Historische Erz�hlung.
Gesammelte Novellen. Dritte Abteilung.
Einzelausgaben.
Zweiter Teil
Neu herausgegeben
von
lobo.dox@freenet.de
2024
Der Januar des Jahres 1769 war ein �u�erst milder und sommerlicher selbst f�r die Insel Corsika �ber die Insel Korsika hat der Verf. noch eine andere Novelle ver�ffentlicht: �Maria Anna�, in: Vielliebchen. Ein Taschenbuch f�r 1861. In dieser digitalen Edition der �Gesammelten Novellen� ist sie in Band 3 enthalten. Die vorliegende Novelle stellt in gewisser Weise die Fortsetzung dar, w�hrend �Am Scheidewege� wiederum auf das Ende von �Romana� zur�ckgreift., deren rothe Felsenufer, von den immer lauen Wellen des Mittell�ndischen Meeres besp�lt, niemals eine winterliche Farbe tragen, und deren Olivenhaine und Kastanienw�lder sich in solcher Zeit mit frischem Gebl�tter bekleiden, w�hrend duftige Kr�uter und Blumen die Th�ler und Berge bedecken.
Aber je weiter in das Innere des Landes, um so h�her steigen die Serren auf, um so k�hner und gigantischer erheben sich die Kegelberge, bis zu dem ungeheuern Monte Rotondo, der sein Haupt fast immer in d�stere Wolkenkr�nze verbirgt. Dort oben giebt es keine W�lder mehr, auch die Eichen und Buchen, die Tannen und der Wachholder haben aufgeh�rt, von den steilen zerbr�ckelten Gipfeln laufen blendende Schneefelder in die Tiefen hinab, manchesmal bis in die Zone der Kastanie und Wallnu�, zuweilen wohl gar die graublassen Bl�tter des Oelbaums wei� umh�llend.
In jenem Jahre jedoch wu�te man Nichts davon. Nur die wilden Gipfel des Grosso, des Tolo und anderer gewaltiger Riesen trugen ihre wei�e Rappen, sonst war die sch�ne Insel �berall fr�hlingsherrlich, wie ein leuchtend Juwel anzuschauen. Die Mandel- und Citronenb�ume, die Pfirsichen und Kirschen, Feigen, Granaten und Myrthen, alle hatten ihr sch�nstes Fr�hlingskleid in schimmernder Pracht angezogen, und mit ihrem Dufte mischten sich die Wohlger�che der Geranien, des Lavendel, des Goldlack, des Rosmarin und vieler lieblichen, st�rkenden Blumen, die in wilder Ueppigkeit mit Cactus, Epheu und Waldreben gemischt �ber alle Felder, Felsen und H�gel fortzogen, wo die Menschen sie immer dulden wollten.
Weit �ber das Meer hinaus f�hrte der Wind den Blumenduft, und die Luft �ber dem Golf von St. Fiorenzo war so davon durchzogen, da� man von ihm sagen konnte, was Napoleon einst von seinem Vaterlande gesagt: man k�nne Corsika eher riechen als sehen, und an den D�ften und Wohlger�chen wolle er es mit verbundenen Augen unter allen L�ndern der Erde erkennen.
Doch dies herrliche duft- und sonnenvolle Land wird von keinem Volke arkadischer Sch�fer bewohnt. Den R�mern schon war es als ein wildes, todesmuthiges, rachedurstiges Volk bekannt; seine Geschichte ist ein langer blutiger Faden ohne Ende. So weit diese Geschichte reicht, sind die Corsen im Kampfe gegen grausame Feinde und Eroberer, gegen R�mer, Griechen, Germanen, Saracenen, Pisaner, und nun, seit l�nger als vierhundert Jahren, hatten sie mit �u�erstem Heldenmuth gegen ihre tyrannischen Herren und Unterdr�cker, die Genuesen, gestritten.
Pasquale Paoli, ihr gro�er, tapferer General und Pr�sident ihrer jungen Republik, hatte endlich vor f�nf Jahren diese genuesischen Ketten gebrochen, doch nur, damit die Corsen ihre Herren wechselten. Als die Genuesen sahen, da� dies Volk un�berwindlich sei, verkauften sie ihre sogenannten Rechte an die Franzosen, deren K�nig Ludwig und sein Minister Choiseul mit Freuden das wichtige Corsika erwarben und, ohne nach des corsischen Volkes Rechten zu fragen, im letzten Jahre, am 15. Mai, einen Vertrag �ber diesen Handel in Versailles abschlossen. Mehrere Jahre zuvor schon war ein franz�sisches Heer auf der Insel gelandet, die festen Pl�tze zu besetzen, damit die Engl�nder sich ihrer nicht bem�chtigen sollten.
Pasquale Paoli mu�te dies dulden, um den m�chtigen Herrscher der Franzosen nicht zu erz�rnen, um Schutz bei ihm gegen Genua zu finden, und weil ihm feierlich zugesagt war, da� diese Besatzung nur vier Jahre dauern, die Franzosen sich auch in keine Sache mischen sollten, die die Corsen und ihren Staat angehe.
Nun aber fiel die Maske ab. Bastia sammt andern festen Orten wurden mit starken Garnisonen versehen, und der Marquis Chauvelin kam mit 15 000 Franzosen aus Marseille. Da wurde den Corsen befohlen, sich zu unterwerfen und dem K�nige Ludwig zu huldigen; doch diese, eingedenk ihrer V�ter und ihrer Ehre, beschlossen in ihrer Bundesversammlung zu Corte, wie freie M�nner zu leben oder zu sterben.
So wurde die bl�hende Insel mit den lieblichen Weing�rten, den Citronenhainen und Olivenw�ldern wiederum ein Leichenfeld, und dieser Golf von Fiorenzo, in Bl�then und Blumend�fte eingewiegt, widerhallte vom Donner der Schlacht und duftete von dem Blute der Erschlagenen. Der franz�sische General drang mit seinen Schaaren �ber die Serra, welche Bastia von dem Lande Nebbio trennt, wo St. Fiorenzo an seinem herrlichen Meerbusen liegt. Pasquale Paoli hatte nur Viertausend um sich sammeln k�nnen, welche er und sein tapferer Bruder Clemens gegen den viermal st�rkeren Feind f�hrte. Es war vergebens, sie mu�ten weichen. Die kleine Veste Furiani wehrte sich verzweifelt; nur 300 Corsen k�mpften dort gegen die ganze franz�sische Macht. An der Spitze der begeisterten Bergbewohner stand Carlo Saliceti, einer der Helden seines Volkes, und als Alles in Schutt und Asche lag, schlug er bei Nacht sich durch den Feind und erreichte die Seek�ste.
Den Sommer und Herbst �ber w�hrte der Krieg, doch trotz ihrer Uebermacht wurden die Franzosen endlich geschlagen. Weiber zogen den schwarzen Wollenrock der corsischen Milizen an und k�mpften in deren Reihen. Engl�nder und Italiener fochten f�r das bedr�ngte Volk, eine ganze Compagnie Deutscher bildete sich aus den deutschen Soldaten, welche den Genuesen gedient hatten, und ihnen gesellten sich mehrere junge deutsche Edelleute zu, welche nach Corsika gekommen den Unterdr�ckten beizustehen. England selbst aber, auf welches die Corsen hofften, nach welchem sie Hilfe flehend ihre H�nde ausstreckten, r�hrte sich nicht. Die englischen Minister sahen dem Todeskampfe der �corsischen Rebellen� zu, sahen zu, wie Frankreich diese reiche, wichtige Insel eroberte.
Im Dezember des Jahres 1768 wurden die Franzosen �berall besiegt nach Bastia und in die festen K�stenpl�tze zur�ckgeworfen. Doch nun rief Frankreich den gedem�thigten Chauvelin zur�ck und sandte den Grafen de Vaux an der Spitze von 45 Bataillonen mit Reiterregimentern sammt vielen Kanonen, und dies m�chtige Heer sammelte sich in Bastia, denn von dorther sollte der entscheidende Schlag kommen.
So war es am Ende des Januar im Jahre 1769, wo die Insel in ihrer Fr�hlingspracht aufbl�hte. Es war Ruhe im Lande, aber es war die Ruhe eines Vulkanes. Die corsischen Milizen befanden sich zerstreut in ihren D�rfern, die beiden corsischen Regimenter, die einzigen, welche die Regierung besa�, lagen in Corte und anderen kleinen Orten im Innern. Pasquale Paoli schien still zu sitzen in der schwarzen, stillen Casa seiner V�ter in Marosaglia und in dem Franciskanerkloster, wo die alten Parlamente des Landes gehalten wurden, und wo sein freiheitbegeisterter Bruder Clemens Tag und Nacht vor den Alt�ren lag, Gott und die heilige Jungfrau anrufend, die Feinde des Vaterlandes in seine Hand zu geben.
Wer aber den General Pasquale Paoli kannte, der war gewi�, da� dieser rastlos th�tige Held nicht rastete. Doch fiel kein Schu� gegen die Franzosen in den Hafenpl�tzen, keiner der schwarzen Krieger lie� sich in der Serra am Cap Corso blicken. Die Franzosen konnten sicher die steilen Pfade hinaufklimmen, welche �ber diese Bergkette fort in das Land Nebbio hinab und bis nach Fiorenzo f�hrten; denn damals waren diese Pfade wild und �de, von zackigen Kl�ften und Klippen dicht umschlossen, w�hrend zwanzig Jahre sp�ter eine pr�chtige Stra�e hin�berf�hrte, von den Franzosen mit Kunst und Kraft erbaut, um das wichtige Land Nebbio und seine stolzen, verwegenen Bewohner sicherer bewachen zu k�nnen.
Denn es ist diese Landschaft Nebbio der Pa�, welcher in das innere hohe Bergland f�hrt. Von St. Fiorenzo steigt es als ein wundervoll herrliches Amphitheater auf. Bis in die Wolken ragen im Halbkreis die hohen Berge der Serra di Tenda empor, und zu ihnen hinauf steigt treppenartig das Land, gef�llt mit Wein und Oel, mit Feigen- und Kastanienw�ldern, mit allen Gew�chsen und allem Reichthum, den diese Insel von einer �berg�tigen Natur empfangen hat. Wer das Nebbio hat, hat festen Fu� im Lande, dies wu�ten die Genuesen schon, und die Franzosen hatten es nicht vergessen.
Chauvelin war hierher zuerst vorgedrungen, und Graf de Vaux kannte Corsika seit zwanzig Jahren, er hatte damals schon unter Malebois Land und Leute gesehen. Kaum war er in Bastia angelangt, als er ein starkes Corps �ber die Serra nach Fiorenzo schickte, das in dem kleinen Orte das Fort mit dem Genuesenthurme herstellte und das Thal des Aliso bewachte, der brausend in den Bergen von Fels zu Fels springt, hier unten aber tr�ge durch Schilf und Sumpf schleicht.
Die Colonnen der Franzosen dr�ngten sich eng in dem kleinen, schlechten Orte zusammen und blickten mit Mi�muth zu den Bergen und W�ldern hinauf, wo es weit bessere Quartiere geben mu�te. Daran war nicht zu zweifeln. Denn nicht allein, da� das Land Nebbio als eines der reichsten auf der Insel bekannt ist, es wohnen auch damit zusammenh�ngend viele wohlhabende und angesehene M�nner darin. Wohl bev�lkert war es bis hoch oben, wo der Buschwald und die nackten Kl�fte beginnen. Vier gro�e Gemeinden enthielt es, D�rfer kann man diese in Corsika meist nicht nennen; denn wenn auch die Kirche von einer Anzahl Geb�uden umringt ist, so liegen doch sehr viele weit zerstreut, so da� das Pieve oder Kirchspiel einen sehr gro�en Raum einnimmt.
Die n�chste der Gemeinden an Fiorenzo war die Pieve Oletta, so recht in dem sch�nsten und herrlichsten Theile des L�ndchens. Wohl an tausend Fu� �ber dem Meere, ganz eingewickelt in Oliven-, Feigen-, Kastanien- und andern Fruchtw�ldchen, in entz�ckenden Umgebungen. Steil stieg die Stra�e durch enge Schluchten aufw�rts, doch oben war das Land thalartig ausgedehnt. Nach allen Seiten liefen die Wein- und Fruchtg�rten bis an die Bergw�nde hinauf. Die H�user und H�uschen, die stattlichen Casas der Wohlhabenden und die engen, d�steren Campannen der kleinen Leute verbreiteten sich durch Garten und Gehege, in der Mitte jedoch lagen sie in einer Reihe, und sanft empor stieg diese bis zu dem Kirchplatze, wo sie einen Halbkreis um das alterth�mliche gro�e Gotteshaus bildeten, neben welchem ein Stiftshaus des Franciskanerordens lag.
Wie es h�ufig der Fall, hatte die Kirche auch hier den Ehrenplatz erhalten. Sie stand an der h�chsten Stelle auf einem Vorsprunge, weit �ber die Pieve fortblickend, und von ihrem hohen Thurme blitzte das goldene Kreuz bis an das Meer und bis an die d�stern Felsenkuppen der Serra Tenda. In dem alten Stifte befanden sich keine M�nche, aber der Abt war noch da, hoch angesehen im Orte und im Lande, sowohl durch seine geistliche W�rde, wie durch seine Abkunft als Haupt der edlen Familie Saliceti von Oletta.
Dicht in der N�he der Kirche stand das feste, thurmartige Familienhaus, in welchem jener tapfere Carlo Saliceti geboren wurde, der im letzten Jahre mit solchem Heldenmuthe Furiani vertheidigt hatte; jetzt aber war er nicht darin zu finden. Einen tiefen, festen Schlaf schlief der tapfere Mann, denn in der Schlacht bei Borgo hatte eine Kugel ihn hingestreckt, und seine Kampfgenossen hatten ihn mit Lorbeer bekr�nzt und mit Todtenklagen und Wehgeschrei in der Familiengruft der Saliceti dort in der Kirche begraben.
Sein Haus lag jedoch nicht ver�det, denn noch lebte Giulio, sein j�ngerer Bruder, noch seine Schwester Romana, und zum Schutze ihrer Jugend war sein Oheim Giovanni, der verehrte Abt, da, ein eben so glaubensfreudiger Priester wie ein zornig k�hner Patriot, der mehr als einmal in seinem Leben Dolch und Doppelb�chse in der einen Hand, das Crucifix in der andern in die Schlacht vorangezogen war.
Ehe wir jedoch mit diesen Personen uns weiter besch�ftigen, steigen wir hinauf in ihre Wohnungen und treten ein in ihre Hallen; dahin zu gelangen ist jedoch keinesweges so leicht, als man glauben k�nnte. Ein corsisches Haus gleicht mehr oder minder einem festen Thurme, mit schmalem d�sterm Eingange, steiler hoher Treppe, kleinen Fenstern und dicken Mauern. Selbst die �rmlichen H�tten, so eng und schmutzig sie sein m�gen, sind schartig und hoch, denn jeder Corse hat seinen Feind, und die Blutrache kann ihn morgen zwingen, sein Haus zur Festung zu machen. Darum sind diese H�user auch alle aus Granit erbaut, und drinnen mag kein St�ck Brot sein, doch unzweifelhaft ein Gewehr, wenn nicht mehrere sammt Pulver und Blei, genug um eine Belagerung auszuhalten.
Die Dorfgasse, welche zur Kirche und deren Platz hinauff�hrte, bildete zu beiden Seiten Reihen solcher engerer und weiterer Th�rme, die mit ihrem schwarzen Gem�uer und den Epheugewinden, welche sie dicht umrankten, ein romantisches, d�steres und doch liebliches Bild gaben. Manche darunter sahen f�r verw�hnte Augen freilich w�st und h�hlenartig genug aus. Ihre Fenster waren enge L�cher ohne alle Abwehr gegen Regen und Wind, und die zertr�mmerten Treppen, die schief h�ngenden Th�ren sprachen f�r die Armuth, Faulheit und Sorglosigkeit ihrer Bewohner; aber in diesem Lande bedarf der Mensch nicht viel zu seiner Erhaltung, Arbeit ist keine Ehrensache. Von wenigen Kastanienb�umen, wenigen Ziegen, wenigen kleinen Gartenst�ckchen vermag eine Familie zu leben, und auf allen diesen Bergen und Geh�ngen lag reicher Gottessegen. Alle diese alten Thurmh�user umwickelte der Bl�thenduft der Fruchtb�ume; Oliven, Mandeln, Reben und Feigen umringten sie. Es spro�te und keimte, bl�hte und reifte �berall in wunderreicher F�lle, und wo dies geschieht, ist der Mensch niemals geneigt zu harter m�hevoller Arbeit. Er will Noth und Sorgen haben, wenn er im Schwei�e seines Angesichts sein Brot essen soll.
Die H�user von Oletta sahen jedoch nicht alle so aus wie die erw�hnten. Manche bildeten auch dicke vierkantige Bauwerke; ihre unregelm��igen Fenster wurden von Jalousieen geschlossen, ihre Treppen waren wohlerhalten, von Seitenmauern gesch�tzt und mit Eingangsth�ren versehen, oben aber sprang ein Altan hervor, die gr��ten hatten deren mehrere nach verschiedenen Seiten. An diesen Erbsitzen der wohlhabenden Familien waren die Steine auch wohl gefugt und glatt bebauen, und um sie her dehnten sich kleinere oder gr��ere G�rten, auf deren Bl�thenschnee sie ihren granitnen Leib schwarz und zackig aufhoben.
Das Haus Saliceti erschien als das m�chtigste unter allen. Es th�rmte sich zu verschiedenen Stockwerken, es hatte Altane nach allen Seiten, und seine Fenster zeigten nicht allein Jalousieen, sondern auch mehrere Rahmen mit kleinen Scheiben von Glas, was damals zu den Seltenheiten geh�rte. Die Treppe lief gedeckt hinauf, unten war sie durch ein massives Vorthor geschlossen, das �ber seinem Portale ein altes Wappen trug, von dem jedoch sich wenig mehr erkennen lie�.
Die Familie Saliceti stammte nicht von den Signori, den alten Baronen und Herren der Insel, aber sie geh�rte jener Bauernaristokratie an, die im zw�lften Jahrhundert aus den Gemeindevorstehern, den Caporali, entsprang, welche, als F�hrer und R�cher des gepeinigten Volks, die Barone niederschlugen, sp�ter aber selbst noch �rgere Tyrannen wurden, als die gepanzerten Ritter. Genua hatte sie endlich alle ohne Unterschied unter seinen harten Fu� getreten und um dessentwegen dieselbe Gleichheit und denselben ingrimmigen Ha� �ber alle Corsen gebracht. Aber die Nachkommen der alten Signori und der alten Caporali blieben doch immer die stolzen Geschlechter, welche von ihren Vorfahren mit den Familiensitzen, freilich oft nur mit diesen, uralten Ruhm zahlloser Heldenthaten ererbten.
Auch die Saliceti waren reich daran, allein sie besa�en �berdies kein unbedeutendes Verm�gen an Grundeigenthum, denn ein betr�chtlicher Theil des Waldes und der Fruchtg�rten der Paese geh�rte ihnen. Es wurzelte auch ein gewisser Sinn in dieser Familie, sich ihrer Wohlhabenheit zu erfreuen, und da sie mit manchen edeln Geschlechtern verwandt, Blutsvettern selbst im hohen Rath, an den oberen Gerichtsh�fen und in den ersten St�dten der Insel besa�en, nicht selten auch selbst dahin kamen als Abgeordnete des Districts und des Landes wie in eigenen Gesch�ften, so lernten sie besser als die meisten ihrer Nachbarn kennen, was zur Bequemlichkeit, zum Putz und Schmuck auf dem Festlande Italiens und in Frankreich erfunden, sich nach und nach bis nach Corsika verirrte.
Der verstorbene Vater der beiden Geschwister, Pietro Saliceti, hatte aus Bastia sogar einst einen schmalen Spiegel und ein paar hochlehnige St�hle mitgebracht. Doch sein Bruder, der Abt, war es, welcher vor einiger Zeit erst die Scheiben von Glas in die Fenster des gro�en Wohngemaches einsetzen lie�, ein Luxus, der in Oletta ungeheueres Aufsehen machte.
Aber Pietro Saliceti hatte seiner Zeit auch seinen j�ngsten Sohn Giulio nach Bastia in die Schule geschickt, damit er Etwas lerne und ein Richter oder Advocat aus ihm werde. Seine Tochter Romana lebte mehrere Jahre im Hause eines Verwandten, des Raths Grimaldi, und erst im letzten Jahre, als ihr Vater aus dem Leben geschieden und ihr �ltester Bruder den Heldentod gestorben, kehrte sie in die Casa Saliceti zur�ck, weil ihr Onkel es so befahl.
An dem Tage nun, mit welchem hier unsere Erz�hlung beginnt, sa� Romana in dem Wohnzimmer mit einer N�herei besch�ftigt, und bei ihr befand sich eine Freundin aus Oletta, die sch�ne Maria Montalti, die Tochter des Podesta der Gemeinde, eines nicht weniger angesehenen Mannes. Beide junge M�dchen arbeiteten flei�ig; Romana half ihrer Freundin, und Maria hatte guten Grund, die Nadel emsig zu bewegen, denn sie war die Braut des jungen Bernardo Leccia, eines �berall beliebten und gepriesenen J�nglings aus guter Familie, und im M�rzmonate sollte die Hochzeit sein.
Beide M�dchen waren jung und lieblich anzuschauen, dennoch aber konnte es nichts Verschiedeneres geben. Romana Saliceti hatte eine feine, zarte Gestalt, ihr Haar besa� einen wahrhaft goldigen Schimmer, und ihre Haut war so wei� und frisch, als stammte sie aus dem Norden. Sanft waren ihre Mienen, klein ihr Mund, und in ihren dunkelblauen Augen lag eine tr�umerische melancholische Stille.
Ganz anders stellte sich Maria Gentili Montalti dar. Corsisch sch�n war alles an ihr, vom Scheitel mit seiner F�lle rabenschwarzer, bl�ulich schimmernder Haare bis zu dem kleinen Fu�e. Von hohem Wuchs, fielen ihre starken Z�pfe, mit rothen B�ndern gebunden, weit �ber den kr�ftigen Nacken in ein dunkelrothes, mit Korallenst�ckchen besetztes Netz. Gebr�unt war ihre Haut, aber sammetweich, stark und sch�n gebildet Stirn, Nase und Mund, ihre schwarzen Augen gro� und leidenschaftlich funkelnd, die wei�en Zahnreihen pr�chtig zu ihren schnellen �berm�thigen Blicken passend.
Und wie die K�rper dieser jungen M�dchen so verschieden gebildet, so verschieden war es auch ihre Tracht. Maria Montalti trug das weite schwarzwollene Corsenkleid, die Faldetta, dessen Zipfel faltenvoll und malerisch �ber Arm und Schulter geworfen werden, aber Romana hatte in der Hauptstadt Bastia andere Kleider kennen gelernt, und da diese Stadt seit so vielen Jahren schon von den Franzosen besetzt gehalten wurde, waren franz�sische Trachten und Farben und leichtere franz�sische Stoffe dort eingedrungen. Romana's blaues Gewand mit dem anschlie�enden Kamisol stammte aus Marseille, das Corsika vornehmlich mit franz�sischen Fabrikaten aller Art versorgte, aber die Korallenb�nder um ihre Arme und um ihren Hals waren echt vaterl�ndische Erzeugnisse. Ist doch das Meer nirgend reicher daran, und giebt es doch nirgends sch�nere Korallen als diese, welche in Italien als die besten gesch�tzt werden.
Die Fenster standen ge�ffnet, w�rzige Luft wehte herein. Drau�en lag das bl�hende Land, �ber ihm tiefe Himmelsbl�ue, und die Sonne schwebte, eine strahlende Goldkugel, am Rande der hohen Berge, bereit, sich darin zu versenken. Doch die beiden jungen M�dchen hatten daf�r keine Augen, sie blickten emsig auf ihre Arbeiten; erst nach einiger Zeit lie� Romana ihre H�nde sinken, und hinausschauend in den Himmelsglanz, schien sie ihren Gedanken nachzuh�ngen.
�Holla! kleine Romana, was sinnst Du denn, und woran denkst Du denn?� rief Maria Montalti, indem sie lachend auf den Tisch schlug.
�Ich sinne dar�ber nach,� erwiederte Romana, �wie einsam es hier ist, und wie wenig mir das gef�llt.�
�Es gef�llt Dir nicht,� sagte Maria, �weil Du so lange in der Stadt gewohnt hast, und weil Du jetzt mit Deinem Oheim allein in der Casa Saliceti Deine Tage verlebst. Du m�chtest lieber wieder dahin, wo es fr�hlicher hergeht.�
�Freilich, freilich!� antwortete Romana mit einem leisen Seufzer, �sonst war es anders, als mein Vater noch lebte und mein Bruder Carlo. Es kamen viele Freunde, wir waren vergn�gt, die Cither hing nicht m��ig an der Wand. Ach! der Krieg hat viel Ungl�ck �ber uns gebracht.�
Die gro�e Maria lie� ihre �berm�thigen Augen auf ihre Freundin blitzen.
�Krieg mu� sein,� sagte sie, �wie soll unser Vaterland frei werden, wie sollen wir diese Franzosen und vom Halse schaffen? Aber Du seufzest nach Bastia und w�rest lieber dort als in Oletta, habe ich nicht Recht?�
�Es hat mir dort gefallen,� versetzte Romana.
�Wo die Franzosen Herren und Meister sind!� fiel Maria ein. �la� das nicht Deinen Oheim h�ren, den hochw�rdigen Herrn Abt,� sie lachte schelmisch und sah sich dabei um – �denn dieser ha�t nicht allein die Franzosen, wie ein echter Corse thut, und h�ngt mit Leib und Seele Pasquale Paoli an, sondern er ist auch ein so sanftm�thiger, dem�thiger und weichherziger Gottesmann, da� das Volk ihm dieser Tugend wegen den Namen Peverino gegeben hat.�
Romana l�chelte leise.
�Sie nennen ihn spanischer Pfeffer,� sagte sie, �weil er so hitzig und zornig werden kann, aber spotte nicht dar�ber. Ist es denn nicht ein Ungl�ck, da� so viele Menschen ihr Leben opfern m�ssen, so viele Feindschaften entstehen, so viel Ungl�ck und Elend das Land bedeckt, Niemand mehr froh sein kann, und Alle zittern m�ssen vor dem, was noch geschehen wird?�
�O!� fiel Maria ein, indem sie ihren Finger drohend emporhielt, �ich wei�, wovor Du zitterst, kleine Romana, und ich wei� auch, warum es Dir in der sch�nen Casa Saliceti zu einsam ist, warum Du weit lieber in Bastia sein m�chtest. Giebt es dort nicht einen gewissen jungen Herrn mit Namen Achill Grimaldi, und wird dieser Dein gelehrter, sch�ner Herr Vetter nicht durch den Krieg zur�ckgehalten, nach Oletta zu kommen, um Dich zu besuchen?�
Romana's Gesicht r�thete sich, aber sie sch�ttelte den Kopf dabei.
�Nein, nein, Maria,� rief sie dazwischen, �das ist es nicht. Mein Vetter Achill wollte uns besuchen, das ist wahr, und mein Bruder Giulio ist nach Bastia gegangen, um ihn herzubringen. Aber Giulio ist Achill's Freund, ich habe niemals mich nach ihm gesehnt.�
�O, wie Du listig und heimlich bist,� lachte Maria. �Als ob man nicht w��te, da� die Grimaldi hoch angesehene Leute sind, als ob Dein Vater Dich umsonst so lange nach Bastia geschickt h�tte, und als ob der hochw�rdige Herr Peverino nicht erst neulich zu meinem Vater gesagt h�tte, als von meiner und Bernardo Leccia's Hochzeit die Rede war: W�hrend des Krieges soll Romana nicht heirathen, denn Friede wird es nicht, Nachbar Montalti, darauf verla�t Euch; aber sobald wir von diesen Franzosen uns erl�st haben, der Teufel hole sie s�mmtlich und schleudere sie in seinen tiefsten Schwefelpfuhl! – dann wird in der Casa Saliceti eine Hochzeit gefeiert werden, von der das ganze Land Nebbio lange erz�hlen soll.
Und wie mein Vater darauf antwortete: Ich kann's mir wohl denken, woher der Br�utigam kommt. Nicht aus unserer Paese, sondern vom Cap Corso her�ber, von Bastia her, wo die feinen Leute jetzt franz�sisch sprechen, da schlug der Abt Peverino mit seiner Faust auf und wurde im ganzen Gesichte so roth wie eine Blutnelke. – Was wollt Ihr damit sagen? schrie er meinen Vater an. Maledetto! Denkt Ihr etwa, die Grimaldi k�nnten jemals sich auf die Seite dieser Furfanti, dieser Franzosen werfen, die uns eben so behandeln wollen, wie die Genuesen es thaten? Corpo di Bacco! ist Leone Grimaldi nicht Paoli's beste Hand, und Achill, sein Bruder – Ihr sollt sehen, Montalti, da� der vom echten Stamme ist, um Romana zu verdienen.�
Bei ihren letzten Worten lachte Maria auf und rief dann ihrer schweigend horchenden Freundin zu:
�Siehst Du wohl, kleine Romana, da� ich Alles wei� und mir nichts verborgen blieb? Da sitzest Du nun hier, und es gef�llt Dir nicht, einsam zu sein. Voller Sehnsucht ist Dein armes Herz; ich wei� es ja, wie es thut, wenn Bernardo mich verlassen hat. Er wird aber kommen, Romana, bald wird er bei Dir sein, und dann wird es Dir nirgend besser gefallen als in der Paese Oletta und in der sch�nen Casa Saliceti.�
Romana hielt ihre Augen auf Maria geheftet, allein sie l�chelte nicht zu deren Tr�stungen, sondern blickte ernst und nachdenklich und sagte zuletzt:
�Ich m�chte Dich wohl Etwas fragen, Maria.�
�So frage!� versetzte diese.
�Wenn Du h�rtest, Bernardo k�me nicht, was w�rdest Du thun?�
�Ich w�rde b�se sein und traurig, ich w�rde weinen und schm�hen.�
�Und wenn er Dich nicht liebte, sondern eine Andere. Wenn er Dich verlie�e?�
Maria's Augen funkelten wie gl�hende Kohlen, ihr sch�nes Gesicht verzerrte sich, und ihre H�nde ballten sich zusammen.
�Madre de Dio!� schrie sie erblassend. Dann lachte sie pl�tzlich auf und rief: �Das kann nicht sein, da� wird niemals geschehen! Eher st�rzten alle Berge Corsika's zusammen, ehe Bernardo mich verlie�e.�
�Aber wenn er st�rbe, wenn er niemals wiederk�me?� fragte Romana, immer mit gro�en starrblickenden Augen.
�Sprich nicht so; Gott und die heilige Jungfrau werden ihn besch�tzen!� antwortete Maria, indem sie ihre H�nde faltete und auf ihre Brust pre�te. �Ach! ich denke oftmals daran, denn Bernardo ist k�hn, er ist ein Corse. Wenn Pasquale Paoli's M�nner ihn rufen, wird er sich nicht verstecken. Er wird sterben, Romana, wie Dein Bruder gestorben ist, seine Brust dem Feinde zugekehrt.�
Romana schwieg einige Minuten.
�Wenn Du h�rtest von seinem Ungl�ck,� fragte sie darauf, �was w�rdest Du dann thun, gute Maria?�
�Was ich thun w�rde?� schrie Maria, in wilder Leidenschaft ihre Arme und ihren Kopf zum Himmel erhebend, als sei das Ungl�ck schon geschehen. �O! ihr Heiligen, ich wei� es nicht, aber ich k�nnte es nicht ertragen!�
In diesem Augenblicke drangen die T�ne eines Hornes in das Zimmer und bewirkten, da� das Gespr�ch der beiden jungen M�dchen pl�tzlich aufh�rte.
�Was ist das?� rief Maria, indem sie aufsprang und wieder horchte.
�Soldaten kommen,� sagte Romana.
�Nein,� erwiederte Maria, �von den Bergen t�nt es herunter, aber das ist kein corsisches Muschelhorn.�
Sie lief auf den Balcon hinaus, Romana folgte ihr nach.
Von dem Balcon aus lie� sich der ganze Halbkreis der Berge �berblicken, und unzweifelhaft war es, da� die T�ne von dort her, aus der Schlucht von Pietro di Tenda hervorquollen. Es konnten somit keine Franzosen sein, denn diese wagten sich nicht aus St. Fiorenzo heraus. Die T�ne aber brachten bald das ganze Pieve in Bewegung. Aus allen H�usern und H�tten kamen die Menschen, h�rten verwundert und schrieen sich ihre Vermuthungen zu.
Das Horn klang lustig und lieblich, allein das Lied zu dieser Melodie kannte Niemand. Es schien ein Jagdst�ck zu sein, oder die Begleitung zu einem Kriegsmarsche; alle Augen richteten sich daher auf den Punkt, wo der Waldpfad aus dem Kastaniendunkel hervortrat, denn an dieser Stelle mu�te der Musikant zuerst erscheinen. Und st�rker und st�rker wurde der Schall, bis endlich man Menschen sah, nicht einen, sondern einen ganzen Trupp. Vor ihm her an der Spitze ritten zwei auf kleinen corsischen Pferden.
Die Leute von Oletta konnten nicht ganz ruhig bei diesem Anblicke sein, denn sie sahen deutlich die Gewehre und Waffen der Fremden blitzen. Nahe an hundert Bewaffnete mochten da wohl Schrecken erregen, wo einer oft schon Unheil genug anstiftete; doch nach dem ersten Beschauen erhob sich ein Jubelgeschrei. Denn diese Fremden kamen nicht allein, sie brachten den Abt Saliceti mit, der war es sicherlich, der dort neben dem Anf�hrer auf seinem rothen, wohl bekannten Pferdchen ritt.
Nach wenigen Minuten konnte dies als eine ausgemachte Sache gelten. Die kr�ftige breite Gestalt des Abtes lie� sich nicht verkennen, und nun lief Alt und Jung der Schaar entgegen, welche sich rasch n�herte und von den Abh�ngen herunter dem Kirchplatze zuzog. Zwei Hornbl�ser zogen vorauf, und da der eine den anderen abl�ste, fehlte es nicht an Musik, bis sie endlich Beide sich vereinigten und die Soldaten geschlossene Reihen bildeten, als sie den Eingang des Dorfes erreichten.
Der Abt unterhielt sich von seinem Pferde herunter mit den Leuten, welche ihn umringten, und theilte ihnen mit, was sie wissen sollten. Er deutete dabei auch auf den Anf�hrer, und dieser schaute keck und frisch mit lustigen Mienen um sich und sprach zu seinen Kriegern in einer fremden Sprache, welche Niemand verstand. –
�Wisset also, Freunde, Nachbarn,� rief inzwischen der Abt, �da� dieses die neue Fremdencompagnie ist, welche Pasquale Paoli, unser gro�er General und Gouverneur, vor kurzer Zeit gebildet hat. Es sind lauter Deutsche, meist haben sie vormals den Genuesen gedient, lauter tapfere Krieger aus einem Lande, das Preu�en hei�t, wo ein m�chtiger K�nig regiert, der Frederigo il grande genannt wird, weil er mit seinem kriegerischen Volke gro�e Thaten ausgef�hrt, die Franzosen, die Oesterreicher und die Russen geschlagen und besiegt hat. Alle diese braven Deutschen wollen uns jetzt helfen. Pasquale Paoli hat sie zu dieser Preu�encompagnie vereinigt und diesen jungen Signor, den Ihr hier seht, einen deutschen Nobile, Signor Carlo Wilda, den er besonders ehrt und liebt, zu ihrem Capit�n ernannt. Er hat die Compagnie zu uns geschickt, Freunde, und es kann sein, da� er bald selbst kommt und zusieht, wie wir sie aufgenommen haben. Aber Corpo di Bacco! ich denke, er soll mit den M�nnern von Oletta zufrieden sein. Habe ich Recht? Soll er nicht?�
Ein Beifallsgeschrei gab ihm Antwort. Die Deutschen waren in Corsika nichts Neues, B�ses und Gutes verband sich mit ihrem Namen. Vor achtunddrei�ig Jahren hatte Kaiser Karl VI. 12 000 Deutsche an die Genuesen verkauft, als erstes Beispiel jenes Menschenhandels, der sp�ter unter deutschen F�rsten beliebt wurde. Sie kamen mit ihren Generalen Wachtendonk und Schmettau und dem Prinzen von W�rttemberg, um die corsischen Emp�rer zu b�ndigen, wie nachmals 12 000 Hessen die amerikanischen Emp�rer b�ndigen sollten, aber das Eine gelang so wenig als das Andere. Die Corsen schlugen die Deutschen in m�rderischen Schlachten, und schon nach zwei Jahren zogen deren Reste ab. Der Kaiser wollte Nichts mehr mit dem ungerechten Genua zu schaffen haben. Vier Jahre darauf aber landete in Corsika der wunderbare abenteuerliche Mann, welcher den Ha� vom Namen der Deutschen nahm und den Corsen einen deutschen Edelmann zum K�nige gab.
Theodor von Neuhoff f�hrte sein Traumk�nigreich nur einen Sommer �ber aus, dann zerrann es ihm unter seinen Fingern, allein von dieser Zeit an fanden die Corsen bei den Deutschen manchen tapferen Freund. Junge Edelleute kamen und k�mpften an ihrer Seite in hei�en Schlachten, tapfere Officiere ordneten ihre Regimenter, bildeten ihre Milizen und lehrten ihnen die K�nste, mit deren Hilfe der gro�e Friedrich seine Gegner besiegt hatte. In der letzten Zeit aber hatte der deutsche Name noch mehr in corsischer Achtung gewonnen, eben durch jene deutschen Soldaten, welche Genua fr�her gedient.
Die Leute von Oletta waren daher vergn�gt, als die deutsche Compagnie bei ihnen einkehrte, es konnte ihnen nichts Lieberes geschehen. Die starken kr�ftigen M�nner gefielen ihnen weit besser als die kleinen bepuderten und bezopften Franzosen, denn die Deutschen hatten nach corsischer Sitte ihr Haar lang und frei wachsen lassen. Mit Wohlgefallen schauten sie auch den jungen Anf�hrer auf seinem flinken kleinen Pferde an. Er sah so recht aus wie ein Kriegsmann und war dabei doch freundlich, fein und schlank, mit breiter Brust und kr�ftigen Schultern. Sie dachten wohl, da� das einer sein m�sse, der das Kriegshandwerk unter jenem gro�en K�nige Frederigo gelernt, von dem der Abt Peverino gesprochen, und so war es auch wirklich.
Karl von Wilda war in dem Preu�enlande geboren und hatte in den letzten Jahren des siebenj�hrigen Krieges unter den Fahnen seines gewaltigen Kriegsherrn gefochten, dann aber hatte er seiner Lust zu Reisen und Abenteuern nachgegeben, hatte Frankreich und Italien durchzogen, und dort war damals alles Volk von Pasquale Paoli's Ruhm und Ruf erf�llt, den Friedrich der Gro�e selbst als den besten General Italiens erkl�rt hatte. Da� die Franzosen jetzt das kleine tapfere Volk unterdr�cken und unterjochen wollten, vermehrte die Rauflust in Karl von Wilda,v denn als guter Deutscher ha�te er den Erbfeind aus Herzensgrund.
In Livorno sammelte sich eben eine Schaar junger M�nner, meist von gutem Stande, die den Corsen und Pasquale Paoli zu Hilfe ziehen wollten. Der preu�ische Officier gesellte sich zu ihnen, und sie landeten zu rechter Zeit auf dem Boden der corsischen Republik, um w�hrend des letzten Herbstes die glorreichen Gefechte und Schlachten mitzuschlagen, in welchen der stolze Graf Narbonne bis nach Bastia und an's Meer zur�ckgetrieben wurde. Manche dieser Fremdlinge starben f�r die corsische Freiheit, andere wurden der Beschwerden in dem wilden Lande �berdr�ssig, doch Karl von Wilda focht mit solcher Tapferkeit, da� General Paoli sich �fters seines Rathes bediente und ihm die preu�ische Compagnie �bergab, als diese nun errichtet wurde.
Vor der Casa Saliceti lie� der Capit�n jetzt Halt machen, und da er hinaufsah zu dem Balcon und sah die jungen M�dchen stehen, schwenkte er seinen Degen und verbeugte sich so ritterlich gr��end und l�chelnd dabei, da� pl�tzlich eine dunkle Gluth Romana's ganzes Gesicht bedeckte.
Sie floh in das Zimmer zur�ck, und Maria folgte ihr dahin nach, indem sie lachend fragte, warum Romana davongelaufen sei.
�Ich wei� es nicht,� erwiederte das junge M�dchen, �es wurde mir pl�tzlich bange.�
�O,� sagte Maria, �wenn Achill Grimaldi gekommen w�re statt dieses Deutschen, so w�rest Du nicht davongelaufen, sondern ihm entgegengesprungen; aber das hilft Alles Nichts, kleine Romana, Du mu�t Dich darein schicken und diesen Fremden um Dich dulden. Denn sieh doch hin, alle Leute dr�ngen sich, den Einen und den Anderen als Gast mit nach Haus zu nehmen; der Oheim aber nimmt sich diesen jungen Capit�ns, wie es Recht ist, daf�r ist er der Erste in Oletta, die Casa Saliceti das stattlichste Geb�ude und dieser Signor Tedesco obenein der allersch�nste unter Seinesgleichen, die mir gar nicht gefallen.�
So plauderte Maria, indem sie an der Schwelle stehen blieb und hinabschaute, wo wirklich die Vertheilung der Soldaten jetzt stattfand. Die corsische Gastfreundschaft, welche so ber�hmt ist, zeigte sich hierbei von bester Seite. Jeder wollte Antheil an den G�sten haben, und schnell waren sie untergebracht, so da�, wer zu sp�t kam, zankte und l�rmte und eine ehrliche Theilung verlangte. Die Deutschen sahen sich zuweilen von Dem beim rechten und von Jenem beim linken Arm gepackt und unter hartn�ckigem Streit um die besten Rechtsanspr�che hin- und hergezogen. Frauen und M�dchen winkten ihnen zu, ihnen zu folgen, und Gel�chter und Geschrei dieser schnellen lebendigen Zungen f�llten den Platz, bis die Buben die Gewehre der M�nner packten und forttrugen und im Triumph der Gefangene nachgef�hrt wurde.
Die Soldaten aber waren meist lange genug schon auf der Insel, um die Sprache des Volks zu sprechen und sich mit ihren Wirthen zu verst�ndigen. Sie �hnelten diesem Volke auch durch ihre Tracht, denn sie trugen s�mmtlich den weiten kurzen Rock, den Pelone, aus der schwarzen Wolle des Landes, M�tzen von corsischem Eberfell und lange Ledergamaschen bis zum Knie. Im Gurte um ihren Leib aber steckten zwei Pistolen und ein breites Dolchmesser, vorn hing daran die Kugeltasche; so sahen sie wie die Corsen selbst aus und wurden um so mehr auch als Br�der behandelt. Auch den Officieren fehlte dies Alles nicht, nur da� an ihren Kragen eine schmale Goldtresse sa�.
Als der Abt Saliceti nun den jungen Capit�n ersuchte, ihm in sein Haus zu folgen, warf dieser die Kugelb�chse �ber seine Schulter, �berlie� sein kleines Pferd den Leuten des Hauses und stieg dem kr�ftigen Wirthe nach die Treppe hinauf, wo der Abt die Th�r �ffnete und ihn in das Wohnzimmer f�hrte.
�Wo bist Du, Romana? Komm her, mein Kind!� rief er hinein, �hier bringe ich Dir einen Gast. Oho, Du hast solchen Besuch nicht erwartet.�
Romana eilte auf ihn zu, und er breitete seine Arme aus und k��te ihre Stirn, indem er das Kreuzzeichen �ber ihrem Kopfe machte. Dann wandte er sich an seinen Begleiter, streckte seine Hand ihm entgegen und fuhr fort:
�Seid uns Allen willkommen, mein Herr, in diesem Hause, und Gott segne Euern Eingang! Ihr sollt uns lieb und werth sein, so lange Ihr bei uns verweilt: m�gen wir frohe Tage beisammen verleben. Jetzt aber fort mit dem Krame da vom Tische, Ihr M�dchen,� rief er dann, sich zu diesen wendend. �Schaffe Wein herbei, Brot, Fleisch und was Du sonst hast, Romana; denn unser Gast wird hungrig und durstig sein, und ich bin es auch.�
Maria Montalti nahm rasch ihr N�hzeug und was dazu geh�rte und folgte Romana nach, die sich entfernte, um ihres Onkels Gebote zu erf�llen, und als sie zur�ckkehrte mit einer Dienerin, welche Ger�the, Speisen und eine langhalsige bauchige Flasche voll feurigem corsischem Malvasier trug, sa�en die beiden M�nner schon am Tische, in ihrer Unterhaltung �ber den Pr�sidenten Paoli, �ber den Staatsrath und �ber die Franzosen und deren Pl�ne begriffen.
Da es corsischen Frauen nicht geziemt zu sprechen, wo M�nner beisammen sind, auch ihre Stellung eine so zur�ckgezogene und streng h�usliche war, da�, wenn G�ste den Hausherrn beehrten, sie nicht mit diesen am Tische das Mahl theilten, wenn nicht besonders dazu aufgefordert, so zog sich Romana zur�ck in einen Fensterwinkel, sa� dort und h�kelte an einer Mandile, dem artigen sch�nen Kopftuch, w�hrend ihre Augen ab und zu den Fremden betrachteten und ihre Ohren auf seine Worte lauschten.
Was sie erfuhr, war ungef�hr Folgendes. Ihr Oheim hatte gestern schon einen Brief erhalten, welcher ihm anzeigte, da� die deutsche Compagnie nach Oletta kommen w�rde, auch hatte er dar�ber mit dem Podesta der Gemeinde gesprochen, doch waren Beide �bereingekommen, so lange zu schweigen, bis man mehr erfahre: denn wenn sich Ger�chte �ber die Besetzung des Ortes verbreiteten, konnten die Franzosen in St. Fiorenzo davon h�ren und wohl gar solchen Vorwand benutzen, um selbst Soldaten nach Oletta zu schicken, wie dies lange schon bef�rchtet wurde.
Am Morgen war der Abt nach Pietro di Tenda hinaufgeritten, um zu vernehmen, was man dort wohl wissen m�chte, doch kaum angelangt, kam Nachricht, da� die Compagnie im Anzuge sei. So f�hrte er sie selbst nach Oletta und �berraschte seine Mitb�rger, wohl wissend, wie leicht und ohne alle Vorbereitung die Leute versorgt sein w�rden. Nun aber sa� er hier, sein Glas in der Hand, und h�rte zu, was sein Gast ihm �ber den eigentlichen Zweck dieses Marsches vertraute. Sein Kopf wurde dabei immer dicker und r�ther, seine Adern schwollen auf, und ab und zu machte er so heftige Geberden und schrie sein maledetto! mit solcher Gewalt, da� man wohl sah, das Volk hatte nicht eben Unrecht, wenn es ihn Peverino nannte.
�Schon seit l�nger als einem Monate,� erz�hlte der Capit�n, �unterhandelte General Paoli mit dem General Marbeuf, nachdem die fr�heren Unterhandlungen mit dem Marquis Chauvelin mi�gl�ckten.�
�Der Teufel hole alle Unterhandlungen!� schrie der Abt, �niemals h�tte man daran denken sollen.�
�Was sollte der Pr�sident machen?� versetzte der Capit�n achselzuckend. �Alle Hoffnungen auf Englands Beistand sind verloren.�
�Colpo di tuono! sind wir uns nicht selbst genug? Sind nicht alle Corsen bereit zu sterben bis auf den letzten Mann?� wetterte der Abt.
Der Capit�n zuckte abermals die Achseln und fuhr dabei fort:
�Der Pr�sident w�nschte sein Vaterland vor Untergang sowohl wie vor Schande zu bewahren. Er schlug fr�her schon vor, da� Corsika den K�nig von Frankreich als seinen Schutzherrn anerkenne, wenn den Corsen dagegen ihre freie Verfassung best�tigt werde. Davon wollte Chauvelin Nichts wissen, statt dessen aber wurde ein Mordversuch auf den Pr�sidenten gemacht. Der Sohn seines eigenen Canzlers Massesi hatte sich erboten, ihn umzubringen.�
�O, diese Verr�ther! diese elenden Schufte! Die Franzosen hatten ihn dazu verlockt!� schrie der Abt. �Sie haben es von den Genuesen gelernt, wie man M�rder anwirbt.�
Der Capit�n sch�ttelte den Kopf.
�Die Franzosen sind nicht daran schuld, hochw�rdiger Herr,� sagte er, �da� Pasquale Paoli, der edelste, gro�m�thigste Mensch, sich mit einer Wache umringen mu�, um sein Leben vor M�rderdolchen zu besch�tzen; sie sind auch nicht daran schuld, da� der Pr�sident seine Fenster verbarricadiren mu�, damit keine Kugel hineindringt und ihn t�dtet, oder da� er niemals sagen darf, wohin er geht und wo er sich aufh�lt, um nicht auf der Landstra�e �berfallen und niedergemacht zu werden. Sie sind endlich auch nicht schuld daran, Herr Abt Saliceti, da� er bei Tag und Nacht mit sechs gro�en grimmigen Wolfshunden sein Zimmer theilt, die seine Leibwache bilden.�
�Eh!� sagte der Abt verdrie�lich, �wir leben in b�sen Zeiten, aber die Fremden sind von je die Ursachen zu allem Schlechten gewesen.�
�Nein, nein!� lachte der junge Soldat. �Die Fremden sind zwar an sehr vielem Unheil schuld, das hier geschehen, doch von jeher haben die Corsen sich das gr��te Leid selbst angethan.�
�Signor!� schrie der Abt mit flammenden Blicken, �ich rathe Euch, la�t das keinen Corsen wieder h�ren.�
�Ehrw�rdiger Herr,� antwortete der junge Soldat unerschrocken, �ich habe gewi� keine Absicht, Euch zu beleidigen, ich wiederhole, was der Pr�sident selbst mit Betr�bni� sagt: Die Corsen haben edle, herrliche Eigenschaften, die h�chste Vaterlands- und Freiheitsliebe, aber ihr �bertriebenes Ehrgef�hl und Rachegef�hl sind ihr Ungl�ck. Von Sampiero's Zeiten ab haben die gr��ten Helden dieses Landes immer auch ihre M�rder gefunden. Wie aber k�nnte Pasquale Paoli ohne Todfeinde sein, er, der jedes Unrecht, jede Gewaltthat als ein unerbittlicher Richter straft und keinen Uebelth�ter schont, mag dieser sein n�chster Verwandter sein.�
Der Abt Peverino st�tzte seinen Kopf in seine H�nde, h�rte zu und wurde ruhiger.
�Das ist wahr,� sagte er. �Pasquale hat seinem eigenen Vetter den Kopf abschlagen lassen, und Feinde haben wir Alle. Kein Corse vergiebt eine Beleidigung, doch mag man sagen, was man will, die Rache hat auch ihr gutes Recht. Aber fahrt fort, Signor Capitano, erz�hlt mir, wie Pasquale weiter unterhandelte.�
�General Marbeuf,� erwiederte der Capit�n, �machte es ganz eben so wie Chauvelin. Er gab immer neue halbe Antworten und sprach von der Gnade und Gro�muth seines erhabenen Monarchen, der diesen Aufruhr verzeihen werde!�
�Demonio!� schrie der Abt mit erneuter Wuth. �Wir wollen von diesem erhabenen Monarchen keine Gnade oder Gro�muth. Die Pest �ber ihn!�
�Ein Franzos ist immer h�flich,� lachte der Capit�n, �auch wenn er dabei den Strick zusammendreht, an welchem er seinen Gegner hochachtungsvoll aufh�ngen will. W�hrend Marbeuf bewundernde Briefe an den Pr�sidenten schrieb, landeten immer mehr Franzosen, bis deren �ber 30 000 beisammen waren und in letzter Woche nun auch der neue Oberbefehlshaber, Graf de Vaux, in Bastia eingetroffen ist.�
�Ist er da?� rief der Abt, �ich kenne ihn recht gut. Vor mehr als zwanzig Jahren war er bei uns, als Malebois das corsische Volk vor den Grausamkeiten der Genuesen sch�tzte. Damals waren die Franzosen beliebt und unsere Freunde, und der junge Graf de Vaux ein Mann, der alle Herzen bezauberte.�
�Jetzt kommt er, um diese bezauberten corsischen Herzen einzupacken und nach Paris zu schicken,� spottete der muntere Officier, �damit die neue k�nigliche Maitresse, Madame du Barry, und der gesammte Hirschpark sich daran erfreuen m�gen.�
Abt Peverino verstand diese Sp�tterei nicht ganz, aber er fa�te im Ganzen doch den Sinn, sch�ttelte seinen rothen m�chtigen Kopf, stampfte sein Glas auf und rief:
�Wir sind ehrliche, sittsame Leute auf unserer abgelegenen kleinen Insel. Verlangen nicht nach dem Glanz von Paris und leichtfertigem, nichtsnutzigem Leben, sondern wollen bleiben wie unsere V�ter. Ich hoffe auch, so wird es geschehen. Graf de Vaux wird uns helfen, Signor Capitano, immer war er unser Freund, von edlem Sinn, tapfer und stolz. Benedetto la santa Vergine! da� er gekommen ist, er wird den Vertrag abschlie�en, der uns unsere Freiheit und unsere Rechte erh�lt.�
�Darauf kommt es allerdings jetzt an,� sagte Capit�n Wilda, �und ich will w�nschen, da� Ihr Recht behalten m�gt. Graf de Vaux hat sogleich an den Pr�sidenten geschrieben und eine Unterredung von ihm verlangt.�
�Seht Ihr wohl!� schrie der Abt mit Lebendigkeit. �Was sagte Pasquale Paoli dazu?�
�Er hat die Einladung angenommen, und eben um deswegen bin ich mit meiner Compagnie hierher geschickt worden.�
�Was!� schrie der Abt, indem er von seinem Sitze aufsprang, �um dessentwegen seid Ihr hier? In Oletta soll diese Unterredung stattfinden?�
Der Capit�n best�tigte dies, so weit er es thun konnte, indem er mittheilte, was er selbst dar�ber vernommen. Die Unterhandlungen seien im Gange. Der Pr�sident Paoli habe Oletta vorgeschlagen, und wohl zu glauben sei, da� Graf de Vaux dies annehme. Wann jedoch die Versammlung stattfinden werde, dar�ber wu�te er Nichts zu sagen. Es konnte morgen schon geschehen, doch eben so gut erst in l�ngerer Zeit oder auch gar nicht. Er hatte den Auftrag, in Oletta so lange zu bleiben, bis er andere Befehle empfange; darauf bat er den Abt, zun�chst �ber das, was er ihm mitgetheilt, zu schweigen, damit nicht voreilig L�rm dar�ber entstehe.
Indem er dies sagte, h�rte er ein Ger�usch, und er sah sich um und erblickte in dem Fensterwinkel Romana sitzen.
�Oho!� rief er, sich gegen den Geistlichen wendend, �wir sind nicht allein gewesen, hochw�rdiger Herr.�
�Habt Ihr mir ein Geheimni� mitgetheilt, mein Herr?� fragte der Abt.
�Nein, reverendissimo Signor,� antwortete der Capit�n, �denn w�re mir Schweigen geboten, so w�rdet Ihr Nichts davon erfahren haben.�
�Mein lieber Herr,� unterbrach ihn der Abt, �Ihr seid ein Fremder und wi�t nicht, was in Corsika Sitte ist. Seid au�er Sorge um Alles, was Ihr spracht. Wenn ich zu meiner Nichte Romana sage: Du schweigst �ber diese Sache, M�dchen, so ist dies so gut, als legte ich sieben Schl�sser vor ihre Lippen. Ich k�nnte jedoch eben so wohl auch meine ganze Gemeinde zusammenrufen, theilte ihr mit, was ich von Euch erfuhr, und spr�che dann: Freunde, wir m�ssen es f�r uns behalten, weil es des Vaterlandes Heil so n�thig macht; Alles will. ich verwetten, was mein ist, da� der heilige Petrus selbst keine Silbe davon erf�hre.�
Der Abt sprach dies voller Zuversicht, aber der Capit�n schien dennoch daran zu zweifeln.
�Die Corsen sind freilich als verschwiegene Leute ber�hmt,� sagte er, �ich m�chte jedoch diese Tugend auf keine allzu harte Probe stellen. Was Viele wissen, ist immer schlecht bewahrt, und an Verr�thern hat es auch in Corsika selten gefehlt.�
Der alte Priester schleuderte ihm einen stolzen Blick zu, allein der Deutsche kehrte sich nicht daran. Der corsische hei�e Wein mochte ihn noch unbek�mmerter und offenherziger machen, als er sonst schon war. Er nahm sein Glas auf und sagte zu dem hitzigen Abt:
�Treue soll leben und Falschheit verderben! Unser deutsches Volk ist auch ber�hmt wegen solcher Tugend, dennoch am besten, man verl��t sich auf sich selbst, als auf andere Menschen.�
�Oho!� rief der Abt, �Ihr glaubt nicht, wie ich sehe, weder an Weib noch an Mann, hier aber, Signor Capitano, sind beide von gro�er Treue. Wir haben viele Beispiele, wo Frauen und M�dchen ihre M�nner und Geliebten bis auf Blut und Leben vertheidigten und durch keine Versprechungen, durch keine noch so gro�e Belohnungen oder durch die schrecklichsten Qualen bewogen werden konnten, sie zu verrathen.�
�Ich glaube es, ehrw�rdiger Herr, ich glaube es!� lachte der junge Soldat. �Ich habe davon geh�rt, wie Gaffori's Frau voller Heldenmuth ihr Haus und ihre Kinder gegen die Genuesen drei Tage lang vertheidigte, bis es durchl�chert war wie ein Sieb, aber ich habe auch geh�rt, da� die jungen Damen in Bastia die Franzosen gar nicht besonders hassen, vielmehr ganz vergessen sollen, da� es Feinde ihres Vaterlandes sind.�
�Cospetto!� schrie der Abt, �Ihr habt eine b�se Zunge. Komm her, Romana, sage uns, was Du dar�ber denkst. Du bist lange Zeit in Bastia gewesen. Glaubst Du, da� es dort so schlechte M�dchen und Weiber giebt?�
Romana hatte das Gebot ihres Onkels befolgt, war n�her gekommen und setzte sich nun an den Tisch. –
�Warum soll es deren nicht geben, Onkel, sowohl hier wie �berall,� antwortete sie ihm. �Giebt es doch auch manche M�nner, die es mit den Franzosen halten.�
�Verdammte sind es! Verfluchte, die daf�r ewig in der H�lle brennen m�ssen!� schrie Peverino. �Jeder mag ihnen das Messer in die Kehle sto�en, wo er sie findet. O Signo Ufiziale! ist die Rache nicht gerecht, wenn sie solchen elenden Verr�ther zu Boden streckt? Wenn ein Corse den Feinden seines Vaterlandes anh�ngt, ist er nicht werth, von tausend Messern durchstochen zu werden? Sprich, Romana, k�nntest Du jemals einem Fremden Deine Hand geben?�
Romana z�gerte einen Augenblick mit der Antwort, sah den Onkel Peverino an, darauf auch den Gast, l�chelte und sprach mit ihrer sanft klingenden lieblichen Stimme:
�Die heilige Jungfrau m�ge mich besch�tzen! Einen Feind meines Vaterlandes m�chte ich niemals meinen Freund nennen.�
�Richtig, mein M�dchen, richtig!� rief der Abt, �so war's gemeint,� und indem er sich gegen den deutschen Capit�n wandte, f�gte er hinzu: �Sie nimmt unsere Freunde aus, mein lieber Herr, wie es sich schickt und geb�hrt. Auch Ihr seid Corsika's Freund. Darum auch unser Freund, dem wir mit Treue anh�ngen, und den wir ehren wollen zu jeder Zeit! Darauf la�t uns unsere Gl�ser leeren.�
Romana mu�te ebenfalls ein Glas nehmen und von dem s��en Weine nippen. Dann wurde der Abt hinausgerufen, es kamen Leute, die ihn sprechen wollten; so blieb Capit�n Wilda mit dem artigen corsischen M�dchen allein, welchem er jetzt erst seine Aufmerksamkeit schenkte.
