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Der Himmelsglaube ist nicht Wahn
und bringt nicht Wahn, –
Er erlöst vom Wahn.
Schreibweise und Interpunktion der Gedichte folgen der Originalausgabe von Friedrich Ernst Fehsenfeld
Ich fragte zu den Sternen
wohl auf in stiller Nacht,
ob dort in jenen Fernen
die Liebe mein gedacht.
Da kam ein Strahl hernieder,
hell leuchtend, in mein Herz
und nahm all meine Lieder
zu dir, Gott, himmelwärts.
Ich fragte zu den Sternen
wohl auf in stiller Nacht,
warum in jene Fernen
er sie emporgebracht.
Da kam die Antwort nieder:
»Denk nicht an irdschen Ruhm;
ich lieh dir diese Lieder;
sie sind mein Eigentum!«
Ich fragte zu den Sternen
wohl auf in stiller Nacht:
»Gilt dort in jenen Fernen
auch mir die Himmelspracht?«
Da klang es heilig nieder:
»Du gingst von hier einst aus
und kehrst wie deine Lieder
zurück ins Vaterhaus!«
Grüß Gott, du liebes Tröpflein Tau!
So einen Schmuck gibt es wohl nimmer:
Von jedem Hälmchen auf der Au
spitzt es wie Diamantenschimmer.
Entstammt der Erde, harrst du froh
dem holden Morgenlicht entgegen.
Tränkst deinen Halm und wirst ihm so
nicht nur zur Zierde, auch zum Segen.
Kommt dann aus gold –\1brokathem Tor
die Königin des Tags gestiegen,
so strebst du sehnsuchtsvoll empor,
dich ihrem Strahle anzuschmiegen.
Du fühlst, du bist ihr untertan,
du kannst nicht ohne sie bestehen
und wirst gezogen himmelan.
In ihrem Kusse aufzugehen.
Ein solches Tröpflein bin auch ich
am Lebensmorgen einst gewesen,
ein Tröpflein, das den andern glich,
nicht auserwählt, nicht auserlesen.
Ich hing nicht hoch, ich wurde nicht
von einer Rose stolz getragen;
tief unten sah ich auf zum Licht
und durfte kaum zu hoffen wagen.
Da stieg sie auf, so himmlisch klar,
so gnadenreich, voll Welterbarmen,
und mich trieb es so wunderbar,
mit ihr die Menschheit zu umarmen.
Es war, als ob ich beten müßt:
»O komm, und stille mein Verlangen!«
Da hat die Liebe mich geküßt,
und ich bin in ihr aufgegangen.
Ich sehe Berge ragen
dort an der Steppe Rand.
Es soll mein Fuß mich tragen
hinauf ins bess're Land.
Dort ladet, wie ich glaube,
zur Ruhe man mich ein,
und von dem Wanderstaube
werd ich gereinigt sein.
Ich sehe Berge ragen
empor zum geistgen Ziel.
Es türmen sich die Fragen,
doch frage ich nicht viel.
Es wird ja doch beim Steigen,
halt ich zuweilen an,
sich ganz von selber zeigen,
wie weit ich schauen kann.
Ich sehe Berge ragen
bis in des Lichtes Reich.
Der Glaube wird mir sagen
den Weg, den rechten Steig.
Dort find ich offne Türen:
Mein Engel tritt heraus
und wird mich weiter führen
bis in das Vaterhaus.
Ihr sucht und sucht: »Wo ist die Ewigkeit?«
»Jenseits des Todes! Über unsern Sternen!
Hier ist die Zeit, und grad nur in der Zeit
hat für das ewge Leben man zu lernen.
Hier sind die Jahre, Monde, Tage, Stunden;
wir leben nach des Uhrenzeigers Lauf.
Hat er die Zwölf, die Mitternacht, gefunden,
so kommt die Ewigkeit, die Zeit hört auf.«
So wird von euch gesprochen und gedacht;
so hören es die Schüler von den Meistern,
und während Einer frech darüber lacht,
läßt sich der Andere davon begeistern.
Ihr meint, die Ewigkeit sei nur zu glauben,
sei eine Zweifelssache, ein Vielleicht,
und sendet aus der Arche eure Tauben,
von denen keine auf zur Wahrheit steigt.
So hört es denn: Die Ewigkeit ist dort,
ist hier, ist vor und nach euch, allerorten,
der Zeitenraum, der grenzenlose Ort,
der nur im Wechsel endlich ist geworden.
Sobald die ewge Liebe schöpfrisch handelt,
hat ihren Ratschluß sie in Form gebracht
und die Unendlichkeit in Zeit verwandelt,
doch diese Zeit als ewig sich gedacht.
So lebt ihr also in der Ewigkeit;
euch ward die Gnade, sie als Zeit zu fassen.
Benützt ihr sie, so wird als Seligkeit
der Herr sie euch für ewig, ewig lassen.
Wer dies nicht tut, dem steht der Abgrund offen.
Aus dem die Erdenstunde ihn gebar,
und nur vom Himmel ist für ihn zu hoffen,
daß er das wieder wird, was hier er war.
Ich bleib dir treu. Du wardst mit mir geboren
als mein Begleiter für das Erdental.
Wir gingen uns niemals, niemals verloren;
ich war die Welt; du warst mein Sonnenstrahl.
Ja, ich die Welt! Es ist der Schöpfung Ganzes
im Menschen klein, doch völlig dargestellt,
und atmet es im Lichte deines Glanzes,
so ist es eine große, schöne Welt.
Ich bleib dir treu. Es wechselten die Zeiten
es kamen Jahre, Monde, Tag und Nacht.
Sie waren Bilder einstger Ewigkeiten,
und du hast sie verständlich mir gemacht.
Ich leb ein äußres und ein innres Leben,
eins mehr für hier, das andre mehr für dort,
und soll ich beiden Ziel und Richtung geben,
so find ich nur durch dich das rechte Wort.
Ich bleib dir treu, du herrlicher Gedanke,
daß Gott auch meine kleine Welt regiert.
Vor dir fällt jede, auch die letzte Schranke,
an welcher selbst der Mut den Mut verliert.
Du warst die einzge Leuchte mir auf Erden
und wirst sie mir für ewig, ewig sein.
Wer darnach trachtet, selig einst zu werden,
der wird es nur durch dich, durch dich allein.
Liebe
Es ward vom Herrn ein großes Wort geschrieben,
wie größer es kein andres, zweites gibt:
Wer Liebe finden will, muß selbst auch lieben,
weil nur empfangne Liebe wieder liebt.
Und bliebe sie auch ohne Gegenspende,
so ist sie ja die ewge Gotteskraft,
die aus sich selbst heraus und ohne Ende
sich stete Fülle, neue Gaben schafft.
Es ward vom Herrn ein großes Wort geschrieben
wie größer es kein andres, zweites gibt:
Nur der versteht es, recht und wahr zu lieben,
der die empfangne Liebe weiterliebt.
So soll von Sieg zu Sieg sie stetig streben,
allgegenwärtig wie der Sonnenschein,
zur Allmacht werden auch im Erdenleben
und die Befreierin der Menschheit sein.
Es war vom Herrn ein großes Wort geschrieben,
wie größer es kein andres, zweites gibt:
Einst wird das Kind so, wie der Vater lieben,
die Kreatur so, wie der Schöpfer liebt.
O Gott, o Liebe, nimm mich ganz zu eigen;
ich gebe mich dir durch dich selber hin.
Führ mich in dich, und laß zu dir mich steigen,
bis einst ich auch nur Liebe, Liebe bin!
Du rechnest nach der Zeit der Erde
und ahnst noch nichts von Himmelszeit.
Nach welcher Gott wohl rechnen werde,
darüber weißt du nicht Bescheid.
Zwar hast du dem metallnen Munde
die irdschen Zeichen eingeprägt,
doch hörst du nicht die wahre Stunde,
die tief in deinem Innern schlägt.
Durch deine Zeit ward dir geboren
des Lebens ganze, schwere Last;
die wahre Zeit ging dir verloren,
weil du sie nicht begriffen hast.
Nun schmerzt dich manche, manche Wunde,
doch machte keine noch dich klug:
Du hast versäumt die Gottesstunde,
als sie in deinem Innern schlug.
Will's Gott in seiner Gnade geben,
daß sie dir nochmals schlagen mag,
so trittst du in ein neues Leben
an deinem ersten Himmelstag.
Nur lausche, lausche stets der Kunde,
die dir sein Engel abwärts trägt;
versäume nicht die Gottesstunde,
wenn wieder an dein Herz sie schlägt!
Werdet frei! Ihr windet euch in Ketten,
und der Glaube nur kann euch befrein.
Werdet frei! Gott möchte gern euch retten,
aber grad durch ihn wollt ihrs nicht sein.
Ist’s so schwer, Verehrung dem zu zollen,
der da war und ist in Ewigkeit?
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!
Kam der Hauch des Herrn zur Erde nieder,
daß des Fleisches Ackerknecht er sei?
Öffnet ihm die Heimatspforte wieder;
macht ihn vom Gesindedienste frei!
Längst schon ist des Himmels Ruf erschollen;
ihn zu hören, ist’s nun höchste Zeit.
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!
Hält die Fremde euch denn so gefangen,
daß ihr eure Heimat nicht mehr erkennt?
Könnt ihr nicht mehr zu dem Wort gelangen,
welches euch beim rechten Namen nennt?
Wenn sie es euch offenbaren sollen,
sind viel heil'ge Stimmen gern bereit.
Werdet frei! Ihr braucht es nur zu wollen;
werdet frei, die ihr jetzt Sklaven seid!
Wie ist der Himmel doch so weit
entfernt von mir mit seinen Sternen!
Er baut zur Grenzenlosigkeit
sich auf durch unmeßbare Fernen.
Es reicht mein schwacher Blick nicht hin,
mir nur die nächste Welt zu zeigen;
ich fühle, daß ich Erde bin,
nicht wert, zu ihr empor zu steigen.
Wie ist der Himmel doch so nah!
Er strahlt in mir mit tausend Sternen.
Fühl ich ihn nicht, er ist doch da;
ich muß ihn nur erfassen lernen.
Die ganze Unermeßlichkeit
der Liebe darf ich in mir tragen;
es hemmt sie weder Raum noch Zeit,
mich auf zu Gott, dem Herrn zu tragen.
Unendlich und doch endlich ist
der Himmel um die kleine Erde,
doch du in meinem Herzen bist
der, den ich ewig haben werde.
Was andern Himmeln drohen mag.
Dir hat es nicht und nie zu gelten:
Für dich gibt’s keinen letzten Tag
und keinen Untergang der Welten.
Wie ist der Himmel doch so weit,
und wie so nahe kann er liegen,
wenn über unsre Blödigkeit
der Glaube und die Liebe siegen.
Ich blick empor; ich schau in mich;
dort darf ich nichts, hier Alles hoffen.
Mein Gott und Herr, ich bitte dich,
erhalt mir diesen Himmel offen!
Es fiel ein Stern, habt ihr gedacht,
aus weiten, unbekannten Fernen.
Ging unter er in dunkle Nacht?
Blieb er am Himmel bei den Sternen?
Ist’s eine Welt, die im Entstehn
sich Kraft und Stoff zu holen strebte?
War’s eine Welt, die im Vergehn
durchs Leuchten sich zu Ende lebte?
Das werdet ihr vielleicht, vielleicht
durch eure Rohre noch ergründen,
jedoch wer ihren Weg ihr zeigt,
kann nur der Glaube euch verkünden.
Schau auf, schau auf zum Firmament,
und laß von ihm dir zeigen:
Von allen Sternen, die ihr kennt,
hat keiner Licht zu eigen.
Trotz ihrer Größe, ihrer Zahl
sind sie nur Lichtverbreiter;
ein jeder nimmt des andern Strahl
und gibt ihn folgsam weiter.
Der einz'ge Sonnenquell des Lichts
ist des Allmächt'gen Liebe,
und selbst auch diese wäre nichts,
wenn sie nicht leuchtend bliebe.
Sie geht im Strahlenkleide aus,
sich selbst der Welt zu geben,
macht jeden Stern zu Gottes Haus
und küßt ihn wach zum Leben.
Schau auf, schau auf zum Sternenzelt,
und laß von ihm dir sagen:
Die Liebe wird von einer Welt
der andern zugetragen.
Gibt sie ein Stern dem andern nicht,
weil er Gott nicht verstanden,
so ist er für sie ohne Licht
und also nicht vorhanden.
Ich sah dich oft in stiller Nacht.
Du nahmst ins Rohr des Himmels Sterne
und hast darüber nachgedacht,
wie man sie wohl ergründen lerne.
Ist’s um die Körper dir zu tun,
so magst du deiner Forschung leben.
Die Wissenschaft darf nimmer ruhn;
es ist ihr Schweres aufgegeben.
Doch weiter, weiter trachte nicht;
die Allmacht läßt sich nicht bestehlen.
Gott gab den Sternen zwar das Licht,
sie zu ergründen, wird dir’s fehlen.
Der Weg zum rechten, wahren Schaun
steigt nicht empor auf Prismenstrahlen.
Es ist da Andres aufzubaun
als Logarithmen –\1Dezimalen.
Den großen Weltzusammenhang
regiert allein die Hand des Einen,
durch die sich wie ein Lobgesang
die Sphärentöne hell vereinen.
In seiner Wunder ewgem Reich
ist keines seiner Schöpfungsworte
und nie ein Ton dem andern gleich
und doch harmonisch im Akkorde.
Willst du ein Intervall verstehn
von deinem Standpunkt aus, der Erde,
so mußt du bittend zu ihm gehn,
ob er es dir erlauben werde.
Dann lausche demutsvoll und still,
dein ganzes Sein ihm zugewendet,
bis er dein Flehn erhören will
und einen seiner Boten sendet.
Der nimmt und trägt dich hoch empor,
wo keine Gegenklänge stören,
und dann wirst du im Weltenchor
die Stimme deines Sternes hören.
Geh hin, mein Herz, und kniee nieder,
und sprich: »Nimm mich, o Vater, wieder!«
Im Himmel war ich mir zu klein;
ich wollte Herr der Erde sein,
und um sie ganz und gar zu erben,
gab ich den kühnen Preis, zu sterben.
Geh hin, mein Herz, und kniee nieder,
und sprich: »Nimm mich, o Vater, wieder!«
Mir war zu eng die Ewigkeit;
ich trat als Sünder in die Zeit
und hab in keiner ihrer Stunden
das, was ich mir versprach, gefunden.
Geh hin, mein Herz, und kniee nieder,
und sprich: »Nimm mich, o Vater, wieder!«
Ich war verblendet. war betört,
als ich mich gegen dich empört,
und will es niemals wieder wagen,
dich nach dem Herrscherrecht zu fragen.
Geh hin, mein Herz, und kniee nieder,
und sprich: »Nimm mich, o Vater, wieder!«
Jetzt ist die Erde mir zu klein;
ich will im Himmel wieder sein
und bin bereit, um ihn zu erben,
dem Irdschen wieder abzusterben.
Gib mir, o Mensch, was mir gehört,
und gib der Welt, was sie dir borgte,
so ist sofort der Wahn zerstört,
daß sie mehr als ich für dich sorgte.
Du bist aus deinem Vaterland
als Gast zu ihr hinabgegangen
und hast dafür aus ihrer Hand
nichts als die Sünde nur empfangen.
Nun will sie durch die Gleisnerin
dich fest und fester an sich binden.
Es soll des Kindes Heimatssinn
das Vaterhaus nicht wiederfinden.
Drum gib die Sünde ihr zurück,
und mach dich frei von ihren Ketten;
bei mir liegt all dein Heil, dein Glück,
und nur die Umkehr kann dich retten.
Hinauf zu dir will ich nur immer denken,
hinauf zu dir, der ewig mein gedenkt.
Zu dir, will meinen Flügelschlag ich lenken,
zu dir, der all mein Sehnen zu sich lenkt.
Es sind nicht stolze Höhen zu ersteigen
es ist kein Flug, wie der Phantast ihn liebt,
und doch gilt es, das Höchste zu erreichen,
was es auf Erden für den Himmel gibt.
Hinab in mich will ich nur immer denken,
wo es so falsch, so irrig für mich denkt.
In mich hinab will meine Kraft ich senken,
der andern nach, die sich dorthin gesenkt.
Es sind nicht graus'ge Tiefen zu ergründen,
so weit hinab wie vorher himmelan,
und dennoch ist der Abgrund unsrer Sünden
das grausig Tiefste, was es geben kann.
Hinauf, hinab will ich nur immer denken,
so wie man dort ja meiner stets gedenkt;
dann werd ich mir das Allerhöchste schenken,
nachdem ich mir das Tiefste, mich, geschenkt.
Es ist nicht schwerer Rätsel Sinn zu lösen;
es stürzt kein Himmel, keine Erde ein;
nur möchte ich mich reinigen vom Bösen
und gern ein Mensch nach Gottes Willen sein:
Steig nieder, liebes, heilges Wunder,
das ich gern fassen möcht und doch nicht kann.
Senk dich zu mir, in mich herunter,
und zünd in mir des Altars Kerzen an.
Sie harren dein, schon lange dir bereit;
o komm, o komm, es ist wohl an der Zeit!
Steig nieder, liebes, heilges Wunder,
das ich gern fassen möcht und doch nicht kann.
Bring deinen Himmel mir herunter,
und zünd am meinigen die Sterne an.
Sie harren dein, schon lange dir bereit,
und sollen leuchten bis in Ewigkeit.
Steig nieder, liebes, heilges Wunder,
das ich gern fassen möcht und doch nicht kann.
Dann geht zwar dein Geheimnis unter,
doch bricht für mich der Tag des Schauens an;
im Jubelton erschallt der Selgen Chor,
und du trägst mich zum Wiedersehn empor.
Ich gehe fort, und dennoch geh ich nicht.
Ade, mein Heim, und doch auch nicht ade!
Ich scheide zwar, doch !eist ich nicht Verzicht,
daß ich dich einst nach Jahren wiederseh.
Ob dich mein Fuß für eine Zeit verläßt,
du hältst doch meine ganze Seele fest.
Ans Land, wo meine Wiege einst gestanden,
bleib ich gekettet mit geheimen Banden.
Ich gehe fort, und dennoch geh ich nicht.
Ade, lieb Mütterlein, und nicht ade!
Ob auch der Mund das Wort des Abschieds spricht,
das Herz weiß doch, daß ich nicht von dir geh.
Treibt das Geschick mich in die Welt hinaus,
es scheint nur so; ich bleib bei dir zu Haus.
