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Theodor M�gge

Die Erbin von Bornholm

 

Gesammelte Novellen. Dritte Abteilung.
Einzelausgaben.
Zweiter Teil


 

Neu herausgegeben
von
lobo.dox@freenet.de

2024

 

Erstes Kapitel.

An einem fast sommerwarmen M�rztage des Jahres 1848 hielt ein Wagen, in welchem zwei Herren sa�en, auf einer H�he, von der sich ein Hohlweg niederzog in die liebliche Landschaft Angeln im Herzogthume Schleswig.

Es war ein holsteiner Halbwagen, wie er in diesem Lande gebraucht wird, wo die Wege tief und schmal sind. Der Kutscher lie� die m�chtigen Pferde verschnaufen, w�hrend die beiden Herren nach allen Seiten umhersahen und in d�nischer Sprache ihre Unterhaltung f�hrten.

Man konnte meilenweit �ber ein wunderbares Gewimmel von kleinen Th�lern, H�hen und Gr�nden und hellleuchtenden Saatfeldern schauen. Im R�cken lag die blaue schimmernde Ostsee, welche zwischen Inseln und Halbinseln sich mit waldigen Buchten in's Land gew�hlt hatte. Gro�e Schiffe zeigten ihre Segel, ein Kriegsfahrzeug mit flatterndem Danebrog Die offizielle d�nische Nationalflagge, ein etwas nach links von der Mitte verschobenes wei�es Kreuz auf rotem Grund. und hohen schwankenden Masten kreuzte in weiter Ferne, und von den runden Felsenth�rmen des Sonderburger Schlosses prallte die Fr�hlingssonne zur�ck. Vor den Blicken der beiden Herren aber lag der gro�e Garten von Angeln in seiner jungen Herrlichkeit, denn obwohl es noch fr�h im Jahre war, hatte das ungew�hnlich milde, warme Wetter �berall schon Leben in Feld und Wald geweckt.

Das reich bebaute Land zwischen �ppigen Waldh�geln, welche dunklen Inseln gleich auf dem Meere gr�nender Saaten schwammen, war von unz�hligen Hecken durchschnitten und in unregelm��ige breite und schmale St�cke getheilt. Gro�e H�fe und kleine D�rfer lagen �berall zerstreut, Kirchthurmspitzen stiegen zwischen den H�geln auf, das Menschenleben nestelte sich reich an allen Berglehnen und Gr�nden fest.

�Dies Angeln,� sagte der j�ngere der beiden Herren l�chelnd, �sieht aus wie eine Fleisch gewordene Idylle. Man sollte meinen, nur arkadische Sch�fer k�nnten darin wohnen.�

�Und doch hausen W�lfe in Schafskleidern hier,� erwiederte der �ltere Herr, �auch ist es von jeher weit mehr blutig als lustig darin zugegangen. So gr�n und lieblich dies reiche L�ndchen zwischen der Schlei und dem Flensburger Meerbusen und zwischen dem blauen Meere dort nach dem d�rren Landr�cken in der Mitte Schleswigs aussieht, so starrk�pfige und verwegene Gesellen haben von jeher darin gehaust. Es ist die �lteste V�lkerwiege Europa's, der Tummelplatz k�mpfender Nationen. Von hier sollen die Cimbern ausgezogen sein, als sie das gro�e Westreich der R�mer ersch�tterten; aus diesen Th�lern gingen die Sachsen hervor, welche England eroberten; auf diesen Grenzhaiden dort dr�ben wurde manche Schlacht geschlagen mit J�ten und D�nen, und als der deutsche Adel sich l�ngst in Angeln festgesetzt hatte, waren die Buchten und K�sten noch voller Raubnester f�r Seer�uber, die sicheren Schlupfwinkel der ber�chtigten Vitalienbr�der.�

�W�ren wir nur,� rief der andere Herr, �der starrk�pfigen und verwegenen Rotten, welche uns jetzt mit ihren Raubanschl�gen plagen, eben so los und ledig, wie der Schnapph�hne der alten Zeit. – Ihr habt Euch diese aufr�hrerischen Advokaten und Bauern �ber den Kopf wachsen lassen; nun sind wir an den Punkt gekommen, wo das Eisen biegen oder brechen mu�. Wo wohnt Lembek?�

�Dort jenseits des Thales an der Berglehne.�

�Ist es etwa der Hof dort?� fragte der Herr. �Wie viel Bescheidenheit geh�rt dazu, so tief hinab zu steigen. Aber auch darin habt Ihr Unrecht gethan; Ihr habt ihn aufgegeben, ihn mit Spott behandelt und gezwungen, eine Art Bauernk�nig zu werden.�

�Sie urtheilen falsch, Herr Etatsrath von Scheden,� erwiederte hierauf der �ltere Herr. �Heinrich von Lembek ist der Sohn meines alten Freundes. Als er Regierungsrath war, hegte ich gro�e Erwartungen von ihm und seiner Zukunft. Statt dessen nahm er Theil an dem verwirrenden Streite, lie� sich mit Unruhestiftern ein, schrieb f�r die schleswig-holsteinischen Rechte und brachte es dahin, da� er entlassen wurde. Mit Allem, was er hatte, kaufte er nun den Hof, welchen wir hier vor uns sehen, und wurde ein Bauer, das hei�t ein Bauer, wie die Hufner in Angeln es sind: wohlhabende Gutsherren, die sich besser stehen, als in anderen L�ndern gro�e Grundbesitzer. – Das Gut ist ein Zweihufengut, er kaufte es nicht theuer, und jetzt ist es wenigstens 40 000 Thaler werth.�

�Lembek ist also in guten Umst�nden?�

�Er ist immer ein Mann von Willen und That gewesen,� erwiederte der Begleiter, �und hat dies auch hierbei bewiesen. Ein flei�iger Landwirth ist er geworden, das hat seinen Anhang und sein Ansehen vergr��ert. Aber mit der Advokatensippschaft in Schleswig und Kiel steckt er nun erst recht unter einer Decke. Auf seinem Grund und Boden werden Volksversammlungen gehalten, die Bank f�r die Herzogth�mer hat er mit zu Stande gebracht, �berall, wo es Etwas gab, war er dabei, und da� ich nun Nichts mehr mit ihm zu schaffen haben konnte, werden Sie begreiflich finden.�

�Sehr begreiflich,� sagte Herr von Scheden. �Aber fruchteten denn keine Vorstellungen? Sie mu�ten Ihr v�terlich freundschaftliches Ansehen brauchen, Baron Alfeld.�

�Sie kennen Lembek nicht. Ich habe nur Aerger davon gehabt. Mit dem k�ltesten Blute von der Welt hat er mir meine verrotteten Vorurtheile vorgeworfen, meine d�nenfreundliche Gesinnung.�

�Ohne Zweifel die gr��te Ehre, welche er Ihnen erzeigen konnte.�

�Das meint meine Nichte Ida auch, die mich dringend gebeten hat, jede Ber�hrung mit ihm zu vermeiden.�

�Ein Zeugni� f�r ihr richtiges Gef�hl,� sagte der Etatsrath. �Hat Fr�ulein Ida ihn h�ufig gesehen?�

�Sie ist vor Jahren schon oft genug bei unseren Streiten gegenw�rtig gewesen, und zu jener Zeit war Lembek ein Freund, der viel bei ihr zu gelten schien, bis er endlich mit Allen brach, die ihm wohlwollten. Damals war Ida noch ein halbes Kind, kaum f�nfzehn Jahre alt, dann lebte sie bei der Tante in der Propstei, wie Sie wissen, aber seit den acht Wochen, wo sie wieder bei mir ist, hat sie ihn nicht sehen m�gen, denn sie hat genug von ihm geh�rt, um ihren Widerwillen zu verst�rken.�

�Wir sympathisiren vollkommen,� rief Scheden, �dennoch ist es mir lieb, wenn wir ihn in seiner H�hle aufsuchen – Sie thun es nicht gern, Herr von Alfeld, ich auch nicht, allein ich mu� sehen, was mit ihm anzufangen ist. Unsere alte Freundschaft erlaubt uns, offen mit ihm zu reden, und wenn er nicht alle Vernunft verloren hat, l��t sich vielleicht noch Etwas anfangen. Jedenfalls ist es meine Pflicht, mich ernstlich um ihn zu bek�mmern.�

Die letzten Worte wurden mit Nachdruck gesprochen und von einem bedeutsamen L�cheln begleitet.

�Gut,� sagte der Baron, �ich habe es Ihnen versprochen und will ihm nochmals die Hand bieten.�

�Aber vorsichtig! Wilde Thiere z�hmt man durch Streicheln,� lachte der Etatsrath.

Der Baron befahl seinem Kutscher, den Weg hinunter und nach dem Hofe, den er nannte, zu fahren. Der Wagen senkte sich in die Tiefe, und bald befand er sich zwischen den Hecken auf einem schmalen und unangenehmen Wege. Zu beiden Seiten waren Gr�ben gezogen, auf deren Erde wohl drei Fu� hohe W�lle aufgeworfen waren, auf welchen dichtes Strauchwerk von Espen, Birken und Hagebuchen stand. Einzelne h�here B�ume ragten daraus hervor und streckten ihre kahlen Aeste �ber den Weg aus, der von den W�llen und Hecken wie von Mauern eingefa�t war. Es kostete den Pferden M�he, den Wagen auf dem klebrigen und nassen Lehmboden fortzuschaffen; dann und wann schwankte das Fuhrwerk bedenklich, und Herr von Scheden versicherte mit einem derben Fluche, da� man in dieser paradiesischen V�lkerwiege mit aller Bequemlichkeit den Hals brechen k�nne.

�Es ist �berall so im Lande Angeln,� sagte Alfeld. �Landstra�en haben wir nicht; diese Hecken, Graben und W�lle, diese schmalen, tiefen Wege und die zahllose Menge der Fu�steige, welche nach allen Richtungen hin zwischen den Ackerst�cken laufen, und deren Ziel und Ende nur den Eingebornen und Eingeweihten bekannt sind, bilden eine Eigenth�mlichkeit, die wirklich Angeln zu einer Art Vend�e Die Vend�e war im M�rz 1793 Ausgangspunkt eines Aufstandes gegen die Franz�sische Revolution. Unter dem Zeichen von Herz und Kreuz k�mpfte die Landbev�lkerung gegen die Zwangsrekrutierungen des Pariser Revolutionsparlamentes. Die kirchen- und k�nigstreuen Bauern im Westen Frankreichs, in der Bretagne und in der Vend�e, dem Gebiet s�dlich der Loirem�ndung, hatten schon in der Auseinandersetzung um die Zivilverfassung des Klerus meist Partei f�r die eidverweigernden Priester ergriffen. Die in ihren Augen ungeheuerliche Hinrichtung des K�nigs am 21. Januar 1793 verst�rkte die Ablehnung gegen�ber der Revolution. macht.�

�Nur fehlen die Vend�er darin, die begeisterten M�nner f�r ihren K�nig und ihren Glauben,� erwiederte sein Begleiter. Er sah in das Heckengewirr und sagte dann nachdenklich: �Allerdings aber ist es wahr, da� wenn eine Anzahl tapferer M�nner, die einen entschlossenen Anf�hrer haben, sich hier vertheidigen wollte, sie einem ganzen Heere Widerstand leisten k�nnten.�

Der Wagen war inzwischen in einen Seitenweg abgebogen, hatte dessen h�heren Grund erreicht und rollte jetzt rasch dem Hofe entgegen, welcher auf einem Vorsprunge an der Bergseite lag.

Es schien ein langgestrecktes, mit Hecken umgebenes Geb�ude, von Fruchtb�umen und Gartenanlagen eingeschlossen.

Nicht so gro� und stattlich zwar, wie viele der H�user dieser reichen Hufner sind, �berragte es doch mit seinem hohen Ziegeldache die Stallungen und Scheunen der Hoflage, welche zu beiden Seiten sich ausdehnten und ungemein sauber und ansehnlich aussahen.

Als der Wagen an der Hofth�re hielt, steckten sich ein Paar K�pfe aus St�llen und Kammer, aber sie zogen sich gleich wieder zur�ck und lie�en die Fremden unbehindert in's Haus treten.

�Es scheint, wir finden ein leeres Nest,� sagte Herr von Scheden verdrie�lich.

�Nicht also,� erwiederte der Baron, indem er auf die Th�re im Hintergrunde der kleinen Vorhalle deutete. �Er ist im Pesel, das hei�t im gro�en Wohn- und Empfang-Zimmer, und hat Besuch, denn ich h�re mehrere Stimmen.�

Der Etatsrath �ffnete die Th�re und warf einen raschen Blick hinein. Er sah ein gro�es Gemach mit sauber gestrichenen W�nden und hellen, hohen Fenstern, die nach dem Garten hinaussahen. Ein alterth�mliches gro�es Schreibspind von Nu�baumholz stand an der Wand, an deren einen Seite ein Schrank voller B�cher und Papiere. Gardinen von buntem Zitz, ein Spiegel in Goldrahmen, polirte Tische, ein bequemes Sopha brachten modernen Luxus hinein und gaben dem Ganzen ein heiteres und wohnliches Aussehen; in der Mitte des Zimmers aber standen zwei alte Leute in langen, blauen R�cken, der gew�hnlichen Bauerntracht, zwischen ihnen ein junger Bursche, der den Arm um eine h�bsche Dirne gelegt hatte und ganz gl�cklich aussah; vor diesen Beiden endlich ein Mann in blauer Friesjacke mit rotem Futter, welcher sein ernstes, ausdrucksvolles Gesicht dem jungen Manne zuwandte und, indem er dessen H�nde in den seinen hielt, mit seiner markigen Stimme zu ihm redete.

Einige Augenblicke blieb das Oeffnen der Th�re unbemerkt, die Handlung wurde daher durch Nichts gest�rt.

�So m�ssen M�nner thun, die das Rechte wollen,� sagte der Sprecher. �Wie es auch schwer ist, gegen Vorurtheile anzuk�mpfen und sich selbst zu bezwingen, das eben zeigt den richtigen Mann an, wenn er die Stimme der Natur h�her achtet, als was der Hochmuth der Menschen sagt.

Nimm denn die Anna bin, Ludolf, Du wirst eine wackere Frau haben, besser als Viele, die reicher sind und sich mehr d�nken. Bezahlt es Euch durch Liebe und Treue in aller Noth, was Ihr gelitten habt, und denkt daran, was Euch geschehen ist, wenn es gilt, Anderen gerecht zu sein.�

�Wenn es auf's Danksagen ankommt,� sprach der eine der M�nner, �so m�ssen wir insgesammt Ihnen dankbar sein, Herr Lembek. Ich glaube, ich h�tte es nimmermehr �berwunden, und denke immer noch daran, wie Manche den Kopf sch�tteln werden, wenn sie es h�ren. Aber mein Wort ist ein Wort. Sie haben es so abgemacht, und was Sie gethan haben, ist gut gethan, da� wissen wir Alle. Gereuen wird's mich nicht, das soll Niemand sagen.�

�Wohlgesprochen, Petersen,� erwiederte der Hofbesitzer, ihm die Hand sch�ttelnd. �Was ein Mann thut, soll immer so gethan sein, da� er es niemals zu bereuen hat.�

Bei den letzten Worten wandte er den Kopf nach der Th�re, und voll Ueberraschung sagte er: �Ist es m�glich? Scheden! wenn ich recht sehe.�

�Es ist Dir doch lieb, mich zu sehen?� fragte der Etatsrath ihn auf's Herzlichste begr��end. �Wir sind lange nicht beisammen gewesen, Lembek, und finden uns unter ver�nderten Umst�nden wieder. Doch ich bin nicht allein,� f�gte er umblickend hinzu. �Hier ist der Herr von Alfeld, Dein alter G�nner und Freund. Ich habe ihn bewogen, mich zu Dir zu begleiten, was Dir gewi� lieb sein wird.�

�Es k�nnte mir nichts lieber sein,� erwiederte der Hofbesitzer, indem er den Baron freundlich anblickte, der ihn ziemlich kalt gr��te.

�Wir st�ren Dich in Gesch�ften,� fragte Scheden.

�Mein Gesch�ft ist abgemacht,� war die Antwort. �Ich habe nur zwei gute Freunde und Nachbarn, die ihre Kinder verheirathen wollten, mit meinem Rath und Beistand unterst�tzt.�

�Das hei�t also, ein gl�ckliches Paar gemacht?�

�Ja, Herr,� sagte der, welcher Petersen hie�, �das hat unser Nachbar gethan, und hat es besser gekonnt als Advokaten und Pfarrer.�

�Er hat uns vor den Advokaten bewahrt,� fiel der Andere ein.

�Unser Geld uns erhalten,� sagte Petersen.

�Und denen beigestanden, die in Noth waren, wie er immer thut,� rief der junge Mann mit einem warmen Blicke.