Gew�hnlich sind corsische Frauen scheu und schweigsam, wenn fremde M�nner im Hause sind, aber die meisten sind fr�hlichen Gem�ths, und sobald ihre Bekanntschaft gemacht ist, auch zwangslos mittheilsam. Sie k�nnen alle die Cither spielen, Serenaden und Lamentos singen, wissen �ber ihres engen Lebens Freuden und Leiden zu plaudern, das Mandile in zierliche Falten zu legen, die Faldetta artig zu werfen, Sonntags in und um die Kirche zu spazieren und ihren Rosenkranz eifrig zu beten. Aber wie noch jetzt Schreiben und Lesen bei dem Volke ziemlich ungew�hnliche K�nste sind, so war dies damals selbst bei den M�nnern selten zu finden. Paradiesische Vergessenheit lag �ber Corsika; die dunkeln K�pfe mit den dunkeln Augen wu�ten meist blutwenig oder Nichts von der ganzen �brigen Welt.
Karl von Wilda wurde daher sehr �berrascht, als Romana sich zu ihm wandte und mit ihrer klaren, hellen Stimme fragte:
�Ihr seid also ein Deutscher, mein Herr, aus dem gro�en Lande, das hinter dem Lande der Franzosen liegt.�
�Das bin ich,� erwiederte er mit vieler Freundlichkeit, �habt Ihr von Deutschland Etwas geh�rt, Donzella Romana?�
�Ich habe davon Mancherlei geh�rt,� war ihre Antwort, indem sie ihn mit den gro�en, blauen Augen freundlich anschaute. �Es ist ein weit reichendes sch�nes Land jenseits eines gro�en Stromes, der Reno hei�t, und es leben viele Millionen Menschen darin in vielen herrlichen St�dten. Viele Forsten giebt es dort und reiche m�chtige Herren, �ber Alle aber gebietet ein Kaiser, dessen Hauptstadt Vienna hei�t.�
Karl von Wilda erstaunte �ber diese ungew�hnlichen Kenntnisse im Munde dieses jungen M�dchens, denn er hatte manche angesehene M�nner kennen gelernt, welche von Deutschland kaum den Namen wu�ten und keine Ahnung hatten, wo dies fabelhafte Land wohl liegen k�nnte. Er blickte Romana daf�r mit verdoppelter Theilnahme an, und als er in ihre Augen sah, bemerkte er, da� dies sch�ne strahlende Augen seien, auch bemerkte er erst jetzt ihr gelbes Haar in dem schwarzen Netze und ihre wei�e, breite Stirn.
Der junge Capit�n besa� kein z�rtliches Herz, er sah nicht viel nach den M�dchen, und w�hrend seines abenteuerlichen Lebens auf dieser Insel hatte er wenig Gelegenheit gehabt, weiblichen Umgang zu pflegen. Den letzten Herbst �ber bis zur Winterszeit gab es K�mpfe und Gefechte in F�lle, nirgend aber einen Ort, wo geselliges Familienleben sich f�r einen Fremden ge�ffnet hatte. Der Pr�sident Pasquale Paoli war nicht verheirathet, die M�nner, welche ihn umgaben, zum Theil ebenfalls nicht oder in fernen Gegenden der Insel angesessen, die Frauen endlich, meist untergeordnet und zu den Lasten des h�uslichen Lebens verurtheilt, kamen kaum je in die Gesellschaft. Auffallend war es dem Capit�n daher, hier pl�tzlich ein M�dchen zu finden, das ihn nicht allein anredete, sondern auch an Geist und Wissen ein ganz anderes Wesen zu sein schien, als ihm bisher vorgekommen.
Romana Saliceti sah mit ihren gro�en blauen Augen so sanft und so verst�ndig aus, als k�me sie aus einer anderen Welt. Je l�nger er sie anblickte, um so bekannter kam sie ihm vor, als habe er in der Heimath wohl schon ein �hnlich Bild gesehen. Er f�hlte ein pl�tzlich Vertrauen, oder dies entstand aus den zutraulichen Blicken, welche sie auf ihn heftete.
�Wie sehr mich das freut, Jungfer Romana,� sagte er, �da� Ihr mein Vaterland kennt, und da� es Euch gef�llt, vermag ich kaum zu sagen, doch fast eben so sehr bin ich erstaunt, denn ich wei� es mir nicht zu erkl�ren, wie das m�glich sein kann.�
�Dies ist nicht schwer zu erkl�ren,� versetzte sie l�chelnd. �Ich bin lange Zeit in Bastia gewesen im Hause meines Verwandten, des Herrn Grimaldi, eines der R�the vom hohen Gerichtshofe. Dieser aber wurde vor Jahren nach Frankreich gesandt, als der K�nig den guten General Cursay, der es so brav mit den Corsen meinte, nach Frankreich zur�ckrief und in ein Gef�ngni� werfen lie�. Mein Verwandter, Herr Grimaldi, wurde damals nach Paris gesandt, um f�r den armen General und f�r uns selbst zu bitten, und da er lange dort verbleiben mu�te, nahm er seinen j�ngsten Sohn Achill mit sich, welcher damals noch ein Knabe war. Der K�nig und seine Minister wollten uns jedoch nicht helfen, da machte sich Grimaldi mit seinem Sohne auf und ging nach Wien zu dem Kaiser der Deutschen und der sch�nen stolzen Kaiserin, welche dort herrscht. Sie wurden gut aufgenommen, doch Hilfe brachten sie uns auch von Wien nicht, denn die Kaiserin wollte es mit den Franzosen und Genuesen nicht verderben. Aber Achill hatte viel gesehen und geh�rt, und oft hat er mir davon erz�hlt, so habe ich von Deutschland Manches erfahren, was mir wohl gefiel.�
�Und nun will ich mich bem�hen,� fiel der Capit�n ein, �da� die gute Meinung, welche Ihr von den Deutschen habt, sich nicht verringern soll.�
�Ich denke nicht,� versetzte sie, ihn mit den gro�en Augen anblickend, �da� dies geschehen wird.�
�Nein, nein!� lachte er, �wir werden artige G�ste sein, und ich selbst verspreche, meine liebe Donzella Romana, Euch so wenig Last zu machen, als ich immer kann.�
Romana sch�ttelte den Kopf.
�Wir haben ein Sprichwort,� sagte sie, �das hei�t: F�r Deine Freunde sollst Du mehr noch thun, als Deine Feinde von Dir verlangen w�rden. Bleibt recht lange bei uns, mein Herr, Ihr sollt Euch �berzeugen, da� wir keine Last davon empfinden.�
Erfreut dar�ber versprach der Capit�n, gern zu bleiben, so lange es ihm gestattet sei, und sie plauderten Beide, einander wohl gefallend, unbefangen weiter, bis der Abt zur�ckkehrte, den Podesta Montalti und einige andere der Ortsvorsteher mitbrachte, und nun eine fr�hliche Gesellschaft sich um den Tisch setzte, welche den Abend �ber beisammen blieb.
Am n�chsten Tage hatte der Capit�n Wilda seine Einrichtungen zu treffen, welche die milit�rische Besetzung Oletta's vervollst�ndigten. Mit den Franzosen war kein Frieden abgeschlossen, nur eine Waffenruhe fand statt, welche jedoch durch Nichts verb�rgt, jeden Augenblick gebrochen werden konnte. Der Capit�n richtete eine Wache ein und fand Bereitwilligkeit genug, um Nachrichten einzuziehen, wie es unten am Golf in St. Fiorenzo herging. Alles, was er vernahm, lautete jedoch beruhigend. Die franz�sische Besatzung war zwar sehr stark und arbeitete flei�ig an den Schanzen und Th�rmen, auch lagen mehrere Kriegsschiffe im Hafen, allein im Uebrigen verhielten sich die Franken ruhig.
Der Capit�n konnte einen Boten an den General Paoli absenden mit einem zufriedenstellenden Bericht, dann konnte er sich ungest�rt den Freuden �berlassen, welche die Gastlichkeit der Bewohner von Oletta ihm und seinen Leuten bereitete. Diese bestanden nun gr��tentheils darin, da� man sie nach besten Kr�ften bewirthete, mit allem versorgte, was hier zu haben, und ihnen jegliche Unterhaltung und Zerstreuung zu verschaffen suchte. Deren gab es freilich nicht viele, ein Jeder mu�te sich mit dem Gebotenen begn�gen.
Die gro�e Kirche mit ihren Alt�ren, ihren Familiengr�bern und ihrem Ausputz sammt dem kl�sterlichen verlassenen Stiftshause war das einzige Bauwerk, das beschaut werden konnte, wer jedoch Freude empfand an den Reizen der Natur, dem boten sich viele herrliche Spazierg�nge durch die gartengleichen Umgebungen bis auf hohe, j�he Felsenkuppen und durch Waldschluchten, in welche der Aliso und andere B�che sch�umend niederst�rzen, zu sch�nen kleinen Bergebenen und Th�lern mit Oliven, Feigen, zahllosen Lorbeerrosen und anderen herrlichen B�umen und Blumen bedeckt.
Zur Sommer- und Herbstzeit, wenn die Fr�chte reifen, die Muskatellertrauben in wunderbarer F�lle und Schwere niederh�ngen, sammt Pfirsichen, Melonen und so vielen andern s��en Gaben, mochte das lustige Umherschweifen f�r den Genu� noch lockender sein, jetzt aber, wo der Fr�hling alle Knospen trieb, wo die Luft so k�hl und lau, der Himmel voll paradiesischem Licht, die Erde voll paradiesischer Triebe war, konnten empfindende Menschen sich nichts Sch�neres w�nschen.
Gleich am ersten Tage hatte der Abt seinem Gaste die Kirche gezeigt und mit Genugthuung dessen Verwunderung �ber den stattlichen Bau bemerkt, den die Leute von Oletta schon in alter Zeit zu Stande gebracht; nach den rothen Felsen hinauf, welche �ber dem Olivengarten der Saliceta lagen, ging der Capit�n jedoch, begleitet von Romana und ihrer Freundin Maria sammt deren Br�utigam, dem jungen Bernardo Leccia. Von jenen rothen Felsen und dem hochliegenden Olivenhain war die sch�nste Aussicht weit und breit; den muntern jungen Leuten aber wurde der steile Weg nicht beschwerlich, sie legten ihn in froher Laune zur�ck.
Der lebhafte Bernardo Leccia hatte wenig von der Tugend der Schweigsamkeit und des Ernstes abbekommen, welche man seinem Volke nachr�hmt, oder die Liebe zu der sch�nen Maria Montalti machte ihn so heiter und gespr�chig. Leicht auf seinen F��en hatte er den Kopf voller Possen, und dann wieder funkelten seine dunkeln Augen in Leidenschaft, und mitten in seinen Neckereien umfa�te er die �ppige Braut, um mit Liebesworten und Bitten sie zu k�ssen.
Romana folgte mit ihrem Begleiter l�chelnd und betrachtend dem jungen Paare. Was sie Beide dachten, wu�te Niemand, mehr als einmal jedoch begegneten sich ihre Blicke, und es war, als l�ge ein geheimes Verst�ndni� darin, das aus ihren Herzen her�ber und hin�ber lief; ein unsichtbarer Faden, der sich um sie schlang und sie so innig zusammenziehen wollte, wie jene dort, die keinen Zwang f�hlten. Von Anfang an war ihr Wohlgefallen entstanden, und dies verst�rkte sich fort und fort. Schien es Beiden doch, als seien sie l�ngst bekannt, und was der Eine that, erfreute den Andern.
So nat�rlich, einfach, dabei mild und gut, und doch begabt mit Klugheit und Gedanken war dem deutschen Edelmann noch kein corsisches M�dchen begegnet, und wie dieser Fremde, edel von Gestalt, artig und ritterlich hatte Romana noch keinen Mann gesehen. Von seinen Soldaten wurde auch Manches erz�hlt, was in Oletta umlief, und ihr Oheim hatte es ihr mitgetheilt. Er geh�rte zu den Tapfern, mit denen Pietro Colle und Clemens Paoli in m�rderischen Gefechten die Franzosen aus der Casinca trieb, und nach der Schlacht von Borgo hatte der Pr�sident ihn �ffentlich vor allem Volke umarmt und in des Vaterlandes Namen ihm gedankt. Seine Soldaten liebten ihn leidenschaftlich, denn er war ihr bester Mann in That und Rath; streng zwar in seiner Pflicht, dabei aber jedes Andern Freund und Helfer.
Solches Lob konnte Romana nicht gleichg�ltig h�ren; auch der Abt war dem jungen Deutschen sichtlich gewogen, der furchtlos und fr�hlich sich bezeigte, dennoch bescheiden und ehrerbietig. Der zornige Herr Peverino nahm es nicht �bel, da� sein Gast freim�thig urtheilte, hatte er doch bewiesen, da� er corsisch dachte, und da� der Pr�sident ihn und seine Schaar ausgew�hlt hatte, Oletta zu besetzen und ihn zu besch�tzen, wenn es hier zu einer Zusammenkunft mit dem Anf�hrer der Franzosen kam, war sicher auch ein Beweis, wie hoch Pasquale Paoli diesen jungen Mann sch�tzen mu�te.
Der Abt sah den Grund wohl ein, warum keine Corsen dazu ausgew�hlt wurden, deren Ha� gegen die Franzosen leicht zu gef�hrlichen Auftritten Anla� geben konnte, wenn sie hier sich begegneten. Die Franzosen hatten manche schlimme That begangen, D�rfer niedergebrannt, um den Aufruhr zu strafen, Menschen erschossen und qualvoll hingerichtet, die sich ihren Befehlen widersetzten. Diese Deutschen aber besa�en Mannszucht, und ihr Capit�n war bei aller seiner Tapferkeit ein Mann, dem das gl�hende corsische Blut in den Adern fehlte, denn wie sollte dieser Nordl�nder dazu kommen?
Romana erinnerte sich, w�hrend sie neben ihm ging, an Alles, was ihr Oheim gesagt hatte. Sie dachte auch daran, da� ihr eigener Bruder, der tapfere Vertheidiger von Furiani, Carlo gehei�en, und es kam ihr vor, als ob sie um dieses geliebten Todten willen diesen Fremden so gern s�he; denn die geschwisterliche Liebe auf dieser Insel ist eine heilig sch�ne, und der �lteste Bruder besonders Gegenstand der innigsten Verehrung.
Sie fragte den Signor Carlo, ob er auch Geschwister habe, und war erfreut, als er ihr von seiner Schwester erz�hlte, die er in der Heimath zur�ckgelassen. Er mu�te ihr deren Namen nennen, den sie bed�chtig l�chelnd nachsprach, denn diese Schwester hie� Gertraud, und sie erg�tzte sich an dem fremdartigen Klang.
Dann nannte sie ihm die Namen aller ihrer Verwandten, er aber fand, da� Romana der sch�nste sei, und sprach ihn mit seiner fremden schweren Zunge so eigenth�mlich aus, da� sie dar�ber lachen mu�te, und doch drang der Ton ihr s�� bis in ihr Herz hinein. Er wiederholte ihn vielmals, als wollte er ihn sich einpr�gen, und sie h�rte es mit immer neuem Vergn�gen.
So folgten sie Bernardo und Maria nach, die voranliefen und genug mit sich selbst zu schaffen hatten. Romana hatte mancherlei Fragen zu thun �ber das ferne Land, aus welchem dieser freundliche Signor stammte, und er hatte immer wieder Etwas mitzutheilen, da� sie in Erstaunen setzte, bis sie an eine Stelle gelangten, wo der Weg steil aufw�rts ging.
Hier strauchelte Romana, und da sie auf ihr Gewand trat, w�rde sie gefallen sein, wenn der gef�llige Capit�n sie nicht in seinen Armen festgehalten hatte. Es war nur ein Augenblick gewesen, wo er sie so umschlossen hielt und ihr Herz unter seinen Fingern pochen f�hlte, aber dieser Augenblick war entscheidend. Er beugte sein Gesicht zu ihr nieder, und ihre strahlenden Augen leuchteten, wie mit Sonnenglanz gef�llt, �ber ihn hin. Zugleich damit hatte sich Maria umgeschaut, und mit Bernardo im Vereine lachten Beide aus Herzenslust und klatschten in ihre H�nde.
�O! welch' ein Anblick,� rief Maria, �die kleine Romana h�ngt am Halse des fremden Herrn. Wenn das gewisse andere Leute s�hen, wie w�rden sie sich entsetzen. Aber das kommt von den franz�sischen langen R�cken, das kommt davon, wenn man keine ehrbare Faldetta tr�gt. Wer wei�, was wir noch erleben k�nnen!�
Vor diesen Sp�ttereien wurde Romana's ganzes Gesicht roth, doch gleich wieder war sie ohne Verlegenheit, dankte dem Signor und lief nun so sicher und schnell �ber das Ger�ll allen Anderen voran, als wollte sie beweisen, da� es an ihrer Tracht nicht gelegen habe.
Der Capit�n folgte langsam nach, er hatte nur halb verstanden, was Maria spottete, und seine Gedanken besch�ftigten sich mit Romana. Wie sie ihn angesehen mit den gro�en leuchtenden Augen, das brannte gleich einem Feuerstrom in ihm, der den Weg bis in seine Eingeweide gefunden. Eine Gluth tobte in seinen Adern, als sei er zum Corsen geworden; dagegen aber str�ubte sich sein deutscher Kopf gleich auf der Stelle und mahnte ihn zur Besonnenheit.
Welche Thorheit w�re es, sagte dieser zu ihm, wolltest Du einen Liebeshandel mit diesem M�dchen beginnen. Wohin sollte es f�hren? In wenigen Tagen schon wirst Du sie verlassen und niemals wahrscheinlich zur�ckkehren. Ein sch�ner Dank aber w�re es f�r diese angesehene Familie, wenn Du diesem liebensw�rdigen Kinde Kummer und Trauer bereiten oder gar sie betr�gen wolltest. – Betr�gen? Nimmermehr! rief er emp�rt �ber diese Vorstellung, und w�hrend er weiter ging, fuhr er fort, dar�ber nachzusinnen, was Ernst wohl sein k�nnte und was die Folgen.
Aber jedem Ernst setzten sich sofort vernichtende Widerspr�che entgegen, die endlich ein Lachen auf seine Lippen brachten. Der junge deutsche Edelmann hatte seinen Zug in's Corsenland als eine romantische Episode betrachtet, die ein Cavalier seinem Leben wohl anh�ngen durfte. Wenn er auf dem Bette der Ehre f�r die Corsen und ihre Freiheit starb, so theilte er dies Loos mit manchem andern Sohne ber�hmter Geschlechter, die, vom ritterlichen Geiste getrieben, Thaten und Schlachtfelder suchten; aber ein corsisches Landm�dchen zu heirathen, stammte sie auch aus dem alten Bauernadel der Caporali, waren ihre Verwandten in den St�dten auch R�the und Doktoren, schien gleichwohl unm�glich.
Sollte er in diesem Felsenwinkel sich etwa niederlassen, ein Bauer werden und in dieser halbwilden Insel sein Dasein beschlie�en? Er f�hlte einen Schauder davor trotz aller Feigen und Oliven, aller Kastanien, Orangen und lieblichen D�fte und Fr�chte. Von allen Seiten schrie es: nein! in seine Ohren, und er lachte dazu und stieg eilig weiter, wo am Eingange des Olivengartens der Saliceti ihn die Gef�hrten erwarteten und �ber seine Langsamkeit sp�ttelten.
�Hier werdet Ihr Etwas sehen, mein Herr,� sagte Bernardo darauf, �was Ihr in Eurem Vaterlande noch niemals sahet. Olivenb�ume wie die Kastanien gro� und von fast eben solcher St�rke und Bl�tterkrone.�
�In meinem Vaterlande, mein lieber Bernardo, giebt es gar keine Oliven,� antwortete der Capit�n.
�Keine Oliven!� rief der junge Corse erstaunt. �Giebt es auch keine Feigen, keine Mandeln, keine Orangen, keine Kastanien bei Euch?�
Als Karl von Wilda dies Alles nach einander verneinte, malte sich mit dem ver�chtlichen Mitleid �ber das arme elende Germania zugleich der Stolz auf sein reiches sch�nes Vaterland in den Mienen und Blicken des jungen Corsen.
�Misericordia!� rief er aus, �wovon lebt dies ungl�ckliche Volk?�
�Von seinen Feldern und seinen Heerden, von seinen Fruchtb�umen und seinen G�rten, wie Ihr,� antwortete der Capit�n, �und es leben viele Millionen Menschen davon. Freilich aber,� setzte er hinzu, �bl�ht und w�chst dort Alles nicht so leicht und m�helos wie hier, sondern die Menschen m�ssen von fr�h bis sp�t flei�ig arbeiten, wenn sie leben wollen.�
�Und Eure W�lder bestehen nicht aus Kastanien- und Walnu�b�umen?�
�Es wachsen nur Eichen, Buchen und Pinien darin.�
�Der Boden ist nicht mit Blumen bedeckt?� fragte Marie.
�Der Boden ist wenig dazu geeignet; oft liegt Monate lang der Schnee darauf.�
�Schnee!� schrie Maria entsetzt. �lebt Ihr im Schnee wie die wilden Schafe, die Muffoni, auf dem Monte Rotondo?�
�Und warum kann ihn die Sonne nicht schmelzen?� fragte Romana.
�Die Sonne hat keine Macht dazu, ihre Strahlen sind kalt.�
�O, meine liebste Maria!� rief Bernardo, �wie gl�cklich sind wir, nicht in jenem schrecklichen Lande geboren zu sein, wo die Sonne kalt ist, die Menschen im Schnee leben m�ssen, wo es weder Blumen noch Oliven und Kastanien giebt, und wo sie, um ihr armseliges Leben zu fristen, wie Thiere arbeiten m�ssen.�
�Ja, ja!� rief Maria, �um alles Gold in Bastia m�chte ich nicht dorthin ziehen. Wie k�nnt Ihr doch der gn�digen Jungfrau danken, mein Herr, da� sie Euch nach Corsika gef�hrt hat, wo es sch�ner ist als im Paradiese!�
�Ihr habt wohl Recht, und ich danke ihr auch,� erwiederte der Deutsche l�chelnd, �allein bei alledem werde ich dennoch mein Vaterland nicht vergessen, und ob ihm auch Oliven und Mandeln fehlen, wird's mich immer doch nach ihm verlangen.�
�O,� rief Maria ungl�ubig zweifelnd, �Ihr m�chtet doch nicht dahin zur�ckkehren?�
�Ei gewi�!� sagte Karl von Wilda, �wenn ich am Leben bleibe, so wird es sicherlich geschehen. Dann ziehe ich in das Land, wo es Arbeit, Schnee und kalte Sonne giebt, um darin froh und gl�cklich zu werden.�
Bernardo und Maria warfen sich Blicke zu, als sei es nicht recht richtig im Kopfe dieses deutschen Herrn, der aber fortfuhr:
�Seht, meine Freunde, es giebt in dem kalten Lande keine Banditi und keine Vendetta, keine fl�chtigen Verbrecher in den Bergen und keine Blutrache, sondern die Menschen gehorchen den Gesetzen, und die Gesetze sch�tzen sie gegen Gewalt und Unrecht. La�t es also gut sein und verachtet nicht das Fremde. In manchen L�ndern wachsen Feigen und Orangen, aber die Menschen sind roh und wild und tragen schlechte Fr�chte. Es fehlt auch Euch noch gar Manches daran, ehe Corsika zum Paradiese wird. Beh�t' Euch Gott, da� Ihr nicht die Erfahrung an Euch selbst macht.�
So freundlich sprechend und scherzend ging er durch den Olivenhain, und vor ihm ging Romana, die zu Allem geschwiegen hatte, doch seine Worte aufmerksam h�rte und mit gro�en Augen ihn anschaute, bis sie weiterschritt. Der Olivenhain war aber wirklich selten in seiner Art, lauter hohe prachtvolle B�ume, wie Wilda sie noch niemals gesehen. Zuweilen St�mme, da� es unglaublich schien, Oliven k�nnten zu solcher M�chtigkeit gelangen. Ihre Kronen verflochten sich zu einem Laubdach, und ihre jungen Bl�tter bezeugten den Reichthum, der sich hier entfaltete.
�Dies ist ein weit ber�hmter Olivenwald!� rief Bernardo, �und Mancher ist schon von fern her nach Oletta gekommen, um ihn zu sehen. Ich denke, mein Herr, wenn Ihr dort oben steht, wo Romana jetzt hinaufsteigt, wird's Euch doch bei uns besser gefallen, als irgendwo in der Welt.�
Der Olivenhain zog an einem Berge hinauf und endete auf einer Feldterrasse, �ber welcher Kastanienw�lder bis zu dem hohen Col di Tenda sich ausdehnten. Romana stand schon oben, hatte ihren Strohhut abgenommen, und Wind und Sonnenschein spielten mit ihrem goldigen Haar. Das rothe Mandile fiel von ihrem Nacken auf das blaue leuchtende Gewand, und l�chelnd streckte sie ihren Arm aus und deutete vor sich hinaus in die Weite.
Was der Capit�n erblickte, war bezaubernd. Das ganze Land Nebbio lag vor ihm mit allen seinen wunderbaren Reizen. Die Berge und Th�ler in ihrer Pracht mit ihren W�ldern und B�chen, idyllisch sch�n und still, voll tr�umerischer Ruhe, friedensvoll und gl�cklich. Darunter der gro�e herrliche Golf mit seiner tiefen Bl�ue, dar�ber der lichte Himmel, die alten Genuesenth�rme im rothen Lichte, die Stadt Fiorenzo in Abendsonnengluth getaucht, die gothische Kathedrale der Bisch�fe von Nebbio auf ihrem H�gel herrlich strahlend.
Und alle die rothen Klippen umher wie in Feuer flammend, um die gr�nen W�lder ein Glanz wie von Goldkronen; �berall die D�fte von Millionen Blumen und nirgend ein lebendiges Wesen, nirgend ein Vogel, nirgend ein Ton, Nichts als die reiche, warme, farbengl�hende Natur in unnachahmlicher Vollkommenheit.
Romana f�hrte ihren Freund zu einem Steinsitze, der von Lorbeerrosen und Oleander umwuchert war, und lange schwieg sie, w�hrend er entz�ckt diese glanzvollen Panoramen bewunderte. Endlich aber wandte sie den Kopf zu ihm um, blickte ihn an und sagte:
�Wolltet Ihr wirklich in Euer Vaterland zur�ckkehren?�
�So fragt Ihr, Donzella, da ich hier sitze mit entz�ckter Seele, und dennoch findet Ihr mein Sehnen nicht nat�rlich?� erwiederte er. �Wenn der Wandervogel in den S�den fliegt, kehrt er dennoch immer wieder in sein Nest zu dem �desten Strande zur�ck. So ist es mit dem Menschen und seiner Geburtsst�tte. Nichts kann diese ihm ersetzen.�
�Nichts?� fragte Romana nachdenkend. �Giebt es Nichts?�
�Nein, ich wei� Nichts!�
Romana schwieg.
�Ist das gewi�?� fragte sie nach einigen Minuten.
�Ich glaube es. W�rdet Ihr, meine liebe Jungfer Romana, dies Land Eurer V�ter jemals verlassen k�nnen?�
Sie schien es zu �berlegen.
�Vielleicht k�nnte ich es,� sagte sie darauf, �doch es mu� schwer sein. Wann wollt Ihr fort?�
�O, dieser Tag kann lange auf sich warten lassen oder wohl niemals kommen,� versetzte der Deutsche. �Ich werde diesen Kampf ausfechten helfen, komme es, wie es komme. Bis Corsika frei ist, oder bis es zu Boden geschlagen wird, und wer wei�, wer das erlebt, wer in seinem Grabe liegt.�
�Nein,� sagte Romana, und ihre Augen f�llten sich mit dem Glanze, den er vorher schon in ihnen bemerkte. �Gott und die heilige Jungfrau werden Euch besch�tzen.�
�Ich hoffe es,� antwortete Wilda l�chelnd, �wer sollte mir denn auch die Todtenklage, den Vocero singen, da ich auf dieser fremden Erde Niemand habe, der es thun m�chte.�
�Nein, nein!� rief Romana heftiger, �kein Vocero soll gesungen werden, wir haben deren genug.�
Und Romana hatte den sch�nsten gedichtet, als ihr Bruder Carlo gefallen war.
�Ermordet von diesen elenden Franzosen!� fiel Maria ein, die so eben herbeikam.
Es war eine unwillkommene St�rung. Romana schien dies zu empfinden. Schnell stand sie auf,, wandte sich zu ihrer Freundin und fragte:
�Warum kommst Du? Wo ist Bernardo?�
�Er klettert dort am Berge hinauf,� erwiederte diese. �Schwarze Ziegen liefen unter den B�umen. Sieh, da ist eine davon.�
Eine gro�e Ziege sprang �ber die Felsen, lie� ihr lautes Gemecker h�ren, da sie die Menschen erblickte, und machte sich eiligst davon, ihren Gef�hrten nach. Aber Romana rief: �Vita! Vita!� und pl�tzlich kehrte die Ziege um, n�herte sich und kam endlich unter Freudenbezeugungen so dicht heran, da� sie Romana's Hand leckte und wunderliche Spr�nge machte.
�Nun ist es gewi�,� rief Maria, �der alte Angelo lagert dort oben mit seinen Thieren, und wir k�nnen Bernardo nachfolgen, k�nnen Angelo besuchen und uns von ihm mit Broccio bewirthen lassen, denn sicherlich hat er schon welchen in Vorrath.�
Romana schien von diesem Vorschlage sogleich eingenommen.
�Wir wollen hinauf zu Angelo,� sagte sie; �Ihr m��t uns begleiten, mein Herr. Angelo giebt uns s��en Broccio, auch ist er klug und wei� viel.�
�Wer ist er denn?� fragte der Capit�n.
�Ein alter Hirt, und das sind seltsame Leute,� erwiederte Romana. �W�hrend des Sommers wohnen sie auf den h�chsten Bergen, auf dem Doro, dem Tolo und dem Monte rotundo. Dort leben sie manche Monate lang mit Gott und den Elementen in H�hlen oder H�tten; im Winter aber kommen sie herunter, wenn die hohen Berge verschneien, und hin und her ziehend suchen ihre Heerden sich Futter, bis zur Fr�hjahrszeit, wo sie wieder in ihr Reich zur�ckkehren. Angelo kommt in jedem Jahre, diesmal aber ist er fr�hzeitig aufgebrochen. Diese Ziege hier hat er mir geschenkt, als sie ganz klein war. Sie ist in unserer Casa aufgewachsen, dann habe ich sie ihm zur�ckgegeben, damit sie ihre Freiheit und ihre Gef�hrtinnen nicht entbehre. Denn ich denke,� f�gte sie hinzu, �es geht den Thieren wie den Menschen, wohl ist ihnen nur bei Wesen, die sie verstehen und ihre Neigungen theilen.�
Indem sie die Ziege an ihrem Halsband fa�te, schritt sie voran, und das Thier �bernahm die Leitung, zu der Bergh�he, wo der alte Hirt Angelo mit seinen Thieren rastete. Sie f�hrte ihre ehemalige Herrin und deren Gefolge um ein Zickzack des Berges zu einer Schlucht, in welcher bei der Regenzeit ein Gie�bach herabtobte, in dessen trockenem Bett man aber jetzt ohne gro�e Anstrengung hinaufsteigen konnte. Der Kastanienwald mit gewaltigen St�mmen breitete sein Ge�st und Gebl�tter dar�ber aus, und die frische Luft, welche niederwehte, k�hlte die hei�en Gesichter.
Nach einiger Zeit erreichten sie einen Absatz des Berges, und hier lag ein kleines sch�nes Thal von rothen Felsw�nden eingefa�t, welche aufw�rts zogen zu einer wilden Zerkl�ftung. Ziegen und schwarze Schafe kletterten und sprangen daran umher, und von j�her H�he fiel ein Bach herunter, wie ein blanker Silberfaden von unsichtbaren H�nden gedreht. Zugleich auch h�rten sie Bernardo's Stimme und seinen Zuruf, da er sie erblickte.
Unter weit �berh�ngender ungeheurer Felsmasse stand eine H�tte und vor derselben Bernardo mit einem Manne von seltsamem Ansehen. Es war ein Greis von riesenhafter Gestalt und mit schneewei�em Haar, das bis auf seine Schultern fiel. Ein zottiger brauner Mantel h�llte ihn ein, und auf seinem wei�en Kopfe trug er die feurig rothe Berretta, die phrygische M�tze, welche alles Volk tr�gt. Sein faltenvolles Gesicht, braun von Farbe und mit dicken wei�en Augenbrauen �ber den gro�en dunkeln Augen, sah patriarchalisch ernst und seltsam aus.
Da er Romana kommen sah, �ffnete er seinen Mund zu einem Lachen und zeigte dabei ein so pr�chtiges Gebi� wie seine gro�en zottigen Hunde, die jetzt mit w�thendem Gebell aus der Campanne hervorsprangen, doch, durch einen gellenden Pfiff sofort zur�ckgerufen, friedfertig zur Seite schlichen.
�Evviva Romana,� rief der greise Hirte. �Benvenuto! Benvenuto!� und er streckte ihr seine gewaltigen H�nde entgegen, die sie mit ihren kleinen zarten Fingern ergriff, dankbar dr�ckte und ihn dabei voll Freundlichkeit anschaute. Es war, als ob ein Genius von einem D�mon angefa�t w�rde, der seine Macht verloren hatte, B�ses zu thun.
�Wie geht es Dir, mein Vater Angelo?� fragte Romana. �Ich habe Dich lange nicht gesehen.�
�Du warst fern, da ich kam,� antwortete der Hirt, �und kamst, da ich gegangen war.�
�Zwei Jahre sind beinahe vergangen,� versetzte sie, �doch nun bin ich wieder hier, und wir werden uns �fter sehen.�
Angelo machte seine dunkeln Augen weit auf und blickte sie an.
�Wei�t Du es, wie oft noch?� fragte er dabei.
�Wer kann es wissen, lieber alter Angelo, denn Gott allein. F�rchtest Du, da� der Krieg uns dahinraffen mag?�
�Der Krieg,� wiederholte der Greis. �Ich habe Nichts mit dem Kriege zu thun, Kind. Wo ich wohne, bei dem Fuchs und dem Wildschaf, kommen die Franzosen nicht hinauf.�
�Aber wir hier im Lande Nebbio,� sagte Romana, �wir werden von ihnen verschlungen werden.�
�Sei ruhig,� fuhr er fort, seine Blicke wieder mit starrer Festigkeit auf sie niedersenkend, �auch Dich wird der Krieg nicht hinraffen – und dennoch, dennoch� – er blieb vor ihr stehen, schwieg und sagte dann: �Nein, nein! Deine Mienen sehen gl�cklich aus. Kommt und setzt Euch nieder, ruhet aus und la�t Gottes Willen walten.�
So f�hrte er Romana zu den Steinen, welche vor seiner H�tte Sitze bildeten, zwischen ihnen ein langer und breiter, der einen Tisch vorstellen konnte, und mit dem Wesen und der W�rde eines Patriarchen h�rte er nun an, was die Kinder der Unterwelt ihm von ihrem Leben und ihren Schicksalen mittheilen mochten. Den fremden Capit�n betrachtete er mit seinen Seheraugen so forschend, wie er Romana betrachtet hatte, dann mit freundlichen Mienen lobte er ihn f�r seinen Edelmuth, dem armen corsischen Volk gegen dessen Feinde beizustehen, und verhie� ihm den Beistand Gottes; als aber Bernardo und Maria ihm mittheilten, da� im n�chsten Monate ihre Hochzeit sein w�rde, und da� er kommen m�chte, um das Hochzeitsmahl und den Hochzeitskuchen mit ihnen zu essen, lief ein tr�bes L�cheln durch sein Gesicht. Er nahm das Barett von seinem Kopf und faltete seine H�nde dar�ber; es war, als ob er betete.
�Betest Du f�r unser Gl�ck?� fragte Maria.
�F�r Euer Gl�ck,� erwiederte er.
�Thu's f�r Andere, die es besser brauchen k�nnen,� rief Bernardo �berm�thig. �Wir werden gl�cklich sein, alter Angelo, so gl�cklich, wie Keiner im Lande. Komm zu uns, so oft Du willst, Du sollst Dich davon �berzeugen, und wird es Dir zu einsam in den wilden Bergen, so wohne bei uns, wir werden f�r Dich sorgen, denn Romana – ei Romana wird wohl nicht lange mehr in Oletta bleiben.�
Angelo nickte vor sich hin.
�So wird es sein,� sagte er. �Sie wird fortziehen, weit fort – sie wurde undeutlich vor meinen Augen, aber ich sah doch ihr frohes Gesicht.�
Maria rief laut:
�Das wird ihr gewi� nicht fehlen, guter Angelo; sie wird gl�cklich sein, wie ich es bin. Doch weit wird sie nicht ziehen, wir werden beisammen noch manchen frohen Tag erleben.�
�Die heilige Jungfrau mache es wahr,� sagte der Greis, �ich m�chte Euch aber rathen, zieht mit mir hinauf in die Berge, wohnt lieber bei mir und dem Wildschaf und feiert dort Eure Hochzeit.�
Sie lachten �ber den spa�haften Vorschlag.
�Vielen Dank, Angelo!� rief Bernardo, �wir ziehen doch vor, in Oletta zu bleiben. Willst Du aber im Voraus uns hochzeitlich speisen, so la� es jetzt sein und bewirthe uns mit Brocciokuchen, wenn Du welchen hast.�
Der greise Hirt stand auf und sagte freundlich:
�Ihr sollt haben, was ich besitze.�
�Er lebt und arbeitet allein,� fl�sterte Maria dem Capit�n zu, �Alle, die einst mit ihm gewesen, liegen begraben.�
Angelo ging zu einem Spalt im Felsen, der, mit einer Th�r versehen, seine Vorrathskammer bildete, und kam zur�ck mit einem Korbgeflecht und einem paar groben Tellern und L�ffeln von Holz. Dann nahm er den Deckel von dem Korbe, und darin lag zwischen gr�nen Bl�ttern der schneewei�e Kuchen von geronnener s��er Ziegenmilch, bei dessen Anblick Maria in ihre H�nde klatschte.
�Ein herrlicher Kuchen!� rief sie. �Seht, wie er gl�nzt. Du sollst bedankt sein f�r solche Hochzeitsgabe, guter Angelo. Keine bessere w�nsche ich mir.�
Der Alte sagte Nichts dazu. Aus seiner H�tte brachte er ein Brett, auf welchem ein gro�es saftiges St�ck ger�stetes Ziegenfleisch und ein Brot lag.
�Nehmt,� sagte er, �und e�t, dies ist Alles, was ich anbieten kann; doch mit Freuden gebe ich es Euch.�
So sa�en sie denn beisammen um den gro�en Stein, und es wurde manch' freundliches Wort gewechselt, w�hrend sie den Brocciokuchen a�en, der auch dem deutschen Herrn wohl mundete, wenn auch weniger als den Anderen, die ihn als den gr��ten Leckerbissen der Insel r�hmten. Wei�e Ziegenbutter, Brot und Fleisch machten dann den Beschlu�, aber an Getr�nk gab es Nichts, als das frische kalte Wasser, das eine Quelle in dem Felsen lieferte.
Die Sonne sank hinter die hohen Berggipfel, und die Abendschatten schwebten mit ihren Schleiern �ber den W�ldern und lie�en sie auf Schluchten und Th�ler fallen. Der greise Hirt schickte seine Hunde aus, um die zerstreute Heerde heimw�rts zu treiben, er selbst sa� schweigsam, seine gro�en feurigen Augen auf die jungen Menschen geheftet, welche ihn umgaben, wie Fr�hlingsblumen den alten Stamm. Auch bei ihrem frohen Gel�chter und Geplauder blieb er ernsthaft, blickte nachsinnend in ihre Gesichter, und nur zuweilen bewegten sich seine Lippen zu Worten, die Niemand verstand.
Erst als die D�mmerung wuchs, nahmen sie Abschied. Romana versprach, da� sie wiederkommen wollte, ihren alten Freund noch einmal zu sehen, ehe er weiter z�ge, und Angelo schien nicht daran zu zweifeln.
�Ich werde Dich erwarten,� sagte er, �Du wirst kommen, ich wei� es;� als aber Maria dasselbe versicherte, sch�ttelte er den Kopf und sprach zu ihr: �Du wirst bei Bernardo Leccia bleiben, Maria Montalti, gehe hin, wohin Dich Dein Weg f�hrt. Gott m�ge mit Dir sein!�
Als sie den Rand des kleinen Thals erreichten, sa� der Greis noch an dem Stamm des gro�en wilden Oleanders, und er hielt seine H�nde gefaltet und blickte in den Himmel hinauf, an welchem der Abendstern zu funkeln begann.
Bernardo lachte heimlich und sagte sp�ttisch und halb laut zu dem Deutschen:
�Angelo ist ein ber�hmter Seher, und Manche haben Furcht vor ihm, denn er soll Vielen schon Gl�ck und Ungl�ck prophezeit haben, das eingetroffen ist. Ich will mir aber Nichts von ihm wahrsagen lassen, noch glaube ich daran. Was mein Gl�ck ist, wei� ich, das Ungl�ck, das kommen kann, mag ich nicht h�ren. Ein Narr, der sich mit solchen Dingen einl��t. Wenn es wahr ist, und ich kann es nicht �ndern, um so schlimmer; ist es L�ge, so qu�lt man sich umsonst. Also wollen wir nicht wieder zu ihm gehen, Maria, sondern lieber auf uns selbst vertrauen und nur an unser Gl�ck denken.�
�Ich mag auch nicht wieder zu ihm,� erwiederte Maria, �denn ich habe keine Zeit dazu. Es ist aber doch sonderbar, da� er gleich wu�te, wir w�rden nicht wiederkommen.�
Bernardo rief lustig sie umfassend:
�M�gen die zu ihm gehen, die ihrer Zukunft nicht sicher sind, w�nschen, was sie nicht haben, oder haben, was sie nicht w�nschen. Wir, meine Maria, wir wollen Nichts mehr, als wir besitzen, und brauchen keine Propheten.�
�Nein, nein, Bernardo,� rief Maria, �Du allein sollst mein Prophet sein, und Dir nur will ich vertrauen. Romana aber will Manches wissen, was sie nicht wei�, denn ihr Prophet ist noch nicht erschienen.�
Sie lachten Beide in ihrer Ausgelassenheit, Romana aber antwortete Nichts darauf. Sie ging mit schnellen Schritten durch den Olivenwald allein voran, und es war dunkel geworden, als sie Oletta und die Casa Saliceti erreichten.
Einige Tage vergingen nun im friedlichen Behagen. Der Abt Peverino bemerkte mit Vergn�gen, da� ihm sein Gast angenehme Stunden verschaffte, und da� auch seine Nichte Romana mit dessen Anwesenheit im Hause wenigstens nicht unzufrieden sei. Der deutsche Capit�n gefiel auch allen Leuten durch sein freundliches Benehmen sowohl, wie durch seine Verst�ndigkeit, edle Gestalt und Jugend. Er konnte mit Jedem sprechen, wu�te ihn zu behandeln und zu ermuntern, so da� er �berall die Theilnahme erregte, und da der Neffe des Abtes, Giulio Saliceti, und sein Freund, Achill Grimaldi, noch immer nicht kamen, wurde die Anwesenheit des Capit�ns in dem einsamen Hause ein um so willkommeneres Ereigni�.
Es ging manchmal freilich lebhaft darin her, denn der hitzige alte Priester machte es zuweilen wie gleich zu Anfang. Er brauste gewaltig auf, wenn sein Gast ihm widersprach, doch dieser blieb ruhig, wu�te so klar zu vertheidigen, was er vertrat, und war doch so nachgiebig und so gut gelaunt, da� immer die Vers�hnung dem Streit auf dem Fu�e folgte.
Ein gro�er Theil ihrer Zwistigkeiten betraf die bevorstehende Unterhandlung mit den Franzosen. Der Abt hatte ich in die Ueberzeugung hinein geredet, da� Graf de Vaux alles bewilligen werde, was der Pr�sident Paoli von ihm verlangen w�rde, aber Capit�n Wilda wollte dies nicht zugeben. Er glaubte vielmehr, da� de Vaux ganz so handeln w�rde, wie Marbeuf und Chauvelin gehandelt hatten. Denn das franz�sische Cabinet hatte seine Entschl�sse gefa�t, die wichtige Insel sollte unterworfen, ihre Bewohner sollten franz�sische Unterthanen werden. Daran konnte kein General Etwas �ndern.
Das Wort Unterwerfung jagte jedesmal Feuer in die Adern des alten Peverino, er w�thete dagegen und verschwor sich, eher sollte ganz Corsika ein Blut- und Aschenhaufen werden, der letzte Corse sein Leben hergeben.
�Ganz recht,� versetzte Karl von Wilda, als dies wieder der Fall war, �allein ehe es geschieht und ein so furchtbares Trauerspiel beginnt, m�ssen diejenigen, welche an der Spitze des Volkes stehen, sich �berzeugt haben, da� ihnen kein anderer Weg �brig bleibt.�
�Unsinn!� schrie Peverino, �wenn sie wissen, da� Unterhandlungen vergebens sind, m�ssen sie die Zeit nicht damit verderben. Nieder dann mit allen Franzosen, mag ihre Uebermacht sein so gro� sie wolle. Mein tapferer Neffe Carlo Saliceti hat mit dreihundert braven Corsen, das Schwert in der Hand, den zwanzigfach st�rkeren Feind geschlagen.�
�Dennoch ist er gefallen,� versetzte der Capit�n, �und mit ihm liegen Viele begraben.�
�Ruhmvoll! ruhmvoll!� schrie der Abt, �kein Corse f�rchtet solchen Tod. Ihr doch auch nicht, mein Herr?�
�Kein Tapferer f�rchtet den Tod,� antwortete Karl von Wilda mit einem schnellen stolzen Blicke, der die beleidigende Frage strafte und verzieh. �Doch M�nner wachsen nicht wie Feigen und Kastanien, an welchen Corsika Ueberflu� hat,� f�gte er hinzu. �Das letzte Jahr hat viele Leben ausgel�scht. Frankreich kann seine Todten immer wieder ersetzen, wir k�nnen es nicht.�
�Ha!� rief Peverino hohnlachend, �Ihr rathet uns also Unterwerfung an, damit wir s�mmtlich h�bsch munter am Leben bleiben. Ihr, mein lieber junger Herr, m�chtet wohl bald Hochzeit machen und ein gl�cklicher Hausvater werden?�
�Dazu habe ich wirklich nicht geringe Lust, Herr Abt Saliceti,� versetzte Wilda eben so munter, �und wenn es so gesch�he, w�rdet Ihr mir doch Euren Segen nicht versagen.�
�Santa Madre! Ich g�be ihn von ganzem Herzen, mein lieber Capitano, und wollte mich freuen, denn ich k�nnte ihn keinem besseren Manne ertheilen.�
�Nun, wer wei�! wer wei�!� rief Karl von Wilda, indem er pl�tzlich seinen Kopf gegen das Fenster wandte, wo Romana wie gew�hnlich mit einer Arbeit besch�ftigt sa�. Aber sie blickte nicht davon auf, und der Capit�n lachte weiter: �Ich f�rchte nur, da� die Herren Franzosen es nicht leiden werden, und wer kann vorhersehen, was die Zukunft bald zum Segnen von uns Allen �brig l��t.�
In dem Augenblicke erhielt der Abt einen Brief, der von einem Boten aus Fiorenzo heraufgebracht war, und als er die Aufschrift sah, rief er sogleich:
�Der kommt aus Bastia von meinem meinem Vetter Grimaldi!�
Er brach ihn auf, las ihn und wurde dabei roth vor Freude.
�Nun k�nnt Ihr Euch beruhigen, mein lieber Capit�n,� schrie er. �Ihr werdet Euer Leben nicht in Corsika verlieren. Grimaldi schreibt mir, da� man in Bastia nicht an der Vers�hnung zweifele. Graf de Vaux hat die allerbesten Absichten, ich wu�te es im Voraus. Die Leute aus der Stadt d�rfen wieder hinaus, und das Landvolk darf hinein, Jeder wird freundlich empfangen. Hier auch ein Zettel von meinem Neffen Giulio. Er kommt in den n�chsten Tagen mit Achill Grimaldi zu uns. Hast Du es geh�rt, Romana? Giulio und Achill kommen Beide.�
Romana blickte freundlich auf.
�Herzlich willkommen sollen sie sein,� erwiederte sie, �wir haben sie lange vergebens erwartet.�
�Cospetto!� schrie der Abt, �jetzt la�t den Paoli sich sputen, damit die Sache bald ausgemacht wird und gl�ckliche Zeiten bei uns einkehren. Wir m�ssen daran denken, das Haus in Stand zu setzen, Romana, und unsere Vorrathskammern zu f�llen, um solche G�ste aufzunehmen. Heda, mein M�dchen, mache Dich bereit, Achill Grimaldi zu empfangen, wie es sich geb�hrt, denn das ist ein feiner verw�hnter Herr. Aber Du wirst ihm schon gefallen, hoho! ich zweifle nicht daran, Du gef�llst ihm.�
Er streichelte ihre Wangen, welche sich h�her r�theten, und k��te sie auf die Stirn mit vertraulichen Blicken und bedeutungsvollem Gel�chter. Dann nahm er die Cither von der Wand und rief:
�Nun mu�t Du auch wieder singen und spielen, Romana, Du hast es ja beinahe verlernt. Achill Grimaldi wird Dich alle Tage h�ren wollen und Dich begleiten wollen, denn er ist selbst ein Meister und hat Dich oft ger�hmt. Ich glaube, Capit�n Wilda hat Dich noch gar nicht geh�rt?�
Der Capit�n verneinte es, und der Abt verlangte von Romana, da� sie sogleich einen Gesang vortragen solle, allein sie lehnte es ab, und nach einigem Gepolter mu�te er sich darein f�gen, denn auch der Gast bat vergebens, da� die Donzella doch den sch�nen Vocero singen m�ge, den sie selbst gedichtet und von dem er so viel R�hmliches geh�rt.
Romana schwieg dazu, und da Alles Nichts helfen wollte, ging der Abt endlich �rgerlich fort mit der Behauptung, da� es nichts Eigensinnigeres in der Welt g�be, als ein eigensinniges M�dchen.
Als er hinaus war, legte Romana ihre Arbeit in den Schoo�, blickte den Capit�n mit bittenden Augen an und sprach:
�Mein Singen und meine Kunst sind gering, ich wei� es am Besten, doch was ich vermag, gebe ich gern, sobald es sich pa�t. Wir haben Serenaden, das sind heitere oder sehns�chtig bittende und hoffende Ges�nge, welche meist den jungen M�dchen zur Feier gesungen werden, bald von Einzelnen, bald von Vielen; dann haben wir die Voceros, Volkslieder und Todtenklagen, zumeist beliebt bei den Corsen; allein einen Vocero mag ich jetzt nicht singen, und w�re es auch der allersch�nste.�
Sie sprach dies mit Nachdruck, und ihre Blicke ruhten auf ihm, da� er sie im Herzen f�hlte.
�Nein, nein,� fuhr sie dann sanft l�chelnd fort, �keine Todtenklage will ich anstimmen, doch eine Bitte habe ich an Euch und m�chte w�nschen, da� Ihr diese erf�llet.�
�Zweifelt nur nicht daran,� erwiederte Wilda, �da� ich gern Alles thun m�chte, was Ihr von mir w�nschet.�
Sie pr�fte ihn mit ihren gro�en klaren Augen und sah so lieblich aus, da� er alles Andere dar�ber verga�. Er nahm ihre kleine feine Hand, die so sch�n geformt war, da� ein K�nstler sich daran erfreuen konnte, und sagte mit betheuernder St�rke:
�Alles, Alles, was Ihr mir je befehlt, soll geschehen, m�chte es auch mein Leben kosten.�
Den Kopf vorgebeugt, als lauschte sie auf seine Antwort, h�rte sie ihn, und eine holde Freundlichkeit leuchtete aus ihrem Gesicht, die sich bei seinen letzten Worten in Erschrecken verwandelte.
�Nein, nein!� versetzte sie, �es ist eine kleine Bitte, und kein Heldenmuth geh�rt dazu, sie zu erf�llen. Maria Montalti, meine Freundin, versammelt heut im Hause ihres Vaters, des Podesta, einige junge M�dchen, und Bernardo Leccia bringt dazu sich selbst und mehrere junge Leute, feine Freunde. Wollt Ihr es nicht verschm�hen, dabei zu sein und mich dorthin zu begleiten?�
Der Capit�n war auf's Freudigste �berrascht von dieser unerwarteten Aufforderung. Er versprach es auf's Willigste und dankte f�r die Ehre, welche ihm erzeigt wurde.
�Wohin,� sagte er artig, �ginge ich nicht gern in Eurer Gesellschaft, und wo g�be es eine, welche ich vorziehen m�chte.�
�In Oletta,� erwiederte sie scherzend, �sind wir freilich die beste, doch schon in Bastia giebt es auserw�hltere Freuden, wie nun erst in den gro�en St�dten gro�er L�nder, wo die Menschen Alles besitzen, was es Sch�nes in der Welt giebt.�
�Und was giebt es denn Sch�neres, das Ihr nicht selbst bes��et,� antwortete er schmeichelnd. �Wahrlich, ich w��te Nichts, das sich damit vergleichen lie�e.�
�Und dennoch sehnt Ihr Euch fort von uns?� fragte sie.
�Gewi� nicht nach prunkenden Festen, welche niemals Reiz f�r mich hatten.�
�Nun, so la�t uns sehen, ob Ihr gen�gsam seid,� rief Romana. �Es wird bei Maria Montalti gesungen werden, denn die Cither und der Gesang geh�ren zu jeder l�ndlichen Gesellschaft und d�rfen niemals fehlen.�
�So werde ich Euch singen h�ren.�
�Wenn es Euch beliebt, so k�nnt Ihr auch mit mir tanzen,� erwiederte sie mit lieblicher Geberde, �sicher wird es ebenfalls nicht an Gelegenheit dazu fehlen.�
�Welche herrliche Freuden!� rief er. �Gewi� will ich tanzen, so gut ich es vermag, wenn Ihr Nachsicht mit mir haben wollt.�
Ein Getrapp von Pferden entstand vor dem Hause, und der Abt �ffnete die Th�r und schrie herein:
�Da kommt ein Officier, der gute Botschaft f�r Euch bringt. Kommt schnell und la�t Euch sehen, wahrscheinlich kennt Ihr ihn.�
Es war in der That so, wie der Abt vermuthete. Einer von des Pr�sidenten Officieren, ein junger Corse, brachte Botschaft, da� die Zusammenkunft mit dem franz�sischen Heerf�hrer de Vaux am 2. Februar in Oletta stattfinden werde. Dar�ber war der Abt m�chtig erfreut. Er jubelte laut, da� es dahin gelangt, und da� der Friede so gut wie schon abgeschlossen, schien ihm nicht l�nger zweifelhaft.
Der Officier hatte den Auftrag, sich nach dem besten Platze f�r die Besprechung umzusehen, und keinen geeigneteren und stattlicheren gab es, als die Casa Saliceti mit ihren gro�en Gem�chern, welche der Abt sogleich dazu anbot. Nebenher fragte der Officier, ob Oletta auch mit Waffen und Kriegsbedarf wohl versehen sei, im Fall die Unterhandlungen fruchtlos blieben, denn da die Franzosen so dicht in der N�he lauerten, m�sse man sich vorsehen, und hierauf versetzte der geistliche Herr:
�Ei, ich wollte, wir h�tten unser Geld besser angelegt, als in solchen Dingen. Doch als der Krieg ausbrach, wu�ten wir wohl, da� das Land Nebbio, wie gew�hnlich, dem Feinde ein leckerer Bissen scheinen w�rde, und versorgten uns mit allen n�thigen Gew�rzen. Manches ist verbraucht worden, doch noch immer ein h�bscher Vorrath in unsern Felsenkellern. Unter unsern F��en hier liegt genug, um eine corsische Suppe damit zu salzen.�
Der Officier h�ndigte dem Capit�n die Befehle des Pr�sidenten ein, welche dessen Mahnung enthielten, streng auf Ordnung zu halten, auch waren Briefe an den Abt und an den Podesta dabei, welche ersucht wurden, f�r Aufnahme und Bewirthung des franz�sischen Generals und seines Gefolges zu sorgen, jede feindliche Aeu�erung oder Beleidigung aber bei sch�rfster Ahndung zu verhindern; worauf der Abt lachend erwiederte, da� man nicht n�thig gehabt h�tte, damit zu drohen. Corsische Gastfreundschaft sei weit ber�hmt, herrlich w�rden die Franzosen empfangen werden.
�Sie haben uns oft schon gegen die Genuesen besch�tzt,� rief er dann, seinen rothen Kopf aufwerfend, �und werden auch k�nftig unsere Freunde sein. Niemand wird sie beleidigen, und da sie nun wohl gemerkt haben, da� wir keine Franzosen sein wollen, werden sie unsere Freundschaft unserer Feindschaft vorziehen, denn es ist eine tapfere und gro�m�thige Nation. Seid also guter Dinge, Ihr Herren, Ihr h�rt ja, wie die Nachrichten aus Bastia lauten. Die Franzosen wollen den Frieden, schreibt Achill Grimaldi, und wir wollen ihn auch, also sind wir einig. Ihr aber bleibt heute bei uns, mein Herr, wir wollen einen frohen Tag haben.�
Der Officier erwiederte dankend, da� er in alle vier Gemeinden des Nebbio m�sse, um den Podestas Befehle zu bringen, jede feindliche Handlung zu verhindern, auch da�, wenn die Zusammenkunft stattfinde, das Volk nicht nach Oletta str�me, um jede Unruhe und jeden zuf�lligen Ansto� zu vermeiden.