Wohl mag der Gram mein Gehn ein Scheiden nennen,
die Ferne kann nie Sohn und Mutter trennen.
Ich gehe fort, und dennoch geh ich nicht.
Ade, ihr Lieben, und doch nicht ade!
Trägt mich der Tod jetzt auf zum ewgen Licht,
wißt, daß unsichtbar stets ich bei euch steh.
Von Gott zu eurem Schutz herabgesandt,
halt über euch ich meine treue Hand.
Es stirbt der Körper nur, und nach dem Tode
wird mein Gebet für euch ein Himmelsbote.
Es ging ein Heil von oben aus,
vom Paradies, vom Vaterhaus.
Die Engel trugen es zur Erde,
damit es uns zu eigen werde.
Doch bleibt dem menschlichen Verstand
die Gottesbotschaft unbekannt,
weil er das, was er denkt und dichtet,
nach außen, nicht nach innen richtet.
Er faßt in seiner Prosa nicht
des Himmels herrlichstes Gedicht.
Zum Herzen nur ist es gekommen
und wird von ihm allein vernommen.
Komm her, und sprich ein einzig Wort,
ein Wort, so kinderleicht zu sagen.
Komm her, und geh nicht wieder fort;
du brauchst vor mir ja nicht zu zagen.
Ich warte schon so lange dein;
o laß es nicht vergeblich sein!
Du sprachst als Kind dies liebe Wort
so oft und gern, wenn du gelitten;
es ward gehört am rechten Ort:
Das Vaterherz ließ sich erbitten.
wie ist dies Wort so klein, so klein,
und doch kann keines größer sein.
Nun bist du längst das Kind nicht mehr,
das du einst warst in jenen Tagen,
und wie so lang ist der nicht mehr,
dem du dein Leiden durftest klagen.
Er ging; doch trat ich für ihn ein;
die Liebe kann nicht sterblich sein.
Drum sprich dies Wort nun auch zu mir;
es kann dir doch so schwer nicht fallen.
O, hörtest du's im Himmel hier
von aller Sel'gen Mund erschallen!
Sprich »Vater«, nur dies Wort allein,
und ich will dir es ewig sein!
Geh hin, und schau in dich hinein
bis in die tiefsten Herzensfalten;
dann stellt sich die Erkenntnis ein:
Du mußt dich gänzlich umgestalten.
In Gottes Buche steht ein Wort:
»Es sei denn, du wirst neu geboren,
so sinkst du hier und bist für dort
und für die Seligkeit verloren.«
Geh hin, und bitte Gott, den Herrn,
er wolle gnädig dir verzeihen.
Er tut es; ja, er tut es gern,
ob auch der Fehler viele seien.
Doch wer vielleicht sich darauf stützt,
daß Gottes Gnade Alles wende,
und seine Zeit und Kraft nicht nützt,
für den geht plötzlich sie zu Ende.
Geh hin, und sündige nicht mehr;
dir wird sehr viel, sehr viel vergeben.
Wird dir die Läuterung zu schwer,
so fehlt der Ernst, sie zu erstreben.
So sehr du dich dagegen bäumst,
zum Scherz bist du hier nicht auf Erden,
und Alles, was du jetzt versäumst,
muß nachgeholt, gebüßt einst werden!
Streckt sich bittend dir entgegen
eines Bettlers arme Hand,
sei ein Teil ihr von dem Segen,
der dir wurde, zugewandt.
Güter, die dir Gott gegeben,
sind für Andre dir geliehn,
und nur was du für das Leben
brauchst, sollst du davon beziehn.
Gehst du dennoch da vorüber,
wo Erbarmung nötig ist,
o, so denke dort hinüber,
wo du auch nur Bettler bist!
Vergib, mein Herz, so wird auch dir vergeben;
nie trage nach; nie pflege deinen Zorn!
Es strömt aus dir im Blute mir das Leben;
für Andre sei ein steter Freudenborn.
Gott machte dich so reich, so reich an Habe,
doch meine nicht, sie sei für dich allein.
Indem du gibst, empfängst du selbst die Gabe;
die allerschönste aber ist – – – verzeihn.
Vergib, mein Herz, so wird auch dir vergeben;
denk nicht, du stehest nicht in Andrer Schuld!
Wie lange willst du in derselben schweben?
Wie oft verlangst du, und wie viel, Geduld?
Des Nächsten Konto hältst du aufgeschlagen
und stöberst seinem Soll und Haben nach;
geh einmal hin, um bei ihm anzufragen,
wie's mit dem deinigen wohl stehen mag!
Vergib, mein Herz, so wird auch dir vergeben;
schau doch empor, und sag, du zitterst nicht!
Du magst es noch so sehr zu leugnen streben,
da oben wartet deiner das Gericht.
Dann wirst du nicht nach deinem Maß gemessen,
nach welchem du dir so gerecht erscheinst;
drum wolle ja die Mahnung nie vergessen:
»Vergib mein Herz!« Das rettet dich dereinst!
Hüte dein Auge; bewache es immer,
denn deine Seele, sie zeigt sich darin,
sei es in sanftem, erbarmendem Schimmer,
Sei es verdüstert von grollendem Sinn.
Gutes und Böses bereiten die Hände;
segen und Fluch, sie entquellen dem Mund;
aber durch wundergeheime Verbände
tun sie vorher schon im Blicke sich kund.
Hüte dein Auge; bewache es immer,
nicht wegen Anderen, sondern für dich.
Täuscht dich sonst Alles, das Auge trügt nimmer,
denn auch nach innen entschleiert es sich.
Prüfe dich fleißig, so wirst du entdecken,
daß jede Regung ins Aug sich verirrt,
um dort verrät'rische Lichter zu wecken,
ehe zum Worte, zum Werke sie wird.
Hüte dein Auge; bewache es immer,
halte es stetig in sorgender Hut.
Fühlst du im Blick einen glühenden Flimmer,
warte und schweig, denn – – du bist jetzt nicht gut.
Warte und schweig, bis ein besseres Regen,
welches die sündige Wallung vertrieb,
zeit gewann, sich in dein Auge zu legen;
dann rede frei, denn – – du bist wieder lieb.
Streu Blumen aus auf deinem Lebenspfad;
sie sind dir ja dazu gegeben!
Dies Blumenstreuen ist die beste Saat
zur Ernte schon in diesem Leben.
Es kehrt ein jedes, auch bescheidnes Glück,
nachdem es wo ein Leid geendet,
Gewiß verdoppelt und sehr bald zurück
zu dem, der liebreich es gespendet.
Streu Blumen aus auf deinem Erdenpfad;
sie sind dir ja dazu gegeben!
Dies Blumenstreuen ist die beste Saat
zur Ernte auch in jenem Leben.
Es bleibt die Saat der Liebe ewig grün,
und ihre Blumen welken nimmer;
sie werden dir einst schon entgegenblühn
beim ersten Himmels –\1Morgenschimmer.
Streu Blumen aus auf deinem Erdenpfad;
sag nicht, du seist zu arm zum Geben!
Gelegenheit ist stets zur Liebestat,
und Blumen hat das ärmste Leben.
Meinst du, es müssen immer Rosen sein?
Gott kennt ja jede, jede Blüte.
Er fragt nicht, ob die Gabe groß, ob klein,
er mißt sie nur nach deiner Güte.
Schon weicht das Flache hinter mir;
die Ebene beginnt, zu steigen.
So naht das Herz, Jehova, dir,
wenn hinter ihm die Zweifel weichen.
Es ist, als ob am Horizont
ich Bergesspitzen leuchten sähe.
So reinigt, läutert, wärmt und sonnt
die Seele sich an Himmelsnähe.
Hinauf, hinauf! Ich raste nicht;
ich darf und mag nicht unten bleiben.
Mein frömmstes, herzlichstes Gedicht
will ich dem Glühn der Alpen schreiben.
Dann werde ich es heimlich, still,
in einem Kirchlein niederlegen;
vielleicht gereicht's, so Gott es will,
dem, der es findet, dann zum Segen!
Herr, gib mir Schwingen, aufzusteigen
aus dunkler Nacht zum hellen Licht!
Du willst mir deinen Himmel zeigen,
und ich, ich komm und komme nicht.
Es halten mich die Eigenschaften
des Staubes an der Erde hier;
ich aber will nicht unten haften;
hilf mir hinauf, hinauf zu dir!
Herr, gib mir Schwingen, aufzusteigen
aus dunkler Nacht zum hellen Tag!
Wie lange Zeit soll noch verstreichen
bis zu dem ersten Flügelschlag?
Soll bei der starren, irdschen Schwere
dies mein Gebet vergeblich sein,
so sende deiner Engel Heere,
daß sie mir ihre Flügel leihn!
Ja, gib mir Schwingen, aufzusteigen – – –
O Herr, ich steig, ich steige schon!
Ich seh die Nacht dem Tage weichen
und nähere mich deinem Thron.
Hinweg mit allen meinen Klagen,
denn was ich bat, das ist geschehn:
Ich fühle mich emporgetragen
und werde deinen Himmel sehn!
Ergib dich drein, du liebes Menschenkind,
daß deine Wege nicht die meinen sind.
Es kann nicht Alles so, wie du willst, sein;
du bist nicht Herr; ergib dich ruhig drein!
Ergib dich drein, und forsch und hadre nicht;
tu, was die heilge Stimme in dir spricht.
Sie flüstert dir das einzig Richtge ein;
sie täuscht dich nicht; ergib dich ruhig drein!
Ergib dich drein. Beschwerlich ist der Steg,
der deiner harrt, fernab vom breiten Weg.
Schlägst du ihn ein, schlägst du ihn gläubig ein,
so wird er dir ein Pfad zum Himmel sein!
Was tatest du, als ich dich einstens bat,
nach Gottes Wohlgefallen nur zu streben?
Ich wollte dir das Glück des Lebens geben;
nun aber sag, was galt dir da mein Rat?
Was tatest du, als ich dich einst belehrt,
daß deine Wege falsche Wege seien?
Ich wollte dich vom Bösen gern befreien;
nun muß ich fragen: Hast du dich bekehrt?
Was tatest du, als ich dich dann verließ?
Ich glaubte wohl, du werdest mich vermissen
und reuevoll um mich zu bitten wissen;
nun frag ich dich: Was hat geholfen dies?
Jetzt komme ich ein letztes Mal zu dir
und frage dich: Wozu bist du geboren?
Hörst du auch diesmal nicht, bist du verloren;
ich bin es, dein Gewissen. Folge mir!
Es naht ein ernster, heilger Tag,
an dem ich in mich forschen gehe,
nach Allem, was ich suche, frag
und vor mir selbst als Richter stehe.
Ich halte da ein streng Gericht
und prüfe nicht etwa gelinde,
damit dereinst bei Gott ich nicht
ein niederschmetternd Urteil finde.
Und wann kommt dieser ernste Tag?
An jedem Morgen kehrt er wieder
und schreibt der Stünden schweren Schlag
für einst und ewig in mir nieder.
Schau nicht, schau nicht so um dich her,
als ob da deine Welt sich breite.
Die Erde nicht und nicht das Meer,
zieh deinen Blick hinaus ins Weite.
Du wohnst hier nur im Wanderzelt;
die Heimat fordert all dein Sinnen,
und suchst du deine wahre Welt,
so richte deinen Blick nach innen.
Bau nicht, bau nicht ein festes Haus
als Heim auf irdschem Grund und Boden;
man trägt dich doch dereinst hinaus
und legt als tot dich zu den Toten.
Dein wahres Heim, es ist nur dort,
wohin du lebst und denkst, zu schauen,
und jede Tat und jedes Wort
trägst du ihm zu, um es zu bauen.
Trau nicht, trau nicht dem eb'nen Weg,
den Tausende durchs Leben wandern.
Weich ab, weich ab zum steilen Steg,
und laß sie lächeln, all die Andern.
Sieh auf die Toren nicht zurück,
und achte nicht auf ihre Stimmen;
denn wisse wohl, dein wahres Glück
liegt hoch und läßt sich nur erklimmen.
Frag doch einmal, und laß dir endlich zeigen,
wohin du kommst, wenn du so weitergehst.
Du sollst nicht abwärts sondern aufwärts steigen;
drum halte ein, und siehe, wo du stehst!
Frag nicht die Welt, nicht sterbliche Propheten;
schon Mancher, Mancher frug sie und beklagts.
Frag nur die Wahrheit, und sie wird dann reden;
frag nur den Himmel, und der Himmel sagts!
Und weißt du, wo du diese Wahrheit findest?
Und weißt du auch, wo dieser Himmel ist?
Ich sehe, wie du dich verlegen windest;
du weißt es nicht! Nun sag, bist du ein – – Christ?
Denk nicht an dich, wenn dir ein Weh
von irgend Jemand widerfährt:
Denk nur an ihn allein, und geh
dorthin, wo dich's Gebet verklärt.
Dann fühlst du wohl, daß im Verzeihn
ein zweifach großer Segen liegt:
Du hast nicht über dich allein,
du hast auch über ihn gesiegt.
Hast du gelebt? O, wolle Antwort geben:
Hältst du dein Leben wirklich für ein Leben,
das dich zu sich zurück, zum Leben, führt?
Wie weit bist du zum Urquell vorgedrungen,
dem deine Seele, dem dein Sein entsprungen,
dem deine ganze Strebenskraft gebührt?
Hast du geglaubt? O, wolle mir doch sagen,
wie viele wohl von deinen Erdentagen
den wahren, ächten Sonnenschein gekannt.
Der Glaube gibt Unendlichkeit des Schauens
im klaren, warmen Lichte des Vertrauens
und zeigt dir jenes, nicht nur dieses Land.
Hast du gewirkt? O, wolle mich verstehen:
Ich sehe fleißig dich zur Arbeit gehen;
du sorgst und kämpfest in und mit der Zeit.
Doch, öffnet sich dir einst die dunkle Pforte,
so knarren in den Angeln dir die Worte:
»Hast du gewirkt auch für die Ewigkeit?«
Ring dich nieder; ring dich nieder!
Welch ein Wort und wie so wahr.
Sag dir´s täglich, stündlich wieder;
werde dir darüber klar!
Ring dich nieder, um zu zeigen,
daß du deine Psyche kennst.
Du kannst dich nur dann erreichen,
wenn du von dir selbst dich trennst.
Ring dich nieder, bis zerronnen
ist dein ganzes, ganzes Ich;
dann hast Alles du gewonnen,
was verloren ist für dich.
Ring dich nieder; gehe unter,
bis du gänzlich dir entschwebst;
dann geschieht das große Wunder,
daß du tausendfältig lebst.
Ring dich nieder; ring dich nieder;
lös dich auf, und gehe ein;
sterbend auferstehst du wieder
und wirst ein Verklärter sein!
Greif zu, o Mensch, greif zu,
wenn dir der Himmel reicht die offne Hand,
sonst denke nicht, daß du
Einst seist im Buch des Glückes mit genannt.
Wer diesen Wink des Himmels nicht beachtet,
der sieht auch nicht des Himmels Ratschluß ein
und wird, wie er auch nach dem Glücke trachtet,
doch ohne Glück, so lang er trachtet, sein.
Greif zu, o Volk, greif zu,
wenn dir der Himmel reicht die offne Hand,
sonst denke nicht, daß du
einst seist im Buch der Völker mit genannt.
Wenn diesen Fingerzeig du nicht beachtest,
wirst du dem Tod, dem Untergang dich weihn
und, ob du auch nach Glanz und Führung trachtest,
doch unter Völkern nur ein Völkchen sein.
Greif zu, o Fürst, greif zu,
wenn dir der Himmel reicht die offne Hand,
sonst denke nicht, daß du
einst seist im Buch der Fürsten mit genannt.
Ein Herrscher der des Himmels Stimme achtet,
die ihn beruft, der Völker Heil zu sein,
bei dem stellt sich das Glück, nach dem er trachtet,
ja ganz von selbst, als Himmelsgabe, ein.
Geht nach dem Morgenland; vernehmt die Weisen,
die einst zum Saitenspiele dort erklungen.
Sie sollten Gott, den Einzigen, nur preisen
und wurden doch für Andre auch gesungen.
Die Sänger starben, doch seht ihr die Noten
der Lieder noch, wenn ihr vor Säulen steht,
und mit dem Auge hört ihr noch der Toten
Gesänge, wenn ihr durch die Trümmer geht.
Die Psalter und die Harfen sind zerbrochen,
zu denen Davids Stimme man gehört,
und wo der Herr durch Steine einst gesprochen,
liegt ihre Harmonie, ihr Reim zerstört.
Doch seht ihr wo ein Kapitäl noch ragen,
ein steinern Lied, im zarten Mondesschein,
so dürft ihr im Gedicht es heimwärts tragen
und der Verstorbnen fromme Erben sein.
Geht nach dem Morgenland; vernehmt die Weisen,
die dorten einst in Wort und Werk erklungen.
Sie sollten Gott, den Einzigen, nur preisen
und wurden doch für ihn nicht ausgesungen.
Die Töne hört, die sich aus Trümmern ringen;
vernehmt ihr Klagen, und befreiet sie;
dann wird in Euern Liedern neu erklingen
des Morgenlandes Gottespoesie!
Es klang ein Lied vom Himmelszelt
hell über allen Landen,
doch hat es in der weiten Welt
wohl Niemand recht verstanden.
Nur durch der Vöglein lauschend Ohr
ist tiefer es gedrungen
und wird seitdem als Frühlingschor
in Feld und Wald gesungen.
Doch wo man einen Menschen sieht
durch Busch und Auen gehen,
so kann er leider dieses Lied
noch immer nicht verstehen.
Komm her; komm her, du fremder Wandersmann;
geh nicht vorbei an unbekanntem Grabe.
Hör mich, ja auch um deinetwillen, an,
und glaube, was ich dir zu sagen habe!
Ein jeder Mensch, der nach dem Himmel strebt,
soll hier ein liebes, gutes Wörtlein sagen;
es wird der Seele, die da oben lebt,
auf Händen des Gebets emporgetragen.
Dort nimmt sie es mit Freuden in Empfang
und lächelt dankbar auf den Spender nieder,
und dieses Lächeln strahlt ihm lebenslang
das, was er gab, mit tausend Zinsen wieder.
Siehst du dort an des Abgrunds Rand
die Schar der Kinder sorglos schreiten?
Kaum noch die Breite einer Hand,
so ist der Sturz nicht zu vermeiden.
Zu ihren Füßen gähnt der Tod;
vor Angst will dir das Herz erkalten,
doch ob er grinst, und ob er droht,
sie werden unsichtbar gehalten.