�Ich sehe,� sagte Herr von Scheden fein l�chelnd, �Du bist noch immer der Mann des allgemeinen Vertrauens.�

�Gott Lob,� erwiederte Lembek, �niemals habe ich dies Vertrauen get�uscht. Hier handelt es sich aber um eine ganz einfache Sache. Diese beiden wackeren Leute, der Hufner Petersen und der Kathner Ludwig, hatten Streit �ber ein St�ck Land und alte Gerechtsame. Ludwig's Tochter, Anna, ist seit Jahren in meinem Hause, und f�hrt die Wirthschaft zu meiner gr��ten Zufriedenheit. Petersen's Sohn ist so wacker und t�chtig, wie Wenige; es konnte kaum anders kommen, da� sie sich lieb gewannen. Dennoch blieben allerlei Bedenken, denn es kommt selten vor, da� eines Hufners Sohn die Tochter eines Mannes heirathet, der kaum zwanzig Tonnen Land besitzt.�

�Gewi�,� fiel Scheden ein, �ich kann mir denken, da� sehr Vieles dabei in Betracht kommt.�

�Um so erfreulicher ist es,� sagte Lembek, �da� diesmal alle Vorurtheile �berwunden wurden. Mein Freund Petersen war hartn�ckig genug; ich wurde Schiedsrichter in dem Land- und Geldstreite. Das Geld wollte er willig geben, was ich ihm aberkannte, obwohl es sich um mehrere tausend Thaler handelte, aber des Sohnes Flehen nicht erf�llen. Nun haben die Bitten der Kinder und die Vorstellungen guter Leute mich auch darin zum Schiedsrichter gemacht,� fuhr er fort, �und eben kommst Du zu rechter Zeit, um Zeuge meines Urtheils zu sein. Ludolf wird Anna heimf�hren, das Geld aber, das Petersen zahlen mu�, wird das Heirathsgut seiner Schwiegertochter sein.�

�O weiser Salomo!� rief Scheden lachend, �das ist ein Vergleich, bei dem alle Theile gewinnen. Ich bin �berzeugt, da� er Freude und Gl�ck verbreitet.�

�Mehr, als Du denken kannst,� sagte der Hofbesitzer ruhig. �Aber wir sind fertig und bed�rfen weder Schrift noch Siegel. Unser Handschlag reicht hin, und mein Amt ist aus.�

Er gab den M�nnern die Hand, und nach kurzer Zeit entfernten sich diese, nachdem sie beredt ihren Dank wiederholt hatten, der aus jedem Worte und jedem Blicke sprach.

Der Baron hatte sich w�hrend der ganzen Zeit still verhalten. Er sa� auf einem Stuhle am Tische, kreuzte die Arme und h�rte geduldig zu. Zuweilen richteten sich die Augen der Bauern auf ihn, und nicht allzu freundlich wurde er angesehen.

�Gottes Dank zum letzten Male, Herr Lembek,� sagte der junge Ludolf beim Abschiede. �Wenn je was geschehen sollte, wo ich's zeigen k�nnte, wie mir um's Herz ist, mag's Gut und Blut kosten, ich will nicht fehlen.�

Lembek begleitete seine G�ste, und mit einem finstern L�cheln sagte der Baron:

�Da haben Sie ein zuf�lliges Pr�bchen, welchen Einflu� er aus�bt. Es ist unerh�rt hier, da� ein Hufner seinen Sohn an eines Kathenmannes Tochter giebt. Eine solche Mi�heirath wird als die gr��te Familienschande betrachtet, mehr verachtet, wie selbst in unserem Stande. Er bringt es dahin, da� alte Sitten und Satzungen �berall Nichts mehr gelten, und nennt es Vorurtheile, wie er Alles so nennt, was ehrw�rdig und heilig gehalten wird. Und diese z�hen Bauern machen ihn zum Schiedsrichter �ber Geld und Gut nicht allein, sondern selbst �ber ihr Familienwohl und ihre Ehre. Uns w�rden sie keinen Pfennig anvertrauen; was wir ihnen riethen, w�rden sie schon um deshalb nicht thun. Haben Sie die Blicke nicht gesehen, mit denen sie mich anglotzten? Haben Sie wohl bemerkt, wie der Junge mich ansah, als er gelobte, Gut und Blut f�r seinen Messias in die Schanze zu schlagen?�

�Ich habe Alles gesehen, lieber Alfeld,� erwiederte Scheden, �aber um's Himmels Willen, jetzt keine Empfindlichkeit. Seien Sie freundlich zu Lembek, wir m�ssen genau wissen, woran wir mit ihm sind; da kommt er.�

Der Hofbesitzer kehrte zur�ck. Er sah stolz und freundlich aus, und in seinem offenen m�nnlichen Gesicht lag eine wohlbewu�te Ueberlegenheit, als er die beiden Herren nochmals willkommen hie�. Aus einem Wandschranke nahm er eine Flasche Wein und Gl�ser, schenkte ein, stie� mit ihnen an und setzte sich zu ihnen.

Nach einigen raschen, allgemeinen Fragen sagte Scheden:

�Ich sehe es Dir an, Lembek, Du bist erstaunt, uns hier zu sehen. Und wer h�tte es auch denken sollen, da� ich einmal den jungen, eleganten Regierungsrath Lembek in der blauen, rothgef�tterten Jupe eines Bauern in Angeln wiederfinden w�rde, wie er die H�ndel seiner Freunde in den langen blauen R�cken schlichtet.�

�Du wei�t wohl,� erwiederte der Hofbesitzer ohne alle Verlegenheit, �da� die Verh�ltnisse und mein Wille mich zu dem gemacht haben, was ich jetzt bin. Ich f�hle mich in meiner Jupe ganz zufrieden, und wie Du eben gesehen hast, besitze ich das Vertrauen Derer, die Du meine Freunde in langen R�cken nennst, in weit h�herem Grade, als fr�her meine Freunde in kurzen R�cken und Glac�handschuhen es mir schenkten.�

�Und auch jetzt,� rief Scheden, �giebst Du Dich so harmlosen Besch�ftigungen hin, M�dchen unter die Haube zu bringen, w�hrend ich meinte, Du w�rdest mitten in der politischen Bewegung stecken, welche alle K�pfe ergriffen hat. – Du bist in die Landesversammlung gew�hlt worden?�

�Man hat mich gew�hlt,� sagte Lembek.

�So wirst Du zu den ›Erleuchteten‹ geh�ren,� fuhr Herr von Scheden mit sp�ttischer Betonung fort, die berufen werden sollen, um die neue, seligmachende Verfassung f�r das deutsche Herzogthum Schleswig auszuarbeiten.�

�Ich f�rchte,� erwiederte der Hofbesitzer, �da� es dazu gar nicht kommen wird.�

�Warum denn nicht?�

�Weil sehr wahrscheinlich der Fanatismus Derer, die das Aeu�erste wollen, es verhindern d�rfte.�

�Ich freue mich Deiner Gesinnung, lieber Lembek,� sagte der Freund, �und leugne es nicht, ich habe Dich in der Absicht aufgesucht, Dir dringende Vorstellungen zu machen.�

�Mir?� fragte Lembek. �So la� denn h�ren.�

�Nicht hier und nicht jetzt,� antwortete Scheden; �hier habe ich eine andere Mission. Du hast Dich von allen alten Freunden zur�ckgezogen, das ist nicht recht und nicht gut, Lembek. Hier ist Baron Alfeld, Dein w�rmster Besch�tzer, der viel f�r Dich gethan hat. Ich wei�, was Meinungsverschiedenheiten unter M�nnern thun, welche Trennungen sie hervorbringen, welche Verbindungen sie aufl�sen, aber in diesem Augenblicke, wo unserem gemeinsamen Vaterlande die gr��ten Gefahren drohen, sollen Alle, die Herz und Kopf auf der rechten Stelle haben, beisammen stehen.�

�Noth thut es,� sagte Lembek.

�Ich habe Kopenhagen verlassen,� fuhr Scheden fort, �weil ich die St�rme dort kommen sehe. Ich bin noch immer Etatsrath im Dienste des K�nigs, aber auch geborener Schleswiger. Ich bin auf meinem Gute bei Hadersleben gewesen, habe mich von der Stimmung im Norden �berzeugt, habe Flensburg, Kiel und Schleswig besucht und verweile nun hier bei unserm Freunde Alfeld. Gieb ihm Deine Hand, Lembek, dem alten v�terlichen Freunde, und versprich ihm, mit uns gemeinsam in Rath und That zusammenzustehen, um Schaden und Ungl�ck zu verh�ten, so weit wir es verm�gen.�

�Gern und mit Freuden,� sagte Lembek, indem er dem Baron die Hand bot.

�Heinrich,� sprach der alte Herr bewegt, �ich bin zu Dir gekommen voll Hoffnung und Vertrauen. Soll ich Deine Hand nehmen als Zeichen aufrichtiger Vers�hnung?�

�Als ein Zeichen,� erwiederte er, �da� ich es immer schmerzlich empfunden habe, Ihnen so nahe und doch so fern zu sein.�

�Nun, wir werden ja sehen, wir werden ja sehen!� sprach Alfeld, ihn ungl�ubig anstarrend. �Wir wollen die wunden Stellen jetzt nicht weiter ber�hren, aber der Etatsrath hat nur zu Recht; wir m�ssen Alle jetzt beisammen stehen, alle Vernunft zusammennehmen, wenn wir nicht in gro�es Ungl�ck gerathen wollen. Du wirst die neuesten Nachrichten schon geh�rt haben?�

Er sah ihn forschend an.

Es war im M�rz allerdings Vieles geschehen in den Herzogth�mern und t�glich noch mehr zu erwarten. In Kiel wurden Volksversammlungen und B�rgerversammlungen gehalten, die sich �berall im Lande wiederholten. Die gr��te Aufregung herrschte in allen Kreisen, denn immer gewisser wurde es, da� von Kopenhagen aus ein Gewaltstreich zu erwarten sei. – Der Ha� zwischen D�nen und Deutschen hatte eine H�he erreicht, die das Aeu�erste erwarten lie�. Alles, was seit zehn Jahren vorbereitet war, ging seiner Erf�llung entgegen.

W�hrend in Kopenhagen die d�nische Freiheitspartei Krieg forderte gegen die Aufr�hrer an der Eider und mit Waffengewalt die Incorporation Schleswigs begehrte, wandten sich alle Sympathieen der deutschen Bev�lkerung in den Herzogth�mern der Bewegung in Deutschland zu. Das kleine holsteinische Heer war ganz auf der Seite des Volks, dies Volk entschlossen, keine Gewalt zu dulden; nur der gr��te Theil des Adels stand getrennt von der Landessache, eben sowohl aus Abneigung gegen die Advokaten- und Bauernpartei und deren Forderungen und Lehren, wie aus Furcht vor den materiellen Folgen eines Aufstandes.

Und hier an der Grenzscheide der deutschen und d�nischen Bev�lkerung lagen diese Folgen am n�chsten und waren am gef�hrlichsten. Der reiche Gutsbesitzer hatte daher wohl Recht, wenn er nach seiner Anschauungsweise den Kopf sch�ttelte und �ngstliche Blicke auf Lembek warf.

�Ich denke,� sagte dieser, �da� wir noch immer nicht das Schlimmste zu bef�rchten haben. Der K�nig wird dem offenen Unrechte nicht nachgeben, dies deutsche Land nicht zwingen wollen, d�nisch zu werden.�

�Aber die R�stungen,� rief Alfeld. �Was wollen wir machen? Nach J�tland werden t�glich Regimenter �bergesetzt, und �berall kreuzen d�nische Schiffe. In Flensburg sind Tumulte gewesen, die d�nische Partei hat dort die Oberhand.�

�Bei uns hat sie diese nicht,� erwiederte der Hofbesitzer kalt.

�Aber sage mir doch,� fiel Scheden ein, �ist denn dies Angeln ein deutsches Land, oder hat man nicht noch vor kaum einem Menschenalter hier �berall d�nisch gesprochen?�

�So war es,� erwiederte Lembek, �aber es ist anders geworden. Man sprach ein d�nisches Idiom in Angeln bis an die Schlei, allein das Land war uralt deutsch, ebenso wie die Marschen der Friesen, und keine bessere deutsche Gesinnung kann gefunden werden, wie hier, wo Jeder sich als Deutscher f�hlt, wo alle Blicke sich auf Deutschland richten, alle Herzen f�r Deutschland schlagen, wo alle Vortheile f�r die Verbindung mit Deutschland sprechen, alle Nachtheile f�r D�nemark sind.�

�Und auf die Vortheile kommt es an!� lachte der Etatsrath. �Du hast Recht, Lembek, la� uns trinken, Dein Wein ist gut. Was Alfeld sagt, ist allerdings auch richtig. In Flensburg, wenige Stunden von hier, will Keiner, der Etwas zu verlieren hat, ein Deutscher sein. Alle Leute von Verm�gen und Einsicht, die Handelsherren und ihr Anhang an der Spitze, lassen den Danebrog hoch leben, jenseits Flensburg aber, wo Niemand mehr Deutsch versteht, ruft das d�nisch redende Volk erst recht um Rettung von den verha�ten Deutschen. Was soll der K�nig nun thun? Die gute H�lfte des Landes will d�nisch sein, die andere H�lfte schreit nach den alten Rechten und nach Deutschland. Es ist ein verwirrter, schlimmer Handel. Will man billig denken, so mu� man zugeben, da� es den D�nen doch nimmermehr gleichgiltig sein kann, eine halb d�nischredende und d�nisch gesinnte Provinz zu verlieren. Man mu� zugeben, da� die alten Landesrechte und die historische und factische Sachlage im schneidenden Widerspruch stehen, und da� das alte vergilbte Pergament, von dem Niemand wei�, wo es geblieben ist, zweifelhaft wird durch andere, j�ngere historische Documente, die es antasten und umsto�en.�

�Wenn alte Pergamente Nichts gelten sollen,� sagte Lembek, �vor denen doch sonst die Richter in Israel, die Diplomaten und Staatsgewaltigen so gro�en Respect haben, so bleibt Nichts �brig, als der Volkswille. Ich beklage es wie Du, da� die Bewohner dieses Landes nicht Alle Deutsche oder D�nen sind. Ich g�nne Jedem seine Nationalit�t, aber ich will die meinige behalten und mein angeborenes Recht nicht aufgeben, so lange ich es hindern kann.�

�Vollkommen klug und weise gesprochen,� rief der Freund, �auf diese Untersuchung kommt es an. Niemand giebt Etwas auf, was er zu halten vermag, es sei denn, da� er zu dem Einsehen gelangt, er wolle Unm�gliches und Unausf�hrbares. Es wird sp�t, Lembek, ich sehe es Alfeld an, da� er nach Hause will, wo seine sch�ne Nichte Ida uns l�ngst erwarten wird.�

�So ist es,� sagte der Baron aufstehend. �Du erinnerst Dich wohl kaum mehr an Ida, lieber Heinrich. Sie war damals ein Kind, jetzt ist sie eine stattliche Dame geworden, die sich freuen wird, Dich wieder zu sehen.�

�Ich habe geh�rt,� erwiederte Lembek l�chelnd, �da� sie seit einigen Wochen Ihnen Gesellschaft leistet.�

�Sie ist m�ndig,� sprach Alfeld, �ich bin die Last los. Die Erbin von Bornholm wird aber dennoch manchen guten Rath bed�rfen; und meine Nichte bleibt unter meiner v�terlichen Obhut, bis ein anderer Besch�tzer f�r sie eintritt.�

Der Etatsrath nickte l�chelnd seinem Freunde zu und sagte dann:

�Wie sehr w�ren unsere armen Damen zu beklagen, wenn sie in diesem Lande des Aufruhrs mitten unter k�mpfende Parteien geworfen werden sollten. Alle Liebensw�rdigkeit reicht nicht aus, um sich vor den Gr�ueln roher Leidenschaften zu sch�tzen.�

�Was Ida betrifft,� erwiederte ihr Oheim, �so hat sie mehr Entschlossenheit, festen Willen und patriotische Gesinnung, als mancher Mann. Dennoch w�re es mir lieb, ich w��te sie in Sicherheit. Sie will mich aber nicht verlassen und meint, wir m�ssen da aushalten in guter wie in b�ser Zeit, wo das Schicksal uns eben hingestellt hat. – Nun, Heinrich Lembek,� fuhr er fort, �so sei denn zwischen uns Frieden und Freundschaft hergestellt, so Gott will. Wir wollen nicht streiten und nicht z�rnen. Es mag so sein, wie Ida sagt, da� Jeder von Gottes Hand an seinen Platz gestellt sei und nicht desertiren d�rfe, aber wir k�nnen doch in dieser Noth zusammenhalten und wie gute Nachbarn uns rathen und helfen. Wenn es auch Dir so scheint, so nimm meine Einladung an, besuche uns morgen und sei unser lieber Gast.�

�Gewi�, das k�nnen wir und wollen wir,� erwiederte Lembek, indem er die Einladung dankend annahm.

�Es kann noch Alles gut werden,� sagte der Baron erfreut, �wenn wir nur vern�nftig sind und allen unsern Einflu� anwenden, damit die Ruhe erhalten bleibt. Du hast Deinen Hof gut im Stande, auf einen Blick sieht man, da� Ordnung und Wohlstand hier zu finden sind. Das Gut ist heraufgebracht, wie selten eines; ich wei�, Du hast seit Jahren alles Erworbene an Verbesserungen gewendet.�

�Meine M�hen haben sich gelohnt,� antwortete Lembek.