�Morgen will ich Euch selbst begleiten!� rief der Abt, �will selbst ein Wort mit den Podestas und den Vorstehern reden, und ich schw�re es bei der gebenedeiten Jungfrau, kein Mann wird seine Campanne verlassen. Ihr werdet keinen braunen Kittel auf der Stra�e sehen, Oletta wird so still sein wie heute.�
Der Officier hatte Nichts mehr einzuwenden, und es wurde ein froher Tag gehalten, wie der Abt es gewollt. Der Podesta wurde geholt, ein Lamm wurde geschlachtet, ein Mahl bereitet, so gut es zu beschaffen, und der feurige Wein wurde dabei nicht gespart. Der Officier wu�te von der unerm�dlichen Th�tigkeit des Pr�sidenten viel zu erz�hlen, von seinen Reisen und Berathungen mit dem Rathe der Neun sowohl, wie mit allen entschlossenen und erfahrenen einflu�reichen M�nnern auf der Insel. Auch wie er Ordnung und Gesetzlichkeit �berall aufrecht erhalte, und die Richter und Priester umherz�gen, allen Streit zu vers�hnen, damit alle Corsen einig seien bei des Vaterlandes gro�er Gefahr, r�hmte der Officier; aber der Abt Saliceti sch�ttelte dabei den Kopf und rief:
�Pasquale Paoli ist ein gro�er Mann und edler B�rger, nur schw�rmt er zu viel f�r seine erhabenen Ideen. Den Charakter der Corsen wird er nicht �ndern, dazu geh�ren viele Menschenalter. Er mag hinrichten lassen, so Viele er will, die Blutrache wird doch bleiben; Zahn um Zahn, so steht es in der heiligen Schrift. Wir k�nnen es nicht vertragen, uns beleidigen zu lassen, wehe dem, der es bei mir wagt! –Der Pr�sident hat sich eben dadurch so viele Feinde gemacht, die ihre dem Henker �berlieferten Freunde an ihm r�chen wollen. Wenn die Franzosen wie die Genuesen w�ren, k�nnten sie Leute genug bekommen, die ihm an's Leben gingen.�
�Sie machen es feiner und dingen Verr�ther,� sagte Wilda.
Der Abt fuhr zornig auf.
�M�rder zu finden ist leichter in Corsika!� rief er. �Mag Paoli die Corsen rufen, sie werden Alle vereint das Vaterland vertheidigen. Das Volk ist gut und brav. Es soll Keiner seine Ehre antasten.�
�Ich habe nur geh�rt,� erwiederte der Capit�n beruhigend, �da� die franz�sischen Anf�hrer sich viele M�he geben, in Bastia und an andern Orten angesehene Leute zu �berzeugen, da� es kein gr��eres Gl�ck gebe, als franz�sische Unterthanen zu sein, und da� mehrere, die dies glaubten, mit eintr�glichen Aemtern und Geschenken belohnt wurden.�
Der Abt schwieg erst stille, dann schrie er auf:
�Verflucht sei der bis in Ewigkeit, der seines Vaterlandes Feinden dient! Aber das haben von je an nur wenige ehrlose Schurken gethan. Wo ist Leo Grimaldi?� fragte er den Officier.
Der Officier sprach mit gro�en Lobeserhebungen von dem Herrn Grimaldi, den er als einen der kl�gsten und tapfersten F�hrer r�hmte, auf welchen der Pr�sident das allergr��te Vertrauen setzte.
Leo Grimaldi hatte im letzten Jahre auf's Muthvollste gek�mpft. Mit Pietro Colle wurde er als der erste aller Helden gefeiert, und auf seine milit�rischen Kenntnisse wurde viel gebaut. Aber der Name Grimaldi hatte einen �beln Klang in des Capit�ns Ohr, er dachte dabei an Achill Grimaldi, und gegen diesen regte sich sein Blut, ohne da� er ihn gesehen.
Der Abt Peverino verga� dagegen seinen Unwillen, als er so viel Gutes von seinem Verwandten vernahm. Leo Grimaldi hatte sch�nen Grundbesitz auf dem Cap Corso, wo er reich und angesehen wohnte, und der Abt sprach lange Zeit von nichts anderem, als von ihm und der ganzen Familie, von dem alten Rath sowohl wie von dessen j�ngstem Sohne, den er sehns�chtig erwarte. Dabei gab er einige Andeutungen, welche der Capit�n sich wohl auszulegen wu�te.
Romana nahm nach corsischer Sitte nicht Theil an dem Mahle, sondern verwaltete die h�uslichen Gesch�fte, und erst sp�ter erschien sie, als der Podesta Montalti Alle einlud, nun in seinem Hause den Abend zuzubringen und an den Freuden der muntern Gesellschaft junger Leute Theil zu nehmen, welche sich dort versammelte. Romana hatte sich schon dazu geschm�ckt, und so lieblich sah sie aus, da� Alle sie mit Freuden betrachteten. Der Abt nahm sie in seine Arme und rief mit Wohlgefallen:
�Schade, da� Achill Grimaldi nicht heute schon bei uns ist, er w�rde vergleichen k�nnen, ob die franz�sischen M�dchen sch�ner sind oder die corsischen.�
�Ich will mich nicht vergleichen lassen, Onkel,� erwiederte sie l�chelnd.
�Willst Du denn unvergleichlich sein?� schrie er vergn�gt. �Sagt uns doch, was Ihr vorzieht, Signor Capitano, Eure Frauen in Deutschland, oder was Ihr hier seht.�
�Seit ich hier bin,� erwiederte Wilda, �habe ich alles Ged�chtni� f�r die Vergangenheit verloren und kann es auch nicht wiederbekommen, denn was ich sehe, l��t f�r Anderes keinen Raum.�
�Bravo! bravo!� rief der Abt. �Ihr seid kein Franzos, aber Ihr verdientet einer zu sein.�
Die Fr�hlichkeit wurde nun allgemein, und nach manchem Scherz und gutem Wort machten sich Alle auf und gingen �ber den Kirchplatz fort nach dem Ende desselben, wo das Haus des Andrea Montalti stand. Drinnen ging es schon lustig her, denn die jungen Leute waren beisammen, und als Romana nun kam, entstand ein frohes Laufen und Begr��en; sie wurde von ihren Gespielinnen als die erste und sch�nste empfangen. Die jungen M�nner dr�ngten sich auch um sie, ihr angenehme Dinge zu sagen, und lebhaft, l�rmend und fr�hlich w�hrte die Unterhaltung fort, w�hrend s��es Geb�ck und eingemachte Fr�chte zur Bewirthung der G�ste umhergereicht wurden.
Darauf aber begann bald der Gesang, als liebster Zeitvertreib aller jungen Leute. Sie theilten sich in zwei Parteien, von denen die eine die andere abl�ste, und die �ltern Personen sa�en als Kunstrichter im Halbkreis, a�en getrocknete Trauben und Feigen, tranken vom s��en Traubentrank, geriethen aber nicht selten in solches Entz�cken und Beifallgeschrei, da� sie alles Andere dar�ber verga�en.
Es wurden manche Serenaden und Liebesgr��e vorgetragen, die in feurigen Ausrufungen sehns�chtig klagten, noch gr��ern Beifall jedoch fanden die Romanzen, in denen die Abenteuer und Schicksale ungl�cklicher M�nner und Frauen geschildert wurden. Wahre Geschichten, welche sich zugetragen, und wie sie im Munde des Volkes lebten; meist schauerlicher Art, Banditengeschichten und Mordthaten, begleitet von dem schwerm�thigen Klange der Cithern und von klagenden Melodieen. Die Einzelges�nge wechselten mit dem Chore, bei Lieblingsliedern aber stimmten auch die Alten ein, dr�ckten sich die H�nde, wechselten z�rtliche Blicke, und Jeder machte mit dramatischem Feuer, was er empfand, lebendig.
Die Theilnahme erreichte jedoch den h�chsten Grad erst, als endlich auch die Voceros, die Todtenklagen, an die Reihe kamen. Manche derselben behandelten sehr r�hrende und traurige Geschichten, und ihre Melodieen athmeten das tiefste Leid gebrochener Herzen, den schwersten menschlichen Kummer. Oft waren die Worte so sch�n wie die T�ne, die h�chsten Schmerzen darstellend und in poetischen Bildern malend. Die Mienen der H�rer dr�ckten dann alle Vorstellungen ihrer erhitzten Phantasie aus. In ihren Augen spiegelten sich die Regungen ihrer Seelen, ihre Blicke hingen festgebannt an den Lippen der S�nger, in athemloser Spannung vernahmen sie mit derselben leidenschaftlichen Begier, was sie oft schon vernommen, als geschehe das Schreckliche, Grausige, Thr�nenwerthe eben erst jetzt vor ihren Augen.
Auch der fremde Gast war von diesem Schauspiele ergriffen, doch seine Theilnahme geh�rte zum bei weitem gr��ten Theile Romana. Sie sang mit den Anderen, und er lauschte auf den Klang ihrer Stimme. Er beobachtete das sanfte, klare Gesicht; er begegnete ihren Augen, welche zuweilen ihn zu suchen schienen, und ihrem L�cheln, das ihn f�r seine Aufmerksamkeit belohnte. Aber sie hatte bisher nicht einen Einzelgesang vorgetragen, doch nun erhob sich lauter Ruf darnach von allen Seiten.
�Singe uns den sch�nen Vocero auf den Tod Deines Bruders,� bat Maria, und nicht allein stimmten die anderen jungen Freunde bei, indem sie Romana umringten, sondern auch die �lteren waren voller Feuer, und der Abt wiegte stolz l�chelnd den Kopf, als seiner Nichte die Cither aufgedrungen und sie in die Mitte des gesellschaftlichen Kreises auf den Ehrensitz gef�hrt wurde.
Leise nachdenkend lie� sie sich nieder, leise nahm sie das feine verzierte Widderh�rnchen in ihre wei�e Hand, mit welchem diese corsische Mandoline von sechszehn Saiten geschlagen wird, und ihren Kopf tief niedergebeugt, entlockte sie dem Instrumente eine Reihe s��er, dann immer lauter und sch�rfer klingender schmerz- und wehmuthsvoller T�ne, die das Vorspiel bildeten. Pl�tzlich dann hob sie ihr Haupt empor, und ihr goldiges sch�nes Haar in den Nacken sch�ttelnd, ihre Augen voll Innigkeit, ihr Gesicht durchgeistigt von den Empfindungen ihrer Seele, begann sie zu singen:
�O, mein Carlo! o, mein Bruder!
Ewig mu� ich Dich beklagen,
Mu� bis an mein Lebensende
Meiner Seele Trauer tragen;
Denn Du Starker, denn Du Theurer
Liegst von Feindeshand erschlagen.
Sagt, wie konnte es geschehen,
H�rtet Ihr den Ruf nicht schallen?
Ach, es waren ihrer Viele,
Er der Tapferste von Allen,
F�r des Vaterlandes Ehre
Ist mein Carlo hier gefallen.
Alle Deine Feinde flohen,
Sahen sie Dein Schwert nur blitzen,
Und vor Deiner Rache schirmten
Mauern nicht, noch Felsenspitzen.
O, mein Carlo! o, mein Bruder!
Wer soll nun uns Arme sch�tzen?!
F�rben will ich ein Mandile,
Roth von Deinem Blut es machen,
Das Mandile will ich tragen,
Wenn ich sinn' auf Spiel und Lachen;
Nimmer will ich Dich vergessen
So im Schlafen, wie im Wachen.
Eher will ich meine Augen
In zwei Quellen mir zerweinen,
Als ich je Dein Angedenken
K�nnte zu vergessen scheinen.
Immer will ich Dich, mein Carlo,
Klagend nennen noch den Meinen.
Und um Dich auf meinen Knieen
Will ich Gott im Himmel bitten,
Da� Dich seine Engel tragen
In des Paradieses Mitten.
So will ich mein Herze tr�sten,
Weil es Deinen Tod erlitten.�
Athemlose Stille herrschte w�hrend dieses Gesanges, aber viele Augen f�llten sich mit Thr�nen, viele H�nde falteten sich, leises Schluchzen zog durch das Gemach, die schmerzlichste R�hrung dr�ckte sich in allen Gesichtern aus. Liebevoll und tief bewegt blickten sie auf die begeisterte S�ngerin. Die herzergreifenden T�ne ihrer Cither, die klagende, wehmuthathmende Melodie des Vocero, die sanfte, weiche Stimme voll von dem Schmelz ihrer Gef�hle und die sch�ne, junge Gestalt, allen Kummer und alle Erhebung ihrer Schmerzen tief ausgepr�gt in ihren edeln, reinen Z�gen, Alles vereinte sich zum vollendeten Erfolge.
Und dieser brach nun in einem Sturme von Beifall los, der Romana umtobte. Alle wollten sie umarmen, Alle ihr danken, Alle ihr Schmeichelworte sagen, nur Wilda hielt sich entfernt davon. Sie dankten ihr f�r das Weh, das in ihrem Herzen toben mu�te. Doch diese Corsen achten das nicht, sie finden in Tod und Leidenschaften ihre Freuden. Und Romana selbst. – Als sie den Namen Carlo aussprach, als sie gelobte, Carlo nimmer zu vergessen, immer an ihn zu denken, hatte sie nicht dabei ihre Augen mit wunderbarem Glanz auf ihn gerichtet, der bis in seine Seele leuchtete?
Gedanken st�rzten �ber ihn hin, er konnte sie nicht bew�ltigen. Es wurde getanzt, und er tanzte mit Romana. Aber wenn er zu ihr sprach und sie anblickte, zitterte er heimlich, da� ihre Augen ihn wieder so anschauen k�nnten, und doch sehnte er sich darnach. Er wich ihr aus, suchte bei Anderen Unterhaltung und Zerstreuung, und doch immer wieder mu�te er nach ihr hinschauen. Ihr Gesang, ihre Augen verfolgten ihn �berall.
Und als das Fest beendet war, als er auf seinem Lager lag, konnte er nicht schlafen. Immer wieder klang die Cither in seine Ohren, und es war ihm, als h�rte er die s��e, innige Stimme: Carlo! rufen – Romana! antwortete er fieberhaft laut.
Am folgenden Tage machte sich der Abt mit dem Sendboten des Pr�sidenten auf, um in die �brigen Gemeinden des Nebbio zu reiten, und lie� Romana bei dem Gaste zur�ck. Der Capit�n hatte mit der Musterung seiner Compagnie zu thun, und seine Besch�ftigung dauerte heute l�nger, als je, es schien, als empf�nde er gar wenige Lust, mit dem sch�nen M�dchen allein zu sein.
Doch an Lust fehlte es ihm nicht, nur hatte er Zeit gehabt, die Verh�ltnisse nachdenklich zu �berlegen, und je �fter er dies that, um so mehr sagte er sich, da� es schicklich und vern�nftig sei, wenn er die Neigung, welche er f�hlte, bek�mpfe und beherrsche. Er rang mit der Liebe, die sich seines Herzens bem�chtigte, und stellte ihr seinen Kopf entgegen, der sie bezwingen sollte; aber diese K�mpfe sind unz�hlige Male fast immer vergebens gefochten worden, mit welcher Entschlossenheit sie auch gef�hrt wurden.
W�hrend der Capit�n seine M�nner musterte, ihre Waffen untersuchte und ihre Uebungen anschaute, dachte er immer daran, wie er sich benehmen, und mit welcher W�rde und K�lte er den Tag in der Casa mit Romana verleben wollte. Dabei jedoch f�hlte er ein heftiges Pochen an seiner linken Seite, sobald ihm einfiel, Romana k�nnte dar�ber betr�bt sein, wohl gar meinen, er wolle sie kr�nken.
Je l�nger die Waffen�bung dauerte, um so unruhiger wurde er; denn Romana erwartete ihn gewi� schon l�ngst, und sein Ausbleiben konnte sie �ngstigen. Er lie� es daher genug sein und begab sich nach dem Hause, wo ihn eine sonderbar j�he Freude �berlief, als er die liebliche Donzella auf dem Altane stehen und den Weg hinabblicken sah, den er kommen mu�te.
Er hatte es heimlich gew�nscht, sie m�chte ihn so empfangen, und dann wieder heimlich noch mehr getadelt, da� er solchen Gel�sten nachh�nge. Eine Stimme rief in ihm: �Sie liebt Dich!� und bei der Gluth in seinen Adern zog er seine Stirn zusammen und sah sehr ernsthaft, mi�billigend aus. Wenn in dem Herzen dieses sch�nen Kindes die Leidenschaft aufloderte, w�rde es dann nicht eine corsische Leidenschaft sein? Gl�hend wie der Sirocco, wenn er aus dem nahen Afrika her�berweht. Versengend und verzehrend wie das Ungl�ck w�rde diese dann �ber sie zusammenschlagen. – Nein! es sollte nicht geschehen, er mu�te sie davor bewahren.
So sich beschirmend stieg er die Treppe hinauf, und oben fand Romana, sch�n wie ein junger Fr�hlingstag, und streckte ihm mit holdem Gru� ihre H�nde entgegen. Als er sie sah, fiel sein Muth. Wie verlockend, wie verhei�end war ihr Anblick! Das war kein corsisches Weib mit dunkeln Feueraugen, ein hei�es Lachen auf ihren Lippen. Wie eine Madonna stand sie von dem Goldschein ihres reichen Haares umgeben, die blauen, leuchtenden Augen voll sanfter Freude, die hohe, wei�e Stirn so klar und friedlich, ihr L�cheln so lieblich rein, wie das L�cheln eines Kindes.
Ja, es war ein Madonnenbild, wie der gr��te aller Maler, wie Rafael Sanzio sie gemalt hat. Gottes feinste, s��este Farben f�r ein Menschengebild trug sie in ihrem Liebe und G�te strahlenden Gesichte.
Eine Minute lang war es ihm, als m�sse er Alles aufgeben, nur das Eine nicht: das Gl�ck, das er winken sah und von sich sto�en wollte. Mit aller Gewalt hielt er seine Arme zur�ck, die widerstrebend sich bewegten, den Willen gebunden durch den Willen, der ihn zwingen wollte, dem rothen, klopfenden Blute zu folgen.
�Endlich! endlich!� rief Romana. �Wie lange habe ich nach Euch ausgeschaut. Jetzt kommt geschwind, das Mahl ist l�ngst fertig.�
Der gef�hrliche Augenblick war vor�ber.
�Ihr werdet mir verzeihen, Jungfer Romana,� erwiederte er, �ich hatte viele Gesch�fte.�
�So mu�te es sein,� versetzte sie zuversichtlich ihn anblickend, �sonst w�ret Ihr gewi� schon zu mir gekommen.�
Er antwortete nicht darauf, doch seine Finger zuckten zusammen, da sie diese festhielt. Allein sie fragte nicht weiter, sondern f�hrte ihn in das Zimmer, das sie mit sch�nen Blumen aller Art geschm�ckt hatte. In der Mitte stand der Tisch bereit, Blumenurnen zu beiden Seiten. Die bauchige Flasche in der Mitte bekr�nzt, als werde der fr�hlichste aller G�tter erwartet, und sie selbst nun eifrig wie die ewig junge sch�ne Hebe beim G�ttermahle bestrebt, ihn zu bedienen. –
In ihre kleinen H�nde schlagend vor Freude, als sie sah, mit welcher staunenden Freudigkeit er ihre Werke betrachtete, nahm sie ihm Hut und Degen ab und n�thigte ihn an die Tafel, welche sie mit den s��esten Fr�chten und Leckerbissen aus den Vorr�then des Hauses besetzt hatte. Dann brachte sie ihm Forellen aus dem Bergstrome und Fleisch und V�gel und duftige Artischocken, pries ihm beredt und lockend ihre Gerichte, schnitt und reichte ihm das Beste, f�llte sein Glas mit dem perlenden goldigen Weine und lauschte nun auf jede seiner Mienen, wie es ihm behage, was er w�nsche, immer gesch�ftig und gl�ckselig in ihrer Sorgsamkeit.
Theil an diesem Mahle nahm Romana nicht, und der Gast forderte sie nicht dazu auf. Mehr als einmal wollte er rufen: �Nehmt doch Platz hier an meiner Seite, liebste Jungfer, denn so will es mir nicht schmecken,� aber er scheute sich davor. H�flich und steif sa� er da, w�hrend sie so freundlich erz�hlte und fragte, gesch�ftig sich beugte und neigte, die s��e Stimme dicht an seinem Ohre klingen lie� und ihr Athem ihn ber�hrte. Er fuhr unruhig mit Gabel und Messer umher und richtete seine Augen auf die Teller und Speisen, denn er f�rchtete sich, sie anzusehen, f�rchtete, da� alle seine W�rdigkeit dann wie Schnee an der Sommersonne zerschmelzen w�rde.
Da� sie heute so allein mit dem Gaste war, ihm allein alle ihre Aufmerksamkeit widmen konnte, machte ihr entz�ckendes Vergn�gen, und sie sagte es ihm auch ohne Bedenken.
�Das ist eine uralte Sitte in Corsika,� sprach sie, �da� die Hausfrau nicht allein das Beste in der K�che beschaffen l��t, was lieben G�sten vorgesetzt werden soll, sondern da� sie es diesen auch selbst reicht und, was am sch�nsten, ihnen vorlegt.�
�Eine herrliche Sitte, Jungfer Saliceti,� antwortete Wilda, �allein ich sollte meinen,� er hielt einen Augenblick erschrocken inne, dann aber fuhr er entschlossen fort: �ich sollte meinen, es sei noch sch�ner, wenn die Hausfrau sich selbst zu ihren G�sten setzt, ihnen mit gutem Beispiele voranzugehen.�
Romana nickte freundlich.
�Es wird wohl auch dahin noch kommen,� sagte sie, �und mein Vetter Achill Grimaldi, der lange in Paris gelebt hat, erkl�rt es als eine alte Barbarei unserer Sitten, daher kommend, da� unser Volk aus Afrika stammt und unsere Insel so nahe an Afrika liegt, wo die Frauen so wenig Rechte haben. Aber,� fuhr sie heiter fort, �ist es denn nicht sch�n, den lieben Gast zu bedienen, immer zur Hand und immer bereit zu sein, und wenn man eine Frau ist, soll man den Mann als Haupt und Herrn verehren, wie es Gott geboten hat.�
Wilda konnte sich nicht enthalten, zu ihr aufzublicken, und da ihre Augen sich begegneten, empfand er die ganze unschuldvolle Wahrheit, die ihn entz�ckte; doch er nahm sogleich wieder eine strenge Miene an und sagte:
�Ihr habt Recht, Jungfer Saliceti, es ist freilich nicht �berall so, zuweilen jetzt sogar schon derartig umgekehrt, da� die Frau das Haupt und der Herr ist, der Mann der unterth�nige Diener, wie das h�ufig bei den Franzosen in Paris vorkommt.�
�Das darf nicht sein!� rief Romana. �Der Mann mu� Ehre und Achtung in seinem Hause finden, wie sollte er diese sonst von Andern erlangen. Wie aber ist in Deutschland die Sitte?�
�O! in Deutschland, in Deutschland!� versetzte der Capit�n. �Seht, Jungfer Romana, in Deutschland sind die Frauen die Gef�hrtinnen der M�nner, wenigstens soll es so sein. Die Frau soll Alles theilen mit dem Manne, alle Freuden und alle Sorgen des Lebens, und das Haus soll der Tempel ihres Gl�ckes sein, sie soll darin schalten und walten mit ihrer Liebe und Sorgfalt als alleinige Herrin.�
�Herrlich! herrlich!� rief Romana, ihre blitzenden Augen weit �ffnend, �das gef�llt mir.� Und sie legte ihre Hand auf seinen Arm, da� es elektrisch darin zuckte, und sagte l�chelnd: �Es sind gewi� treue und gute Frauen, die deutschen Frauen!�
Er zog den Arm zur�ck, als f�hle er einen Skorpion.
�Ihr werdet nicht glauben, da� ich von den Frauen meines Landes eine �ble Meinung haben k�nnte?� antwortete er dabei.
�Gewi� nicht. Aber vielleicht giebt es Eine dort,� sprach sie, ihn l�chelnd dreist und doch so lieblich anblickend, als th�te sie die allerunschuldigste Frage, �um derentwillen Ihr eine so gute Meinung habt.�
Eine Verwirrung �berkam ihn, und doch wollte er nicht schweigen.
�Keine habe ich zur�ckgelassen, die mein Herz bes��e,� rief er und schaute sie an, als wollte er die Wahrheit betheuern. �Um dessentwegen also –�
Hier brach er ab, sprang auf, und mit erhitztem Gesicht trat er an ein Fenster und schaute hinaus, indem er sagte, es sei ihm, als h�re er Rosse kommen.
Als er sich umwandte, sah er Romana an dem Tische stehen, die Hand aufgest�tzt, in ihrem Gesichte ein frohes, gl�ckliches L�cheln, nachdenkende Stille in den gro�en Augen.
Da trat die alte Dienerin herein; Romana half ihr den Tisch r�umen und verlie� das Zimmer. Der Capit�n schlich schnell davon, erfreut, da� er in seine Kammer entkommen konnte, und doch mehr noch als vorher warf die Liebe ihre Zauberb�nder um ihn und umstrickte ihn ganz damit. Er schlo� die Jalousieen, warf sich auf sein Bett und wollte die hei�esten Tagesstunden vertr�umen, wollte nicht eher wieder sichtbar werden, bis der Abt zur�ckgekehrt sei, dabei aber horchte er auf jeden Ton, auf jedes leise Ger�usch, und mit sehns�chtigem Verlangen vermuthete er, Romana m�ge kommen, anpochen und fordern, da� er aufstehe und ihr folge.
In solchem Streben und Schwanken verging die Zeit, endlich aber, als er eben festgeworden, allen Verlockungen zu widerstehen, rief Romana mit s��er Stimme an der Th�r:
�O Siore Carlo, kommt doch zu mir in den Garten unter den Feigenbaum.�
�Sogleich! sogleich!� rief er aufspringend und folgte der Eva, die ihn versuchte, unter den Feigenbaum, unbek�mmert um das Verbot, das der Herr schon im Paradiese vergeblich gethan.
Der Feigenbaum stand als ein Patriarch neben der Casa in dem Gehege mit weiten Aesten und jungem Bl�tterwachsthum; die Fr�chte aber, welche ihm fehlten, reiften auf Romana's bl�henden Lippen. Unter dem Baume stand ein Tischchen vor der Bank, von den Bergen f�chelte es k�hl in den Zweigen. Die Sonne hatte ihr hei�es Strahlen verloren, aber auf dem Tische dampfte der Kaffee, mit welchem Romana den Gast bewirthen wollte.
Wie gesch�ftig war sie nun wieder, wie lieblich ihre Bewegungen. In dem wei�en blumigen J�ckchen, das sich an ihr blaues Kleid schmiegte, und �ber welches ihr Haar lockig in den Nacken wallte, sah sie im Sonnengezitter, das durch die Bl�tter fiel, wie ein Seraph aus, der aus dem duftigen Aether herabgestiegen war. Und als sie ihn versorgt hatte, setzte sie sich neben ihn mit freundlichem Geplauder, und es kam ihm vor, als sei ihre Zutraulichkeit noch inniger geworden, denn nun nannte sie ihn Herr Carlo und legte in den Namen einen Klang, der wunderbar wonnig in ihm wiederhallte.
Sie schien dies auch zu bemerken, denn pl�tzlich sagte sie:
�Carlo hie�, wie Ihr wi�t, mein lieber Bruder, der mir so unverge�lich geblieben. Denn wie tapfer und stolz er war, und wie sehr ihn seine Feinde f�rchteten, so besa� er doch das g�tigste, edelste Herz. Alle Menschen liebten ihn und ich zumeist, denn so voll Z�rtlichkeit war er f�r mich, wie f�r kein anderes Wesen auf Erden.�
�Ich habe geh�rt,� erwiederte Wilda, �da� in Corsika die Liebe der Geschwister �ber jeder andern Liebe steht, und da� kaum je ein Beispiel vorkommt, wo Bruder und Schwester sich nicht auf's Innigste anh�ngen.�
�So ist es,� erwiederte sie, und mit schw�rmerischem Ausdruck setzte sie hinzu: �Ich liebte meinen theuern Bruder Carlo, wie man Gott lieben soll, den Geber alles Guten. Viele unserer Voceros enthalten die Klagen einer Schwester, die ihren Bruder verloren hat.�
�Den Geboten des Bruders gehorcht aber auch die Schwester unbedingt,� sagte Wilda.
�Es ist uralte Sitte,� versetzte Romana. �Wie k�nnte ein Bruder Etwas befehlen, was seine Schwester betr�bt. Nie, o! niemals w�rde mein lieber Carlo mir befohlen haben, was ich beklagt h�tte.�
�Ihr habt noch einen Bruder,� sagte Wilda, �ist er von derselben G�te?�
�Giulio,� erwiederte sie, und im Nachdenken schwieg sie einen Augenblick, ohne das L�cheln von ihren Lippen zu verlieren; darauf aber fuhr sie fort: �Er ist edel und gut, nur nicht so ruhig und besonnen, wie Carlo war, sondern mehr nach der Art meines Oheims aufbrausend. Daher lieben sich auch Beide so sehr.�
Der Capit�n sah �ber sich hinauf in den Baum, welcher sich rauschend sch�ttelte, und eine Wolke l�schte zugleich die Sonne aus; es wurde dunkel umher. Darauf wieder hell, und Romana sprach zu gleicher Zeit:
�Bruder ist der sch�nste Liebesname, den ein Mann empfangen kann von der, die ihm mit Seele und Leib angeh�rt, alle Liebe und alle Sehnsucht liegt in dem Rufe nach ihm vereinigt. Aber wie blickt Ihr doch so ernsthaft, Herr Carlo? War's die Wolke, die vor der Sonne stand, oder welche Wolke ist es, die vor Eurer Seele vor�berfliegt?�
�Eine Wolke,� antwortete Wilda, �welche wir nicht sehen, und doch f�hlen wir ihren finstern Schatten. Die Wolke, welche mitten im Sonnenschein des Gl�cks pl�tzlich wie ein Gespenst uns einh�llt mit dem Mantel der Nacht, ohne Ende und ohne Zukunft.�
�Ohne Zukunft!� rief Romana. �Habt Ihr denn nicht geh�rt, Siore Carlo, was Angelo sagte, als er in Euren Mienen und Augen las? Madre di Dio! wie h�tte ich so froh sein m�gen, wenn ich nicht wu�te, da� Euch kein Leid geschehen werde. Angelo hat noch niemals falsch gesehen, und ich wei� es, eine Stimme sagt mir, Gott sch�tzt Euch!�
�Glaubt Ihr das, liebe theure Romana?� fragte er, ihre H�nde ergreifend, und es rauschte um seinen Kopf wie lodernde Flammen.
Einen Augenblick noch, und er h�tte sie mit seinen Armen umschlossen, mochten alle Menschen von Oletta dabei stehen. Doch Romana sprang auf.
�Kommt,� sagte sie, �wir wollen zu Angelo geben, wir wollen Alles erfahren, er soll uns die Scapula lesen. Morgen will er weiter ziehen, er hat es mich wissen lassen. Heut aber treffen wir ihn noch an dem Felsen von Tenda, sicher auch erwartet er mich.�
�Was ist die Scapula?� fragte der Capit�n.
�Ihr werdet es sehen,� l�chelte sie. �Zweifelt nur nicht daran, da� diese Weissagung falsch sein k�nnte. Von uralten Zeiten an ist ihr Wissen bei den Hirten. Achill Grimaldi hat mir erz�hlt, es stehe in den B�chern, da� sie vorhanden war, noch ehe es Christen gab.�
�Das ist Aberglauben,� sagte Wilda.
Wer kann das wissen,� erwiederte sie. �Habt Ihr nicht von dem Helden Sampiero geh�rt, dem gr��ten, den Corsika hervorgebracht? Auch ihm verk�ndigte eine Scapula sein Schicksal, wie vielen anderen ber�hmten M�nnern. Fragt nicht weiter, kommt, mein Lieber, denn die Sonne eilt schon �ber die Berge, wir h�tten fr�her aufbrechen sollen.�
Sie rief nach der alten Magd Bedetta, sagte ihr, da� sie in die Berge gehe, warf das Mandile �ber ihren Kopf und f�hrte ihn �ber die Matten und Felder an dem Bache hinauf, die schmalen Stege aufw�rts, welche zu dem Kastanienwalde an den Abh�ngen des Tenda leiteten. Zuweilen stand sie still, um mit dem Gaste zu plaudern, eine Blume zu pfl�cken oder ihn zu ermuntern, ihr nachzuklimmen auf einen steilen Gipfel, wo eine dunkle Cypresse einsam stand, umflossen von dunkelrother Abendgluth.
Das Thal lag warm und duftig ausgestreckt, �ber sich die flammenden Felsk�pfe mit funkelnden Augen, und dann traten sie in den schweigenden Wald, Hand in Hand ohne Worte. Die Abendschatten wurden dichter, zuweilen blickte Romana l�chelnd ihren Freund an, als wollte sie ihm Muth machen und den Ernst aus seinen Mienen scheuchen, und dann wieder eilte sie voraus, ein Lied anstimmend, das mit dem z�rtlichen Ruf eines verirrten Hirtenm�dchens nach ihrem Geliebten endete.
So erreichten sie endlich die Schlucht am Fu�e des Hochgebirges, und Romana streckte ihre Hand aus und sagte:
�Dort ist Angelo, er sitzt bei seinem Feuer.�
Das zackige Haupt des Tenda schwebte in blutiger R�the hoch am Himmel, in dem Felsenspalt aber rieselte die Nacht an den steilen W�nden nieder, und das Feuer des alten Hirten gl�nzte hell darin. Bald wurden sie auch von den wachsamen Hunden empfangen, aber diese zeigten sich nicht feindlich gesinnt, sondern gingen vor ihnen her und begleiteten sie wie Trabanten, die ihren Auftrag auszurichten haben, zu ihrem Herrn. Die Heerde ruhte schon um die H�tte, doch die schwarze Ziege sprang auf, lie� ihre Gr��e h�ren und bezeigte ihre Dankbarkeit f�r Romana's Liebkosungen. Seltsam genug war der Anblick, als die beiden Wanderer die H�tte am Felsen mit diesem Gefolge erreichten und das Feuer, das davor brannte.
Angelo sa� auf seinem Steinsitze, die lichte Flamme vor sich, welche er aus dem fetten Holz des wilden Oelbaumes gen�hrt, den R�cken an den alten Stamm gelehnt. Auf seinem Schoo� ruhte eine gro�e Cither, deren dumpfe Kl�nge den sp�ten G�sten entgegenschallten.
Der Greis h�rte auch nicht auf mit seinem Spiele, als Jene sich n�herten, er schien sie nicht zu beachten, und selbst als Romana mit ihrem Begleiter dicht vor ihm stand, fuhr er noch fort, bis er aufblickend ihr zul�chelte und seine harte gro�e Hand aufhob.
�Guten Abend, Angelo,� sagte Romana, �Du hast uns wohl nicht mehr erwartet?�
�Ich wu�te, da� Du kommen w�rdest,� erwiederte der Greis.
�Ich nicht allein,� antwortete sie. �Sieh, auch dieser Herr, den Du kennst, ist mit mir gekommen.�
�Ich wu�te, da� er sein w�rde, wo Du bist,� versetzte Angelo.
�Wu�test Du das?� rief Romana, �dann wu�test Du auch, warum ich ihn zu Dir f�hrte.�
�Auch das,� sagte Angelo, �Du willst, da� ich ihm die Scapula lese.�
�Thue es, guter Angelo, im Namen Gottes thue es,� bat Romana, sein wei�es Haar ber�hrend.
�Ist es Dein Wille, fremder Mann, willst Du Dein Schicksal h�ren?� fragte der alte Hirt mit feierlichem Ernst.
Ein eigenth�mlicher Schauer �berkam den jungen Officier. Er glaubte nicht an solche unheimliche Kunst, mochte wohl lieber dar�ber spotten; jetzt aber wurde ihm bange davor, er wagte es nicht, einen Zweifel zu �u�ern oder Nein zu sagen.
�Ich will mein Schicksal h�ren, Angelo,� erwiederte er, �wenn Du es wahrzusagen verstehst.�
�Du wirst es erproben,� sagte der Hirt, �es wird sich erf�llen, wie sich Vieles erf�llt hat. Setze Dich mir gegen�ber auf den Stein dort und gieb Romana Deine Hand. Was ich Dir verk�ndige, wird dann f�r Euch Beide gelten.�
So sprechend zog er unter seinem Kittel Etwas hervor, das Wilda mit Neugierde betrachtete. Es war ganz ohne Zweifel der Knochen eines Thieres, und Angelo best�tigte dies, als Jener seine Vermuthung aussprach.
�Es ist das Schulterblatt des Schafes, dessen Fleisch Ihr j�ngst hier genossen habt,� sprach er, �und ist das linke Schulterblatt, denn das rechte blendet und tr�gt, man darf es nicht nehmen. Betet nun in der Stille ein Gebet zur Mutter Gottes, da� sie Euch Gnade verschaffe f�r Eure S�nden, und was Ihr hoffet und w�nschet, damit erf�llet Eure Seelen, und fleht Gott an, da� er es Euch gew�hre.�
So sa�en sie neben einander, ihre H�nde verschlungen, sich anschauend; in ihren Gedanken aus ihren W�nschen die Welt aufbauend, nach welcher sie sich sehnten; ihre hei�en Finger zuweilen zusammenzuckend vor dem, was sie schauten, ihre hei�en Augen sich einbohrend, verschmelzend in dem Strom z�rtlicher Gef�hle, der ihnen entgegenschwoll und zur�ckkehrend die s��este Gewi�heit brachte. Die Sympathie ihrer Seelen, die sie innig, einig empfanden, l�ste alles Fremde und Getheilte auf, als flie�e durch die verbundenen H�nde Blut und Leben, Geist und Wille in einen K�rper zusammen.
Und welch' seltsamer Anblick, dies n�chtliche Bild. Schweigen rings umher, tiefes Schweigen und Dunkelheit. Nur von ferne das dumpfe Gebraus des Baches, am Himmel die gro�en funkelnden Sterne und vor ihnen der Licht- und Feuerkreis. Darin die schwarzen Ziege und Schafe, welche sich aufgemacht hatten und jenseits des Feuers ohne Blut und Bewegung standen wie verzauberte D�monen. Vor ihnen der alte Hirt auf seinem Felsensitze in seinen wei�en Loden, aus denen Funken zu spr�hen schienen, in seiner Hand die Spalla und ein eirunder Achatstein, mit welchem er den Knochen rieb, bis dieser davon zu gl�nzen begann wie ein Spiegel.
Zauberspr�che vor sich hinmurmelnd, fuhr er mit dieser Arbeit fort, bis der Feuerschein wundersam an dem wei�en Knochen zu gl�hen begann, als sei er ein spr�hend Eisen. Da lie� er den Stein sinken, und seine Augen hefteten sich an diesem Spiegel fest, und er blickte hinein, als wollte er in die Tiefe hinab sehen, und als zeigten sich dort Bilder und Gestalten. Und jetzt erhob er seine Stimme, erst langsam in einzelnen Worten, dann rascher und f�gsamer, bis er wie ein Seher sprach, den eine fremde erhabene Macht treibt, die ihn zu ihrem Werkzeuge gemacht, wie die Seher und Propheten des Alterthums.
�Blut! Blut!� begann er, �hoffet nicht auf Frieden, ich sehe Blut! Ist das nicht der Aliso, der so roth dort flie�t, ist das nicht Oletta, das mit Thr�nen und Trauer gef�llt ist? Wehe Euch! wehe Euch! Ihr Verlorenen! Wie ringen die M�tter ihre H�nde, wie schreien die Schwestern um ihre Br�der, wie klagen die Weiber und die Br�ute! Fliehet! fliehet! rettet Euch! – Doch nein! Du bist geborgen, Romana. Da ist Giulio Saliceti. Tapferer Fremdling. Du kamst zu rechter Zeit. Doch h�te Dich! h�te Dich, eine schwarze Gestalt ist hinter Dir, dunkle Schatten fallen auf Deinen Weg. Sieh den Baum, der dort steht, Blitze fahren nieder und zerrei�en seine Zweige. Wo bist Du, Romana, ich sehe Dich nicht mehr? Wo ist Dein tapferer Freund, wo ist er, da� er Dich nicht zerschmettern lasse von diesem Wetter!�
Er hielt inne, seine Augen �ffneten sich weit; es war, als verfolge er verworrene Bilder, welche sich nicht entr�thseln lie�en.
�Ein Fuchs, der Dich verschlingen will!� rief er dann, �ein Rachen mit tausend Z�hnen �ber Deinem Haupt! Aber dort, welch' ein Strom ist das! Ich sehe eine Br�cke und Blut, das von allen Pfeilern tr�ufelt. Die Leiden treiben darauf, und der Tag l�scht aus. Wo bist Du, Fremdling, liegst Du dort bei den Haufen der Erschlagenen?!�
In wilder Angst umklammerte Romana ihren Freund und sah ihn mit Entsetzen an.
�Nein!� rief der Prophet, �ich sehe Dich! Du h�ltst Dein Schwert in Deiner Rechten, und wen tr�gst Du fort, wer reicht Dir seine Hand? Da ist auch sie, und er segnet Euch. – Ich sehe ein Schiff, ist dies das Meer? Ich sehe den Baum wieder, er ist nicht zerschmettert. Ich sehe seine Krone, ich sehe seine Aeste. Fremder Mann, Gott hat Dich besch�tzt, Du wirst leben, lange leben! Du wirst erreichen, was Du begehrst; so Du, Romana, auch Du. Der Fuchs wird Dich nicht zerrei�en, Du wirst keine Klagelieder singen. Da stehst Du geschm�ckt, und die Myrthe bl�ht in Deinem Haar, fern, fern sehe ich Dich, aber seine Arme halten Dich. Sch�tze sie, Madre di Dio! sch�tze sie in Ewigkeit!�
Und wie er diese letzten Worte leiser und leiser sprach, lie� er seine Arme sinken, und der Zauberspiegel fiel nieder, der greise Kopf senkte sich auf seine Brust, er schlief. Aber Romana schlang beide Arme um den Hals des Geliebten mit inbr�nstiger Z�rtlichkeit, mit aller Seligkeit ihres Lebens.
�Romana! meine Romana!� rief er voll �berstr�mender Liebeswonne.
�Carlo! mein Bruder! mein Bruder!� antwortete sie unter seinen K�ssen.
So, ohne Sprache, im reinsten Menschengl�ck, in einer Minute ein langes Leben lebend, sa�en sie umschlungen, als pl�tzlich die Hunde aufsprangen und dies zauberische Nachtbild zerst�rten. Die schwarzen Thiere flohen von dem Feuer, ein Geschrei lie� sich h�ren, der greise Hirt wachte auf. Und als ob auch die Natur erwacht sei, fuhr ein Windsto� durch die Schlucht und jagte Flammen und Funken umher.
�Ruft die Bestien zur�ck!� schrie eine kr�ftige Stimme, �oder ich schie�e sie nieder.�
Angelo lie� seinen Ruf h�ren, zugleich aber eilte Romana einige Schritte vor das Feuer und sah M�nner sich n�hern, deren lautes Sprechen sie ank�ndigte, ehe man sie erkennen konnte.
�Alles in Ordnung, Achill!� rief der, welcher voranschritt, �wir sind richtig hier herunter gekommen. Oletta liegt vor uns, und der Hirt, der hier rastet, mu� der alte Angelo sein. Holla, Angelo! Er mu� uns Fackeln geben.�
In dem Augenblicke sah er die M�dchengestalt vor sich, und gleich darauf schrie er: �Colpo di Tuone! wer ist da? Romana, so wahr ich lebe!�
�Giulio! Giulio!� antworte Romana, und nun wu�te Wilda, wer diese fremden seien: Romana's erwarteter Bruder, sein Vetter Achill Grimaldi und ein Hirt, der sie durch die Schluchten der Bergkette des Tenda begleitet hatte und einen Pack auf seinem R�cken trug, welcher Reisetaschen und Kleider des jungen Grimaldi enthielt.
�In fr�hester Fr�he sind wir von Bastia aufgebrochen,� sagte Giulio, nachdem er seine Schwester umarmt, �haben die Serra �berstiegen und dann uns die Pfade in die Berge des Nebbio hinaufleiten lassen, um aufs K�rzeste zu Dir und nach Oletta zu kommen. Achill konnte die Zeit nicht erwarten,� fuhr er lachend fort, �aber es ist ihm zu viel geworden. Die Felsen des Tenda sind nicht f�r weiche F��e gemacht.�
�Glaube ihm nicht, liebe Romana,� fiel der Andere mit wohllautender Stimme ein. �Auf die Spitze des Doro oder Blanco w�rde ich klimmen, wenn ich w��te, Dich dort zu finden, und herrlicher konnten alle Heiligen mich nicht belohnen, als mit der Freude, Dich hier unverhofft zu finden.
�Wie war das m�glich, Romana. War es eine himmlische Eingabe, oder was hat Dich in der Nacht hier herauf gef�hrt?� fuhr er fort, indem er ihre H�nde ergriff.
�Ich wollte Angelo noch einmal sehen,� sagte Romana, �morgen zieht er weiter.�
�Oho, Achill!� lachte Giulio, �das war also ihre Sehnsucht. Allein bist Du gekommen! Wo ist der Onkel?�
�Ich bin nicht allein gekommen,� erwiederte Romana. �Unser Gast hat mich begleitet, der Capit�n von der deutschen Compagnie.�
�Wir haben in Bastia schon davon geh�rt, da� in Oletta Soldaten einger�ckt sind, und Friedensunterhandlungen dort stattfinden sollen,� entgegnete Achill Grimaldi. �Das hat den General auch bewogen, uns die Thore zu �ffnen, und wir fliegen dem Frieden voran, theure Romana, und bringen Dir den Oelzweig.�
�Aber wo ist dieser brave Siore Capitano,� sagte Giulio, �da� wir ihm unsere H�nde reichen!� Mit diesen Worten ging er auf das Feuer los, und als er Wilda dort fand, rief er ihm ein freudiges Evviva Siore! entgegen. Gleich folgte auch Achill Grimaldi, und die drei jungen M�nner betrachteten sich bei dem Scheine der Flammen und tauschten freundliche Worte.
Giulio Saliceti hatte Etwas an sich, das den Capit�n gleich f�r ihn einnahm, denn er �hnelte seiner Schwester; doch sein wohlgebildetes Gesicht pr�gte sich m�nnlich kr�ftig aus. Man sah es ihm an, da� er rasch und heftigen Sinnes war. Seine Augen blickten feurig unter starken Brauen wie die des Abtes Peverino, seine Gestalt war schlank, und sein corsisch dunkles Haar fiel dicht auf Stirn und Nacken und vermehrte den trotzigen Eindruck seines Anblicks. –
Ganz anders sah dagegen Achill Grimaldi aus, der kleiner und breitschultriger neben ihm stand. Dieser besa� das Wesen eines Mannes, der ebensowohl welterfahrener als verst�ndiger und kl�ger schien, als sein Gef�hrte. Sein farbloses, hageres Gesicht wurde von einer geschmeidigen Freundlichkeit belebt, seine Augen blickten ruhig und sicher; h�flich und gewinnend, doch mit bed�chtigen wohlgesetzten Worten dr�ckte er dem Capit�n seine Freude aus, ihn hier anzutreffen, und in Allem, was er sagte, war wohl zu bemerken, da� er mehr geistige Bildung und Urtheil besitze, als die meisten seiner Landsleute.
Giulio Saliceti trug einen corsischen weiten Kittel, den Pelone, eine M�tze nach dem �blichen Schnitt, auf seiner Schulter einen Carabiner und um seinen Leib einen Gurt f�r Pulver und Blei. Achill Grimaldi in seinem schwarzen Rocke, ein kleines H�tchen mit einer Tresse auf der F�lle seiner dichten feinen Haare, diese Haare selbst im Nacken zusammengebunden, und in seiner Hand einen Rohrstock mit Goldknopf, sah dagegen aus wie ein Herr aus der Stadt, vertraut mit den Moden, welche die Franzosen dort �blich gemacht hatten.
Die Unterhaltung w�hrte einige Zeit in freundlicher Weise fort, dann aber forderte Giulio seine Freunde auf, jetzt ohne S�umen nach Oletta hinabzusteigen.
�Hungrig sind wir und m�de, wie Du Dir denken kannst,� sagte er zu seiner Schwester, �allein Du wirst Noth haben, Achill's Anspr�che zu befriedigen, denn er ist verw�hnt und liebt die franz�sischen Gerichte.�
�Glaube dies ebenso wenig, beste Romana,� fiel Achill ein, �wie alles Andere, was er B�ses von mir spricht. Ich vergesse niemals, da� ich ein Corse bin, somit wirst Du mich gen�gsam und dankbar f�r alles Gute finden. Wenn Du aber Nichts mehr hier zu thun hast – ich hoffe, es ist geschehen, was Du wolltest –�
�Es ist geschehen, Achill,� fiel Romana l�chelnd ein.
�So werden wir Giulio's Rath befolgen k�nnen, sobald Angelo uns mit Fackeln ausr�stet.�
Der alte Hirt hatte schon daf�r gesorgt. Er z�ndete ein B�ndel harziger trockener Sp�hne an und schritt dann ohne ein Wort voraus, die Anderen ihm nach unter freudigem Geplauder. Durch den Wald flammte das Licht in das Thal hinab. Giulio folgte dem riesigen Alten mit Romana Hand in Hand. Achill Grimaldi wu�te die kleinen Reiseabenteuer, welche er heut bestanden, mit den lustigsten Scherzen gew�rzt darzustellen; schweigsam betrachtete und beobachtete ihn der Signore Capitano.
Als sie dann an die Br�cke des Baches gelangten, leuchteten andere Lichter ihnen entgegen. Der Abt Saliceti, zur�ckgekehrt in sein Haus, war unruhig ausgezogen, seine Nichte zu suchen, nun fand er sie hier mit seinem Neffen und Vetter. Gro� war die Freude.
�Lebt wohl!� rief Angelo von der H�he herunter, auf der er stehen geblieben. �Gottes Segen mit Dir, Romana. Sei klug, so wirst Du gl�cklich sein!�
Am anderen Tage war es wohl zu merken, da� Giulio Saliceti in sein Vaterhaus zur�ckgekehrt war, denn viele junge Leute aus der Gemeinde, seine Freunde und Genossen kamen, um ihn zu begr��en und ihre Zuneigung zu beweisen. Bernardo Leccia fehlte nicht dabei, und fr�hlich ging es her, mancher Weinkrug wurde geleert. Die Sache des Vaterlandes wurde hei� besprochen, und viele Schw�re, viele Fl�che gegen die Franzosen verhallten in dem gro�en Gemache. Der Abt sa� inzwischen bei �lteren angesehenen Leuten, Achill Grimaldi unter diesen, denen er Nachrichten gab �ber die Verh�ltnisse in Bastia, �ber das franz�sische Heer und �ber die Generale. Seine Schilderungen waren ungemein anregend und lebhaft, doch keineswegs ermuthigend.
Der franz�sische K�nig hatte ausgesuchte Soldaten her�bergeschickt, die besten, welche er besa�, und diese stie�en zu dem Heere, das die Corsen im letzten Sommer so �bel zugerichtet. Ihre Niederlagen zu r�chen brannten sie um so mehr, da nicht allein die Corsen verspottende Siegeslieder sangen, sondern ganz Europa Beifall klatschte und das heldenm�thige kleine Volk pries, das so gro�e Thaten vollbrachte. Dazu kam, da� die frischen Schaaren aus Frankreich ihre Kameraden ver�chtlich behandelten, da sich diese von Bauernhaufen schlagen und jagen lie�en. Die Stimmung der Franzosen wurde dadurch eine w�thende und rached�rstige, sie zitterten vor Begier nach dem erneuten Kampfe, und dieser wurde von ihren Generalen auf's Sorgf�ltigste vorbereitet.
Was Achill mittheilte, wurde verschiedentlich aufgenommen. Die meisten der jungen Leute lachten und prahlten, manche der �lteren hatten jedoch auch bedenkliche Mienen. Achill Grimaldi �bte ein unzweifelhaftes Gewicht aus. In seinem schwarzen Kleide, seinen Schuhen mit Schnallen, seinem gebundenen Haar und seiner wei�en, faltigen Hemdkrause unterschied er sich eben so bedeutsam von diesen Dorfbewohnern, wie durch die geistige Ueberlegenheit seiner Darstellungen. Dabei wu�te Jedermann, da� die Grimaldi's aus einer alten Signorenfamilie stammten, Jedermann wu�te auch, da� der alte Rath zu den angesehnsten M�nnern geh�rte, da� Leo Grimaldi Paoli's getreuester Freund sei, und das dieser junge Rechtsgelehrte n�chstens einer der neun Richter sein w�rde.
Nur den Abt Saliceti verdro� es, das sein Vetter so sprach. als wolle er Schrecken vor den Franzosen verbreiten. Er runzelte daher seine Stirn, lie� seine Augen rollen und sah den schwarzen Advocaten von Bastia sp�ttisch messend an.
�Ich sehe wohl,� rief er endlich, �da� die Leute in der Stadt, wo sie mit den Franzosen umgehen m�ssen und sich putzen m�ssen, striegeln und b�geln, immer mehr dabei verlernen, wie es bei dem Volke in den Bergen aussieht. Es sind aber noch dieselben Corsen, die bei Borgo die wei�en Lilienfahnen in den Staub st�rzten, und Dein eigener Bruder Leo Grimaldi war es, welcher drei Mal die Franzosen schlug, trotz aller ihrer Wuth und Tapferkeit.�
�Wir werden sie wieder schlagen, daran zweifle ich nicht,� erwiederte Achill; �doch haben wir jetzt 30 000 gegen uns, w�hrend Chauvelin nur die H�lfte hatte.�
�Und w�ren ihrer so Viele, wie Sand am Meere!� brauste Peverino auf, so wollen wir Corsen bleiben. Maledetto! Alle diese Elenden, die uns zu Knechten des Franzosenk�nigs machen wollen. Aber es wird nicht dahin kommen,� setzte er ruhiger hinzu, �in wenigen Tagen werden wir es sehen. Graf de Vaux ist ein edler gerechter Mann und ein Freund unseres Volkes.�
Achill Grimaldi schwieg darauf einige Augenblicke, indem er vor sich hinl�chelte und mit der goldenen Kette an seiner Uhr spielte, die einzige, welche hier zu finden war.
�Graf de Vaux ist sicherlich ein edler und ein Ehrenmann,� erwiederte er darauf. �Er wird f�r Corsika thun, was er immer vermag, ich w�nsche es von ganzem Herzen. Ein ehrenvoller Frieden ist das Beste f�r uns, und besonders f�r mich,� setzte er hinzu, indem er eine seiner H�nde auf seine Brust legte und mit einem verliebten Blicke Romana nachsah, welche soeben durch das Zimmer ging.
Jedermann wu�te, was er meinte, mancher Mund verzog sich, aber Achill fuhr fort:
�Graf de Vaux ist ein sehr kluger Mann von den gr��ten und vortrefflichsten Gaben. Er kennt Corsika genau, kennt unsere ersten und besten M�nner. Wenn Einer Unterhandlungen zu leiten versteht, so versteht er es, wenn Einer uns den Frieden verschaffen wird, so wird er es sein. Ein gro�er Feldherr ist er nicht, wie man sagt, daf�r aber hat er den General Marbeuf zur Seite.�
�Und das ist Einer, der Nichts schont und scheut!� rief Bernardo Leccia. �Er hat D�rfer verbrennen lassen und Menschen todtschie�en oder gar r�dern lassen ohne Gnade, wo ein Schu� auf seine Franzosen aus einem Hause gefallen war.�
�Somit mu� sich ein Jeder vor ihm und vor dem Todtschie�en und R�dern in Acht nehmen,� erwiederte Achill in einer Weise, da� ein allgemeines Gel�chter entstand.
�Das wollen wir, indem wir ihn selbst in die H�lle schicken mit allen seinen verdammten Franzosen!� schrie Bernardo �berm�thig.
So ging es weiter her in diesem Kreise, der endlich sich zerstreute, ohne eben kl�ger geworden zu sein. Auf den Frieden rechneten Viele und w�nschten ihn, Andere hingen fest an dem Pr�sidenten Paoli, dem sie treu bis in den Tod folgten. Ingrimmiger Ha� und Stolz gegen die Franzosen dr�ckte sich in den meisten dieser braunen Gesichter und in ihren feurigen Worten aus; daran lie� es auch Giulio Saliceti nicht mangeln.
Er hatte von seinem Vetter in Bastia weder Vorsicht und Klugheit gelernt und erkl�rte mit vieler Lebendigkeit, da� ihm Nichts so schwer geworden sei, als sich so weit zu verstellen, da� er keinen Ansto� gegeben. Aber er habe niemals in einer Gesellschaft aushalten m�gen, wo sich Franzosen befanden, und doch sei dies nicht zu vermeiden gewesen. Nach Bastia zur�ck wolle er auch nimmer, er habe an dem �berstandenen Aufenthalt in der Stadt vollkommen genug.
Dieser Gegenstand wurde dann weiter behandelt, als die Familie allein war.
�Ich bin jetzt zwanzig Jahre alt,� sagte Giulio, �da ist es Zeit, an mich zu denken, und da mein Bruder nicht mehr lebt, will ich meines Vaters Erbe �bernehmen und ein Landmann sein, wie er es war.�
�Eheh!� rief der Abt, ihm zunickend, �und f�hrst uns auch bald wohl eine junge Frau in's Haus. Hast Dich schon umgesehen darnach?�
�Nein, nein!� versetzte Giulio, �noch hat mir keine gefallen, so viel ich auch gesehen habe.�
�Narrheiten sind das!� schalt der Abt.
�Mag sein,� lachte Giulio, �doch was scheeren mich die Weiber! Meine Braut ist mein Vaterland, eine andere verlange ich nicht. Wenn Corsika frei ist, will ich an ein Weib denken. Sollte ich aber mein Leben lassen m�ssen, Oheim, so bleibt Dir Romana und Achill, der sie besch�tzen wird.�
Der Abt sch�ttelte sich und sah nach dem Balcon bin, wo Romana und ihr Vetter beisammen standen, und er warf einen langen Blick auf Beide und sprach darauf:
�Sie wird jetzt bald siebenzehn, doch nicht eher will ich ihr einen Mann geben, als der Friede geschlossen ist.�
�Du bist unser Vater und redest weise; allein wir k�nnen sie doch verloben,� versetzte Giulio. �Ich habe es Achill versprochen, Dir seine und meine Bitte mitzutheilen. Er liebt Romana mit Z�rtlichkeit, und wo g�be es f�r sie einen besseren Mann?�
Der Abt stimmte ihm bei.
�Es ist ja eine l�ngst beschlossene Sache,� sagte er, �wenn es mir auch nicht gef�llt, da� Achill derartig von den Franzosen spricht, wie er es thut.�
�Onkel!� rief Giulio spottend, �Du meinst doch nicht, Achill k�nnte nicht wie ein Corse denken? Ich will Dir Etwas vertrauen. Graf de Vaux ist ein schlauer Herr. Er sucht zu gewinnen, wer sich irgend gewinnen l��t, und er wei� sehr gut, welchen Einflu� die Grimaldi's haben. Auch an Achill hat er sich gemacht, doch da ist er an Einen gekommen, der schlauer ist, als er. Da Achill in Paris war, sich modisch kleidet und franz�sische Suppe i�t, meint er, ihm so recht vertrauen zu k�nnen, und sieht ihn gern bei sich, so da� Achill Mancherlei erf�hrt.�
�Ich w�rde lieber Nichts erfahren,� fiel der Abt unmuthig ein.