Nun steig einmal, du stolzer Mann,
hinauf, desselben Wegs zu gehen!
Warum schaust du mich fragend an?
Warum bleibst du so zagend stehen?
Du fragst und zagst ja nie und nicht
auf deinen steilen Zweiflerspfaden;
wie kommt’s, daß jetzt der Mut dir bricht?
Ich glaub, ich habe es erraten.
Du wanderst kühn von Trug zu Trug
am Abgrund deiner geistgen Öde,
doch hier vor diesem Bergeszug,
da schwindelt dir, da wirst du blöde.
Nun schau hinauf zum Felsenjoch,
und sieh den sichern Gang der Kleinen:
Sie haben ihre Engel noch;
du aber sag, wo sind die deinen?
Ich saß im lieben, trauten Stübchen,
grad als der Tag dem Abend wich.
Mein kleines, süßes Herzensbübchen
schlang seine Ärmchen warm um mich.
Da strich, nicht etwa von der Sonne,
an uns vorbei ein lichter Schein,
und ich gedachte voller Wonne:
»Das wird des Kindes Engel sein!«
Ich wachte an dem Krankenlager.
es war so düster in dem Raum!
Der Leidenden Gesicht so hager;
man unterschied die Züge kaum.
Wir beteten; da plötzlich legte
sich um ihr Haupt ein lichter Schein,
der den Gedanken in mir regte:
»Das wird der Kranken Engel sein!«
Er stand vor mir im halben Dunkel,
die Klinge in der Faust bereit;
des Aug's verräterisch Gefunkel
gab mir zum Weichen nicht mehr Zeit.
Da, als er auszuholen wagte,
floß zwischen uns ein heller Schein;
es sank die Hand; ich aber sagte:
»Das wird vielleicht dein Engel sein!«
Es lag die Bibel aufgeschlagen,
und der Verleumder stand dabei,
um auf das heilge Buch zu sagen,
daß seine Lüge Wahrheit sei.
Da war ein fremder Ton zu hören,
wie überirdisch, warnend, fein.
Der Mann schrie auf: »Ich will nicht schwören,
denn das, das wird mein Engel sein!«
Bin ich dereinst bereit zum Scheiden,
und ihr steht weinend um mich her,
so mag es Tröstung euch bereiten,
daß ich zurück zum Vater kehr.
Habt Acht auf einen lichten Schimmer;
auf einen Ton, ersterbend lind,
und trifft es ein, so zweifelt nimmer,
daß dies dann meine Engel sind!
Ich hab gefehlt, und du hast es getragen,
so manches Mal und, ach, so lang, so schwer.
Wie das mich nun bedrückt, kann ich nicht sagen;
o komm noch einmal, einmal zu mir her!
Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen
zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist.
Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen;
o komm, o komm, und sag, daß du verzeihst!
Komm mir im Traum; komm in der Dämmerstunde,
wenn, Stern um Stern, der Himmel uns umarmt.
Bring mir Verzeihung, und bring mir die Kunde,
daß auch die Seligkeit sich mein erbarmt!
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Die Mutter ist so fromm; sie ist so rein,
und ich will so wie sie auch immer sein.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Sie ist so lieb; sie ist so mild, so gut;
ich sag ihr Alles, was mir wehe tut.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Geht sie dereinst in Gottes Himmel ein,
wird sie mein Engel, o mein Engel sein!
Sie trug mich stets auf ihren Armen;
sie lehrte mich den ersten Schritt,
und weinte ich zum Herzerbarmen,
so weinte sie erbarmend mit.
Wenn sie des Abends mich ins Nestchen
mit linder Segenshand gebracht,
so bat ich: »Bleibe noch ein Restchen«,
und meinte da »die ganze Nacht«.
Und wenn ein böser Traum mich schreckte,
so saß sie da beim kleinen Licht,
nahm weg den Schirm, der es bedeckte,
und sah mir liebend ins Gesicht.
Trotz ihrer hellen Augensterne
tat ich sodann die Frage doch:
»Ich träume ohne dich nicht gerne;
Großmütterchen, sag, wachst du noch?«
Zwar ist sie längst von mir gegangen;
ich selbst bin alt, fast schon ein Greis,
und fühl mich doch von ihr umfangen,
die mich noch jetzt zu segnen weiß.
Stets ist es mir, geh ich zur Ruhe,
als setze sie sich zu mir hin,
und wenn ich etwas Wichtges tue,
kommt sie mir hilfreich in den Sinn.
So oft ich Sterne leuchten sehe,
hell wie in meiner Jugendzeit,
hör ich ihr Wort: »Was auch geschehe,
du und dein Glück, ihr seid gefeit.«
Dann möcht ich, wie in jenen Tagen,
zwar überflüssig, aber doch
die lieben, lieben Sterne fragen:
»Großmütterchen, sag, wachst du noch?«
Es ist ein linder Frühlingshauch
heut übers Feld gegangen,
und nun will Wiese, Baum und Strauch
in tausend Blüten prangen.
Schon morgen wohl, schon über Nacht
gibt’s rings ein duftend Sprießen;
o Frühlingswonne, Frühlingspracht,
sei mir, sei mir gepriesen!
In meine Seele ist ein Strahl
vom Himmel mir gedrungen,
und nun sind Blüten ohne Zahl
wie draußen aufgesprungen.
Das sproßt und treibt, will dankbar sein,
will Glück und Freude spenden.
Herrgott, laß diesen Sonnenschein
doch niemals in mir enden!
Die Sonne krönt den goldnen Tag;
der Abend nennt die Sterne sein;
wo nur ein Aug sich öffnen mag,
glänzt ihm ein Licht, ein Himmelsschein.
Doch all die Wonne, all die Pracht,
mein toter Blick erfaßt sie nicht;
in meines Daseins dunkler Nacht
gibt’s keine Sonne, gibt’s kein Licht.
Mein Gott und Vater, nahmst du mir
der Erde schönstes, freistes Gut,
so ruf ich flehend auf zu dir
um deinen Schirm, um deine Hut.
Hör mein Gebet; vernimm den Schrei;
ich bin ein Kind; verstoß mich nicht.
O halt mich fest, Herrgott, und sei
du meine Sonne, du mein Licht!
Wie wird mir doch? Es tagt und tagt
mir in des Herzens Nacht hinein,
und eine Stimme in mir sagt:
»Der Herr der Welt erbarmt sich dein!«
Es wird die Seele mir so weit;
nun bin ich still und zage nicht,
denn du, o Allbarmherzigkeit,
bist meine Sonne, bist mein Licht!
Ich bin so müd, so herbstesschwer
und möcht am liebsten scheiden gehn.
Die Blätter fallen rings umher;
wie lange, Herr, soll ich noch stehn?
Ich bin nur ein bescheiden Gras,
doch eine Ähre trag auch ich,
und ob die Sonne mich vergaß,
ich wuchs in Dankbarkeit für dich.
Ich bin so müd, so herbstesschwer,
und möcht am liebsten scheiden gehn,
doch brauche ich der Reife mehr,
so laß mich, Herr, noch länger stehn.
Ich will, wenn sich der Schnitter naht
und sammelt Menschengarben ein,
nicht unreif zu der Weitersaat
für dich und deinen Himmel sein.
Es ging ein Schwert durch meine Seele,
wie es einst durch Maria ging.
Ob ich’s gesteh, ob ich’s verhehle,
daß ich zu sehr im Ird’schen hing,
es ward durch dieses Schwert getroffen,
und ich, ich laß die Wunde offen.
Nun wird es langsam sich verbluten.
Zwar ist’s mein eignes Blut, das fließt,
doch auch die Gegnerschaft des Guten,
die aus der Wunde sich ergießt.
Ich laß das alte Leben rinnen,
ein neues, bess'res zu gewinnen.
Es ist der große Zweck der Leiden,
der durch die ganze Schöpfung geht:
Sie nahen nur, um auszuscheiden,
was Gottes Ratschluß widersteht.
Ich will im Leid, das mir geschehen,
nur göttliche Erziehung sehen.
Ich war ein Kind; als hilflos ich gelegen
im Arm der Liebe, die mich einst gebar,
und diese Kindheit wurde mir zum Segen,
als außer ihr mir nichts zum Segen war.
Ich blieb ein Kind und ruhte wohlgebettet
im Gottvertrauen meiner Kindlichkeit.
Sie hat mich tausend –\1, tausendmal gerettet
und zeigte mir den Weg zur Seligkeit.
Ich bin ein Kind noch heut, in Greisesjahren,
dein Kind, mein Gott, und strebe zu dir hin.
O wolle diese Kindschaft mir bewahren,
bis ich bei dir in deinem Himmel bin!
Ich segne dich. Ich sah die Träne stehn
im Auge, das du bittend zu mir hobst.
Ich segne dich. ich sah dich in dich gehn
und höre, was du dir und mir gelobst.
Es ist ein Jubeltag dem Paradies
und allen seinen Seligen beschert,
wenn eine Seele, die es einst verließ,
am Arm der Einsicht reuig wiederkehrt.
Ich segne dich. Ich sah dich betend knien:
Ich hörte es, du habest dich ermannt
und wollest endlich, endlich heimwärts ziehn,
da du den Weg zum wahren Heil erkannt.
Ich segne dich wie Niemand segnen kann
als ich, die ew’ge Liebe, nur allein,
und fühlst du diese meine Liebe, dann
wirst du für immerdar gesegnet sein.
Ich segne dich, weil du um Gnade batst,
denn du warst mir noch immer, immer lieb.
Du Armer wußtest ja nicht, was du tatst,
als dich der Irrtum aus dem Himmel trieb.
Ich segne dich, und dieser Segen faßt
in sich des Himmels ganze Seligkeit:
So wie Vergebung du gefunden hast,
sei zum Verzeihen stets auch du bereit!
Ich kehre heim! Auch ich ging wie die Andern
hinaus ins Leben, in die weite Welt.
Doch nirgends bot sich mir bei meinem Wandern
die rechte Stelle für mein kleines Zelt.
Es störte mich das Locken und das Prahlen
mit nichtgem Tand, mit eitlem Trug und Schein;
ich wollte nicht das Blei mit Gold bezahlen
und nicht der Erde meinen Himmel weihn.
Ich kehre heim! Ich sehe rings ein Trachten
nach Zielen, die nicht meine Ziele sind.
Ich will zur Heimat; mag man mich verachten,
daß da ich sein will, wo ich war als Kind.
Ich will zurück zu jenen selgen Tagen,
wo ich an dich und deiner Engel Schar
so innig glaubte, ohne viel zu fragen,
und nur dein Kind und gar nichts Andres war.
Ich kehre heim! Ich bin des Hastens müde
nach Flitterkram, nach gleißnerischem Ruhm.
Sei du mein Stab; führ mich in deiner Güte
zu meiner Kindheit süßem Heiligtum!
Ich weiß es ja, dies Trachten und dies Dichten
bringt nicht das wahre Heil, das wahre Glück;
ach will so gern. so gern darauf verzichten
und kehr in meine Jugendzeit zurück.
Ich kehre heim? Ich sehne mich nach Ruhe,
und diese find ich nur und nur in dir,
denn was ich für das Zeitliche hier tue,
das rächt sich an dem Ewigen in mir.
Ich kehre heim. Mein himmlischer Berater.
ich bin so gern dein Kind. so gern noch klein:
Du warst schon meiner Jugend Schirm und. Vater
und sollst es, wenn ich sterbe. auch noch sein!
Tret in ein Gotteshaus ich ein,
so soll es hell und freundlich sein.
Die Dunkelheit, ich lieb sie nicht;
ich will es um und in mir licht.
Tret in ein Gotteshaus ich ein,
möcht dennoch es auch schattig sein.
In Gottes Schatten ruht sich's lind;
ich freue mich, wo ich ihn find.
Tret in ein Gotteshaus ich ein,
soll es des Vaters Haus mir sein.
Wenn seine liebe Glocke schallt,
komm ich gewiß, komm alsobald.
Siehst du an des Berges Hange
irgendwo ein Kirchlein stehn,
warte, warte ja nicht lange;
sei so gut, hinein zu gehn!
Liebst du es, mit Gott zu reden,
kniee hin, und bete still;
in der Kirche hört er Jeden,
der ihm Etwas sagen will.
Bist du Zweifler, nun, so falte
wenigstens die Hände stumm,
daß der Herr dich noch erhalte,
wenn du auch nicht weißt, warum.
Und bist du vielleicht gescheiter
als die »Einfalt, welche glaubt«,
nun, so tue gar nichts weiter
als: entblöß dein stolzes Haupt.
Ja, siehst du am Bergeshange
irgendwo ein Kirchlein stehn,
dieses Opfer währt nicht lange:
sei so gut, hinein zu gehn!
Ein Glöcklein hör ich klingen
wohl über den lauschenden See;
das will mir immer bringen
ein wonniges Glück und Weh.
Ein Glück, weil es mich mahnet:
»Fahr über, und glaube an mich;
was keine Erde ahnet,
bereitet der Himmel für dich!«
Ein Weh auch, denn nur Einer
setzt über und betet allein.
Will außer mir denn Keiner
gerettet und selig dort sein?
Kannst du noch beten? Sag, kannst du es noch?
Wenn nicht. so denk an deine Mutter doch,
wie sie so liebend über dir gewaltet
und dir die kleinen Händchen fromm gefaltet,
damit der liebe Gott ihr Glück bewahre,
und dieses Glück warst du – – wie viele Jahre?
Kannst du noch beten? Sag, kannst du es noch?
Wenn nicht, so denk an deine Kinder doch!
Hältst du's für überflüssig, sie zu lehren,
den Herrn und Vater gläubig zu verehren?
Was kann der irdische von ihnen wollen,
wenn sie den himmlischen nicht achten sollen?
Kannst du noch beten? Sag, kannst du es noch?
Wenn nicht. so fasse Mut: versuch es doch!
Es wartet Gott wohl gar Zeit deines Lebens
nur auf ein kleines Wörtchen. doch vergebens.
Die Todesangst wird dieses Wort dir zeigen.
Vielleicht zu spät: die Antwort ist dann – – Schweigen!
Sei mir gegrüßt in stiller Stunde,
du liebes, frohes Händefalten!
Du trägst zum Himmel auf die Kunde,
daß ich vertraue seinem Walten.
Des Tages Last ist mir genommen,
und meine Seele ruht im Herrn;
ich darf mit Dank und Bitten kommen,
und ich, ich komme ja so gern.
Sei mir gegrüßt in stiller Stunde,
du liebes, frohes Händefalten!
Du bringst vom Himmel mir die Kunde,
daß mich des Vaters Hand wird halten.
Des Tages Stimmen sind verklungen,
und meine Seele ruht im Herrn;
es tönen in mir andre Zungen,
und ich, ich höre sie so gern.
Sei mir gegrüßt in stiller Stunde,
du liebes, frohes Händefalten!
Steig auf und nieder, Himmelskunde,
mich für das Jenseits zu gestalten.
Will einst der letzte Tag verschwinden,
ruht meine Seele in dem Herrn
und wird die Heimat wiederfinden,
nach der sie sucht so gern, so gern.
Hilf mir, o Gott, nur deinen Weg zu gehen,
den einzgen Weg, der uns zum Heile führt.
Ich fühl um meine Stirn ein lindes Wehen,
das wie ein Hauch von oben mich berührt.
Dorthin will ich des Glaubens Flügel schlagen,
die mich durch dich empor und zu dir tragen.
Hilf mir, o Gott, stets deiner zu gedenken,
und was ich tu, auf dich nur zu beziehn.
Woll dich in mich, laß mich in dich versenken
und Alles, was mich von dir scheidet, fliehn.
Ich will nur dich allein im Aug behalten
und geistig mich .'durch dich für dich gestalten.
Hilf mir, o Gott, mich endlich zu besiegen;
ich weiß es ja, ich bin mein ärgster Feind.
Ich will niemals, auch mir nicht, unterliegen;
nur dieser Sieg ist's, der mich dir vereint.
So hilf mir denn, hilf deinem schwachen Kinde,
daß ich durchs Vaterherz den Himmel finde!
Herr, schau mich an! Ich lieg vor dir im Staube,
und bis du mich erhörst, so lange bleib ich liegen.
Wie Noah damals ausgesandt die Taube,
so laß ich mein Gebet nach deiner Gnade fliegen.
Ich sündigte im Himmel und vor dir;
verzeihe mir, mein Gott, verzeihe mir!
Herr, schau mich an! Ich lieg vor dir im Staube,
ein bittend Kind vor seines Vaters Türe.
Ich hatte dein vergessen, doch erlaube,
daß mich die Reue wieder zu dir führe.
Ich will hinfort dir gern gehorsam sein;
o laß, mein Gott, o laß mich wieder ein!
Herr, schau mich an! Ich lieg vor dir im Staube,
doch hör ich schon des Engels Schritte klingen.
Er naht und wird mir Alles, was ich glaube,
Verzeihung, Hilfe und Erlösung bringen.
Er führt mich wieder, wieder zu dir hin,
und ich, ich fühl, daß ich im Himmel bin!
Verlaß mich nicht! Ich steh im dunkeln Land.
Führ mich zur Wahrheit, Herr, an deiner Hand.
Ich sehne mich nach deinem Licht;
verfaß mich nicht, o Herr, verlaß mich nicht!
Verlaß mich nicht! Herr, hör mein Flehen an.
Hinüber schaut mein Aug nach Kanaan.
Gib mir, was dein Prophet verspricht;
verlaß mich nicht, o Herr, verlaß mich nicht!
Verlaß mich nicht! Es winkt mir Zion schon.
Ich seh den Himmelsglanz um deinen Thron.
Es leuchtet mir dein Angesicht;
verlaß mich nicht, o Herr, verlaß mich nicht!
Ich ging im Traum zum Himmel ein
und blieb dort an der Türe stehen.
Ich sah so viele Engelein
hinaus und wieder einwärts gehen.
Sie schwebten leuchtend hin und her,
der Himmel hier und dort die Erde,
auf letzterer zu fragen, wer
sich ihnen anvertrauen werde.
Doch ob ich ohne Unterlaß
auf ihr Bemühn, ihr Sorgen schaute,
es war so wunderselten, daß
sich ihnen jemand anvertraute.
Das tat mir so unendlich leid,
daß ich von meinem Traum erwachte
und nun seitdem und allezeit
den Engeln zu gehorchen trachte.
O, könnte Jeder so, wie ich
einmal im Traum zum Himmel gehen,
es würde dieser sicherlich
nicht mehr vergeblich offen stehen!