�Und werden es noch mehr thun,� fuhr Alfeld fort, �wenn Frieden bleibt und die Unruhen uns nicht verzehren. Das mu� ein Jeder bedenken, der sein Vaterland liebt; und wer es thut, wird nicht leichtsinnig aufreizen und Verderben �ber sich und Alle bringen. Also morgen, Heinrich. Lebe wohl und habe Dank f�r Deine Bewirthung.�

Sie trennten sich unter gegenseitigen erneuten Freundschaftsversicherungen, und doch waren diese sichtlich nur eine d�nne H�lle, unter welcher festgewurzeltes Mi�trauen verborgen lag.

�Wir werden morgen Zeit haben, uns auszusprechen und zu verst�ndigen,� sagte der Etatsrath beim Abschiede leise in Lembek's Ohr. �Hoffentlich kann ich Manches f�r Dich thun, was Dir lieb sein wird.�

Der Wagen rollte durch den sinkenden Abend; es dunkelte in dem kleinen Thale. Die beiden Herren schwiegen eine Zeit lang. Verschiedene gro�e H�fe lagen zerstreut da und dort unter gespenstisch alten B�umen. Endlich folgte ein kleines Dorf, an dessen Eingange ein hell erleuchtetes Wirthshaus stand. Man konnte hineinsehen in die Gaststube. Eine Anzahl Bauern, meist junge Leute, umringten einen Tisch, an dessen Ende Einer, der sich auf eine Bank gestellt hatte, ihnen eine Zeitung vorlas und in der andern Hand ein Licht hielt, um besser zu sehen. Die Flamme beschien sein Gesicht, es war Ludolf, der gl�ckliche Br�utigam. An der Th�re des Wirthshauses lehnte ein Mensch, der den Wagen anstarrte und laut auflachte, dann aber ein Lied anstimmte, von welchem der ge�rgerte Baron Alfeld die Worte verstehen konnte:

Ich sag' es Euch mit Freuden:
Ich bin ein deutscher Mann,
Der wohl den Tod mag leiden,
Doch nie ein D�ne werden kann.

�H�ren Sie wohl,� sagte der Baron, �so steht es hier. Das sind die Folgen der W�hlereien. Und wissen Sie, wer dies Lied und andere �hnliche gemacht hat? Kein Anderer als Lembek. Der Bengel hat mich ohne Zweifel erkannt und singt uns sein Lied zum Hohne nach.�

�Lassen Sie ihm das unschuldige Vergn�gen,� erwiederte Scheden lachend.

�Es ist unglaublich, wie sich alles ver�ndert hat,� fuhr der Gutsherr seufzend fort. �Ich will nicht von der Zeit reden, wo alle diese Hufner und ihre Sippschaft leibeigene Leute waren, arm wie die Kirchenm�use, so elend, da� sie nur in Holzschuhen gingen. Dar�ber sind sechszig Jahre vergangen, aber es blieb doch das Gef�hl der Achtung vor ihren ehemaligen Herren in ihnen. Jetzt ist keine Spur mehr davon vorhanden. Sie sind reich geworden, ihre Prediger sind M�nner, die von ihnen gew�hlt und auf die Landtage geschickt werden, ihre Richter und Vorst�nde n�hren den deutschen Geist, und ihre Kinder bekommen in deutschen Schulen Anh�nglichkeit an das sogenannte gro�e deutsche Vaterland.�

�Glauben Sie,� fragte der Etatsrath, �da� Lembek morgen kommen wird?�

�Ich zweifle nicht daran,� erwiederte Alfeld.

�Und wenn wir ihn zur Einsicht bringen k�nnen, glauben Sie nicht, da� sein Einflu� hinreichend ist, alle diese Schreier in Ordnung zu halten?�

�Ich bin �berzeugt,� sagte Alfeld, �da� nach seinem Beispiel sich der ganze Anhang richten wird.�

�Dann, lieber Alfeld, ist es unsere Aufgabe, ihn auf jeden Fall zu bekehren. Ueberwinden Sie allen Mi�muth und lassen Sie sich zu keiner Heftigkeit hinrei�en, wenn er sich etwa nicht sogleich beikommen lassen will. Es wird sich Alles f�gen und finden. Lembek wird durch Ihre G�te und Ihr edles Entgegenkommen zur Besinnung gebracht werden; auch Fr�ulein Ida mu� ihre Abneigung �berwinden und sich freundlich erweisen.�

�Wenn aber Alles Nichts fruchtet?� sagte Alfeld finster zur�ckblickend. �Ich traue ihm nicht.�

�Nun, wenn Alles Nichts fruchtet,� lachte Scheden, �so bleibt uns ja immer �brig, einen verlorenen Freund, selbst gegen seinen Willen, vom Verderben zu retten. Jedenfalls ist es gut, wenn er kommt, sorgen wir daf�r, da� er bleibt.�

Der Wagen hatte die H�hen erreicht, und nach zwei Stunden lag das Herrenhaus des gro�en Gutes vor den erm�deten Reisenden.

Am Himmel flammte es blutig roth und warf zahllose zuckende Blitze �ber den ganzen Horizont. Es war ein prachtvolle Nordlicht, das Schrecken und Erstaunen erregte und mit seinem Grauen und Ahnen an diesem Abend viele Gem�ther bang erf�llte.


Zweites Kapitel.

� So steht es also, liebe Ida,� sagte Alfeld, als er am n�chsten Morgen Arm in Arm mit seiner Nichte in dem Saale auf- und abging. �Lembek wird kommen, und freundlich m�ssen wir ihn empfangen. Du wirst ihn �brigens kaum wieder kennen, so hat er sich ver�ndert.�

�Allem Vermuthen nach nicht zu seinem Vortheile,� erwiederte die junge Dame.

�Nun, da� will ich nicht sagen,� versetzte der Onkel, �aber vor vier Jahren war er lange nicht so ernsthaft und ruhig, so breitschultrig und braunfaltig, wie ich ihn jetzt gefunden habe.�

�Bewahr uns Gott!� antwortete das Fr�ulein, ein Kreuz schlagend. �Ich kann mir vorstellen, da� solche Vorz�ge f�r seine Umgebung sehr anziehend und sehr Achtung gebietend sein m�gen.�

�Du wirst ihn ja sehen,� sagte Alfeld, �doch um Eins will ich Dich bitten, mein Kind. Es liegt uns daran, ihm entgegen zu kommen, so viel wir k�nnen; mir wird es herzlich sauer, denn verzeihen kann ich ihm so leicht nicht Alles, was er begangen hat, aber unter den jetzigen Umst�nden erfordert es unser Wohl, wenn wir ihn bestimmen k�nnen, gemeinsam mit uns f�r die gute Sache zu handeln. Scheden hat mich dringend gebeten, auch mit Dir zu sprechen und Dich zu bitten, uns beizustehen. Willst Du?�

�Was soll ich wollen, theurer Onkel?� fragte das Fr�ulein l�chelnd.

�Als ob Du es nicht w��test,� erwiederte er schmeichelnd. �Du sollst seinen harten Sinn erweichen helfen, und wenn es Jemand kann, kannst Du es, Ida.�

�Ich!� rief sie, in die H�nde schlagend. �Was soll ich mit dem Bauer anfangen?�

�O, so arg ist es nicht,� sagte Alfeld. �An Bildung fehlt es ihm nicht; alle Tische lagen bei ihm voll B�cher, und fr�her war er ein sehr munterer Gesellschafter, der den Damen willkommen war.�

Das Fr�ulein zuckte sp�ttisch mit den Lippen.

�Man w�nscht also von mir, da� ich meine ganze Liebensw�rdigkeit bei ihm geltend machen soll?�

�Ihr Frauen,� sagte der Onkel, ��bt einen Zauber aus, dessen Macht nicht genug zu bewundern ist. Als ich Lembek Deinen Namen nannte und ihm erz�hlte, Du w�rdest Dich freuen, ihn wieder zu sehen, sah ich, da� ihn dies mehr erg�tzte, als alle meine Honigreden. Er hat Dich fr�her gekannt und gern gehabt, ich merkte, da� Du in diesem Augenblicke vor ihm standest, und da� er begierig war, zu sehen, was aus Dir geworden sein m�chte. Es gab eine Zeit, Ida, wo ich allerlei Pl�ne hatte und meinte, es k�nne sich wohl f�gen, da� Heinrich Lembek Dir auch ausnehmend gefallen w�rde.�

�Ich hoffe, mein theurer Onkel, Du bist seitdem davon zur�ckgekommen,� erwiederte sie im stolzen Tone, und eine pl�tzliche R�the f�rbte ihr Stirn und Wangen.

�L�ngst, l�ngst! Das versteht sich von selbst,� rief der Baron, �davon kann nie mehr die Rede sein. Scheden …�

�Wo ist er?� unterbrach sie ihn.

�Er macht einen Spazierritt nach der K�ste. Es ist ein prachtvoller Tag, fast zu sch�n und warm f�r diese fr�he Jahreszeit.�

Das Fr�ulein blieb einige Minuten am Fenster stehen und blickte in die Ferne. Das Haus lag reizend, vor sich ein weit offenes, jung begr�ntes Thal, von jenen zahllosen Heckenr�ndern durchschnitten, in der Tiefe viele kleine Arbeiterwohnungen und Baumgruppen, mit seiner Hinterfront aber lehnte es an G�rten und Parkanlagen, zwischen denen in der Ferne sich das Meer entdecken lie�.

�Was soll denn also meine eigentliche Aufgabe sein?� fragte sie, sich wieder zu ihrem Oheim wendend.

�Du sollst Nichts thun, als Deinen Widerwillen �berwinden, mein Kind,� erwiederte er ungeduldig, �sollst machen, da� er Dich gern sieht und h�rt, und Heinrich Lembek ist ja ein Mann von kaum drei- oder vierunddrei�ig Jahren, stolz, charakterfest, eine Art M�rtyrer, ein Mann, der Furcht und Bewunderung einfl��en kann, also ganz dazu gemacht, um M�dchen zu interessiren. Ich bitte Dich, Ida, sieh ihn von dieser Seite an, und ich bin fest �berzeugt, Du wirst mehr finden, als Du meinst.�

�Ich soll ihm also durchaus gefallen,� rief sie lachend. �Du willst es so, will es Scheden auch?�

�Gewi�, gewi�!� erwiederte Alfeld erfreut. �Sieh �ber seinen Mangel an feinen Formen weg, aber Du wirst finden, Alles, was er sagt, hat eine gewisse W�rde, die imponiren kann. Gegen den Etatsrath gehalten verliert er freilich. In ihm paart sich Klugheit und Feinheit, der ist �berall sicher und glatt, und wie er M�nner zu gewinnen wei�, so gef�llt er auch den Damen. Ist es nicht so, Ida?�

Er lachte, indem er seine Hand leise auf ihre Schultern legte und ihr in's Gesicht schaute.

�Ja wohl, lieber Onkel,� erwiederte das Fr�ulein, seinen Blick erwiedernd, �es ist so.�

�Nun, Du Schelm,� rief Alfeld, �vielleicht ist es recht gut, wenn Heinrich die Folie zu diesem Edelsteine bildet und ihm das rechte Feuer giebt. Ich mu� jetzt meinen Umgang machen, sehen, wie es in Haus und Hof steht, habe zu rechnen und zu schreiben. Bedenke Du inzwischen, was ich gesagt habe, und studire ein Bischen dar�ber, wie man B�ren f�ngt und an die Kette legt.� –

Mit bedeutsamem L�cheln nickte er ihr zu und ging.

 

Nach einigen Stunden, als die kleinen h�uslichen Angelegenheiten geordnet waren, ging Fr�ulein Ida durch den einsamen Garten der H�he zu, mit welcher die Park-Anlagen endeten. Von dort aus konnte man leicht nach allen Seiten schauen. Ein chinesischer Sonnenschirm stand auf der Spitze. Die Fr�hlingsluft wehte warm �ber Angeln hin und k�mpfte mit dem k�hlen Seewinde, der vom Meere her sie zur�cktrieb. Dies tiefblaue Meer mit seinen Buchten bildete einen weiten Halbkreis, und lange hingen die Blicke der jungen Erbin an einem Punkte fest, wo ein gro�es Schiff nicht fern vom Lande ankerte, und mehrere kleine schwarze Gegenst�nde, die seine Boote sein mu�ten, sich hin und her bewegten.

Auf der Bank unter dem Schirme sa� sie, dann und wann von einem Sonnenstrahle erreicht, der �ber den schwarzen Seidenmantel hinflog, wenn ihn der Wind bewegte. Ohne sch�n zu sein, war ihr Gesicht anmuthig in seiner Unregelm��igkeit. Die dunklen Augen enthielten geistiges Leben und beherrschten alle �brigen Z�ge; ein nachdenkender und stolzer Ausdruck lag darin, der die jugendliche Heiterkeit �berwiegen konnte, welche so unbefangen und nat�rlich diesen kr�ftigen, frischgef�rbten Wangen und Lippen aufgedr�ckt war.

Nach einiger Zeit wandte sich das Fr�ulein um, denn von der Landseite h�rte sie Stimmen. Ein Weg f�hrte nicht weit an der Parkspitze vor�ber, und aus dem Thale heraufkommend erblickte sie einen Reiter, der sich mit einem Manne in Bauerntracht unterhielt, welcher neben dem Pferde herschritt.

Im ersten Augenblicke glaubte sie den Etatsrath zu erkennen, gleich darauf aber sah sie den Irrthum ein. Der Reiter ritt ein m�chtiges schwarzes Pferd, ein breitgekrempter Hut mit niedrigem Kopfe bedeckte seine Stirn, ein dunkler, weiter Rock mit rothem Futter, wie ihn die Landleute tragen, umh�llte seine ganze Gestalt. �Das ist er,� sagte die Erbin. �Der leibhafte Mephistopheles. Das mu� er sein.�

Jetzt schien der Landmann den Reiter auf den chinesischen Sonnenschirm aufmerksam zu machen. Die Dame h�rte die Worte nicht, aber sie sah, wie der Mann den Arm ausstreckte, der Reiter sein Pferd anhielt, wie er abstieg und mit vieler Leichtigkeit �ber ein niederes Heckenwerk sprang, dann einen Rain entlang zu der H�he heraufstieg und sich ihr n�herte.

Einen Augenblick war sie zweifelhaft, ob sie ihn hier erwarten sollte. Fremd und fragend blickte sie auf ihn hin und betrachtete genau sein Gesicht, das ihr gar nicht so sehr ver�ndert vorkam, wie der Onkel es geschildert hatte. Sie fand bekannte Z�ge wieder, nur hatten Arbeit, Sorgen und Gedanken diese sch�rfer ausgepr�gt. Als er den Hut abnahm, wehte der Wind sein braunes Haar �ber die breite Stirn, und unm�glich schien es ihr, jetzt noch das kalte Fremdthun beizubehalten, als er vor ihr stand, und ein freundliches L�cheln wie heller Sonnenschein pl�tzlich durch sein ernstes Gesicht flog.

�Sie sind es, Ida,� sagte er mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme. �Wie mich das freut, Sie wiederzusehen, und zuerst hier auf derselben Stelle, wo wir so oft froh gelacht und gescherzt haben.�

�Herr von Lembek,� erwiederte die Erbin.

�Heinrich Lembek,� fiel er ein. �Geben Sie mir Ihre Hand, oder wollen Sie mich ableugnen? Ist Etwas an mir, was Ihnen nicht gef�llt? Meine Hand ist rauh und schwer, aber es ist immer noch dieselbe, die sie sonst war, die Hand Ihres Freundes, der alle Freundschaft aus alter Zeit und alle Erinnerungen daran mitgebracht hat.�

Er setzte sich neben sie auf die Bank, legte den gro�en Rock ab und sah in seinem dunklen, festgekn�pften Kleide ganz wie ehemals aus.

�So werden wir uns leichter verstehen,� sagte er l�chelnd. �Im Grunde freilich ist die Ver�nderung gering. Mein Blut ist noch eben so roth, meine Gedanken schrumpften nicht zusammen, meine Empfindungen stumpften nicht ab, ich bin auch ohne den gro�en groben Rock, der ein vortreffliches Erw�rmungsmittel ist, voll Empf�nglichkeit f�r das Gl�ck, wieder einmal bei Ihnen zu sein, um zu sehen, wie Recht der gute Onkel hat, der mir gestern schon Ihr Lob verk�ndigte.�

Die dunklere R�the im Gesichte des Fr�uleins dr�ckte ihr Mi�behagen und ihren verletzten Stolz aus, den sie zu unterdr�cken suchte.

