man uns weder hilff noch stür:
Wir muesten unß mit arbait neren,
    Auch offt und dick den schweiß verreren,
Mit wasserbrot uns lassen bnuegen!
95       Ob wir schon auff der kantzel liegen,
Damit wir betriegen manchen man,
    So kumpt es unß so saur nit an!
Got geb, ob dselen inn der hell
    Sitzen und liden groß gequell!
 
¶ Die Klosterfraw:
100   DIe todtenbain schmecken unß wol,
    Dobey wir tag und nacht sind vol
Und moegen unser faulkayt triben!
    Beym irdischen gott wellen wir bliben!
 
¶ Die Pfaffenmaegt:
DAs todtengschray kumpt unß fast wol:
105       Dann wir darby sind allzyt vol
Und begond ir iarzyt allen tag!
    Schafft unser keine, dienen mag,
Darzů auch kaine nem ein man,
    Bey dem sie muest groß arbayt han
110   Und hunger liden tag und nacht:
    Sunst todtenfraessen unß faist macht!
Es ist nit grosse sorg darby:
    Gott gaeb die seel: sy, wo sie sy,
So begond wir sie mit thantzen, singen,
115       On alle sorg imm hauß umbspringen,
Das Requiem singen wir im kaeller:
    So felt unß opffer auff dem taeller,
Können Placebo domino machen:
    Deß darff die gůt seel nit fast lachen! 7
 
¶ Der teüffel mit der gigen:
120   DAs sind mein außerwelten kind!
    Auff erd hab ich nit besser fründ:
Darumb ich in mach auff der gigen,
    Auff das sie koenen kurtzwil triben,
Es sey mit tantzen, pfyffen, singen,
125       Und mit mir ad infernum springen!
 
¶ Der Selen klag wider die todtenfraesser:
ERbarmen euch, ir lieben fründ
    Uber unß, die gar verlassen sind
Von euch in diser schweren peyn!
    Warumb gend ir das unser hyn,
130   Das ir von unß haben ererbt,
    An ort, do mans schandtlich verzert
Und hoffart treibt mit frue und spot?
    Wissen ir nit, das gschriben stot:
»Allmůsen tilcket ab die sünd«?
135       O got, wir waren auch so blind,
Und stifften iarzyt mit vil maessen,
    Thetten der armen gantz vergessen,
Des nächsten lieb achten wir nyt:
    Des wir schwerlich in diser zyt
140   Vomm höchsten got gepinget werden!
    Das lond euch zů hertzen gon auff erden!
 
¶ Der Baetler klag wider die todtenfraesser:
O Got, der sitzst im höchsten thron
    Und kanst all glicheit wol verston,
Laß dich unser ellend erbarmen:
145       Du bist ein zůflucht aller armen,
In aller truebsal hie in zyt,
    On dich so schaffen wir nyt,
Du erkenst allein all arbait, schmärtzen:
    Wir bitten dich von gantzem härtzen, 8
150   Troest unß armen hie auff aerd,
    Die do verschmacht sind und unwaerd!
Allain wir dir verlassen sind
    Und hand auff erd sunst keinen fründ,
Deß wir unß solten hie erneren:
155       Tůnd münch pfaffen ietz als verzeren!
Du sprachst: wer bsitzen wolt dein rich,
    Der solt sin allmüsen miltigklich
Mittailen armen hie auff erden!
    Wie wenig ietz dan saelig werden!
 
¶ Des Pfarrers klag:
160   O Hoechster gott, ich schrey zů dir!
    Dein schaefflin hast befolhen mir
Zů weiden in ainr faisten weid:
    So clag ich dir mein grosses leid
Von den, die abetzend den somen
165       Und lond mich armen, dürren, gramen
Dein schaefflin weiden nacht und tag
    Auff dürrer haid, dz ich kaum mag
Mich hungers mit den schaefflin erweren!
    Wie kan ichs dann fast weysen, leren,
170   Die weyl mich zwingt des hungers not,
    Das ich můß gdencken frů und spot,
Wie ich mich taeglich auch erner
    Und auch die schaefflin baß bescher
Und in abziech erst gar die woll,
175       So der recht pfarer ist staets voll
Und hat sein tag nit anders glert,
    Dann wie man armen schaefflin bschirt?
Den gwalt hat im der bapst dann gen:
    Der teüfel můß sy all weidnen,
180   Und fuert ain blind den andern blinden!
    Thůnd nit, dann die armen schinden,
Die einfeltig gond den rechten waeg,
    So sie dick fallen ab dem staeg, 9
Als man das spürt auff disen tag!
185       O ewigs wort, ich dir das klag!
 
¶ Der Edelman klagt:
BArmmhaertziger got, in dinem rich
    Den grossen mißbruch ietz ansiech,
Den die geistlichen ietzund triben:
    Der adel mag schier nüme bliben,
190   Der bschützen solt witwen und waisen
    Mit wachen, hueten und auch raisen!
Des wir ietzund solten geleben,
    Hand unser elteren als hyn geben
Und an kloester, styfft gemacht:
195       Gar wenig haben sy betracht,
Wann sie unß sollichs hetten glon,
    Das es vil besser waer gethon,
Dardurch wir unß baß moechten neren
    Und unsere armen nit beschweren,
200   Domit sie dest baß moechten bliben:
    Ich hoff, got werd es nit lang liden!
 
¶ Der Bawr clagt:
VOn minen elteren hab ich ghört:
    Waer sich siner hand arbayt nert,
Der sey saelig und werd im wol.
205       So sind münch, pfaffen taeglich vol,
Fraessen mir mein schweiß frue und spot
    Und wirt mir kaum darvon dz brot!
Kan auch so vil kaum überkummen,
    Das ich es bring munnch, pfaffen, nunnen,
210   Die mir wenig danck darumb sagen.
    Got in dem himmel ich das klagen,
Der sollichs wol ergelten kan,
    Well ain mitliden mit unß han
Und erkennen unser not,
215       In der wir ligen frue und spot 10
Mit bannen, brieffen, interdicieren:
    Sich an, wie sy ain wesen fueren,
Die unß billicher solten geben,
    Wolten sie bsitzen ewigs leben!

 

P   *   G