Du hast den Kopf zum Sinnen und zum Denken,
kannst auf –\1 und abwärts dein Bestreben lenken;
laß es zur Höhe oder Tiefe gehen,
doch harr‘ des Richters, ob du wirst bestehen.
Du hast das Herz; nie ist's im Leben still;
es schlägt für gut und bös, wofür es will,
doch ob es fleißig, noch so fleißig war,
der Schläge Summe wird einst offenbar.
Du hast die Hände, welche wirken sollen;
sie können nehmen, geben, wie sie wollen,
doch selbst was sie verborgen hier getrieben,
das findest du einst Alles aufgeschrieben.
Du hast die Füße, welche selten ruhn,
kannst vorwärts, rückwärts deine Schritte tun,
und bist du ungewiß, hast du die Knie',
o, beug sie zum Gebet, o beuge sie!
»Mehr Licht. mehr Licht!« Die Finsternis
läßt mich nur zagend vorwärts gehn;
ich schreite langsam, ungewiß
und bleib oft ängstlich tastend stehn.
»Mehr Licht, mehr Licht!« Zwar leuchtet mir
die Weisheit dieser klugen Weit,
doch so. daß sie den Weg zu dir
verdunkelt. aber nicht erhellt.
»Mehr Licht, mehr Licht?« Am Glauben nur,
an ihm allein, allein gebrichts;
ihn scheut die irdische Natur
und mit ihm dich, den Quell des Lichts.
Ich bin bei dir, ob du mich kennst. ob nicht;
hör oder hör es nicht. was meine Stimme spricht.
Du hast die Wahl; du hast auch deine Pflicht;
nun stürz ins Dunkel, oder steig zum Licht.
Ich bin bei dir; es kann nicht anders sein;
ich bin der, der ich bin, ich ewig nur allein.
Nimm mich als Fels, nimm irdschen Sand und Stein;
ich stütz dein Haus; auf Erde fällt es ein.
Ich bin bei dir; ich bleibe fort und fort;
ich warte hier auf dich, doch warte ich nicht dort.
Wo strebst du hin, nach welchem letzten Ort?
Nun sprich es aus, sprich das Entscheidungswort!
Es leuchtete in trüber Nacht
vom Himmel einsam mir ein Stern,
und ich, auch trüb. ich hab gedacht,
die andern seien mir so fern.
Da lächelte mit hellem Strahl
er mir die ganze Wahrheit zu
und brachte meines Zweifels Qual
mit seinem Himmelsgruß zur Ruh:
»Es glänzen Millionen hier
ganz in demselben Himmelslicht
und in derselben Liebe dir,
dein Auge aber sieht es nicht!«
O bete gern! Du brauchst dich nicht zu scheun;
sei nicht von Sorge um das Wort betört.
Der Vater wird sich immer, immer freun,
wenn er die Stimme seines Kindes hört.
O bete oft! Du hast ja Zeit dazu,
und Wunsch und Dank bringt dir wohl jeder Tag.
Das Kind läßt ja dem Vater auch nicht Ruh,
bis es gesagt hat, was es sagen mag.
O bete kurz! Es gleiche dein Begehr
dem Kuß des Kindes, das den Vater liebt
Und von ihm weiß, daß er so gern noch mehr,
als was es sich erbitten möchte, gibt.
Ja, bete kurz, doch bete oft und gern;
der Vater ist dir ja so wohlgesinnt;
du betest zwar zu Gott, dem Weltenherrn,
doch bist du dieses Herrn geliebtes Kind.
»Ich liebe« ist ein Gotteswort;
»Ich liebe« dringt ins Herz hinein.
»Ich liebe« will an jedem Ort
gegeben, nur gegeben sein.
»Ich liebe« kam vom Himmel einst
zu dir, zu mir, zu aller Welt.
Doch ist es nicht das, was du meinst
und was als Liebe sich verstellt.
»Ich liebe« ist nicht ein Begehr;
»Ich liebe« dient und opfert nur,
und fällt dir. eine Liebe schwer,
so ist sie himmlischer Natur.
Die Erde lebt seit Anbeginn
von dem, was ihr der Himmel gibt;
er aber lebt und gibt sich hin,
denn daß er lebt, heißt, daß er liebt.
O Liebe, die ich endlich nun erfaßt
und die du mich so ganz ergriffen hast,
daß ich nur dir, nur dir zu eigen bin,
nimm mich; nimm mich; ich gebe mich dir hin.
Wer sich mit seinem Sein in dich versenkt,
dem wird von dir ein besseres geschenkt,
denn was du von ihm nimmst, gibst du als Glück,
als Seligkeit ihm tausendfach zurück.
So will ich durch dich und in dir allein
nur im Beglücken selbst auch glücklich sein,
will nimmer rasten und will nimmer ruhn,
nur was du willst, nichts Anderes tun.
Jedoch damit ich ja nicht irre geh
und unter Lieben schwach zu sein versteh,
so gib mir deinen Bruder an die Hand,
den klugen Lebensführer, den Verstand!
Der Schlehdorn steht in Blüten,
nun da ich scheiden muß.
Die Schwalbe aus dem Süden
bringt mir den Abschiedsgruß.
Der Schlehdorn steht in Blüten;
so blühst, mein Kind, auch du.
Brich sie für mich, den Müden,
deck mich mit ihnen zu.
Der Schlehdorn steht in Blüten;
welch eine süße Last.
Mag dich der Herr behüten,
wenn du mich nicht mehr hast!
Ich grüße dich. Du warst als heller Stern
an meinem Himmel leuchtend aufgegangen.
Dein Licht, es zeigte mir den Weg zum Herrn,
an dessen Thron der Engel Chöre klangen.
Ich folge dir gehorsam, hoch beglückt
und ließ mir als dein dankbar staunend Eigen,
dem Kreis der Erde mehr und mehr entrückt,
der Allmacht und der Liebe Wunder zeigen.
Ich grüße dich, wie ich dich einst gegrüßt
an jedem Tag, den mir der Herr gegeben.
Vielleicht, vielleicht hab ich genug gebüßt
und darf nun wieder für und durch dich leben.
Ich konnte, was mich leise dir entzog,
mit meinem schwachen Auge nicht erkennen;
nun aber weiß ich, daß es mich betrog,
und lasse mich nicht wieder von dir trennen.
Ich grüße dich. Du bringst die Klarheit mir,
und nun darf die Genesung ich erwarten.
Es schlägt mein Puls von Neuem auf zu dir,
und ich, ich lach der Zweifel, die mich narrten.
Ich grüße dich so froh, so dankerfüllt;
ich konnte irren, doch du mußtest siegen,
und ob die Brandung hinter mir noch brüllt,
du warst der Anker – – ich bin ihr entstiegen.
Ich war bei dir und lag doch so entlegen
von deiner Wohnung betend auf den Knien.
Ich war bei dir; ich bat um deinen Segen
und fragte, ob du mir vielleicht verziehn.
Du warst bei mir und standest doch so ferne
von meinem Erdenheim vor Gottes Thron.
Wir atmen zwar nicht auf demselben Sterne,
doch fühl ich Segen und Verzeihung schon.
Wir haben uns, du Geist, ich Staub, gefunden,
als ich durch dich den Weg zum Himmel fand,
und sind wie Leib und Seele nun verbunden,
wie Gottes Wille und des Menschen Hand.
Und kann ich diesen Willen nicht begreifen,
so gibst du mir ihn klar und klarer kund:
Ich soll durch dich empor und zu dir reifen;
dann gehn wir weiter; das ist unser Bund.
Nun gehst du hin in Frieden,
du schöner, goldner Tag.
Bist du von uns geschieden,
ich doch nicht trauern mag.
Du kehrst doch morgen wieder;
nicht ewig währt die Nacht;
dann steigst du vom Himmel hernieder
in neuer uns segnender Pracht.
So werd auch ich in Frieden
von hinnen scheiden gehn;
es gibt doch schon hinieden
ein geistig Auferstehn.
Am Firmament geschrieben
steht mein und euer Glück:
Als segnender Engel, ihr Lieben,
kehr täglich zu euch ich zurück.
Glaube nicht, du seist verlassen,
wenn dir kein Mensch zur Seite steht.
Lern nur den leisen Hauch erfassen,
der, wenn du klagst, dich lind umweht.
Es zieht ein sinnenfremdes Mahnen
dein geistig Wesen zu sich hin:
»Willst du, willst du denn gar nicht ahnen,
daß ich, dein Engel, bei dir bin?«
O wolle nicht darüber trauern,
daß dich kein Mensch im Herzen trägt.
Dort, jenseits unsrer Kirchhofsmauern,
gibt’s einen Puls, der für dich schlägt.
Er hat für dich schon hier geschlagen,
und fühlst du ihn, so sagt er dir:
»Du wirst auf Flügeln stets getragen;
ich bin dein Engel; glaub es mir!«
O laß dir nicht ins Auge steigen
des Leides stille Tränenflut.
Wiß, daß grad in den schmerzensreichen
Geschicken tiefe Weisheit ruht.
Grad in des Lebens schwersten Stunden
spricht tröstend dir dein Engel zu:
»Durchs Leiden hast du mich gefunden;
ich bin getrost; nun sei's auch du!«
Zu früh, zu spät – – zwei Worte, welche eigen
dem Menschenleben, auch dem deinen, sind.
Du siehst, daß dir die Stunden schnell verstreichen
und daß mit ihnen deine Zeit verrinnt.
Du ahnst den Irrtum nicht, an dem du leidest;
du hast ja Zeit, du hast unendlich Zeit,
und wenn du dich in ihr zu früh entscheidest,
entscheidest du für deine Ewigkeit.
Es war zu früh, als du die Rechnung schlossest
und in das Defizit den Himmel warfst,
zu früh, als du begeistert überflossest
für Zwecke, denen du nicht dienen darfst.
Es war zu früh; du warst nicht reif zum Denken,
als du dein Ziel nur an das Grab gestellt,
denn du verstandest noch nicht, dich in die Gruft zu senken,
um aufzustehn schon hier in dieser Welt.
Es war zu spät, als plötzlich du erkanntest,
daß du vielleicht, vielleicht nicht recht getan,
zu spät, als du dich halb, nur halb ermanntest,
denn das »Vielleicht« hielt dich auf falscher Bahn.
Es war zu spät; du hattest dich entschieden
und lebtest also nicht mehr in der Zeit.
Zwar warst und bist du immer noch hienieden,
doch war’s schon Tod und ist schon Ewigkeit.
Herr, bleib bei uns! Es will die Nacht sich neigen;
die Sonne sank schon längst hinab zur Ruh.
Herr, bleib bei uns! Es will kein Stern sich zeigen,
und tiefes Dunkel deckt die Erde zu.
Warst du bei uns, als uns der Tag noch glühte
und uns sein Strahl hell in das Aug gelacht,
so sei und bleib bei uns, Herr, und behüte
durch deine Engel uns auch in der Nacht!
Herr, bleib bei uns, und sende deine Boten
zu uns ins ihnen treue, stille Haus.
Herr, bleib bei uns, und treib die Glaubenstoten
aus unserm Heim, von unserm Herd hinaus.
Laß uns den Kampf mit ihrer Macht bestehen,
die aus dem Dunkeln zu uns aufwärts stieg;
laß deine Gnade helfend uns umwehen;
gib deinen Engeln, und gib uns den Sieg!
Herr, bleib bei uns jetzt und zu allen Zeiten;
vor allem bleib, wenn unser Aug einst bricht.
Laß dein Erbarmen uns hinüberleiten
zur ewgen Wahrheit und zum ewgen Licht.
Wie dir schon jetzt der Sphären Lieder klingen,
die von der Last der Schwere du befreit,
so sollen dir auch unsre Lippen bringen
ein Halleluja, Herr, in Ewigkeit!
Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
wenn ihr ihn auch nicht seht, den Garten Eden.
Es reicht der Himmel ja von Stern zu Stern,
umfassend auch den irdischen Planeten.
Vor Gott sind alle, alle Welten gleich,
die er für seine Selgen vorbereitet,
und weil es ohne Ende ist, sein Reich,
so liegt es auch um euch rings ausgebreitet.
Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
denkt ja nicht, daß ich euch entzogen werde.
Der Himmel ist die Herrlichkeit des Herrn,
und diese leuchtet euch auch auf der Erde.
Es sieht zwar euer Aug das Wunder nicht,
zu dem ich selig meine Blicke leite,
doch wenn mein Herz für euch zum Vater spricht,
so kniee betend ich an eurer Seite.
Ich ging zum Himmel ein, doch bin ich euch nicht fern;
der Himmel reicht so weit wie Gottes Liebe,
auch bis zu euch, und wie seh’ ich’s so gern,
daß euch der Zweifel nicht aus ihm vertriebe!
O, atmet diese Gottesliebe ein,
und gebt mit jedem Wort und Blick sie weiter,
so werdet ihr bald hoch gestiegen sein
auf – – ich will’s sagen! – – auf der Himmelsleiter.
Ruh aus von deinem Tagewerke
am Abend, wenn du müde bist.
Du hast es nötig, aber merke,
daß es zur Vorbereitung ist.
Erhole dich von deinen Sorgen,
doch schlafe ohne sie nicht ein;
vielleicht hast du am nächsten Morgen
schon keine Zeit mehr, müd zu sein.
Ruh aus von deinem Lebenswerke
im Alter, wenn du müde bist.
Du darfst es tun, doch aber merke,
daß dies die letzte Ruhe ist.
Es wird die Arbeit dich begleiten
in jenes andre Land hinein.
Dort ist es aus mit unsern Zeiten,
auch mit der Zeit zum Müde –\1sein.
Sag, wer du bist! Denk aber vorher nach!
»Ein Mensch bin ich«, antwortest du erhaben.
Ein Mensch? Sonst nichts? Und dennoch, dennoch sprach
aus dir der Stolz auf dich und deine Gaben.
Dies letzte Wort berichtet ganz bestimmt
nicht von Verdiensten sondern von Geschenken,
und wer sein ganzes »Sein« als Gabe nimmt,
der hat wohl Grund, bescheidener zu denken.
Und trotzdem meine ich: Bloß Mensch ist mir zu klein;
ich will weit mehr, ich will viel Größres sein.
Sag, wo du bist! Du siehst erstaunt mich an
und sprichst nichts weiter, als »doch hier auf Erden!«
Wer sich nicht geistig von ihr trennen kann,
dem wird dies »Wo« niemals begreiflich werden.
Du bist nicht hier, auch noch nicht wieder dort;
dein »Wo« liegt dir entrückt, ist nicht zu fassen.
Dir fehlt der Halt, der feste, sichre Ort;
es gab ihn wohl, doch hast du ihn verlassen.
Du hängst arachnengleich im eigenen Gespinst,
und deine Welt ist, was du dir ersinnst.
Sag, wie du bist! Natürlich bist du gut –
Die Fehler sind für Andre nur vorhanden!
Die deinen aber auch: Sei auf der Hut
vor Leuten, die vielleicht dich anders fanden!
Es ist nur Einer gut, nur er allein.
Wer darf an Reinheit sich mit ihm vergleichen?
Und willst du so, wie er es fordert, sein,
so kannst du es auch nur durch ihn erreichen.
Zerreiß dein Spinnennetz, und werde dir doch klar,
daß jeder Faden nur ein Irrtum war!
Du sagst, du könnest nicht fassen,
was du zu fassen hast.
Du brauchst’s nur wirken zu lassen,
so hast du es gefaßt.
Es kommt genau wie die Sonne;
auch sie ergreifst du nicht
Und grüßest sie doch mit Wonne
und lebst in ihrem Licht.
Nur darfst du dich nicht entziehen
dem oft verkannten Glück.
Wer eilig ist, es zu fliehen,
dem kehrts wohl kaum zurück.
Schließ ab, schließ ab an jedem Tag des Lebens,
und frage dich, zu welchem Zweck du lebst.
Stets mußt du wissen, ob du wohl vergebens,
ob mit Erfolg nach diesem Ziele strebst.
Ein kluger Mann will keine einz'ge Stunde
im Zweifel über seine Lage sein;
er fordert von ihr klare, sichre Kunde
und prägt sich, was sie sagt, für immer ein.
Wer das nicht tut, der gleicht den armen Frauen,
die ohne Öl und nie gerüstet sind.
Sie schlafen fort im blinden Selbstvertrauen
und sind, wie dies Vertrauen, selbst auch blind.
Es kam ein Gast, von Gott gesandt,
herab ins ferne Erdenland,
um sich in irdschen Stoff zu kleiden
und mit und in ihm wieder aufzuschreiten.
Nun hält die Fremde am Gewand
ihn fest mit neidisch starker Hand
und lügt, er könne hier auf Erden
auch ohne Himmel wieder himmlisch werden.
Sie schmeichelt zärtlich dem Verstand,
bis ihre List ihn übermannt,
sich ihr als Pflegling anzutragen
und seiner Heimat gänzlich abzusagen.
Er opfert die Vernunft als Pfand
und ist nun so an sie gebannt,
daß ihn selbst Gott aus seinen Ketten
allein durch Liebe nicht vermag zu retten.
Es wird darum ihm nachgesandt
ein starker Engel, Leid genannt,
der soll den Armen wiederbringen.
Wird es gelingen oder nicht gelingen – –?
So, wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit,
so rufe ich, o Herr, nach deiner Güte.
Ich ging von dir hinweg so weit, so weit;
o werde im Verzeihen nimmer, nimmer müde!
So, wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit,
so rufe ich, o Herr, nach deiner Gnade.
Send mir die Fluten der Barmherzigkeit,
in denen ich mich rein von meinen Sünden bade!
So, wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit,
so rufe ich, o Herr, nach deinem Segen.
Erlaube mir, mit meinem Herzeleid
vor deinem Throne tief mich in den Staub zu legen!
So, wie der Hirsch nach frischem Wasser schreit,
so steh ich am Verschmachten, am Vergehen.
Es ist die höchste, allerhöchste Zeit;
o laß dich, Herr und Vater, laß dich doch erflehen!
Ich bin in Gottes Hand, wo ich auch geh und steh;
seit meinem ersten Tag bin ich geborgen.
Er kennt mein Herz mit allem seinem Weh,
mit seinen großen, seinen kleinen Sorgen.
Es schützen stetig mich bei Tag und Nacht
die lichten Engel, die er mir gesandt;
drum gibt’s für mich nichts, was mich bange macht;
ich weiß es ja, ich steh in Gottes Hand.
Ich bin in Gottes Hand, die mich so sicher stellt,
daß keinem Feind ich in die Hände falle.