�Als mein Oheim mir heute Ihren Besuch ank�ndigte, Herr von Lembek,� sagte sie, �theilte er mir mit, da� Sie sehr ernsthaft und ruhig geworden w�ren, ich finde jedoch, da� Sie noch immer in der alten Weise �berm�thig und witzig sein k�nnen.�

�Nein,� erwiederte er in seinem herzlichen Tone, �z�rnen d�rfen Sie �ber meinen unschuldigen Scherz nicht. Ich habe mit so vielen Menschen in der Welt so bittern Hader und so viel Ha� auf mich geladen, da� ich die Zahl derer, von denen ich Gutes glaube, mir nicht so leicht verk�rzen lassen will.�

In diesem Augenblicke fiel es dem Fr�ulein von Alfeld ein, was sie ihrem Oheim versprochen hatte, und l�chelnd verwandelte sich der stolze Blick, welcher ihre Antwort begleitet hatte, in ein wohlgef�lliges Betrachten. Sie neigte sich ein wenig zu ihm hin und sagte mit sanfter Stimme:

�Glauben Sie denn nicht, Herr von Lembek, da� auch ich gern mit lieben Freunden im Frieden lebe, oder da� ich mich nicht freue, Sie wieder zu sehen? Ob in dem Rocke da, ob wie ehemals, gleichviel, aber ich will Niemanden gestatten, sei es Ernst oder Scherz, �ber mich zu sp�tteln.�

�Dann also, wie in der alten Zeit,� sagte Lembek, �lassen Sie uns, weil Niemand uns st�rt, von Allem reden, was wir erfahren haben.�

In seiner einfachen und bestimmten Weise erz�hlte er nun von sich selbst und wechselte mit Fragen �ber die Verh�ltnisse der jungen Erbin, die ihm weitl�uftiger wiederholte, was ihr Onkel von ihr gesagt hatte. Ihre Eltern waren fr�h gestorben, ihr Verm�gen bedeutend genug, um begehrlich zu reizen, und dabei hatte sie die Aussicht, den Oheim zu beerben, der keine n�here Verwandten besa�.

Nach und nach wurden die Mittheilungen lebhafter, und durch Lembek's Bem�hen verschwand der Zwang, welcher Anfangs sich merken lie�. Er flocht so viele Erinnerungen ein und brachte sie in Ida's Ged�chtni� zur�ck, fragte nach Personen, welche sie kannte, schilderte die Verh�ltnisse der Vergangenheit in so anziehender Weise und sprach �ber so viele verschiedenartige Dinge mit so vielem Geschick, oft mit Ernst und Nachdruck, oft so drollig und mit lustigem Spotte, da� sich das Fr�ulein gestehen mu�te, ihr Onkel habe so Unrecht nicht gehabt, als er behauptete, Lembek sei noch immer ein Mann, der Interesse erwecken k�nne, und mit dem sich umgehen lasse. Dann und wann warf sie einen Blick auf den gro�en Bauernrock mit dem rothen Futter, das der Wind wie ein Segel ausbreitete, als wollte er es recht deutlich ihr vorhalten, und immer hatte es die Folge, da� die Freundlichkeit auf einige Minuten aus ihrem Gesichte verschwand, und ein gewisses stolzes Bedenken sich ihr aufdr�ngte. Der Bauer, der Abtr�nnige, der F�hrer einer Partei, die ihr tief zuwider war, ohne da� sie diese eigentlich kannte, d�mmerte dann vor ihren Blicken auf, und sie erinnerte sich mit mi�trauischen Empfindungen ihrer Aufgabe, diesen Mann zu bekehren, vor dem sie heimliche Furcht empfand.

Die stolze Erbin von Bornholm wu�te nicht, weshalb sie sich f�rchtete und ihre Augen zuweilen fast erschrocken von seinen Augen abwandte, wenn er mit der ruhigen Schwere seiner Blicke sie ansah und mit unbek�mmerter Offenheit zu ihr sprach, was Andere verschwiegen halten w�rden. Es war nichts Unzartes und Unstatthaftes in seinen Worten, im Gegentheil, er gebrauchte die Sprache mit allem Geschick, aber oft so energisch kurz und schlagend, wie kein Mitglied der guten Gesellschaft es gethan h�tte.

�Es fehlt ihm die feine Form,� sagte Ida in sich hinein, und sie l�chelte, weil sie an den Etatsrath dachte und mit Gedankenschnelligkeit Vergleiche anstellte. Jener hohe, stattliche Herr, so elegant, so fein und �berall mit einer geschickten, schmeichelnden Antwort bei der Hand, und dieser markige, unbiegsame Mann bildeten in Wahrheit grelle Gegens�tze. Sie neben einander zu sehen, hie�, wie der Onkel sagte, dem Edelstein erst sein Feuer ertheilen, und dennoch f�hlte das Fr�ulein in der N�he des Etatsraths ein Uebergewicht, w�hrend sie vor Lembek ein scheues Gef�hl empfand.

�Und nun,� sagte er endlich, �wenn Sie bei uns bleiben und in Bornholm wohnen, mitten im gr�nen Lande Angeln, dann werde ich Ihr n�chster Nachbar sein. Die Grenzsteine von Bornholm sto�en an meine Felder, und wenn ich auf der letzten Knicke stehe, kann ich in jedes Fenster des alten Hauses hineinsehen.�

�So bald,� erwiederte Ida, �werde ich wohl nicht in Bornholm wohnen.�

�Ja freilich,� gab er zur Antwort, �Sie bleiben lieber hier bei dem Onkel; aber kann denn nicht der Tag kommen, wo Sie ihn verlassen m�ssen?�

Die dreiste Frage lie� das Fr�ulein err�then.

�Wer wei�, was die n�chste Zeit �ber uns bringt,� sagte sie. �Ist denn nicht Alles jetzt so ungeheuerlich und schwankend, da� Niemand wissen kann, ob ihm morgen noch geh�rt, was er heute sein nennt?�

�Es ist m�glich,� sagte Lembek, �da� diesem Lande Schweres bevorsteht, was standhaft getragen werden mu�, ja es ist sogar mehr als wahrscheinlich, aber ich habe geh�rt, wie Sie den rechten Glauben besitzen, da� Niemand seinen Posten verlassen d�rfe, und ich gestehe, da� dies Wort mir besonders gefallen hat.�

�Man mu� nur auch auf der rechten Stelle stehen,� erwiederte sie mit h�herer Betonung.

�Das glaubt Jeder von sich,� sagte der Hofbesitzer. �Man mu� zu seinem Volke stehen in schwerer Zeit und von gutem Rechte nicht lassen, wenn fremde H�nde es antasten wollen.�

�Von Politik verstehe ich Nichts,� antwortete die Dame l�chelnd, �nur so viel wei� ich, da� w�rdige und achtungsvolle M�nner von Verstand und Einsicht das Treiben bitter tadeln, durch welches die Ruhe des Landes schon so lange untergraben, und der Frieden, dem man Gl�ck und Wohlstand verdankt, so schwer gef�hrdet wird.�

�Ich will Sie von Politik auch nicht unterhalten, Fr�ulein von Alfeld,� antwortete Lembek sanft und doch mit Nachdruck, �aber Sie sind ja selbst ein deutsches M�dchen, sind ein Kind dieses Landes und wie alle Frauen f�r Gef�hle empf�nglich. Ist es Ihnen gleichgiltig, eine D�nin zu hei�en; Ihr Vaterland abzuschw�ren, Fremde darin walten zu sehen, die uns Alles nehmen m�chten, was der Mensch als seine heiligsten G�ter achtet?�

�Ich lasse mich nicht darauf ein, mit Ihnen zu streiten,� sagte sie, �denn ich wei�, da� ein Mann, der so oft seine Grunds�tze gelehrt und vertheidigt hat, mir weit �berlegen sein mu�. Alles, was ich darauf sagen kann, ist, da� Andere nicht so d�ster urtheilen und den Rechten ihres Landesherrn ein gr��eres Gewicht beilegen.�

�Scheden,� sagte Lembek.

Seine Stimme hatte etwas Mi�achtendes, das Ida wohl bemerkte.

�Er wahrlich nicht allein,� versetzte sie, �mein Onkel, die gro�e Zahl der besten M�nner dieses Landes.�

�Wen nennen Sie so?�

Das Gesicht der jungen Dame ergl�hte.

�Diejenigen allerdings nicht,� rief sie lebhaft, �welche begierig sind, Gewalt und Unrecht auszu�ben.�

�Man hat Sie falsch unterrichtet, Fr�ulein von Alfeld,� sagte Lembek mit Ruhe. �Ich bin kein Mann der Gewalt und des Unrechts und m�chte gern im Frieden meinen Kohl bauen und ihn verzehren. Nur Unrecht und Gewalt leiden wollen wir nicht von diesen D�nen, die mit w�thendem Geschrei von uns fordern, den Nacken zu beugen. Was w�rden Sie von dem Manne halten, der so feige und ver�chtlich w�re, vor Drohungen in den Staub zu sinken? K�nnten Sie ihm Ihr Herz schenken, Ihre Hand reichen? K�nnten Sie mit Liebe auf ihn blicken, ihn ehren und freudig zu ihm aufsehen, wie sch�n und klug auch sonst sein Wesen sein m�ge?�

Er strich mit der Hand �ber seine stolze Stirn, und in seinen Augen brannte ein Feuer, sein Gesicht dr�ckte eine Zuversicht aus, der sie Nichts entgegen zu setzen wu�te.

�Gef�llt es Ihnen,� sagte sie aufstehend, �so gehen wir zu meinem Onkel, und dort,� f�gte sie hinzu, indem sie in den Garten hinabblickte, �sehe ich den Etatsrath, der uns aufsuchen will.�

�Wie lange ist Scheden bei Ihnen?� fragte Lembek.

�Seit einigen Tagen.�

�Aber nicht zum ersten Male.�

�Nein. Er besuchte mich mit meinem Onkel, als ich noch bei der Tante war. Dann habe ich ihn in Schleswig gesehen, und er begleitete uns hierher, um nach dem Norden zu reisen und wiederzukommen. Er ist aus fr�herer Zeit Ihr Freund, Herr von Lembek?�

�Wir haben uns ehemals sehr gut gekannt,� erwiederte er l�chelnd. �Damals war Scheden Einer von denen, die, wie Sie meinen, nur Unrecht wollen, sp�ter hat er besser eingesehen, was Recht ist, und seinen Weg in Kopenhagen gemacht.�

�Er ist sehr liebensw�rdig und klug,� antwortete die Erbin.

�Sehr klug,� wiederholte Lembek.

Sie gingen dem Etatsrathe entgegen, der schon von fern ihnen seine Gr��e zurief und in der Hand ein Str�u�chen Fr�hlingsblumen trug, welches er dem Fr�ulein �berreichte.

�Der sch�nsten Blume des Landes m�ssen alle Blumen huldigen,� sagte er, ihre Hand k�ssend. �Lembek, ich freue mich unendlich, Dich zu sehen. Diese Nacht habe ich von Dir getr�umt und den ganzen Morgen mich mit Dir besch�ftigt. Und welch' k�stlicher Tag ist es heute,� fuhr er fort. �Ich habe einen Ausflug nach der See hinab gemacht und bedauert, da� nicht alle Wesen sich daran freuen k�nnen. Die armen Strandleute waren jedoch in voller Angst und Schrecken, da� kein Sonnenschein sie davon heilen konnte.�

�Was giebt es denn dort?' fragte das Fr�ulein.

�Lauter entsetzliche Geschichten,� sagte Scheden. �Ein paar d�nische Schiffe treiben sich auf dem Wasser umher, eines hat nicht weit von der K�ste geankert. Im Flensburger Busen soll auf eine Kanonenschaluppe geschossen worden sein, und diese daf�r mit Kart�tschen geantwortet haben. Nun wagen sich die armen Leute in ihren Booten nicht hinaus, um ihre t�glichen Fische zu fangen, weil die Burschen f�rchten, ergriffen und zu Matrosen gepre�t zu werden. Das jammert und flucht nun wild durcheinander, erz�hlt sich, da� auf F�hnen eine ganze Armee stehe, eine Flotte im Belt liege, und Alsen schon von den D�nen besetzt sei.�

�Wohl m�glich,� erwiederte Lembek, als der Etatsrath schwieg.

�Aber ziemlich unglaublich�� fiel der Etatsrath ein. �Ich habe unterwegs einen Kaufmann aus Sonderburg gesprochen, der mich hierher begleitet hat, einen verschmitzten Burschen, der seines Kornhandels wegen in gro�en Aengsten zu sein scheint. Der Baron hat ihn in Empfang genommen, um Gesch�fte mit ihm zu besprechen und Briefe und Zeitungen zu lesen, die aus Schleswig gekommen sind.�

�Briefe von meiner guten Tante?� fragte Ida.

�Ich wei� nicht, ob so frohe Botschaften dabei sind,� fuhr Scheden fort, �aber wir k�nnen nichts Besseres thun, als uns �berzeugen, da ohnehin die Tischglocke gezogen wird und Lembek den Baron noch nicht gesehen hat.�

Er bot dem Fr�ulein den Arm, und w�hrend sie langsam zusammen den gro�en Gang des Gartens hinab und dem Hause zugingen, belebte er die Unterhaltung durch seine Plaudereien und Scherze, die so leicht und lustig die verschiedensten Dinge zusammenfa�ten, wie ein Dandy der guten Gesellschaft dies nur immer zu thun vermag.

�Vor Allem,� sagte er endlich zu seiner lachenden Begleiterin, �m�ssen wir jetzt darauf bedacht sein, uns Lembek's Huld zu versichern. Das ist ein Hexenmeister, der Alles kann, und wenn es hier an's Kopfabschneiden geht, vermag er allein unsere unschuldigen H�upter zu retten.�

�Du muthest mir zu viel zu,� erwiederte Lembek in derselben Weise.

�F�rchten Sie Nichts, Fr�ulein Alfeld,� fuhr der Etatsrath betheuernd fort, �er wird uns nicht fallen und verderben lassen, denn er liebt es, der Schutzgeist ungl�cklicher, verzagender Sterblicher zu sein. Gestern erst hat er ein Meisterst�ck vollbracht; einen hartherzigen Vater, einen alten eingefleischten Aristokraten, hat er bewegt, die Ehe seines Erben mit einer h�chst unberechtigten, unebenb�rtigen Tochter des Volks nicht allein zu segnen, sondern noch obenein die Ausstattung und Hochzeitskosten zu bezahlen. – Solche Wunder geschehen dicht neben uns und bleiben verborgen. Darum Preis und Ehre unserm m�chtigen Freunde, den man bewundern, vor dem man sich aber doch h�ten mu�, denn unter der bescheidenen Stille ist ein gef�hrlicher Geist verborgen.�

�Wer wird den Geist f�rchten,� rief das Fr�ulein, indem sie sich freundlich zu Lembek wandte, �wenn er mit uns im Bunde ist.�


Drittes Kapitel.

Sie waren bis an die Th�re des Salons gelangt, als diese ge�ffnet wurde, und der Baron, Zeitungsbl�tter in der Hand, ihnen entgegen trat.

�Nur herein,� rief er. �Da bist Du ja, Heinrich, sei herzlich willkommen.�

Er warf einen raschen Blick auf die munteren Gesichter und nickte seiner Nichte im Einverst�ndni� zu, sch�ttelte aber dann pl�tzlich wieder den Kopf und sagte, die H�nde zusammenschlagend:

�Es ist Alles aus, total aus, man kann um seinen Verstand kommen und wei� nicht wie.�

�Was ist denn geschehen? Was giebt es?� fragten der Etatsrath und das Fr�ulein zugleich.

Der alte Herr schlug auf das Blatt und sprach mit matter Stimme:

�In Berlin haben sie den Spektakel von Wien nachgemacht. Ganz Deutschland ist toll geworden, Alles bricht, Alles f�llt. Und hier leset um Gotteswillen! aus Kiel. Sie haben die Stadt erleuchtet, eine B�rgerwache bewaffnet, Deputationen abgeschickt, Freiwillige aufgerufen, Proclamationen erlassen.�

�Und eine provisorische Regierung eingesetzt,� fiel Scheden ein.

�Davon steht Nichts hier,� sagte Alfeld.

�So wird es noch kommen,� fuhr der Etatsrath fort, �aber ich finde Nichts zu erschrecken. Es ist nat�rlich, da� dem A das B folgt.�

Die Papiere wurden gelesen, sie enthielten alle bekannten Vorg�nge.

�Und hier ist Herr Nielsen aus Sonderburg,� sagte der Baron, noch immer sehr aufgeregt, �der Alles best�tigt, was wir aus dem Norden geh�rt haben. In Kopenhagen ist das Ministerium gest�rzt. Alles schreit nach Krieg, es wimmelt von Rothr�cken an der K�nigsau, morgen k�nnen sie hier sein, denn �berall k�nnen sie ja landen. Und was wird es dann werden, wenn das unvern�nftige, aufgehetzte Volk der rechtm��igen Obrigkeit Widerstand leisten will?�

Er richtete diese Frage nach allen Seiten hin, theils an Lembek und den Etatsrath, theils an den kleinen breitschulterigen Herrn, der, in einen kurzen blauen Oberrock eingekn�pft und die H�nde auf den R�cken gelegt, an der Wand stand.

�Ist es nicht so, Herr Nielsen?� rief Alfeld. �Sie kennen die Sache genau. Ist der Norden nicht voller Wuth und ganz D�nemark auf den Beinen, um die Burschen in Kiel zur Ordnung zu bringen?�

Der kleine Herr an der Wand wurde lebendig.