�Er ist ein Advocat, aber ein noch gr��erer Patriot,� sagte Giulio. �Alles, was er erf�hrt, theilt er seinem Bruder mit, so bleibt dem Pr�sidenten Nichts verborgen. Obwohl Bastia scharf bewacht wird, giebt es doch Mittel und Wege, um Briefe nach Corte zu bringen und in die Berge.�
�Steht es so,� sprach der Abt, �so ist es freilich ein gro�er Dienst, den Achill dem Vaterlande leistet, obwohl ich lieber wollte – aber wei�t Du es gewi�?�
�Alles wei� ich, Oheim. Gro� sind die Gefahren, die er wagt, denn der geringste Verdacht w�rde ihm das Leben kosten. Aber Achill ist ein Corse, er f�rchtet den Tod nicht. Es giebt kein so braves, so tapferes Herz, darum liebe und ehre ich ihn wie meinen �lteren Bruder, und darum will ich, da� Romana sein Weib werden soll.�
So sprachen sie weiter, und der Abt wurde immer zufriedener, bis er zuletzt behaglich blickend zugab, Achill Grimaldi sei eine Ehre f�r die Saliceti, und freudig werde er Romana ihm angeloben, heute oder morgen, sobald Achill dies w�nsche oder wolle.
W�hrend dies aber drinnen gesprochen und bedacht wurde, unterhielt auf dem Balcone Achill Grimaldi seine sch�ne Muhme mit Beschreibungen, wie viel und oft er an sie gedacht, welche Unruhe er empfunden, und mit welcher Sehnsucht er den Tag herbeigew�nscht, der ihn in ihre N�he bringen und so gl�cklich machen sollte, als er jetzt sich f�hle.
Romana, mit ihren gro�en, sonnenhellen Augen ihn anschauend, als wollte sie bis in Herz und Seele ihm leuchten, und mit ihrem lieblichen L�cheln, das ihr freudiges Beistimmen nicht holder ausdr�cken konnte, schien dem melodischen Klang seiner Worte aufmerksam zu lauschen. Es kam dem klugen Advokaten vor, als ob Romana eine Pr�fung mit ihm anstellte, als habe sie Etwas in ihrem kleinen Kopfe, was sie besch�ftigte, und er wu�te, da� sie nicht ohne geistige F�higkeiten sei, um nachzudenken und zu urtheilen.
�Was ist es,� fragte er daher, pl�tzlich in seiner Rede abbrechend, indem er seine feurigen, scharfen Augen auf sie heftete, �das Dich besch�ftigt, liebe Romana?�
�Ich denke nach,� erwiederte sie, �wie sich Deine Versicherungen zu den Wirkungen verhalten, welche sie bei mir hervorrufen.�
Er lachte auf.
�Das klingt ja so gelehrt, als ob es ein Professor von der hohen Schule in Corte sagte. Ich hoffe doch, Du zweifelst nicht an der Wahrheit jeder Silbe.�
�Nein, Achill, ich zweifele nicht, ich glaube es,� war ihre Antwort.
�Nun, und was ist die Wirkung?�
�Da� auch bei mir Alles wahr sein mu�, was ich empfinde.�
�Herrlich, liebe Romana! Folge der Stimme der Wahrheit in Deinem Herzen. Du wirst doch nicht von ihrem Pfade weichen wollen?�
�Nein, Achill, ich glaube an die Wahrheit.�
�Wie es einer christlichen Jungfrau geziemt, theure Romana. Willst Du mir immer die Wahrheit sagen?�
�Das will ich, wenn Du mich fr�gst.�
�Gut. Was sagt diese sch�ne Stimme in Deinem Herzen?�
�Da kommt Er!� rief Romana, indem sie sich �ber den Balcon beugte.
�Wer?� fragte Achill.
�Sior Carlo Wilda,� versetzte sie. �Richtig, er ist es. Er kommt heute wieder sehr sp�t, und einen Brief h�lt er in seiner Hand.�
�Oh,� sagte Achill l�chelnd, �Du hast diesen Sior Carlo wohl schon lange erwartet?�
�Schon seit einer Stunde,� erwiederte sie. �Er war heute so fr�h schon fortgegangen, da� ich ihn noch nicht gesehen habe.�
�Das ist ja recht schade!� fuhr Achill freundlich fort. �Es scheint ein sehr artiger Herr zu sein.�
Romana h�rte nicht mehr darauf. Sie lief von dem Balcone nach der Th�r, offenbar, um ihren Freund zuerst zu empfangen, und Achill folgte ihr nach, so einnehmend l�chelnd, als bisher, w�hrend er in dem Satze fortfuhr, den er abgebrochen, und leise zu sich selbst sagte: �den der Henker holen mag, sobald es ihm beliebt. Aber ich mu� diesen Burschen n�her kennen lernen.�
Sein Wunsch konnte bald erf�llt werden, denn Wilda trat in der n�chsten Minute schon herein und wurde von Allen wohl empfangen. Romana bot ihm ihre Hand dar und fragte, warum er so lange fort geblieben, und er antwortete darauf, da� es auch die M�nner h�rten:
�Ich empfing eine wichtige Nachricht, wir haben morgen schon den Pr�sidenten zu erwarten. Gleich in der Fr�he wird er eintreffen und von Fiorenzo herauf General de Vaux mit seinem Gefolge kommen. Der Podesta hat mich rufen lassen, um Vorkehrungen zum Empfange zu verabreden, gleich wird er selbst hier sein, um dem Herrn Abt Saliceti mehr davon zu sagen.�
Diese Mittheilungen wurden mit lebhafter Theilnahme geh�rt, sie brachten bald die ganze Familie in Bewegung. Schon Beschlossenes wurde von Neuem bedacht und Anderes hinzugef�gt, was nun erst zu Rath gelangte. Der Podesta versammelte die Gemeindevorsteher, um jegliche F�rsorge zu treffen, da� die Zusammenkunft durch nichts Ungeh�riges gest�rt werde, und jetzt kam zur Ausf�hrung, was schon fr�her angeregt, da� die gr��te Ruhe und Stille herrschen, das Volk von Oletta sich in seinen H�usern halten solle. Die Casa Saliceti aber sollte geschm�ckt werden, so viel dies geschehen konnte. Der Podesta und die Vorsteher sollten die hohen Fremden empfangen und bis an die Treppe begleiten, die Soldaten die Ehrenwache bilden; um aber die sechseckigen rothen, kleinen Steine, aus denen der Fu�boden des gro�en Gemaches bestand, zu bedecken, prahlte der Abt mit dem pr�chtigen gro�en Teppich, den er aus der Kirche holen lassen wolle, wo er vor dem Altare lag.
So auch wurden die Anstalten besprochen, um die G�ste zu bewirthen, und solche und �hnliche Angelegenheiten besch�ftigten den Abt und die M�nner von Oletta den ganzen Tag �ber. Romana mit den M�gden des Hauses und der Beschlie�erin wurden damit nicht minder in Th�tigkeit erhalten, denn die Befehle und Fragen des Abtes donnerten umher. Er selbst hielt Musterung �ber alle Geschirre und Vorr�the und ordnete in seiner polternden Weise an, was schnell beschafft werden sollte. Giulio Saliceti wollte Nichts damit zu thun haben, er untersuchte daf�r Gewehre und Waffen, lief zu seinen Freunden und sprach mit ihnen geringsch�tzig �ber die Franzosen, indem er zugleich zornig gegen jede Nachgiebigkeit redete, welche etwa von dem Pr�sidenten bewilligt werden k�nnte. Er reizte die jungen Leute damit auf, doch zu gleicher Zeit war er verst�ndig genug, zur Ruhe zu ermahnen, damit kein Schimpf auf Oletta oder auf die Saliceti und deren Freunde falle.
�La�t sie nur unterhandeln,� sagte er, �ich denke, es wird doch Nichts helfen. Diese Franzosen sind �berm�thig und anma�end; la�t sie nur kommen. Es soll ihnen noch einmal so gehen, wie bei Borgo, das ist auch Achill Grimaldi's Meinung.�
Der Advokat aus Bastia hatte inzwischen Gelegenheit gesucht, sich an den deutschen Capit�n zu machen, und ihm besonderes Wohlwollen bewiesen. Er zeigte sich zutraulich und in allen Dingen wohl unterrichtet. Nach der Sitte der wohlhabenden Familien der Insel, welche ihre S�hne in Florenz und in Pisa studiren lie�en, war auch er in diese Pflanzst�tte corsischer Bildung geschickt worden und hatte sie als Doktor der Rechte verlassen. Ein l�ngerer Aufenthalt in Paris sollte vollenden, was ihm noch fehlte, und als er vor zwei Jahren nach Bastia zur�ckkehrte, war er wohl im Stande, eine politische Rolle zu spielen, wenn sich dazu die Gelegenheit bot.
Zu derselben Zeit aber traf er in seines Vaters Hause dann seine junge Verwandte Romana Saliceti, und man erinnerte ihn daran, was im Familienrath beschlossen, und was er gut genug wu�te.
Er kannte Romana aus der ersten Kinderzeit, und ihre Sch�nheit und geistige Bef�higung, wie die Aussichten auf nicht unbetr�chtliches Verm�gen waren seinen W�nschen gem��. So vereinigten sich Wohlgefallen und Berechnung in seinen Absichten und machten ihn zu einem ergebenen Freunde der angesehenen Familie sowohl, wie des kindlichen M�dchens, dessen Neigung er f�r sich zu gewinnen suchte.
Und dies schien ihm auch vollkommen zu gl�cken. Romana kannte keinen Andern, in dessen Gesellschaft sie lieber gewesen w�re, der ihre Fragen besser beantwortete, ihren Gedanken und Vorstellungen Richtung und Bewegung gab, mit solcher Theilnahme sich mit ihr besch�ftigte, ihr Vertrauter und ihr Besch�tzer sein mochte.
Sein Uebergewicht begr�ndete sich durch seine geistige Ueberlegenheit, durch die Achtung vor seinem Scharfsinn und seinen Kenntnissen, welche ihm so viele M�nner zollten, durch sein Ansehen bei seinen Verwandten sowohl, wie bei seinen Mitb�rgern. Nur der Krieg im letzten Jahre, der Tod Carlo Saliceti's, den Romana so z�rtlich liebte, und der Tod ihres Vaters hinderten die Erkl�rung des Lebensb�ndnisses, aber Achill Grimaldi sah seine Erw�hlte ruhig nach Oletta zur�ckkehren, er wu�te, da� sie ihm geh�rte.
Jetzt stieg zum ersten Male ein Zweifel dar�ber in ihm auf, hervorgerufen durch diesen deutschen Soldaten, den ein Zufall hierher gebracht hatte. Wenn er die Verh�ltnisse bedachte, kam es ihm ver�chtlich vor, da� ein Abenteurer seinen Weg durchkreuzen k�nnte, denn was hatte dieser Mensch zu erwarten, sobald die Saliceti ahnten, wohin seine verwegenen W�nsche gingen. Abt Peverino h�tte ihn mit dem Scapulier aus dem Hause getrieben, und Giulio ihm eine Kugel durch's Herz gejagt.
Doch dahin durfte es auf keinen Fall kommen. Der Pr�sident Paoli war nicht der Mann, um eine Gewaltthat, an seinen Officieren ver�bt, zu dulden, ohne R�cksicht darauf, wer die Verbrecher seien. Ein Liebesverh�ltnis Romana's zu diesem Fremden h�tte jedoch ohnedies die Ehre der Saliceti, die Ehre Romana's und seine eigene Ehre angetastet. Niemand durfte daher Etwas erfahren.
Achill Grimaldi beobachtete mit scharfen Augen, obwohl Niemand Etwas davon bemerkte, w�hrend des ganzen Tages das Benehmen der beiden Verd�chtigen und bildete sich daraus sein Urtheil. Der Capit�n schien Romana zu vermeiden, ihren leuchtenden Blicken auszuweichen, ihren fr�hlichen Fragen und Ermunterungen mit h�flicher Gemessenheit zu begegnen. Aber Romana k�mmerte sich nicht darum, sie blieb in derselben gl�cklichen Stimmung. Achill Grimaldi wurde irre an dieser Sicherheit.
Der deutsche Abenteurer erschien dagegen ernst, zuweilen zerstreut und nachdenklich, und als davon die Rede war, da� diese Zusammenkunft der Generale entweder zu einem raschen Frieden oder zum raschen Kriege f�hren werde, brach er in die hastigen Worte aus:
�Mag kommen, was da will, alles ist besser als diese Lage.�
�Seid Ihr so unzufrieden damit?� lachte Achill. �In Oletta ist es freilich langweilig, allein seine Bewohner werden Euch eben deswegen nicht gern scheiden sehen, mein Herr Capit�n.�
Wilda warf einen scharfen Blick auf den Advokaten, doch dieser sah ganz harmlos aus. –
�Ich bin dieser edeln Familie Saliceti vielen Dank schuldig,� antwortete er darauf, �dennoch mu� ich w�nschen, da� der Krieg beginnt und mich fortruft, denn die gerechte Sache Corsika's kann nur mit dem Schwerte erstritten werden.�
�Hoffen wir, da� es so geschehe,� versetzte Grimaldi, �und da� Ihr dann mit uns den Frieden feiern helft und bei uns bleibt als ein B�rger des freien Corsika's.�
Da er keine bestimmte Antwort erhielt, fuhr er fort:
�Viele tapfere, gro�herzige M�nner stehen uns bei, aber wir k�nnen sie leider nur mit unsern B�rgerkronen belohnen, und Wenige werden diese annehmen, denn es ist wahr, man mu� in Corsika geboren sein, um die Welt vergessen zu k�nnen.�
Wilda dachte daran, was er mit Romana erst gestern �ber denselben Gegenstand gesprochen, und er antwortete mit denselben Worten fast, die ihm einfielen:
�Nichts kann das Vaterland ersetzen, Herr Grimaldi. Auch ich werde in meine Heimath zur�ckkehren, sobald Corsika frei ist.�
�Gott gebe es!� rief Achill, und er lie� es zweifelhaft, was er meine, denn Wilda wurde durch einen seiner Soldaten abgerufen, den er nach St. Pietro hinaufgeschickt hatte, um dem Podesta die nahe Ankunft des Pr�sidenten zu melden.
Inzwischen kam Giulio mit einigen andern jungen Leuten, welche voller Scherz und Uebermuth sich zu dem Advokaten setzten und ihn wegen seiner Liebe zur Einsamkeit und seiner Schweigsamkeit verspotteten. Bernardo Leccia befand sich bei ihnen und war der Munterste von Allen. Er kannte Achill und that vertraut mit ihm.
�Es kann nicht anders sein,� sagte er, �der gelehrte Doctor Grimaldi mu� krank sein, doch betr�bt Euch nicht, meine Freunde, es wird kein Lamento um ihn angestimmt werden, ich kenne diese Krankheit aus Erfahrung. Ist Euch nicht sehr bange um's Herz, mein lieber Achill,� fragte er im Tone eines Arztes, �zu gewissen Zeiten und wenn gewisse Personen in Eure N�he gerathen?�
�Ich glaube, da� ich nicht Nein sagen darf,� versetzte Achill.
�Und wenn Ihr von zwei Augen angesehen werdet, die allerdings seltsamlich leuchten wie Johannisfeuer, ist Euch dann nicht so zu Muthe, als m��tet Ihr auf Eure Kniee niederfallen und sie anbeten?�
�Wie Ihr das genau zu beschreiben wi�t!� rief Achill.
�O! ich kenne diese Leiden aus dem Grunde, ich habe sie studirt, mein gelehrter Herr Doktor,� versetzte Bernardo, �aber ich will Euch vertrauen, wie ich selbst davon befreit wurde. Eines Tages, als ich eine Angst empfand, �rger als ein Bandit, hinter dem die Vendetta ist, gerieth ich in Wuth. Und eben begegnete mir die Ursache meines Uebels. So sprang ich auf sie los, �berwand alle Furcht, schlo� sie in meine Arme und schlo� ihren Mund mit meinem Munde, damit sie nicht schreien k�nnte. Doch siehe da, sie schrie nicht, und es geschah ein Wunder, illustrissimo Dottore. Die Zauberei hatte keine Macht mehr �ber mich, ich f�hlte, wie die Krankheit von mir abfiel, und statt der Angst, die mich wie ein Berg von Blei zusammengepre�t viele Tage lang, schien es mir, als h�tte ich Fl�gel bekommen und schwebte durch alle Himmel, an meinem Herzen die Strega, die b�se Hexe, welche sich in einen Gottesengel verwandelt hatte. Und seit dieser Zeit, mein vortrefflicher Herr Achill, bin ich so gesund und so gl�cklich gewesen, da� ich Euch nur rathen kann, dies Recept auf's P�nktlichste und Schnellste zu gebrauchen.�
�Wirklich,� antwortete Grimaldi, �nun, ich sage Euch, hochweiser Wunderdoktor, ich habe die gr��te Lust dazu.�
Das Gel�chter, das Bernardo's Rathschl�ge begleitete, verdoppelte sich.
�Auf der Stelle! auf der Stelle!� schrien Mehrere.
�Nein, meine lieben Freunde,� versetzte Achill, �das w�rde sich nicht schick. Doch morgen werde ich Bernardo's Mittel gebrauchen, und da unser gro�er Pr�sident dann ebenfalls in Oletta sein wird, soll das Wunder in seiner Gegenwart geschehen, damit er es segne.�
Ein Freudengeschrei folgte darauf, und ein Scherz jagte den andern. Es war gewi�, da� Giulio seinen Freunden vertraut hatte, wie es mit der Verlobung seiner Schwester mit seinem Vetter stand. Ohne Wein und Gesang ging es nicht ab, die Cithern wurden herbeigeholt, und bis sp�t in die Nacht hinein sa�en sie singend und trinkend beisammen. Da� Achill Grimaldi sich entfernte, wurde von den Wenigsten beachtet.
Unter dem Feigenbaume in dem Gehege hatten inzwischen Romana und ihre Freundin Maria ein langes Gespr�ch gehalten, das haupts�chlich deren nahe Hochzeit, ihr Liebesgl�ck und ihre h�uslichen Einrichtungen zum Inhalte hatte. Maria erz�hlte mit Stolz, was sie Bernardo zubringen w�rde, sowohl an ihrer Ausstattung in Kisten und Kasten, wie auch an Kastanien- und Oelb�umen, an Fruchtg�rten und an Weinst�cken. Die Leccia aber waren �berdies eine wohlhabende Familie, und Maria Montalti versicherte nicht ohne Stolz, da� sie dann die Ersten in Oletta sein w�rden, die Saliceti ausgenommen.
�Du,� rief sie dann, �hast bald Nichts mehr mit solchen Dingen zu schaffen. Was k�mmern Dich Weing�rten und Oliven! Du wirst in der Stadt wohnen, Dich putzen und wie eine Dame leben.�
�Ich denke, so wird es kommen,� antwortete Romana.
�Und Bastia wird wieder die gr��te und erste Stadt durch die Franzosen,� fiel Maria ein.
�In Bastia werde ich nicht leben,� unterbrach sie Romana.
�Oh! es giebt andere Orte, wie Corte oder Ajaccio. Doch ich m�chte nimmer aus Oletta, und Bernardo eben so wenig. Erst heute noch schwor er mir, hier zu leben und zu sterben.�
�Sterben! – wenn man gl�cklich ist,� sagte Romana nachsinnend.
�Schweige! schweige! wir werden daran denken, wenn wir alt sind,� rief Maria.
�K�nntest Du nicht mit Bernardo sterben?� fragte Romana. �M�chtest Du zur�ckbleiben?�
�Nein! Gottesmutter, nein! M�chtest Du leben, wenn Achill in dem Leichentuche l�ge?�
Romana antwortete nicht. Sie legte ihre Hand auf Maria's Hand und besann sich.
�Was fragte ich Dich neulich,� begann sie dann, �erinnerst Du Dich daran? Ich fragte Dich, wenn Du h�rtest, Bernardo reiste weit fort, wenn Du h�rtest, er habe Dich verlassen, wenn Du h�rtest, er sei gestorben, was Du thun w�rdest, und ich dachte dabei selbst an Achill Grimaldi. Du riefst mir mit erz�rnter Stimme zu, Du k�nntest es nicht ertragen, ich aber empfand Deine Schmerzen nicht; daran wu�te ich es gewi�, da� ich Achill nicht liebte.�
�Du liebst ihn nicht?� antwortete die Freundin erstaunt. �liebst Achill Grimaldi nicht, den alle Leute bewundern und Dich gl�cklich preisen?�
�M�gen sie ihn bewundern. Er ist sehr klug, was geht das mich an?�
�Dein Oheim, Dein Bruder, alle Deine und seine Verwandten sind einig und freudig, Romana. Was w�rde geschehen, wenn sie Deine Worte erf�hren?�
�Kann ihre Einigkeit denn machen, da� ich ihn liebe?� antwortete Romana. �Liebst Du Bernardo Leccia, weil Deine Eltern es Dir befohlen?�
�Du liebst ihn nicht, aber Du liebst auch keinen Anderen,� rief Maria erschreckend vor dem, was sie h�rte, und doch ungl�ubig und sich tr�stend. �Dein Herz ist ein Lilienblatt, aber die Stunde wird kommen, wo es zur Purpurrose wird. Achill Grimaldi wird es schlagen und beben machen.�
�Falsch! falsch!� sagte Romana, mein Herz geh�rt schon einem, der keinen Raum f�r Achill Grimaldi darin �brig l��t.�
Jetzt wurde Maria bange.
�Du liebst einen Anderen?� fragte sie zweifelnd. �Wer k�nnte es sein?�
In dem Augenblicke h�rten sie, wie vom Hause her Jemand durch das Vorthor der Treppe in das Gehege trat, und Romana sprach:
�Er kommt.�
�Wer?� fiel Maria hastiger ein.
�Den ich liebe.�
�Gott und ihr Heiligen!� fl�sterte Maria. �Bist Du bei Sinnen, Romana? Eine Hexe hat Dich bezaubert.�
�Ich habe mich selbst bezaubert,� antwortete Romana. �W�rdest Du Deinen Bernardo Dir nehmen lassen?�
�O! meine arme Romana,� rief Maria heftig bewegt, sie mit ihren Armen umschlingend, �h�re mich! h�re mich! Ich werde gl�cklich sein, Dich aber werden sie umbringen in ihrer Wuth, und wer soll das Leben dessen retten, den Du liebst?�
�Ich,� antwortete Romana freudig.
�Nein, nein, wie k�nntest Du das?! Du liebst diesen Fremden, es ahnte mir, nun wei� ich es. Niemals wird Dein Oheim, wird Giulio solche Schmach ertragen, und ganz Oletta wird ihnen Recht geben. M�chten Raben und Hunde eher sein Fleisch gefressen haben, ehe er hierher kam.�
�Wie b�se Du bist,� sagte Romana. �Bist Du nicht meine treue Maria, die mir helfen soll?�
�Wie soll ich Dir helfen, o! wie soll ich helfen!� schluchzte Maria, ihre H�nde ringend. �Erbarme Dich, Gottesmutter! Morgen soll sie an Achill Grimaldi verlobt werden!�
�Wer hat Dir das gesagt?� fragte Romana ruhig.
�Dein Bruder. Es ist mit Deinem Oheim so beschlossen.�
�So mag es geschehen, wenn es geschehen mu�.�
�Du willst nicht nein sagen? Willst Dich nicht widersetzen?�
�Ich werde es nicht thun.�
�Und dieser Mann – dieser Fremde –�
�Er wird uns verlassen, und Gott wird mit ihm sein.�
�Liebe gute Romana!� rief die Freundin getr�stet, �la� ihn von dannen ziehen. Versprich mir, da� Du gehorchen und schweigen willst.�
�H�re, was ich ihm sagen werde,� antwortete Romana l�chelnd, und sie trat aus dem Schattenkreise des Baumes hervor, eben als die Schritte dessen sich n�herten, der hier erwartet wurde. Ein gro�er Stern funkelte am Himmel �ber dem Feigenbaume, und es war, als sammle sich sein Licht auf Romana's Gesicht. Wilda glaubte ihr frohes L�cheln und die gl�cklich gl�nzenden Augen zu sehen, w�hrend ihre s��e Stimme ihm entgegenhallte.
�Kommst Du, mein Geliebter,� rief sie, �kommst Du, um Abschied zu nehmen von Deiner Schwester? Du mu�t mich verlassen, Du hast es mir heute geschrieben, und ich habe Dir geantwortet, da� ich Dich erwarten will unter diesem Baume. Du wirst mich nicht vergessen.�
�So lange ich zu denken vermag, niemals!� erwiederte er.
�Schw�re nicht!� fiel sie ein, �ich wei� es, da� Du Wahrheit sprichst, und auch von mir fordere keinen Schwur. Keine Stunde wird vergeben, wo ich Dich nicht sehe, und schaust Du hinauf zu dem Sterne dort, wird er Dir meine Gr��e sagen.�
�O! da� all mein Gl�ck sich in eine Minute zusammendr�ngte!� sagte Wilda, sie an seine Brust pressend, indem er zu dem gro�en leuchtenden Sterne hinaufblickte.
�Morgen wird mein Bruder mich mit Achill Grimaldi verloben,� unterbrach sie ihn, �und mein Oheim wird uns seinen Segen geben.�
Als er keine Antwort darauf gab, legte sie ihre Arme um ihn und fuhr fort:
�Sei nicht traurig dar�ber, mein Geliebter. Wei�t Du nicht, da� Gottes Wille m�chtiger ist, als Menschenwille? Sie w�rden Dich todt niederstrecken mit ihren Kugeln und Messern, wollten wir vor sie hintreten und sprechen: Ihr sollt nicht! Aber es wird doch nicht geschehen. O! mein Carlo, mein Geliebter! Gott besch�tzt uns, er wird und vereinigen, wir werden gl�cklich sein!�
Mit solcher Gewi�heit, als g�be es keinen Zweifel, sagte sie ihm, da� er ruhig und freudig sie verlassen solle, vertrauen solle auf das, was im Himmel beschlossen sei, und voll Schmerz und Erstaunen sah Wilda, mit welcher gl�ubigsten Zuversicht auf die Prophetengabe des alten Hirten, auf die Spalla, welche dieser gelesen, ihre Seele mit den s��esten Tr�stungen gef�llt war. Wie kl�glich, verdammlich erschien ihm der Aberglaube, wie stie� er ihn von sich voll Bitterkeit und Stolz, und dennoch – wie h�tte er den s��en Liebeszauber zerst�ren, das Gottvertrauen vernichten k�nnen, die ihre Seele mit Muth und unersch�tterter Freudigkeit f�llten. In den Armen des holden Kindes, das ihn umschlang und ihn mit Liebesnamen bedeckte, zitterte sein Herz in dem Weh der Entsagung. Von jenem Augenblicke an, wo Grimaldi pl�tzlich auf dem Felsen am Tenda erschien, war es ihm gewi� gewesen, da� er Romana vor Ungl�ck bewahren m�sse. Nun war er dazu entschlossen, es konnte nicht anders sein, er mu�te von ihr scheiden auf Nimmerwiederkehr; doch sie sah diese Trennung nur als eine kurze an, hinter welcher das Gl�ck einer ewigen Vereinigung stand.
�Geh denn, theurer Carlo!� rief sie bei ihren K�ssen, �geh, Gott wird mit Dir sein. Keine Kugel wird Dich treffen, kein Schwert Dich verletzen, Du wirst gesch�tzt sein durch die H�nde der heiligen Jungfrau, und ich will f�r Dich beten, will Dich erwarten. Ich sehe Dich als einen Sieger, ich sehe Dich und mich, wie Angelo uns gesehen hat. Gl�ck in Deinen Augen, mein geliebter Freund, Gl�ck in Deinen frohen Mienen, wenn Du gehst. Glaube, glaube an Gottes Segen, und nun lebe wohl! K�sse Deine Romana, lebe wohl!�
Eine stumme Minute verging, der Stern funkelte heller, Schweigen war �berall, dann klang der leise Ruf:
�Lebe wohl, Romana, von allen himmlischen M�chten sei ewiglich besch�tzt!�
Gleich darauf eilte ein dunkler Schatten durch das Gehege. Es war, als ob er fliehe, als ob er den giftigen Spinnen und Skorpionen entgehen wollte, die zur Nachtzeit aus diesen Bl�then kriechen.
Romana blieb stehen. Ihre H�nde streckten sich ihm nach, dann blickte sie zu dem Sterne empor, l�chelte und nickte ihm zu, ohne Worte. Als sie unter den Baum zur�ckkehrte, fand sie Maria nicht mehr; von Bangigkeit getrieben, hatte diese leise sich entfernt, sie wollte keinen Theil haben an Romana's Vergehen.
Und wieder wurde es still unter dem Feigenbaum, auch Romana war gegangen. Aber hinter dem Stamme hervor trat jetzt Achill Grimaldi.
�Es ist nicht werth,� sagte er nach kurzem Bedenken l�chelnd und die Achseln zuckend, �um diese Kom�die ein finsteres Gesicht zu machen. Romana war immer eine Schw�rmerin, mag sie sich damit die Zeit vertreiben, bis sie ein neues, sch�nes Lamento auf diesen Deutschen machen kann. Hoffentlich verschafft ihr eine franz�sische Kugel dies Vergn�gen, wo nicht – so werde ich es ihr verschaffen.�
Am folgenden Tage fand die Unterredung Statt, welche zwischen dem Pr�sidenten der corsischen Republik, Pasquale Paoli, und dem Anf�hrer des franz�sischen Heeres in Oletta verabredet war. Am fr�hen Morgen kam ein Trupp Reiter auf kleinen, rothen Corsenpferden von den Bergen von Oletta herunter, und bald blieb kein Zweifel �brig, da� dies der Pr�sident mit seinen Officieren und R�then sei. Paoli war von Corte, seinem Regierungssitze, nach Murato gekommen und von dort �ber die P�sse der Bergkette in das Nebbio hinabgestiegen. Sobald die T�ne der Muschelh�rner sich h�ren lie�en, wurde es in Oletta lebendig, die Soldaten versammelten sich an dem Kirchplatze, und der Abt machte sich auf, den General zu empfangen; doch dieser kam ihm beinahe zuvor, denn eben, als der geistliche Herr vor das Thor trat, sprengten die rothen Pferde schon in Oletta hinein.
Es hielten wohl ein Dutzend Reiter an der Th�r der Casa Saliceti, und die meisten derselben konnten die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, denn die tapfersten und t�chtigsten M�nner des kleinen, hart bedr�ngten Volkes befanden sich darunter. Pietro Colle, der Sieger in der Casinca, der tapfere Serpentini, Achill Murati und der d�stere Clemens Paoli, kenntlich vor Allen an seinen gro�en, fanatisch gl�henden Augen. Doch alle diese Tapferen wurden vergessen �ber dem Anblick des Mannes, der Corsika's Schicksal auf seinen Schultern trug, und dem das Volk mit begeistertem Vertrauen anhing.
Pasquale Paoli war damals zweiundvierzig Jahre alt, doch mochte man ihn f�r j�nger halten. Von kr�ftiger, hoher Gestalt dr�ckte sein edles Gesicht Festigkeit und Milde zugleich aus. Hochgew�lbt und frei war seine Stirn, dichte sch�n gebogene Augenbrauen �ber den klaren blauen Augen, welche gro� und hell Jedem bis in die Seele schauten; edel und stolz Nase und Mund, das Haar voll und fein bis in den Nacken fallend, Alles an ihm wohlgebildet, w�rdevoll, voller Ruhe und Verstandessicherheit, und doch noch mehr voller Milde und Menschenliebe.
Die Leute aus Oletta staunten aber weniger die edle Gestalt und den w�rdigen Kopf ihres Pr�sidenten an, als sein Gewand, das ihnen noch wunderbarer d�nken mochte. Einfach in seinem Leben, so einfach an Kleid, Haus und Tisch, wie der schlichteste Mann aus dem Volke, hatte Niemand den Pr�sidenten noch anders angethan gesehen, als mit dem corsischen Wollenrocke und dem Gurte, welcher diesen zusammenhielt. Heute jedoch trug er ein gr�nes, reich mit Goldtressen besetztes Kleid, einen Federhut mit blitzender Agraffe von Edelsteinen und einen pr�chtigen T�rkens�bel in rother und goldener Scheide, den ihm der Bey von Tunis als Zeichen seiner Bewunderung vor Kurzem �bersandt hatte. Kein anderer Mann aus seinem Gefolge steckte in einer Uniform, Alle trugen den haarigen Mentone, doch dieser war als Zeichen ihres Ranges mit Aufschl�gen von Sammet und mit Seidenschn�ren besetzt; nur Clemens Paoli schritt in seinem braunen groben Rocke ohne alle Abzeichen daher.
Noch aber war der Abt Saliceti mit den Bewillkommnungen seiner G�ste besch�ftigt, als man den Ton einiger Trompeten vernahm, die aus der Felsschlucht des Aliso herauft�nten. Die franz�sischen Generale nahten, diese Zeichen k�ndigten sie an, und bald sah man am Eingange der Paese eine flatternde Fahne und hinter ihr einen Reitertrupp auf hohen, m�chtigen Rossen, die von den kleinen Bergpferden der Corsen sehr verschieden waren.
Von seinen Officieren umgeben, ging der Pr�sident den Franzosen entgegen und empfing sie am Rande der kleinen Ebene, auf welcher die Kirche lag.
Graf de Vaux befand sich an der Spitze, begleitet von den Generalen Marbeuf und Grandmaison, dem Befehlshaber in Fiorenzo. Adjutanten folgten ihnen, den Schlu� machte eine Abtheilung Dragoner. Kaum erblickte de Vaux den Feldherrn der Corsen, als er von seinem Pferde stieg und mit freundlicher Eile und lebhaftem Gru�e sich ihm n�herte.
Aus ihren H�usern konnten die Einwohner von Oletta sehen, da� der franz�sische Graf den Pasquale Paoli umarmte, sie konnten sehen, wie h�flich seine Begleiter sich zu dem Gefolge des Pr�sidenten benahmen, und als de Vaux vertraulich dann seinen Arm in den Arm seines Gegners legte, und Beide mit ihren Begleitern der Casa Saliceti zugingen und darin verschwanden, wurde manches Gesicht froh, denn der Friede schien gewi� zu sein.
Aber es kam anders, als die Vertrauenden in Oletta dachten. Das gro�e Gemach im Hause der Saliceti war festlich geschm�ckt; die Teppiche lagen auf dem rothen Steinboden, der Tisch war besetzt mit Wein und Speisen, und Abt Saliceti lud mit verbindlichen Worten zum Genu� seiner Gastfreundschaft ein. Niemand verschm�hte diese. Der Obergeneral ergriff zuerst sein Glas und trank auf das Wohl des edeln und tapferen Generals Paoli, und mit der w�rdigen Haltung, die ihm eigen, erwiederte der Pr�sident dies mit einem Wohle auf den K�nig von Frankreich, der so oft schon dem corsischen Volke seinen m�chtigen Schutz und seine freundschaftliche Theilnahme geschenkt.
�Diese Theilnahme, diesen Schutz,� erwiederte der Graf einfallend, �wird mein allergn�digster K�nig auch niemals den Corsen entziehen; ja, ich bin beauftragt, es Ihnen, General, auf das Bestimmteste zu versichern, da� Se. Majest�t Alles f�r diese Insel thun will, was in seiner Macht steht, um sie mit Wohlthaten zu �berh�ufen.�
Der Pr�sident verneigte sich, es entstand eine augenblickliche Pause.
�Wir vertrauen der gn�digen Zusicherung des K�nigs,� erwiederte Pasquale Paoli alsdann. �M�ge es dem m�chtigen Monarchen gefallen, der edle Schirmer und Sch�tzer unserer Freiheit zu sein, wof�r wir ihm ewig dankbar sein wollen.�
Graf de Vaux l�chelte, indem er leise die Achseln zuckte. Er sah weniger wie ein Kriegsmann, denn wie ein Hofmann aus. Auf seinem Kopfe trug er eine lockige Perr�cke, reich mit Puder bestreut, sein Gesicht war geschminkt, die Z�ge darin offen und angenehm, die Stirn edel gew�lbt, die Augen voll G�te, und ein adlig Wesen ihm aufgepr�gt, das von seiner hohen, leichten und noch jugendlichen Gestalt vermehrt wurde. Er war das Bild eines franz�sischen Cavaliers aus der alten Zeit, edeln und ritterlichen Empfindungen eben so wohl zug�nglich wie grau geworden in der sittlichen Verwilderung am Hofe des f�nfzehnten Ludwig's. In Wahrheit konnte er nicht recht begreifen, warum diese halbwilden Corsen sich so fanatisch weigerten, die Unterthanen des allerm�chtigsten und gr��ten Monarchen der Welt zu werden, der ihnen obenein die sch�nsten Vorz�ge und Vortheile bot.
�Mein lieber General,� sagte er mit einer anmuthigen Handbewegung, �t�uschen wir uns nicht �ber die Absichten und Zwecke unserer Zusammenkunft und erschweren wir uns nicht den Erfolg. Der K�nig hat die Insel Corsika durch den Vertrag von Versailles am 15. Mai 1768 von Genua gekauft; auf's Tiefste beklage ich es, da� die Corsen sich dagegen emp�rten und die Rechte des K�nigs mit den Waffen in der Hand bek�mpft haben.�
Ein Gemurmel entstand in den Reihen der corsischen Anf�hrer. Paoli sandte ihnen einen befehlenden Blick zu und sagte dann mit seiner tiefen weichen Stimme:
�Wider alles V�lkerrecht hat Genua gehandelt, denn es verkaufte, wozu es kein Recht besa�. Nur durch Gewalt und Mord haben die Genuesen Corsika seit Jahrhunderten zu erobern und zu beherrschen gesucht, doch niemals hat das corsische Volk sich ihnen unterworfen. Immer hat es sie als seine Feinde betrachtet, sie bek�mpft, und jetzt hat es diese Fessel f�r immer abgesch�ttelt. Es hat sich eine Verfassung gegeben, es ist frei und hat keinen Herrn. Frankreich selbst stand uns dazu bei, unterhandelte mit uns als mit einem unabh�ngigen Staate. Wie war es darnach m�glich, unser Land und uns wie ein herrenloses Gut oder wie eine willenlose Heerde zu kaufen?�
Seine Augen ruhten auf dem Grafen mit solcher Festigkeit, und die Macht der Wahrheit wirkte mit solcher St�rke, da� de Vaux sichtlich verlegen nur durch eine kecke Antwort sich zu helfen suchte.
�Dies sind unentschiedene Streite, mein General,� rief er. �Die Genuesen behaupten das Gegentheil, sie haben ihr Recht immer zu behaupten gesucht.�
�Aber es ist falsch,� versetzte Paoli. �Niemand kann sich dar�ber t�uschen. Wir haben bis zur Sonnenklarheit es in unseren Druckschriften vor den Augen der ganzen Welt bewiesen, zum Ueberflu� aber es jetzt noch einmal gethan.
Tritt hervor, Carlo Bonaparte,� fuhr er fort, indem er sich zu seinem Gefolge wandte, und es nahte sich ihm sein Geheimschreiber, jener junge sch�ne Advocat aus Ajaccio, der Vater des ber�hmten, gewaltigen Mannes, den die Vorsehung dazu bestimmt hatte, Kaiser der Franzosen zu werden und Frankreichs Recht und Freiheit so unter seinen F��en zu zerstampfen, wie Corsika's Recht und Freiheit zerstampft wurde.
Aber Graf de Vaux stand auf, als er Carlo Bonaparte mit einem dicken Hefte erblickte, und sagte abwehrend:
�Schriften vorzulegen und Rechte zu pr�fen, haben wir weder Zeit noch Beruf. Ich bin nicht gesandt worden, um solche Untersuchungen anzustellen. Der K�nig, mein gn�digster Herr, hat mich an die Spitze seines Heeres gestellt, um seinen Willen zu vollziehen. Recht oder Unrecht, gleichviel, ich bin Soldat und gehorche den Befehlen meines Monarchen; aber ich beschw�re Euch, Ihr Herren, bringt es nicht zum Aeu�ersten. Dem K�nige ist diese Insel wichtig, er will und mu� sie besitzen, leistet ihm nicht l�nger fruchtlosen Widerstand. Ihr sollt wissen, da� es ein Unterschied ist, zu Genua zu geh�ren oder zu Frankreich. Frankreich wird Euch reich und gl�cklich machen, Genua hat Euch ausgesogen. Euer Handel wird aufbl�hen, Euer fruchtbar sch�nes Land wird das reichste in der Welt werden. Eure H�fen werden lebendig sein, Eure St�dte gro�, das Volk aus seiner wilden Verlassenheit zur Bildung und Gesittung reifen, Eure Kinder werden fortan in Frankreich erzogen werden, und Ihr selbst, Ihr Herren, die Ihr Edelleute seid, Ihr werdet von dem gro�en und g�tigen Monarchen die Rechte Eures Standes empfangen, mit Ehren und W�rden belohnt werden. Wenn Sie Ihr Vaterland lieben, General,� rief er lebhaft aus, indem er Paoli's H�nde ergriff, �dann z�gern Sie nicht, meinen Vorschlag anzunehmen. Unterwerfen Sie sich dem K�nige als getreuer Unterthan. Legen Sie die Waffen nieder, �berliefern Sie ihm die Insel, und ich verb�rge mich mit meiner Ehre, alle Ihre anderen W�nsche sollen befriedigt werden.�
Wiederum lief ein dumpfes Gemurmel durch die Reihe der Corsenf�hrer. Die Gesichter von Bronce erhielten Leben, die schwarzen Augen funkelten und gl�hten, die Lippen zuckten und zeigten wei�e zusammengepre�te Zahnreihen, aber Pasquale Paoli streckte nochmals gebietend seine Hand aus und sprach zu gleicher Zeit, w�rdig aufgerichtet vor den Franzosen, fest und stolz:
�Nicht um Gnade bitten wir, nicht um Lohn und Ehren, sondern um Gerechtigkeit. Gott und Menschen rufen wir zu Zeugen an, da�, was wir begehren, unser ewiges und heiliges Menschenrecht ist. Wir fordern Nichts, als das Recht, in dem Lande unserer V�ter als freie M�nner zu leben und zu sterben. Warum wollt Ihr uns zu Franzosen machen, die wir nicht sein wollen? Warum wollt Ihr unser Land erobern, uns mit Gewalt zu Eures K�nigs Unterthanen machen? Recht und Gerechtigkeit verachtend, uns, die wir Nichts so sehnlich w�nschen, als in Ruhe und Frieden mit allen V�lkern der Welt zu leben, das einzige Gut nehmen, das wir besitzen, unsere Unabh�ngigkeit?! Um dies H�chste aller Menscheng�ter haben die Corsen gek�mpft mit den Sarazenen, den Pisanern und Genuesen seit den Zeiten des Giudice della Rocca und des Sampiero, und jetzt endlich, wo es ihnen gelang, frei zu sein, ein Volk zu werden, das mit guten Gesetzen sich selbst regiert, jetzt erscheint Ihr, die wir als unsere Freunde liebten und ehrten, um uns neue Fesseln zu bringen. Wenn Gerechtigkeit noch auf Erden wohnt, kann so gro�es Unrecht nicht geschehen. Gott wird es nicht zulassen, er wird in unserer Noth uns Hilfe senden. Er hat das Mitgef�hl aller V�lker f�r unsere gerechte Sache geweckt, er hat noch nie ein Unrecht unger�cht gelassen!�
Mit steigender Bewegung sprach Pasquale Paoli. Edel und sch�n war sein Anblick. Graf de Vaux konnte seine feurigen und vorwurfsvollen Blicke nicht ertragen. –
�Ihr hofft auf Englands Beistand,� sagte er, den Pr�sidenten unterbrechend, �ich versichere Euch mit meiner Ehre, Ihr habt keine Hilfe von dort zu erwarten. Das englische Cabinet hat dem K�nige die feierliche Versicherung gegeben, Euch keine Unterst�tzung zukommen zu lassen, und in diesem Augenblicke ist die Bekanntmachung erneut, welche schon vor acht Jahren in London gegeben, den Engl�ndern jeden Verkehr mit den corsischen Rebellen verbietet.�
�Graf de Vaux!� rief Pasquale Paoli, indem er dem franz�sischen Obergeneral einen Schritt n�her trat und seine Rechte zum Himmel aufhob, �wir kennen Sie als einen edeln, als einen gerechten und Wahrheit liebenden Mann, dessen Namen das corsische Volk mit Freude und Vertrauen h�rte, als es erfuhr, Sie k�men von Ihrem K�nige gesandt. Sind wir Rebellen, sind wir Verr�ther?! Verdienen wir Schmach und Schande? Lastet eine Schuld auf uns, die uns werth macht, verachtet und verfolgt zu werden? Giebt es ein Recht, das Sie guthei�en k�nnen, um uns zu Unterthanen des K�nigs von Frankreich zu machen? Antworten Sie im Namen der Wahrheit, im Namen Gottes!�
In gr��ter Verwirrung wandte de Vaux sein ger�thetes Gesicht dem neben ihm stehenden Grafen Marbeuf zu, als suche er Beistand bei ihm, und hierzu lie� sich der rauhe General sogleich bereit finden.
Sein narbiges finsteres Gesicht hatte den harten Ausdruck eines Soldaten von Handwerk, der seinen Befehlen unbedingten Gehorsam zu verschaffen wei�. Er hatte in diesem Kriege auch schon bewiesen, da� er seine Feinde schonungslos behandelte, und die Corsen f�rchteten ihn mehr als jeden Anderen, denn er galt als der wahre Feldherr der Franzosen, der die Pl�ne zur Eroberung des Landes machte und ausf�hrte, w�hrend de Vaux geschickt war, um durch seine �berredende Milde die Eroberung zu erleichtern.
�Was k�nnen Fragen helfen, die ohne Antwort bleiben m�ssen, da Niemand hier sein Urtheil �ber den Willen des K�nigs abgeben darf,� begann er. �Se. Majest�t hat uns befohlen, diese Insel in Besitz zu nehmen und Jeden, der sich zu widersetzen wagt, als Rebellen und Verr�ther zu behandeln, das ist alles, was wir erwiedern k�nnen. Graf de Vaux hat, wie mir scheint, bestimmt erkl�rt, was des K�nigs Gnade Euch anbietet; Ihr habt zu w�hlen, ob Ihr diese annehmen oder die Folgen Eures Ungehorsams tragen wollt. Wie sieht es in Corsika aus trotz Eurer hohen Worte! Das Land ist wild und arm bei aller seiner Fruchtbarkeit. Der Boden liegt w�st und unbebaut, statt hundertf�ltiger Ernten tr�gt er Rosmarin, Dornen, Disteln und wildes Oelgestr�pp. Und wie der Boden, so sind die Menschen faul und tr�ge. Die M�nner an m��iges Umhertreiben gew�hnt, die Weiber ihre Lastthiere. Nirgends in der Welt geht es so gesetzlos her, nirgends wird mehr Blut vergossen. Statt flei�ig zu arbeiten und als gute B�rger friedlich zu leben, schweifen die meisten mit ihren Doppelgewehren umher, um ihren schlechten Leidenschaften, ihren Rachegel�sten nachzujagen, ihre Mitb�rger zu ermorden. Das mu� aufh�ren. Der K�nig will es nicht l�nger dulden, er will Euch Gesetze und Ordnung bringen, er will dieser Barbarei ein Ende machen. Alle redlichen Menschen m�ssen sich dar�ber freuen; wer sich widersetzt, hat verwirkt, was er verdient.�
Mit starrem Erstaunen h�rten die H�uptlinge der Corsen diese harten drohenden Worte. Anf�nglich fesselte sie die Ueberraschung, sie standen wie Bilds�ulen, mit jedem neuen Satze dieser Rede aber verbreitete sich ein grimmigerer Zorn in ihren Adern und Muskeln, und noch hatte der General nicht geendet, als ein Schrei der Wuth in dem Gemache widerhallte.
Clemens Paoli, der M�nch, wie er genannt wurde, war aus der Reihe seiner Gef�hrten hervorgetreten, und mit seinen schrecklichen Augen den General verschlingend, mit der Hand an dem Dolchmesser in seinem G�rtel, rief er dr�hnend laut:
�Wer wagt es, die Corsen zu schm�hen?! Wer wagt es, unser Volk und Vaterland zu verleumden?!�
Und alle H�nde zuckten nach den Dolchen und Pistolen, die franz�sischen Officiere fa�ten nach ihren Degen. Marbeuf allein blieb stehen, seine Arme gekreuzt, ohne eine Miene zu �ndern, seine furchtlosen Augen auf einen grimmigen Corsen gerichtet, der seine Pistole gegen des Generals Kopf richtete.
Es war ein. gefahrvoller Augenblick, den Paoli's Gro�herzigkeit �berwand.
�Halt!� rief er seinen Officieren zu, �befleckt unsere Ehre nicht! Beweist Denen, die uns l�stern, da� sie Unrecht haben. Fort mit den Waffen, meine Br�der, diese M�nner stehen unter dem Schutze corsischer Gastfreundschaft, kein Haar darf ihnen gekr�mmt werden.�
Alle gehorchten, nur Clemens Paoli sagte in seinem begeisterten Prophetentone:
�Wehe Euch, Ihr Ueberm�thigen, die Ihr gekommen seid als Unterdr�cker der Gerechten. Wehe Euch, Ihr Knechte des Gewaltigen, die Ihr prahlt mit Ruhm und Ehren, Schande sei Euer Erbtheil. Seid Ihr M�nner voll Mannessinn, Werkzeuge eines Despoten, f�hllos gegen Recht und Gerechtigkeit, die Ihr in dies Land kamt, bereit, uns in Ketten zu schlagen? Wahrlich, h�her als Ihr steht der Geringste der Corsen, der voll Freiheitsliebe, voll Liebe f�r sein Vaterland aufsteht gegen Euch. Ihr sollt uns finden und sollt uns Rede stehen. Gott wird richten zwischen uns und Euch!�
�Auf die Galeeren mit Euch Allen!� murmelte Marbeuf, indem er einen funkelnden Blick auf den Corsen warf, der soeben von ihm sein Pistol zur�ckzog.
Es war Carlo Abbatucci, den er nicht lange darauf in Bastia vom Henker brandmarken und auf die Galeeren verurtheilen lie�, was er ihm im Stillen hier zugeschworen.
�Sie machen den Corsen ungerechte Vorw�rfe,� begann inzwischen nochmals der Pr�sident, nachdem er die Ruhe hergestellt. �Voll Betr�bni� sehe ich, wie vergebens meine Bem�hungen sein werden, Gerechtigkeit zu erlangen. Was wahr ist in dem, was Sie sagten, wird leider von Ihnen nicht gebessert werden, wenn Gott es in seiner ewigen Weisheit geschehen lassen sollte, da� Corsika in die H�nde der Franzosen fiele. Wir sind von uralten Zeiten her ein Volk von Hirten und Fischern gewesen,� fuhr er fort; �sehen Sie unsere M�nner in den Gebirgen und an den K�sten, sie sind rasch, kr�ftig und t�chtig, Keinen in der Welt stehen sie nach. Ackerbauer sind die Corsen nicht, harte Arbeit scheint ihnen Sclaverei, das reiche Land gew�hrt zu leicht und g�tig, was sie n�thig haben, und ihre Bed�rfnisse sind gering. Wahr ist es, wir haben Fehler und M�ngel, tief zu beklagende Fehler, aber diese entspringen fast alle aus Freiheitsliebe, aus k�hnem Mannessinn, aus �bergro�em Ehrgef�hl. Doch wir besitzen auch Tugenden, wie man diese vergebens in manchen L�ndern suchen wird.� –
Er hob seinen Kopf auf und sagte mit Kraft:
�Es giebt bei uns bis jetzt keine Diebe und keine Betr�ger! Eines Corsen Haus hat kein Schlo� und keine Riegel, eines Corsen Wort wird treu gehalten. Heilig ist die Freundschaft, heilig die Liebe! Unter allen Schrecken und Schicksalen hat der stolze Sinn dieses armen Volkes sich erhalten, keines Volkes Geschichte wei� edlere, sch�nere Thaten der Vaterlandsliebe und der Menschenw�rde zu melden. Seit zw�lf Jahren habe ich es versucht, mein Vaterland seiner Freiheit werth zu machen, und es bl�hte empor und begann zu gedeihen; jetzt erscheint Ihr, um diese jungen Bl�then zu zertreten. In der Freiheit werden die Corsen ihre Fehler ablegen, sie werden ein einsichtiges, nachdenkendes Volk, ein th�tiges, friedfertiges und die Gesetze ehrendes werden; Ihr aber, die Ihr ihm sein Selbstgef�hl und Freiheitsgef�hl nehmen wollt, werdet es nicht bessern, Ihr werdet das Gute verderben und das Schlechte vermehren. Gott m�ge mich bewahren, da� ich dazu helfe, da� ich mein Volk verrathe und mich selbst mit Schimpf und Schande bedecke! Ist, was ich h�rte, Alles, was Sie mir zu sagen haben, Herr Graf de Vaux, so habe ich Nichts mehr darauf zu erwiedern. Dann mag diese Unterredung beendet sein; alles Blut und alles Elend aber falle auf die Schuldigen!�
Diese stolzen, entschlossenen Worte des Pr�sidenten beendeten nun zwar die Zusammenkunft nicht, aber eine Wiederholung des heftigen Auftritts, den General Marbeuf herbeigef�hrt, wurde vermieden durch das h�fliche und gewinnende Benehmen, mit welchem der franz�sische Obergeneral sich bem�hte, seine herzliche Theilnahme f�r Land und Volk der Corsen zu betheuern. Er sagte viel zu ihrem Lobe, erinnerte daran, wie er Jahre lang hier gelebt und immer der Corsen Freund gewesen, schwur, da� sein Rath aus eines Freundes Herzen komme, entschuldigte den Grafen Marbeuf, der, wenn auch Soldat und des K�nigs eifriger Diener, es doch gut meine, dr�ckte seine tiefe Betr�bni� aus, da� er nicht mehr thun k�nne, und wiederholte endlich schmeichelnd und �berredend alle die gl�cklichen Folgen, welche Corsika von einer Vereinigung mit Frankreich genie�en w�rde.
Doch was er auch klug und gewandt zu reden wu�te, es prallte ab an der stolzen Freiheits- und Vaterlandsliebe dieser M�nner. Vergebens hielt er ihnen seine Lockungen hin, vergebens zeigte er ihnen das gl�nzende Paris und den goldenen Lohn, der ihrer wartete. Seine Winke, zu fordern, was sie begehrten, und gewi� zu sein, es zu erhalten, prallten wie Pfeile ab auf einen Panzer von Stahl. Pasquale Paoli bedurfte Nichts als eine Hand voll Kastanien oder ein St�ck Brot, um satt zu werden, und diese M�nner in ihren groben M�nteln verachteten das Gold der gl�nzenden Uniformen ebenso sehr, wie die Goldst�cke mit dem Bildnisse des K�nigs, der sie mit deren Hilfe zu Verr�thern machen wollte.
Beide Theile sahen endlich wohl, da� eine Vereinigung nicht erfolgen werde, so bem�hten sie sich denn um so mehr, ihren redlichen Willen zu betheuern und ihre letzten Hoffnungen auf reifliche Ueberlegung und Pr�fung, wie es M�nnern geziemt, zu setzen. Beweise der Hochachtung und pers�nlicher Zuneigung wurden gewechselt, von fr�hern Zeiten erz�hlt und lebhafte Mittheilungen �ber die K�mpfe den letzten Jahres gemacht, wobei General Marbeuf mit gr��ter Freim�thigkeit die Tapferkeit der Corsen r�hmte und mehrern der anwesenden Anf�hrer, besonders dem k�hnen Pietro Colle, der den Sieg bei Borgo entschieden, seine Bewunderung bezeigte.
Die Unterhaltung wurde dabei bald scheinbar herzlicher und allgemeiner. Die Flaschen kreisten wieder, Trinkspr�che folgten, da� Friede und Vers�hnung die Wiederkehr des Krieges verhindern m�chten, und w�hrend so Abt Saliceti seines Hauses Gastfreundschaft alle Ehre zu machen suchte und seine alte Bekanntschaft mit dem Grafen de Vaux erneuerte, hatte nur General Grandmaison es vorgezogen, in's Freie hinauszugehen, wo er auf dem Kirchplatze mit Achill Grimaldi umherwandelte.
General Grandmaison war ein noch ziemlich junger Officier, galant und tapfer, die Eigenschaften Marbeuf's und de Vaux's vereinigend. Er hatte Achill Grimaldi in Bastia kennen gelernt und stand mit ihm auf vertrautem Fu�e.
�Es wird Nichts mit unserm Vergleich werden, mein lieber Grimaldi,� sagte er lachend, �denn diese Herren, Eure verehrten Freunde und Vettern, sind so hart, wie ihre rothen Felsen.�
�Haben Sie denn jemals geglaubt, General, da� Felsen zu erweichen sind?� antwortete Achill.
�Nein, beim Teufel! ich kannte sie genugsam,� versetzte Grandmaison, �und ich glaube, de Vaux war der Einzige unter uns Allen, der eitel genug meinte, seine sch�nen Worte und sein Goldgeklimper in der Tasche k�nnten diesen tugendhaften Pr�sidenten und seine Helden in Ziegenhaarr�cken bewegen, unseres erhabenen Monarchen gehorsame Kinder zu werden.�
�Pasquale Paoli war ein Schw�rmer von Kindesbeinen an,� erwiederte Achill. �Schon sein Vater Hyacinth, der Landdoktor von Morosaglia, bestand aus demselben Stoffe und erzog ihn darnach in seiner Verbannung zu Neapel. Seit den zw�lf Jahren, wo dieser gro�herzige Paoli nun Corsika regiert, hat er sich bem�ht, unser Solon zu werden; aber er ist der Phantast geblieben, der er gewesen, und als solcher wird er enden.�
�Mag es je eher je lieber so geschehen,� versetzte der General, �damit w�rden wir diesen elenden Krieg los und k�nnten leben, wie es gebildeten Menschen geziemt. Statt uns mit diesen wilden Gesellen abzuplagen, die Nichts besitzen als ihre schlechten H�tten, ranziges Oel, Zwiebeln, ekelhafte Ziegenbutter und ihre Doppelflinten, um aus jeder Felsenecke uns das Lebenslicht auszublasen, k�nnten wir in dem sch�nen Frankreich vergn�gte Feste mit gef�lligen Sch�nen feiern, w�hrend diese braunen Weiber und M�dchen uns noch grimmiger hassen wie ihre M�nner. Aber ich f�rchte, mein lieber Grimaldi,� f�gte er dann hinzu, �wir werden noch manchen Schwei�- und Blutstropfen zu vergie�en haben, ehe wir diese Phantasten zur Vernunft bringen.�
Der Advokat gab darauf keine Antwort, und sie gingen Beide an der Kirche vor�ber bis zu dem Felsenvorsprunge, welcher dort steil in das Thal abfiel.