Drum fürcht ich mich nicht mehr vor der ganzen Welt,
so lang ich gläubig seine Pfade walle.
Ich bebe nicht, mag kommen was da will;
ich zittre nicht selbst an des Abgrunds Rand;
er führt mich doch dahin, wohin er will;
ich weiß es ja, ich steh in Gottes Hand.
Ich bin in Gottes Hand. Sie hält mich treu und fest
wenn andre Hände gierig nach mir fassen.
Da sein Erbarmen nimmer mich verläßt,
so müssen sie doch endlich von mir lassen.
Mit ihm vereinigt mich für alle Zeit
mein Glaube als ein unzerreißbar Band.
Sein Eigentum bin ich in Ewigkeit;
ich steh und bleib in meines Gottes Hand.
Mich jammert dein, du armer, armer Stern,
geschaffen einst wie alle andern Welten,
daß dein Geschlecht dies möge Gott, dem Herrn,
durch Liebessinn und Liebestat vergelten.
Nun wartet er von Anbeginn der Zeit
bis heutgen Tags, doch wartet er vergebens.
Es scheint, als sei ununterbrochner Streit
der erste und der letzte Zweck des Lebens.
Die Sonne sendet Fluten dir des Lichts,
daß dir das Herz erwärmt, geöffnet werde;
von Liebe aber, Liebe, sieht sie nichts;
wo hast du deinen Dank, du Volk der Erde?!
Wo gingst du hin? Ich weiß es leider nicht.
Du gingst und bist wahrscheinlich doch geblieben.
Obzwar die Trauer gern vom Scheiden spricht,
der Himmel hat’s wohl anders vorgeschrieben.
Du hörst vielleicht mein Wort, hörst meine Fragen,
doch ahne ich, du weißt es selbst schon kaum,
und fühlst du es, so kannst du es nicht sagen;
im Grabe spricht kein Schläfer mehr im Traum.
Wo gingst du hin? O wüßte ich es doch!
Ich muß ja auch denselben Weg einst gehen
und werde in der letzten Stunde noch
mit dieser Frage vor der Pforte stehen.
Denselben Weg? Und auch dieselbe Pforte?
Wer darf wohl sagen ja, und wer wohl nein!
Gibt es denselben Ort am selben Orte?
Und wer da kommt, tritt der auch wirklich ein?
Wo gingst du hin? Ist diese Frage klar?
Ist wohl die Trennung örtlich zu verstehen?
Wo hier der Mensch mit seiner Seele war,
dorthin wird sie, sobald sie frei ist, gehen.
Wir waren Eins im Glauben und im Lieben;
du trachtetest wie ich nach Gottes Licht;
so sind wir also doch vereint geblieben
und beide glücklich; ich verlor dich nicht!
Siehst du die Berge kahl sich legen
fernhin, so weit das Auge reicht?
Ein Schreien ist’s um Tau und Regen,
und Gott, der Herr, erhört's vielleicht.
So liegt vor seinem Angesichte
der Orient in heißem Flehn
und fordert von der Weltgeschichte
sein Recht, sein geistig Auferstehn.
Und dieses Recht, es gilt auf Erden;
es werde ihm von uns gebracht:
Sobald wir wahre Christen werden,
ist er mit uns vom Tod erwacht.
Ich bin im Traum gewesen
am einstgen Paradies
und hab ein Blatt gelesen,
das streng zurück mich wies.
Ich hab im Traum gesehen
ins Innre mir alsbald
und wie es konnt geschehen,
daß dieses Blatt mir galt.
Ich konnt im Traume schauen
weit über alle Zeit
und fühlte da ein Grauen
vor meiner Ewigkeit.
Und als ich dann erwachte,
blieb mir ein Ahnen kaum
von dem, was er mir brachte,
doch war’s ein Wahrheitstraum.
Nun sinn ich täglich, stündlich,
was auf dem Blatt wohl stand;
es ist mir unergründlich
und bleibt mir unbekannt.
Doch wenn ich im Gebete
zu meinem Gott und Herrn
recht gläubig, innig trete,
so sagt er mir es gern.
Dann macht der Traum als
Wahrheit Mich von der Sünde rein,
und ich tret’ in die Klarheit
des Paradieses ein.
Laß dich führen; laß dich führen,
ob du redest, ob du handelst;
tust du das, so wirst du spüren,
daß du unter Leitung wandelst.
Laß dich leiten; laß dich leiten;
du allein kannst nichts erringen.
Auf den Berg der Seligkeiten
tragen dich nur Engelsschwingen.
Laß dich tragen; laß dich tragen
ohne Wehr und Widerstreben;
dann wird dir ein Himmel tagen,
den kein Mensch vermag zu geben.
Gib dich nicht hin dem irrigen Gedanken,
daß du ein Spielball blinden Loses seist.
Befreie dich von deinen engen Schranken,
und such nach ihm, der für dich Zufall heißt.
Du wirst sehr bald ein göttlich Walten spüren,
wohin du blickst, sei nah es oder fern,
und dies Empfinden wird dich weiter führen,
bis du sie deutlich fühlst, die Hand des Herrn.
Zwar wird von ihr dem Unverstande nimmer
das, was er will, schnell in den Schoß gelegt,
doch kennt die Weisheit und die Liebe immer
den Wunsch, der sich in deinem Herzen regt.
Und ist die Sonne heute dir entschwunden,
so wirst du sie schon morgen wiederschaun.
Es hängt der Ratschluß Gottes nicht an Stunden;
er fordert nur Gehorsam und Vertraun.
Ade, ade! Ich ziehe von dir fort,
kenn nicht das Ziel, kenn weder Zeit noch Ort.
Das Auge weint; es tut das Herz mir weh,
doch zag ich nicht. Ade, ade, ade!
Ade, ade! Ich ziehe von dir fort
und nehm den Glauben mit als meinen Hort.
Er kündet mir, indem ich von dir geh,
ein Wiedersehn. Ade, ade, ade!
Ade, ade! Ich ziehe von dir fort
und sage dir ein liebes, schönes Wort:
Wenn ich auch nicht an deiner Seite steh,
es schützt dich Gott. Ade, ade, ade!
Laßt euch ein ernstes Wort der Liebe sagen,
und grabt es tief in eure Herzen ein:
Der Starke hat den Schwachen hier zu tragen,
und dieser soll ihm dafür dankbar sein.
Es ist das Beider Pflicht, vom Herrn geboten,
und wer sie nicht erfüllt, hat einst und dann
als seelisch Toter bei den seelisch Toten
weit mehr zu tragen, als er tragen kann.
Und wer sich weigert, hier den Dank zu zollen,
wenn ihn die Hülfe liebevoll umarmt,
der wird einst gerne, gerne danken wollen,
doch Niemand finden, der sich sein erbarmt.
Geh still, geh still durchs Leben hin!
Geräusch wohnt nur im Hohlen, Leeren,
und nie wird edler Mannessinn
sich durch Trompetenschall entehren.
Schließt deines lautern Wortes Gold
den Demant des Gedankens ein,
so sei die Sparsamkeit ihm hold
und lasse es nicht billig sein.
Sei still, wenn deine Eigenart
jetzt noch nicht Anerkennung findet.
Du weißt ja, wer die Kränze spart
und wem die Nachwelt einst sie windet.
Vor Allem dann sei still, ganz still,
und geh nicht ein auf niedern Zwist,
wenn dich der Neid befeinden will,
weil du ihm überlegen bist.
Siehst du dich deines Ziels bewußt
und weißt’s auf gutem Grunde stehen;
so ist es für dich kein Verlust,
den Weg allein und still zu gehen.
Steig weiter nur, bergan, bergan,
wie deine ernste Pflicht es will,
und da man dir nicht folgen kann,
wird’s ganz von selbst da unten still.
Auf, wappne dich, ein Held zu sein;
es gilt ein Ringen sondergleichen.
Nicht hüll dich in den Panzer ein;
nicht sollst das Schlachtroß du besteigen.
Es ist kein glänzendes Turnier
mit einem ebenbürtgen Recken,
und doch gleicht er in Allem dir
und ist ein Hüne zum Erschrecken.
Entstammt dem niedrigsten Geschlecht
und trotzger Gegner allen Rechtes,
ist er ein ungetreuer Knecht
und doch der strengste Herr des Knechtes.
Nicht edlen Waffengang gewohnt,
hat er die Tücke sich erkoren,
und wen im Streite er verschont,
der ist gewiß erst recht verloren.
Auf, wappne dich; er kommt nicht erst;
er ist schon da, ist’s stets gewesen.
Wie sorglos du mit ihm verkehrst,
kannst du in deinem Herzen lesen.
Und fragst du doch: »Wer ist gemeint?
Ich kann mich seiner nicht erinnern«,
so wisse es: Dein ärgster Feind,
er wohnt in deinem eignen Innern.
Denk stets an dich! Nie darfst du dich vergessen.
Wer sich vergißt, denkt immer nur an sich.
Es wurde deine Weit dir zugemessen
niemals für dich und dennoch nur für dich.
Nimm sie nur hin! Sie ist ja ganz dein Eigen,
und dennoch soll sie nicht dein Eigen sein.
Nie darf sie dir sich untertänig zeigen,
und trotzdem ist sie dein, nur immer dein.
Wer an sich denkt und seine Welt bezwingt,
macht sich zur Gabe, die der Welt er bringt.
Vergiß dich ganz! Nie darfst du an dich denken.
Wer an sich denkt, vergißt sich ganz und gar.
Strebst du, in deine Welt dich zu versenken,
wird sie nur dir, doch nur für Andre klar.
Gib sie nur hin! Du darfst sie nicht behalten,
denn dann, erst dann nimmst du Besitz von ihr.
Hör niemals auf. als Herr sie zu verwalten,
denn keinen Augenblick gehört sie dir.
Wer sich vergißt und in die Welt versenkt,
hat sich und sie dem Herrn zurückgeschenkt.
Dich hör im Leide oft ich klagen,
daß du von Gott verlassen seist.
Wie darfst du so zu lästern wagen!
Ihn, den der Himmel Loblied preist!
Vertraue; sei nicht ungeduldig,
und denk an die Gerechtigkeit.
Gott bleibt dir keinen Heller schuldig,
doch zahlt er nur zu seiner Zeit.
Und dich hör ich im Glück oft sagen,
daß du von Gott erlesen seist.
Wie darfst du so zu lästern wagen!
Ihn, den der Himmel Loblied preist!
Er ist mit dir nichts als geduldig;
spiel nicht mit der Gerechtigkeit!
Gott bleibt dir keinen Heller schuldig,
doch zahlt er nur zu seiner Zeit.
Du warst bei mir, an meinem Grabe,
hast nach dem Blumenkranz geschaut.
Er war die letzte Erdengabe,
vor der im Leben mir gegraut.
O, wüßtest du, wie man empfindet,
wenn solchen Kranz man liegen sieht
und sich hinausgetragen findet
beim Sterbe-, beim Begräbnislied!
O, könntest du – – – doch muß ich schweigen;
Verstorbenen versagt das Wort,
denn wiß, es gibt lebendge Leichen
und tote Geister hier wie dort. – – –
Du warst bei mir, an meinem Grabe,
hast nach dem letzten Kranz geschaut.
Wie hat mir einst vor dieser Gabe
und vor dem letzten Lied gegraut!
Und dieses Graun blieb unverstanden.
Wie's auch zu dir vergebens spricht;
die Mahnung Gottes war vorhanden,
jedoch bei uns der Glaube nicht.
Nun möcht ich dir wie gern gestehen,
daß wir gefehlt, daß wir geirrt,
sonst muß es dir wie mir ergehen,
wenn dir nicht baldigst Hülfe wird. – – –
O, komm noch oft zu meinem Grabe;
knie nieder dort, und bete still,
und was ich dir zu sagen habe,
sagt dir dein Herz – – – so Gott es will!
Wach auf, wach auf, du deutscher Wald:
Laß deinen Sang nicht schweigen!
Ich such und such, ob sich wohl bald
ein Kehlchen möge zeigen.
Der Häher schreit am Wasserfall;
der Ammer zankt im Ried,
doch wo, wo bleibt die Nachtigall
und wo der Drossel Lied?
Hörst du denn nicht der Äxte Schlag
durchs Heiligtum erschallen,
und siehest du nicht Tag für Tag
die Säulen niederfallen?
Berechnend tritt der Tod heran,
vor dem das Leben flieht,
und wenn es stirbt und schwindet, dann
stirbt mit ihm auch das Lied.
Wach auf, wach auf im Dichterwald,
du Sang, der einst erklungen!
Wirst du im neuen Reich nicht bald
auch wieder neu gesungen?
Ich such den klaren, warmen Ton,
der durch die Herzen zieht.
Der Worte gibt es Legion;
wo aber bleibt das Lied?
Siehst du denn nicht die heilge
Kunst Ins Ausland betteln gehen,
weil um der Magdalenen Gunst
die hagern Dichter flehen?
Such nicht, such nicht nach Liebesdank
bei der, die man verriet,
denn ist des Volkes Seele krank,
krankt auch des Volkes Lied.
Hat meine Stunde einst geschlagen,
die ernsteste, die es wohl gibt,
so soll kein Herze um mich klagen,
und wenn es noch so sehr mich liebt.
Ich habe mich dann durchgerungen
und werf das enge Kleid von mir,
hab meine Seele freigesungen.
Geh heim, doch noch nicht fort von hier.
Es lag in mir ein doppelt Leben;
das eine kennt die Erde nicht;
das andre hab ich euch gegeben;
es wurde für euch zum Gedicht.
Macht dieses Leben euch zu Eigen;
denkt und empfindet euch hinein,
so werde ich die Hand euch reichen
und niemals ferne von euch sein.
Drum trauert nicht, wenn mir die Stunde,
die mich zum Vater ruft, einst schlägt.
Sie bringt mir ja die frohe Kunde,
nach der mein Herz Verlangen trägt.
Ihr Ernst wird mir die Wangen bleichen,
doch wenn ihr um mich steht und bebt,
so wird sich auch mein Glaube zeigen:
»Ich weiß, daß mein Erlöser lebt.«
Dann, wenn ihr seht, daß ich geschieden,
daß ich. man sagt, gestorben bin,
so stört mir nicht den Himmelsfrieden,
begrabt mich nur nach meinem Sinn.
Auch tot will ich die Hände halten
so fromm, wie ihr es täglich seht.
Ich bitte euch, sie mir zu falten,
als läge still ich im Gebet.
Legt eine einzge, kleine Blume
mir auf die eingesunkne Brust.
Ihr wißt, ich hielt nichts von dem Ruhme,
ich war der Fehler mir bewußt.
Tragt mich hinaus, nicht mit Gepränge;
es ist des Sünders letzter Gang.
vermeidet prahlerische Klänge;
wählt einen ernsten Bußgesang.
Dann sollt ihr in das Grab mich legen,
die Handvoll Erde mit hinein,
und eines Priesters Gottessegen,
der soll und wird mein Helfer sein.
Ein Denkmal ist euch streng verboten,
doch sei der Hügel grün berankt.
Mit Erz und Stein dankt man den Toten;
ich weiß, daß ihr mir besser dankt.
Ich will ja nicht von hinnen scheiden,
und ihr, ihr laßt mich auch nicht fort;
der Tod wird zwar mich anders kleiden,
doch wechsele ich nicht den Ort.
Den Körper trägt man wohl zu Grabe,
den Menschen und den Dichter nicht.
Der Eine sei euch Himmelsgabe;
der Andre bleib euch – – kein Gedicht!
Siehst du das Leid der Erde
an deinem Lager stehn,
so denke nicht, es werde
schon morgen wieder gehn.
Es wird das Leid der Erde
aus Liebe dir gesandt,
daß es dein Führer werde
hinauf ins Vaterland.
Es bleibt das Leid der Erde
dir treu, so lang du lebst,
damit errungen werde
der Sieg, den du erstrebst.
Es geht das Leid der Erde
selbst in den Tod mit dir,
auf daß es dort dir werde
das Gegenteil von hier.
So nimm das Leid der Erde
gern auf als Kamerad,
daß es zur Freude werde,
wenn sich der Himmel naht!
»Ich bin’s!«
Jawohl, du bist’s, mein Ich;
gestatte mir, dich zu erkennen!
Du rühmst und lobst und brüstest dich,
stets fertig, dich mein Ich zu nennen.
Doch, seh ich dich mir in dem Licht
der Wirklichkeit genauer an,
so bist du es und doch auch nicht.
Du weißt, was ich nicht sagen kann!
»Ich will’s!«
Jawohl, du willst’s, mein Ich;
gestatte mir nur, dich zu kennen!
Du rühmst und lobst und brüstest dich,
stets fertig, dich mein Ich zu nennen.
Du hast schon viel, schon viel gewollt,
doch sah ich mir's genauer an,
so war es nie, was ich gesollt.
Du weißt, was ich nicht sagen kann!
»Ich kann’s!«
Jawohl, du kannst’s, mein Ich;
gestatte mir nur, dich zu kennen!
Du rühmst und lobst und brüstest dich,
stets fertig, dich mein Ich zu nennen.
Du hast schon viel, schon viel gekonnt,
doch, sah ich mir's genauer an,
so hast du dich in mir gesonnt.
Du weißt, was ich nicht sagen kann!
»Ich schweig!«
Jawohl, mein liebes Ich;
gestatte mir, dies klug zu nennen!
Du bist nur Staub, nur Staub für mich,
und von dem Staub muß ich mich trennen.
Denn, seh ich dich mir in dem Licht
der Ewigkeit genauer an,
so brauche ich dich einstens nicht.
Das ist’s, was ich dir sagen kann?
Wo liegt dein Heil? Liegt es in deinem Leibe,
für den du dich und tausend Andre plagst?
Denkst du, daß er dein Mittelpunkt verbleibe,
um den du dich im Kreise treibst und jagst?
Du widmest ihm fast jeden der Gedanken,
und deine Pläne, deine Wünsche ranken
sich nur um dieses teure Götzenbild,
das dir als Krone aller Schöpfung gilt.
Schau dir ihn an! Sieh krank und siech ihn liegen
zu seiner eignen und des Nächsten Pein!
Der winzigste Bazill kann ihn besiegen,
der kleinste Fehltritt ihm verderblich sein.
Betrachtest du sein Kommen und sein Gehen,
so wirst du's nicht begreifen, nicht verstehen,
daß dieser Schwächling dir als fester Halt
für deinen Geist, für deine Seele galt.