�Meine Gesch�fte,� sagte er mit etwas schwerer Zunge, �haben mich erst in letzter Woche nach Kopenhagen und durch die Inseln gef�hrt, �berall war da nur eine Stimme. In ein paar Wochen wird der Danebrog da wehen, wo D�nemark will.�

Lembek l�chelte, der Kaufmann aus Sonderburg sah ihn starr an und fuhr dann freundlich fort:

�Zwanzigtausend D�nen liegen an der K�nigsau, m�chte Jedem rathen, das wohl zu bemerken.�

�Das hei�t,� sagte der Etatsrath, �Sie, Herr Nielsen, werden es vorziehen, sich als guter B�rger und treuer Unterthan Sr. Majest�t ganz ruhig zu verhalten.�

�Ei, allerdings,� rief der kleine Mann. �Mein Gesch�ft ist die Hauptsache. Ich will lieber ein D�ne sein und ein Vaterland haben, das mich besch�tzen kann, als gar Nichts sein.�

�Wie gar Nichts sein?� fragte Lembek.

�Ich meine ein Deutscher sein,� sagte der Kaufmann.

�Ja so,� sagte Lembek, ihn betrachtend, �Sie w�nschen wenigstens Etwas zu sein, was ein sehr verst�ndiger Wunsch ist. Und wenn Deutschland die Herzogth�mer besch�tzt?�

�So wird D�nemark daf�r diese Deutschen z�chtigen.�

�Echt d�nische Prahlerei,� erwiederte der Hofbesitzer lachend. Und indem er in das zornfunkelnde Gesicht des kleinen Kaufmanns sah, f�gte er ruhig hinzu: �Ich glaube, Herr Nielsen, da�, was Sie da sagen; ein gut d�nisches Urtheil und nicht Ihr eigenes ist.�

�Bewahr uns Gott vor allem Streite!� rief der Etatsrath. �Das ist das Unheilvolle, da� nicht drei M�nner zusammen sein k�nnen, ohne sich zu erhitzen. Sie wissen nicht, Herr Nielsen, da� dieser Herr, mein lieber Freund, Heinrich Lembek ist, ein Name, den Sie wohl schon geh�rt haben.�

Herr Nielsen schien sich zu beruhigen, er wurde viel h�flicher.

�Habe vielerlei geh�rt,� sagte er, �halte mich auch durchaus nicht f�r beleidigt.�

�So geben Sie ihm die Hand auf sp�tere bessere Bekanntschaft,� fuhr Scheden fort. �Wir wollen kein Wort mehr von Dingen sprechen, an denen sich mit Worten Nichts �ndern l��t.�

Damit war die Sache abgethan. Der Kaufmann aus Sonderburg befolgte den guten Rath und n�herte sich Lembek mit vieler Freundlichkeit.

�Ich bin ein einfacher Gesch�ftsmann,� sagte er, �sehe die Verh�ltnisse an, wie sie eben liegen, und verstehe sie darnach. Sollten Sie jemals mit mir eine Reise machen, so w�rden Sie erfahren, da� ich weit entfernt bin, zu prahlen. Gebe Ihnen meine Hand darauf, Herr Lembek, da� ich lange begierig gewesen bin, Ihre Bekanntschaft zu machen.�

Alfeld hatte kein Wort zu dem Gez�nke gesagt, er n�thigte seine G�ste jetzt zu dem wohlbesetzten Tische, an welchem nun Jeder vermied, Gegenst�nde zu ber�hren, die den Andern mi�f�llig sein k�nnten; aber es dauerte nicht lange, so waren dennoch die Dinge, welche alle Herzen erf�llten und alle Leidenschaften aufregten, der Inhalt des Gespr�chs, dem Lembek allein sich entzog, indem er dem Fr�ulein seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte, oder wenn er sich einmischen mu�te, es auf eine so besonnene und w�rdige Weise that, da� sein Beispiel nicht ohne Einwirkung blieb.

 

Am Nachmittage war Lembek allein mit Ida. Er hatte die Gesellschaft der drei Herren aufgegeben, welche beim Glase ihre Gespr�che fortsetzten, und traf die, welche er suchte, im Garten auf- und niedergehend.

�Ich will Ihnen Lebewohl sagen,� begann er, �damit die letzte Minute mich nicht �berrascht.�

�Wollen Sie uns schon jetzt und so eilig verlassen?� fragte sie �berrascht.

�Die Sonne sinkt,� erwiederte er, �in einigen Stunden wird es Nacht sein, und mein Weg ist dunkel.�

�Lassen Sie ihn von einer neuen Sonne bescheinen, damit er hell werde,� sagte sie bedeutungsvoll und l�chelnd.

�Und woher soll das Licht kommen?� fragte Lembek.

Ida antwortete nicht. Sie ging neben ihm einige Schritte und fuhr dann fort:

�Wann werden wir Sie wiedersehen?�

�Ich wei� es nicht. Vielleicht niemals.�

�Niemals! Das ist ein schreckliches Wort,� rief sie, den Kopf zu ihm aufhebend. �Aber wie soll ich es deuten? Ist es Ihre Absicht etwa, da hinaus zu ziehen?�

Sie hob die Hand und deutete nach S�den.

�Nach Kiel,� sagte er.

�Warum dahin?� fragte sie lebhaft.

�Auf meinen Posten. Ich geh�re zur Landes-Versammlung.�

�Und ist das die rechte Stelle? Es wird dem armen Onkel sehr wehe thun, wenn er es h�rt. Er hat Anderes geglaubt, und Scheden – haben Sie mit ihm gesprochen?�

�Nein,� sagte Lembek, �nur Ihnen mache ich das Bekenntni�, weil ich wei�, da� ich es darf.�

�Und warum ich, warum mir?�

�Weil Ihr Herz Ihnen sagen wird, da� ich mu�.�

�Nein,� erwiederte sie, �mein Herz sagt mir das nicht. Ich kann es nicht �ndern, aber wenn ich es verm�chte, w�rde ich Sie zur�ckhalten.�

Er hielt ihre Hand fest und f�hlte sie leise zittern. –

�Ich danke Ihnen f�r diesen Antheil,� sagte er, �der mir wohlthut und doch den Abschied schwerer macht.�

Eine Th�r klirrte in der Ferne. – Scheden und der Kaufmann aus Sonderburg traten auf den Altan, lachend und sprechend.

�Ich werde morgen in Bornholm sein, um, da ich m�ndig bin, mein Eigenthum in Besitz zu nehmen,� sagte sie, sich niederbeugend und eine Fr�hlingsblume vom gesch�tzten Beete brechend. �Roth und wei�, das sind meine Farben; ich reiche sie Ihnen zum Andenken und Lebewohl, wenn es so sein mu�.�

Sie gab ihm die Blume,blickte l�chelnd zu ihm auf, und ihre Hand zur�ckziehend, weil sie sah, da� der Etatsrath ihnen entgegenkam, f�gte sie leise hinzu:

�So leben Sie denn wohl, wenn es so sein mu�.�

�Warum gehst Du denn nicht mit?� fragte Scheden belustigt, als er Lembek erreicht hatte, der stehen geblieben war, w�hrend Ida durch einen Seitenweg dem Hause zuging. �Was hast Du mit ihr gehabt? Streit? – Streit mit einem h�bschen M�dchen ist das Beste, was ein Mann sich w�nschen kann, weil er B�rgschaft erh�lt, da� er ihr nicht gleichgiltig ist. Aber bei alledem ist es gut, da� ich Dich habe, um als Gefangener Dich fortzuschleppen.�

Er nahm ihn beim Arm, f�hrte ihn mit sich fort und rief dann lachend:

�Alfeld ist ganz selig, da� Du wieder da bist, und selbst dieser Narr, der Nielsen aus Sonderburg, hat eine merkw�rdige Z�rtlichkeit f�r Dich gefa�t. Er will Dich durchaus mitnehmen, um Volksreden zu h�ren.�

�Ich f�rchte,� erwiederte Lembek, �er wird dennoch gehen m�ssen ohne mich.�

�Das meine ich auch,� fuhr der Etatsrath fort, �denn Du hast hier Besseres zu thun.�

Sie waren auf die H�he gelangt. Nebel umw�lkte die Seek�ste, aber in der Ferne gl�nzte Sonnenschein. Auf der Landseite lag das Gewimmel der kleinen Th�ler und Senkungen im bl�ulichen Duft des nahen Abends, von hellem Licht durchzogen, das r�thlich an den Waldkuppen und H�geln hing.

�Wie das lieblich und friedensvoll aussieht,� rief Scheden. �Es ist ein beneidenswerthes Loos, auf diesen gr�nen H�hen zu wohnen, reich und angesehen zu sein und seinen Wohlstand im Schoo�e eines sch�nen Familiengl�ckes zu mehren. Du hast eine Zukunft vor Dir, Heinrich, nach welcher mancher F�rst jetzt seine Hand sehns�chtig ausstrecken m�chte.�

�M�glich, da� Du Recht hast,� erwiederte Lembek.

�Wirf es nicht in das zweifelvolle Reich der M�glichkeiten,� sagte Scheden. �Du darfst nur wollen, und sie f�llt Dir von selbst zu, und Du wirst wollen, denn Du bist kein Tr�umer und kein Schw�rmer, zwei Eigenschaften, die dem echten Deutschen immer ankleben.�

�So meinst Du, da� ich unecht sei,� antwortete Lembek lachend.

�Du bist ein Kind der Grenze,� sagte der Etatsrath, �und in Angeln se�haft, wo jeder Mensch ein Kaufmann ist, der in der Wiege schon das Rechnen lernt. Die klugen Leute da unten in den fruchtbaren Gr�nden wissen recht gut, was es hei�t, so und so viel Pfl�ge Land besitzen, und Jeder von ihnen z�hlt Dir an den Fingern her, was Alfeld's G�ter werth sind, und was Bornholm liefern kann, wenn es in die rechten H�nde f�llt.�

�Es �ffnen sich jedenfalls manche dazu.�

�Aber die Deinigen sind die n�chsten und ohne Zweifel die besten. Du wirst doch Nichts dagegen haben?�

Er legte beide H�nde auf feines Freundes Schultern, und ohne auf dessen abweisenden Blick zu achten, fuhr er fort:

�Deswegen habe ich bei Alfeld auf Verst�ndigung mit Dir gedrungen und diese Vers�hnung angebahnt, welche mir so gut gelungen ist. Dein heutiges Benehmen ist, wie es sein mu�. Es w�re Thorheit, von Dir zu fordern, Du solltest mit einem Male umkehren, wie ein Kleidungsst�ck, das links und rechts nach Belieben getragen wird. Kein Vern�nftiger kann das fordern, und mit der Ueberzeugung eines Mannes ist es wie mit dem Rufe eines M�dchens, er mu� vor allen Flecken bewahrt werden.�

�Du hast vollkommen Recht,� sagte Lembek.

�Man mu� das Vern�nftige wollen, das allein ist das Rechte. Hohle Tr�umereien k�nnen die Jugend begeistern, f�r M�nner sind sie unw�rdig. Ich habe heute zwei Bemerkungen gemacht, Lembek, welche ich Dir nicht vorenthalten will. Die erste ist die, da� Alfeld vergebens gegen eine Z�rtlichkeit ank�mpft, die er f�r den Sohn seines alten Freundes hegt, dessen Verst�ndigkeit und mildes Wesen ihm wohlthut; die andere, da� noch eine zweite Person hier ist, welche, nachdem sie lange Zeit sich gew�hnt hatte, mit einer gewissen Feindlichkeit an Dich zu denken und �ber Dich zu urtheilen, pl�tzlich von einem ganz anderen Gef�hle ergriffen wurde, seit sie Dich gesehen und geh�rt hat.�

�Ich bitte Dich, Scheden,� sagte Lembek. �Es steht Dir schlecht, mich durch solche T�uschungen fassen zu wollen.�

�T�uschungen?� erwiederte Scheden, �und warum sollte ich sie anwenden? Um Dich zu bekehren? Eitle Thorheit, ich wei�, Du w�rdest mich durchschauen. Und wozu h�tte ich sie n�thig? Etwa um Dich mit einer L�ge zu anderen L�gen zu bewegen? So plumpe Fallen w�rdest Du verachten und eben deswegen Dich abwenden, statt uns beizupflichten. Ich appellire an Dich selbst, Du wirst am besten wissen, was wahr, was falsch ist.�

�So meinst Du, da� Alfeld meine Stellung richtig erkannt?� fragte Lembek.

�Wie sollte er nicht?� erwiederte der Etatsrath. �Er ist reizbar und mi�trauisch, aber er fordert Nichts, was Deine Ehre antasten k�nnte. – Deine Lage ist so klar, wie sie sein kann den Verh�ltnissen gegen�ber, die jeden Mann jetzt zwingen zu zeigen, welche Farbe er tr�gt. Das aber bedenke wohl, willst Du Deine eigene Zukunft gl�nzend und sicher machen, so bleibt Nichts �brig, als Alfeld's neuerwachtes Wohlgefallen Dir zu sichern; spricht Etwas in Dir f�r die Erbin von Bornholm, die Alfeld's Erbin sein wird, so kannst Du ihre Hand nicht anders gewinnen, als durch den Beweis, da� Du ihrer w�rdig bist.�

�Auch darin pflichte ich Dir bei,� sagte Lembek.

�Sie ist sch�n und gut,� fuhr Scheden fort, �wer m�chte nicht um ihre Hand werben; ich habe eingesehen, da� keine Concurrenz f�r mich m�glich ist.�

�Vielleicht auch nicht,� murmelte Lembek vor sich hin.

�Ich habe beobachtet, welchen Eindruck Du auf sie gemacht hast, und ich kenne die Weiber.�

�Ich danke Dir,� antwortete Lembeck, �und werde Zeit haben, Deine Mittheilungen zu �berlegen.�

�Das hei�t, Du willst fort?

�Ja, ich habe versprochen, am Abend zu Hause zu sein.�

�Ohne Zweifel, um Deinen Freunden in den blauen R�cken eine Vorlesung zu halten?�

�Du hast es getroffen. Eine Versammlung angesehener M�nner erwartet mich.�

�Dann hast Du Recht, nicht dabei zu fehlen, und bist im Stande, aus freier Wahl den Eingebungen Deiner Klugheit Geh�r zu verschaffen. Wann sehe ich Dich wieder?�

�Morgen nicht,� erwiederte Lembek.

�Morgen nicht? Gut, mag es so sein. Alfeld geht nach Schleswig, um Ida's M�ndigkeit beim Obergericht in gesetzliche Form zu bringen und sich von der letzten Rechnungsablegung �ber ihr Verm�gen freisprechen zu lassen. Ich werde ihn begleiten. Die Erbin von Bornholm ist eine ganz unabh�ngige freie Herrin �ber alles, was sie zu geben hat. Hast Du Vertrauen zu mir, so will ich Deine Sache f�hren. Wende Deinen Tag gut an und komm denn, wann Du willst. Ich sage noch einmal, es ist nicht Zeit, mit Ideologen in Dunst und Nebel umherzutaumeln und sich die K�pfe mit patriotischem Unsinn zu verwirren. La� uns jetzt gehen, es wird feucht hier. Die Welt versinkt, erhalte sich wer kann.�

In dem Augenblicke flog ein rother Schein durch das Abenddunkel, das die K�ste einh�llte, und bald darauf hallte der Donner eines Schusses ihm nach.

�Ach,� rief Scheden lachend, �die Fregatte da unten erinnert uns zur guten Zeit, da� sie auch ein Wort mitzusprechen hat. Was soll auch einem Widerstande werden, der �berall angefallen und erstickt werden kann? Von beiden Seiten Wasser f�r die Schiffe der D�nen, ein St�ck Land dazwischen von kaum acht Meilen Breite, ein Heer im Norden doppelt so gro�, als was man hier zusammenraffen mag. Wahrlich, Lembek, wenn man dies Alles erw�gt, geh�rt der Muth eines Tollh�uslers dazu, sein Leben, seine Habe und Gut daf�r in die Schanze zu schlagen. Sie schreien freilich nach Deutschland und meinen, von dort, wo die sogenannte Freiheit wild aufwuchert, m�sse der wahre Stern des Heils kommen. Ich glaube, es h�tte ihnen nichts B�seres geschehen k�nnen. Sie werden in diesen Strom gerissen werden, der Nichts ist, als ein wilder Waldbach, den ein Gewitter erzeugte. Wenn es vor�ber ist, wird er versiegen.�

�Wer kann die Zukunft ermessen?� fragte Lembek.