�Die Corsen,� sagte Achill, als Beide dort stillstanden, �sind nicht Alle von demselben fanatischen Schlage. Es giebt auch Manche darunter, die wohl begreifen, da� ihre Insel ein nichtssagender, unbedeutender Punkt im Meere ist, der niemals irgend eine Wichtigkeit in der Weltgeschichte haben kann, so wenig wie dies arme, unwissende Volk, das diese Berge bewohnt. Was k�nnen ihre gr��ten M�nner jemals werden, und was sind sie von jeher gewesen als H�uptlinge und Bandenf�hrer, die zuletzt noch immer ermordet oder verjagt wurden. Alle Gr��e und Macht hier ist die Gr��e und Macht in einer Nu�schale; alle Corsen, welche Ehrgeiz besa�en, sind darum stets auch nach Frankreich, Neapel oder Spanien gegangen. Man mu� ein Tugendschw�rmer sein, wie Paoli, oder so roh und wild wie die meisten dieser Freiheitshelden, um Geschmack an solchem Nu�schalendasein zu finden. Die klugen M�nner, General, wissen, was uns Frankreich, als gro�es Vaterland, gew�hren kann und gew�hren wird. Es giebt deren mehr, als Paoli denkt; ich hoffe, lange wird es nicht mehr dauern, so wird er es erfahren.�
�Bravo, Grimaldi! Ihr verdient ein Franzose zu sein,� lachte Grandmaison. �Wie steht es mit Eurem Bruder?�
�Ueberla�t es mir, ihm zur rechten Zeit die Augen zu �ffnen. In der n�chsten Zeit komme ich nach Bastia zur�ck und sehe Euch in Fiorenzo.�
�Kommt lieber gleich heute mit uns,� erwiederte Grandmaison.
Grimaldi sch�ttelte den Kopf.
�Unter den hervorstechendsten Eigenschaften der Corsen steht das Mi�trauen obenan,� sagte er, �ich gelte schon als Einer, der franz�sisches Wesen liebt. Ueberdies habe ich noch einen zweiten zarten Grund zum Bleiben. Ich will mich noch heute mit meiner Cousine Romana verloben.�
�Das blonde, artige M�dchen mit den Veilchenaugen, eine Seltenheit auf diesem Boden,� rief der General. �Euer Geschmack ist nicht �bel, mein Freund, aber wollt Ihr dies h�bsche l�ndliche Kind wirklich heirathen?�
�Dazu habe ich in der That nicht wenig Lust,� versicherte Achill.
�Bedenkt es wohl, ob es nicht besser w�re, Ihr wartet noch,� fuhr Grandmaison fort. �Ich hoffe, Ihr sollt bald einen hohen Platz auf dieser Insel inne haben, Gro�richter sein oder Civilgouverneur des K�nigs. Habt Ihr dann nicht lieber Eure Hand frei f�r eine Dame aus einem der edlen Geschlechter der Colonna, Istria oder Buttafuoco und wie sie weiter hei�en?�
Achill Grimaldi sch�ttelte nochmals den Kopf.
�Die Saliceti sind eine uralte Landesfamilie, und ihr Ansehen ist gewichtiger bei dem Volke, als w�ren sie gr�fliche Nachkommen.�
�Wahrscheinlich sieht es auch in ihren Taschen besser aus, als in denen mancher Signori,� lachte Grandmaison, indem er den Advokaten bedeutsam anblickte.
�Die Familie hat hier umher gro�es Grundeigenthum, die Oel- und Kastanienw�lder, Weing�rten und Campannen bis hinauf an die Serra geh�ren ihr zu. Es k�nnte sein, da� dies einmal viel werth w�rde.�
�Und das liebliche Kind ist sicherlich die einzige Erbin, mein scharfsichtiger Freund,� fragte der General.
�Romana hat noch einen Bruder.�
�Der Bursche mit den funkelnden Augen, der uns ansah, da wir kamen, als h�tte er die beste Absicht, und niederzudolchen. Ist es der?�
Achill l�chelte bejahend.
�Eine vortreffliche Familie! Dieser Abt mit einem wahren Banditengesicht; der �lteste Bruder unser Todfeind bis an sein Ende, und dieser Andere wahrscheinlich noch schlimmer.�
�Er wird sein Leben nicht sparen, wo es gilt,� sagte Grimaldi. �Er schie�t beinahe ebenso gut, wie Clemens Paoli, der sich r�hmt, noch niemals einen Gegner gefehlt zu haben, und mit Dolch und S�bel sucht er seinen Meister. Es wird mancher Eurer Grenadiere Etwas davon zu erz�hlen wissen, mein General, ehe dieser Krieg zu Ende ist.�
Grandmaison's Mienen waren voll Spott.
�Um so besser also f�r Euch, mein Freund Achill,� versetzte er, �denn meine Grenadiere werden sich dieses Hitzkopfs in derselben Weise annehmen, wie sie seinen Bruder zu einem ruhigen Mann machten. Seid auch versichert, da� ich dazu beitragen werde, so viel ich kann. Dann habt Ihr alle diese sch�nen Olivenw�lder und die kleine Romana obenein ganz allein f�r Euch; aber ich m�chte Euch dennoch rathen, seht Euch vor, heirathet sie ein ander Mal, oder nehmt sie mit nach Bastia, wo Ihr nicht gest�rt werden k�nnt.�
Sein Lachen war frivol, und seine Blicke streiften �ber Grimaldi hin, der ihn lauernd betrachtete und dann fragte:
�Meint Ihr denn, da� wir hier gest�rt werden k�nnten, mein lieber General?�
�Ich meine Nichts,� antwortete Grandmaison, �aber – wohlan Grimaldi, ich will Euch Vertrauen schenken, denn Ihr seid ein Mann, der �ber engherzige Ansichten hinaus ist und seine Vortheile versteht. Wir m�ssen das Nebbio haben, wenn wir den Krieg mit entscheidenden Schl�gen beginnen wollen. Oletta mu� zun�chst unser sein, es ist eine feste gute Stellung, aus der uns so leicht kein Paoli und kein Saliceti wieder vertreiben werden.�
�Ihr wollt es also fortnehmen?�
�Marbeuf hat meinen Plan gebilligt, de Vaux hat Ja gesagt, sobald die heutige Unterredung fruchtlos ausf�llt. Sie ist so ausgefallen, und in Fiorenzo steht meine Brigade bereit.�
Grimaldi war �ber das, was er h�rte, nicht erstaunt. Er schwieg einige Augenblicke und sagte darauf:
�Was Ihr unternehmen wollt, ist nicht ganz leicht. Die Leute in Oletta werden Euch blutig empfangen, und die deutsche Compagnie besteht aus verwegenen Soldaten. Wenn die Hohlwege gut besetzt sind, kommt Ihr nicht herauf ohne schwere Verluste, oder gar nicht; gelingt es Euch aber, in der Stille hier oben anzulangen und diese Kirche zu besetzen, so habt Ihr die ganze Pieve in Eurer Gewalt.�
�Wahrlich, Ihr habt Recht, Grimaldi,� erwiederte Grandmaison. �Ihr seid auch f�r den Krieg nicht ohne Anlagen geboren. Aber was Ihr da sagt, ist uns nicht unbekannt. Diese Kirche ist im Voraus als unsere Festung betrachtet, und wir wollen in ihr einen Gesang anstimmen, der ganz Oletta aus dem Schlaf wecken soll.�
�Wann denkt Ihr diesen frommen Hymnus anzustimmen?� l�chelte Grimaldi.
�Morgen, wenn Ihr Nichts dagegen einzuwenden wi�t.�
Der Advokat nickte beistimmend.
�Ihr habt Recht,� sagte er darauf. �Am Tage nach dieser freundschaftlichen Unterredung erwartet man eine solche Ueberraschung gewi� am wenigsten. Die Deutschen werden Euch auch nicht hindern, denn ich h�rte, da� der Pr�sident sie mit sich hinauf nach Murato nehmen will, ich aber werde, nach dem, was ich jetzt erfahren, ganz gewi� meine Verlobung feiern und ein Fest begehen, bei dem es an Fr�hlichkeit nicht fehlen soll.�
�Ihr habt besondere Gr�nde dazu, ich sehe es Euch an.�
�Aus reiner Menschenliebe,� erwiederte Achill. �Ganz Oletta wird kommen und bewirthet werden, darauf sich m�de und mit Wein gef�llt auf's Ohr legen und gl�cklich und fest schlafen bis an den hellen Morgen. Es kann somit kaum einen vorschnellen Burschen geben, der etwa mit dem ersten Grauen in's Thal hinausliefe, um unter Bajonette und S�bel zu gerathen; selbst mein Vetter Giulio, der gern n�chtlich mit seinem Carabiner in den Bergen umherschweift, Fuchs und Wildhuhn zu belauern, wird friedlich ausschlafen und damit gro�en Gefahren entgehen.�
�Das ist ja recht schade,� lachte Grandmaison, �und Ihr seid allzu z�rtlich, mein lieber Achill, gegen diesen liebensw�rdigen Vetter und dies undankbare Volk, aber ich bewundere Euch! Ihr wi�t Nichts von den corsischen Vorurtheilen, welche der phantastische Pr�sident vorher so hoch pries, sondern stellt Euch auf die h�here Stufe der Weltb�rgerschaft.�
Der Spott in seinen Worten schien sich zu verst�rken durch einen gewissen ver�chtlichen Ausdruck. Grimaldi bemerkte diesen gewi�, aber sein Gesicht blieb so ruhig freundlich wie vorher.
�Ich liebe mein Vaterland mehr als diese Verblendeten, die es in Blut und Leiden st�rzen ohne vern�nftiges Bedenken,� erwiederte er. �Ich w�nsche das Elend des armen Volkes wenigstens abzuk�rzen, zu erhalten, was m�glich, den Kindern ihre V�ter zu sparen, da ich nicht mehr zu thun vermag. K�nnten wir Euch widerstehen, w�ren wir ein starkes, m�chtiges Volk, dann, mein lieber General, w�rde ich wahrscheinlich einen anderen Platz nehmen, als an Eurer Seite.�
�Nein, nein! es ist so besser,� fiel Grandmaison ein. �Ihr seid ein kluger verst�ndiger Mann, den alle Verst�ndigen hochachten m�ssen. Was hat man davon, wie ein Narr zerschossen oder zerhackt zu werden f�r eine Einbildung, oder arm und verlassen umherzuirren und umzukommen! Man mu� das Leben genie�en und ausbeuten, so viel man kann, mein Freund, jetzt kommt und la�t uns unsere Sache genau verabreden.�
So sprechend gingen sie weiter, und noch w�hrte ihre Unterredung fort, als aus dem Hause der Saliceti der Obergeneral und sein Gefolge heraustraten, dem sich nun auch Grandmaison beigesellte, w�hrend Grimaldi unbemerkt verschwand. Bei aller gegenseitigen H�flichkeit wu�ten doch beide Theile, da� dieser Versuch zur Vers�hnung gescheitert sei, und sie eilten, sich zu trennen, nachdem der Zwang des l�ngern Beisammenseins bestimmter und kalter hervortrat. Ihre Worte und Mienen blieben jedoch freundlich und hoffnungsvoll, und Graf de Vaux sch�ttelte dem Pr�sidenten beim Abschiede herzlich die Hand und versicherte, da� Nichts ihn so sehr freue, als die Hoffnung, welche er bewahre, da� dieser Tag sich wiederholen und dann in Einigkeit enden werde. Damit schwang er sich auf sein Ro�, und Gr��e nach allen Seiten spendend ritt er das Thal hinab, den Schluchten des Aliso zu; nur der finstere Marbeuf lie� nicht von seinem strengen Wesen.
Als die Corsenf�hrer allein waren, umstanden sie eine Zeit lang schweigend ihren schweigenden General und Pr�sidenten, der vor dem Hause Saliceti mit ernsten Mienen auf der Steinbank an der Th�r sa� und mit seinem Degen Z�ge und Linien in den lockern Boden malte. Nachdenklich blickte er darauf hin, und die Augen der Andern verfolgten die Striche, bis endlich Clemens Paoli seine schwere Hand auf seines Bruders Schulter legte und mit der andern niederdeutend sagte:
�Du machst Deinen Schlachtplan.�
�Es ist Alles vorbei!� antwortete Pasquale, indem er aufstand und seine blauen Augen umherleuchten lie�. �Nichts bleibt uns mehr, Freunde, als Gott und unser Schwert. M�ssen wir untergehen, so sei es als freie M�nner!�
Wie er seine Gef�hrten ansah, wu�te er, da� sie dachten wie er selbst. Ihre stolzen Mienen sagten es ihm, und die d�stere Entschlossenheit darin, da� der Todeskampf sie nicht erschrecke. Aber ein L�cheln verbreitete sich �ber Paoli's Gesicht, und mit der milden Festigkeit, die ihm so gro�es Vertrauen verschaffte, fuhr er fort:
�Wir sind keine Verzweifelnde, sondern M�nner, die besonnen handeln werden. Keine Schuld dr�ckt uns; f�r das Edelste und H�chste k�mpfen wir, so la�t uns froh und freudig bleiben. Noch haben sie uns nicht in Ketten geschlagen, bleiben wir nur einig und treu, so m�gen wir hoffen und vertrauen. Ich habe meinen Plan gemacht, Freunde; la�t die Franzosen kommen, unsere Berge sind unsere Bundesgenossen. In ihren granitenen W�llen wird ein tapferer Mann zu zehn.�
Er wandte seine Augen, da Jemand sich n�herte, und erblickte den Capit�n Wilda.
�Sammelt Eure Leute, mein Freund,� rief er diesem entgegen, �denn es bleibt dabei, Ihr sollt uns begleiten. Ich habe f�r Euch in Murato zu thun, und dahin wollen wir s�mmtlich aufbrechen, unsere lieben Wirthe f�r jetzt verlassen. Bald, will's Gott! sind wir wieder hier.�
Der Abt Saliceti trat bei den letzten Worten aus der Th�r hervor, hielt Romana an der einen, Achill an der anderen Hand, gefolgt von Giulio und dessen Freunden, sammt Maria Montalti und jungen M�dchen im sch�nsten Putz.
�Heute sollt Ihr bei uns bleiben und an unserer Freude Theil nehmen,� sprach er, �denn seht, ich bringe Euch ein Brautpaar zum Segnen: meine Nichte und meinen Vetter Grimaldi.�
Der Pr�sident k��te Beide und gab ihnen seine sch�nsten Gl�ckw�nsche, so auch die Anderen, aber zu bleiben verweigerte er, vieler dringender Gesch�fte wegen. Doch Abt Peverino schrie auf, er wollte Nichts davon h�ren, und was der Pr�sident auch beg�tigend einwandte, er drang darauf, Alle baten mit ihm, nur Achill Grimaldi that es nicht. Er wartete bis zuletzt, und w�hrend dessen war sein Kopf mit Vorstellungen gef�llt.
Wenn Paoli und diese M�nner in Oletta blieben, wenn morgen in der Fr�he die Franzosen kamen und den Ort besetzten, wenn er sie in deren H�nde lieferte, welche That und welche Folgen! Der Krieg war mit einem Schlage aus, die Unterwerfung gewi�, de Vaux Meister in Corsika. Aber auch die deutschen Soldaten blieben, und wenn ein verzweifelter Kampf entstand, wenn es mi�gl�ckte?! Und endlich: wenn die Franzosen siegten, wie konnten sie ihren Sieg benutzen, wenn sie den Verr�ther Preis gaben? Welche Sicherheit hatte Achill Grimaldi? Auf ihn allein fiel dann der Fluch seines Vaterlandes, und die Saliceti's wurden seine grimmigsten Feinde. Schwankend zwischen widersprechenden Entschl�ssen, schwieg er, bis der Abt auf ihn losfuhr und schrie:
�Wei�t Du denn gar nichts zu sagen, Achill, um Deine Ehre an diesem Tage zu vermehren?�
�Vieles und Manches,� antwortete Achill, w�rdig sich verneigend, �denn eine hohe Ehrensache ist es mir gewi�, die ersten M�nner unseres Landes in Oletta festzuhalten; um dessentwillen bitte ich, bleibt bei uns, wenn es irgend angeht. Auch in meines Bruders Namen bitte ich, ehret uns damit.�
Paoli blieb vor ihm stehen, da er ihm die Hand bot, sah ihn an, als bedachte er sich, und antwortete darauf:
�Ihr m��t mir beistehen, Grimaldi, wenn ich dennoch Nein sage; denn Ihr wi�t besser als Alle, da� ich nicht recht th�te, wenn ich hier bliebe.�
�Wie meint Ihr das, mein Herr?� fragte Grimaldi mit einem inneren Schauder, der ihn durchlief.
�Ihr seid ein Mann, der wei�, was Zeit und Stunde bedeuten,� fuhr Paoli fort. �Gehe ich jetzt, so erreiche ich noch Murato und kann morgen frei �ber mich bestimmen; bleibe ich, so ist morgen f�r mich verloren, und wer wei�, was mehr. Jetzt sprecht, was ich thun soll.�
Grimaldi schwieg einen Augenblick, dann sagte er:
�So m��t Ihr gehen, mein Herr Pr�sident, ich mu� es f�r das Beste halten.�
Und mit diesem Ausspruche war die Abreise entschieden, denn Paoli nickte ihm dankend zu und rief:
�Es ist gewi� das Beste, mein w�rdiger Freund, Abt Saliceti, ich w�rde Euer Fest gest�rt haben. Kommt und gebt uns den Abschiedstrunk, wir wollen ihn leeren auf das Gl�ck der sch�nen Braut.�
So geschah es denn, und in weniger als einer Stunde bewegte sich der Zug gegen die hohe Serra hinauf, wo die Engp�sse nach Murato f�hren. Die deutsche Compagnie machte den Schlu�, und wo man zum letzten Mal nach Oletta hinabschauen konnte, blieb ihr junger Capit�n stehen und sah auf die graue, hohe Casa Saliceti nieder. Von Allen war er freundlich geschieden, Alle hatten gute W�nsche f�r ihn, und sie mit den gro�en, sonnigen Augen, sie hatte ihm gl�ckselig zugelacht, ihre Hand in Achill Grimaldi's Hand.
�Lebe wohl, Romana, lebe wohl!� rief er leise und wehm�thig, dann sprang er �ber die Steine fort, hastig fliehend vor den T�nen der Cithern und dem Gesange, der aus dem Thale zu ihm emporstieg.
Das Fest begann in Oletta mit den Jubelges�ngen der Jugend, und das Volk der Pieve sammelte sich vor dem Hause und lie� sich den Inhalt der gro�en Weinkr�ge schmecken, welche niemals leer zu werden schienen. Und lauter wurde die Lust mit jeder Stunde; die besten S�nger thaten sich zusammen, Achill Grimaldi war der Erste. Sie sangen Serenaden und Lamentos ohne Ende, und das Volk wurde nicht m�de im Zuh�ren, bis die Sterne am Himmel aufzogen und durch die Nacht funkelten.
Romana aber blickte mehr als einmal zu dem gro�en, hellen Sterne auf, der �ber dem Feigenbaume stand, nickte ihm zu und fl�sterte s��e Namen. Dann kam es zum Tanze, und sie tanzten die Reihent�nze des Volks, Blumenstr�u�e in den H�nden, die bunten Mandili's schwingend, bis endlich Oletta still wurde und immer stiller, und zulegt kein Licht mehr zu sehen war, die Nebel aufdampfend, feuchte Finsterni� �berall.
Wachend allein lag Achill Grimaldi in seiner Kammer, wachend und sinnend, zuweilen aufhorchend, aufgerichtet, dann wieder spottend �ber sein Erschrecken. Pl�tzlich aber fuhr er aus seinem Halbschlaf empor. Der Tag graute, er h�rte ein Ger�usch, wie von vielen Schritten, Waffengeklirr, und jetzt wirbelten die Trommeln. Oletta war von den Franzosen besetzt.
Der Pr�sident Paoli hatte beschlossen, in Murato ein festes Lager zu errichten, und das Urtheil Friedrich's des Gro�en, der ihn einen Mann von gro�en Feldherrngaben genannt hatte, den gr��ten, den Italien besitze, wurde dadurch best�tigt. Murato lag vor dem Ausgange der Bergp�sse, die aus dem Nebbio in das Thal des Golo hinabf�hrten, des gr��ten Flu�thales in Corsika, und so lange es den Franzosen nicht gelang, hier hinabzudringen und das �stliche K�stenland zu erobern, blieb die Insel unbezwungen. Sollte Murato aber auch verloren gehen, so boten die steilen Felsmassen von Lento und Canavaggio Seitenstellungen, die ein Feind im R�cken lassen konnte, um in das Golothal niederzusteigen.
So hoffte der Pr�sident die Uebermacht der Franzosen zu b�ndigen, und er versammelte eilig die beiden Regimenter Soldaten sammt den Abtheilungen der Freiwilligen, welche aus dem Landvolke kamen, und lie� Schanzen und Festungswerke auff�hren, wobei er sich haupts�chlich des Rathes und der Kenntnisse seiner deutschen Officiere bediente.
Gleich am n�chsten Morgen, wo er in Murato angelangt, begann er seine Th�tigkeit. In einem der finsteren H�user des schlechten kleinen Ortes sa� er bei'm ersten Tageslicht mit seinen Secret�ren, um nach allen Seiten hin seine Briefe und Befehle zu verbreiten. Der goldige, gr�ne Rock, den er am vorigen Tage getragen, war verschwunden, in dem einfachen groben Kleide seines Landes, das er fast niemals ablegte, sah er wie der schlichteste B�rger aus. Kein Glanz, keine Auszeichnung waren an ihm und um ihn zu bemerken.
Seine Th�tigkeit war eine ungeheuere, rastlose und unerm�dliche; wenige Stunden Schlaf gen�gten ihm nach den gr��ten Anstrengungen; aber obwohl die schwersten Sorgen auf ihm lasteten, trug sein Gesicht nicht die Spuren davon. Er hatte mit Neid, mit Unmuth, mit Ha� und Armuth zu k�mpfen, mit offenen und heimlichen Feinden, doch K�rper wie Seele geh�rten seinem Vaterlande und seinem Volke, das auf ihn wie auf seinen Messias schaute.
Die Gr��e seiner Ideen, die sein Herz und seinen Kopf f�llten, gaben ihm den Muth der Begeisterung, und diese strahlte ihren Frieden und ihre Ruhe aus seinen Augen und versch�nte sein edles Gesicht, das unerschrocken, voller Menschenw�rde, alle Gefahren so fest und sicher anblickte, wie jeden Mann, der sich ihm nahte. Daher dies wunderbare Vertrauen der armen unwissenden Corsen.
Und jetzt nach den Siegen �ber die Franzosen hatte sich dies auf's H�chste gesteigert, denn Pasquale Paoli, der gro�e B�rger, wird sie wiederum schlagen und verjagen. Zwar haben die Feinde viele Kanonen, viele Soldaten und viel Geld, das sie gro�m�thig ausstreuen, und die Corsen haben Nichts, kaum Brot genug, kaum Pulver und ihre Doppelflinten, aber was thut das! Sie haben ihren Pr�sidenten, ihre tapferen Arme und ihre Freiheitsliebe.
Was hatte dieser Pr�sident, der Mann aus dem Volke, nicht Gro�es schon vollbracht, was sollte ihm nicht gelingen? Er hatte die Genuesen verjagt, er ist der Gesetzgeber seines Volkes geworden, er hat die Republik begr�ndet von unten auf, durch freie Gemeindeverfassung, durch Selbstregierung, durch billige Selbstbeschatzung, durch wenige dem Volke verantwortliche Beamte, durch reisende Richter und unabh�ngige Gerichtsh�fe. Er hat den Handel und noch mehr den Ackerbau belebt, S�mpfe ausgetrocknet, Stra�en gebaut, Ein�den fruchtbar gemacht, den Oelbaum und die Kastanie darauf gepflanzt. Aber auch Schulen hat er begr�ndet, vor Kurzem erst die hohe Schule in Corte, damit die Corsen ihre Kinder nicht mehr nach Pisa schicken m�gen, um zu studiren. Frieden und Sicherheit herrschen im Lande, denn die Vendetta hat er bei Todesstrafe verboten.
O, Pasquale Paoli! gesegnet ist Dein Name in allen H�tten. Wie sollte dies arme verlassene Volk Dich nicht als seinen Messias verehren, wie sollte es nicht in gro�en Haufen das kleine Haus in Murato umringen, an dessen Th�r zwei Schildwachen stehen, um zu verhindern, da� die Leute nicht bis in das Innere dringen, wie dies oft schon geschehen.
Der Pr�sident arbeitete fort, trotz des L�rmens vieler Stimmen vor seiner Wohnung, er hatte jedoch strengen Befehl ertheilt, Niemand zu ihm einzulassen, mit Ausnahme seiner Officiere, und deren Einer trat so eben herein. Als Paoli aufblickte, sah er den Hauptmann Wilda vor sich.
�Ich habe Euch erwartet, mein Herr,� rief er ihm entgegen, �denn Ihr sollt mir wichtige Auftr�ge erf�llen, die ich keinem Anderen �bertragen m�chte. Ihr habt mit solcher Freudigkeit unsere gerechte Sache ergriffen und seid ein so tapferer und geschickter Officier, da� es mir ein Trost ist, Euch bei mir zu haben.�
�Befehlt �ber mich, Herr Pr�sident,� erwiederte Karl von Wilda, �ich stehe zu Euren Diensten.�
�Heute noch mu� ich Murato verlassen,� fuhr Paoli fort, nachdem er ihm die Hand gereicht und ihn neben sich sitzen lassen, �denn ich mu� nach Corte in den Staatsrath und mu� in den S�den, um den Widerstand des Landes zu beleben. Euch lasse ich hier als Commandant zur�ck und vertraue Euch das Heil Corsika's an. Befestigt diese P�sse, so gut Ihr k�nnt, und vertheidigt sie bis in den Tod, sobald ihr angegriffen werdet. Hilfe sende ich Euch, so schnell ich es vermag.�
�Seid versichert, mein General,� antwortete Wilda, �da�, so lange Blut und Leben in mir ist, kein Franzose nach Murato kommen soll.�
Paoli dr�ckte ihm dankbar die Hand und betrachtete den kr�ftigen Mann mit Freuden.
�Was meint Ihr von unserer Sache, Capit�n?� fragte er darauf. Glaubt Ihr, da� wir widerstehen k�nnen?�
�Wenn irgendwo, so hier,� antwortete Wilda, und was er weiter hinzuf�gte, gab Anla� zu einem langen Gespr�che �ber die Vertheidigung dieses Platzes, von welchem der Besitz des Nebbio und der Verlauf des Krieges abh�ngen mu�te. Aufmerksam h�rte der Pr�sident zu, was sein Officier �ber die m�glichen Absichten der Franzosen sagte, welche nicht lange mehr z�gern w�rden, weiter vorzudringen. Er theilte mit, was er w�hrend der letzten Tage von der Ansammlung der Franzosen in Fiorenzo geh�rt, und f�gte die Vermuthung hinzu, da� deren Absichten sich auf Oletta richten m��ten, welches f�r ihre weiteren Unternehmungen besonders vortheilhaft sei.
�Sie werden den Krieg nicht eher beginnen, ehe sie nicht alle ihre Macht beisammen haben,� versetzte Paoli. �De Vaux wird nicht eher das Schwert aus der Scheide ziehen, ehe die letzten Befehle aus Frankreich eingetroffen sind. Bei allen ihren Gro�sprechereien sind sie doch nicht sicher, ob England ruhig zusieht. Es kann und darf nimmer zusehen, wenn seine Minister nicht blind sind, dieser K�nig Georg nicht voll �berm��ig kurzsichtigen Ha� gegen Volksrecht und Volksfreiheit ist. Doch das ist es nicht allein. Sie haben Netze mit goldenen Maschen ausgeworfen und hoffen auf guten Fang. In Bastia haben sie Verr�ther gefunden, es schleichen Menschen umher, die guten Lohn bieten, warnen und drohen. Aus Calvi, aus Ajaccio, aus Corte selbst sind mir warnende Briefe zugekommen, aber was will das sagen,� f�gte er l�chelnd hinzu, �haben sie doch selbst mir schon den Grafentitel angeboten und Geld genug, um eine Grafschaft zu kaufen. Sie hoffen, da� die Landesversammlung uneinig und zum Frieden geneigt sein wird, und bis dies sich zeigt, werden sie warten, um statt mit Bomben uns mit Goldf�den zu unterjochen.�
�Und sind dies nicht die furchtbarsten Waffen, die es giebt?� fragte Wilda.
�Seid ohne Sorgen,� rief der Pr�sident. �Ihr werdet sehen, wie wenig sie fruchten. Die mit mir sind, sind treu. Gold kann ihnen Nichts anhaben. Um alle Sch�tze Frankreichs w�rde Keiner sein Vaterland verrathen.�
�Will's Gott, da� Ihr immer Recht haben m�gt, mein General,� versetzte der Capit�n.
Paoli blickte ihn scharf an.
�Wi�t Ihr Einen, an dem Ihr zweifeln m�chtet?� fragte er.
�Nein,� sagte Wilda, denn was h�tte er antworten k�nnen?
�Ihr habt in Oletta wackere M�nner kennen gelernt,� fuhr Paoli fort. �Die Saliceti haben hohen Ruhm aus alter Zeit aufzuweisen, und Carlo Saliceti's Name wird bei'm corsischen Volke ewig fortleben. Mit den Grimaldi's ist es dieselbe Sache,� sprach er weiter, �das ist ein stolzes, ritterliches Geschlecht. Leo Grimaldi h�ngen die tapferen M�nner vom Cap mit Leib und Seele an, und dieser Achill ist ein au�erordentlicher Kopf, er wird einmal die h�chsten Stellen einnehmen. In Bastia sagt man von ihm, er gehe viel mit den Franzosen um,� f�gte er l�chelnd hinzu, und es war, als wollte er den Gedanken begegnen, welche er in dem Capit�n vermuthete – �ich wei� das. Leo Grimaldi ist sein Bruder, und wer sich mit den Saliceti verbindet, wer die Nichte des Abtes, die Schwester Carlo Saliceti's heirathet, der kann kein Franzose sein. La�t den Advocaten seine Sache machen, machen wir die unsrige nach unserer Art.�
Karl von Wilda schwieg.
�Ihr habt in Oletta frohe Tage verlebt,� fragte Paoli freundlich. �Gerieth Euer Herz nicht in gro�e Gefahr in der N�he der sch�nen Romana?�
�In gro�e Gefahr, mein General.�
�Das thut mir leid. Aber Grimaldi war ihr l�ngst bestimmt, und in Liebe zu ihm ist sie aufgewachsen.�
In welchen Kampf der Gef�hle sah sich der arme Capit�n gest�rzt. Sollte er dazu schweigen oder bekennen, was verschwiegen bleiben mu�te. Das Blut stieg ihm in den Kopf, und mit halber Stimme antwortete er:
�Diese Liebe ist doch wohl nicht so sicher, als man meint. Romana folgt dem Willen ihrer Verwandten.�
Des Pr�sidenten Blicke hatten etwas Mitleidiges, als er ihm die Hand dr�ckte und dabei sagte:
�Sie schien mir eine gl�ckliche Braut zu sein. Tr�stet Euch, mein lieber Freund, �ndern l��t sich nichts daran, also m��t Ihr Eure artige Bekanntschaft vergessen. Gl�cklicherweise ist sie kurz gewesen. Wenn aber Corsika frei ist, und Gott uns Beide erh�lt, will ich Euch dankbar beistehen, auch wenn es gilt, um ein edles und sch�nes Weib zu werben, stammte sie selbst aus dem stolzesten Geschlechte.�
Er legte dabei seine Hand auf des Capit�ns Schulter und sah ihn mild und zutraulich an, denn er sah die Wolke auf der Seele seines jungen tapferen Freundes.
�Wei� ich doch besser als Mancher,� fuhr er mit einem Anfluge von R�hrung fort, �was dieser Schmerz bedeutet, und stehe allein und habe entsagt.�
In dem Augenblicke erhob sich der L�rm heftiger unten an der Th�r. Die rauhen Stimmen der Wachen schallten herauf und das Klirren ihrer Gewehre, die sie auf den Boden stie�en, worauf ein noch lauteres Geschrei des Volkes folgte. Der Pr�sident stand auf, ging an ein Fenster und schaute hinab. Es stand vor den grimmigen Wachen, welche sie zur�ckgesto�en, ein Weib in der schwarzen Trauerm�tze, in schwarzer, langer Faldetta, um den Hals ein schwarzes Band mit einem silbernen Mohrenkopfe, dem corsischen Wappen, da� Viele als Zeichen ihrer Gesinnung trugen. An ihrer Hand f�hrte sie einen J�ngling, der klein und behend, fast noch wie ein Kind aussah, aber ein langes Doppelgewehr am Riemen und um den Leib Kugeltasche und Pulverhorn trug.
�La�t sie hereintreten,� rief Paoli hinab, und die Wachen wichen zur�ck. Doch er, erz�rnt �ber den L�rm und die Ungeb�hr, stie� die Th�r hastig auf und rief ihr herrisch entgegen:
�Was wollt Ihr? Warum dr�ngt Ihr Euch hier ein?�
Die Frau war gro�, und ihre Augen stolz und tief. Langsam hob sie ihren Kopf auf und zeigte dem Pr�sidenten ihre ernsten, von Kummer gefurchten Z�ge.
�Mein Herr,� begann sie, ohne zu erschrecken, �z�rnet mir nicht, sondern wollt mich h�ren. Ich hatte zwei S�hne, der Eine fiel am Thurme von Gicolata, der Andere steht hier. Da das Vaterland bedroht ist, bringe ich ihn Euch, damit er seinen Bruder ersetze.�
Und als sie dies gesagt, kehrte sie sich zu ihrem Sohne um und sagte zu ihm:
�Mein Sohn, vergi� niemals, da� das Vaterland Dir n�her steht, als Deine Mutter. Sei tapfer, wie Dein Bruder war, und lebe wohl. Gottes Segen und Deiner Mutter Segen sollen Dich in die Schlacht begleiten!�
Und leise ihr Haupt beugend und ihre H�nde faltend ging sie nach der Th�r. Doch Paoli, verwirrt und ger�hrt, eilte ihr nach und hielt sie fest.
�Gro�herzige Frau!� rief er, �bleibe, da� ich im Namen des Vaterlandes Dir danke. Ich will f�r Deinen Sohn Sorge tragen und auch f�r Dich, wenn Du es n�thig hast. Verla� Murato nicht, sondern komm zu mir zur Mittagszeit,� und als sie ihm dies zugesagt, wandte er sich voller Freudigkeit zu Wilda um.
�Nehmt Euch dieses J�nglings an, ich �bergebe ihn Euch und will ihn von Euch fordern,� sagte er, �doch seht da, mein Freund, welch' Beispiel der h�chsten, der hochherzigsten Liebe. Welch' Beispiel f�r uns Alle! D�rfen wir nicht an des Vaterlandes Rettung glauben? Ist es nicht erhebend, ist es nicht sch�n, dieses Volkes Befreier zu sein?!�
Er umarmte den Capit�n mit stolzen, feurigen Blicken, doch indem er dies that, sprengten Rosse auf der Stra�e daher, und das Volk unten vor dem Hause erhob ein wildes Geschrei mit hundert verworrenen Stimmen. Es umringte einen Reiter, dessen kleines Ro� athemlos schien von einem langen Ritte. Der Reiter selbst war ein Diener aus dem Hause Saliceti. Wilda erkannte den Mann auf der Stelle, und auch er erkannte den Capit�n und erkannte den Pr�sidenten an dem schmalen Fenster. Da richtete er sich in dem schmalen Sattel auf, hob seine H�nde empor und schrie mit durchdringend scharfer Stimme:
�An Euch, mein Herr, richte ich meine Botschaft. Oletta ist in dieser Nacht von den Franzosen �berfallen und besetzt worden mit vielem Volk, als wir in Frieden schliefen. Sie haben befohlen, da� Niemand sich aus der Pieve entfernen solle; doch bin ich ihnen entkommen, um Euch dies zu melden. Helft uns von den treulosen Feinden, mein Herr. Sie haben die Kirche in Besitz genommen und Kanonen davor gestellt.�
Paoli h�rte die� best�rzt an; der Volkshaufe schwieg, als der Pr�sident dem Boten befahl, hereinzutreten, dann aber brach ein Wuth- und Rachesturm los, Verw�nschungen und das Geschrei: �Nach Oletta!�
Pasquale Paoli aber dachte eine Minute lang nach und sprach darauf ruhig zu dem Capit�n:
�Ihr habt richtiger gesehen als ich, Oletta ist verloren, wir k�nnen es jetzt nicht wieder nehmen. Murato gilt es zu halten; alle Macht, die ich schaffen kann, soll sich hier vereinigen. Beobachtet Oletta, tr�stet unsere Freunde dort, helft ihnen, wenn sie sich befreien k�nnen. Denkt an Romana Saliceti, doch denkt noch mehr daran, was des Vaterlandes Wohl von Euch verlangt.�
In Oletta war ein ganzes Regiment Franzosen einger�ckt, 1500 Mann unter Befehl des Marquis von Arcambal, eines strengen alten Kriegsmannes. Der Ueberfall wurde so gut ausgef�hrt, da� die Gemeinde vollst�ndig besetzt war, ehe es die Bewohner inne wurden. Das Dorf war umzingelt, bald standen auch vier Kanonen vor der Kirche, die Kanoniere mit brennenden Lunten daneben, bereit, jedes Haus in Tr�mmer zu zerschmettern, aus welchem ein Schu� fallen w�rde. Aber die Leute in Oletta erkannten alsbald, wie verderblich und wie vergebens jede unbesonnene Handlung sein w�rde, und der schweigsame, �berlegende Sinn des ernsthaften Volkes trat sogleich in sein Recht. Ihren gl�henden Zorn verschlossen sie in ihre Herzen, und als der General Grandmaison nach einer Stunde von Fiorenzo heraufkam und befahl, da� der Podesta und die Gemeindevorsteher vor ihm erscheinen sollten, leisteten sie s�mmtlich Gehorsam, so auch der Abt, den er dazu gefordert.
In der Casa Saliceti war inzwischen leidenschaftliches Toben genug gewesen, denn bei der ersten Entdeckung dessen, was geschehen, war Giulio bereit, mit den Waffen dareinzuschlagen, allein der Abt hielt ihn davon zur�ck, und Achill Grimaldi, welcher dazu kam, stand ihm bei. Der Abt, so aufgebracht er war, blieb doch ein Corse; er wu�te seine Rachelust zu begrenzen, da er einsah, er k�nne ihr nicht gen�gen, ohne selbst zu verderben. Er sprach daher zu seinem Neffen mit ganzem Ansehen, ernst und w�rdevoll, und wies auf Romana hin, die gesch�tzt und gesichert werden m�sse. Romana selbst war jedoch furchtlos und ihr Muth ungetr�bt, was sie bald beweisen sollte.
�Wir werden bleiben, die wir sind,� sagte der Abt, �ob Franzosen in Oletta hausen oder nicht, aber die heilige Jungfrau sei gelobt, da� der Pr�sident sich nicht bewegen lie�, bis heute hier zu verweilen, und da� Du, mein lieber Achill, ihm beistandest und unsere kurzsichtigen Bitten vereiteltest, das danke Dir Gott! Gestern z�rnte ich Dir dar�ber, heute segne ich Dich daf�r. Romana mu� Dich zwiefach daf�r lieben und ehren, so lange sie lebt.�
Grimaldi nahm die Lobspr�che willig in Empfang und k��te Romana, die es mit Freudigkeit erwiederte, denn sie dachte dankbar dabei, da� auch ihr Freund dadurch gerettet wurde. – Der Abt legte dann sein geistlich Gewand an, nahm Kreuz und Scapulier und ging mit Achill Grimaldi und mit dem Podesta und seinen M�nnern auf den Kirchplatz, wo General Grandmaison vor einer Mauer von Bajonetten sie erwartete.
Der junge General l�chelte sp�ttisch, als er sie kommen sah, was wohl zumeist Grimaldi galt; dann benahm er sich mit vieler Artigkeit und suchte die Gewalt vergessen zu machen. Auf Befehl des Generale de Vaux habe er Oletta besetzen lassen und sei begl�ckt, da� es in friedlicher Weise geschehen. Kein Leid auch solle den Bewohnern widerfahren, wenn sie als friedliche und getreue Leute sich benehmen w�rden. Auch keine Last solle sie treffen, denn die Besatzung werde in der gro�en Kirche und in dem Stifte bleiben und bezahlen, was ihr geliefert werde. So biete er ihnen Frieden und Freundschaft und hoffe, diese w�rden nicht gest�rt werden. Hierauf ermahnte er den Podesta und die Gemeindevorsteher, f�r Ordnung und Ruhe zu sorgen, ermahnte auch den Abt mit eindringlichen Worten, sein ganzes geistliches Ansehen anzuwenden, damit kein Ungl�ck �ber Oletta komme.
Der Abt sowohl als alle Andern wu�ten, da� Vorw�rfe oder Widerspruch gar Nichts helfen konnten; sie nahmen schweigend die Befehle hin, nur der Geistliche sagte f�r Alle:
�Es bleibt uns Nichts weiter �brig, als Euch zu gehorchen, mein Herr; da dies das Beste ist, so wird es geschehen.�
�Ihr sprecht sehr verst�ndig, hochw�rdiger Herr,� versetzte Grandmaison, �und obwohl Ihr uns jetzt nicht mit gutem Herzen betrachtet, wird dies sp�ter doch der Fall sein. Ich bin aufrichtig Euer ergebener Freund, Herr Abt. Alles, was Ihr w�nscht, und was in meiner Macht ist, zu gew�hren, thue ich mit Freuden.�
Der Abt dankte h�flich daf�r und sprach darauf seinen Wunsch aus, da� die Besatzung, statt in die Kirche gelegt zu werden, es sich lieber bei den Bewohnern Oletta's gefallen lassen m�ge.
�Wir werden Euch als G�ste4 bewirthen, so gut wir es verm�gen,� sagte er, �verschont jedoch das Gotteshaus, das nicht dazu bestimmt ist, ein Heerlager zu werden.�
Der General lehnte dies jedoch ab, und was er dachte, lie� sich wohl merken.
�Leider w�rde dies gegen den Befehl sein, den ich befolgen mu�,� versetzte er. �Die Bewohner von Oletta sind gewi� von der besten Gesinnung, wir w�rden bei ihnen wohl aufgehoben sein, allein wir leben noch im Kriege, Herr Abt, so m�ssen wir darnach uns benehmen. F�r Eure Kirche seid unbesorgt, sie soll nicht gesch�ndet werden, sind wir doch Alle gute katholische Christen. Eure liebensw�rdige Gastfreiheit jedoch nehme ich dankbar f�r mich und meine Officiere an. Gern wollen wir Euch begleiten und auf Euer Wohl und das Eures Hauses trinken, wenn Ihr uns ein Glas Wein reichen wollt.�
Das hatte der Abt wohl nicht im Sinne, allein es blieb ihm Nichts �brig, als sich bereit zu zeigen, und so folgten ihm denn die Anf�hrer der Feinde seines Vaterlandes, die Oletta �berfallen, voll heimlichem Hohn und Uebermuth und thaten sich g�tlich an derselben Stelle, wo gestern der Frieden vergeblich verhandelt wurde.
General Grandmaison schien die K�lte und die Schweigsamkeit des Wirthes nicht zu bemerken; er blieb h�flich und fr�hlich, sprach viel mit Achill Grimaldi, doch kein Wort �ber die Besetzung des Ortes, um so mehr aber von der gestern gefeierten Verlobung und von Festen und Freuden. Dabei brachte er seine Gl�ckw�nsche, bat, ihm auch die sch�ne Braut zu zeigen, und als Romana kam, machte er ihr die herrlichsten Schmeicheleien, die sie freundlich und gef�llig annahm. Nichts Verdrossenes oder Spr�des stand in ihrem lieblichen Gesicht, ihre Augen leuchteten heut wie gestern, und ihre rosigen Lippen l�chelten, als sei Nichts geschehen, das sie betr�ben k�nnte. Sie nahm die Gl�ckw�nsche des artigen Generals mit unbefangener Heiterkeit an und dankte mit zierlichen Verbeugungen, als die Officiere auf ihre gl�ckliche Zukunft toasteten.
�Herr Grimaldi,� sprach Grandmaison darauf, �Ihr sagtet mir vorhin, da� Ihr nach Bastia Eurer Gesch�fte wegen zur�ckzukehren w�nschtet, sicher stellen wir Euch kein Hinderni� entgegen. Aber w�re es nicht das Beste, wenn Damigella Romana Euch begleitete und Oletta jetzt verlie�e, wo sie gewi� nicht so gut in dieser unruhigen Zeit aufgehoben ist, als bei Eurer Familie und in Eurer N�he.�
Wenn dieser Vorschlag nicht verabredet war, so traf er doch sicherlich mit Grimaldi's W�nschen zusammen, der mit Blicken auf den Abt und Romana zugab, da� dies allerdings ihm sehr w�nschenswerth und richtig erscheinen m�sse.
Was er sprach und andeutete, schien begr�ndet genug, und an den Mienen des Abtes lie� sich der g�nstige Eindruck erkennen; allein eben, als der General versicherte, da� er mit Vergn�gen bereit sei, f�r jede Sicherheit und Bequemlichkeit Sorge zu tragen, lief Romana auf ihren Oheim zu, umarmte ihn und rief:
�Nein, mein theurer Onkel, ich will mich nicht von Dir und meinem Bruder trennen. Ich will bei Euch bleiben und glaube an keine Gefahren, wenn aber solche uns kommen sollten, will ich sie mit Euch tragen.�
Dabei blieb es, obwohl noch viel dagegen gesprochen wurde, Achill Grimaldi l�chelnd Einw�rfe erhob, und der General ihn lebhaft und galant unterst�tzte. Giulio lie� sich nicht blicken, er wollte mit den Franzosen in seines Vaters Hause nicht verkehren, und der Abt behielt Romana am liebsten bei sich, da sie selbst es so wollte.
�Du wei�t wohl,� sagte er zu seinem Verwandten, �da� ein corsisches M�dchen nicht eher aus dem elterlichen Hause scheiden will, bis die Hochzeit es ihr gebietet. So la� sie denn hier, doch komm Du dagegen, so oft es angeht, zu ihr und uns nach Oletta, bis sie Dir folgen wird.�
�Mu� es so sein, Romana?� fragte er.
Sie reichte ihm ihre Hand und antwortete:
�Wenn das hochzeitliche Ro� an meiner Th�r steht, dann f�hre mich in Dein Haus; eher aber nicht, Achill; so lange will ich warten.�
�So geschehe Dein Wille,� versetzte er freundlich.
�Ich will sorgen, da� der gl�ckliche Tag bald komme, und werde bald wieder hier sein, um mich zu tr�sten.�
Die Vorbereitungen zur Abreise wurden nun getroffen, und als Grimaldi bereit war, ging er in Giulio's Zimmer, wo dieser sich eingesperrt hatte.
�Ich mu� Dich verlassen,� sagte Achill, �aber ich hoffe, Du hast Nichts im Sinne, was verderblich sein k�nnte. Verhalte Dich ruhig und warte ab, was geschieht.�
�Das will ich,� erwiederte Giulio, �doch Oletta soll nicht in der Gewalt der Franzosen bleiben. Ich habe so eben einem getreuen Diener Auftrag gegeben, in Murato zu berichten, was hier geschehen ist. W�re dieser Capit�n mit seinen Deutschen hier geblieben, die ihre Posten und Wachen ausstellten, die Schurken h�tten uns nicht so �berrumpeln k�nnen.�
�Bei alledem,� antwortete Grimaldi, �war es Zeit, da� dieser Mann sich entfernte.�
Giulio blickte ihn fragend an, Achill fuhr leiser fort:
�Was ich Dir jetzt sagen werde, behalte f�r Dich. Wisse, da� dieser fremde Narr sich erdreistete, seine Blicke auf Romana zu werfen und sie –�
�Achill!� fiel Giulio heftig ein, �willst Du meine Schwester beschuldigen?�
�Gott beh�te mich davor!� antwortete Grimaldi ruhig l�chelnd, �aber ich wiederhole: es ist gut, da� er ging, und nun h�re, Giulio. Sprich kein Wort zu Romana �ber diesen Fremden, aber sorge f�r sie mit Deiner ganzen br�derlichen Liebe. Unternimm Nichts, was Gefahr bringen k�nnte, wartet die Nachrichten ab, welche ich Euch verschaffen werde. Sobald ich in Bastia bin, soll mein Bruder Leo erfahren, wie es hier steht. La� Dich nicht mit den Leuten in Murato ein, nicht mit dem Deutschen, er soll keine Verbindung mit Dir haben.�
Giulio Saliceti sah finster und drohend aus, Grimaldi hatte einen Verdacht angeregt, der ihn heftig erz�rnte. Bei der erbitterten Stimmung, in welcher er sich befand, mu�te diese Neuigkeit ihn um so mehr reizen. Seine Schwester in heimlicher Neigung zu diesem Fremden, dies zu denken, erf�llte ihn mit Wuth, doch verwarf er schnell solche Vorstellung und schob sie auf eine eifers�chtige Anwandlung seines Freundes.
�Romana wei� sicherlich, was sich schickt,� sagte er mit einigem Stolze, �auch hat sie Dir, so viel ich bemerkte, keinen Anla� gegeben, Anderes von ihr zu glauben. Inde� will ich thun, was Du w�nschest; auch soll es an Vorsicht nicht fehlen. Ich will den fremden Capit�n nicht als meinen Freund; unser Vaterland aber schuldet ihm Dank, und was ich von ihm sah, war recht und t�chtig. Reise ruhig, Achill, doch hilf uns schnell, wenn Du es kannst, denn diese Franzosen in Oletta brennen mich wie h�llisches Feuer.�
Grimaldi suchte ihn zu beruhigen, und eine halbe Stunde sp�ter ritt er mit General Grandmaison nach Fiorenzo hinab, gleich darauf aber lie� der Oberst Arcambal bei Trommelwirbel �berall verk�ndigen, da� Niemand Oletta ohne seine Erlaubni� verlassen d�rfe, auch Niemand sich mit einer Waffe zeigen solle, bei harter Ahndung.
Das gab neuen heftigen Verdru�, sowohl in der Casa Saliceti, wie im ganzen Dorfe. Giulio rief mit Z�hneknirschen, da� er sich nicht f�gen wolle, und zu ihm kamen seine Freunde, Bernardo Leccia und Andere, nicht weniger aufgeregt und erbittert. Alle Fr�hlichkeit hatte ein Ende, die Leute sa�en in ihren H�usern und vermieden die Soldaten, diese aber, durch Benehmen und Blicke der Bewohner �berzeugt von deren feindlicher Gesinnung, vergalten ihren Mi�muth durch h�hnische und grobe Worte. Am folgenden Tage schon kamen Beleidigungen vor, und es wurden ein paar M�nner gefangen gesetzt, weil sie in Streit mit den Wachen gerathen. Anderer Streit entstand darauf um die Lieferung der Lebensmittel, und �berall benahmen sich die Officiere herrisch, der alte Oberst that wie in Feindes Land.
Am dritten Tage, als es finster geworden war, kam es einem der Wachtposten vor, der am Rande des Felsenweges stand, welcher nach Olmetta hinauf f�hrt, als ob Jemand nicht weit von ihm vor�berschreite. Er konnte die Gestalt nicht sehen, allein er h�rte das Ger�usch, und da er auf seinen Ruf keine Antwort erhielt, rannte er mit dem Bajonett darauf los. Doch nun fand und vernahm er Nichts mehr, nur ein Stein kollerte den steilen Hang hinab und blieb vor ihm liegen. Lachend und pfeifend kehrte der Grenadier um und verfluchte alle diese corsischen Rebellen, denen es �bel ergeben sollte, wenn Einer davon in seine H�nde fiele. Wenige Minuten sp�ter aber �ffnete Jemand leise die Vorth�r an der Casa Saliceti, stieg leise dann die Treppe hinauf, blieb horchend stehen und wandte sich eben dem Feuerscheine in der K�che zu, als Giulio heraustrat, dessen scharfes Auge sofort ihn bemerkte.
�Wer ist da?� fragte er auf ihn zugebend.
�Mein Herr,� antwortete eine fl�sternde Stimme, �ich suche den Giulio Saliceti.�
�Und woher kommst Du?�
�Darauf will ich antworten, sobald ich wei�, ob Ihr der seid, an den ich gesandt bin.�
�Warte einen Augenblick,� sagte Giulio, ging zur�ck und kam mit einem Lichte wieder. Nun beschaute er den Boten und fand einen fremden J�ngling, kaum dem Knabenalter entwachsen, klein und behend, mit braunem scharfem Gesicht und schwarzen lebendigen Augen. In seinen dicken groben Rock geh�llt, �ber welchen das zottige Haar fiel, die rothe phrygische M�tze tief �ber die Stirn gezogen, sah er so wild und verschmitzt aus, wie eine Katze aus den W�ldern des Hochgebirges, friedlicher auch wurde sein Anblick nicht durch den Gurt seines Mantone, in welchem zwei Pistolen und ein Dolchmesser steckten.
Giulio hatte diesen Burschen niemals gesehen. Er f�hrte ihn in seine Kammer und sagte dort:
�Nun sprich, ich bin Giulio Saliceti. Wer bist Du?�
�Ich bin Pietro Barbaro, mein Herr,� redete der Kleine, �aus der Pieve Rutali.�
�Und woher kommst Du?�
�Ich komme aus Murato –�
�Sprich leise,� sagte Giulio, ihn unterbrechend, und er selbst d�mpfte seine Stimme.
�Hat Dich kein Franzose gesehen? Wer zeigte Dir mein Haus?�
�Die Franzosen haben keine Augen,� antwortete Pietro sp�ttisch. �Euer Haus, mein Herr, wurde mir genau beschrieben.�
�Wer beschrieb es Dir?�
�Mein Capit�n.�
�Dein Capit�n? Wie hei�t er?�
�Ich habe hier einen Brief von ihm,� versetzte der Bursche, und er zog aus der Tasche des Mantels ein kleines gefaltetes Papier, das er Giulio hinreichte.
Dieser �ffnete es, trat zum Lichte, blickte hinein und heftete seine Augen starr auf die wenigen Zeilen, welche er fand, w�hrend Gluth seinen Kopf f�llte.
�Theure Romana!� stand darin, �tausend Gr��e f�r Dich. Sende mir ein Wort, da� Dir kein Leid geschah, bald soll Oletta wieder frei sein. Gottes Engel besch�tzen Dich und m�gen mir beistehen.�
Giulio nahm sich Zeit, seine Gef�hle zu bes�nftigen. Er faltete das Papier wieder zusammen, steckte es ein und sagte dann zu dem Boten:
�Du hast noch einen Brief, gieb mir den anderen.�
Pietro Barbaro erschrak und griff in seinen Rock, aber der kluge Bursche schickte sich in die Umst�nde. �Gut,� versetzte er, �so nehmt diesen daf�r und gebt mir jenen zur�ck, der nicht hierher geh�rt.�
Giulio las den zweiten Brief, es stand darin:
�Wir haben das Unheil vernommen, das Euch betroffen. Der Pr�sident ist nach Corte, um Hilfe zu sammeln, ich befehle in Murato. Gebt mir Nachricht, was Ihr thun wollt, und rechnet auf mich mit Leib und Leben. Mit hundert tapferen M�nnern bin ich in Eurer N�he; wollt Ihr mich sprechen, so f�hrt Pietro, dem Ihr ganz vertrauen m�gt, Euch zu mir. Carlo Wilda.�
Giulio dachte einige Minuten nach, dann fragte er:
�Wo ist der Capit�n?�
�Aus Olmetta schickte er mich hinab,� antwortete der Bote; �jetzt wird er in dem Kastanienwalde sein, dort wollte er mich erwarten.�
�Ich werde Dich begleiten,� sagte Giulio, �den anderen Brief werde ich bestellen und selbst die Antwort bringen. Bleib' in dieser Kammer, Niemand darf Dich sehen. Wenn das Haus schl�ft, brechen wir auf. Ruhe aus, ich werde Dir Nahrung bringen.�
Damit nahm er das Licht, ging hinaus, schob den Riegel vor die Th�r und lie� Pietro Barbaro allein, der sehr verdrie�lich �ber seine Unachtsamkeit sich jedoch bald dar�ber tr�stete; denn sein Capit�n hatte ihm keine besondere Heimlichkeit empfohlen, sondern nur gesagt, er m�ge dies Briefchen der alten Beschlie�erin des Hauses geben, wenn es ihm nicht selbst gel�nge, es der Donzella einzuh�ndigen.
Giulio Saliceti kam nach einiger Zeit zur�ck, brachte Wein und Speisen und fragte den Boten �ber Manches aus: wie es in Murato stehe, wie viel Mannschaft dort beisammen, welche Officiere und wie die Meinung? Aus den Antworten ging hervor, da� man bald die beiden Corsenregimenter erwarte, auch Milizen aus der Casinca und vom S�den her, da� jedoch f�r jetzt nur die deutsche Compagnie vorhanden sei, und was aus Murato und der Umgegend sich mit ihr vereinigen lie�.
Giulio erfuhr aber auch, da� der deutsche Capit�n rastlos arbeiten lasse und bei allem Volk in gro�em Ansehen stehe. Dabei vernahm er zugleich, da� Pietro Barbaro der Sohn jener Wittwe sei, die ihn als Ersatz f�r seinen Bruder zum Pr�sidenten gebracht, und mit begeisterten Worten lobte der Knabe des Capit�ns G�te und Sorge um ihn. Er hing ihm sicherlich daf�r mit corsischer Zuneigung an.
Als Giulio Saliceti dies Alles erfahren hatte, ging er in das Wohngemach zur�ck, wo seine Schwester am Tische arbeitend sa�, und mit ihr Maria Montalti, neben Beiden Bernardo Leccia. Maria sah betr�bt aus, Bernardo ingrimmig. Sie hatten davon gesprochen, da� nun Nichts aus ihrer Hochzeit werden k�nne, so lange die Franzosen in Oletta seien, und Bernardo hatte ein paar wilde Verw�nschungen ausgesto�en �ber die Greuelthaten der Soldaten, die es n�chstens dahin bringen w�rden, da� die Messer und Pistolen Arbeit erhielten.
�Dann werden sie Euch alle Waffen fortnehmen,� sagte Romana. �Der Onkel erz�hlte heute schon, da� der Oberst Arcambal nur auf Gelegenheit warte, solchen Befehl zu erlassen.�
�Aber mein Messer und meinen Karabiner werden sie nicht blank und rein bekommen,� rief Bernardo.