Nun denke nach! Er selbst wird ja gehalten
anstatt daß er zu stützen je verstand:
Die Liebe will das Kind zum Mann gestalten;
sie tut es freundlich durch die Elternhand.
Die Gattenliebe führt ihn dann durchs Leben,
um Festigung und Reife ihm zu geben,
und wenn er scheiden geht, sagt ihm das Weh
der Liebe seiner Kinder noch Ade.
Weißt du es nun? Es geht und strahlt die Liebe
für alle Welt von Gottes Himmel aus,
und ob sie lange, ob sie kurz nur bliebe,
sie kommt und weilt und wirkt in jedem Haus.
Sie ist die einzge Stütze jedes Lebens;
ein Leben ohne Liebe ist vergebens,
denn wo sie fehlt, da flieht das innre Glück,
und dann bleibt freilich nur der Leib zurück.
Wo liegt dein Heil? O, laß dich doch belehren;
die Leibessorge bietet dir es nicht,
du hast fortan nach innen dich zu kehren,
wo Gott durch deine Seele zu dir spricht.
Und diese Stimme wird auf deine Fragen
dir jederzeit die rechte Antwort sagen.
Nur sie, nur sie verkündet dir dein Heil,
und folgst du ihr, so wird es dir zu teil.
Kennst du den Stoff? Ich kenne ihn noch nicht;
ich hab noch kein Atom, kein Molekül gesehen.
Er liegt zwar vor mir, schwer genug und dicht,
doch sein Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß er sich verändert, schwindet,
und frage fleißig mich: Wozu, wohin?
Und wenn dann meine Kraft die Antwort findet,
erfahr ich nur, daß ich ein Stoff auch bin.
Kennst du die Kraft? Ich kenne sie noch nicht;
ich hab von ihr bisher die Wirkung nur gesehen.
Zwar hör ich's, daß sie Stahl und Felsen bricht,
doch ihr Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß sie mir zuweilen schwindet
und frage forschend mich: Warum, wohin?
Und wenn sodann mein Geist die Antwort findet,
erfahr ich nichts, als daß auch Kraft ich bin.
Kennst du den Geist? Ich kenne ihn noch nicht,
ich hab nur Beweise, daß er wirkt, gesehen.
Zwar hör ich seine Stimme, wenn er spricht,
doch sein Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß auch er dem Menschen schwindet,
und frage mich erstaunt: Weshalb, wohin?
Und wenn die Seele dann die Antwort findet,
erfahr ich nichts, als daß auch Geist ich bin.
Kennst du die Seele? Nein, du kennst sie nicht,
und auch mein Auge hat noch keine je gesehen.
Sie ist zwar meines Daseins Zuversicht,
doch ihr Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß sie uns nie, niemals schwindet,
schwebt sie auch oft zu ihrem Ursprung hin,
und weil mein Glaube mich mit ihm verbindet,
weiß ich von dort, daß ich auch Seele bin.
Du warst kein sogenanntes »schönes« Kind.
Auch ich ward nicht vom Arm des Glücks getragen
»Wie häßlich diese beiden Kleinen sind!«
so hörte über uns wie oft ich sagen.
Das hat so wehe, wehe mir getan,
nicht etwa meinet-, sondern deinetwegen.
Was diese Oberflächlichen nicht sahn,
für mich hat’s nicht zu tief in dir gelegen,
denn als ich einst vor Hunger leise weinte,
hast du, selbst hungrig, mir dein Brot gebracht,
und das, das war’s, was uns fortan vereinte,
weil's dich für mich so schön, so schön gemacht.
Wir kannten nicht der Jugend Sonnenschein;
wir lebten; aber schwer war es, zu leben.
Den kargen Trost, den haben wir allein,
du mir, ich dir im Stillen uns gegeben.
Wir waren häßlich, aber ohne Neid;
wir waren arm, doch fleißig und zufrieden
und darum immer, immer dankbereit
für das, was uns der liebe Gott beschieden.
Und als wir endlich am Altare standen,
wo dir an Stolz und Demut Keine glich,
und wir für ewig, ewig uns verbanden,
wie warst du da so schön, so schön für mich!
Führt mich mein Herz in jene Zeit zurück,
wie muß ich da im Tode noch dich lieben!
Ein kleines Häuschen, doch ein großes Glück;
das Häuschen wuchs; das Glück ist ihm geblieben.
Du bautest es mit mir zu einem Haus,
in dem der Himmel auf der Erde wohnte.
Du gingst als seine Seele ein und aus,
die meinen Fleiß fast überreich belohnte.
Mir war’s, wenn du so still und fromm gewaltet,
als stündest du in heilger Engel Dienst,
und niemals ist mein Herz für dich erkaltet,
weil du mir stets so schön, so schön erschienst.
Wie gern, wie gern ich dich als Mutter sah!
Bin ich denn deiner wirklich wert gewesen?
Ich glaub es nicht, obgleich es oft geschah,
daß ich in deinem Aug ein Ja gelesen.
Du gabst mir lächelnd immer, immer Recht,
wenn wir um die Erziehung Rat gepflogen,
doch ward nicht nur das jüngere Geschlecht,
nein, auch der Vater wurde mit erzogen.
Erzogen? Ja: Du öffnetest die Pforte
und führtest uns hinauf zu Gottes Höhn.
Dein Beispiel war’s; es waren nicht die Worte,
und dieses Beispiel war so schön, so schön!
Du spannst so gern, so heimlich, ungesehn;
sogar auch mir verbargst du deinen Faden.
Doch war die stille, gute Tat geschehn,
so hab ich deine liebe Hand erraten.
So spannst du fort. Wir wurden beide grau,
doch spannst du weiter, immer, immer weiter.
Du spannst, glaub ich, du liebe Herzensfrau,
in deiner Güte unsre Himmelsleiter.
Ich seh dich heute noch, so freundlich sinnend,
wie ich dich einst, als du noch lebtest, sah,
an einem neuen Liebeswerke spinnend,
und fühl's: Wie schön, wie schön warst du mir da!
Als du mir schiedest, welch, o welch ein Tag!
War’s nur der Sarg? Sah ich auch dich versenken?
Ich will die Tote nicht, die vor mir lag,
denn ich kann dich mir nur als lebend denken.
Du gibst ja noch; du gibst durch meine Hand;
sie ist ja dein, durch Liebe dir erworben.
Du wirkst noch so, wie ich’s von dir gekannt,
bist bei mir, in mir, bist mir nicht gestorben.
Du zeigst dich nicht, doch fühl ich deine Nähe,
und dies Gefühl, fast gleicht es dem Gesicht.
Wenn ich dich jetzt, jetzt vor mich treten sähe,
wie schön wärst du, wie engelgleich, wie licht!
Sei lieb; sei gut, und zürne nicht!
Warum willst du nicht gütig sein?
Dein Leben sei wie ein Gedicht,
das Titelwort »Nur Sonnenschein«.
Schau dir die liebe Sonne an!
Ihr Segen reicht so weit, so weit.
Sie leuchtet nicht bloß dann und wann;
sie tut es stets, zu aller Zeit.
Sie küßt die Sterne ohne Wahl;
sie weiß von Gunst und Vorzug nichts.
Es trifft den Berg wie auch das Tal
die ganze Fülle ihres Lichts.
Und daß sie keinen Dank begehrt,
das weißt du wohl schon längst von ihr.
Sie denkt ja, was sie dir beschert,
gehöre Alles, Alles dir.
Was man auf Erden von ihr meint,
das stört sie nicht in ihrem Lauf.
Sie hat geschienen, und sie scheint;
sie hört auch nicht zu scheinen auf.
Sei lieb; sei gut, und zürne nicht;
denk immer an den Sonnenschein;
dann wird dein Leben ein Gedicht
des Himmels für die Erde sein!
Es war im Wald. Die Bäume alle schliefen;
der Mond belauschte lächelnd ihren Traum.
Die Schatten lagen ruhig in den Tiefen;
die Welle küßte still des Weihers Saum.
Da kam ein linder, milder Hauch gezogen,
des Träumenden gewürzger Atemzug,
der in des Maienduftes zarten Wogen
des Waldes Seele auf zum Himmel trug.
Dort schwebte sie zur ewgen Gnadenquelle,
vor der die Bitte um das Leben kniet,
und wie vom Vöglein an der Waldkapelle
erklang ein sanftes, frommes Klagelied:
»Es preisen dich des Firmamentes Heere,
auf deren Licht dein Ruhm herniederschallt.
von ihm erfüllt sind alle Weltenmeere;
im Tau und Regen trinkt ihn auch der Wald.
Von da soll er aus tausend Quellen fließen,
dem Erdenland zum Heil und Segen sein,
in alle Flüsse, Ströme sich ergießen
und dich verkünden, Vater, dich allein.
Doch schau hinab! Die Menschen, die du segnest,
begreifen deine Gottesweisheit nicht.
Die Liebe, die du ihnen niederregnest,
wird ihrem Unverstand zum Strafgericht.
Sie haben weder dich, o Herr, verstanden,
nach deines freundlichsten Gesetzes Sinn;
drum handeln sie, als sei ich nicht vorhanden,
obgleich ich ihnen unentbehrlich bin.
Laß mich nicht sterben, laß mich nicht verschmachten,
sonst ist’s auch um ihr eignes Heil geschehn.
Lehr sie, den Wald mit Liebe zu betrachten,
damit sie endlich seine Seele sehn!«
Sie schwieg und senkte wartend ihren Schleier;
der Traum entfloh; es war die Nacht vorbei.
Die Erde lag in stiller Morgenfeier;
ein Glöcklein kündete, daß Sabbat sei.
Der Wald erwachte, und der Vöglein Lieder
erklangen jubelnd über Berg und Tal.
Die Seele kehrte aus dem Himmel wieder,
getragen von dem ersten Sonnenstrahl.
Sie tauchte in des Weihers klare Welle
und stieg sodann ans tauesfrische Land,
empfangen von dem Kehlchen der Kapelle,
bei dem sie nun des Vaters Antwort fand:
»Ich ließ für dich das Sabbatglöcklein läuten:
Es läutete den Waldesfrieden ein.
Das hat für dich Erhörung zu bedeuten;
du sollst fortan dem Menschen heilig sein.
Er wird nun deine Sänger nicht nur hören;
er wird das, was sie singen, auch verstehn:
›Hör auf, hör auf, die Wälder zu zerstören,
sonst wirst mit ihnen du auch untergehn!‹«
Betrachte dich, und werde, was du bist!
Ein Mann bist du, und hast’s doch erst zu werden.
Weißt du vielleicht, was an dir männlich ist?
Der Körper, die Bewegung, die Geberden.
Du bist so ernst, energisch, alles Das,
was man am Manne lobt, wenn man es findet,
und weißt auch leicht zu überwinden, was
ein Anderer nur mühsam überwindet.
Und doch, und doch – – o sähest du es ein! – –
Bist du noch weit entfernt, ein Mann zu sein.
Als Mann ererbtest du die heilge Pflicht,
zu suchen, was der erste Mann verloren,
das Paradies, und findest du es nicht,
so wurdest du für hier umsonst geboren.
Denk dich als Den, der aus dem Eden ging,
und sinne nach, so wirst du dich erinnern.
Such nach der Heimat, die dich einst umfing;
den Schlüssel trägst du stets in deinem Innern.
Liebst du dein Weib, so führ's dort wieder ein;
dem wahren Manne wird es möglich sein.
Betrachte dich, und werde, was du bist!
Ein Weib bist du, und hast’s doch erst zu werden.
Weißt du vielleicht, was an dir weiblich ist?
Der Körper, die Bewegung, die Geberden,
du bist so fromm, versöhnlich, mild und zart;
du liebst die Deinen, wie nur Frauen lieben.
Du warst als Kind von guter Kinder Art
und bist so herzig, wie du warst, geblieben.
Und doch und doch – – O sähest du es ein! –
Bist du noch weit entfernt, ein Weib zu sein.
Als Weib ererbtest du die heilge Pflicht,
zu suchen, was das erste Weib verloren.
Das Paradies, und findest du es nicht,
so bist und hast du hier umsonst geboren.
Denk, du seist Die, die einst der Herr verstieß,
weil sie die Himmelsliebe nicht verstanden.
Such nach der Heimat, nach dem Paradies;
es bleibt der Liebe ewig zugestanden.
Den Mann, das Kind, führ sie dort mit dir ein;
dem wahren Weibe wird es möglich sein.
Betrachtet euch, und werdet, was ihr seid!
Ja, ihr seid Mann und Weib; ich hör’s euch sagen.
Das heißt, Ihr seid’s geworden für die Zeit,
in welcher euch die Erdenstunden schlagen.
Und wer als Christ sich zeigen will, der spricht:
Den Bund der Herzen trennen selbst die Schauer
des Todes und des offnen Grabes nicht;
er ward geweiht und ist von ewger Dauer.
Und doch, und doch – – o sähet ihr es ein! – –
Liegt's euch noch ferne, Mann und Weib zu sein.
Als Mann und Weib ererbtet ihr die Pflicht,
zu suchen, was das erste Paar verloren,
das Paradies, und findet ihr es nicht,
so werden euch die Engel wohl geboren,
die euch mit liebewarmem Kindermund
Das selige Geheimnis offenbaren:
»Das Eden« hieß die ganze Erdenrund,
als noch die Menschen Gottes Kinder waren.
Tritt diese Gotteskindschaft wieder ein,
dann wird das Paradies geöffnet sein.
Vom Himmel geht ein Segen aus
wie hier vom lieben Vaterhaus,
in dem der Vater nie vergißt,
daß er des Hauses Säule ist.
Vom Himmel geht ein Segen aus
wie hier vom lieben Vaterhaus,
in dem die Mutter nie vergißt,
daß sie des Hauses Seele ist.
Vom Himmel geht ein Segen aus
wie hier vom lieben Vaterhaus,
in welchem nie ein Kind vergißt,
was es den Eltern schuldig ist.
Vom Himmel geht ein Segen aus
wie hier vom lieben Vaterhaus,
in welchem Keiner je vergißt,
daß jeder Mensch ihm Bruder ist.
So geht vom lieben Vaterhaus
ein wahrer Himmelssegen aus,
und ließ die Welt ihn bei sich ein,
sie würde bald ein Himmel sein.
Wer geht mit mir? Ich bleibe nicht!
Warum soll ich noch länger warten?
Ich lege ferner kein Gewicht
auf Dinge, die bisher mich narrten.
Wozu in aller Welt der Streit,
das fieberhafte Vorwärtseilen,
wenn man dabei doch weit und breit
nur um sich schlägt mit Vorurteilen!
Welch eine Welt liegt rings umher:
Wohin ich schau, nur Fragezeichen!
Ist denn die Antwort gar so schwer?
Natürlich, schwerer als das Schweigen!
Man denkt, man fühlt, man ahnt Etwas
doch wagt man nicht, es laut zu sagen.
Es droht der Spott; es droht der Haß,
und das verursacht Unbehagen.
Man weiß ein wunderbares Land
Jenseits der Fragezeichen liegen,
doch der verständige Verstand
Versteht es nicht, sich zu besiegen.
Es ängstigt ihn das »leere Nichts«,
das zwischen hier und dort sich breitet
und ihm »das ganze Reich des Lichts«
und »seine Seligkeit« verleidet.
Und doch, wie ist dies Nichts belebt,
genau, genau wie unsre Erde!
Und wie ist dieses Nichts bestrebt,
daß es ein Etwas für uns werde!
Jedoch in Vorurteilen blind,
vermögen wir nicht, es zu sehen,
und bleiben wir so, wie wir sind,
kann’s durch ein Wunder nur geschehen.
Wer geht mit mir? Ich bleibe nicht!
Ich will nun endlich vorwärtsschreiten.
Wem es dazu an Mut gebricht,
der bleib; er ist nicht zu beneiden.
Des Glaubens Schuhe zieh ich an;
die Hoffnung gürtet mir die Lenden,
und was nicht ich vollbringen kann,
das wird ein Anderer vollenden!
»Ich bin nicht frei. Ich werde fest gehalten.
Ich fühl's, hab oft darüber nachgedacht.
Ich will nach Gottes Willen mich gestalten,
und das wird mir so schwer, so schwer gemacht.
O, dürfte meine Frage aufwärts schweben,
wie ich’s für sie ersehne, himmelan,
empor zur Wahrheit, die mir Antwort geben,
die mich befrein, die mich erlösen kann!«
»»Komm mit! Ich trage dich auf leichten Schwingen
von dieser Erde fort zur zweiten Welt.
Ich kann dich nicht bis in den Himmel bringen;
er öffnet keinem Sterblichen sein Zelt;
doch will ich dir eins seiner Wunder zeigen,
wenn du dich meiner Führung anvertraust.
Dein Staunen braucht nicht gegen mich zu schweigen.
Du darfst mir Alles sagen, was du schaust.««
»Ich seh der Erde finstre Schatten fallen,
unendlich weit, auf Ewigkeiten hin,
und hör aus ihnen grelle Stimmen schallen
empor zum Glanz, in dem ich mit dir bin.
Wir schweben hoch, im sanften Erdenscheine,
so mild, wie ihn die stille Mondnacht liebt,
und um uns klingen überirdisch reine
Akkorde, die es nicht auf Erden gibt.«
»»Das ist nicht Erdenglanz und nicht ihr Schatten;
das ist der Seelen Finsternis und Licht.
Dort fehlt das Licht, weil sie es niemals hatten,
doch hier war’s stets, drum fehlt auch jetzt es nicht.
Wo du hier bist, das bleibe dir verschwiegen;
doch deiner Seele ist es wohlbekannt.
Schau hin, schau hin! Siehst du es vor dir liegen,
der zweiten Welt geheimnisvolles Land?««
»Der zweiten Welt? Ist das nicht auch die Erde?
Gebirge, Land und Wasser, Feld und Au,
so gleich, so ähnlich, daß fast irr ich werde,
sogar der Dörfer und der Städte Bau!
In klarer Schönheit ragt empor das Reine,
als hab es sich vom Irdischen befreit;
ein Nebelzwielicht sondert das Gemeine;
in finstern Schluchten haust die Niedrigkeit.«
»»Du siehst den Trieb nach. oben und nach unten,
die Flug- und Zugkraft dieser Wunderwelt.
Die Gegensätze scheinen zwar verbunden,
doch nur, bis Gott die letzte Frage stellt.
Nun schau, wie ihr auf sie euch vorbereitet,
indem ihr hier an eurer Antwort baut!
Das Sein, das sich vor deinem Auge breitet,
es spricht schon jetzt bestimmt genug und laut.««
»Es leuchtet mir, den Nebeln hoch entstiegen,
als träumte ich ein nie geahntes Land.