�Niemand, sagen unsere Weisen, aber ein gutes Auge kann dennoch in dem dunklen Buche bl�ttern und Manches lesen, was da geschrieben steht. Meinst Du, da� die Politik der gro�en M�chte ruhig zusehen werde, da� Deutschland diese L�nder verschlingt, deren Besitz es zur Seemacht erheben w�rde?�

�Revolutionen, wie diese,� sagte Lembek, �brechen allen Widerstand.�

Der Etatsrath lachte. –

�Guter, gl�ubiger Freund,� rief er, �frage in einem Jahre darnach und sieh zu, was daraus geworden ist. Das kleine Volk der D�nen wird seine Sache siegreich f�hren, weil es ein Volk ist, Euch aber wird man als Emp�rer behandeln, sobald der Tag gekommen ist, wo die Vernunft zur�ckkehrt. – Ich bitte Dich, Lembek, la� Dich nicht verleiten, an die Dauer dieses unnat�rlichen V�lker-Fr�hlings zu glauben, der erfrieren wird, ehe er Knospen treibt. H�te Dich, Freund, und glaube mir, Gl�ck ist f�r Dich nur in Ida's Armen, die sich Dir entgegen strecken. – Da ist das holde Kind, da geht Deine Sonne auf!� –

Er deutete auf den Balkon, wo die Erbin sch�n und stolz neben ihrem Oheime stand und die Nahenden erwartete.

 

Nach einer halben Stunde war Lembek auf dem Wege nach Hause. Alfeld hatte ihn freundlich entlassen, aber er hatte versprechen m�ssen, am zweiten Tage wieder zu kommen und ein Familienfest feiern zu helfen, das Ida's M�ndigkeit verherrlichen sollte. Das Fr�ulein hatte kein Wort zu dieser Einladung hinzugef�gt. Kalth�flich und f�rmlich nahm sie mit wenigen gleichg�ltigen Phrasen Abschied und wandte sich ab, als Lembek von den Herren begleitet hinausging, wo fein Pferd bereit stand.

Das Hausgesinde hatte sich versammelt und mit auffallender Freudigkeit wollten Viele ihm hilfreich sein, Andere ihm die Hand reichen, Alle ihn sehen. Sie wu�ten recht gut, was er seit Jahren im Lande gethan hatte, sein Name war weit umhergetragen. Manche hatten ihn in Versammlungen auch sprechen h�ren, und jetzt zeigte sich die freiwillige Huldigung der Menge f�r den Mann, dem sie ihre Zuneigung schenkte in der Liebe, mit welcher sie ihn betrachtete.

�Da haben wir es,� sagte der Baron verdrie�lich. �In seinem eigenen Hause ist man vor Demonstrationen nicht mehr sicher. Ihm laufen sie nach und sehen ihn so verliebt an, als brachte er ihnen das Himmelreich. – Heillose Wirthschaft, und meinen Sie denn, er wird in sich gehen?�

�Ich denke wohl,� erwiederte der Etatsrath, �wenigstens hat er Stoff zum ersten Besinnen mitgenommen. Sie sind ihm vertrauensvoll entgegengekommen, auch Fr�ulein Ida hat wesentlich geholfen.�

�Geholfen hat sie,� sagte der alte Herr kopfsch�ttelnd, �aber sie h�tte mehr thun k�nnen. Er ist ihr in tiefster Seele zuwider, ich kann es nicht �ndern. Ich bat sie vergebens, ihn freundlich einzuladen. ›Lassen Sie mich ganz aus dem Spiele, Onkel, ich will nicht!‹ war ihre Antwort. Was ist da zu machen? Sie hat sich nicht einmal �berwinden k�nnen, ihm Lebewohl zu sagen.�

Mit einem sp�ttischen L�cheln blickte Scheden den Weg hinab, wo der Reiter verschwunden war, und folgte dem Baron dann nach, der seine Parthie Sechsundsechszig spielen wollte.

Lembek hatte inzwischen seinem raschen Pferde keinen Zwang angethan. Er �berlie� sich seinen Gedanken, und w�hrend die D�mmerung und Nacht verlief, ging er rasch �ber die H�hen hin, bis sich der Weg in ein Labyrinth von Hecken verlor.

�Gute Nacht, Herr Lembek!� rief eine Stimme hinter ihm, als er langsam sein Pferd in den schmalen Pfad eintreten lie�, und als er umblickte, sah er wenige Schritte vor sich den Kaufmann Nielsen stehen, der dicht an ihn herantrat.

�Sie wollen so sp�t noch weiter?� fragte Lembek.

�Fluth und Zeit kehren sich an Nichts,� antwortete der Kaufmann, �aber so bekannt bin ich doch hier nicht im Lande, um nicht fragen zu m�ssen, ob dieser Weg nicht hinabf�hrt an's Meer?�

Lembek bejahte es.

�Es ist Schade,� sagte der Kaufmann, �da� unsere Wege so weit auseinanderlaufen, aber ein ander Mal, Herr Lembek, wird es mir verg�nnt sein, l�nger mich ihrer Gesellschaft zu erfreuen. Ich bleibe in der N�he, und wenn es irgend angeht, bin ich �bermorgen auch wieder bei Herrn von Alfeld. Sie kommen doch?�

�Ganz gewi�,� war die Antwort.

�Sie sind mein Mann! Der Teufel hole alle Aristokraten! Schleswig-Holstein f�r immer! Hallo, wer geht da?�

�Gut Freund!� sagte ein zweiter Mann, der zwischen den Hecken hervorkam.

Der Kaufmann trat einen Schritt zur�ck und zog Etwas aus der Tasche, das eine Pistole sein mu�te, denn es knackte, als werde der Hahn gespannt.

�Nehmt das Ding weg!� schrie der Andere, �wenn's kein Ungl�ck geben soll.�

�Bist Du es, Ludolf?� sagte Lembek.

�Ja, Herr,� antwortete der Bauer. �Habe heute Sachen abgemacht in Missunde und kam die Heckensteige herauf, um heim zu gehen, h�tt' aber nicht geglaubt, da� mir Einer in den Weg kommen w�rde, der sich f�rchtet, wenn er einen Mann sieht.�

�Einerlei,� sagte der Kaufmann, �in der Nacht mu� Jeder auf seiner Hut sein, zumal, wenn er allein ist. – Vorw�rts denn, wir treffen uns wieder. Gute Nacht, Herr, und damit genug.�

Er schritt rasch fort, Ludolf fa�te den Steigb�gel Lembek's und ging neben dem Pferde her.

�Ich habe Sie hier erwartet,� sagte er leise, �nachdem ich auf dem Gute geh�rt hatte, Sie wollten bald nach Hause kommen. Der Donnerkerl ging vor mir her, sah hier und dort hin, blieb stehen und schaute sich um, als suche er Gesellschaft oder h�tte nichts Gutes im Sinne. Kennen Sie ihn?�

�Es soll ein Kaufmann aus Sonderburg sein.�

�Und hat Pistolen in der Tasche?� fuhr Ludolf bed�chtig fort. �Es treibt sich allerlei Volk hier umher, m�glich, da� es Einer von den Inseln ist, die Alle kein gut Gewissen haben. Das ganze Land soll voll Spione sein.�

�Und wie steht es in Missunde?� fragte Lembek.

�Ihre Briefe sind sicher besorgt,� antwortete Ludolf. �In Missunde sind Dragoner und J�ger, alle Herzen voll Lust, �berall Fahnen und Gesang. Ist ein herrlich Leben da; jede Hand wartet auf den Augenblick, wo es losgehen wird.�

�Und wir in Angeln werden nicht zur�ckbleiben.�

�Wenige werden es thun, obwohl es auch Tr�ge genug giebt, die da meinen, ruhig sitzen sei besser. Schade d'rum, da� wir nicht mehr Waffen und weniger Geld haben. Sitzen da Viele auf ihren Gelds�cken und schauen bed�chtig durch's Fenster, woher der Wind bl�st. Die Landessache wollen sie freilich Alle und m�chten um keinen Preis das rothe d�nische Kreuz k�ssen, aber sie sind im Frieden reich geworden und k�nnen es nicht fassen, da� sie selbst mit d'rein schlagen m�ssen, wenn es anders werden soll.�

Mit diesen Worten hatte der junge Mann den Zustand des ganzen Landes wahrhafter dargestellt, als er selbst es wohl dachte. Guter Wille war �berall vorhanden; der heftigste Zorn gegen die, welche sie zu D�nen machen wollten, war gen�hrt durch den langen Streit der Gelehrten, der Gebildeten und der Presse. Der Ha� sa� tief in den Herzen des Volkes, aber zur That war dies zu langsam deutsch, zu einsam wohnend auf seinen H�fen, zu wenig raschen Blutes und zu friedlich kaufm�nnisch und wohlh�big, um kriegerisch zu sein.

Lembek h�rte lange schweigend auf das, was sein Begleiter ihm mittheilte, der lebendig ausmalte, was er wu�te und empfand. Aber die Begeisterung des jungen Landmannes war eben so gro�, wie seine Verachtung der Gegner.

�Wir wollen's schon machen,� rief er, �la�t sie nur anfangen. Oft genug haben die Bauern ihre Freiheit vertheidigt gegen zehnfach st�rkere Feinde. Denkt an die Dithmar'scher, wie die sie jagten. La�t die Bed�chtigen reden, was sie wollen, so wie es in Kiel losgeht, bricht's �berall zusammen; wir thun, was Sie sagen, Herr.�

Als endlich der Hof erreicht war, befand sich dort eine Anzahl kleiner Gutsbesitzer, zu denen sich einige Prediger gesellt hatten. Lembek wurde mit Freuden empfangen, man sah es jedem Gesicht an, da� alle Hoffnungen an ihm hingen, und bis sp�t in der Nacht sa�en sie beisammen, angeregt durch die Nachrichten aus dem S�den, und h�rten ihm zu, wie er mit hinrei�ender Macht �ber die Opfer sprach, welche das Vaterland jetzt von seinen S�hnen forderte.


Viertes Kapitel.

Am andern Tage war eine Volksversammlung, zu der die M�nner aus nahen und ferneren Kirchspielen zusammenkamen. Die jungen Leute zogen mit Fahnen und Musik herbei, viele kamen zu Ro� und zu Wagen, denn Keiner wollte zu Hause bleiben, Alle wollten wenigstens h�ren, wie es st�nde, denn bis in die �rmsten H�tten war die Bewegung gedrungen.

Eine kleine Anzahl junger M�nner hatte sich mit Jagdgewehren und allerlei alten Waffen versorgt, die gro�e Mehrzahl aber sah so friedlich aus, wie immer. Krieg war ihnen Menschenalter lang v�llig unbekannt geblieben, ihre Kinder meist nicht einmal Soldaten geworden, denn wen etwa das Loos traf, in dem kleinen Heere zu dienen, der hatte sich, wenn es irgend anging, losgekauft. Mit ihren harten, braunen Gesichtern und kr�ftigen Schultern sahen sie allerdings breit genug aus, um mannhaft fest zu stehen, wo es gilt; aber wo so viele Heerden br�llen, so reiche Felder liegen, so gro�e H�fe an den Berglehnen stehen und so lange Zeit kein Mensch daran gedacht hat, das Aeu�erste zu wagen, blieb es bei aller Aufregung und allem Ha� doch wahr, was Ludolf sagte: Die Meisten konnten es nicht fassen, da� sie mit darein schlagen m��ten, wenn es anders werden sollte.

Als Lembek erschien, flog ihm ein Jauchzen entgegen. Keiner lie� sich h�ren, der ihm nicht beipflichtete. Neues konnte er nicht sagen, er z�hlte auf, was seit Jahren vorgegangen, und was seit des alten K�nig Christian's Tode seit einigen Monaten hinzugekommen war. Seine Rede wurde lautlos geh�rt, jedes seiner Worte hallte von den Bergen wieder. –

Wie er da stand zwischen den wehenden deutschen und den Landessahnen, die man um den Erdh�gel gesteckt hatte, auf welchem er sprach, mu�te sein Anblick die Herzen ergreifen. Seine Gestalt schien sich auszudehnen, seine Augen spr�hten, seine begeisternden Worte drangen wie Pfeile durch die h�rteste Haut. Da war Keiner, der ihm nicht zunickte bei jedem seiner Gr�nde, um die Wahrheit zu bekr�ftigen, Keiner, der nicht eingesehen h�tte, es bliebe irgend eine andere Wahl, als Weib und Kind zu sch�tzen vor Gewalt oder das Vaterland aufzugeben und d�nisch zu werden.

Mitten in seiner Rede blickte er auf und sah einen Wagen herbeikommen, in welchem eine Dame sa�. Der Wagen n�herte sich und hielt an dem �u�ersten Kreise still, die Dame schlug den Schleier zur�ck, der ihr Gesicht bedeckte, und sah zu dem Redner hin�ber, �ber die K�pfe der Menge fort, welche sich nach ihr umwandte, und deren Gemurmel und feindliche Blicke sie nicht beachtete, obwohl nach und nach das Lachen, Zischen und Spotten bedenklich zunahm.

Lembek hatte sie sogleich erkannt. Eine hellere R�the f�rbte seine Stirn, aber seine Stimme wurde noch lauter und eindringlicher, seine Augen hefteten sich auf sie, es war, als richtete er seine Worte an die Versucherin.

�Wir sind ein stilles, friedliches Volk,� sagte er, �wir begehren Nichts, als da� man uns bei unseren Br�dern und Freunden lasse, mit denen wir durch uralte Rechte, durch Sprache und Sitten, durch Gesetze und Gebr�uche verbunden sind. Wo sind denn die Ehrgeizigen unter uns, welche mehr begehrten, als was wir verb�rgt und verbrieft besitzen, und was das Erbe unserer V�ter ist? Haben wir irgend ein Recht des K�nig-Herzogs angetastet, wollen wir von ihm fordern, was nicht uns geh�rt, wollen wir ihm abzwingen, was wir nicht bes��en? Die D�nen allein sind es, die den Frieden st�ren, sie nur wollen uns von denen rei�en, die mit uns durch alles Leid seit Jahrhunderten gegangen sind. Sie wollen uns ein Vaterland aufzwingen, das wir von uns sto�en, weil es uns fremd ist, sie wollen uns lehren, da� wir keine Deutschen sind, weil dies St�ck Land ehemals zur d�nischen Krone geh�rte. Das Land thut es nicht, es ist derselbe Lehm und Sand wie vor uralten Zeiten, mag da wohnen, wer da will, aber wir haben es mit unserem Flei�e bebaut, wir haben es erobert durch unsere Arbeit. Der deutsche Pflug hat es fruchtbar gemacht, und mit tausend Fingern klammern wir uns an unsere Freunde im S�den fest, die durch Kunst und Gewerbe, durch Handel und Verkehr, durch Alles, was das Menschenleben verbindet und vereint, mit uns zusammengeh�ren.

Klein und schwach sind wir, denn die D�nen haben uns schwach gemacht. Unser Geld haben sie f�r ihre Flotte, f�r ihr Kriegsheer und f�r ihre Erhaltung verbraucht, unsere Steuern wanderten �ber die See in ihre Hauptstadt, unser Ruf nach Gerechtigkeit verhallte vergebens, aber Alles, was seit vielen Jahren geschah, um uns zu D�nen zu machen, gelang nicht, denn unser Sinn war deutsch, und keine Verlockungen konnten Eingang finden. Nun endlich, da Nichts geholfen hat, soll das Schwert entscheiden.

Sie sammeln ein Heer an der Grenze, das �ber uns herfallen will, ihre Schiffe sperren unsere H�fen, und wir haben Nichts, als unsere Zuversicht und den Muth unserer gerechten Sache. Da m�gen Viele sein, die mit Bangen in die Ferne blicken. Andere m�gen bedenken, ob sie der Uebermacht nicht erliegen werden. In solchen Zeiten aber wirft der Mensch hin, was er hat, und darf nicht fragen, ob es nicht kl�ger sei, den Nacken zu beugen, um sein Brot in Demuth weiter zu essen. Was einem Manne auch geboten werden kann f�r Abfall und Verrath an seinem Volke, er mu� den S�ndenlohn weit von sich schleudern. Es sieht wohl lockend aus, Reichthum zu gewinnen, oder eines Weibes Liebe, oder um Ehren und Ansehen, um den Lohn der M�chtigen und Gro�en klugem Rathe zu folgen, um sich zu sichern vor der Rache der Feinde; aber Schmach und Schande �ber den Elenden, der um solchen Preis Vaterland und Freunde verb��t. – Der G�ter H�chstes, sagt ein gro�er Dichter unseres deutschen Volkes, Vaterland, Freiheit, Recht und Ehre mu� der Mensch vertheidigen gegen Gewalt. Wir stehen f�r unser Land, f�r unsere Weiber, unsere Kinder.�

Die kr�ftige Stimme des Redners, der Ausdruck seines Gesichts und seine hochgehobene Hand vollendeten den Erfolg seiner Rede. B�nder mit deutschen Farben wurden vertheilt, alle H�te damit geschm�ckt, Jubelgeschrei und Schw�re, deutsch zu leben und deutsch zu sterben, hallten durch die Luft. Mitten durch diese erregte Menge aber fuhr der Wagen der Erbin von Bornholm langsam weiter. Die Dame hatte den schwarzen Schleier wieder �ber ihr Gesicht gedeckt, und zwischen den wehenden Fahnen stand Lembek und sah ihr nach, bis sie verschwand.

 

Nach einigen Stunden trat er in sein Haus, wo Anna ihn erwartete, die ihm freudig die H�nde dr�ckte und mit Stolz zu ihm aufsah. Das gro�e M�dchen mit bl�hendem Gesichte und muthigen Augen war voll Gesch�ftigkeit und Sorgfalt.