�Madre de Dio!� fiel Maria ein, ihre Nadel niederlegend und ihn �ngstlich anblickend, �sprich nicht solche Worte, lieber Bernardo.�
�Wie?� fragte Bernardo, sein Haar von der hei�en Stirn werfend, �wolltest Du einen Mann nehmen, der sich ungestraft entehren l��t?! Wolltest Du Einem Deine Hand geben, der seine Waffen ablieferte?�
�Nein, nein!� rief Maria, �aber sie werden es nicht wagen.�
�Sie werden noch weit mehr wagen, wenn wir es dulden,� fuhr Bernardo fort. �Wir h�tten diese Schufte nicht in Oletta dulden, sie jagen sollen, sobald sie sich blicken lie�en.�
�Was konntet Ihr thun,� sagte Romana, �da der fortgezogen, der Euch allein helfen konnte.�
�Meinst Du den deutschen Capit�n?� fragte Giulio.
�Den meine ich,� versetzte sie mit leuchtenden Augen. �Er h�tte Wache gehalten f�r Euch, als Ihr schlieft.�
�Was schiert uns dieser Fremde,� versetzte er rauh. �Wir werden uns selbst helfen, wie es Corsen geziemt. Alle diese Soldaten taugen Nichts. Heute dienen sie uns, morgen laufen sie zu den Franzosen. Das sind schlechte M�nner, die sich weit von ihrem Vaterlande in der Welt umhertreiben.�
�Gehen die Corsen nicht auch noch nach Neapel, zum Papst und nach Spanien?� versetzte Romana. �Und hat der Pr�sident Paoli nicht selbst diesen deutschen Capit�n hier vor allen Leuten gelobt?�
�Warum nimmst Du Dich dieses Mannes so besonders an?� fragte Giulio. �Hat er Dir so sehr gefallen?�
�Das hat er,� antwortete sie unerschrocken.
�Dann bete f�r ihn, da� es ihm wohlergehe!� rief er spottend.
�Gern thue ich es,� erwiederte sie, �und es wird ihm wohlergehen.�
�Schweig!� rief er aufbrausend, �es ist ein Anderer da, f�r den Du beten sollst. F�r keinen Anderen.�
Maria Montalti dr�ckte �ngstlich Romana's Hand, aber Bernardo sprach inzwischen:
�Was zankt Ihr Euch um diesen Mann. Er ist fort, doch ich wollte, er w�re bei uns. Er hat uns Allen wohlgefallen, und Wenige sind in Oletta, die nicht denken wie Deine Schwester. Geschehen ist aber geschehen, jetzt ist es an uns, diesen Franzosen zu beweisen, da� wir nicht Schelme sind, die sich wie solche behandeln lassen.�
Giulio schwieg m�rrisch, es kochte in seinem Herzen; er merkte wohl, da� Grimaldi recht gesehen hatte. Romana sprach von diesem Capit�n, als sei er ein Heiliger, und der Zettel, den er gelesen, bewies genugsam ihre Vertraulichkeit.
Jetzt kam auch der Abt, er war bei dem Podesta gewesen, an den der Commandant harte Drohungen und neue Forderungen geschickt hatte, welche erf�llt werden sollten. Der Abt sah noch aufgeregt von dieser Verhandlung aus, die Adern lagen ihm dick auf der Stirn, sein m�chtiger Kopf war so roth wie eine Pfefferschote, und Giulio mu�te es h�ren, wie auch er dar�ber seufzte, da� die Deutschen nicht in Oletta geblieben seien, und ihr tapferer Capit�n nicht hier an seinem Tische sitze.
Romana l�chelte stolz dazu, und Giulio war mehr als einmal nahe daran, den Zettel hervorzuziehen und ihr diesen zuzuschleudern; aber er bezwang sich, denn er dachte an Grimaldi, und da� seines Hauses Ehre ihm Verschwiegenheit gebot. Wessen sollte er seine Schwester auch beschuldigen? Sie mochte immerhin schmeichelnden Worten ihr Ohr geschenkt haben, ernstlich Wesen war das nicht. Mit Achill hatte sie willig sich vereinigen lassen, neue Unbill wollte er abwehren.
Sie sa�en bis sp�t am Abend beisammen; es kamen Freunde, viel wurde �ber die Verh�ltnisse gesprochen, und die Stimmung blieb tr�be und gedr�ckt. Zuweilen loderte leidenschaftliche Gluth wild auf, doch der Abt tadelte strenge die jungen Leute, und die Alten stimmten ihm bei.
�Wir m�ssen ruhig und geduldig bleiben,� sagte er, �damit die Franzosen keinen Anla� finden, �ber uns herzufallen. Auch Achill Grimaldi hat uns dringend gebeten, kein Ungl�ck �ber unsere Familien, �ber Weiber und Kinder zu bringen. Arcambal hat geschworen, an Oletta ein Beispiel zu geben, wovon kommende Zeiten noch lange erz�hlen sollen, sobald er uns auf Verrath ertappe. Sie f�rchten geheime Einverst�ndnisse mit unseren Br�dern in Murato, darum soll morgen schon ausgerufen werden, da� bei Todesstrafe Niemand den Ort verlasse. Ich befehle und bitte Euch Alle, bleibt und haltet Euch still. Befreien kann uns Niemand, also seid klug wie corsische M�nner, bis die rechte Stunde erscheint. Qu�lt man uns dennoch weiter, so wird Grimaldi bei dem Grafen de Vaux unsere Klage anbringen, und wir werden nicht ohne Hilfe bleiben.�
So verst�ndig und behutsam ermahnte der Abt, sein Neffe hielt geheim, was er wu�te, und auch als sie Beide allein blieben, sagte er ihm Nichts von dem Boten und seinen Absichten. –
Als Mitternacht vor�ber, schlichen zwei schattengleiche Gestalten durch das Gehege hinter der Casa Saliceti, und ihre leisen Schritte verloren sich bald in der Dunkelheit der Campagna. Einmal wurde der Ruf einer franz�sischen Wache geh�rt, dann Nichts weiter.
Mit raschen Schritten stieg Giulio die m�chtigen Felsen hinauf dem Kastanienwalde zu, der in einer breiten Kette den Bergsattel bedeckte, bis gegen Olmetta und Vallecalla hin. Pietro folgte ihm, flink wie ein zottiger Sp�rhund, seine Augen nach allen Seiten werfend und seine Ohren gegen den Wind haltend. Lange aber dauerte es, da� sie durch die riesenhaften B�ume irrten, durch Schluchten abw�rts und steile Geh�nge aufklimmend, ohne zu finden, was sie suchten. Die Finsterni� im Walde lie� keinen Pfad erkennen, und wie genau Giulio hier auch bekannt war, blieb doch Nichts �brig, als nach Vermuthungen sich zurechtzufinden. Geduld und Vorsicht wurden bei dieser n�chtlichen Wanderung auf harte Proben gestellt und diese um so mehr gesch�rft, da Giulio viele Gr�nde hatte, um zu eilen. Es dr�ngte ihn, mit dem Capit�n zusammenzutreffen, ihm zu sagen, was er wohl �berlegt; es dr�ngte ihn aber auch, zur�ckzukehren, ehe der Tag anbrach, da� Niemand seine Abwesenheit bemerkte, so wenig die Leute im Hause, als die Franzosen. Aber Stunden vergingen, bis endlich von einer Stelle aus Lichtschein gesehen wurde, zugleich auch rief Pietro: da� dies die Capanne am Walde sei, wo der Capit�n ihn verlie�, und dort in der Tiefe Olmetta liege.
Als er dies laut und erleichtert ausrief, antwortete eine Stimme in seiner N�he:
�Pietro Barbaro, wer ist mit Dir? Ist es Giulio Saliceti?�
�Ja, mein Herr, ja!� schrie der Bursche freudig, �er ist hier, nach dem Ihr mich schicktet.�
Und unter einem der B�ume hervor in den Weg trat eines Mannes Gestalt und sprach mit bekanntem Tone:
�Ihr seid es, Giulio Saliceti?�
�Eurer Aufforderung bin ich gefolgt,� versetzte Giulio. �Hier bin ich, um Euch Antwort zu geben.�
�Seid willkommen,� erwiederte Wilda, �folgt mir in die Capanne.�
Er griff nach Giulio's Hand, doch dieser zog sie zur�ck.
�Ihr habt mich weit hinauf beschieden,� sagte er, �ich habe keine Zeit, lange zu verweilen. Was wir zu reden haben, mag hier geschehen.�
�Bis nach Mitternacht blieb ich im Walde �ber Oletta,� war des Capit�ns Antwort, �dann kehrte ich hierher zur�ck, da ich Euch nicht mehr erwartete. Mit dem ersten Morgengrauen wollte ich nach Murato, um am Abend wieder hier zu sein zu Euren Diensten.�
�Nehmt meinen Dank, mein Herr,� fiel Giulio ein, �doch bleibt in Murato und erf�llt dort Eure Pflicht. Wir bed�rfen Eure Dienste nicht.�
�Ihr bed�rft sie nicht?� fragte Wilda, betroffen von dieser kalten Behandlung.
�Oletta wird f�r sich selbst sorgen, sobald dies n�thig,� fuhr Giulio fort, �auch wird ihm Hilfe nicht ausbleiben. Fest jedoch sind wir entschlossen, uns kein Ungl�ck auf den Hals zu ziehen durch unkluge Versuche.�
�Wie es Euch beliebt; doch h�tte ich andere Antwort erwartet,� sagte der Capit�n.
�Das m�gt Ihr,� versetzte Giulio, �doch bem�ht Euch nicht weiter, mein Herr. K�mmert Euch nicht mehr um Oletta und seine Bewohner.�
�Ihr sprecht zu mir in einer wenig freundlichen Weise,� sagte Wilda, �womit habe ich das verdient?�
�H�rt mich an, mein Herr. Ich bin Euer Freund nicht, w�nsche jedoch auch nicht Euer Feind zu sein. Ich komme zu Euch ohne Waffen, damit kein Streit entstehen kann zwischen Euch und mir. In Oletta achtet man Euch, auch mein Oheim will Euch wohl. M�ge Euch Gott in seinen Schutz nehmen!�
�Und dennoch,� fiel Wilda ein, �sind Eure Worte so bitter. Wi�t, da� ich Nichts so hoch sch�tzen m�chte, als Eure Freundschaft; da� ich Blut und Leben geben m�chte f�r Euch zu jeder Stunde.�
Die herzliche W�rme, mit welcher er dies aussprach, blieb nicht ohne Wirkung auf Giulio Saliceti. Er schwieg eine Minute lang und antwortete dann milder als bisher:
�Wollt Ihr meine Freundschaft, so vernehmt noch Eins vorher. Hier ist der Brief, den Ihr an meine Schwester Romana geschrieben. Nehmt ihn zur�ck, und niemals versucht es wieder.�
�Was denkt Ihr von mir und Romana,� antwortete der Capit�n �berrascht. �Ich schw�re Euch –�
�Kein Wort weiter!� unterbrach ihn Giulio. �Ihr seid der Freund meines Vaterlandes, auch r�hmt man Euch als einen tapfern und klugen Mann. Zeigt Euch als solcher; nehmt die Saliceti als Eure Freunde, niemals aber denkt an Romana.�
�Nicht an sie denken!� rief Wilda erregt, und er hob seinen Kopf zu dem sch�nen Sterne auf, der �ber dem Walde stand, und blickte in sein silbernes Gezitter. �Wie w�re das m�glich!� fuhr er fort. �K�nnt Ihr dem Strom verbieten, in's Meer zu flie�en? K�nnt Ihr die Sonne vom Himmel nehmen und ausl�schen? Ihr wi�t es, da� ich Romana liebe, und wollt mir befehlen, sie zu vergessen?�
�Ihr liebt sie!� schrie Giulio in Wuth, �und wagt es, mir das zu sagen! Fluch und Tod �ber Euch! Wi�t Ihr nicht, da� sie Achill Grimaldi verlobt wurde, da� wir alle dies wollen, und da� Romana eher sterben soll, und Ihr und wir, ehe Schande �ber uns gebracht wird?!�
�Ich wei�, was das hei�t,� versetzte Wilda ruhig, �sorgt nicht, da� ich Ungl�ck �ber Euch bringen werde,� und st�rker seine Stimme erhebend, f�gte er hinzu: �Was ich besitze, sollt Ihr mir nicht nehmen, es ist mein und wird mir bleiben. La�t uns Freunde sein, Giulio Saliceti, Eure Ehre ist meine Ehre.�
Aber der hitzige, hei�bl�tige Corse war dadurch nicht zufriedengestellt. Es blieb ihm dunkel, was dieser Deutsche meinte, er konnte das Widersprechende nicht aufl�sen.
�Ich danke Euch f�r dies letzte Wort, mein Herr,� sagte er, �doch scheint es mir das Beste, wir bleiben geschieden. Kommt nicht wieder nach Oletta, m�ge dann jeder Eurer Wege gl�cklich sein. Und nun lebt wohl! Treffen wir uns einst wieder, so sei es in Freundschaft.�
�Bleibt, Giulio Saliceti!� rief Wilda ihm nach.
�Nein,� lautete die Antwort. �Ich habe Euch Nichts mehr zu sagen, und bald wird der Tag anbrechen.�
So ging er zur�ck, Stolz in seinem Herzen und mit der Gewi�heit, recht gehandelt zu haben, dabei im Zwiespalt mit sich selbst, ob er diesen Fremden lieben oder hassen solle. H�tte er nicht Romana's wegen ihm gegrollt, so mochte er ihm gern seine Hand reichen, allein in dies milde Empfinden mischte sich immer wieder sein Z�rnen, und er dachte dann an Grimaldi und fand es gut, was er gethan. –
Nach Oletta sollte dieser Mann nicht wieder kommen, Romana sollte ihn nicht wiedersehen, dann blieb Nichts weiter zu besorgen von seiner th�richten Liebe, die er fernab n�hren mochte, wie es ihm beliebte. Und indem er dies weiter bedachte und spottend vor sich hin lachte, wie eine Liebe ohne Besitz unsinnige Einbildung sei, die nur ein Narr sich schaffen k�nne, da doch Romana Achill zum Manne nahm, zog ein bleicher Schimmer durch die Gipfel des Waldes, und um die Felsenh�upter der Serra ballten sich Nebel, welche bald wie mit Geistermacht auch �berall im Thale entstanden. Der junge Tag brachte sie mit, als wollte er sich darin verstecken, doch immer eiliger verfolgte Giulio seinen Weg, denn er wu�te wohl, da� dies nicht lange dauern w�rde.
Der Nebel lag jedoch so dick, da�, als er aus dem Walde trat, es rings umher noch Nacht schien; weder Steg noch Richtung lie� sich erkennen. Dann tauchte zu seiner linken eine steile felsige Wand auf, und er glaubte nun zu wissen, da� er rechtsw�rts geben m�sse, indem er aber dahin weiter schritt, sprangen mehrere M�nner ihm entgegen. Waffen klirrten, ein paar H�nde packten ihn am Arm und Kragen; er war von einer franz�sischen Streifwache ergriffen.
Nach einem augenblicklichen Widerstande sah Giulio ein, da� er nicht entrinnen konnte, denn die Franzosen w�rden ihn mit Kugeln und Bajonetten durchbohrt haben; auch ohne Flucht waren sie aufgelegt genug dazu. Wild durch einander schreiend, �berh�uften sie ihn mit h�hnenden Worten und bedeuteten ihn, in's Gef�ngni� zu folgen.
Darein mu�te sich Giulio ergeben. Er verstand die Franzosen so wenig, wie diese ihn, aber er h�rte wohl, wie sie in ihrer Sprache �ber den Fang frohlockten und ihn bedrohten. Er schwieg dazu, und sie brachten ihn in's Dorf hinein, eben als es Tag wurde und die Nebel vor der Sonnenhelle zerrannen. Sie f�hrten ihn an seinem Hause vor�ber in das Stiftshaus, wo unten die Wache sich befand, dar�ber Oberst Arcambal sich einquartiert hatte, und bald versammelte sich ein ganzer Schwarm Soldaten, welche herbeiliefen, um den eingefangenen Spion zu sehen.
Eine Stunde mochte so vergangen sein unter gro�em Aerger des Gefangenen, als er endlich zu dem Obersten hinaufgef�hrt wurde, der mit mehreren Officieren ihn erwartete. Einer davon sprach italienisch und begann ihn zu verh�ren; doch wie auch sein Blut in den Adern kochte, �u�erlich benahm sich Giulio Saliceti gelassen und darauf bedacht, seine Lage nicht zu verschlimmern. Er gab an, da� er am Abend sp�t in die Berge gegangen sei, um nach seinem Eigenthume zu sehen, den kleinen P�chtereien, welche er dort besitze, und da� er dann zur�ckgekehrt vor Tagesanbruch von der Wache angehalten wurde.
Der kurze st�mmige Oberst mit dem dicken Zopfe und dem Fleischhackergesicht musterte ihn mit grimmigen, harten Blicken. Als des Abts Neffe war er ihm bekannt, doch das machte zun�chst keinen Unterschied.
�Wi�t Ihr nicht,� fuhr er ihn in gebrochenem Italienisch an, �da� ich befohlen habe, Niemand soll Oletta verlassen? Warum untersteht Ihr Euch, meinen Befehl zu verachten?�
Giulio entschuldigte sich, so gut es ging, dabei zitterte er vor Aufregung; dem Obersten aber mochte dies als Furcht erscheinen. Er ma� ihn geringsch�tzig und sagte dann zu seinen Officieren:
�Der Bruder dieses Menschen war von heldenm�thigem Sinn, dieser hier hat daf�r ein Hasenherz bekommen, er bringt uns niemals in Gefahr! Selbst seine Waffen hat er zu Hause gelassen, was sonst kein Corse thut; das Zittern wird er nicht sobald aus den Gliedern los werden. Also mag er geben.�
Und sich wieder zu dem Gefangenen wendend, fuhr er fort:
�F�r diesmal sollt Ihr so davon kommen; doch heute noch will ich es ausrufen lassen, da� Jeder erschossen wird, der ohne meinen Pa� aus dem Dorfe geht, l�gen ihm auch Vater und Mutter in der Campagna im Sterben. Fort mit Euch! aber merkt Euch, da� Ihr zuerst an den Galgen sollt, wenn Ihr Euch nochmals ertappen la�t.�
Damit deutete er auf die Th�r, und als Giulio Saliceti hinausging, schallte ihm ein Hohngel�chter nach, in welches die Soldaten unten an der Treppe einstimmten. – Mit wilden Blicken seine Z�hne zusammengebissen, wand er sich durch den �berm�thigen Haufen, und halblaut murmelte er vor sich hin:
�Alle Qualen der H�lle �ber Euch, Ihr verdammten Schurken! Seid verflucht in Ewigkeit!�
Pl�tzlich hielt er inne und taumelte zur Seite. Blut str�mte �ber sein Gesicht. Ein riesenhafter Sergeant hatte ihm einen Faustschlag versetzt. Vielleicht hatte er geh�rt, was Giulio murmelte, vielleicht nur geahnt, was dessen Lippenbewegung bedeutete.
�Corsischer Spitzbube,� schrie er, �ich will Dich schimpfen lehren!�
Damit hob er seine Faust abermals auf.
Mit Blitzesschnelle griff Giulio nach dem Gurte, in welchem sonst sein Messer stak, aber er fand es nicht, und mit einem hastigen Sprunge entrann er seinem Feinde unter einem weithin �ber den Platz schallenden Hohngel�chter der Franzosen.
Dies Geschrei aber lockte den Abt Saliceti an sein Fenster. Eben war er aufgestanden und erblickte voller Verwunderung seinen Neffen unter den Soldaten, die ihn umringten und verspotteten. In diesem Augenblicke fiel der Schlag, und es war dem Abte, als ginge ein Schwert ihm mitten durch den Leib. Hinter seinem Fenster stie� er ein Gebr�ll aus, gleich dem verwundeten Mars, so da� die nachsetzenden Soldaten es h�rten und davor erschraken. Giulio aber h�rte es auch. Er sah mit seinem blutenden Gesicht zu dem Fenster hinauf und sah seines Onkels rothen Kopf und dessen H�nde, welche sich nach ihm ausstreckten. Da sprang er in's Haus, die Treppe hinauf, und leichenbla�, wie er war, flog er in Peverino's Arme, vor Schmerz und Wuth seiner Stimme nicht mehr m�chtig, darin zusammensinkend. Doch sein Ohm r�ttelte ihn auf und zog ihn mit sich fort in seine Kammer.
� Rache! Rache! die Elenden!� st�hnte Giulio, und von dem Rachegeiste mit neuem Leben erf�llt, ri� er sich los.
�Wohin willst Du?� fragte der Abt, ihn festhaltend.
�Meine Waffen! mein Gewehr! meine Pistolen!� schrie Giulio. �Ich will mich mitten unter sie st�rzen.�
�Ruhig,� sagte der Abt. �Du schl�gst drei oder sechs, dann wirst Du todt.�
�Mein Messer! mein Messer!� fuhr Giulio, krampfhaft sich windend, zitternd fort, indem er einen neuen Versuch machte, sich zu befreien. �Der verfluchte Arcambal soll der Erste sein.�
�Dann werden sie �ber Oletta herfallen und so Weib wie Kind ermorden,� sprach der Abt. �Von Fiorenzo k�men ihre Genossen, ihre Henkersknechte sind immer bereit.�
�Rache! Rache!� �chzte Giulio, das Blut von seinem Gesicht wischend und seine rothen H�nde zeigend.
�Rache!� antwortete Peverino, und sein Kopf nahm die Farbe der Pfefferschote an, seine Augen gl�hten wie Kohlen. �Sie haben Dich in's Gesicht geschlagen,� fuhr er fort, �das Aergste, das einem Corsen geschehen kann, haben sie an einem Saliceti gethan; darnach mu� es auch ger�cht werden. Keiner von Allen darf entkommen, Keiner! Nicht der tyrannische Oberst, nicht der geringste Knecht, sie m�ssen s�mmtlich sterben, als habe die Pest sie fortgerafft.�
Giulio horchte auf, erblickte seinen Ohm starr an. Was dieser sagte, war Balsam f�r ihn; aber er wu�te nicht, wie es geschehen konnte.
Der Abt neigte den rothen Kopf und murmelte halblaut:
�In der Kirche dort haben wir sie beisammen. Die Kellergew�lbe der Casa Saliceti laufen bis unter den Platz. Es ist nicht weit und nicht schwer, von dort aus einen Gang bis in die Kirche zu graben, und Pulver haben wir genug, da� alle Mauern �ber diese elenden R�uber zusammenst�rzen und sie zerschmettern. Was �brig bleibt, daf�r haben wir Messer und Kugeln.�
Er sagte dies Silbe f�r Silbe, Wort f�r Wort mit fester, tiefer Stimme. Die furchtbare That trat mit solcher Gewalt vor Giulio's Augen, da� diese wie leblos sich weit und starr aufthaten. Um die Lippen des Abts zuckte ein schreckliches Lachen, er ballte seine Faust zusammen in Wuth und Lust.
�Die Kirche,� stammelte Giulio, �das Gotteshaus!�
�Sie haben diese alte Kirche entehrt!� antwortete der Abt. �Sie haben eine Caserne daraus gemacht! Sie haben die Alt�re entweiht mit frechen Liedern und gemeinen Fl�chen! Sie haben sie benutzt, um aus ihren Gew�lben Gef�ngnisse f�r uns zu machen, uns mit Schmach und Schande zu bedecken. Und jetzt haben sie Dich geschlagen, den Giulio Saliceti, Tod und H�lle! In St�cke sollen sie daf�r zerrissen werden, in St�cke jedes Glied! Ich will es vertreten vor Gottes Gericht. Ich, ein Priester, will es vor Papst und Christenheit vertreten, vor Volk und Richtern in Corsika. Die Saliceti werden eine neue Kirche bauen, zuerst aber m�ssen sie sich r�chen.�
�Demonio!� schrie der junge Mann mit funkelnden Blicken, �schnell die Rache, oder ich sterbe vor Gram! La�t uns unsere Freunde rufen, Oheim, kein Mann lebt in Oletta, der uns nicht beisteht. La� uns den Gang graben, alles versteckte Pulver zusammenbringen; eile, eile, ich kann nicht warten.�
Sie reichten sich die H�nde und �berlegten die Ausf�hrung. Nach einiger Zeit kam Romana mit Thr�nen, um ihren Bruder zu tr�sten, aber sie fand die beiden M�nner ruhiger, als sie es erwartete. Giulio hatte dem Abte mitgetheilt, warum er in der Nacht Oletta verlassen habe, um mit dem Capit�n Wilda, der ihm einen Boten gesandt, heimlich im Walde zu sprechen; was er weiter gewollt, davon sagte er ihm Nichts. Doch auch jetzt noch sprach er dagegen, mit dem deutschen Anf�hrer in Murato in Verbindung zu treten, denn er dachte daran, was die Folge sein k�nnte, und an sein Gel�bni�, diesen Fremden nie wieder in Oletta zu dulden. Der Abt stimmte ihm bei, da� Jener nicht in das Geheimni� ihres Vorhabens gezogen werde, wohl aber k�nne man den Capit�n wissen lassen, da� man auf seinen Beistand rechne, im Fall in Oletta Etwas geschehe.
Romana erfuhr von allen diesen Dingen Nichts, mit finstern Mienen wies Giulio ihre Tr�stungen zur�ck, und der Abt befahl ihr, das Weinen und Klagen zu lassen, wohl aber daran zu denken, da� sie eine Saliceti sei.
Was solche Mahnung bedeutete, konnte Romana ermessen, ihr Herz war voll Kummer, doch wagte sie nicht weiter zu fragen. Es kamen w�hrend dieses Tages manche Freunde, denn was Giulio geschehen, hatte sich schnell �berall verbreitet. Endlich kam auch der Podesta Montalti mit Trostworten und Bedauern, doch ging er bald wieder fort, sein Gesicht war erschrocken. Der Abt hatte ihn auszuforschen gesucht und von Dingen gesprochen, bei denen sich der alte bed�chtige Podesta bekreuzigte und bittende warnende Worte einwandte; da fuhr Peverino auf ihn los, und Montalti machte, da� er fort kam, er wollte Nichts weiter h�ren.
Oletta war den Tag �ber wie ausgestorben, keiner der Bewohner verlie� sein Haus, nur die Franzosen l�rmten und lachten auf dem Kirchhofe, und in den Gassen zogen ihre Streifwachen umher. Zur Mittagszeit aber rasselten die Trommeln. Oberst Arcambal lie� ausrufen, da� binnen drei Tagen alles vorhandene Pulver ihm abgeliefert werden sollte, bei wem dann noch davon gefunden w�rde, der sollte vor das Kriegsgericht gestellt werden, so auch der, welcher ohne Erlaubni� das Dorf verlasse. Die Waffen zu fordern, stand der Commandant noch an, denn er wu�te wohl, da� ein solcher Befehl den Corsen an's Leben greifen hie�. Die Meisten gaben sicherlich lieber dies bin, als ihre Flinten; Oletta aber zeigte wohl �ble Gesinnung genug, doch offen widersetzt hatte sich noch Niemand.
Somit dachte Arcambal sich zun�chst mit dem Pulver zu begn�gen, doch es war, als ob Niemand seine Bekanntmachung h�rte. Nicht einmal Weiber und Kinder wurden dadurch neugierig auf die Stra�e gelockt, in den d�steren Mauern der Steinh�user aber schallten ingrimmige Verw�nschungen, und mancher Schwur wurde abgelegt, da� diese R�uber nicht ein Loth Pulver bekommen sollten. Es gab Verstecke genug daf�r.
Als es darauf dunkel geworden und Nacht, kam Leben �ber Oletta. Es schlichen �berall M�nner heimlich durch die Gehege und verschwanden in der Casa Saliceti. Der Abt hatte Romana befohlen, in ihrer Kammer zu bleiben, den M�gden, in der K�che, Keine durfte diese verlassen; doch horchten sie hinaus und erz�hlten sich leise, was sie entdeckt.
Es sa�en ihrer drei�ig M�nner in der Halle beisammen, darunter die Ersten und Angesehensten, besonders die Jungen. Bernardo Leccia war erkannt worden, der Podesta war nicht gekommen. Sie blieben beisammen fast bis zum Morgen, und die M�gde lauschten, als Viele in die Keller hinabstiegen, und von unten herauf h�rten sie dumpfe Schl�ge. Die Spitzaxt w�hlte in dem felsigen Boden.
Am folgenden Abend geschah dasselbe, und am zweiten und dritten war es eben so. Die Tage dagegen gingen d�ster und still vor�ber, Oletta blieb �de. Pulver brachte Niemand in die Kirche, Niemand forderte einen Pa�. Oberst Arcambal sa� lauernd und giftig lachend in seinem Hause; er wollte abwarten, dann aber um so h�rter verfahren.
Und als der vierte Abend herandunkelte, trat Maria Montalti in das Haus der Saliceti und begab sich zu ihrer Freundin Romana. Und da sie deren Kammer �ffnete, sah sie, da� Romana vor dem kleinen Altare auf ihren Knieen lag und betete. Ein Licht brannte und beleuchtete das Bild der Gottesmutter, die das Kind am Herzen trug, und Romana hatte ihre H�nde inbr�nstig aufgehoben, w�hrend Thr�nen aus ihren Augen str�mten.
Leise trat Maria hinein, und indem sie verwundert auf ihre Freundin sah und sich n�herte, rief sie ihr zu:
�Du weinst, Romana! Warum weinst Du?�
Romana wandte sich zu ihr und antwortete:
�Um die weine ich, die ich liebe, um die Noth und Gefahren, welche sie bedrohen. Ich habe Nichts als meine Thr�nen, Maria, als meine Bitten zu der gnadenreichen Gottesmutter. Ah! ich habe kein Mittel, um das Ungl�ck abzuwenden, das uns bedroht, so bitte ich zu der Himmelsk�nigin, sie m�ge es nicht geschehen lassen.�
�Nicht geschehen lassen?� fragte Maria. �Sollen diese b�bischen Franzosen uns alle erw�rgen? Willst Du, da� sie auch andere M�nner so entehren, wie sie Deinen Bruder entehrt haben?�
Romana senkte den Kopf und legte ihre Hand auf ihr Herz.
�B�ses ist ihm geschehen,� erwiederte sie, �aber sollen wir B�ses mit B�sem vergelten?�
�O Du!� rief Maria zornig, �Du denkst nicht, wie ein corsisches M�dchen denken soll. Damals schon sagte ich es Dir, als Dein Herz sich einem Fremden zuwandte, nun aber wendet es sich von Deines Bruders Ehre feige seinen Feinden zu.�
Romana verneinte dies betr�bt.
�Mein Herz ist treu bei ihm,� seufzte sie, �aber Maria, liebe Maria! kannst Du solche grausame Rache w�nschen? Zittert nicht Deine Seele in Angst? Bebst Du nicht vor solchem Schrecken und um Bernardo, Deinen Bernardo?�
�Ich bebe nicht,� versetzte Maria. �Alle diese Elenden haben den Tod verdient, mag er sie treffen. Frage in Oletta, ob es Einen giebt, der anders d�chte. Alle wissen, was geschehen soll, Keiner ist, der sich nicht freute, der die Stunde der Rache nicht mit Jubel erwartete. Mein Vater h�lt sich zur�ck, weil er meint, es schicke sich f�r ihn, doch meinst Du, da� er Deinen Sinn h�tte? Er wei�, da� Bernardo zu den Eifrigsten geh�rt, und er billigt es, denn Schande w�re es f�r uns, wollte Bernardo seinen Freund verlassen, Schande, wollte er mit Feinden Mitleid haben, die dem Giulio Saliceti solche Schmach angethan. Wer sich nicht r�chen mag, wenn er entehrt wurde, der verdient Verachtung! Darum schweige und h�te Dich, da� die Rache sich nicht auch gegen Dich wendet.�
Dies letzte warnende Wort hatte Grund genug, denn Beispiele gab es manche, wo die Wuth sich gegen Weiber und Verwandte gekehrt, die den R�cher mit Bitten und Vorw�rfen abzumahnen suchten. Hier aber war das Rachewerk nicht in den H�nden eines einzelnen Beleidigten, sondern eine ganze Gemeinde hatte sich zu einer furchtbaren That verbunden. F�nfzehnhundert Menschen, Weiber und Kinder dabei, sollten der Vendetta erbarmungslos geopfert werden.
Wie aber konnte Romana dies �ndern? Wie w�re es m�glich gewesen, ohne Verderben �ber alle ihre Freunde zu bringen? Die kleinste Warnung, den wachsamen Franzosen �berbracht, gen�gte, um das Racheschwert auf Oletta fallen zu lassen. Zu viel war schon geschehen, um verziehen zu werden; ein blutiges Strafgericht mu�te jeder Entdeckung folgen, und wen mu�te es zun�chst treffen?
Romana faltete traurig ihre H�nde, Maria Montalti sprach die Wahrheit. Doch ehe sie Worte finden konnte, um weiter zu sprechen, entstand ein Ger�usch vor dem Hause. Ein Pferd stampfte dort die Granitplatten, der Reiter l�utete am Thore, gleich darauf lie� sich Giulio's Stimme h�ren und eine andere, die durch Romana's Mark zitterte, gab Antwort. Achill Grimaldi kam zu dieser Stunde nach Oletta, und Maria rief triumphirend:
�Gut, da� er hier ist, er wird Dir sagen, was sich ziemt, wenn Du ihm Deinen Kummer mittheilst. Gehe und empfange ihn.�
So, mit stolzem Vorwurf, schob sie Romana der Th�r zu, doch diese str�ubte sich, und erst als Maria wiederum h�hnte, es sei kein corsisches Blut in ihr, sprach sie entschlossen:
�Du hast Recht, ich mu� zu Achill hinab, ihn sendet Gott zur rechten Stunde. Er ist klug, und spricht das Herz nicht in ihm, so thut es der Kopf. Er wird rathen und helfen, wie es sein mu�.�
Sie machte sich bereit, und Maria Montalti folgte ihr nach und sagte spottend:
�Vertraue ihm nur; von ihm hast Du kein schwachherziges Mitleid zu hoffen. Er wird sich freuen �ber das, was er h�rt; Lieberes kann ihm nicht geschehen.� –
Sie hatte die richtige Antwort gegeben.
Romana fand in dem gro�en Zimmer ihren Verlobten im Gespr�che mit ihrem Bruder und ihrem Onkel. Er wu�te schon, was sich zugetragen, und mit klopfendem Herzen blieb sie stehen, als sie Giulio mit grimmiger Genugthuung ausrufen h�rte:
�In's Gesicht haben sie mich geschlagen, ich aber will ihnen daf�r einen Schlag geben, wovon sie bis in die Wolken fliegen sollen!�
�Seid Ihr schon so weit?� fragte Achill.
�Heut Nacht soll das Letzte geschehen.�
�Habt Ihr Pulver genug?�
�Pulver f�r alle diese Schurken. Aus ganz Oletta haben wir es beisammen.�
�Hier im Hause?�
�Im Keller liegt es.�
�Morgen also –�
�Morgen, sobald die Nacht anbricht.�
�Es ist der 13. Februar,� sagte Grimaldi nachdenklich und langsam, �man wird diesen Tag sobald nicht vergessen. – Dachtet Ihr auch daran, da� ein so furchtbares Krachen alle H�user hier oben mit fortrei�en kann, Euch selbst begrabend und zerschmetternd?�
�Alles ist wohl �berlegt,� antwortete der Abt. �Weiber und Kinder, die Alten und die Kranken werden morgen, sobald die Stunde heranr�ckt, gewarnt werden, sich an's andere Ende von Oletta zu begeben.�
�Wissen sie schon darum?� fragte Achill.
�Die Meisten wissen es, wenn auch nicht die Stunde.�
�Das scheint mir bedenklich,� fiel Grimaldi ein. �Ihr h�ttet besser gethan, heimlicher zu bleiben.�
�Es giebt in Oletta keinen Verr�ther,� versetzte Giulio. �Sie k�nnten es s�mmtlich wissen.�
�Aber ein Furchtsamer kann sich verrathen. Die Franzosen sind �berall auf ihrer Hut, sie merken auf jedes Zeichen. H�tet Euch wohl.�
�Sei ohne Sorge, Achill!� versetzte der Abt, �sie werden Nichts eher merken, bis die H�lle unter ihren F��en sich aufthut.�
�Eine H�lle ist es,� lachte Grimaldi, �seht zu, da� der Teufel Keinen �brig l��t.�
�Wenn die Weiber fort sind und die Schwachen,� antwortete der Abt, �bleiben die Tapfersten und Besten bei uns zur�ck, sammeln sich in unserem Hause und warten hier, bis die Lunte brennt.�
�Und diese soll keines anderen Mannes Hand anlegen, als die meine,� unterbrach ihn Giulio.
�Dann ist es Zeit, und ebenfalls zu sichern,� fuhr der Abt fort. �Zwar ist dies Haus so fest, da� ich Nichts besorge. Bei alledem ist unser Plan, wir laufen durch den Garten auf die andere Seite des Baches, und erwarten dort den Schlag. So wie er f�llt, dann heraus mit den Messern und Pistolen, und nieder mit Denen, die etwa noch am Leben sind.�
Ein Seufzer folgte seinen Worten nach. Alle sahen nach der Th�r und erblickten im Halbdunkel eine Gestalt.
�Wer ist da?� schrie Giulio voll Wuth und Schrecken, aber Grimaldi hatte sie schon erkannt. Er hielt ihn auf und sagte:
�Es ist Deine Schwester, es ist Romana. Jedenfalls geh�rt sie nicht zu Denen, die Nichts wissen.�
So nahm er ihre Hand und f�hrte sie n�her.
�Du hast alles vernommen, was hier verhandelt wurde, liebe Romana?� fragte er.
Sie antwortete Ja, aber sie stie� die� kleine Wort so kummervoll schwer hervor, als sei es eine schreckliche Last, und jetzt, da sie sah, da� Achill nicht that, was sie von ihm erwartete, lief sie pl�tzlich auf ihren Bruder zu, umschlang ihn mit ihrem linken Arme und streckte den rechten nach ihrem Oheim aus, indem sie angstvoll bittend Beiden zurief:
�Gnade! Giulio, Gnade! Vergieb ihnen, mein geliebter Bruder, vergieb ihnen, mein Oheim! Ueberla�t Gott die Rache, vergie�t kein Blut, das zum Himmel schreit.�
Aber diese Worte waren kaum gesprochen, als Giulio sie von sich schleuderte, und der Abt mit seiner Donnerstimme schrie:
�Soll ich Dich verfluchen, Du j�mmerliches Gesch�pf! Bist Du ein Abschaum ohne Gef�hl f�r die Ehre Deines Stammes? Bist Du keine Saliceti, sondern schlechter, als das elendeste Hirtenm�dchen aus den Bergen?!�
�Mu� man morden, um eine Saliceti zu sein?� antwortete Romana, deren Stolz bei diesen beleidigenden Vorw�rfen erwachte.
�Kein Wort mehr la� noch h�ren, wenn es Dich nicht reuen soll!� schrie der Abt, und Giulio sagte, gewaltsam sich m��igend: �Suche in Oletta umher, ob eine Schwester so zu ihrem Bruder, ein Weib so zu einem Manne sprechen w�rde, den sie liebt oder auch nur achtet. Der Elendeste w�rde Gott um Rache bitten und um tausend Leben nicht davon ablassen. Du aber hast kein Empfinden f�r unsere Ehre, weil Du die Deinige nicht besser beachtest.�
�Ha!� rief Romana, ihre leuchtenden Augen aufhebend, �das h�tte mein Bruder Carlo nimmer mir gesagt, und nie, nie h�tte er, der so stolz und tapfer war, Eure entsetzliche Rache gebilligt.�
�Maledetto!� schrie Giulio, aber Grimaldi hielt seinen Arm fest und sagte zu ihm und dem Abte: �La�t mich mit Romana ein Weilchen allein und werdet ruhig. Sie wird bald das Richtige erkennen, Ihr werdet zufrieden sein, sobald Ihr zur�ckkehrt.�
Damit f�hrte er Beide nach dem Zimmer des Abtes und kehrte dann zu Romana zur�ck, welche mit ihren nassen hei�en Augen auf den Balcon hinausschaute. Die Kirche lag auf dem Platze ihr gegen�ber, und sie sah dort die erleuchteten Fenster, die Menge der Soldaten, welche sich umhertummelten, und deren L�rm und Gel�chter zu ihr her�ber schallten.
�Und alle diese menschlichen Wesen,� sagte sie zu Achill gewandt, �wollen sie zerschmettern; morgen um diese Stunde sollen sie dort mit verst�mmelten Leibern liegen, weil sie eine Beleidigung r�chen m�ssen. Welche schreckliche S�nde! Welche grauenvolle That! Hindere Du es, lieber Achill, Du darfst es nicht zugeben; denn Du bist ein Richter, und Paoli selbst hat die Vendetta verboten. Alle gute Menschen werden diese That verfluchen, so lange die Welt steht, und Gott wird sie richten. Auf meinen Knieen bitte ich Dich, la� es nicht geschehen.�
�H�re mich an, theure Romana,� antwortete Achill sanft und leise, �ich kann Deinen Wunsch nicht erf�llen, denn meine Abmahnungen w�rden fruchtlos bleiben. Einst werden Zeiten kommen, wo man milder auch in Corsika denkt, jetzt aber giebt es Wenige, die Deinen Onkel und Deinen Bruder verdammen werden; man wird sie preisen und bewundern. Sie r�chen sich an ihren Feinden, und diese sind zugleich die Feinde ihres Vaterlandes. Es mag bei anderen V�lkern eine entsetzliche, eine h�llische That genannt werden, hier wird selbst Paoli damit zufrieden sein, denn Oletta wird dadurch befreit, und den Franzosen ein schwerer Schlag bereitet. Du kannst Nichts �ndern, theure Romana, Niemand kann es, ja, es mu� Dein Wunsch sein, da� dieser Plan gelingt, denn wenn er fehlschl�gt, ist Dein Bruder verloren, und Deinen Onkel wird sein geistliches Gewand nicht vor dem Henker sch�tzen.�
�Noch ist Nichts geschehen, Niemandem ist ein Leid widerfahren,� fiel Romana ein.
�Du irrst,� erwiederte Grimaldi: mit ruhiger K�lte, �die W�rfel sind geworfen. Einer mu� verlieren. Die Franzosen wissen bis jetzt Nichts davon, aber verschwiegen wird es ihnen nicht bleiben, und wer diesen Plan ersonnen, diesen Minengang gegraben hat, den wird ihr Kriegsgericht nimmer verschonen!�
�Ach! wie schrecklich ist es, da� Wesen, denen Gott Vernunft verliehen, sich hassen und verderben!� weinte Romana, ihre H�nde faltend.
�Leider ist es so,� erwiederte Grimaldi, �doch Gott hat es so gewollt, Romana, sonst w�rde er es nicht geschehen lassen. Das erste Gesetz des Lebens ist die Selbsterhaltung, die Sorge f�r unser eigenes Gl�ck. Jeder Mensch ist eine Welt f�r sich, Jeder soll suchen so gl�cklich zu sein w�hrend seines Lebens auf Erden, als er es vermag. Wer ihn daran hindern will, wer sein Gl�ck ihm streitig macht, wer ihm Schaden zuf�gt, der ist sein Feind; wer sich mit ihm zum gleichen Zwecke des Wohlseins verbindet, den nennt er Freund. So ist dies Leben ein Krieg Aller gegen Alle. Es m�ssen Viele sein, die besiegt werden, verderben und umkommen, Andere m�ssen triumphiren. Aber in f�nfzig Jahren oder in sechszig sind sie s�mmtlich todt, die Gl�cklichen wie die Ungl�cklichen verschwunden. Darum klage nicht zu sehr �ber die, welche morgen sterben sollen. Wir aber wollen leben, theure Romana, wir wollen gl�cklich sein! Es ist jedes Menschen Sache, sich vor Ungl�ck zu sch�tzen.�
�Und zu glauben,� sagte Romana, �da� Gottes Auge �ber uns wacht.�
�Zu glauben, da� seine Sterne den Unschuldigen rettend leuchten,� versetzte Achill, indem er ein L�cheln nicht unterdr�cken konnte.
Romana's hei�e Blicke flogen zum Himmel auf, und aus den D�nsten der Nacht schimmerte dort ein leuchtender Punkt, welcher immer lichter und gl�nzender wurde.
�Wahr und gewi�,� rief sie mit ausbrechender Freudigkeit, �Gottes Wille wird geschehen!�
�Und er lohnt den Gerechten,� fiel Grimaldi scheinheilig spottend ein, �also sei ruhig, liebe Romana, und vertraue ihm. Da aber morgen hier doch Manches geschehen kann, was Dein weiches sch�nes Herz betr�bt, so bitte ich Dich auf's Innigste nun noch einmal, begleite mich morgen fr�h nach Bastia und erwarte dort in Sicherheit und Ruhe, was die Vorsehung zul��t oder verhindert.�
Indem er dies sagte, traten der Abt und Giulio wieder herein, aber Romana ging ihnen entgegen, gefa�ten Muthes und mit klaren Mienen.
�M�ge Gott Eure Herzen lenken,� sagte sie, �ich bin ein schwaches Weib. Achill will, da� ich ihm nach Bastia folge, doch hier ist mein Platz; ich wei�, da� ich eine Saliceti bin. Sprecht kein Wort mehr dagegen, ich will Euch nicht verlassen. Du selbst, Achill, hast mich auf Gottes allm�chtigen Beistand verwiesen, so will ich ihm denn vertrauen, da� er uns gl�cklich mache und erhalte.�
Als Grimaldi Einwendungen erhob, zeigte sie in kluger Rede, wie leicht er in gro�e Gefahr gerathen k�nne und sie mit ihm, wenn sie nach dieser That in Bastia verweilen wollte.
Er konnte dies nicht ganz zur�ckweisen, die beiden Saliceti aber stimmten bei und lie�en Romana gew�hren; sie mochten auch jetzt wohl durch Zeichen ihrer Liebe die Ausbr�che ihres Zornes verg�ten wollen. –
Am Abend war Achill Grimaldi Zeuge von der Versammlung der Verschworenen von Oletta und deren Verabredungen. Sie f�hrten ihn auch hinab in die Keller, zeigten ihm den Pulvervorrath und den Minengang, und er sah nun selbst, da� nur noch die schon gelockerten Steine einer Mauer fortzuschaffen blieben, um in die unterirdischen Gew�lbe der Kirche zu gelangen. Dies letzte Hinderni� sollte aber erst am n�chsten Abend in der Stunde der Ausf�hrung des Rachewerkes fortger�umt werden, damit nicht etwa ein Zufall Entdeckung m�glich mache. Achill Grimaldi hie� Alles gut, ertheilte Rath und gute Lehren, wie das Pulver in der Mine behandelt werden m�sse, um die gr��te Wirkung hervorzubringen, wie man selbst sich am besten vor Schaden bewahren k�nne, und was zu thun sei, wenn der Schlag geschehen.
Die ganze Nacht �ber sa�en sie beisammen, denn Grimaldi berichtete auch, was er von den R�stungen in Corsika und den Abrichten der Franzosen erfahren hatte. Sein Bruder Leo hatte ihm geschrieben, da� der Pr�sident ihn aufgefordert, alle seine M�nner zu sammeln und in der Stille alle Vorbereitungen f�r den Kriegsausbruch zu treffen, da� einige englische Schiffe Pulver und Waffen in Porto Vecchio und in Ajaccio gelandet h�tten, und da� Alles, was wehrhaft sei auf der Insel, zur Rettung des Vaterlandes aufgeboten werde. Der Pr�sident habe Unterredungen gehabt mit dem englischen Admiral Smittoy und einem englischen Agenten, der die Corsen bestimmen sollte, sich den Franzosen zu unterwerfen. Aber Pasquale Paoli habe die hochherzige Antwort gegeben, da� die Corsen untergehen, doch nicht als Knechte verkauft werden k�nnten. Nun sei beschlossen, eine Volksversammlung in der Casinca zu halten, um das gesammte Volk zum Heldenkampfe zu entflammen.
Die d�steren Mienen der verschworenen M�nner hellten sich auf bei diesen Nachrichten, und als Giulio sprach:
�Auch wir werden, frei von unseren Bedr�ckern, nach der Casinca ziehen,� antworteten ihm flammende Blicke. Achill Grimaldi erz�hlte jedoch weiter, da� unaufh�rlich in Bastia Schiffe mit Soldaten, Kanonen und ungeheueren Vorr�then aller Art aus Frankreich anlangten, und da� General de Vaux vier starke Divisionen bereit habe, um loszuschlagen. Was er mittheilte, klang erschreckend, und doch wieder spottete er dar�ber und gelobte, sobald der Sturm da sei, seine Feder in's Feuer zu werfen, daf�r nach Schwert und Flinte zu greifen und mit seinen Br�dern zu stehen und zu fallen.
Daf�r dr�ckte ihm Mancher voll freudiger Bewunderung die Hand, und er nahm von ihnen Abschied, bedauernd, da� er nicht bleiben k�nne, doch sei es nothwendig, da� er gehe und Bastia erreiche, noch ehe Oletta sich in seine blutige Rachewolke h�lle. Auch hierbei bewunderten die M�nner seine Unerschrockenheit, denn wohl lie� sich denken, da� die Franzosen Verdacht sch�pfen w�rden; allein er beruhigte sie, und als der Tag anbrach, schwang er sich auf sein Pferd, zeigte der Wache seinen Pa� und ritt nach Fiorenzo hinab, unbek�mmert um die h�hnischen Worte der Franzosen. –
Langsam ging dieser letzte Tag vor�ber. Am Himmel hingen dunkle schwere Wolken, in der Serra tobte ein Wetter, das mit Sturm und Regeng�ssen und flammenden Blitzen von Zeit zu Zeit aus den Bergen hervorbrach. Und wie der Himmel dumpf und schw�l, so war es in den H�usern von Oletta, so auch in der Casa Saliceti! Romana hatte den scheidenden Grimaldi bei seiner Abreise nicht gesehen, und als Giulio sp�ter in ihre Kammer blickte, fand er sie vor dem Altar im Gebet und zog sich davor zur�ck.
Als die Geschwister und der Oheim dann beisammen ihr Mahl hielten, sprach Keiner mehr �ber das, was mit furchtbarer Gewi�heit mit jedem Ticken der schwarzen Uhr an der Wand n�her r�ckte. Nur zuweilen warfen die beiden M�nner ihre Blicke ungeduldig auf die Zeiger und dann scheu und wild hinaus auf die Wolken und den Nebel, der wie ein Leichentuch �ber Platz und Kirche hing.
So verging eine Stunde nach der andern, und der Abend begann zu nahen. Der Abt ging in seine Kammer, Romana h�rte Waffen klirren. Sie sah, wie der Diener des h�chsten Herrn sein Doppelgewehr von der Wand nahm, und wie er �ber seinen Priesterrock einen Gurt schnallte, um Pistolen und ein langes zweischneidiges Dolchmesser hineinzustecken. Auf dem Platze h�rte sie Ger�usch, er war bisher leer gewesen.
Die Franzosen hatten sich vor dem Regen in der Kirche geborgen, jetzt kamen sie hervor, um mit Verwunderung die Bewohner von Oletta anzuschauen, welche aus den an der Kirche und am Ausgange des Dorfes gelegenen H�usern eilig und scheu bei ihnen vor�berzogen. Greise, von Kindern gef�hrt, Weiber, mit allerlei Habe beladen, M�nner auch wohl, die Nichts mit dem gefahrvollen Unternehmen zu thun haben wollten, machten sich fort wie Ratten, die ein Schiff verlassen, das im nahen Sturm zertr�mmern soll.
Die Soldaten standen staunend �ber diese Wanderung, deren Grund sie nicht begriffen; w�hrend dessen aber schl�pfte durch die Hinterpforte eine Anzahl M�nner in die Casa Saliceti, in ihre rauhen dunkeln M�ntel geh�llt. Ihre Waffen befanden sich l�ngst hier verborgen. Giulio durfte sie nur aus den Verstecken holen.
Und noch war er damit besch�ftigt, als ein Reiter im vollen Galopp �ber den Platz sprengte. Wer war es? Woher kam er? Die Dunkelheit lie� ihn nicht mehr erkennen, auch verschwand er schnell an der Kirche.
Ein Franzose mu�te es sicherlich sein.
�Gleichviel,� sagte der Abt. �Er bringt sicherlich irgend einen nichtsw�rdigen Befehl und kommt zur rechten Zeit, um den Luftsprung mitzumachen. Es ist Zeit, Freunde; ordnet Euch, wie wir es verabredet. Hinab in den Keller, Giulio. Nehmt Eure Werkzeuge, r�umt die Mauer fort; dann das Pulver hinein und die Leitung daran. In einer halben Stunde m��t Ihr fertig sein.�
In dem Augenblicke wirbelten die Trommeln vor der Kirche. Die Verschworenen standen horchend und athemlos.
�Was haben sie vor?� fragte Giulio heftig.
�Sie sollen marschiren, haben Ordre erhalten. Der Teufel steht ihnen bei!� versetzte Bernardo Leccia.
Alle fl�sterten eine Zeit lang, verborgen hinabschauend hinter den schmalen Fenstern; pl�tzlich aber wurde es dr�ben hell.Fackeln flammten auf, die Franzosen standen unter Waffen. Commandoworte schallten, die rauhe Stimme des alten Obersten lie� sich vernehmen. Gleich darauf eilte ein Schlachthaufe in das Thal hinab, ein anderer links gegen die Berge, ein dritter vorw�rts auf die Casa Saliceti los, von allen Seiten sie umzingelnd. Ein furchtbares Geschrei durchhalte die Luft; als es verstummte, schrie Arcambal:
�Heraus, Ihr M�rder, aus Eurer H�hle! Ergebt Euch, oder meine Kanonen sollen Euch Alle zerschmettern!�
�Verrath!� schrie der Abt drinnen. �Wir sind verloren!�
�Ergebt Euch, so will ich die Weiber verschonen!� begann der Oberst noch einmal. �Ich will die Unschuldigen verschonen.�
�Ha! Romana!� sagte Giulio und ergriff den Arm seiner Schwester, welche neben ihm stand. �Rette Dich!�
�La�t uns sterben als freie M�nner,� sprach der Abt mit funkelnden Augen und fester Stimme. �Wir wollen diese Schurken niederschmettern, so lange wir k�nnen, dann wollen wir uns mit ihnen begraben. Lege die Leitr�hre an den Pulverkasten, Giulio, und f�hre den Schlauch herauf zu uns.�
Hier wurde er unterbrochen, denn mit verzweifelnden Mienen sprang die alte Magd Orsola herein und kreischte:
�Sie sind da, sie sind in den Kellern und schlagen gegen die Fallth�r. Sie werden die Riegel sprengen – dann sind wir verloren! Verloren!�
Die M�nner standen wie vernichtet von dieser Schreckenskunde. Die Franzosen wu�ten Alles, sie hatten den Gang entdeckt, sie waren unter ihren F��en. – Ein Todeszittern lief durch ihr Gebein.
�Verzagt nicht,� sagte Romana mit ihrer klaren Stimme. �Benutzt den Augenblick, wo noch Verwirrung unter unsern Feinden ist. Hat Carlo Saliceti sich nicht mit einer kleinen Schaar durch ihr ganzes Heer geschlagen? Fallt auf sie wie ein Gewittersturm; Gott wird mit uns sein!�
Das war ein z�ndender Schlag.
�Sie hat Recht!� rief Giulio. �Es ist der einzige Weg, der uns noch �brig. Bleibe Du im Hause, Romana, sie verschonen Dich mit den M�gden.�
�Nein,� versetzte sie, �ich will leben und sterben wie eine Saliceti. Eile, mein Bruder, eile! Jede Minute ist verderblich.�
Da �ffnete sich pl�tzlich die Pforte, und heraus st�rmte die Schaar der Verschworenen. Eine Minute lang glaubten die Franzosen, sie k�men um Gnade zu bitten, aber f�nfzig Feuerblitze spalteten das Dunkel, dann noch einmal. Todte und Verwundete st�rzten in den dichten Reihen der Franzosen �ber einander. Und jetzt gab es ein Laufen und wiederum ein Feuer, Geschrei und Jammert�ne stiegen zum Himmel auf.
Aber die Franzosen erholten sich rasch von ihrer Verwirrung. Oberst Arcambal schrie ihnen voll Grimm und Wuth zu:
�Ewige Schande f�r Euch, Grenadiere, wenn diese M�rderbande uns entkommt. Holt sie ein, sto�t sie nieder! Hundert Livres f�r jeden Kopf, tausend f�r den nichtsw�rdigen Abt und seinen Neffen!�
Es lag eine starke Wache am Eingange der Berge, mit ihr hatte sich die Colonne vereinigt, welche der Oberst abgesandt. So von vorn und hinten von ihren Feinden gepackt, fochten die Corsen wie Verzweifelnde in einem dichten Gew�hl, schrecklicher noch gemacht durch die Dunkelheit, dennoch aber von ihr gesch�tzt. Von den Feuerwaffen zuckten nur einzelne Blitze auf, wer mochte sie gebrauchen, um vielleicht den liebsten Freund zu t�dten? Die furchtbaren Dolchmesser und kurzen Schwerter der Corsen und die Bajonette der Franzosen bedeckten den Felsboden mit Blut. Der grimmige Abt Peverino, in der einen Hand sein Scapulier, in der andern sein blutbedecktes Schwert, schritt laut betend und singend voran, w�hrend Giulio ihn deckte und seine Schwester schirmte, dabei seine Freunde ermahnte, fest beisammen zu halten.
Aber der Augenblick der Vernichtung war f�r die tapfere Schaar gekommen. Ihr Widerstand l�ste sich auf, umringt von der Ueberzahl lagen die Meisten am Boden; Bernardo Leccia, noch auf den Knieen fechtend, bis er, von den Franzosen ergriffen, fortgeschleift wurde. Ein Bajonettsto� fuhr dem Abt mitten durch den Leib, schreiend warf sich Romana �ber ihn und umschlo� ihn mit ihren Armen. Giulio hieb den Grenadier nieder, der sie durchbohren wollte, aber mit zehn Anderen um sein eigenes Leben ringend, w�re er verloren gewesen, wenn die Hilfe, welche er erhielt, eine Minute sp�ter gekommen. –
Hornst��e schmetterten jetzt von den nahen Felsen, und wie aus dem Boden hervorgezaubert st�rzten sich eine Schaar h�llischer D�monen auf die Franzosen. Ihr Anf�hrer befreite Giulio mit einigen Degenst��en, die eben so viele Franzosen niederstreckten. Dann, ohne weiter an dem Kampfe Theil zu nehmen, welcher jetzt rasch entschieden war, hob er Romana auf und hielt sie in seinen Armen, �ngstlich nach ihrem Leben forschend.
�Romana, meine Romana!� rief er.
