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»Und ich leid’s nicht und ich leid’s nicht! Und das Mensch mit ihren achtzehn Jahren braucht noch keinen Burschen! Und wenn ich den Kerl noch einmal erwisch’, so schmeiß ich ihn die Stiege hinunter, daß er alle Viere bricht.«
Das sprach der junge Steffelbauer, der im Gesichte rot wie ein Krebs war und mit großen Schritten in der Stube auf- und niederschritt.
»Tu Dich nur nicht gleich so ereifern«, meinte darauf der alte Steffelbauer, der seit fünf Jahren den Auszug im Hof hatte, »tu Dich nur nicht gleich so ereifern, wirst ja auch einmal den Mädeln auf den Dachböden nachgestiegen sein.«
»Niemals«, gab da der junge Bauer scharf zurück.
»Bist auch einmal jung gewesen.«
»Niemals«, brauste der Bauer noch heftiger auf.
»No, wie bist denn da zu Deinem Weib gekommen, Gott hab’ sie selig Hm?«
»Wie ich dazu gekommen bin? In Zucht und Ehren! Am Abend bin ich ins Haus gegangen, in die Wohnstube, versteht ihr? und bin da mit ihr und Vater und Mutter und den Dienstboten und den Dienstleuten beisammen gesessen. Und wie die Zeit kommen ist, bin ich halt ‘gangen. Höchstens, daß sie mich bis zum Haustor begleit’ hat.« Er machte eine Pause, dann fuhr er fort, indem er sich kerzengerade vor den Alten hinstellte: »Ihr solltet es gar nicht gutheißen, daß hier im Hause etwas Unordentliches vorbeigeht, versteht Ihr?«
»Haltein«, sprach jetzt der Alte, »haltein! Kannst Du es auch beweisen, daß zwischen den zweien etwas vorbeigegangen ist? Deshalb, weil er bei ihr in der Bodenkammer gewesen? Hast Du ihn etwa in Deine Stuben eingeladen? Oder soll er bei hellichtem Tage, wenn die Magd bei ihrer Arbeit ist, ihr nachlaufen? Möchtest Dich schön bedanken! Sei lieber froh, daß Du ein sauberes, fleißiges Mädel hast, heutzutage, wo der Bauer kaum mehr einen gescheiten Dienstboten auftreibt.«
Das wirkte. Der junge Bauer sagte auf das kein Wort. Er langte nach seiner Pfeife, stopfte bedächtig und setzte sich auf die Ofenbank. Der Alte tat desgleichen. Und so saßen sie nach Bauernart und rauchten und sprachen kein Wort. Wie es dann Zeit geworden, gieng der Alte mit kurzem Gruße in seine Schlafkammer.
Was hatte sich eigentlich zugetragen, das den Steffelbauer so in Harnisch gebracht hatte? Ja nun, er war am gestrigen Abend, als er schlafen gieng, auf der Bodenstiege dem Wastl, der Knecht des Nachbarn war, begegnet, und da der Wastl nirgends anderswo, als bei des Bauern junger Magd gewesen sein konnte, hieß ihn der Bauer so schnell als möglich fortzukommen, sonst würde er ihm helfen. Was sich aber der Bauer nicht einbekannte, der Alte aber wohl durchsehen hatte, war nicht einzig und allein die Tugendwächterei, es war so etwas wie Eifersucht im Spiele. Der Steffelbauer war seit Jahr und Tag verwitwet, nicht aber, daß er selber auf die Magd unlautere Absichten gehabt, dazu war er viel zu ehrbar, aber was er nicht genießen konnte, das sollte auch ein anderer nicht haben, und darin hatte er nicht einmal so sehr Unrecht. Und derohalben war er auch heute auf der Hut. Ehe er zu Bette stieg, gieng er in weitem Bogen um die Schlafstätte der Magd, ob er nichts Verdächtiges bemerke. Aber vom Bette derselben ertönte ein Schnarchen, als wäre sie seit vier Wochen nicht in die Federn gekommen.
*
Am andern Morgen war der Steffelbauer bald auf den Beinen. Heute hatte er etwas vor, worauf er sich allemal wochenlang freute: auf den Viehmarkt gehen. Wenn man sagt, daß reiche Leute in die Kur, arme gern wallfahrten gehen, so hieß es beim Steffelbauern, daß er von Herzen gern Vieh einkaufen gieng. So unter den gehörnten Wiederkäuern umherzuschlendern, musternd und prüfend, wie ein General, der eine Truppenschau abhält, das war ihm Lust und Wonne, umsomehr als er wie nicht gleich ein zweiter sich sagen konnte: Was Dir gefällt, das kaufst Du, denn der Steffelbauer war ein Mann in sehr guten Verhältnissen.