Ich seh es wie ein Eden vor mir liegen,
gesegnet überreich von Vaters Hand.
Doch unter jener Dämmrung gähnt der Schauer
erbarmungslos herauf aus Schlucht und Schlund.
Schwarz liegt dort das Verderben auf der Lauer;
wem wird wohl seine ganze Tiefe kund!«
»»Einst wird sie kund. Und wehe, wehe Allen,
Die dieses Abgrunds Rachen zugestrebt!
Wem muß der Mensch denn beim Gericht verfallen?
Doch wohl nur dem, wofür er hier gelebt!
Dann wird auch kund, wie hoch die Berge steigen
für Jeden, der das Graun der Tiefe flieht.
Es soll sich dir die erste Stufe zeigen.
Berichte mir, was jetzt dein Auge sieht!««
»Ich sehe plötzlich sich vor mir entfalten
ein Leben, wie in einem Zauberreich.
Es regt sich wie von menschlichen Gestalten,
und doch sind sie nicht völlig menschengleich.
Es ist ein Kommen und ein wieder Gehen,
so leicht und licht, so lieb, so wunderbar;
ich kann es nicht begreifen, nicht verstehen,
und doch empfinde ich in mir es klar.«
»»Es mag dir dies Empfinden offenbaren,
daß deine Seele dieses Leben kennt.
Du sollst die Wahrheit über das erfahren,
was ihr auf Erden Seelenleben nennt.
Hier wohnt die Seele, nicht in deinem Leibe;
du wirst von ihr besucht – – du sagst »beseelt«.
Daß sie nicht immerwährend in dir bleibe,
das ist’s, das dort die Tiefe dir verhehlt.««
»Die Tiefe dort? Ich seh auch sie sich regen,
so deutlich und doch ebenso versteckt,
es ist ein unheilkündendes Bewegen,
das mich im Innern warnt, weil es erschreckt.
Mir scheint, ein Höllennest von Geisterspinnen
in Menschenform sei nur darauf bedacht,
sich immer neue Fäden auszusinnen
für ein mir unbekanntes Werk der Nacht.«
»»Du kennst dies Werk. Ich hab von ihm gesprochen,
als über das Verhehlen ich geklagt:
Dort wird durch falsche Fäden unterbrochen,
was deine Seele deinem Geiste sagt.
Dann steigt der reine Lobgesang der Sphären
nicht zu dir nieder in das Erdental,
und es vermag dich nicht mehr zu verklären
hier dieser Berge heilger Sonnenstrahl.««
»Ich danke dir! Dies Wort aus deinem Munde,
wie groß ist es, wie groß und schön zugleich!
Es bringt von meiner Seele mir die Kunde
aus einem andern, nicht des Körpers Reich.
Wie gern kann auf den Irrtum ich verzichten,
der sich den Leib von ihr bewohnt gedacht!
Wer will, mag sich auch ferner nach ihm richten,
mich aber hast du von ihm frei gemacht.«
»»Nur dich allein? Auch sie ist frei geworden,
weil du sie dir nicht mehr im Fleische denkst.
Sie kommt zu dir nun durch die sichern Pforten,
zu denen du ihr die Erlaubnis schenkst.
Sie wird von keinem Netz mehr aufgehalten,
das ihr der Feind des lichten Himmels stellt;
sie kann nun ihre Flügel frei entfalten,
um dich zu tragen nach der zweiten Welt.««
Wir glauben! Lächle nicht; es ist uns Ernst!
Du kennst den Glauben nicht, und ich kann dir nicht zeigen,
daß wir mit ihm hinauf in alle Himmel reichen,
von denen du dich mehr und mehr entfernst.
Es ist so leicht, den Himmel Himmel sein zu lassen;
es ist so schwer, vom Himmel aus die Erde zu erfassen;
das ist der Grund, daß du nicht glauben lernst.
Wir glauben! Wüßtest du doch, was das heißt!
Denk dir es nicht als ein persönliches Empfinden;
denk dir's als Meer, in dem wir Nahrung finden,
denk aber nicht, daß du es dann schon weißt.
Der Glaube bildet eine Welt, in der wir leben,
und dieser Welt allein ist Seligkeit gegeben;
er ist der Raum, in dem die Hoffnung kreist.
Wir glauben! Großes ist damit gesagt!
Das, was ihr wißt, verdankt ihr nur den äußern Sinnen,
doch gibt’s nicht bloß ein Außen, sondern auch ein Innen,
dem eine Sonne um die andre tagt.
Und öffnet dieses Innen mutig seine Augen;
so dürfen sie den Blick in Herrlichkeiten tauchen,
an welche eure Brille nie sich wagt.
Wir glauben! Dessen schämen wir uns nicht!
Es ist der Mensch verpflichtet, diesem Erdenleben
für sich und seine Brüder, was ihm fehlt, zu geben:
Dem Herzen Liebe, dem Verstande Licht.
Wir fragen nicht: Wird diese Gabe angenommen?
Wir wissen nur: Es ist die Zeit dazu gekommen,
und darum sind wir voller Zuversicht.
Wir glauben! Aber wer sind diese »Wir«?
Gib dir nicht Mühe, unsre Ziffer zu bestimmen.
Wollt'st du uns sehn, so müßtest Berge du erklimmen,
und diese Berge stehen nicht nur hier.
Doch, wo nach Licht, nach Liebe sich ein Sehnen findet,
da offenbart sich dir das Band, das uns verbindet;
wir führen »Licht und Liebe« im Panier.
Wir glauben! Das ist höchste Tätigkeit!
Du meinst, der Glaube sei uns nur ein Ruhekissen,
auf dem wir unsre Psyche wohl zu pflegen wissen;
ich gebe dir ganz anderen Bescheid:
Wir baun im Stillen, rastlos, uns und euch zum Glücke,
von Tag zu Tage neue Pfeiler, eine Brücke
hoch übers Grab hinweg zur Ewigkeit.
Wir glauben! Welche Wonne, welche Lust!
Wie freun wir uns darauf, den Vorhang zu entfernen;
wie wirst du da des Glaubens Walten kennen lernen,
die Brücke sehn, von der du nichts gewußt!
Du wirst dann schaun wie wir, nimmst Teil an unsern Gaben,
doch ohne so wie wir, vorher geglaubt zu haben,
für dich ein unersetzlicher Verlust!
Wir glauben! Erstes, doch nicht letztes Wort!
Dies erste Wort, ich hab es heut zu dir gesprochen,
das zweite hat schon längst die Gräber aufgebrochen,
doch leider warf der Unverstand es fort.
Das letzte hat sich unser Vater vorbehalten,
und ließest du nur ihn und seine Gnade walten,
so hörtest du's schon hier und nicht erst dort.
Im Tagesgrauen schlief das stille Tal,
und seine Schönheit war mir noch verborgen;
dann plötzlich kam der erste Sonnenstrahl,
und mit ihm ward es heller, goldner Morgen.
Es flutete das Licht vom Himmel nieder,
als habe er sich selbst herabgesenkt,
und laut erklangen alle Morgenlieder,
die er allein, allein dem Walde schenkt.
Nun ging des Tages Engel über Land,
ging durch den Hag, ging über Feld und Auen,
und überall, wo er ein Blümlein fand,
bog er sich nieder, um es anzuschauen.
Er kam auf allen Wegen hergeschritten,
und sah er wo ein wartend Fensterlein,
so ließ er sich nicht lange darum bitten,
er gab ihm Licht und gab ihm Sonnenschein.
Er stieg den Berg, den steilen Fels hinan,
klomm auf die Firnen, in die Gletscherspalten;
er kletterte in alle Tiefen dann,
kam über schroffe Hänge, tote Halden,
und überall, am höchsten, tiefsten Orte
ward ihm der Mensch, das Tier, der Baum, der Stein
zum mahnenden, zum heilgen Gottesworte:
»Gib Liebe hier; auch diese Welt ist mein!« –
So liegt des Menschen Herz in dunkler Nacht,
wenn sich die Andern ihm nicht gütig zeigen;
doch, wird der Strahl der Liebe ihm gebracht,
so wird das Dunkel bald dem Lichte weichen.
Dann zeigen sich in Blüten seine Auen;
es sprudeln alle Quellen hell und klar,
und du kannst Alles, Alles deutlich schauen,
was ohne Liebe dir verborgen war.
Dann steig empor, steig nieder in das Land,
das sich in reicher Schönheit vor dir breitet;
doch tue es mit schonendem Verstand,
der niemals über Heiligtümer schreitet.
Und willst du weiter, immer weiter gehen,
bis dort, wohin vielleicht noch Niemand kam,
so wirst du bald erkennen und verstehen,
wer dieser Welt das Licht, die Wärme nahm.
So wird sie dir vielleicht wohl lieb und wert;
du lernst sie besser, immer besser kennen;
sie bietet dir des Freundes Haus und Herd;
du möchtest dich nicht wieder von ihr trennen.
Und wenn sie so dir eigen ist geworden,
ist sie, die früher fremde, gänzlich dein.
Es kann die Welt an allen, allen Orten,
wenn du die Menschen liebst, die Deine sein.
Trag nicht empor ins Himmelreich,
was auf der Erde hat zu bleiben!
Du bist noch lange Gott nicht gleich
und willst dich ihm doch einverleiben.
Du wirfst ihm alle irdschen Fragen
zur pflichtgemachten Lösung hin;
die Allmacht soll sich für dich plagen;
das ist des Glaubens Zweck und Sinn.
Erscheint dir eine Last zu schwer,
will Etwas dir nicht gleich gelingen,
so sorgt dich das nicht allzusehr;
du kannst es ja dem Vater bringen.
Du bist von ihm einst ausgegangen
und kehrest einst zu ihm zurück;
du brauchst von ihm nur zu verlangen,
dein Heil ist ja sein eignes Glück.
So soll Gott Alles für dich tun;
er soll sogar auch für dich lieben.
Auf seiner Güte auszuruhn,
ist dir verbrieft, ist dir verschrieben.
Du brauchst nichts weiter, als zu glauben,
daß er die Welt zum Besten lenkt,
und eifrig gegen den zu schnauben,
der Gottes Reich sich anders denkt.
Und gläubig schnaubend, lächelst du,
erfüllt von heilgem Himmelsfeuer,
dem Nächsten Gottes Liebe zu – –
die deinige ist dir zu teuer.
Die göttliche reicht für die Scharen
der Ungezählten ewig aus;
die menschliche hat man zu sparen;
sie geht nicht übers Ich hinaus.
Und dieser Glaube will der Welt
durch diese Liebe Frieden bringen
und läßt als Herrscher und als Held
sein »Et in terra« erklingen!
Und dieser Glaube, viel zerrissen,
stets mit sich selbst in Zank und Streit,
er will allein zu finden wissen
das, was ihm fehlt, die Einigkeit!
O, glaub an diesen Glauben nicht!
Glaub nur allein an Gottes Liebe.
Was er der Menschheit auch verspricht,
nichts ist, was er nicht schuldig bliebe.
Es kann nur einen Glauben geben,
wie es nur eine Liebe gibt,
und beide sind vereint im Leben
dann, wenn der Mensch den Menschen liebt.
Nun steig empor ins Himmelreich,
und bring herab den Völkerfrieden!
Er ist dem Dort und Hier zugleich,
der Erde nicht allein, beschieden.
Hol uns den einen Glauben wieder,
der auch nur eine Liebe kennt,
dann schwebt mit ihm der Engel nieder,
den man den Völkerfrieden nennt.
Laß uns hinauf zu jenen Bergen steigen,
auf denen einst die Macht der Welt gestanden!
Du sollst mir ihre starken Burgen zeigen
und was von ihnen heut noch ist vorhanden.
Sie legte ihre Faust in jede Wage,
und was sie tat, das machte sie zum Recht.
So wurde sie, die Welt, der Welt zur Plage;
der Mensch war nur ihr Sklave, nur ihr – – Knecht.
Doch heut? Verschwunden sind die stolzen Festen;
nur Trümmer mahnen an vergangne Zeiten.
Bisweilen stöbert unter diesen Resten
die Gegenwart nach Sehenswürdigkeiten.
Und was sie findet, immer ist’s das Eine,
wovon der Himmel täglich zu uns spricht.
Hier sagt er’s in der Sprache dieser Steine:
»Die Welt vergeht; sie kennt die Liebe nicht!«
Laß uns hinauf zu jenen Bergen steigen,
auf denen einst die Macht des Herrn gestanden!
Du sollst mir seiner Liebe Wunder zeigen
und was von ihnen heut noch ist vorhanden.
Sie legte ihre Hand auf jedes Leben,
um es zu segnen, gnadenreich und lind,
und wer sich ihr zu Eigen wollte geben,
den nahm sie freudig auf, der war ihr – – Kind.
Und heut? Noch rühmen ihn der Himmel Heere;
noch wird auf jedem Stern sein Lob gesungen;
noch preisen ihn die Berge und die Meere;
noch ist der Dank für ihn nicht ausgeklungen.
Noch stehen seiner Kinder selge Scharen
vor seinem Angesichte, dankbereit
und hören nimmer auf, zu offenbaren:
»Die Liebe Gottes bleibt in Ewigkeit!«
Denk oft zurück ins eigne Leben;
verlang von Andern nicht zu viel!
Du weißt, es führte dich dein Streben
auch nur so nach und nach ans Ziel.
Du hast den Schwachen gern zu schonen;
du wurdest doch wohl auch geschont.
Die Liebe wird bei ihm sich lohnen,
wie sie sich einst bei dir gelohnt.
Und bist du auch nicht ganz zufrieden
mit dem, was er für dich gemacht,
Wir Menschen sind ja so verschieden:
Er hat es anders sich gedacht.
Du solltest dich darüber freuen,
daß er dir guten Willen zeigt.
Auch du hast Manches zu bereuen,
auch dir fiel wohl nicht Alles leicht.
Drum laß den Zorn nicht überfließen;
üb immer Nachsicht, hab Geduld;
denn, wenn dich Etwas will verdrießen,
bist du vielleicht auch selbst mit schuld.
Es wird ein Engel dir gesandt,
um dich durchs Leben zu begleiten.
Er nimmt dich liebend an der Hand
und bleibt bei dir zu allen Zeiten.
Er kennt den Weg, den du zu gehen hast,
und trägt mit dir der Erde Leid und Last.
Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du dich gern anvertrauen.
Auf ihn soll stets und unverwandt
das Auge deiner Seele schauen.
Er trägt zu deinem Schutz das Schwert des Herrn
und ist dir nie mit seiner Hülfe fern.
Es wird ein Engel dir gesandt,
dem sollst du niemals widerstreben,
Und hast du ihn vielleicht verkannt,
so zwing ihn nicht. dich aufzugeben,
Denn bautest du auf deine Kraft allein,
es würde nur zu deinem Unglück sein.
Geh nicht zu Denen, welche von sich reden;
sie kennen nur das eigne, liebe Ich.
Ein feines Ohr vermeidet die Trompeten;
der Weise hält am liebsten sich für sich.
Geh nicht zu Denen, welche von sich schweigen;
auch sie verehren nur ihr liebes Ich.
Sie wollen sich als große Schweiger zeigen;
der Weise hält am liebsten sich für sich.
Und mußt du doch als Mensch zu Menschen gehen.
So sprich und schweig, doch beides nicht für dich.
Das Sprechen sei für die, die dich verstehen.
Das Schweigen für der Andern liebes Ich.
Sei still in Gott, still wie das Meer!
Nur seine Fläche streift der Wind,
und tobt als Sturm er noch so sehr,
wiß, daß die Tiefen ruhig sind.
Sei weit in Gott, weit wie das Meer!
Es wogt nicht bloß am heim'schen Strand,
und wird dir's auch zu glauben schwer,
wiß, drüben gibt’s doch wieder Land.
Sei tief in Gott, tief wie das Meer!
Nach dort, wo dich die Welt vergißt,
sei dein Verlangen, dein Begehr,
wiß, daß die Tiefe Höhe ist.
Ja, sei, mein Herz, stets wie das Meer
in Gott so still, so tief, so weit!
Dann landest du nicht hoffnungsleer
am Küstensaum der Ewigkeit.
Es fiel ein Tau wohl über Nacht
rings auf die durstig matten Auen,
und früh war in der Sonne Pracht
des Schöpfers Lob und Preis zu schauen.
Ein diamantnes Leuchten sprühte
von Strauch zu Strauch, von Halm zu Halm,
und von Milliarden Perlen glühte
zu ihm empor ein Dankespsalm.
Nun aber sendet Tag und Nacht
der Vater seinen Segen nieder,
und hat der Segen Glück gebracht,
wo bleiben dann die Dankeslieder?
Es hat der Mensch so viel zu sagen,
doch Dank an Gott, den sagt er nicht.
O, möchte er den Tau doch fragen,
der lehrte ihm die Dankespflicht!
Komm mit, komm mit, und folge mir;
ich führe dich so gern, so gern.
Ich zeige und erkläre dir
die ganze Welt von Stern zu Stern.
Wir fangen an beim Anbeginn
und hören auf beim Ende dort;
wir gehen gleich zu beiden hin,
denn beide sind derselbe Ort.
Und da wir bei dem Anfang schon
am Ende angekommen sind,
so ist die Ewigkeit entflohn
wie so geschwind, wie so geschwind.
Und während dieser Ewigkeit
hab ich erklärt wieviel, wieviel?
Und ihr in eurer Spanne Zeit
treibt ganz genau dasselbe Spiel!
O, lacht doch nicht! Treibt ja nicht euern Spott
mit unserm Glauben, denn ihr lästert Gott.
Nicht diesem Glauben, Gott gilt euer Lachen;
ich sage euch: Ihr habt es quitt zu machen!
O, lacht doch nicht! Treibt ja nicht euern Spott
mit unsrer Liebe, denn ihr lästert Gott.
Ein solches Lachen kann nur Schmerz bereiten;
ich sage euch: Ihr habt es quitt zu leiden!
O. lacht doch nicht! Treibt ja nicht euern Spott
mit unsrer Hoffnung, denn ihr lästert Gott.
Dies Lachen wird einst teuer euch erscheinen;
ich sage euch: Ihr habt es quitt zu weinen!
Sei ruhig; stürme, stürme nicht!
Warum sollst du dich überstürzen?
Tu recht und billig deine Pflicht;
du kannst die Zeit doch nicht verkürzen.
Sei ruhig; dräng dich nicht voran!
Es gilt, die edle Kraft zu sparen.