Da schlug sie beide H�nde um ihn, und neben ihr schrie Giulio:
�Sie fliehen! Wir sind gerettet! – Habt Dank, Ihr tapferen Deutschen!�
Ein furchtbares Strafgericht erging am folgenden Tage �ber das ungl�ckliche Oletta. Schon in der Nacht kam General Grandmaison mit zwei Bataillonen und mit Reitern aus Fiorenzo, und ehe die Sonne aufging, drangen die erbitterten Franzosen in alle H�user und schleppten die M�nner gebunden fort. Der Podesta und die Gemeinder�the wurden von dem Profo� und seinen Leuten in Ketten gelegt und so in den Kerker unter dem Thurm gebracht, wo sie einen Haufen blutender, verst�mmelter Freunde fanden, welche in dem Gefechte und auf der Flucht gefangen wurden, Bernardo Leccia lag unter ihnen mit drei schweren Wunden, und an seiner Seite kniete der alte zitternde Podesta nieder und suchte unter Thr�nen ihm beizustehen. Bernardo dr�ckte ihm die Hand und murmelte leise:
�Maria!�
Doch lange Zeit blieb ihnen nicht, um zu klagen, denn wenige Stunden darauf sa� das Kriegsgericht beisammen. Und wiederum nach zwei Stunden waren vierzehn tapfere M�nner zum Tode verurtheilt, und noch beschien die Sonne die Kirche und das Kloster, da lagen auf einem Ger�ste auf dem Platze davor sieben Leichname mit zerbrochenen Gliedern. Sieben Verurtheilte waren vom Henker ger�dert worden, die anderen sieben sollten auf die Galeeren nach Marseille geschickt werden, so waren sie begnadigt. Den Podesta aber und die Gemeinder�the schickte das Gericht in Ketten nach Bastia, damit der Obergeneral ihre Strafe beschlie�e. –
Die Wuth der Franzosen war grenzenlos; diese Barbaren hatten ihnen ein furchtbares Ende zugedacht, nur durch einen gl�cklichen Umstand, durch einen Verr�ther waren sie ihm entgangen, nicht durch ihre Wachsamkeit. Wer jedoch den Leuten des K�nigs diesen gro�en Dienst geleistet, wu�te Niemand. In ganz Oletta gab es keinen Menschen, der daf�r belohnt wurde, dennoch mu�te es Einer sein, der auf's Genaueste um Alles gewu�t. Aber er hatte wohl Recht, verborgen zu bleiben, denn vor den Dolchen und Kugeln der Corsen, vor ihrem Ha� und ihrer t�dtlichen Verachtung w�rde alles franz�sische Gold ihn nicht gesichert haben.
Die Soldaten erz�hlten sich, da� General Grandmaison in Fiorenzo an jenem Tage einen Brief erhielt, der ihm die ganze Verschw�rung offenbarte. Sogleich warf sich einer seiner Adjutanten auf's Pferd, jagte hinauf nach Oletta und brachte dem Obersten Arcambal so bestimmte Nachrichten, da� dieser auf der Stelle bis in den Minengang und bis in die Keller der Casa Saliceti eindringen konnte.
Der Ingrimm der Franzosen steigerte sich aber durch ihre Scham, da� sie den gr��ten Theil der Verschw�rer sammt dem h�llischen Priester und seinem Neffen entkommen lie�en. Die Corsen hatten sich gewehrt wie Teufel, mehr als hundert Franzosen lagen todt und verwundet, daf�r hatte man vierzehn Gefangene gemacht, die nicht mit einer Miene um Gnade flehten. Sie h�tten Alle m�ssen ger�dert werden, wie es M�rdern damals geschah; allein die franz�sischen Generale wollten doch immer noch dem treulosen Volke eine menschliche Milde beweisen, daher suchten sie die sieben Schuldigsten aus, und unter diesen stand Bernardo Leccia oben an.
Er hatte mit fester Stimme bekannt, da� er die Mine graben half, und da� ihm Nichts so leid sei, als diese schmachvoll vereitelte gerechte Rache. Daf�r lag er jetzt kalt und starr vornan auf dem schrecklichen Ger�ste, und dort sollten die Leichen liegen, bis ihr Fleisch von den Knochen fiel, eine Beute der Raubv�gel und andern Gethiers; denn bei Todesstrafe hatte Oberst Arcambal befohlen, keinen der Todten vom Ger�ste zu nehmen und zu begraben.
Entsetzen lag auf Oletta. Kein menschliches Wesen zeigte sich in den Stra�en, kein Feuer, kein Licht brannte in den H�usern. Auf ihren Knieen lagen sie drinnen, von Schmerzen, Angst und Qual erf�llt; das Todesgeschrei der Ger�derten in ihren Ohren, ihre Herzen bei den Gefangenen in den Kerkern, ihre Gedanken bei der Schmach, die Allen widerfahren. Jedes Haus war bis auf den Grund durchsucht worden, jede Waffe ihnen genommen. Wehrlos und hilflos blickten sie in die Zukunft, verzweifelnd und verfluchend, denn was jedem Corsen das Theuerste und H�chste, ihr Ehrgef�hl, war auf's Tiefste verwundet. Sie waren beschimpft, geschlagen, von den Soldaten mit F��en getreten worden, nicht Weiber, nicht Kinder blieben von rohen Mi�handlungen verschont.
Nun kam die Nacht, und endlich kam der Schlaf, dr�ckte nach und nach mit milden Fingern alle die brennenden Augen zu und legte seine k�hlen weichen H�nde auf gequ�lte Herzen. Aber �ber ein Herz hatte er keine Macht, das schlug fort und fort, wie es den ganzen Tag �ber geschlagen, in dumpfen, schweren Schl�gen, der eine wie der andere, wie gegen eine Wand von Eis, an der das Blut gerinnt.
Maria Gentili Montalti sa� in dem �den Hause, in dem finstern kalten Gemache, vor dem Kamin ohne Feuer, auf dem Lehnstuhl ihres Vaters. Hier hatte sie oft gesessen, gewartet und gehorcht, bis sie Bernardo's Stimme h�rte, bis sie aufsprang und ihm entgegeneilte, oder dem Vater, dessen einziges, z�rtlich geliebtes Kind sie war. – Aber ihr Vater lag in Ketten im Thurme, und Bernardo – Bernardo – oh! wehe Wehe! Sie rang ihre H�nde zusammen, es war, als ob Eisschollen sich umklammern. Sie weinte nicht, sie klagte nicht. Ihr Gesicht lag auf ihrer Brust, ihre H�nde in ihrem Schoo�, ihre Augen waren geschlossen. Manchmal aber that sie diese weit auf, und wie ein gl�hend Eisen fuhr dann ein Schmerz durch ihre Brust. Das Feuer brannte darin mit namenlosem Schmerz. Sie wimmerte und �chzte und fa�te mit beiden H�nden nach ihrem Kopfe, dann wurde es wieder still.
Pl�tzlich aber sprang sie wie verz�ckt von dem Stuhle, irre Blicke um sich werfend. Sie hatte eine Stimme geh�rt, die rief mit uns�glichem Klageton: �Maria!� Es war Bernardo's Stimme, er kam, wie er sonst gekommen – aber nein, o nein! Wehe! Ach, wehe! Bernardo lag zerbrochen auf dem Ger�ste, bleich und todt. Doch die Todten rufen oft in der Nacht die, welche sie geliebt haben, bei ihrem Namen. Wer ihnen antwortet, der mu� sterben.
Maria wu�te dies wohl, aber sie streckte ihre Arme verlangend aus und rief:
�Hier bin ich, Bernardo! Nimm mich mit Dir, la� mich nicht zur�ck!�
Dann taumelte sie in den Stuhl, und die Sinne wollten ihr vergeben, sie konnte sich nicht aufrichten, nicht bewegen. Da h�rte sie die Stimme zum andern Male flehend an ihrem Ohr, Bernardo's Stimme, die sie so gut kannte.
�Ach, meine Maria, h�re mich, Du wirst mich nicht verlassen. Dort haben sie mich hingelegt, die grimmigen Feinde, kalt und nackt, den Geiern zur Beute. Komm, Geliebte, komm, la� Deinen Bernardo nicht in solcher Schande. Lege ihn in sein Grab, wie es Christen geziemt. Verla� mich nicht, Maria, meine Maria!�
Da sprang sie von Neuem auf und lief nach der Th�r, aber ihre Hand sank nieder, als sie an ihren Vater dachte. Durch des Henkers Hand sollte ein Jeder sterben, der einen der Todten von dem Ger�ste nahm. Ihr Herz fing an zu zittern, sie sah den alten Vater in der Finsterni�, wie er seine geketteten H�nde nach ihr ausstreckte, von Kummer und Gram verzehrt.
Und nochmals sank sie in den Stuhl und warf die Kappe ihrer schwarzen Faldetta �ber ihren Kopf, doch die Stimme des Todten drang hinein.
�O Maria! wende Dich nicht von mir. Ich habe Dich so sehr geliebt, nun liegt in meinem zerbrochenen Leibe mein Herz, das Dir geh�rt, schandvoll auf der Stra�e. Begrabe mich in der Kirche des heiligen Franciscus im Grabe meiner V�ter, da� ich zur Ruhe komme und Dich segne, Maria!�
�Ja, Bernardo, ja!� rief sie, �Frieden will ich Dir bringen, Frieden Dir, mir!�
Und so eilte sie hinab, �ffnete die Th�r und trat auf den Kirchplatz. Nichts regte sich. Der Himmel hing voll schwerer Wolken, aber zuweilen fegte der Sturm sie fort, und bleiches Mondlicht zitterte dann herunter. Gleich aber deckten schwarze ungeheure H�nde den Mond wieder zu, als sollte er das rothe schreckliche Ger�st nicht bescheinen, das vor der Kirche stand.
Die Eulen und die Raben schrieen um den Thurm; dem Grenadier, der vor dem Platze auf- und abschritt, mochte davor grausen und vor den Mondblitzen, die �ber die offenen starren Augen und blutig blassen Gesichter der sieben Leichen auf dem Ger�ste streiften. Er wandte sich davon ab und ging mit langsamen Schritten nach dem andern Ende des Platzes. Die Kirche aber war dunkel und leer, die Franzosen hatten sie ger�umt; hatten die Casa Saliceti und manche andere H�user in Besitz genommen an allen Enden Oletta's. Nur im Thurm lag die Wache, und das Stiftshaus war ganz von ihnen angef�llt.
Und jetzt heulte der Sturm und brachte auf seinen Fl�geln einen ungeheuren schwarzen Ballen, den er �ber den Mond warf. Und �ber den Platz ging Maria in ihrer schwarzen Faldetta, ungesehen in dem heulenden Nachtwetter. Sie stieg auf das Ger�st und nahm den siebenten der Todten in ihre Arme. Sie f�hlte die Last nicht, es war, als k�men ihr Riesenkr�fte. Sie trug ihn zu der Kirche des heiligen Franciscus und trat durch die kleine Pforte hinein in die �stliche Kapelle, da war vor dem Altare das Grab der Familie Leccia. An dem Altare setzte sie sich nieder, der Todte lag in ihrem Schoo�. Und jetzt trat der Mond wieder hervor, und durch das hohe Kirchenfenster leuchtete er in Bernardo's Gesicht und auf das Bild �ber dem Altar, wo der todte Christus auf dem Schoo�e der Gottesmutter lag.
Da in unendlicher schmerzensvoller Seligkeit dr�ckte sie des geliebten Todten Haupt an ihre Brust, und der Frieden, der auf seiner Stirn lag, drang hinein. Sie k��te ihn und sagte leise:
�Ruhe nun, o mein Bernardo! Ich habe erf�llt, was Du begehrtest, jetzt rufe mich an Dein Herz.�
Dann lie� sie ihn niedergleiten auf den Altar, hob den Stein von der Gruft, nahm ihr langes schwarzes Tuch von der Faldetta, umwickelte ihn damit und senkte ihn daran hinab.
Und als sie die Gruft geschlossen hatte, warf sie sich vor dem Altare nieder im hei�en br�nstigen Gebet zur schmerzensreichen Gottesmutter; darauf ging sie, und besch�tzt von der Gebenedeieten erreichte sie ungef�hrdet ihre Kammer. Ihr Herz war jetzt leicht, es war Friede darin; so schlief sie ein, hoffend auf Bernardo.
Und endlich erwachte sie von einem Geschrei, schlug die Augen auf und sah den hellen Tag. Ihre Magd stand h�nderingend an ihrem Lager.
�Wacht auf, o Maria! Wacht auf!� schrie sie. �Der Leichnam Bernardo's ist gestohlen worden, und gleich haben sich die Franzosen aufgemacht, haben den alten Leccia in Ketten geschlagen, so auch seine Vettern, und wollen sie Alle dem Henker �berliefern.�
Maria sprang auf und sah nach dem Platze hin. Die franz�sische Besatzung stand vor dem Stiftshause aufmarschirt, eine Wache brachte die gefesselten Leccia's, zahlreiche Officiere standen vor den Soldaten, schreiende und weinende Weiber folgten den Gefangenen nach. Maria aber sah, da� bei den Officieren mehrere sich befanden mit Goldschmuck und Federb�schen auf den H�ten, und gleich erfuhr sie, da� General de Vaux so eben gekommen sei, begleitet von Grandmaison und gro�em Gefolge. Gefa�ten Muthes verlie� sie das Haus, ging den Weibern nach und kam an den Kreis, eben als die Gefangenen dort verh�rt wurden.
�Ihr habt es gethan, leugnet es nicht,� rief der General. �Sterben sollt Ihr daf�r, wie es Euch angedroht wurde.�
�Nein,� schrie Maria auf, �nein, sie sind unschuldig!� und wie sich die Blicke ihr zuwandten, drang sie hinein und warf sich zu des Grafen F��en. �Ich habe meinen geliebten Bernardo begraben,� sagte sie dem�thig. �Hier bin ich, mein Herr; nehmt mich und la�t mein Haupt abschlagen, doch gebt Denen die Freiheit, welche schuldlos leiden.�
�Wie?� rief de Vaux, �Du willst die Th�terin sein! Was hast Du mit dem Leichnam gethan?�
�Er war mein Verlobter,� erwiederte sie, �in wenigen Wochen sollte unsere Hochzeit gefeiert werden.�
Nun erz�hlte sie, wie Bernardo sie gerufen, Nichts verschwieg sie, aber Oberst Arcambal fiel grimmig ein:
�Glaubt Nichts davon, mein General; sie will diese Misseth�ter retten!� und der Graf sch�ttelte den Kopf und sagte: �Heldenmuth genug zu solchen Dingen magst Du wohl besitzen, doch wie sollte Dir die Kraft dazu kommen. Wer hat Dir geholfen?�
�Meine Liebe, mein Herr, und die gnadenreiche Gottesmutter,� antwortete Maria.
�Wie willst Du es beweisen?� fragte de Vaux weiter.
�Geht und �ffnet die Gruft der Leccia,� versetzte sie, �dort werdet Ihr ihn finden, und um seinen Leib das Tuch meiner Faldetta, in das ich ihn einh�llte, als ich ihn hinablie�.�
Auf des Generals Wink entfernten sich Mehrere, bald kamen sie zur�ck mit dem Tuch. De Vaux sah in das stille Gesicht Maria's, in ihre gro�en begeisterten Augen, und pl�tzlich hob er sie auf, Thr�nen liefen �ber sein Gesicht.
�Gro�herziges M�dchen,� sagte er, �ich glaube Dir. Geh', Du bist frei. Geh' und erl�se Deinen Vater aus dem Thurm; erl�se sie Alle, ich will ihnen die Strafe erlassen. M�ge Gott Deinen Heldensinn belohnen, m�ge er uns Allen vergeben und uns Frieden schenken!�
Da beugten die Corsen ihre Kniee vor dem gro�m�thigen General; ein Freudenschrei erschallte zum ersten Male wieder in Oletta. Und von ihren Verwandten mit Liebesworten �bersch�ttet, wurde Maria im Triumphe nach dem Kerker gef�hrt, dann in ihres alten Vaters Armen nach Haus.
An demselben Tage aber nahm man auch die anderen sechs Gerichteten von dem Ger�ste, gab sie ihren Verwandten und erlaubte ihnen, sie christlich zu bestatten. Und der Obergeneral kam in das Haus des Podesta, um Maria nochmals zu sehen, zu tr�sten, zu r�hmen und zu preisen. Er setzte Montalti wieder ein in sein Amt und so die Gemeinder�the, versprach ihnen seinen Schutz, und da� Niemand mehr um diese Verschw�rung verfolgt werden sollte. Gutes sollte den Bewohnern Oletta's fortan geschehen, wenn sie dem K�nige von Frankreich getreu und ergeben sein w�rden, Gutes auch dem hochherzigen M�dchen, dem er verhie�, immerdar ihr Freund und Sch�tzer zu sein.
Aber vier Wochen darauf l�utete die Todtenglocke in der Kirche des heiligen Franciscus, und sie trugen Maria Gentili Montalti zu ihrem Freund und Sch�tzer Bernardo, der sie gerufen hatte.
Den schwer verwundeten Abt Saliceti hatte sein Neffe in den Convent von Lento gebracht, und hier wurde er von seiner Nichte gepflegt und von einem Arzte behandelt, den der Capit�n Wilda auch Murato her�berschickte, wo er zu einem der corsischen Regimenter geh�rte, welche so eben dort einger�ckt waren, das Lager befestigen zu helfen und die P�sse gegen das Land Nebbio zu bewachen. Es reihte sich Woche an Woche, doch die Wunde des Abtes wollte nicht heilen; sein m�chtiger K�rper zehrte ab, doch sein Gem�th blieb feurig, und sein Geist klar und stark. Er nahm den lebendigsten Antheil an den R�stungen auf der Insel, und als die Nachricht kam, da� die gro�e Volksversammlung in der Landschaft Casinca den Beschlu� gefa�t, bis zum letzten Blutstropfen f�r Corsika's Recht und Freiheit zu k�mpfen, wollte er durchaus sein Bett verlassen, sein Schwert wieder umg�rten und mit dem Kreuz voranziehen.
Doch der Geist war williger, als das Fleisch. Bei dem ersten Versuche, das Krankenzimmer zu verlassen, sank er zusammen, und Alle sahen nun wohl, da� sein Ende herannahte, nur er schien es nicht zu wissen.
In dem Lager von Murato sammelte sich nach und nach die ganze corsische Macht. Die Milizen kamen unter ihren F�hrern, und nach corsischer Sitte ordneten sich ihre Abtheilungen nach den Gemeinden. Verwandte und Freunde standen dicht neben einander, die Geschlechter beisammen, die S�hne neben den V�tern, wie einst bei den alten Germanen, damit Jeder seine Thaten unter den Augen seiner Sippschaft verrichte, es Keinem auch an Hilfe und Beistand fehle.
So ordneten sich die Z�ge, und dies corsische Heer in rothen phrygischen M�tzen, Taschen von Eberfell und rauben Kitteln von Ziegenhaar war seltsam anzuschauen. Da kamen die hohen heldenhaften Gestalten der M�nner von Marodaglio und vom S�den her, aus den Bergen und Bergth�lern von Ornano. Es kamen die stolzen K�stenleute von Bonifacio, die rauhen Hirten aus den Schluchten des Monte Rotondo und d'Oro und die schnellen schlauen Burschen vom Cap Corso. Der gr��te Theil dieser K�mpfer klein, broncefarbig, mit funkelnden schwarzen Augen, scharfen eckigen Gesichtern, napoleonischen Anblicks, darunter aber auch sch�ne herrliche J�nglinge von edelster Gliederung, altgriechisch in ihren Mienen und Bewegungen. Alle in braunen Kitteln, im Gurt Messer und Pistolen, an der Kugeltasche das Pulverhorn, im Ziegenschlauch Wein, Milch und Brot, in den H�nden die Doppelflinte.
Die Muschelh�rner t�nten schrillend scharf bald auch in den Bergen um Lento, wo der kranke Abt freudig aufhorchte, wenn er sie vernahm. Giulio Saliceti, sein Neffe, hatte von den treuen M�nnern Oletta's gesammelt, was �brig geblieben, und einen kleinen Schlachthaufen daraus und aus anderen Fl�chtlingen des Nebbio gebildet. Selten vergingen ein paar Tage, wo er nicht aus Murato her�ber kam, seinem Oheim Nachricht zu bringen, was dort geschehen. Die Seele des alten Priesters f�llte sich dann mit freudigen Hoffnungen.
Der Pr�sident Paoli war �berall, treibend, f�rdernd und ordnend, und wo er war, st�hlten sich Muth und Vertrauen. Alle Hilfsmittel, welche Corsika besa�, wurden von ihm aufgeboten, und im Namen Gottes und des Vaterlandes beschwor der General alle Corsen, jetzt jeden Streit zu vergessen, jede Feindschaft aufzugeben. In der That waren noch niemals in diesem Lande so viele Vers�hnungen geschlossen worden, denn auch die Priester zogen umher und ermahnten bei des Himmels ewigem Strafgericht, von jeder Blutrache abzulassen. So reichten sich Gegner die H�nde, welche bisher sich nicht sehen mochten, ohne nach ihren Mordgewehren zu greifen.
Das ganze wehrhafte Volk zog herbei, und mit ihm kamen wiederum auch manche Fremde, um den Corsen zu helfen; aber der Deutsche, welcher die M�nner aus Oletta vom sicheren Verderben gerettet hatte, kam nicht nach Lento, obwohl der wunde Abt oft nach ihm fragte und nach ihm verlangte.
Er war nur einmal dort gewesen, als er den Abt in den Convent bringen half, darauf kam er nicht wieder. Die Dankbarkeit des Abtes war gro� gewesen. Romana hatte ihm beim Abschiede schweigend die Hand gereicht, aber ihre Augen gl�nzten wie Siegesfackeln, und ihr Finger deutete himmelw�rts; er verstand ihr Zeichen. Giulio vermied ihn, doch war eine Aenderung in seinem Herzen erfolgt, die er sich selbst nicht eingestehen wollte, somit that er noch spr�der und rauher zu dem Fremden, der ihm so viel Gutes erwiesen.
Es konnte nicht fehlen, da� der Verrath in Oletta viele geheime Nachforschungen und Vermuthungen hervorrief, wer der Verr�ther gewesen, denn von diesem wurde Nichts bekannt. Viele hatten darum gewu�t, doch schwur der Abt Peverino t�glich noch immer bei seiner ewigen Verdammni�, da� kein Mann in Oletta solcher Nichtsw�rdigkeit f�hig sei, und fluchte und w�thete mit den zornigsten Verw�nschungen gegen den Elenden, der den Franzosen sich verkaufte.
Wo aber sollte man ihn suchen? Man wu�te nicht einmal, ob das Ger�cht wahr sei, da� General Grandmaison aus Fiorenzo die erste Nachricht erhalten, oder nur ersonnen, um den Th�ter zu verdecken. Montalti und manche Gemeinder�the hatten Nichts von der Sache wissen wollen, jetzt befanden sie sich wieder in ihren Stellen. Dennoch – was den greisen Podesta betraf, so machte des armen Bernardo's schrecklicher Tod und die r�hrende Heldenthat wie das Ende seines einzigen Kindes ihn zum Gegenstande der innigsten Theilnahme. Er sowohl wie alle Anderen waren ehrenhafte, angesehene M�nner.
Einer aber mu�te doch der Verr�ther sein, und wie genau mu�te er alle Umst�nde gekannt haben. Als Giulio zum ersten Male an den dachte, dessen Namen endlich allein �brig blieb, der letzte unter Allen, fuhr es ihm wie Feuer durch Mark und Bein. Er ri� den Brand aus seinem Hirn und schleuderte ihn weit von sich.
�Achill Grimaldi! – Fluch und Tod! �ber solch' Blendwerk des Teufels, er ein Verr�ther! Nein und tausend Mal nein! Wer mochte das denken.�
Doch immer wieder kehrte der b�se Feind in Giulio's Herz, und entsetzlich war es, da� es seinem Oheim nicht besser ging. Der Abt sprach den Verdacht nicht aus, allein er lag zuweilen vor sich hin sinnend, murmelte von seltsamen Dingen, von der Menschen unergr�ndlicher Falschheit und Hinterlist, und fragte dann wohl pl�tzlich Romana, ob Achill Grimaldi noch immer Nichts von sich h�ren lie�e, und ob Niemand wisse, was er in Bastia treibe? Oder erkundigte sich bei seinem Neffen, sobald dieser kam, ob man noch nichts von neuen Verr�thern geh�rt habe, die von den Franzosen Ehren und Aemter angenommen?
Giulio's Gesicht verd�sterte sich bei solchen Fragen, sie trafen ihn schmerzhaft, weil sie mit dem �bereinstimmten, was er heimlich mit sich herumtrug, und wovon er doch keinem Menschen Etwas merken lassen durfte. Die Franzosen suchten um hohen Lohn jeden Corsen zu fangen, den sie brauchen konnten, und wen h�tten sie besser brauchen k�nnen? Wenn Achill Grimaldi wollte, wenn er sich verkaufen, sein Vaterland verrathen wollte, welch' Gewinn f�r den Feind der Freiheit! Und er lebte in Bastia, mitten unter ihnen, ihren Verlockungen Preis gegeben, und war ein feiner, franz�sischen Sitten ergebener Herr. Welche Schmach dann f�r die Saliceti, welche Schande f�r Romana, und wenn dies geschah, o Tod und H�lle! dann war er es auch, der Oletta verrieth, seine Freunde, seine Verwandten. Giulio zitterte am ganzen Leibe, so oft er dies bedachte; denn er verehrte seinen Freund dabei noch immer mit inniger Hingebung, fast dem�thig; corsische Wuth �berkam ihn nur, sobald er zu solchen Vorstellungen gelangte.
Doch nein, nein! Er war ja unm�glich, es war Satan selbst, der so Entsetzliches in seinem Hirn ausbr�tete, ihn mit Teufelsspuk toll zu machen. Darum vermied er auch um so mehr, dem Capit�n Wilda zu begegnen, denn er meinte, es ginge sein kl�gliches Denken mit vom Anblicke dieses Mannes aus, der so viele widerwillige Erinnerungen in ihm auferweckte.
Und doch hatte er ihm viel zu danken, und dieser Fremde, immer voll Freundlichkeit, ein Mann, den Jeder liebte und lobte; sowohl das Volk und seine Untergebenen, wie die Voranstehenden und der Pr�sident selbst. Mit unerm�dlicher Th�tigkeit hatte Wilda die Befestigungen von Murato geleitet; trotz der geringen und unvollkommenen Mittel Alles gethan, was sich thun lie�, um den Franzosen das Thal zu verschlie�en, das aus dem Nebbio herauff�hrte, und �berall wurde sein kriegskundiger Rath hochgesch�tzt, und seine Erfahrungen besonders beachtet.
Dieses tapferen und edeln Officiers Freund zu sein w�rde vielen stolzen M�nnern wohl gefallen haben, und im tiefsten Herzen gefiel es auch Giulio Saliceti, dennoch stellte er sich ihm kalt entgegen. Romana stand zwischen Beiden, das verga� der junge Corse nicht. Zwar hatte Jener niemals mehr nach ihr gefragt, nie ihren Namen genannt; und da� er nicht wieder nach Lento gekommen, erschien w�rdig und edel gehandelt, allein Giulio hatte in jener Mondnacht wohl den Ruf vernommenen: Romana, meine Romana! und in seinen Armen hatte dieser Fremde sie aus dem Get�mmel getragen, da sie ohnm�chtig an seinem Halse lag.
Nein, Giulio durfte ihm kein Zeichen von Zuneigung geben, er mu�te seine Schwester beh�ten, mu�te sie f�r Achill Grimaldi bewahren, wachsam sein f�r seine Familienehre.
Mit jedem Tage jedoch vermehrte sich das Get�mmel in Murato, und als der April zu Ende ging, waren f�nfzehntausend Corsen hier beisammen. Der Pr�sident langte mit seinen Officieren und seiner Wache an, den M�nnern von Marosaglia, welche sein m�nchischer Bruder Clemens befehligte. Wilder, d�sterer, gewaltiger war kein Mann auf der Insel. Mit scheuer Ehrfurcht sahen Alle auf ihn, als den von Gott erw�hlten furchtbaren Krieger, vor dem kein Anderer bestehen konnte. Aber Clemens Paoli war auch zugleich der geschickteste F�hrer, und kaum befand er sich im Lager, so begannen die Berathungen der Obersten; denn Nachrichten kamen aus dem Nebbio herauf, da� die Franzosen sich fortgesetzt verst�rkten.
An einem der letzten Apriltage wurde ein gro�er Kriegsrath gehalten, bei welchem auch Giulio Saliceti zugegen war, und es handelte sich darum, zu entscheiden, ob es besser sei, den Angriff des Feindes in Murato zu erwarten, oder, ehe dieser es ahnte, durch die P�sse und Schluchten hervorzubrechen und �ber ihn herzufallen, wie es im vorigen Jahre geschehen.
Gr�nde wurden f�r beides geltend gemacht. Der Capit�n der deutschen Schaar und Manche mit ihm riethen, die vortheilhafte Stellung nicht zu verlassen. Eindringlich zeigte Wilda ihre Vortheile und hob es hervor, da� bei aller Tapferkeit der Corsen nicht vergessen werden d�rfe, da� sie den besten franz�sischen Soldaten gegen�ber st�nden, welche, begierig nach Rache und von vorz�glichen Officieren befehligt, den Vortheil strenger Disciplin bes��en und nach allen Regeln geschult seien.
Mehrere der F�hrer erinnerten sich dabei, da� dieser Deutsche schon oft den Rath ertheilt, den Corsen soldatische Dressur beizubringen, wogegen sich ihr heftigster Widerwille str�ubte. Jetzt fielen zornige und sp�ttische Worte, Streit entstand und verbitterte sich. Die Corsen, so hie� es, seien keine S�ldner, die sich abrichten lie�en. Nach Pfeife und Trommel m�ge Keiner marschiren oder nach Commando laden und feuern, schwenken und sich drehen. Wie freie M�nner w�rden sie fechten, mit Dolch und S�bel auf ihre Feinde fallen und alle deren K�nste durch ihre Tapferkeit vernichten, wie diese bei Borgo vernichtet wurden.
Darauf antwortete der Deutsche:
�Was einmal gelang, gelingt nicht immer. Solch ein Heer, wie dies, mu� siegen oder untergeben. Wird es geschlagen, l�st es sich in wilde Flucht auf, denn nur der wohlgeschulte, an Zucht und Ordnung gew�hnte Soldat h�lt auch im Ungl�ck fest zusammen. In dieser starken Stellung ist es m�glich, dem viel zahlreicheren Feind hartn�ckigen Widerstand zu leisten, auch bleibt uns endlich der R�ckzug in das Golothal offen, um hinter dem Strom eine neue vortheilhafte Vertheidigungslinie einzunehmen.�
Diese Antwort mi�fiel den meisten Corsen noch mehr, sie f�hlten sich beleidigt, da der fremde Soldat die Franzosen herausstrich und Flucht und Aufl�sung in Aussicht stellte. Finstere Gesichter blickten ihn an, und einer der wilden H�uptlinge, Filippo Serpentini, sprang auf und schrie mit Heftigkeit:
�M�gen die Fremden sich hinter den Schanzen verbergen, wir Corsen wollen nicht warten, bis der Feind uns aufsucht, sondern nach unserer Sitte sehen, wo wir ihn finden.�
Lauter Beifall folgte seinen kecken Worten, aber aus dem Hintergrunde antwortete eine vollt�nende Stimme:
�Ihr w�rdet Unrecht thun, die Vorsicht zu vergessen. Ich rathe dazu, in Murato zu bleiben, denn denn die Franzosen sind mit ihrem ganzen Heere schon im Anzuge und lassen es an Wachsamkeit nicht fehlen.�
Alle wandten sich dem Sprecher zu, und ihre Mienen wurden hell, als sie ihn erkannten. Es war ein hoher stolzblickender Mann eingetreten, nach welchem schon Viele vergebens gefragt hatten. Leo Grimaldi! riefen Manche hoch erfreut, und der Pr�sident Paoli, der bisher schweigend zugeh�rt, streckte ihm seine Hand entgegen.
�Edler, tapferer Grimaldi,� sagte er, �Du kommst zur rechten Stunde, mit Sehnsucht habe ich Dich erwartet. Du bringst uns Nachrichten �ber den Feind?�
�Ich erwartete meinen Bruder aus Bastia,� antwortete Leo, �darum z�gerte ich, bis er kam. Jetzt h�rt ihn, er kann Euch genauen Bericht erstatten.�
Da blickten die Corsen Achill Grimaldi an, welcher bescheiden vortrat; Giulio Saliceti h�tte vor Freuden aufschreien m�gen. Hier stand sein Vetter und Freund, nicht mehr im schwarzen Rocke und feiner Hemdkrause, sondern wie ein echter Sohn des Landes im Mentone mit Gurt und Tasche. Und sie h�rten ihn Alle aufmerksam, denn er brachte die vollst�ndigste Kunde von den Pl�nen des franz�sischen Generals. Die ganze feindliche Armee war auf dem Marsche, mehr als 30 000 Mann stark. General Grandmaison f�hrte die Vorhut, Marbeuf das Gros. Achill wu�te �ber jedes Regiment Auskunft zu geben. Die erdenklichste Vorsicht war getroffen, der Zug auf's Sorgsamste vorbereitet, die strengste Wachsamkeit angeordnet, alle Einrichtungen vollkommen.
Ein leises Grausen sch�ttelte Manchen, der diese Erz�hlung h�rte, welche so getreu alle Einzelheiten schilderte. Da� ein entsetzlicher Kampf bevorstand, konnte sich Niemand mehr verhehlen. Damit �nderte sich auch die Meinung, man m�sse Murato verlassen und dem Feinde entgegenziehen. Die beiden Grimaldi erkl�rten dies f�r unm�glich und stimmten dem deutschen Capit�n vollst�ndig bei, dasselbe aber thaten die verst�ndigsten und t�chtigsten F�hrer, Clemens Paoli voran, endlich auch der Pr�sident, der die Stellung von Murato selbst und zuerst als Kampfplatz ausgesucht hatte.
Die Einigkeit war hergestellt, und General Paoli dankte seinem Freunde Grimaldi mit herzlichen Worten:
�Du bringst uns tausend tapfere M�nner vom Cap, theurer Grimaldi,� sagte er, �sie werden unter Deiner und Deines Bruders Leitung ruhmvolle Thaten begehen, zufriedener aber macht es mich, da� ich Dich zur Seite habe, denn nun wei� ich, da� der beste und treueste Corse bei mir steht. Du sollst mit Deinen Braven Lento besetzen, der tapfere Gaffori soll mir Canavaggio bewahren. Geschehe dann, was da wolle, hier in Murato, hinab an den Golo k�nnen die Franzosen nicht; wagen sie es, so wird es ihr Verderben sein. So, meine Freunde, la�t uns muthig den �berm�thigen Feind erwarten.�
Sobald der Kriegsrath beendet war, warf sich Giulio Saliceti voll Entz�cken in die Arme seines Vetters. Alle traurigen Vorstellungen hatte er vergessen, sie waren alle falsch. Reuevoll bat er ihm heimlich den entehrenden Verdacht ab. Achill war der kluge, treue, standhafte Freund seines Vaterlandes, dem er jedes Opfer brachte. Wie er es verhei�en, kam er, Dolch und Pistolen im G�rtel, und seine erste Frage betraf Romana. Giulio mu�te ihm nun den Hergang der Dinge in Oletta erz�hlen, den Kampf, die Flucht, die Rettung, die Geschichte der ganzen Zeit bis auf die letzte Stunde.
�Habt Ihr denn keine Spur des Verr�thers entdecken k�nnen?� fragte er dann.
�Nicht die leiseste Spur,� antwortete Giulio mit verlegenen Blicken. �Aber er wird nicht immer verborgen bleiben.�
�Gewi� nicht,� fiel Achill ein, �er soll uns nicht entkommen. Doch dem Himmel sei Dank, da� er Dich besch�tzte und meine geliebte Romana! Dein armer Onkel ist zu beklagen, doch immer noch gl�cklich, da� er den Franzosen nicht in die H�nde fiel, denn sie w�rden ihn eben so gewi� ger�dert haben, wie diesen n�rrischen Bernardo. Danken wir Gott, theurer Giulio, da� wir hier beisammen und am Leben sind, und jetzt la� uns nach Lento eilen, um den lieben Kranken mit Romana zu umarmen.�
Bald sprengten sie auf ihren rothen Pferden �ber die Felsen, und in dem Garten des Convents fanden sie den sterbenden Priester und seine Pflegerin. Der Abt hatte sich in den Fr�hling hinaustragen lassen, auf's Sehnlichste hatte er darnach verlangt. Voller Unruhe sa� er auf seinem Ruhebette in der milden, weichen Luft, die mit Bl�thend�ften erf�llt war, seine fieberhei�en Augen sahen der Sonne nach, die hinter den Bergen verschwand. Romana sa� neben ihm. Er hatte lange Zeit ihre H�nde festgehalten, w�hrend er leise seine Lippen bewegte. Pl�tzlich aber richtete er seine Augen auf sie, sah sie fest an und sprach:
�Haben nicht viele Weiber Schwert und Flinte genommen, Romana, und fechten f�r ihr Vaterland?�
�Ja, lieber Oheim,� antwortete sie, �es sollen deren mehr als hundert sein.�
�So thu wie sie, wenn ich todt bin,� fuhr er fort. �Steh Deinem Bruder bei, verla� ihn nicht und h�re� – er zog sie n�her heran und sagte leiser: �Versprich mir, Romana, bei Deiner Seelen Seligkeit, keinem Verr�ther Deine Hand zu reichen. H�re wohl, was ich sage: sto�e ihn von Dir, oder sei mit ihm verflucht! Ich sehe ihn, der mich verrathen hat, Dich, uns Alle,� fuhr er mit wachsender Heftigkeit fort. �Ich h�re ihn, er ist da, und wie er uns verrieth, so wird er das Vaterland verrathen. Pasquale Paoli! h�te Dich, Du bist verloren! Ich will hin, ich will zu ihm, ihn warnen. – Bringt mein Pferd, ich will nach Murato! Fort! Fort!�
Er richtete sich auf und fiel zur�ck, seine Augen verdrehten sich und sanken zusammen. Angst ergriff Romana, eine sonderbare Ver�nderung pr�gte sich auf dem abgezehrten Gesichte des alten Priesters aus, laut und angstvoll schrie sie nach Hilfe. In dem Augenblicke nahte sich Jemand, und sie schrie ihm entgegen. Sie sah Achill Grimaldi, der mit freudigem Ausruf seine Arme aufhob, doch sie hielt ihn zur�ck und deutete auf das Lager.
Grimaldi beugte sich dar�ber hin und blickte den Sterbenden an, der aber schlug seine Lider noch einmal auf, sein Blick traf den Blick, ein grimmiges Zucken lief �ber sein Gesicht. Der morsche K�rper richtete sich in die H�he, die Lippen �ffneten sich zum letzten Male. �In die H�lle mit Dir!� st�hnte er voll Wuth, starrte ihn gespenstisch an und wollte den Arm aufheben, da fiel er in die Kissen und war todt.
Die letzten Worte ihres Oheims hatte Romana nicht vergessen, auch als die Todtenklagen schwiegen und man den Abt eingesenkt hatte in die Gruft des Convents, wohin der L�rm des Krieges und die scharfen T�ne der Muschelh�rner nicht drangen. Die Bestattung geschah am 1. Mai, und Lento war gef�llt mit der Schaar des corsischen Kriegsobersten Leo Grimaldi und mit vielen Officieren sammt andern M�nnern und Freunden der Saliceti, die aus Murato gekommen, dem tapferen Abte die letzte Ehre zu erweisen. Unter diesen befand sich auch der Capit�n Wilda. Er wurde von Giulio wohl empfangen, doch Niemand kam ihm freundlicher entgegen als Achill Grimaldi, der, nachdem der Trauerfall besprochen, und der Leichenzug in die Kirche gegangen und zur�ckgekehrt war, noch lange Zeit mit dem Capit�n in der artigsten und zutraulichsten Weise verhandelte.
Die kriegerischen Ereignisse, welche man in den n�chsten Tagen schon erwarten mu�te, gaben den Stoff zu ihren Mittheilungen, denn die Franzosen waren durch die Landschaft Nebbio vorgedrungen und hatten sich von Oletta aus der h�her gelegenen Orte bem�chtigt, wobei es zu verschiedenen kleinen Gefechten gekommen war. Obwohl ihre Fortschritte endlich aufgehalten wurden, schien es doch gewi�, da� das feindliche Heer seinen Zug auf Murato bald wieder beginnen w�rde, und aufmerksam forschte Achill Grimaldi nach dem Urtheile des deutschen Officiers.
Dies lautete nicht besonders g�nstig f�r den Sieg der Corsen. Der Capit�n hielt es f�r zweifelhaft, ob bei dem Mangel an schwerem Gesch�tz und bei der geringen milit�rischen Ordnung in diesem Heere ein hartn�ckiges Behaupten dieser Stellungen m�glich sei, was jedoch nur entschieden werden k�nne durch die ausdauernde Tapferkeit und K�hnheit der Franzosen.
�Daran zweifelt nicht, mein Herr,� antwortete Achill. �Die Franzosen sind bis zur Wuth von ihren Officieren entflammt, zugleich sind es ausgezeichnete Soldaten, voller Vertrauen zu sich selbst und zu ihren F�hrern.�
�Dann ist es unsere Aufgabe,� sagte Wilda, �Murato so lange als m�glich zu vertheidigen und uns geordnet in das Golothal zur�ckzuziehen.�
�Wird das geschehen k�nnen?� fragte Achill bedenklich.
�Gewi�, wenn Jeder seine Schuldigkeit thut. Die z�he Tapferkeit der Corsen werdet Ihr, Herr Grimaldi, am wenigsten bezweifeln.�
�Nicht im Geringsten,� versetzte Achill; �die Corsen werden ihrem Namen Ehre machen; aber, mein lieber Capit�n, was wird geschehen, wenn das franz�sische Heer in das Golothal hinabsteigt?�
�Es kann nicht hinab,� erwiederte Wilda, �so lange Lento uns geh�rt. Der Pr�sident legt mit Recht den gr��ten Werth auf diesen starken Platz.�
�Mein theurer Herr,� sagte Achill bewegt, �ich lese in Euren Mienen, was Ihr nicht aussprechen m�gt. Am Golo wird Corsika's Freiheit begraben! So m�ssen wir diese Felsen mit unserem Blute bedecken, mag das meine bis zum letzten Tropfen ausstr�men; aber was wird aus Romana!� –
Ein Seufzer begleitete diesen Namen, dann hob er seinen Kopf lebhafter auf und dr�ckte des Capit�ns Hand.
�Ich wei�,� fuhr er fort, �welchen Antheil Ihr an diesem hochherzigen M�dchen nehmt, wei�, welchen Dank Euch die Saliceti schulden, und werde es niemals vergessen. Aber in welcher Lage sind wir jetzt! ich, dem das Herz tausendfach durchbohrt wird bei dem Gedanken an dies z�rtlich geliebte Kind. Mitten in den Kriegssturm ist es geworfen, nirgend ein Zufluchtsort, nirgend eine St�tze. Was wird ihr geschehen, wenn die Franzosen �ber uns herfallen? Das Erbe der Saliceti ist eingezogen, ihr Name ge�chtet, ein Preis auf ihre K�pfe gesetzt. Wohin soll Romana fliehen, wenn – gro�er Gott! wenn wir unterliegen? Wenn dies Morden mit wilder verzweifelter Aufl�sung endet, wenn wir erschlagen liegen, wenn alle Banden der Ordnung zerrei�en!�
Kummervoll legte er seine H�nde zusammen �ber sein Gesicht und blickte d�ster vor sich nieder. Auch Wilda schwieg, er wu�te Nichts darauf zu erwiedern, sein Herz pre�te sich zusammen wie seine Lippen.
�Nein, nein!� rief Achill darauf mit Heftigkeit, �so darf es nicht enden. Romana mu� fort, da es noch Zeit ist, und Ihr, mein Herr, Ihr m��t mir beistehen. Nirgend giebt es gr��ere Sicherheit f�r sie, als auf Cap Corso, in Sisto, im Hause meines Bruders, in seiner Familie, bei unseren Freunden. Was auch kommen m�ge, dort ist sie geborgen, und noch fehlt es uns nicht an Mitteln, sie dorthin zu geleiten. Denkt Euch, wenn Romana umk�me in diesem Gr�uel, wenn sie verst�mmelt oder ersch�pft von Elend im Buschwald endete oder von pl�ndernden Haufen der Franzosen gefangen w�rde. – Helft mir, mein Herr, der Ihr so gro�en Antheil an ihr nehmt, sie wird auf Euch h�ren. Ja, Ihr m��t mir beistehen, um Romana's willen.�
So bewegt Wilda von diesen Vorstellungen war, so mischte sich seinen Empfindungen doch ein lebhafter Widerwille bei. Argw�hnisch hefteten sich seine Blicke auf den Advocaten, doch er sah in dessen Gesicht nur Kummer und schmerzliche Aufregung.
�Ich theile Eure Besorgnisse, mein Herr, im vollen Ma�e,� erwiederte er, �doch kann ich Euch wenig helfen. Gr��eres erwartet von Euch selbst und von dem, der dieser Donzella am n�chsten steht, von ihrem Bruder. Ihr habt mit dem Herrn Saliceti doch gewi� gesprochen.�
�Noch nicht,� antwortete Achill, �doch bin ich seiner Zustimmung gewi�. Seht, dort kommt Romana. Geht ihr entgegen, sagt ihr, was Ihr als wahr befindet, schildert ihr aufrichtig Eure Besorgnisse und seid meiner ewigen Dankbarkeit gewi�.�
Das klang in des Capit�ns Ohren abermals wie arglistige Falschheit, aber seine Augen hingen jetzt an Romana, die sich n�herte, und alles andere Denken verschwand vor ihrem Bilde. Sie kam in dem schwarzen weiten Trauerkleide, in dem schwarzen Tuche, �ber welches ihr lockiges Haar rollte. Kummervoll waren ihre edeln, reinen Z�ge, und doch belebten sich diese, wie ein Sonnenleuchten den dunkeln Himmel erhellt, als sie ihn erblickte. In einem einzigen Aufschlagen ihrer tiefblauen Augen, an einem Strahl, der liebend ihn durchgl�hte, wie das rosige Morgenlicht die Memnonss�ule Nach der griechischen Mythologie wurde Memnon, Sohn der �G�ttin der Morgenr�te� Eos und von Tithonos, dem Sohn des trojanischen K�nigs Laomedon, als er seinen Onkel Priamos, K�nig von Troja, unterst�tzte, vor den Toren Trojas durch Achill get�tet. Eos entf�hrte Memnons Leichnam nach Aithiopia und beweint ihn noch immer. Ihre Tr�nen, die jeden Morgen als Tau vom Himmel fallen, r�hrten den obersten olympischen Gott Zeus so sehr, dass er Memnon Unverg�nglichkeit gew�hrte. Seitdem antwortet er morgendlich seiner Mutter Eos mit einem Klagelaut, wenn sie ihn mit den ersten Sonnenstrahlen streichelt, eine passende Assoziation zu den Ger�uschen, die der rechten Statue der Memnonkolosse im ober�gyptischen Theben jeden Tag bei Sonnenaufgang entwichen, deren Ursprung wahrscheinlich in Vibrationen der gro�en Bruchstelle des Kolosses beim schnellen Durchgang der n�chtlichen K�lte durch die Erw�rmung der ersten Sonnenstrahlen zu suchen sein d�rfte., erkannte er, da� Nichts sich ge�ndert hatte. Seine Arme wollten sich nach ihr ausstrecken, er h�tte aufschreien und in den Himmel rufen m�gen: �Ich will sie sch�tzen, mir geh�rt sie allein!� Wie seine Blicke aber umherflogen, trafen sie auf Giulio Saliceti, der seiner Schwester nachgefolgt, dicht bei ihr war; stolzer Ernst in seinen Mienen.
Da kehrte dem Capit�n die Besonnenheit zur�ck, und mit ihr schwanden die begeisternden Erscheinungen. Er sah nun Romana, die Verlobte des Herrn Grimaldi, und er dachte an sein Versprechen, die Wahrheit zu sagen. So ging er den Geschwistern entgegen, begr��te sie h�flich, und war bald an der Stelle angelangt, wo er nach seinem Worte handeln konnte.
�Verzeiht mir, mein Herr,� sagte er, nachdem Giulio um seines Oheims Tod geklagt, �wenn ich frage, ob Ihr, nachdem der hochw�rdige Abt in sein Grab gelegt wurde, daran denkt, in Lento zu bleiben.�
�Es sind in Murato zweihundert tapfere M�nner unter meinem Befehle,� antwortete Giulio, �und wie ich meine, ist die Stunde nahe, wo alle Corsen ihre Waffen zum Schutz ihres Vaterlandes bereit halten m�ssen.�
�Ich gebe Euch Recht,� erwiederte Wilda, �doch vergebt, wenn ich sage, da� Ihr mehr noch zu sch�tzen habt.�
�Als er dies gesprochen, blickte er Romana an, und Giulio's Gesicht wurde kummervoll.
�Ihr habt nur zu sehr Recht,� rief er aus, �wohin soll meine Schwester in diesem Kriegssturme? Rathet ihr und mir, wenn Ihr es k�nnt, was wir thun sollen.�
Der Capit�n wollte beginnen, seinen Rath zu ertheilen, als Romana ihm zuvorkam.
�Erlaubt mir,� sagte sie, �da� ich zuerst spreche. Wo ist jetzt Friede und Ruhe auf dieser Insel, und wo drohen nicht Gefahren? Wir sind vertrieben aus unserem Eigenthume, die Feinde verfolgen uns. Sie haben einen hohen Preis auf Deinen Kopf gesetzt, Giulio, und auf den Kopf dessen, der jetzt ihre Rache nicht mehr zu f�rchten hat. Wo ist gr��ere Sicherheit f�r mich, als bei Dir, mein Bruder, und welchen Namen verdiente ich, wollte ich von Deiner Seite weichen? Nein, es soll nimmer geschehen,� fuhr sie freudiger und stolzer fort, �ich will hier bleiben, wo ich die einzigen Freunde habe, welche ich noch in der Welt besitze, und ich will nicht von ihnen weichen, denn eine Stimme in mir, die ich oft schon geh�rt, ruft mir zu, da� ich nicht von Dir mich trennen soll.�
W�hrend sie ihren Arm um ihren Bruder legte, blickte sie den Freund an mit solcher Zuversicht und Siegesgewi�heit, da� ein s��es Empfinden ihn davon durchschauerte. Jetzt aber trat auch Achill Grimaldi herbei, denn Romana hatte mit laut t�nender Stimme gesprochen, und er kam mit sanftem L�cheln und mit warnenden Worten.
�Du hast es mir zwar mehrmals schon abgeschlagen, wenn ich Dich bat, mich f�r Dein Wohl sorgen zu lassen,� begann er, �doch jetzt ist die Noth gestiegen, und ich komme wieder und bitte Dich, liebe Romana, sieh ein, da� Du unm�glich bei uns bleiben darfst. Denn in das Kampfgew�hl kannst Du uns nicht folgen, und welche Beruhigung w�re es f�r uns Alle, Dich an einem sicheren Orte zu wissen.�
�Und noch,� fuhr er fort, �k�nnen wir daf�r Sorge tragen. La� Dir, wenn Du meinen Rath wiederum verschm�hst, von dem werthen und einsichtsvollen Freunde rathen, der Dir zur Seite steht.�
�Von ihm,� fiel Romana ein, und sie wandte sich dem Capit�n zu, �ja, so soll es geschehen. Doch wartet noch einen Augenblick und h�rt mich an: Sorgt nicht um mich, da� mir B�ses geschehen k�nnte, denn wisset, eine Prophezeiung hat mir verk�ndigt, da� kein Unheil mich treffen werde; doch Alles, was ich w�nsche und hoffe, soll sich erf�llen. Also la�t mich bleiben und f�rchtet kein Unheil.�
�Da� auch Propheten l�gen,� erwiederte Achill Grimaldi l�chelnd, �ist oft schon bewiesen worden. Besser ist es, das Vern�nftige zu thun, um den Aberglauben nicht zu bereuen.�
�Jeder folgt seiner Klugheit,� sagte Romana, �und Gott wacht �ber uns Alle. So wird auch mir geschehen, was �ber mich beschlossen ist. Doch nun sprecht, mein Herr, was Eure Meinung, und so Ihr glaubt, da� ich gehen mu�, will ich bereit sein.�
Da kam �ber den Capit�n eine Freudigkeit, die sich nicht l�nger verbergen lie�, denn Romana stand vor ihm, ihre Hand bietend, und in ihrem lieblichen Gesicht lagerte das h�chste Vertrauen und die Demuth ihrer Liebe. Giulio Saliceti regte sich nicht, die letzten Worte seiner Schwester gaben ihm zu denken.
�Da Ihr glaubt,� sagte Wilda, �da� eine h�here Macht Euch schirmt und antreibt hier zu bleiben, Euer Schicksal zu erwarten, so rathe ich, begebt Euch in das Golothal hinab nach Rostino. Dorthin hat der Pr�sident die junge Frau seines Geheimschreibers Carlo Bonaparte mit anderen Frauen gehen hei�en. Dorthin auch ist die Canzlei gebracht, und eine Abtheilung Soldaten h�lt jenen Ort besetzt. Ich will die Dame Letitia bitten, Euch unter ihre Obhut zu nehmen, wenn Euch dies genehm ist.�
Bei dieser Antwort r�thete sich das bleiche Gesicht Achill Grimaldi's, und zum ersten Male verlie� ihn die Verstellungskunst.
�Daraus kann Nichts werden,� fiel er in stolzem Tone ein, �und dies ist wahrlich kein Rath, den man von einem besonnenen Freunde erwarten durfte. Weder hier noch in Rostino ist Sicherheit zu finden. Wenn die Franzosen in das Golothal hinabdringen, wird Rostino der Schauplatz wildester Verwirrung sein.�
�Aber woher wi�t Ihr, mein Herr, da� die Feinde dahin gelangen werden?� fragte Wilda.
�Wer soll sie aufhalten mit ihrer �bergro�en Macht?!�
�Unsere Tapferkeit,� versetzte der Capit�n.
�Eure Tapferkeit,� l�chelte Achill geringsch�tzig.
�Mein Herr,� sagte Wilda w�rdig und ruhig, �ich hoffe nicht, da� Ihr zu Denen geh�rt, die ihr Vaterland verloren geben, noch ehe dies entschieden ist.�
�Ich gebe Nichts verloren, was mir geh�rt!� rief Grimaldi, �aber ich bin auch kein Abenteurer, der dem Zufalle vertraut. Romana in Sicherheit zu bringen ist mein Recht, daher werde ich bestimmen, was geschehen soll.�
Diese energischen Worte klangen wie ein Befehl, und sie r�ttelten den jungen Saliceti aus seinem Schweigen auf. Seine Stirn faltete sich; er nahm eine stolze Stellung.
�Ich denke,� begann er, �da� ich bis jetzt allein �ber meine Schwester zu bestimmen habe, und mir scheint der Rath, sie nach Rostino hinabzubringen, ein guter zu sein. Erwarten wir, was sich bei Murato zutr�gt; werden wir besiegt, so bleibt uns Zeit, weiter zu sorgen.�
�Wer wei�,� antwortete Achill gereizt und m�hsam sich bezwingend, �ob Du Recht beh�ltst. Ich bitte Dich, Giulio, stehe mir bei. La� uns unsere theure Romana von diesem blutigen Schauplatze der Kriegsgr�uel in ein friedliches Asyl bringen, wo keine Gefahren sie bedrohen.�
Romana trat l�chelnd zwischen Beide.
�Sage nein, mein Giulio,� sprach sie. �Ich bin nicht in Gefahr bei der Dame Letitia Bonaparte. Zu ihr la� mich gehen.�
�Ich bringe Dich nach Rostino,� erwiederte Giulio, so soll es sein.�
�Wie,� rief Achill, �bist Du so schwach, wei�t Du nicht –� er h�rte auf und f�gte dann langsam hinzu: �wei�t Du nicht, da� ich Gr�nde habe, �ber Romana zu wachen?�
�Meine Schwester ist Deine Verlobte, und sie wird es bleiben,� fiel Giulio ein, und einen drohenden Blick auf Wilda schleudernd sprach er weiter: �Wer dies vergessen wollte, sollte es bald bereuen. Kein Saliceti hat je sein Wort gebrochen. Fluch und Tod jeder Falschheit! Fluch und Tod jedem Verr�ther!�
Als er dies sagte, dr�hnte vom Gebirge her�ber ein dumpfes Krachen, das an den hohen Felsw�nden in Lento wiederhallte. Horchend standen sie verstummt. Donner folgte auf Donner. Ein Geschrei entstand. Menschen liefen erschrocken umher.
�Der Feind! der Feind!� riefen pl�tzlich viele Stimmen.
Nach wenigen Minuten sprengte Capit�n Wilda auf dem klippigen Pfade gen Murato. Als er zur�ckblickte, sah er Romana's schwarze Gestalt noch auf demselben Platze, aber in ihrer Hand wehte als Liebessahne ihr Mandile.
Drei furchtbare Kampftage vergingen bei Murato. Am 3. Mai stieg das franz�sische Heer das Gebirgsthal hinauf und begann seine Angriffe. Stellung f�r Stellung wurde genommen, Schanze f�r Schanze erobert. Zuweilen gab es ein wildes m�rderisches Handgemenge, zuweilen warfen die Corsen die Schlachtkeile der Franzosen von den Felsenh�hen hinab und st�rzten wie Verzweifelnde mit S�beln und Messern in die Weichenden. Aber immer neue Bataillone folgten den geschlagenen. Die dichten Hecken der franz�sischen Bajonette waren nicht zu durchbrechen, das furchtbare Kreuzfeuer der Kanonen konnte nicht bew�ltigt werden.
Doch jeder Fu� des gewonnenen Bodens kostete Blut. Die corsischen Sch�tzen lagen hinter jedem Busche, hinter jedem Steine, und mit wunderbarer Fertigkeit trafen sie ihr Ziel. Clemens Paoli, der M�nch mit den schrecklichen Augen, stand mit den M�nnern von Morosaglia voran. Jeder Schu� von ihm kostete einem Franzosen das Leben, und mitten in dem Toben der Schlacht sahen seine Krieger ihn, wie er im Kugelregen umherging, kaltbl�tig sein furchtbares Gewehr ladend, ordnend, befehlend; mitten im entsetzlichsten Morden h�rten die Franzosen die feierlichen Ges�nge der Corsen, erblickten sie Priester mit geweihten Fahnen und Heiligenbildern, fanden sie Weiber mit durchbohrten Leibern, die noch im Sterben sie zu t�dten suchten.
Am dritten Tage langte der franz�sische Obergeneral vor Murato an, und seine ganze Artillerie bescho� das feindliche Lager, ehe Sturm auf Sturm folgte. Tapfere, gewaltige Thaten geschahen hier, als aber der Abend kam, waren die Corsen schwer bedr�ngt, und wohl zu merken, da� sie nicht lange mehr widerstehen konnten. Viele ihrer tapfersten M�nner lagen todt, die Meisten hatten Wunden, es stand der letzte Verzweiflungskampf bevor.