Deshalb war er also heute bald aus den Federn gekrochen. Nachdem er seine Morgensuppe gegessen und sich beim Geldschranke, der in der Schlafkammer stand, zu schaffen gemacht, ohne - ohne drei bis vier Tausender gieng der Steffelbauer nicht einkaufen - machte er sich auf den Weg. Auf dem Kreuzweg vor dem Dorfe begegnete er dem Hirten-Matz. Der war ein übelbeleumundetes Subjekt und stand insbesonders im Rufe, gerne etwas, das ihm nicht gehörte, gelegentlich mitgehen zu lassen. »Willst was verdienen, Matz?« frug leichthin der Bauer. »Warum denn nicht?« meinte neugierig der Matz. »Gehst mit auf den Viehmarkt und tust mir die Ochsen treiben.« - »Keine Zeit«, sagte der Matz und trachtete davon. Der Bauer lachte, dann schritt er rüstig aus, hatte er doch zwei Stunden bis zur Station, dort trank er einen Frühschoppen und fuhr dann mit dem Zuge nach dem Kirchdorfe. Da mußte er auf die Lokalbahn übersteigen und dann noch zwei oder drei Stationen weit fahren, um alsdann an Ort und Stelle zu sein.
Heute war der Markt besonders belebt. Das Frühjahr war ungewöhnlich bald angebrochen, auf den Feldern hatte schon die Arbeit begonnen und die Nachfrage nach Zugvieh war von Tag zu Tag größer geworden. Von weither waren die Händler gekommen und hatten lange Reihen zusammenkoppelten Viehes auf dem Markte aufgetrieben. Aber auch Bauern waren da, welche größere oder kleinere Trupps von Ochsen und Kühen feilboten, die sie über Winter fett gefüttert und nun mit gutem Gewinn veräußern wollten. Dazwischen hinein traten die Käufer: Gutsbesitzer und Bauern, welche starkes, schweres Vieh erstanden, und Häusler und Ausgedinger, welche lange um eine magere Kuh feilschten und sie zuletzt noch stehen ließen. Da und dort entstand ein heftiger Lärm, ein Zanken und Streiten, wenn einer sich übervorteilt sah, aber immer wieder erscholl ein kräftiger Handschlag, das Zeichen eines eben abgeschlossenen Handels.
Der Steffelbauer war schon ein paar Mal um eine Herde außergewöhnlich schönen Viehes Simmentaler Rasse herumgegangen, die ein Hebräer feilbot, der eben mit einem adeligen Gutsbesitzer verhandelte. Die Preise, wie der Bauer beim Vorübergehen erfuhr, waren ein wenig hoch, aber den Bauer ritt der Teufel: er müsse dem Gutsbesitzer das schöne Vieh vor der Nase wegkaufen. Der Steffelbauer tritt also auf den Juden zu, was die zwölf Stück insgesamt kosten. »Dreitausend Gulden, keinen mehr, keinen weniger«, versichert der Hebräer. »Dabei gewinn ich nicht fünfzig Gulden, auf meinem Ehrenwort.« »Gilt«, sagt kurz der Bauer und schlägt ein, dabei um sich schauend, ob es denn die Leute sehen, wie er den Baron ausgekauft. Dann greift er in die Brusttasche, zieht die sammtene Geldtasche heraus, um dem Juden die Banknoten auf die Hand zu zählen. Da fängt der Steffelbauer an ein wenig zu wanken, er greift nochmals hinein, aber es ist kein Trug: nicht ein Guldenzettel steckt darin, aber auch nicht ein Guldenzettel! Jetzt fängt der ganze Jahrmarkt an sich mit all den Ochsen und Kühen und den Menschen um den Steffelbauer zu drehen, immer geschwinder... »Muß mein Geld verloren haben«, stößt er dann hervor. Die Bauern und die Händler machen ein mitleidiges Gesicht, und der Gutsbesitzer, der dem Steffelbauer ein wenige verächtlich den Rücken gekehrt, und der Hebräer beginnen neuerdings zu handeln mitsammen.
Wie dann der Steffel allein draußen auf der Landstraße steht, kommen ihm mählich die Gedanken wieder. Er hat das Geld gar nicht verloren, kann gar nicht sein, nicht einmal eingesteckt hat er es, er hat den Geldschrank geöffnet, aber dann vergessen, das Geld zu sich zu stecken. Aber er hat die Truhe offen gelassen und die Dachkammer steht offen und das Hofthor steht offen und in der Truhe liegen an die zehntausend Gulden. Aber Steffelbauer, sagt er dann zu sich selbst, sie liegen ja gar nimmer drinnen, sie sind längst gestohlen...