Wer diese Kraft nicht zügeln kann,
der wird mit ihr nicht glücklich fahren.
Sei ruhig. doch versäume nichts!
Es darf sich keine Lücke zeigen.
Willst du empor zum Quell des Lichts,
hast du behutsam aufzusteigen.
Sei ruhig, immer unbeirrt!
Laß dich von Andern nicht betören;
denn wer sich selber untreu wird,
der ist von ihnen leicht zu stören.
Sei ruhig, wenn das Ende naht!
Bist du nicht zaghaft wie so Viele,
so bringt die letzte, schwerste Tat
auf Engelsschwingen dich zum Ziele.
Wo gehst du hin! Du bist auf falschen Pfaden
und lässest dich von einem Mund beraten,
der auf die Frage nach der Wahrheit schweigt.
Du hast weit mehr als nur dein eignes Leben
vertrauensvoll in eine Hand gegeben,
die dir das Ziel in falscher Richtung zeigt.
Du merkst es nicht, daß dich der Irrtum leitet
und mit dir nach verborgnen Tiefen schreitet.
Hast du nicht auch nach Pylos zu gelangen,
um Kunde dort vom Vater zu empfangen,
wie einstens Telemach von Ithaka?
Weißt du nicht mehr, daß ihn die Weisheit führte
und daß er ihre Hand gehorsam spürte,
obgleich er nicht als 'Himmlische sie sah?
Dort mußte sie sich äußerlich gestalten;
für dich darf sie sich in dir selbst entfalten.
Drum traue nicht dem Außen, nicht den Sinnen;
richt alle Sorgen um dein Heil nach innen,
denn nur das Herz hört, was der Vater spricht.
Und will ein fremder Ton dies schmeichelnd rügen,
so trachtet dich ein Gleißner zu betrügen;
sei klug, und folge dieser Stimme nicht!
Nur die Verführung kann das Kinn dir streicheln;
die Wahrheit aber wird dir niemals schmeicheln.
Geh nicht, geh nicht zurück zur Welt,
nachdem du glücklich ihr entstiegen!
Du bist als Mensch nicht immer Held
und könntest ihr noch unterliegen.
Sie ruft, sie lockt, sie winkt dir zwar
so liebevoll, zurückzukehren,
doch diese Freundschaft ist nicht wahr;
sie will dir nur den Sieg erschweren.
Geh nicht zurück! Sie bietet dir
zunächst nichts gegen dein Gewissen,
dann aber, dann verfällst du ihr
mit Allem, was du ihr entrissen.
Gelingt es ihr zum zweiten Mal,
dich bis zur Ohnmacht zu umspinnen,
so bleibt dir wohl kein Hoffnungsstrahl,
ihr jemals wieder zu entrinnen.
Geh nicht, geh nicht zurück zur Welt,
nachdem du glücklich ihr entstiegen!
Auch noch auf einem andern Feld
hast du zu kämpfen und zu siegen.
Steig nun auch in dich selbst hinein,
wo deine stärksten Gegner wohnen.
Willst du befreit von ihnen sein,
so darfst du sie und – – dich nicht schonen!
Es klingt ein Ruf aus alter, alter Zeit
an unser Ohr wie aus Prophetenmund:
Ist dir verborgen die Vergangenheit,
so tut sich dir das Werdende nicht kund.
Du willst so gern in deine Zukunft schaun;
da mußt du erst die Gegenwart begreifen,
und diese hat sich stetig neu zu baun
nach Normen, die aus dem Vergangnen reifen.
Sind diese Normen dir vielleicht bekannt?
Ward eine dir von ihnen offenbar?
Du kennst ja nicht das ferne, ferne Land,
in dem die Gegenwart einst Zukunft war.
Was kümmert dich das, was verschwunden ist!
Soll sich die Nachwelt nicht um uns bekümmern?
Es hat die Menschheit das, was sie vergißt,
zur Sühne auszugraben unter Trümmern.
Und solche Sühne ist auch unsre Pflicht,
die wir vergaßen, was die Vorwelt gab.
Erkennen wir der Menschheit Seele nicht,
so sind wir nichts, als dieser Seele Grab.
Drum wünschest du nach dieses, deiner Zeit
den Kommenden als lebend dich zu zeigen,
so geh zum Ursprung, zur Vergangenheit,
um dann belehrt aus ihr emporzusteigen.
Dort liegt der Quell, der unaufhaltsam fließt,
weil jede, jede Stunde vorwärts geht,
und sich als Tugend über den ergießt,
der dieser Stunden ernsten Wink versteht.
Von dort erklang zuerst das große Wort
vom Leben, von gesprengten Todesbanden;
von dort erklingt es heut noch fort und fort,
und wer es achtet, der ist auferstanden.
Dort liegt vergraben, was der Tag einst sagt,
der uns das Leben aus dem Leben gibt.
Dort liegt vergraben, was dies Leben fragt,
wenn man nichts als nur dieses Leben liebt.
So gehe hin, und forsche, forsche gern;
such nicht das Wort; such den, der es gesprochen;
dann leuchtet dir die Herrlichkeit des Herrn,
und alle Erdenketten sind zerbrochen.
Es wird für dich dann diese Spanne Zeit,
die du so fälschlich in Minuten trennst,
zum untrennbaren Teil der Ewigkeit,
die du als dir gehörig kennen lernst.
Du steigst empor, nicht wie man Stufen steigt;
es gibt für dich nicht Jahre und nicht Stunden,
und wenn sich dann dir keine Zeit mehr zeigt,
so bist du Sieger und hast überwunden.
Sprich nie ein liebeloses Wort,
denn es ist nicht ein leerer Schall.
Du sendest es zwar von dir fort,
doch bleibt es bei dir überall.
Es geht mit dir, wohin du gehst,
begleitet dich auf Schritt und Tritt,
und ob du es auch nicht verstehst,
es nimmt sogar noch andre mit.
So wächst die liebelose Schar,
die nichts als Böses von dir spricht,
und was zuerst ein Wort nur war,
das wird zum Spruch einst im Gericht.
Schau dir die Menschen geistig an;
dein leiblich Aug sieht weiter nichts,
als was es eben sehen kann
im Schein des äußerlichen Lichts.
Es wohnt in einem andern Lichte
in ihm ein andres, zweites Sein,
und dieses zu erkennen, richte
den andern Blick in ihn hinein.
Es dehnt sich da ein weites Land
oft abgrundstief, oft steil empor.
Es dürstet da der Wüste Sand;
es spritzt der Sumpf, es weint das Moor.
Es rauscht der Wald; es stehn zur Ernte
der Garten und das Feld bereit,
und sonnig hell steigt das entfernte
Gebirge auf zur Ewigkeit.
Und dieses Land ist reich belebt
von flüchtgen Wesen ohne Zahl.
Das lacht und weint, das sorgt und strebt,
bald hoch empor, bald tief zu Tal.
Es sind die rührigen Gedanken,
die niemals schweigen, nimmer ruhn,
heut aufrecht gehn und morgen schwanken,
hier Gutes und dort Böses tun.
Schau dir die Menschen geistig an,
dann siehst du diese andre Welt,
die ihr Gebiet nicht Jedermann
bequemlich vor die Augen stellt.
Dann tagt wohl auch in deinem Innern
die Welt, die dort vorhanden ist,
um dich zu mahnen, zu erinnern,
wie viel du ihr noch schuldig bist.
Hast du geliebt? Weißt du wohl, was das heißt?
Denk nach. denk nach, wenn du es noch nicht weißt.
Die Frage wird dir jeden Tag gegeben;
die Antwort hast du jeden Tag zu leben.
Hast du geliebt? Es wird ein Ja verlangt,
Weil Jeder so wie du, nach Liebe bangt.
Was du ihm gibst, sein Engel trägt's nach oben,
und dort. dort wird es für dich aufgehoben.
Hast du geliebt? So wirst du einst gefragt,
Wenn das Gericht des Allerforschers tagt.
Das Urteil hast du dir dann selbst zu geben;
es liegt schon da: Es ist dein Erdenleben!
Siehst du ein Menschenkind in Tränen,
verhaltnes Schluchzen in der Brust,
so wolle ja nicht, ja nicht wähnen,
daß du mit Worten trösten mußt.
Vermeide es, ihn zu beraten;
geh weiter, aber sende dann
die Liebe, die in stillen Taten
ihm heimlich, heimlich helfen kann.
Berührt ein kalter Schall die Wunde,
so schmerzt er nur und heilt sie nicht;
der Trost wohnt nicht im leeren Munde,
er ist des Herzens tiefste Pflicht.
Vor einem Wort am rechten Orte
kehrt wohl der Harm beruhigt um,
doch wahrer Schmerz hat keine Worte,
und auch der wahre Trost ist stumm.
Nehmt mir den Stein von meinem Grabe;
für mich gibt’s keinen Leichenstein!
Ich, der ich nun verklärt mich habe,
will doch für euch kein Toter sein!
Warum das Weinen und das Klagen,
wozu der Gram, das Herzeleid?
Was ihr von mir hinausgetragen,
war nur das abgelegte Kleid.
Ich bin im Geist bei euch geblieben,
für den es keine Trennung gibt,
und werde euch auch ferner lieben,
so, wie ich euch bisher geliebt.
Zwar könnt ihr mich jetzt nicht mehr sehen,
obgleich ihr mir noch sichtbar seid,
doch ist ja weiter nichts geschehen,
als: ich bekam ein andres Kleid.
Und dieses Kleid; ich soll es tragen
zu meinem Heil, zu meinem Glück.
Das alte – tröstend will ich’s sagen –
ich wünsche es mir nicht zurück.
Doch, wenn ihr weint, dürft ihr nicht wähnen,
ich könne mich euch selig nahn;
es tut mir jede eurer Tränen
noch weher, als sie euch getan.
Laßt sie fortan nicht weiter fließen,
so lieb ihr es auch mit mir meint;
sie auf den Hügel auszugießen,
dazu sind sie doch nicht geweint.
Drum, nehmt den Stein von meinem Grabe,
da ihr nun wißt, ich lebe noch!
Wenn ich euch auch verlassen habe,
so bleibt euch meine Seele doch.
Es klingt ein Lied vom Himmel nieder
so wunderlieb, so klar, so rein,
und deine Seele singt's ihm wieder;
sie will dem Himmel dankbar sein.
Die Andern lauschen rings im Kreise;
dann siehst du, daß sie lächelnd weitergehn.
Sie sind zu klug, sie sind zu weise,
um das, was dich beseligt, zu verstehn.
Es kommt ein Strahl vom Himmel nieder;
er leuchtet in dein Herz hinein,
und dieses strahlt ihn Andern wieder;
es will dem Himmel dankbar sein.
Doch diese Andern stehn im Kreise
und lächeln über dich, das große Kind.
Sie sind zu klug, sie sind zu weise
und drum für das, was dich beseligt, blind.
Und käm der Himmel selbst hernieder,
um dankbar dann auch dir zu sein,
und füllte alle deine Lieder
mit seinem ganzen Sonnenschein,
die Andern ständen rings im Kreise
und fiel das Lächeln ihnen wohl nun schwer,
sie blieben doch so klug, so weise
für das, was dich beseligt, wie vorher.
Ich war bei dir, in einem andern Leben,
und doch, ein andres Leben war es nicht.
Ich sah dich wie in Lichtes Fluten schweben,
und doch und doch gebrach es mir an Licht.
Ich war bei dir, ich weiß nicht, ob am Tage,
ob auch vielleicht in sternenarmer Nacht,
und finde keine Antwort auf die Frage,
welch Intervall mich dir emporgebracht.
Es schien mir wie in unbekannter Ferne,
und doch war diese Ferne mir bekannt;
du strahltest wie auf einem andern Sterne,
und doch war dieser Stern mein Vaterland.
Wir trafen uns so weltenabgelegen,
ich weiß es nicht, in welchem Geisterreich;
du kamst wie eine Fremde mir entgegen,
und doch und doch erkannte ich dich gleich.
Ich hatte dich so oft, so gern gesehen,
als pilgernd ich zum Morgenlande kam;
ich sah dich leiden, und so ist’s geschehen,
daß ich dein Bild im Herzen mit mir nahm.
Du gingst von dort nach allen, allen Landen.
Doch, wo du grüßtest, dankte man dir kaum.
So bliebst du unbeachtet, unverstanden,
ein armes Weib der Menschheit Jugendtraum.
Nun war ich bei dir, jetzt, emporgetragen
von meiner Liebe, die dir treu verblieb,
denn wie sie dich geliebt in jenen Tagen,
so hat dich meine Seele jetzt noch lieb.
Und wie mein Herz dein Weh mit dir gelitten,
der Menschheit großes, selbstverschuldet Leid,
so hab ich mutig stets für dich gestritten
und bin für dich auch ferner kampfbereit.
Mir ist ja die Erkenntnis aufgegangen,
die leider nicht ein Jeder in sich trägt,
daß der Verwandtschaft Bande uns umfangen
und daß mein Puls grad wie der deine schlägt.
Ich weiß es, daß ich mit dir steh und falle;
daß deine Zukunft auch die meine ist
und daß als leiser Ton ich mit erschalle
in dem Akkorde; dessen Klang du bist.
Als dieser Ton bin ich emporgeklungen
auch heut zu dir und klinge fort und fort;
als dieser Ton hab ich auch mitgesungen
dein Klagelied, dein holdes Friedenswort.
Ich weiß es wohl, es wird umsonst erklingen,
so viel der Mensch vom Völkerfrieden spricht;
ihn kann ja nur die wahre Liebe bringen,
und diese, diese kennt der Mensch noch nicht.
Ich dachte dein und durfte zu dir steigen;
es war so licht, so hell, so klar bei dir,
und dennoch konntest du dich mir nicht zeigen,
denn dunkel, menschendunkel war’s bei mir.
Du gingst vorüber, und in frommer Feier
verklang in mir der Wehmut heilger Ton;
es legte sich um mich der Hoffnung Schleier – –
du warst verschwunden; warst der Welt entflohn.
Denk nicht, das Leben sei ein Spiel!
Es meint's gar ernst, ja, mehr als ernst.
Erforsche seinen Zweck, sein Ziel,
damit du es begreifen lernst!
Du gehst behaglich hier spazieren,
machst dir's so viel wie möglich leicht
und glaubst was wunder zu verlieren,
wenn sich ein Tag nicht folgsam zeigt.
Und brauchst du irgend welche Sorgen,
so muß die Erde sie dir borgen.
Du gehst auf einem weiten Moor,
das du wohl fest und sicher nennst,
nur weil du seinen Blumenflor
nicht als zum Sumpf gehörig kennst.
Du sollst hinüber, sollst dich retten
und bist verloren, bleibst du stehn;
wirst du gehalten von den Kletten,
so sinkst du ein, mußt untergehn.
Und zieht dich das Verderben nieder,
so gibt es dich dann niemals wieder.
Denk nicht, das Leben sei ein Spiel;
es ist die Rettung vor dem Tod,
der Schritt um Schritt, bis an das Ziel
stets unter deinen Füßen droht.
Du gehst darüber, täglich, stündlich
und siehst es nicht, wie tief es ist;
es ist ja grad so unergründlich,
weil du so oberflächlich bist.
O, denke tiefer dich ins Leben,
dann kann’s für dich noch Rettung geben!
Schließ auf das Tor; laß seine Flügel springen;
zünd deine Leuchte an in allen Landen!
Mir ist, als hörte ich den Ruf erklingen,
es sei der Tod zum Leben auferstanden.
Breit deine Fluren aus und deine Pfade;
laß deine Wasser klar und freundlich fließen,
und von dem Himmel möge sich die Gnade
auf Alles, was die Erde trägt, ergießen.
Schließ auf das Tor; es tritt die Menschheit ein;
o, laß ihr diesen Schritt gesegnet sein!
Schließ auf den Schrein, vor dem wir betend knien,
dem wir die Liebe, die Verehrung zollen,
die wir auf seinen Inhalt doch beziehen
und nicht dem Menschenwerke widmen sollen!
Laß uns erkennen, was wir nicht erkannten,
weit uns der Geist die Seele stets verhehlte;
laß uns verstehen, was wir nicht verstanden,
weil uns die wahre Liebe nicht beseelte.
Schließ auf den Schrein, und zeig, was er enthält,
daß mit dem Schleier auch der Irrtum fällt!
Schließ auf die Herzen; nirgends stehn sie offen,
denn jedes will nur für sich selbst empfinden,
und doch ist es ihr eignes, schönstes Hoffen,
daß sie in Liebe sich zusammenfinden!
Laß diese Liebe endlich doch erwachen
und aus dem Ich heraus ins Leben steigen,
die Menschen zur gesamten Menschheit machen
und sich als Seele dieses Leibes zeigen.
Schließ auf die Herzen; lehre sie verstehn,
daß alle Pulse nur als einer gehn!
Schließ auf das Paradies; gib es uns wieder!
Wir wollen heim; wir wollen Frieden halten.
Der Vater ist das Haupt; wir sind die Glieder;
nur seine Güte soll im Hause walten.
Sei du die Zeit, die uns um ihn versammelt,
zeig uns der Worte köstlichstes auf Erden,
das unsre Bitte um Versöhnung stammelt,
dann wirst du eine Zeit des Edens werden.
Schließ auf das Paradies, das Gottesland,
und sei uns zur Erleuchtung zugesandt!
Ade, ade, ihr wohlgemeinten Worte,
gesprochen für der Menschheit Heil und Glück.
Es bleibt euch offen die vertraute Pforte,
o kehret gern, kehrt als Gebet zurück!
Ihr tönet nicht von unbekanntem Orte;
ihr seid nicht leerer, wesenloser Schall.
Im großen, frommverstandnen Weltakkorde
ist heilges Leben jedes Intervall.
Geht hin, geht hin! Es wird euch stets begleiten
der Glaubensmut, der laut zu sprechen wagt,
um Liebe, nichts als Liebe zu verbreiten,
wo man euch freundlich ein Willkommen sagt.
Es wechseln in der Sterblichkeit die Zeiten,
der Glaube aber bleibt unwandelbar
und wird einst siegreich über Alles schreiten,
was ihn verhöhnte, weil es sterblich war.
Doch sollt ihr nicht das Schwert des Glaubens schwingen,
nein, nur des Glaubens Schild ist euch erlaubt.
Ihr habt als Friedensworte zu erklingen,
weil nur der Friede an den Frieden glaubt.
Es hat der Mensch sich selbst erst zu bezwingen
und darum immer kampfbereit zu sein.
Doch will er dann die Feinde niederringen,
so kann er das durch Liebe nur allein!