Da ward ein Kriegsrath gehalten, ob dieser Kampf zu wagen und zu schlagen sei, oder ob es besser, w�hrend der Nacht in das Golothal zur�ckzuziehen und an diesem Strome, der schon so manchmal rothe Wellen schlug, ein neues Schlachtfeld zu suchen. Es wurden alle Gr�nde erwogen. Ward Murato erst�rmt, schien R�ckzug unm�glich, wilde Flucht und Aufl�sung mu�ten Corsika's Schicksal besiegeln. Hinter dem Golo aber lie� sich Ruhe und neue Kr�ftigung hoffen. Auch die Franzosen hatten schwere Verluste erlitten, und so lange Lento sie aufhielt, mochten sie sicher nicht nachfolgen, denn es gab keinen Weg f�r ihre Kanonen; auf halsbrechenden Pfaden kaum f�r ihr Fu�volk.
Alle kriegskundigen M�nner stimmten �berein, es in Murato nicht zum Aeu�ersten kommen zu lassen, das Heer zu retten, da es noch Zeit sei. Schon hatte sich die Ordnung mehr und mehr gel�st, schon war die gl�hende Kampflust ged�mpft, die Begeisterung f�r des Vaterlandes Freiheit von dumpfem Schrecken bet�ubt, da� es unm�glich sei, dem �bergewaltigen Feinde zu widerstehen.
Der Pr�sident hatte in diesen blutigen Tagen mit unersch�tterlichem Muthe die Vertheidigung geleitet. Ueberall war er an den bedrohten Stellen, keine Gefahr scheuend, die Corsen ermunternd, ihre Tapferkeit belebend und als Feldherr ordnend und handelnd. Es ruhten auf ihm alle Hoffnungen seines Volkes. Er wu�te, da� er auch jetzt, nachdem die �u�ersten Anstrengungen vergebens gewesen, dieselbe Zuversicht zeigen, dieselbe Ruhe zur Schau tragen mu�te. Keine Miene seines edeln, stolzen Gesichtes war ver�ndert, kein Wort dr�ckte eine Bef�rchtung aus, er sprach in freudiger, fester Weise aus, da� Nichts verloren sei, da� dieser R�ckzug nur dazu dienen werde, des Vaterlandes Freiheit sicherer zu behaupten, und alle seine Anordnungen und Befehle wurden mit ungetr�bter Klarheit gegeben.
Als er aber endlich allein vor dem Feuer sa�, sanken seine Mienen schlaff zusammen, und trostlos starr blickte er in die Flamme, w�hrend seine H�nde sich langsam zusammenkrampften, seine Lippen sich zuckend bewegten. So fand ihn der Capit�n Wilda, als er eintrat, wie der Pr�sident ihm geboten; aber Pasquale Paoli schien es nicht zu beachten, erst nach einigen Minuten blickte er auf, als erwachte er.
�Ihr seid es,� sagte er. �O, wie viel Blut ist vergossen! Seid Ihr ohne Wunden? – Gelobt sei Gott daf�r!� fuhr er nach der Antwort fort, und pl�tzlich rasch aufstehend f�gte er hinzu: �Es wird nicht vergebens vergossen sein, es kann uns niemals anklagen, denn f�r das h�chste und edelste Gut des Lebens streiten wir gegen �berm�thige Feinde. Wie der h�chste Herr auch �ber uns walten mag, keine Schande wird je an uns haften, mit Ehren werden kommende Geschlechter unsere Namen nennen.�
Was seine Gedanken besch�ftigt hatte, sprach sich in diesen Worten aus. Seine Augen ruhten gl�nzend auf dem Capit�n, er reichte ihm seine Hand und sprach:
�Wie Ihr der erste und tapferste K�mpfer in Murato gewesen seid, sollt Ihr es auch zuletzt verlassen. Die deutsche Compagnie und die Compagnie von Oletta sollen uns den R�ckzug decken. Haltet den Feind auf, so lange Ihr es k�nnt, doch leistet keinen ernsten Widerstand mehr; denn er n�tzt zu Nichts. Was jetzt geschehen soll, mu� am Golo geschehen. Ich habe jedoch diesen franz�sischen Herren ein paar harte N�sse aufgespart, die sie erst aufknacken m�ssen, wenn sie den Kern verspeisen wollen.�
Nach einer kleinen Stille antwortete Wilda:
�Darf ich eine Bitte aussprechen, mein General?�
�Was ist es?� fragte Paoli.
�Erlaubt, da� ich mit meinen Deutschen und der Compagnie Oletta die Besatzung von Lento verst�rke.�
Paoli dachte nach.
�In Lento wird Leo Grimaldi bleiben,� erwiederte er darauf, �Euch brauche ich n�thiger. Doch was treibt Euch zu solchem Wunsche? Ach!� rief er fortfahrend, �Ihr hattet einst schon besondere Bedenken, aber Achill Grimaldi k�mpft tapfer jetzt an seines Bruders Seite, und Dieser ist kein Mann, der einen schm�hlichen Verdacht zul��t.�
Er schwieg und erhielt keine Antwort. Sinnend kreuzte er seine Arme, doch schon nach einigen Augenblicken fuhr er lebhaft fort:
�Wer k�nnte es wagen, seines Namens Ehre anzutasten! Es giebt keinen Mann, den ich h�her sch�tzte, Keinen, dem ich reinere Vaterlandsliebe zutraute. Und Achill Grimaldi hat Amt und Brot in Bastia verlassen, um f�r die heilige Sache Corsika's sich zu opfern –� er hielt inne. �Wo ist Romana Saliceti?� fragte er darauf. �Hat man mir nicht gesagt, da� ihr Bruder sie nach Rostino brachte?�
�So ist es, mein General,� antwortete der Capit�n.
�Nun seht, mein Freund,� fuhr Pasquale Paoli l�chelnd fort, �so habe ich sie in meinem Hauptquartiere als Pfand und B�rgschaft und will sie wohl bewachen lassen. Ihr aber sollt nicht in Lento bleiben, Euer Platz soll an der Golobr�cke sein, die sollt Ihr mit Leib und Leben vertheidigen, und daf�r m�ge Euch Gott den sch�nsten Lohn bewahren.�
Nach einer halben Stunde wurde Wilda entlassen, und er ging von dem Pr�sidenten mit Bewunderung vor dessen edeln Eigenschaften und doch mit der Gewi�heit, da� Pasquale Paoli nicht gro� genug sei, um Corsika zu retten. Vergebens hatte er ihm nochmals die Wichtigkeit Lento's vorgestellt und ihn gebeten, alle und jede Vorsicht zu verdoppeln, um diesen Platz zu sichern. Paoli's reine Seele emp�rte sich gegen jedes Mi�trauen wider den Freund, leichter erblickte er in dem Warner einen von Eifersucht gequ�lten, darum ungerechten Widersacher der Grimaldi, der in seinen Bedenken ohne es zu wollen Unrecht thue. Er hatte ihn mit gro�m�thigen Betrachtungen, die ihn selbst beruhigten, zu �berzeugen gesucht, und da der Capit�n keinen bestimmten Grund gegen die Grimaldi anf�hren konnte, hatten seine Vorsichtsermahnungen Nichts gefruchtet.
W�hrend der Nacht zogen die Corsen in der Stille aus ihrem Lager und aus Murato; am Morgen vertheidigte nur der Nachtrab noch auf einige Zeit die letzten Schanzen, dann warf er sich rasch in die Felsenschluchten und erreichte unverfolgt das Golothal.
Jenseit der Br�cke lag dort an den aufsteigenden H�hen der Ort Rostino, und hierhin hatte der General der Corsen sich begeben. Der kleine Flecken war angef�llt mit Pferden und Menschen, Gep�ck und Tro�, die von einem Heerwesen unzertrennlich sind. Was an Vorr�then vorhanden, lag hier aufgeh�uft und mu�te vertheilt werden, eben sowohl Kriegsbedarf, wie die nothwendigsten Lebensmittel. Es konnte an Verwirrung nicht fehlen, die im Laufe des Tages sich eher vermehrte, als abnahm.
Der General und seine Adjutanten hatten mit Anordnungen der verschiedensten Art zu thun. Einige Abtheilungen der Milizen waren so gut wie aufgel�st, viele der Soldaten hatten sich zerstreut, manche sich davongemacht. Es galt die Ordnung herzustellen, die Schaaren zu sammeln, sie zu versorgen, die Gefallenen und Verwundeten zu ersetzen, Officiere zu ernennen, die Stellungen des Heeres zu bestimmen. Die Abh�nge der Berge blieben besetzt, an dem ganzen Laufe des Stromes lagerten die Schaaren; die Ponte nuovo umstellte die deutsche Compagnie und mehr als tausend Corsen, darunter die M�nner aus Oletta.
So ging der 8. Mai hin, und Giulio Saliceti konnte endlich am Abend erst nach Rostino eilen, um seine Schwester dort aufzusuchen. – Als damals Achill Grimaldi heftigen Widerspruch gegen den Aufenthalt in Rostino erhob, machte der Kanonendonner allem Streit ein Ende, und sobald Karl von Wilda sich nach Murato begeben, stimmte der kluge Advokat seinen vers�hnlichen, sanften Ton wieder an. Liebevolle Betheuerungen entschuldigten sein Z�rnen, auch fand er es jetzt selbst gerechtfertigt, Romana eilig zun�chst nach dem Hauptquartiere jenseit des Golo zu bringen, da keine Zeit mehr bleibe, Anderes zu thun, und in seiner rasch entschiedenen Weise handelnd, verging keine halbe Stunde, so standen Pferde vor dem Convent bereit, sowohl f�r Giulio und seine Schwester, wie f�r einen bewaffneten Diener der Grimaldi, der Romana's geringe Habe trug und Beide begleitete.
In einem Lande, wo die Frauen gleich den M�nnern zu reiten verstehen, und wo es damals noch kaum eine Stra�e f�r Fuhrwerke gab, hatte diese kurze Reise bis Rostino keine Schwierigkeiten f�r die Donzella Saliceti. In wenigen Stunden war der Ort erreicht, schnell auch das Haus aufgefunden, in welchem die junge Letitia Bonaparte mit einigen andern Frauen Zuflucht gefunden, und gern nahm sie den Fl�chtling auf und versprach mit liebensw�rdiger Artigkeit, so gut f�r Romana zu sorgen, als sie dies f�r sich selbst verm�chte.
Darin lag allerdings kein allzu gro�er Trost, denn die Dame Letitia war selbst hilflos genug. Erst achtzehn Jahre alt trug sie unter ihrem Herzen das Kind, das Corsika r�chen, die Franzosen unterjochen, die Welt mit Blut und seinem Ruhm f�llen sollte. Aber Letitia Bonaparte war sch�n und muthvoll, ihre dunkeln Augen voll Feuer und Geist, und wie ihr junger Gemahl, der ber�hmte Advokat und Geheimsecret�r des Pr�sidenten, begeistert f�r des Vaterlandes Freiheit.
Erleichtert in seinen Sorgen sprengte Giulio nach kurzer Rast in die Berge zur�ck, und am n�chsten Morgen stand er zur rechten Zeit an der Spitze seiner Schaar, um an dem beginnenden Kampfe Theil zu nehmen.
Nun kam er m�de, voll heimlicher banger Ahnungen um sein Vaterland, und er dachte an Romana und Achill Grimaldi, doch der war in Lento, keine Kugel hatte ihn getroffen. Ein widerwillig Gef�hl �berkam ihn und dann nannte er es gut, da� Achill nicht bei ihm war, denn er f�hlte wohl, da� Romana ihn nicht liebte, und er selbst h�tte w�nschen m�gen, es sei, was geschehen, nicht geschehen. Doch wo gab es eine M�glichkeit, dies zu �ndern? Achill hatte sich wacker und treu bewiesen, Romana war ihm zugesagt durch heiliges Familiengel�bni�, und niemals hatte ein Saliceti sein Wort gebrochen.
Dies wiederholte Giulio, als er durch Rostino ging, seine Schwester aufzusuchen. Gl�ck in ihren Mienen eilte sie ihm entgegen und rief mit ihrer z�rtlich klingenden Stimme:
�Du lebst, mein Giulio, ich sehe Dich! Preis und Dank der Gottesmutter!�
�Besser w�re es,� erwiederte er, �Du s�hest mich nicht, denn da� ich hier bin, ist kein gutes Zeichen.�
�Und doch ist es das Beste, das mir werden konnte,� sagte sie ihn k�ssend, �denn ich habe angstvolle Tage verlebt. Bei jedem Donner aus den Bergen sah ich Dich blutend fallen, und Schreckbilder schwebten vor meinen Augen, die sich nicht schlie�en wollten.�
Sie f�hrte ihn in ihre Kammer im unteren Theile des Hauses, und er erz�hlte ihr, was sich begeben. Vielmals wollte er den Namen des Mannes nennen, um dessen Leben und Tod sie sicherlich im tiefsten Herzen noch gr��eres Bangen trug, allein seine Zunge str�ubte sich immer wieder; Romana selbst mochte eine Frage thun, doch diese erfolgte nicht. Endlich, als er vergebens es ihr nahe gelegt, sprach er dennoch von dem Capit�n, seine Tapferkeit lobend, und da� er wohlbehalten an der Golobr�cke den Befehl f�hre.
Romana's Augen gl�nzten heller, aber sie vernahm die Nachricht wie Etwas, woran sie niemals gezweifelt. Dann als ihr Bruder fortfuhr von den Schlachttagen zu sprechen, und wie Wilda ihm getreulich beigestanden im hei�esten Gew�hl, leuchteten ihre Blicke freudiger und stolzer.
�Ich wu�te es, da� Du nicht verlassen warst, mein Giulio,� rief sie ihn umarmend, �da� er mit seinem Leben Dein Leben besch�tzen w�rde, und ich lag auf meinen Knieen, zu Gott flehend, da� er ihm dazu beistehe allezeit.�
Giulio fiel ein, was Romana �ber die Prophezeiung gesprochen, die ihr Schutz vor Unheil und Erf�llung ihrer W�nsche verhei�en, und liebevoll traurig blickte er sie an. Woher sollte das Gl�ck kommen, da� sie hoffte? Ein Schatten schwebte vor seinen Augen, er sah wie Achill Grimaldi aus.
�Ach, meine theure Schwester!� seufzte er, sie in seine Arme schlie�end, �meines Vaterlandes Fall m�chte ich nicht erleben, und doch m�chte ich nicht sterben, ohne Dich begl�ckt zu sehen.�
Und mit derselben Zuversicht sah sie ihm l�chelnd in's Gesicht und sagte freudig:
�Glaube doch, es wird geschehen. Gott l��t sich nicht beugen.�
Er sprach bewegt:
�So gebe ich Dich in Gottes Schutz, geliebte Schwester, er wird entscheiden. Was sich f�r uns nicht ziemt, da� wird Er nimmer zulassen.�
Nun stiegen sie hinauf in das obere Zimmer des Hauses, wo die Dame Letitia wohnte, und fanden dort mit Andern den Geheimsecret�r Carlo Bonaparte, der manche gute Nachricht wu�te. Die Franzosen hatten sich nicht heruntergewagt von den steilen Felsw�nden, und viel wurde die weise Vorsicht des Pr�sidenten gepriesen, der ihnen den einzigen guten Weg abgesperrt, den es gab. Wenn dies nur eine Woche lang dauerte, waren solche Verst�rkungen und Kriegsmittel von Corte und aus dem S�den herbeigezogen, alle L�cken so gut ausgef�llt und alle Ordnung hergestellt, da� man die Franzosen noch besser empfangen konnte, als in Murato.
�Seht, mein Herr Saliceti,� sagte Carlo Bonaparte, �es ist der Unterschied, da� wir uns immer wieder verst�rken k�nnen, w�hrend General de Vaux keinen einzigen Franzosen mehr besitzt, als die er um sich bat. La�t ihn einmal geschlagen werden, so ist er verloren. Wir sind dann eher in Bastia, als er.�
�Aber die Franzosen sollen schnellere Beine haben,� lachte die sch�ne Letitia, �und f�r uns,� f�gte sie hinzu, indem sie sich schalkhaft betrachtete, �m�chte es doch beschwerlich sein, ihnen nachzukommen.�
Ihr Mann umarmte sie und sprach dabei zu Giulio:
�Das war es, we�halb ich gekommen bin. Die Frauen m�ssen Rostino verlassen. Morgen in der Fr�he geht ein Zug von Maulthieren unter Bedeckung nach Corte. Begleitet Letitia dahin, meine beste Romana, und leistet ihr Gesellschaft, wof�r ich Euch tausendfach verbunden sein werde.�
�Ei,� sagte Romana, �m�ssen wir muthigen corsischen Frauen diesen Franzosen so weit aus dem Wege gehen, um bis nach Corte vor ihren schnellen Beinen zu fliehen? Wer wei�, ob wir dort vor ihnen sicher sind?�
�Davor,� antwortete Carlo Bonaparte, �la�t nur den tapfern Grimaldi in Lento sorgen, er wird sich die Braut schon zu beh�ten wissen; wenn aber,� f�gte er spottend hinzu, �auch Corte nicht mehr sicher genug sein sollte, nun so zieht hinauf auf den Monte Rotondo, wohin die Hirten ihre Heerden von allen Orten her vor den Franzosen in Sicherheit brachten. Dort giebt es Verstecke genug, die kein Sp�her entdecken kann.�
Diese Antwort gab lustige Erwiederungen in F�lle, aber es wurde dabei festgestellt, da� die Reise nach Corte nicht aufzuschieben sei. Rostino, mit Soldaten und Kriegsl�rm gef�llt, war kein Aufenthalt mehr f�r Frauen. Gern mochten sie diesen Ort verlassen, der, trotz aller Hoffnungen der Corsen, so wenig Behaglichkeit f�r friedlicher gesinnte Menschen bot.
Sp�t erst verlie� Saliceti seine Schwester mit dem Versprechen, beim Anbruch des Tages zur�ckzukehren, um sie noch einmal zu sehen. Was an Vorr�then im Hause vorhanden, wurde zum m�glichst stattlichen Abschiedsmahle von der freundlichen Dame Letitia gro�m�thig verwandt, und der feurige Malvasier hatte die heitere Laune vermehren helfen. Hoffnungsvolle und patriotische W�nsche erschienen darum als halbe Gewi�heit, und Romana mu�te mancherlei beziehungsvolle Spr�che auf die baldige Erf�llung ihrer liebsten W�nsche annehmen.
�Die heilige Mutter Gottes wird Deinen Geliebten besch�tzen, theure Romana,� sagte die sch�ne Freundin sie umarmend, �und Dich so gl�cklich machen, wie ich es bin.�
�Das wird sie,� versetzte Romana mit so lieblich gl�ubigem Ausdruck, da� Letitia Bonaparte sie innig k��te und dabei sprach:
�Ja, Du wirst nicht von ihrer Gnade verlassen werden, sie wird ihn Dir erhalten, den Du so innig und z�rtlich liebst. O! wie freue ich mich, denn ich empfinde Deine Freude und Deine Sorgen: aber Du bist gl�cklicher, als ich es war, meine Romana, denn meine Liebe hatte mit Ha� und Feindschaft zu k�mpfen. Meine Eltern, meine n�chsten Verwandten, wollten Nichts von meinem Carlo h�ren; er war ein Republikaner, der begeisterte Anh�nger Pasquale Paoli's, die Romarino aber von jeher genuesisch gesinnt. Da kam Paoli selbst, und mein Vater verstummte vor seiner edlen Beredtsamkeit. O! meine Romana, wenn Du es n�thig h�ttest, er w�rde auch von Deinem Geliebten sagen: Wem k�nntet Ihr w�rdiger Eure Tochter geben, als dem Manne, den alle guten B�rger dieses Landes so hoch sch�tzen, da� er der stolzesten Familie Corsika's zur Ehre gereicht.�
�So w�rde Pasquale Paoli von ihm sprechen, zweifelt nicht!� rief Romana mit Freudigkeit, und Carlo Bonaparte erhob sein Glas und sprach dazu: �Der treue edle K�mpfer f�r Corsika's Freiheit soll siegreich bestehen und Romana ihn belohnen!�
Giulio Saliceti wu�te wohl, was seiner Schwester leuchtende Blicke bedeuteten, er wagte jedoch nicht, ein Wort zu erwiedern, brach auf und ging fort, um Nichts mehr zu vernehmen. Als er aus dem Hause trat, fiel das Licht auf einen Mann, welcher nicht fern von der Th�r stand und leise mit einem anderen sprach, der, in seinen Mantel eingeh�llt, ihm den R�cken zuwandte. Giulio ging weiter, doch nach einigen Dutzend Schritten kehrte er um, denn pl�tzlich fiel ihm ein, da� das Gesicht, das er gesehen, dem Diener der Grimaldi �hnelte, welcher ihn und Romana hierher begleitet hatte. Er fand die Beiden nicht mehr, sicherlich auch war es T�uschung, die gelben scharfen Gesichter der Corsen sind meist nicht sehr verschieden, und was sollte dieser Mann in Rostino thun?
Die Mondsichel trat �ber die Berge, einen schwachen Glanz am Himmel verbreitend, unter ihm lagen die Massen des Gebirges d�ster und still, doch am Golo und weit hinab durch das Thal flackerten die Feuer, an denen die m�den Soldaten schliefen.
Bei der Br�cke loderte es heller auf, und einige Minuten lang blieb Giulio dort stehen. Der deutsche Capit�n sa� unter einem Baume vor ihm, einsam wachend und die Flamme h�tend. Zuweilen hob er seinen Kopf auf, blickte nach der Seite hin, wo Rostino lag, und horchte in das Dunkel, dann wieder sah er tr�bsinnig nieder. Es wurde dem Saliceti warm um's Herz, leise trat er n�her hinzu; er h�tte seine Hand ausstrecken und dem Waffengef�hrten ein Freundeswort entgegen rufen m�gen. Da klang durch die Stille der Name Romana! zu ihm hin. Es zuckte ihm durch Blut und Adern.
�Nein! nein!� murmelte er, �Du rufst vergebens!� und eilig zog er sich zur�ck.
W�hrend er nun bei den M�nnern von Oletta den Morgen erwartete, und dieser endlich mit bleichem Schein sich ank�ndigte, war die Gesellschaft in Rostino l�ngst zur Ruhe gelangt. Romana lag in ihrer Kammer und tr�umte einen herrlichen Traum. Ihr Geliebter stand an ihrem Bette, weckte sie mit leisen, s��en Worten, und sie h�rte deutlich an ihrem Ohre: Wache auf! O! Du, mein liebstes Leben, und la� uns fliehen aus diesem mit Blut erf�llten Lande. Alles ist bereit, ich bringe Dich in ein friedliches Haus, wo wir gl�cklich wohnen werden. Wache auf! hier ist Deine Brautkrone, wache auf und folge mir! Die Stunde ist da, wo Gott uns vereint.
Und Romana schlug ihre Augen auf und schlo� sie wieder, denn ein blendender Glanz fuhr dar�ber hin. S�� klang eine Stimme ihm nach: Erwache, meine geliebte Romana, erwache! Ich bin es, der Dich ruft!
Aber das war nicht die Stimme, welche sie im Traume geh�rt. J�h richtete sie sich empor. Es stand ein Mann an ihrem Lager, eine Laterne in seiner Hand.
�Achill Grimaldi!� rief sie ihn anschauend. �Was willst Du?�
�Dich will ich,� erwiederte er sanft und leise, �Dich aus dieser Bedr�ngni� befreien. Noch ehe es Tag wird, mu�t Du fort von hier, theure Romana, denn dieser Tag wird schrecklich enden. Stehe auf und h�re mich.�
Er setzte das Licht auf den Tisch und trat an's Fenster. Romana h�rte Pferde drau�en schnauben. In einem Augenblick war sie in ihrem Kleide.
�Warum soll dieser Tag schrecklich enden?� fragte sie.
�Du wirst Alles erfahren,� erwiederte er. �Folge mir nur, ohne zu z�gern, denn wir m�ssen eilen.�
Romana entzog ihm ihre Hand.
�Wir sind in Gefahr?� begann sie.
�In gro�er Gefahr.�
�Wo ist mein Bruder?�
�Wo er sein mu�,� erwiederte Achill.
�Warum kommst Du zu mir, wenn es wahr ist, was Du sagst?Warum eilst Du nicht zu Denen, die helfen k�nnen?�
�Niemand kann helfen, liebe Romana, auch ich nicht. Nur f�r Dich kann und will ich sorgen.�
�Was ist das?� antwortete Romana, ihre Augen fest auf ihn heftend. �Du willst nur f�r mich sorgen und f�r Dich? Ich will wissen, was Wahrheit, was L�ge ist, Achill Grimaldi.�
�Wahrheit ist,� versetzte er mit st�rkerer Stimme, �da� Du verloren bist, wenn Du mir nicht folgst; L�ge ist, wenn Du glaubst, ich w�rde auch diesmal meine bessere Einsicht Deinen Widerspr�chen opfern. Du mu�t mich begleiten, Romana, denn die Franzosen werden in einer Stunde am Golo sein, und ein blutiges Schlachten wird hier beginnen.�
�Steht es so mit Dir und uns?� fiel sie ein.
�Schweig!� erwiederte er. �Einem Weibe steht kein Urtheil dar�ber zu, was M�nner beschlie�en, die es zu verantworten haben. Glaube mir,� fuhr er dann milder fort, �da� ich dies vermag; verst�ndig, wie Du bist, wirst Du gerechtfertigt finden, was mein Bruder gethan.�
�Was that er?�
Achill Grimaldi bedachte sich einen Augenblick, dann sagte er gelassen:
�Er streckte in dieser Nacht die Waffen. Es mu�te so sein.�
Romana gab keine Antwort, ihre H�nde falteten sich; pl�tzlich aber begann sie:
�So erf�llt sich, was mein Onkel sterbend sah. Er sah den Verr�ther und schied aus diesem Leben ihn verfluchend.�
�Du bist eine Schw�rmerin,� antwortete Grimaldi, �aber ich habe keine Zeit, es Dir zu beweisen. Nur das Eine bedenke: Soll ein vern�nftiger Mann sich in den Abgrund st�rzen, wenn er sich zu retten vermag? Wir haben drei Tage lang gek�mpft und sind besiegt worden. Es giebt keine Hoffnung auf Erfolg mehr; nur Wahnsinnige und fanatische Thoren k�nnen noch daran glauben. Nur sie m�gen noch Blut vergie�en, dies arme unwissende Volk auf die Schlachtbank treiben. Als Bettler und Verbannte werden sie daf�r durch die Welt irren, wenn sie dem Schwerte oder den Galeeren entgehen. Zum letzten Male bot de Vaux uns Frieden, Sicherheit, den Besitz unserer G�ter, die Gnade und Hilfe seines K�nigs. Was sollten wir w�hlen? Wo k�nnen wir mehr f�r unser verlassenes Volk thun? Wer ist dessen wahrhafter Freund? Komm, theure Romana, komm! Wir werden auch Giulio retten, wir werden ihm Freunde sichern, die ihn sch�tzen, die das alte Erbe der Saliceti ihm erhalten. Vertraue mir, gieb mir Deine Hand. Sieh, ich schw�re Dir�
�R�hr' mich nicht an,� unterbrach sie ihn. �Du l�gst! Du hast uns verrathen! Uns in Oletta, jetzt Dein Vaterland!�
�Verhindert habe ich eine grause Blutthat,� antwortete Achill, �Eure Seelen gerettet von einem entsetzlichen Verbrechen. Warst Du es nicht selbst, die davor bebte und die M�rder verdammte? – Der Tag bricht an. Du mu�t mich begleiten, einst wirst Du mir danken. Zwinge mich nicht zur Gewalt!�
Mit diesen Worten packte er Romana um den Leib, warf ihr den langen Zipfel der Faldetta �ber den Kopf und hob sie auf, um sie hinauszutragen. Es war das Werk einer Minute, mit �berraschender Schnelle ausgef�hrt, und doch war es kaum halb vollendet, als es sein Ende nahm; denn als Grimaldi hinaus wollte mit seiner Beute, sah er Giulio Saliceti vor sich und lie� Romana aus seinen Armen gleiten.
Und in demselben Augenblicke, wo er ihn erkannte, dr�hnte ein ferner Donner von den Bergen her, ein zweiter, ein dritter; dann wieder Stille.
Die beiden M�nner standen sich gegen�ber; zu ihren F��en Romana, die sich aufraffte, mit angstvollen Blicken ihren Bruder zu umklammern suchte. Giulio's Arm hielt sie von sich zur�ck. Seine Augen hingen an Achill Grimaldi wie gl�hende Feuerballen, sein Gesicht war wie von Erz, bewegungslos, es zuckte kein Muskel darin.
Pl�tzlich ri� Achill eine Pistole auf dem Mantel, aber bei seiner ersten Bewegung war es, als erhalte ein Tiger Leben. Mit einem Sprunge warf sich der Saliceti auf ihn. Sein doppelschneidiges Dolchmesser fuhr drei Mal bis an's Heft in seines Vetters Brust. Die Pistole entlud sich in Grimaldi's Hand, doch kein Schrei, kein Laut, kein R�cheln ward geh�rt. Mit dem Blitz und Knall zugleich fiel der Get�dtete ohne Zucken nieder, und auf ihn warf Giulio das blutige Messer und entfloh. Die entsetzten Menschen im Hause, Mord und Hilfe schreiend, st�rzten die Treppe herab!
Jetzt waren sie da. Carlo Bonaparte kam mit S�bel und Gewehren, seine muthige Frau mit ihm, angstvoll nach Romana rufend. Der Pulverdampf qualmte zur offenen Th�r heraus; als sie hineinleuchteten, erblickten sie Romana am Boden knieend neben einer leblosen Gestalt, deren Blut �ber die Fliesen str�mte.
�Herr des Himmels!� schrie Carlo Bonaparte, �was geschah hier?� Und indem er das Licht dem Gesichte des Todten n�herte, erkannte er ihn und fuhr mit vermehrtem Grausen fort: �Achill Grimaldi! Wer hat die verruchte That gethan? Wer hat ihn ermordet?�
�Mein Bruder that es,� antwortete Romana mit fester Stimme, und sie erhob sich von ihren Knieen.
�Arme Romana!� rief Letitia Bonaparte. �O! Jammer und Elend! Er erschlug den Geliebten in Deinen Armen.�
�Er erschlug den Verr�ther!� sagte Romana. �Er hat recht gerichtet, ich preise ihn daf�r!�
Alle blickten sie an, als sei ihr Geist von dieser grausamen That zerst�rt worden, da dr�hnten die H�user in Rostino wiederum von dem Schie�en in den Bergen, und Romana fuhr fort:
�H�rt Ihr es? Das ist der Feind! Dieser hier hat ihm Lento verrathen, wie er Oletta verrathen hat. Die Grimaldi's haben sich den Franzosen verkauft, Corsika's letzter Freiheitstag ist gekommen!�
Die Menschen standen zitternd und ungl�ubig. Pl�tzlich gellte ein wildes Geschrei auf der Stra�e:
�Rettet Euch! rettet Euch! die Franzosen sind da, Lento ist verloren!�
Nun liefen sie Alle angstvoll und klagend hinaus; vom Thale her wurde das Schie�en heftiger, und zwischen dem Kanonendonner knatterten die Gewehre. Der Pr�sident Paoli mit einem Gefolge von Officieren eilte vor�ber dem Golo zu. Sein Geheimsecret�r lie� Maulthiere und Saumrosse eilig packen, dann fort nach Corte.
�Romana! wo ist Romana?� rief die Signora Letitia, doch nirgend war Romana zu finden. Man wu�te in der Verwirrung nicht, wo sie geblieben, mu�te sie endlich ihrem Schicksale �berlassen. Denn schon flogen die Franzosenkugeln �ber den Golo fort.
Und die Sonne ging auf und beleuchtete das Thal durch Wolken von Pulverdampf, die wie blutrothe Schleier sich dar�ber ausspannten. Aus den Bergen blitzte und donnerte es unaufh�rlich, eine dunkle bewegliche Masse w�lzte sich, wie eine ungeheure Schlange mit gl�nzenden Schuppen, von den steilen H�geln herab, hinter denen Lento lag. Es war das franz�sische Heer und seine funkelnden Bajonette. Voran seine J�ger, welche die corsischen Milizen aus den Wein- und Oelg�rten warfen und vor sich hertrieben; auf den freien Punkten seine Kanonen, wei�e Dampfs�ulen schleudernd, aus denen der Tod seine furchtbare Stimme erschallen lie�.
Das Feld bis zur Br�cke bedeckte sich schnell mit fliehenden, von Schrecken und Entsetzen erf�llten Menschen. Wo man es am wenigsten geahnt, stieg der Feind pl�tzlich herab. Wo waren die Grimaldi's, wo war Lento? Sie flohen nach der Br�cke, sie warfen ihre Waffen fort in athemloser Angst. Die Franzosen ihnen nach, feuernd, mit tausendstimmigem Schlachtgeschrei, in dichten Haufen mit dem Bajonett, ermuntert zum Siegeslauf von ihren Officieren, Marbeuf voran. Und je n�her der Br�cke, um so grimmiger vereinzelter Widerstand, um so gr��er die Verwirrung; endlich Freund und Feind in einander gemischt darauf losdringend, ein Kn�uel, der Nichts mehr erkennen l��t: Staub, Rauch, Waffengeklirr und Mord- und Jammergeheul …
Pl�tzlich aber schmettert ein Kugelregen in diese verworrene Masse. Die Deutschen jenseit der Br�cke haben Feuer gegeben. Sie haben den Auftrag, um jeden Preis den einzigen Uebergang zu schirmen, die Fl�chtlinge aufzuhalten; sie sehen die Franzosen sich auf diese st�rzen und eindringen. Der Schrecken hat auch sie ergriffen, sie feuern auf die Milizen. Ein Schrei der Todesangst antwortet ihnen. Da ist es, als ob die gefangenen D�monen in jeder Brust ihre Fesseln abstreifen und frei werden.
�Verrath! Verrath!� rufen tausend Stimmen. �Wir sind verloren! Flieht! flieht!� Und von einem h�llischen Schrecken gefa�t, zittern und fliehen die Tapfersten. �Verrath! Verrath!� schreit es durch die Schaaren am Ufer des Golo; bleiche Angst jagt den Muth aus den Herzen. Sie fliehen, sie l�sen sich auf, sie laufen den W�ldern und Bergen zu. Vergebens wollen die F�hrer sie halten, vergebens flehen und beschw�ren sie, im Namen des Vaterlandes, wie M�nner, wie Corsen, zu fechten und zu sterben.
�Verrath! Verrath!� das f�rchterliche Wort hat alle Bande zerbrochen, alle Kraft zerst�rt. Der Eine rei�t den Anderen fort, aller Widerstand h�rt auf. Der Pr�sident selbst, sein Bruder, die unerschrockensten, todesmuthigsten M�nner, sie m�ssen fliehen, denn es giebt kein Heer mehr.
Die Franzosen sind �ber die Br�cke gedrungen, nur die deutsche Compagnie und ein kleiner Haufen Corsen hat diese bis zum letzten Augenblicke vertheidigt, und jetzt entsteht dort ein grauenhafter Kampf, der den Feind allein noch aufh�lt. Mann gegen Mann ringen sie, Verwundete und Todte st�rzen in Haufen nieder. Ein junger Corse ficht wie ein Rasender, er h�rt nicht auf den Zuruf der franz�sischen Grenadiere, sich zu ergeben. Jetzt sinkt er auf sein Knie, und zehn Bajonette drohen ihn zu durchbohren; doch ihm zur Hilfe eilt der Capit�n der deutschen Compagnie. Um ihn liegen die Deutschen todt und verst�mmelt, um seine F��e klammert sich sterbend der arme kleine Pietro, mit seinem letzten Seufzer flehend: �Rette Dich, Herr!� Er aber wirft sich auf die Franzosen, treibt sie zur�ck und schirmt seinen wunden Freund mit dem Schwert in der Hand, allein, wie ein Paladin aus der Heldenzeit.
Und wie von einem Zauber gefesselt stehen die Franzosen, senken ihre Waffen und blicken mit R�hrung auf das Schauspiel vor ihren Augen. Ein sch�nes junges Weib hat sich neben dem Corsen niedergeworfen. Sie h�lt ihn in ihren Armen und bedeckt ihn mit ihren K�ssen; sie ruft ihm z�rtliche Worte zu, sucht ihn aufzurichten, und er erhebt sich. Sie f�hrt ihn fort, und sie lassen es geschehen. Ein herrenloses Pferd wird von dem Capit�n ergriffen. Das Weib st�tzt den Verwundeten, der im Sattel schwankt. Sie f�hren das Pferd den Geh�lzen zu, durch welche die Stra�e nach Corte l�uft.
Kein Halt! wird ihnen nachgerufen, kein Gewehr auf sie angelegt. Es sind die letzten Corsen, die dies blutige, jammervolle Schlachtfeld verlassen.
In Corsika's Mitte liegt der ungeheure Felsstock, welcher Monte Rotondo genannt wird. In den Th�lern, die ihn umringen, bl�hen Citronen und Myrthen, seine Gipfel deckt der ewige Schnee. Durch W�lder von riesigen L�rchenb�umen und Pinien geht es hinauf in das Reich der Hirten und der Banditen, zu den Bergmatten und zu den w�sten, zerkl�fteten Felsgewinden, bedeckt mit chaotisch zerr�ttetem Gestein, das hier zusammenst�rzte, als die Giganten den Himmel st�rmten, und Zeus sie traf. Fels �ber Feld liegt aufgeth�rmt, von tobenden Wassern durchnagt, von den Wurzelfingern des Urwalds zusammengen�ht, von duftigen Kr�utern und Blumen liebevoll zugedeckt, von schwarzen H�hlenschl�nden, Kl�ften und Abgr�nden unterbrochen.
Die Restonica springt wei�sch�umend �ber die Bl�cke, die ihr den Weg verlegen, und aus den Seen vom Gipfel des Rotondo zucken leuchtende Wasserstrahlen an steilen W�nden nieder mit Donner und Blitz. Es ist der einzige Laut fast in dieser Natur. Dann und wann der Schrei eines Falken, dann und wann der gellende Pfiff eines Hirten, der nicht zu sehen ist.
Auf den hohen Felszacken, �ber denen die Schneefelder ihr blendendes Licht verbreiten, erblickt das Auge einen dunkeln, beweglichen Gegenstand. Es ist ein Thier mit hohen spiralen H�rnern. Es ist ein seidenhaariger Muffro, ein Wildschaf, das Wache h�lt zum Schutze seiner Gef�hrten, die hinter ihm weiden und auf dem ewigen Schnee behaglich ruhen; die einzigen Wesen, die ihn lieben.
Und wo der Wald verkr�ppelt und die Weiden beginnen, lagern �ber diese weiten Halden, auf Meilen rund um die Gipfel, die Hirten mit ihren Ziegen und Schafen. Sie wandern �ber den Stamm des Gebirges und steigen aus den Th�lern, wo die Menschen mit ihren Gesetzen und ihrer Ordnung wohnen, in dies herrenlose Reich, wenn der Schnee es verl��t, und �berlassen es ihm, wenn er wiederkehrt. In andern Jahren kommen sie erst so hoch hinauf, wenn der Mai zu Ende geht, doch diesmal war nicht allein das Wetter so mild, wie niemals, auch der Kanonendonner und die Franzosen gaben dem Monte Rotondo sein fr�hes ungew�hnliches Leben.
Nach der ungl�cklichen Schlacht am Golo benutzten die franz�sischen Generale energisch ihren Sieg, denn sogleich verfolgten sie die fliehenden Corsen, und eine ihrer Abtheilungen drang auf Corte vor und bem�chtigte sich des Regierungssitzes. Da flohen Alle, die zu f�rchten hatten, mit Weib und Kind auf den Monte Rotondo, und die Hirten nahmen sie in ihre H�hlen und Campannen, wo sie angstvoll zitternd die Stunde erwarteten, in welcher die Franzosen auch hier hinaufsteigen und ein schreckliches Gericht halten w�rden.
Und es lag eine dieser armseligen H�tten �stlich vom Col di Mozzo auf einer Felsklippe, unter dem Horn des ungeheuern Frate. Vor ihm lief eine blumenvolle Matte sanft hinab bis an den Urwald, und rund umher weideten wohl mehr als hundert schwarze Schafe und Ziegen. Gegen�ber schlo� sich die Welt mit Felsw�nden und aufstarrenden, nackten, rothen Spitzen, �ber denen sich der gewaltige Monte d'Oro riesenhaft erhob; zur Linken sah das Auge tief hinab in bl�thenwei�e Th�ler, und hinter diesen schimmerte ein blauer Meeresstreif. Die Abendsonne streute ihr rothes sanftes Licht aus, und mit dem k�hlenden Hauche kamen die D�fte zahlloser w�rziger Blumen und B�ume aus der Tiefe. Das kleine Haus von Steinen hatte keine Th�r. Ein rauhwolliger Vorhang deckte seine Oeffnung zu, ein breites Vordach gab Schirm vor Wind und Wetter. Unter diesem Dache sa� der greise Hirt Angelo in seinen wei�en, langen Locken, neben ihm auf dem Steine sa� Romana.
Angelo hielt die Zither auf seinen Knieen, seine zottigen Hunde vor ihm schienen aufmerksam zuzuh�ren, wie er leise die Saiten bewegte. Nur dann und wann wandten sie die K�pfe nach der Heerde auf der Matte, darauf sahen sie den Vorhang an und dann ihren alten Herrn, der ihre fragenden Blicke nicht beachtete.
In der H�tte war es still, und doch lag ein Mensch darin in gro�en Schmerzen. Giulio Saliceti lag darin, den sie hierher gebracht hatten mit seinen Wunden an Seele und K�rper. Und einmal, als es war, als dr�nge ein Seufzer durch den Vorhang, sprang Romana auf und horchte, aber sie h�rte Nichts mehr. –
�Er schl�ft,� fl�sterte sie. �Werden Deine Tr�nke ihn zum Leben aufwecken, Angelo?�
Angelo gab keine Antwort. Seine Finger irrten weiter �ber die Stahlsaiten, es gab einen schrillen Klang. –
�La� ihn schlafen,� sagte er. �Schlaf und Tod machen uns gleich und frei.�
�Aber er soll leben, Angelo.�
Der Greis sch�ttelte traurig seinen wei�en Kopf.
�La� ihn sterben,� erwiederte er; �wie soll der Giulio Saliceti leben als ein Knecht?�
�Hast Du denn keine Hoffnung, lieber alter Angelo,� fragte Romana betr�bt, �und hast mir doch verk�ndigt, da� ich gl�cklich sein soll.�
Der greise Hirt heftete seine gro�en, schwarzen Augen auf sie, und sah sie geisterhaft an.
�Habe ich Euch nicht gesagt,� sprach er dabei, �kommt mit mir auf den Monte Rotondo, wenn Ihr leben wollt? Ihr habt es nicht gethan. Der rasche Bernardo, die gl�ckselige Maria, der zornige Peverino, der Grimaldi, den Keiner an Klugheit �bertraf, alle sind umgekommen.�
Er dachte nach, und ein wehm�thiges L�cheln bewegte seine Lippen; dann hob er seinen Arm auf und deutete auf den fernen blauen Meeresstreif.
�Dorthin gehe, wenn Du gl�cklich sein willst, dorthin ruft es Dich. Diesen aber la� hier, der Monte Rotondo wird immer frei bleiben.�
Die Hunde sprangen laut bellend auf, es kamen Menschen vom Walde her. Romana erkannte ihren Freund, sie erkannte auch Carlo Bonaparte mit Letitia; Hirten waren in ihrer Begleitung, aber auch ein franz�sischer General mit zwei andern Officieren.
Der Capit�n ging vor einigen Stunden fort, um seine Freunde aus Ajaccio aufzusuchen, welche in einer nahen Campanna Obdach gefunden, um von ihnen zu h�ren und mit ihnen zu berathen, was in dieser gemeinsamen Noth geschehen k�nne. Jetzt sah Romana mit Erstaunen ihn in solcher Gesellschaft, welche ihren Schrecken und doch auch Hoffnungen erregte; denn von fern schon wehte die Signora Letitia freudig mit ihrem Tuche, und n�her herangekommen, riefen mehrere der M�nner: �Evviva! Evviva! der Frieden ist gemacht, wir sind gerettet, gerettet!�
So erreichten sie die Campanna, wo Letitia Bonaparte ihre Freundin in gro�er Bewegung umarmte.
�Hier ist der General Grandmaison,� sagte sie, �Graf de Vaux hat ihn selbst von Corte heraufgesandt, um uns einzuladen, zu ihm herunterzukommen, Sicherheitsp�sse zu empfangen. Alles soll vergessen und vergeben sein, theure Romana. Jeder soll in seine Heimath unbehindert zur�ckkehren und ungef�hrdet dort leben k�nnen. Sage ich nicht die Wahrheit, General? Es soll Niemand davon ausgenommen sein.�
Der General verneigte sich l�chelnd.
�Die Insel ist unterworfen,� erwiederte er. �Pasquale Paoli und die H�upter des Aufstandes haben Bewilligung erhalten, sich einzuschiffen; es ist ihnen Zeit verg�nnt, sogar um, was sie an Verm�gen besitzen, mitzunehmen.�
�Wirklich!� sprach eine tiefe Stimme hinter dem Vorhange, �so gro�m�thig seid Ihr gewesen!�
Der General sah dorthin, Giulio Saliceti trat heraus. Bleich und verfallen, brennende Fiebergluth in den Augen, doch stolz aufgerichtet, ohne zu wanken. Wie der Franzose ihn mit seinen Blicken ma�, begegnete er festen furchtlosen Blicken, gramvollem Ha�, der in bitterster Sch�rfe auf diesen blutlosen Lippen lag.
�Warum gebt Ihr ihnen ein Almosen mit auf den Weg, da Ihr ihnen Alles genommen habt,� sagte Giulio. �la�t sie betteln gehen, die Ihr zu Bettlern machtet, und heuchelt nicht Gro�muth, nachdem Ihr wie R�uber die Corsen gepl�ndert und erschlagen.�
Grandmaison erkannte den Zustand des Mannes, der also zu ihm zu sprechen wagte, er blieb gelassen.
�Ihr seid Giulio Saliceti, der die Kirche in Oletta in die Luft sprengen wollte,� begann er.
�Der bin ich,� antwortete Giulio. �Ein Verr�ther war Schuld, da� es nicht geschah. Nicht ich.�
�Noch steht ein Preis auf Euren Kopf daf�r,� fuhr der General fort, �und Euer Verm�gen ist dem K�nige verfallen. Dann fand man in Rostino in einem Hause den Herrn Achill Grimaldi von drei Dolchstichen durchbohrt, und wie die Nachrichten uns eingekommen, habt Ihr ihn get�dtet.�
�Sucht keinen Andern,� versetzte Giulio. �Diese Hand gab dem Elenden seinen Lohn; tausend Mal noch m�chte ich es wieder thun!�
Ein ingrimmiges Zucken lief durch das abgezehrte Gesicht. Corsische Rachegluth und der Triumph ihrer Befriedigung.
�Es gen�gte dies eine Mal vollkommen,� versetzte der General. �Ich will Grimaldi's Handlungen nicht vertheidigen; allein Ihr werdet es richtig finden, Herr Saliceti, da� das Ende eines Mannes, der dem K�nige so gro�e Dienste leistete, uns nicht gleichgiltig sein kann.�
�Nein,� sagte Giulio, �er geh�rte zu Euch, so thut darnach.�
�Man benutzt den Verr�ther, wenn man ihn auch verachtet,� antwortete Grandmaison. �H�rt meinen Rath, Herr Saliceti. Wendet Euch an den Grafen de Vaux, stellt Eure Sache dar, wie ein Corse, der aus fanatischer Liebe zum Vaterlande gefehlt, gelobt in Zukunft ein Anderer zu sein und bittet ihn, Euch die Gnade des K�nigs zu verschaffen.�
Giulio h�rte schweigend, doch sein Gesicht verdunkelte sich, das Blut trat in seine Augen, seine Brust hob sich heftig.
�Gnade!� sagte er m�hsam, �Gnade von Eurem K�nige? Gelobt sei Gott! ich bedarf ihrer nicht. Eines nur habe ich noch auf Erden zu erf�llen. Romana – und Du, mein Bruder, reicht mir Eure H�nde. Nimm meine Schwester, edler, geliebter Freund, nimm sie und sei begl�ckt! F�hre sie fort von hier, fort von diesen Knechten, ich aber� – er wandte sein Gesicht der Sonne zu, die mit ihren letzten Strahlen ihn umgl�hte – �ich sterbe frei! R�che uns, Allvater im Himmel, r�che uns an unseren Feinden!�
Blut quoll aus seinem Munde, er taumelte und fiel in Wilda's Arme. Romana rief jammernd seinen Namen.
�Er stirbt, wie er gelebt hat,� sagte Grandmaison, als sie ihn forttrugen, �ein echter Corse. Rache war die Aufgabe seines Lebens, Rache ist sein letztes Gebet. – Kommt, wenn es Euch beliebt, nach Eurer Wohnung, Herr Bonaparte, ich will Euch dort einen Brief an den Grafen de Vaux schreiben, den bringt nach Corte hinab. Ihr werdet gut empfangen werden.�
�Wo ist General Paoli?� fragte Carlo Bonaparte.
�Wahrscheinlich jetzt noch in Vivario, doch soll in Porto Vecchio die Einschiffung geschehen.�
�So gebt mir einen Sicherheitsbrief, mein Herr, da� ich dahin gelange.�
�Wozu?� fragte Grandmaison.
�Da� ich ihn in die Verbannung begleite.�
Der General lie� seine Augen �ber die Gestalt der Signora Letitia gleiten und antwortete dann:
�Ihr habt zun�chst, wie mir es scheint, f�r diese Dame Sorge zu tragen. Bringt sie nach Ajaccio zu ihren Verwandten und bleibt dort. Ihr w�rdet es bereuen, wolltet Ihr meinen Rath nicht befolgen. In der Verbannung k�nnt Ihr weder Eurem Vaterlande noch dem Pr�sidenten n�tzen, wohl aber da, wo Ihr seid. Glaubt es mir, Frankreich wird Corsika niemals wieder herausgeben, somit helft sorgen, wie Beiden zu helfen ist. Die k�niglichen Gerichtsh�fe werden Richter brauchen wie Ihr, die Corsen M�nner von Muth und Rechtsgef�hl. Nun,� fuhr er fort, �wenn diese Gr�nde Euch nicht �berzeugen k�nnen, so seht da die Thr�nen Derer, welche Hilfe von Euch verlangt.�
Ihre nassen Augen erhebend, wie ihre Arme, rief Letitia:
�Verla� mich nicht, Carlo, was sollte aus mir werden? Wohin mit mir und meinem Kinde?�
So geschah es, da� Carlo Bonaparte im Lande blieb, und da� das Kind, welches Letitia in Ajaccio ihm gebar, sein Sohn Napoleon, als er heranwuchs, durch die Freundschaft des Generals Marbeuf in die Milit�rschule nach Brienne geschickt wurde.
Als aber am n�chsten Morgen die Sonne aufging, legte der alte Hirt Angelo den Giulio Saliceti in ein Felsengrab auf der h�chsten Stelle der Klippe hinter der Campanna. Er und der Deutsche senkten ihn ein, und sie w�lzten ein m�chtiges Felsst�ck dar�ber. Lange lag Romana hier auf ihren Knieen, bis ihr Geliebter sie endlich fortf�hrte. Und sie stiegen hinab durch Wald und Felsen auf engen, steilen Hirtenpfaden, voran der wei�lockige Greis mit gewaltigen Schritten, bis sie tief unten San Pietro liegen sahen.
Da hielt Angelo an und sprach:
�Hier m�ssen wir scheiden. Geschirmt hat Gott Euch wunderbar und hat Euch seinen Willen verk�ndigt, so ist es geschehen. Klagt nicht und bangt nicht, lebt fromm und gerecht und vertraut auf ihn; doch wenn Ihr betet, so betet auch f�r Angelo, wenn Ihr zur�ck denkt, denkt auch an ihn. Wenn die Wetter fahren um Euer Haus, so denkt an den Monte Rotondo, und wenn die Fr�hsonne gl�nzt am blauen Himmel, so denkt an das Grab am Horn des Frate, wo der ruht, der Euch geliebt hat, und ich – o Romana! ich, der einsam dort sitzen, wachen und beten wird, manchen Tag, manche Nacht, bis an die letzte Stunde.�
�O! lieber alter Angelo!� rief Romana, bitterlich weinend, �werde ich nie Dich wiedersehen?�
Der greise Hirt hob seinen Arm auf und deutete in die Weite.
�O, Kind!� sagte er, �dort liegt Deine Welt, hier oben bei den Wolken die meine. Geh' und vollbringe Deinen Lauf, bis Du heimkehrst in Gottes Schoo�. Evviva! Evviva! Wir werden uns wiedersehen! Sei gesegnet f�r alle Zeit!�
So stieg er in den Wald hinauf, und Romana warf sich an ihres Freundes Herz und sagte schluchzend: �Nun bin ich ganz allein und ganz Dein eigen!�
* *
*
Am 12. Juni des Jahres 1769 war die kleine Stadt Porto Vecchio gef�llt mit Thr�nen und Trauer. Im Hafen lag ein gro�es englisches Schiff, der Admiral Smittoy hatte es geschickt, um die Fl�chtlinge in die Verbannung zu f�hren, es sollte sie nach Toscana hin�berbringen. Und sie waren hier beisammen, die stolzen Ueberreste des Corsenvolks, die ihre Nacken nicht beugen wollten; lieber das Elend in der Fremde w�hlten, als die Verzeihung ihrer Unterdr�cker. In den Bergen fochten noch da und dort einzelne verzweifelte F�hrer mit ihren Genossen, die Meisten aber hatten sich um den Pr�sidenten in Porto Vecchio vereinigt, dreihundert M�nner, bereit, sein Schicksal zu theilen.
Und jetzt l�uteten die Glocken von dem alten Thurme der Pfarrkirche, und die Priester begleiteten ein junges Paar hinaus, das den Segen empfangen, der es �ber das Meer begleiten sollte. Romana Saliceti zog hinaus an der Hand ihres Gatten, von der heimischen Erde treulos fliehend, zu dem, dem sie ewige Liebe und Treue gelobt, und heimlich, tief unter den Myrthenbl�then auf ihrer Stirn, lauschte das Gl�ck, wartend, wann ihre Augen aufh�ren w�rden zu weinen.
Da trat Pasquale Paoli hervor, in stolzer Fassung, mit der Ruhe des Philosophen, mit der Ergebung des standhaften Mannes. Nur einmal verdunkelte sich sein edles sch�nes Menschenangesicht, als er den Fu� aufhob, um ihn in das Boot zu setzen, wo die englischen Matrosen sich auf ihre Ruder lehnten. Sein Fu� bebte zur�ck, er blickte umher, auf die fernen Berge, auf die W�lder, auf die Oliven- und Mandelhaine, auf die schluchzende Menge dort auf ihren Knieen, auf die Priester, welche ihre Scapuliere ausstreckten, – seine weit ge�ffneten Augen ruhten starr und verzweifelnd darauf, athemlos still war es umher, als er sie aufhob zum Himmel und mit voller fester Stimme sprach:
�Du hast so gewollt, mein Herr und Gott, Dein Wille ist geschehen!�
Und nur ein Mal noch wurden seine Augen na�, als die Fregatte hinausflog in das blaue Meer, und die Verbannten das Land ihrer Sehnsucht und ihrer Schmerzen in den Ocean versinken sahen. Ihre Blicke hingen daran mit magnetischer Macht, Alles, was sie ertragen, Alles, was sie verloren, dr�ngte sich in ihre Herzen. Viele dieser rauhen, von den gewaltigsten Leidenschaften erf�llten unersch�tterlichen M�nner, die nie den Tod gef�rchtet, nie vor einer That gebebt, st�hnten laut vor Jammer.
Da erhob Pasquale Paoli sein Haupt und sprach:
�Z�rnet nicht, meine Freunde, und trauert nicht. La�t uns stolz und muthig unser Schicksal tragen. Besser ist es, in der Fremde bei freien M�nnern zu wohnen, denn in der Heimath bei Knechten. – Vielleicht,� setzte er seine Blicke niedersenkend hinzu, �h�tten wir l�nger noch ausharren k�nnen – ich – ich, aber Bandenf�hrer in den Bergen zu sein schickte sich nicht f�r uns, f�r die H�upter des corsischen Volkes, noch konnten wir elend und nutzlos vergossenes Blut vertreten, das Corsika nimmer frei gemacht h�tte.�
Seufzend schwieg er, Alle blieben still. Ihre Augen waren na� vom Schauen nach der geliebten Insel, die in Nebeln sich verlor.
�Ich bin nicht, wie Sampiero war!� rief Pasquale Paoli. �O! h�tte Gott uns einen solchen Mann gesandt, Frankreich w�rde es nicht gewagt haben, uns zu unterjochen. Der Herr der Welt hatte mir nicht Sampiero's K�hnheit und sein Geschick verliehen, ich that, was ich vermochte, und nur in Einem will ich ihm nie weichen, in der Liebe und Treue zu meinem Volke, zu meinem heilig geliebten Vaterlande! Darin, meine Freunde, la�t uns einig sein, la�t uns ausharren. La�t uns nach England geben, la�t uns warten. Eine Stimme in meinem Herzen ruft mir zu, wir werden unsere Berge wiedersehen, gl�nzend in der Morgensonne der Freiheit! Wir werden zur�ckkehren, jubelnd empfangen, jubelnd begr��t von einem freien begl�ckten Volke.�
Er reichte seinem Bruder seine Hand, aber der M�nch mit den d�stern Augen nahm diese nicht an.
�Geh', Pasquale,� antwortete er, �geh' zu den Fremden und sei die Fahne Corsika's, sei der Spiegel ihrer Schande, da� sie uns verlassen in unserer Noth. Ich aber kann niemals von Italien scheiden, ich mu� die Stimme meines Volkes h�ren. In dem Kloster von Vallombrosa will ich beten und b��en. Die Geister Corsika's, die gro�en Todten, werden zu mir �ber die Wasser ziehen, und wenn sie im Abendscheine mich umschweben, werde ich mit ihnen klagen, mit ihnen die Verr�ther verfluchen! Diese, nicht die Franzosen haben Corsika besiegt. – O! du hoher, heiliger Gipfel!� rief er im Prophetentone, �aus deinen Wolken trittst du, um die Wahrheit zu bezeugen. Zeichen Gottes! von dir will ich nicht lassen, gl�ubig ausharren, Burg der Freiheit, bis ich wieder bei dir bin.�
Auf seine Kniee sank er nieder, seine Arme begeistert aufhebend, denn aus Wolkenlagern stieg der Monte Rotondo in den Himmel, strahlend im lichten Sonnenglanz.
Und viele der Corsen lagen betend um ihn, Romana aber sank an des geliebten Mannes Brust, innig und gl�hend seine Augen suchend.
�Dahin nur will ich schauen,� sprach sie, �Du bist mein Gotteszeichen und sollst es bleiben bis an meinen letzten Tag. Zu Dir will ich beten. F�hre mich, wohin Du willst. Gott wird mit uns sein, er wird uns gl�cklich machen!�
Und nach ihrem Glauben und des alten Hirten Scapula ist es geschehen. Gl�cklich und lange hat Romana Saliceti mit ihrem geliebten Freunde gelebt, erst im Anfange dieses Jahrhunderts ist sie in Westphalen bald nach ihm gestorben; heimgekehrt in Gottes Schoo� zur ewigen Vereinigung.
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