�Will's Gott!� rief sie, �das ist ein Tag, den Niemand vergessen wird. Aber wie sehen Sie m�de und matt aus, Herr. Es mu� angreifen, so lange aus voller Brust zu sprechen, ich kann's wohl denken. Doch heute ist Jeder froh und freudig, und ich bin es auch.�

�War Ludolf hier?� fragte Lembek.

�Ja, Herr,� sagte Anna, �er hat mich hergebracht und ist auf und davon, um mit anderen Freunden seine Sache abzureden. Er wird nicht hier sitzen bleiben, wenn die Rothr�cke kommen,� fuhr sie fort, als Lembek schwieg, �und so ein Bursch wie der nimmt Manchen mit sich fort.�

�So mu� es geschehen, Anna.�

�Wei� wohl, Herr,� sagte sie, �so mu� es geschehen, es kann nicht anders sein. Wir k�nnen's lassen mit der Hochzeit, bis wir wissen, woran wir sind.�

�Ludolf ist seines Vaters einziger Sohn,� erwiederte Lembek halb f�r sich.

�Das hat auch Petersen gesagt,� fiel sie ein, �aber Ludolf wollte Nichts davon wissen. Der hat sein Herz auf der richtigen Stelle, wollte Gott, sie h�tten es Alle so. Sag' Du, sprach er, ob ich gehen oder bleiben soll, und wenn Du es zufrieden bist, wird Keiner mich halten.�

�Du sagtest: Geh?� fragte Lembek.

�›Hast nicht geh�rt,‹ sagte ich, ›da� man Schimpf und Schande auf sich bringt, wenn man um ein M�dchen Volk und Land verl��t in der Noth? M�chte Deine Hand nie annehmen, Ludolf, nie mit Dir mich zusammenthun, wenn Du die Augen niederschlagen m��test. Geh und sei brav, ich will schon warten.‹ï¿½

�Aber wenn er niemals wiederkehrt, Anna?�

�Wer mag das Schlimmste denken, Herr. Aber wenn's Gottes Wille ist, mu� es auch getragen werden.�

Ihre Stimme zitterte leise, und doch lachte sie dazu.

�Es mu� ja so sein,� rief sie freudig auf; �wenn Jeder sich davon schleichen will, was soll daraus werden?�

�Hast Recht, liebe Anna,� rief Lembek, �o w�ren alle M�dchen Dir gleich. Aber auch ich mu� gehen und lasse Dich allein zur�ck.�

�Geht in Gottes Namen,� sagte sie, �ich will's zusammenhalten, wie ich kann. So, Herr,� fuhr sie fort, als sie in seine Augen sah und diese klar und ausdrucksvoll wie sonst gl�nzten, �das ist der rechte Blick. Ist unsere Sache wahr und gerecht vor Gott und Menschen?�

�So gerecht, Anna, und so wahr, wie es Menschen w�gen und fassen k�nnen.�

�Nun denn,� sagte sie, �so opfere Jeder das Liebste, was er hat, und werf' die S�nde von sich, die ihn verlocken will. Da war das stolze Fr�ulein von Bornholm bei uns im Kreise und h�rte an, was Sie redeten. Es mag ihr nicht gefallen haben; sie stand in ihrem Wagen lange wie ein Bild von Stein, bis sie endlich davon fuhr. Das ist auch eine von Denen, die ihr Volk verlassen haben. Haben Sie sie gesehen, Herr?�

�Ich habe sie gesehen,� sagte Lembek, indem er fortging, denn es war ihm unm�glich, Anna anzuschauen.

 

Am Nachmittage endlich ging er hinaus in die Feldmarken und durch die Heckensteige hinauf zu der H�he, an welcher der Hof lag. Von dort aus zog sich das Gel�nde in einen weiten Grund, �ber welchem die Sonne funkelnd hing und das saftige Gr�n der Saaten, die Waldgehege und gro�en H�fe beleuchtete. Einer derselben lag vor ihnen unter alten kahlen B�umen, die um sein hohes Schieferdach ihr narbiges Ge�st, wie ein Kranz, verflochten. Seine Blicke hefteten sich an die sonnenhellen Fenster und irrten �ber den ganzen Raum, ohne zu finden, was er suchte.

Endlich stieg er hinab, von Stein zu Stein springend, die den schmalen Pfad f�llten, und bald stand er vor dem Hause, das zur Seite der Wirthschaftsgeb�ude lag, in welchem der P�chter von Bornholm mit seinen Leuten wohnte. Das Herrenhaus des adligen Gutes lag �de und still, von verwilderten Graspl�tzen umgeben. Einst war es ein Schlo� gewesen, auf dessen Grundmauern und runden Th�rmen die sp�tern Besitzer ihre bescheidene Wohnung errichtet hatten.

Aber als sie diese bauten, waren sie doch Herren �ber Land und Leute; die Leibeigenen blickten mit Furcht und Demuth zu diesen dunklen Mauern auf. Die Gro�v�ter und Gro�m�tter derer, welche heute die Besitzerin dieses stillen Hauses verlacht und Lust gehabt hatten, sie mit Geschrei und Hohn aus ihrem Kreise zu jagen, waren zitternd hierher gekommen, um Frohnden zu verrichten, auf dem h�lzernen Esel zu reiten, schwere Steine an den Beinen, oder mit verbrannten Fingern nach Hause zu heulen, wenn sie den Flachs nicht fein genug gesponnen hatten, der auf Befehl der strengen Schlo�frau um ihre Glieder gewickelt und angez�ndet wurde.

Sechszig oder siebzig kurze Erdenjahre hatten alle die alte grausame Macht und Herrlichkeit von diesen Rittersitzen abgestreift. Da standen Bauernh�user, die ganz anders gro� und stattlich in's Thal blickten, wie dies �de Haus mit seinen eisernen Fenstergittern, da f�rchtete sich keiner dieser freien Hufner mehr, wenn sie Geld z�hlend in ihren bellen, behaglichen Wohnungen sa�en, da� der gestrenge Herr eintreten oder der Vogt sie zur Arbeit schleppen k�nnte mit Weib und Gespann. Nichts von Allem war geblieben, als die tiefe Kluft einer Trennung, die an den Menschen festklebte, nachdem die alten Schlo�gr�ben l�ngst ausgef�llt, die alten Satzungen l�ngst zu den Todten gelegt waren.

Die Herren in den alten Edelsitzen und die M�nner in den gro�en neuen H�usern von Stein blieben doch ganz verschiedene Geschlechter. Je mehr der Adel sich absonderte, seine alten Privilegien vertheidigte, seine Corporation und deren Rechte voranstellte, um so mi�trauischer betrachtete ihn der Bauer, und um so mehr fiel er der patriotisch-deutschen Volkspartei zu. Wenige M�nner und Familien aus der Reihe des Adels waren M�nner des Volks; man hatte nicht vergessen, was sie von je an gethan und gehindert. Bei der Landesfrage: ob d�nisch oder deutsch? war es aber freilich anders geworden. Mancher Hochgeborene hatte sich heftig dagegen erkl�rt, der ganze Anhang der Herzoge von Augustenburg hatte sich nun mit der Volkspartei verbunden.

Als Lembek die angelehnte Th�r des alten Hauses �ffnete und auf den schallenden Steinstufen die Treppe hinaufstieg; deren schn�rkeliges Eisengitter verbogen seitw�rts hing, �berkamen ihn alle diese Gedanken und Vergleiche zwischen ehemals und jetzt. Dies alte Haus mit seinen Erinnerungen vergangener Zeiten war doch noch immer f�r andere Wesen bestimmt, als jene da in den blauen Jacken und bunten R�cken. Die Wahrzeichen eines alten Geschlechtes, das gebietend hier gewohnt hatte, hingen in verblichenen und verstaubten Wappenschildern �ber der Th�r, welche in die oberen Gem�cher f�hrte, und als er jene �ffnete, stand er in einem gew�lbten Saale mit Deckenst�cken, deren Farbe kaum mehr zu erkennen war. Die Eichent�felung war schwarz geworden von Rauch und Zeit; von den W�nden umher sahen Ahnenbilder auf ihn nieder, Damen in steifen Faltenhauben und Stuartskragen, Rosen in den H�nden und Gebetb�cher, daneben M�nner im Brustharnisch oder schwarzen M�nteln mit goldenen Ketten. Gelbe Sonnenblitze fielen auf die stillen, harten Gesichter, und Staubwolken flogen auf, die aus ihrem Nichts aufgeweckt waren von der Macht des belebenden Lichtes, um wild darin umherzujagen.

Langsam ging Lembek durch den einsamen Saal und blieb in der Mitte stehen, indem er die Bilder betrachtete. Es kam ihm vor, als richteten sie alle die Augen auf ihn, als wollten sie ihn fragen, was er hier suche, und als runzelten sich die breiten rothen Stirnen der alten Barone �ber den verwegenen Bauer, der in seiner Friesjacke so dreist mitten unter sie trat.

Pl�tzlich aber blickte er nach der Th�r hin, die in ein Nebenzimmer f�hrte, und er h�rte eine Stimme, die ihn lebendig machte. Er h�rte seinen Namen laut und deutlich aussprechen und dann ein langes, leises Murmeln von Worten, die an den W�nden fl�sternd hinzogen und verhallten.

Als er die angelehnte Th�r �ffnete, sah er die Erbin von Bornholm vor sich. Ein Feuer brannte in dem gro�en Kamine, auf dessen Rand sie ihren Fu� setzte, w�hrend ihre Hand ein m�chtiges Rechnungsbuch festhielt, das auf ihren Knieen lag: Ihr schwarzes schweres Kleid von Seide zog einen weiten Kreis um den Sessel, auf welchem sie sa�, ihr Arm, mit einem funkelnden Geschmeide umwunden, streckte sich wei� und voll aus der dunklen Umh�llung und st�tzte den gebeugten Kopf, der regungslos auf die Bl�tter des gro�en Buches sah. Die langen dunklen Vorh�nge hielten das helle Licht zur�ck, und leicht konnte man meinen, eine der alten Ritterfrauen sei aus ihrem Rahmen gestiegen, um Rechnung zu halten �ber Zins und Recht ihres Hauses. Nach einigen Augenblicken aber wandte sich die Dame nach dem Ger�usche um, als Lembek einen Schritt that, und ohne Ueberraschung blickte sie ihn an wie einen lange Erwarteten.

�Endlich kommen Sie, lieber Lembek,� sagte sie, �eben da ich mich mit Ihnen besch�ftigte. Der Meier hat mir das Grund- und Einnahmebuch des Gutes vorgelegt, und darin steht, da� Sie mir steuerpflichtig sind f�r Holz und M�hle und bei Strafe des doppelten Betrags am St. Martinstage immerdar Zahlung leisten sollen in guter Landesm�nze.�

�Und als Ihr Lehnsmann versprach ich dies treu zu halten, meine edle Herrin,� erwiederte Lembek. �Alle meine Schuld will ich in guter Landesm�nze bezahlen und freudig meine Pflicht in Ihrem Dienste erf�llen, es sei denn, da� ich davon entbunden werde.�

�Darauf hoffen Sie nicht,� versetzte das Fr�ulein. �Nein, Lembek, ich halte fest am alten Recht, meine Lehnsleute sollen sich nicht auflehnen gegen ihren Herrn. Setzen Sie sich her zu mir und nehmen Sie dies ehrw�rdige Buch, das einen Schatz guter, zum Nachdenken geeigneter Lehren enth�lt. Wir sind in diesem Augenblicke die einzigen Bewohner dieses alten Hauses; aber ist es nicht sch�n in seiner schwerm�thigen Einsamkeit und Trauer? Ich freue mich darauf, hier einmal zu wohnen, und habe Stunden lang heute, ehe Sie kamen, damit zugebracht, mir alle die Geisterschauer wieder einzupr�gen, welche in meinen Kinderjahren mich so oft beschlichen, wenn ich durch den Saal dort ging und die Bilder mich betrachteten.�

�Es ist sch�n,� sagte Lembek l�chelnd, �auch mit Denen zu leben, die nicht mehr sind und Nichts hinterlassen haben, als ein Bild, das ihre Z�ge tr�gt, doch gr��ere Rechte haben Die an uns, welche mit uns f�hlen und empfinden; das warme Fleisch und Blut der Gegenwart, das nicht ersetzt werden kann durch alle Farben, die Todtes mit dem Scheine des Lebens umh�llen.�

�Als ob die Vergangenheit nicht zu uns geh�rte,� erwiederte das Fr�ulein, �als ob wir selbst w�ren, wenn sie uns nicht in die Gegenwart gef�hrt h�tte; als ob die Zeit, welche �ber uns hinrauscht, nicht ein Ganzes bildete, aus dem kein Stein genommen werden kann. Darin liegt das Widerw�rtige, was mich immer electrisch zur�ckst��t, da� Die, welche vorw�rts wollen, nicht anders es zu k�nnen meinen, als wenn sie die Vergangenheit schm�hen. Sehen Sie in dies Buch, Lembek. Seit l�nger als f�nfhundert Jahren haben meine Vorv�ter hier gewohnt. Einer ist K�nig Abel's Feldherr gewesen, ein anderer Herzog Waldemar's Kanzler. Mancher ist gefallen in blutigen Schlachten, bei Hemmigstedt, gegen die wilden Bauern aus Dithmarschen, gegen Friesen und Holsten, immer waren sie da, wo ihres F�rsten Banner wehte. In Rath und Heer standen sie voran, und hier stehen ihre Namen in diesem alten Buche beisammen, wie sie einander folgen, und was sie L�bliches vollbrachten. In diesem Thale wohnten sie, erwarben Land und Leute, sch�tzten die, welche sich zu ihnen wandten, stellten Gerechtsame fest und �berlieferten von Geschlecht zu Geschlecht ihren Nachkommen ihren Ruhm, ihre Ehren und ihren Namen. Ihre Habe ist nach und nach schm�ler geworden,� sagte sie dann l�chelnd, �von vielem Besitze ist Nichts �brig geblieben, als dies pr�chtige alte Haus und wenige Hufen Land, von aller Macht Nichts, als der Staub verwitterter Gnadenbriefe, von aller St�rke Nichts, als ein einsames M�dchen, das heute vom Hohngel�chter der jetzigen Landesherren verfolgt hierher floh, um es denen dort im Saale zu erz�hlen, wie wunderbar sich Alles in der Welt umgestaltet hat.�

�Und was haben Sie ihnen von mir erz�hlt?� fiel Lembek ein. �Ich f�rchte, theure Ida, es ist nichts Gutes gewesen, denn �berall schauten mich vorhin ernsthafte und strenge Gesichter an.�

�Wenn Sie nicht Lembek hie�en,� erwiederte das Fr�ulein, �so w�rde ich vielleicht dem Bannertr�ger Herzog Friedrich's, der dort an der Ecke h�ngt, berichtet haben, da� ich auf seltsame Weise ergriffen worden sei von dem, was ich heute gesehen. Ich h�tte sagen k�nnen, da� er sich denken m�ge, es sei diese Zeit fast wie damals, wo in den Dithmarschen sich die k�hnen Bauern versammelten, welche, als Wolf Isebrand zu ihnen gesprochen, zu ihren Spie�en griffen, um ihre Freiheit gegen das furchtbare Heer des D�nenk�nigs und seiner schwarzen Garde zu vertheidigen.�

�Und was haben Sie statt dessen gethan?�

�Nichts,� erwiederte sie, �als da� ein Lembek es war, den ich reden h�rte. Ein Name, den er ganz gewi� kennen mu�te, denn er sah mich an mit seinen gro�en Augen, als sei er ganz erschrocken dar�ber, und wahr oder falsch, ich wei� es nicht, aber es kam mir vor, als sch�ttele er den Kopf und mache ein Gesicht, wie Einer, der Unglaubliches glauben soll.�

�Sie h�tten ihm wenigstens sagen sollen,� fiel Lembek ein, �da� der heilige Vertrag, den er oder sein Vater in Ripen mit unterzeichnete, nach welchem Schleswig und Holstein auf ewig zusammenbleiben sollten, ungetheilt, schm�hlich gebrochen worden sei, und da� man uns alle, den letzten Spr��ling seines eigenen Namens nicht ausgenommen, d�nisch machen will, dann w�rde der alte Ritter den Lembek wohl begriffen und ehrlich dazu genickt haben.�

Das Fr�ulein schwieg nachdenkend, indem sie in das verglimmende Feuer schaute; endlich hob sie den Blick wieder auf und sagte mit abwehrender Stimme:

�Der gro�e K�nig Harald Harfagr stand einmal mit dem Fu�e in dem Taufstein, um ein Christ zu werden. – Wo sind meine Ahnen, Priester? fragte er; in Deinem Himmel oder in der H�lle? – In der H�lle, sagte der Christen-Priester. – Und mein Vater und Alle, die ich liebte auf Erden? – Alle in der H�lle. – Nun denn, bei Odin, Thor und Freia! rief der K�nig, so will ich bleiben, wo sie sind. – Kommen Sie, lieber Freund,� fuhr sie dann lebhaft fort, �ich will Ihnen zeigen, was dies alte Haus enth�lt, und was ich mir ausgedacht hatte, um es bequem und wohnlich einzurichten. Mein Oheim ist, wie Sie wissen, heute in Schleswig, um seine Rechnungen abzuthun, mir hat er sie schon abgelegt und mich in Erstaunen gesetzt, wie viel seine G�te f�r mich gespart hat. Ich bin reich geworden, denn ich habe Nichts verbraucht. Dies Haus ist geblieben, wie es war, er hat mir es �berlassen, daf�r zu sorgen, wenn ich einst es bewohnen wollte. Und ich will es bewohnen,� fuhr sie fort. �Ich sehne mich nicht darnach, in gro�en St�dten zu leben, ich ziehe den Frieden einer einsamen H�uslichkeit vor, den engen Kreis mit Wenigen, die eine feste, treue Kette bilden.�

�Die Kette der Liebe und Freundschaft,� erwiederte Lembek, �schlingt sich dichter um die Menschen, die in sich selbst ihren Frieden finden, als um andere, welche viel von dem gl�nzenden Beiwerk des Lebens n�thig haben. Aber die Verh�ltnisse thun Alles, bestimmen unser Schicksal.�.