Dann fängt der Bauer an zu gehen, schwerfällig wie die Bauern gehen, dann rascher, immer rascher, dann läuft er, so geschwind ihn die Beine tragen, schnurstracks nach der Station. Aber der letzte Zug ist weggefahren schon. Geht der Steffelbauer also weiter, er denkt und sieht nicht, er geht nur, er geht an zwei, drei Dörfern vorbei, dann wird es dunkel. Er überrechnet, daß er so in den Morgenstunden nach Hause kommen könnte. In den Morgenstunden! Also geht er weiter. Wie er in das Kirchdorf kommt, verlöschen hinter den Fenstern die letzten Lichter. Da kommt dem Steffelbauern der erste gescheite Gedanke: beim Sternwirte, der ihm ein guter Freund ist, anklopfen, ob ihn der nicht auf seinem Steyrerwagen nach Hause fahren möchte. Und der Sternwirt, der gerade ins Bett steigen will, der tut es. Aber bis dieser in die Kleider gestiegen, der Wagen aus dem Schupfen geholt, ehe das Pferd gezäumt und eingespannt ist, vergeht eine qualvolle halbe Stunde. Dann klettert der Steffelbauer mühselig auf den Wagen, zusammengekauert wie ein geschlagener Hund liegt er auf dem Sitze, dann geht es auf der holprigen Dorfstraße in die Nacht hinaus. Nach zwei Stunden hält endlich der Wagen vor dem Dorfe. »Sternwirt«, sagt der Steffel, »kannst umkehren, vergelt' Dir’s Gott einstweilen.« Dann schlürft er langsam durch das Dorf, wo schon die Hähne krähen, immer langsamer, als wenn er den Augenblick hinausschieben möchte, wo das Furchtbare zur Gewißheit wird. Jetzt taucht der Steffelhof aus der grauen Dämmerung empor, das Tor ist offen und das Fenster der Dachkammer steht offen. Wie der Bauer jetzt an die Haustüre tritt, stolpert er, vor ihm liegt etwas, das rührt sich jetzt und winselt wie ein Tier, das im Walde geschossen ist und sich nicht helfen kann. »Steffelbauer, am Ende seid Ihr’s selber«, sagt es dann. »Das bin ich schon und bist denn Du nicht der Hirten-Matz, dem ich gestern in der Früh begegnet?« »Bin’s, Steffelbauer«. »Und Du hast mein Geld gestohlen, gelt, Hirtenmatz?« »Bin nicht so weit kommen, Steffelbauer«. »Weil Du es halt nicht gefunden hast, gelt Matz?« - »Bin nicht so weit kommen, weil mich einer, kaum daß ich eingestiegen war, wieder hinausgeworfen hat. Und höllisch hart bin ich gefallen, Bauer, hab mir das rechte Bein zerschlagen«. »Das geschicht Dir schon recht, Matz«, meint der Steffel, »also hinausgeworfen hat Dich einer«, und da geht ihm ein Licht auf. »Bleib Du nur liegen, ich komm schon wieder«, sagt er noch, dann geht er still ins Haus, steigt die Bodenstiege hinauf, tritt auf den Zehen in die Kammer, da steht die Truhe sperrangelweit offen. Der Steffel zündet sich einen Span an, ein Haufen Banknoten liegt da und er fängt an zu zählen: von eins bis hundert, von eins bis hundert, so an die zehn Mal. Dann tut der Steffelbauer einen tiefen Atemzug, er verlöscht die Leuchte, sperrt die Truhe ab und steckt den Schlüssel in die Hosentasche.
»Matz, wirst den Bader brauchen«, sagt er dann unten zum Hirten-Matz, »werd’ ihn holen lassen. Wie Du heut Nacht verunglückt bist, braucht niemand zu wissen, verstehst mich, Hirten-Matz?« Dann bringt er diesen in seine Behausung, und wie es hell geworden, schickt er den Hütbuben in die Stadt nach dem Doktor. Tags über geht dann das Leben im Steffelhofe seinen gewöhnlichen Gang. Die einen wissen nichts von dem nächtlichen Ereignis, und die andern, die es wissen, die hüten sich, ein Wort zu sagen.
Am Abend richtet es dann der Steffelbauer ein, daß er mit des Nachbars Knecht zusammentrifft. »Wastl«, sagt er zu dem vertraulich, »hast mir heut’ Nacht einen aus dem Fenster geworfen; warum denn?« »Steffelbauer«, sagte der darauf, »wißt Ihr, Ihr habt schon mich alleweil nicht gern bei Euch gesehen, da hab’ ich mir gedacht, was soll da noch ein zweiter drinnen?« »War schon recht so«, meint darauf der Bauer und steckt dem Wastl etwas in das Leibtaschl. »Ich tät’s nicht nehmen«, sagt darauf der Wastl, indem er das Ding tiefer hineinschiebt, »aber zum Heiraten brauchst Geld.« »Zum Heiraten?« verwundert sich der Steffel. »Ja, Bauer«, meint nachdenklich der Wastl, »wird sich nimmer länger hinausschieben lassen das Heiraten, von wegen..., Ihr wißt schon.«
»Denk mir’s«, nickt verständig der Bauer, »also dann heirat’ nur, und wenn Dein Erstes zur Welt kommt, dann denk’ an den Steffelbauer.«
Und der Bauer hat Wort gehalten. Er hat des Wastl ersten Buben selber zur Kirchen gefahren und das ganze Dorf hat sich nicht wenig gewundert, daß der reiche Steffelbauer einen Knechtbuben aus der Taufe gehoben hat.