�Doch nicht ohne unsern Willen,� antwortete sie. �Ich bin frei und unabh�ngig und denke darnach zu handeln. Wenn die Welt voll Hader und Gewalt ist, soll man dann nicht um so mehr nach Gl�ck und Frieden f�r sich selbst suchen? Die alten Weisen haben das schon gesagt, und K�nige haben ihre Kronen und ihren Ruhm vergessen, um in einem gr�nen stillen Thale froh und einsam zu leben. K�nnen uns die D�nen das nehmen? K�nnen sie mit all' ihrem Rechte oder Unrechte uns dieses einsame Gl�ck entrei�en?�

�Ein m�rchenhaftes Gl�ck,� sagte Lembek.

�O, warum m�rchenhaft? Es ist das Gl�ck, das vor Allem gepriesen wird, das Gl�ck, welches uns, fern von Ehrgeiz, das Herz bietet und die Natur. Ich kann nicht denken, da�, wenn man diese Thaler mit Blut benetzt, wenn die H�lfte derer, die jetzt darin leben, begraben, die andere H�lfte gl�cklicher und besser geworden ist.�

�So kehrt der alte rohe Zustand zur�ck, wo kein Bedr�nger Recht kann finden, und Nichts �brig bleibt, als dulden und leiden.�

�Und deshalb zerst�ren und vernichten sich diese Wesen, welche sich Gotteskinder nennen?� rief die Erbin. �Ha� und Mord, und Niemand macht es besser. Nein, mein Freund, ich will Nichts f�r mich von Eurem blutigen Rechte, ich will gl�cklich werden und nicht fragen, ob Eure Politik es mir erlaubt.�

Sie reichte ihm die Hand und nickte ihm mit einem trotzigen stolzen L�cheln zu.

�Jetzt sehen Sie an, was ich hier bauen und �ndern will,� fuhr sie dann fort, indem sie ihn von Zimmer zu Zimmer durch alle R�ume des Hauses f�hrte, welche gr��tentheils ganz leere W�nde zeigten. Zerm�rbte Tapeten hingen geborsten daran nieder, Hausrath aus alter Zeit stand in Winkeln und Ecken, und durch zerbrochene, verstaubte Fenster fiel das d�mmernde rothe Licht des Tages auf die schwarze Dame, wenn sie leicht und unh�rbar voraneilte.

�Und all' diesem Schutt und Staube zum Trotze,� sagte sie lebhaft, �ist es doch sch�n. Hier habe ich als Kind gespielt, dort in der tiefen W�lbung habe ich geschlafen, und meine Mutter sa� an meinem Bette und erz�hlte mir merkw�rdige Geschichten jeden Abend, bis ich davon weiter tr�umte. Dort in dem kleinen Zimmer habe ich sie zum letzten Male gesehen, wie sie ihre sanften Augen voll namenloser Liebe auf mich richtete. O, es ist keine Stelle, von der mein Ged�chtni� nicht irgend Etwas mir zufl�sterte und Stimmen mit mir spr�chen, welche aus diesen Mauern zu dringen scheinen. Das Alles wird mir bleiben, wie ich diese R�ume auch ausschm�cke, um sie neu und wohnlich zu machen.�

Sie ging gesch�ftig hin und her, beschrieb, was sie thun wollte, fragte Lembek um Rath und h�rte bed�chtig an, was er erwiederte.

�Ich denke Nichts zu sparen,� fuhr sie dann fort, �um mein Haus hell und sauber auszustatten. Vornehm pr�chtig soll es nicht sein, aber so, da� man gern darin verweilt. Nur der Saal hier, wo meine Ahnen hausen, soll bleiben, wie er ist, damit ich nie vergessen mag, da� ich zu ihnen geh�re. Aber gestehen Sie, Lembek, haben meine V�ter nicht den rechten Platz gew�hlt, um ihren Bau zu begr�nden?�

Sie stie� die Th�r auf, welche zu dem Altan f�hrte, und vor ihm lag das weite Thal in seiner ganzen Fr�hlingsfrische, sonnig, warm und lieblich, ein sch�ner Garten, wohin das Auge blicken mochte.

�So arm bin ich doch nicht,� fuhr Ida l�chelnd fort, �um nicht manchem Aermeren noch Etwas abgeben und manche Thr�ne trocknen zu k�nnen. Kein Ha� und keine Gewalt sollten mich daran hindern.�

�Sie sind gut und edel, ich wei� es,� sagte Lembek.

�Sehen Sie dort, die M�hle ganz fern in der Tiefe geh�rt noch zu Bornholm. Der Wald da oben ist mein, und alle die Menschen dort in den kleinen H�usern leben von der Arbeit auf meinen Feldern. Wie viel kann man thun, um Segen zu verbreiten! Ist es nicht s��, das zu denken, und ein gro�er Trost, darin seines Lebens Ziel zu finden?�

�Das edelste, das sch�nste Ziel. Beh�te Sie Gott, theure Ida, und gebe er Ihnen Alles, was Sie dazu bed�rfen.�

�Was ich bedarf,� erwiederte sie l�chelnd, �wird gefunden werden, die starke, gute Hand, welche mich sch�tzen und schirmen kann.�

Ihre Blicke begegneten sich. Die hellen, stolzen Augen der Erbin trugen einen feuchten Schimmer, der wie Sonnennebel sie einh�llte.

�Ida!� rief Lembek pl�tzlich, und seine Hand aufhebend f�gte er hinzu: �Ist es diese Hand, die mit aller Macht der Liebe Dich sch�tzen und ewig halten soll?�

�Ja, Heinrich,� sagte sie mit leiser, fester Stimme.

Er legte den Arm um sie, und keines Wortes m�chtig starrte er eine Minute lang in ihr Gesicht, wie ein Mensch, der zwischen T�uschung und Wahrheit schwankt, w�hrend nach und nach das selige Gef�hl der Gewi�heit ihn ergreift.

�So liebst Du mich?� sagte er endlich. �So willst Du mein sein, mir folgen durch Freud' und Leid?�

�Wir m�ssen uns verstehen,� erwiederte sie, den Finger auf seine Brust legend. �Tritt hierher, Heinrich,� sie f�hrte ihn in den Saal zur�ck und nahm seine Hand.

�Sieh' hier meine Mutter, die auf uns herabblickt, hier meinen Vater, der mit klaren Augen uns betrachtet. K�nnten sie von den Todten auferstehen, ich w�rde ihnen sagen, wie ich es jetzt thue: Hier ist Der, dem ich folgen will in Treue und Liebe, wenn er diese h�her achtet, als seinen stolzen Willen. Kehre zu Denen zur�ck, die zu Dir geh�ren, w�hle zwischen Deinen Freunden und mir!�

Mit jedem Wort war Lembek's Gesicht ernster geworden, ein schmerzliches L�cheln zuckte darin, dann schlug er seine Augen fest zu ihr auf und sagte sanft:

�Lebe wohl, Ida, wir haben uns nicht verstanden.�

�Du gehst?� rief sie, ihre Arme erhebend. �Es ist unm�glich, Du kannst nicht gehen!�

�O welche Qual bringst Du �ber mich,� sagte er, gramvoll sie anblickend, �und doch – schwanke ich keinen Augenblick. Ich mu�!� –

�Du mu�t?� fragte sie, und ihre Blicke richteten sich anklagend und z�rnend auf ihn, Scham und Angst rangen in ihrer Stimme. �Ich fordere kein Opfer; la� uns hier leben und Frieden finden. Tritt vor meinen Oheim hin, sage ihm, wir haben in Bornholm den Plan f�r unsere Zukunft entworfen; dort wollen wir wohnen, ich und sie.�

Lembek sch�ttelte leise den Kopf.

�Was ich heute vor tausend Menschen gelehrt habe,� sagte er, �das fordert Erf�llung und Wahrheit. Um eines Weibes Liebe darf kein Mann sein Vaterland in Noth lassen. Schmach und Schande �ber Den, der anders w�hlt, wie ich es thue.�

Ida wendete sich ab, ihr ganzer Stolz war aufgeweckt. Sie ging nach der Th�r des Balkons, wo der k�hle Wind mit ihren Locken wehte, dann kehrte sie zur�ck, und eine gewaltsame Fassung verdr�ngte die heftige Erregtheit.

�La� es genug sein,� sagte sie. �Was ist es denn auch mehr? Es war mir so, als h�tten wir uns verstanden, als k�nnte ich mit meiner Liebe Dich zur�ckziehen von einem Wege, der Dich auf immer von uns rei�t. Es war eine T�uschung, wir wollen sie vergessen.�

�Er hat es mir vorher gesagt,� erwiederte Lembek, �da� ich Dich nur erwerben k�nnte, wenn ich w�rde, wie er. Er hat Recht, einen Mittelweg giebt es nicht.�

�Wer?� fragte Ida, dunkel err�thend.

�Scheden,� sagte er ruhig.

�Sagte er das?� rief das Fr�ulein heftig.

�Besitzt er nicht alle Eigenschaften, welche mir fehlen?� fuhr Lembek mit strengem Blicke fort. �Wenn ich dies edle Vorbild erreichte, dann erst st�nde ich vollkommen am rechten Platze! – Dein Onkel und er – wei�t Du, welchen Plan sie verfolgen?�

�Kein Wort mehr,� sagte Ida. �Ich wei� nicht, was Herr von Scheden gesagt hat, und will es auch nicht wissen. Das aber glaube von mir, da� ich weder mit meiner Hand, noch mit meinem Herzen Handel treiben lasse. Der Freund meiner Jugend wird immer mein Freund bleiben, auch wenn die Verh�ltnisse uns trennen, und nun, Herr Heinrich Lembek, Gott hat es nicht gewollt; wir m�ssen scheiden.�

Er nahm ihre Hand, welche sie ihm bot, und f�hrte sie schweigend an seine Lippen.

�Lebe wohl,� sagte er, �und denke immer an mich wie an einen fernen treuen Freund.�

�Und morgen?� rief sie ihm mit schwankender Stimme nach.

�Ich komme,� sagte er, an der Th�r stille stehend.

Sie h�rte den Schall seiner Schritte auf der Steintreppe, dann sah sie ihn �ber den Vorplatz geben. Ein bitteres Gef�hl gekr�nkten Stolzes erf�llte ihr Herz. Ihre H�nde pre�ten sich um das kalte Eisengitter fest, ihre Augen folgten ihm mit magnetischer Gewalt; er blickte nicht zur�ck, und nach wenigen Minuten war er verschwunden.


F�nftes Kapitel.

Am folgenden Tage war auf dem Gute des Barons ein vielbewegtes Treiben. Die G�ste, welche aus der N�he geladen waren, hatten meist absagen lassen, denn die beunruhigenden Ger�chte machten, da� Jeder gern sich zur�ckhielt, weil Niemand wu�te, wie es kommen werde. Der Baron war mi�gestimmt aus Schleswig zur�ckgekehrt, er hatte �berall Dinge gesehen und erfahren, die ihn verdrie�en mu�ten. M�nner, welche sonst sehr mild und vers�hnlich dachten, und Andere, welche er seines Sinnes meinte, konnte er nicht wiedererkennen. Er lief �rgerlich auf und ab und erz�hlte seiner Nichte mit gr��ter Heftigkeit, wie toll und verwirrt alle K�pfe seien, wie weit Verkehrtheit und Schamlosigkeit gingen, wie man ihn verh�hnt und mit Vorw�rfen �berschrieen habe.

�Man wird schon wieder vern�nftig werden,� sagte Ida l�chelnd.

�So meint Scheden auch,� erwiederte Alfeld. �Aber Du siehst, wie die Menschen sind. Seine Treue, kein Glauben. Wenige, die den Muth haben, fest zu stehen bei der alten Fahne, sogar mein Essen verschm�hen sie und lassen uns allein. Was siehst Du bla� und angegriffen aus, Kind?�

�Ich habe schlecht geschlafen, Onkel.�

�Aus Aerger �ber den Anblick, den Du gestern gehabt hast,� rief der alte Herr. �Ich kann es mir denken. Du bist also bei der gro�en Volksversammlung gewesen? Hast den Abtr�nnigen reden h�ren, den Nichts bessern und belehren kann?�

�Du mu�t Dich nicht erhitzen, lieber Onkel.�

�Ei ja, nicht erhitzen! Ich m�chte ihn – aber warte, der Lohn soll nicht ausbleiben. Du meinst also wirklich, da� er kommen wird?�

�Er wird kommen. Du hast ihn eingeladen, und er hat sein Wort gegeben.�

�Ich habe auch mein Wort gegeben,� rief Alfeld mit einem finsteren Blicke, �er soll mir willkommen sein. Es war viel Volk zusammengelaufen, nicht wahr?�

�Ein gro�er Kreis, der ihn mit Begeisterung reden h�rte.�

�Dem er seine L�gen auftischte.�

�Ich mu� sagen,� erwiederte Ida, �da� das tiefe Schweigen dieser Masse von Menschen aller Art, unter denen sich Greise mit ehrw�rdigen Gesichtern und viele M�nner befanden, denen man Kraft und Verstand ansah, einen wunderbaren Eindruck auf mich machte. Sie hingen mit gl�ubiger Verehrung an den Lippen ihres Priesters.�

�Ich kenne den Fanatismus, den sie angefacht haben, nur zu gut,� fiel Alfeld ein, �und wei�, wie Lembek ihn zu gebrauchen versteht. Aber das hinderte die rohe Horde nicht, Dich zu verh�hnen, die Aristokratin auszulachen, wohl gar Hand an sie zu legen?�

�So weit ist es nicht gekommen, Onkel, ich entfernte mich, als ich bemerkte, da� meine Gegenwart Unruhe zu erregen begann.�

�Sie h�tten Dich gesteinigt, wenn Du nicht gegangen w�rest,� sagte der Baron heftig, �und er w�rde zur Ehre der Freiheit dabei geholfen haben. Ich habe Schweres von Dir gefordert, mein Kind, wenn ich Dich bat, Dich freundlich diesem Manne wieder zu n�hern. Deine Abneigung ist nur zu sehr gerechtfertigt, aber Scheden hat so gewollt, und noch jetzt hat er mich ersucht, auf Dich einzuwirken, ihn auch heute nicht merken zu lassen, wie sehr er Dir zuwider ist. Mein Wort darauf, Du sollst Genugthuung erhalten.�

�Ich glaube,� antwortete Ida, �Lembek wei� am Besten, da� ich ihn nicht zu t�uschen vermag. Spart Eure M�he, ihn zu gewinnen. Wie er uns nicht bekehren wird, so wenig kann es bei ihm gelingen. Darum la� diese letzten Stunden ruhig ablaufen, la� uns in Frieden von ihm scheiden. Mag er seinen Weg geben, wohin er auch f�hre.�

�Zum Unheil und zur Schande!� rief Alfeld.

�So m�ge diese auf ihn fallen. Wir k�nnen seine Verirrungen beklagen und Nichts mit ihm gemein haben, aber bis zur Verachtung und Schm�hung d�rfen wir uns nicht erniedrigen.�

�Wie, Ida,� sagte der Onkel, indem er still stand und sie betrachtete, �Du kannst ihn noch vertheidigen?�

�So weit ich es vermag, ja,� antwortete das Fr�ulein. �Ich habe in Bornholm mein Urtheil �ber ihn festgestellt. Alle r�hmen seine Milde und seine Redlichkeit. Keiner, der ihm nicht vertraut und nicht an ihn glaubt.�

�Um so schlimmer,� fiel der Baron ein, �wenn er ein ganzes Land verf�hren kann. Ein solcher Mensch ist ein gemeinsamer Schade, eine wahre Pest.�

�Aber Du selbst,� fuhr das Fr�ulein fort, �hast mir so eben erz�hlt, da� mancher Deiner alten Freunde jetzt so denkt, wie er, und was viele besonnene und ehrenvolle M�nner f�r wahr und recht halten, kann doch durchweg nicht Lug und Trug sein.�.

�Ida!� rief Alfeld erstaunt und z�rnend. �Was ist mit Dir vorgegangen? Hat die Luft seiner N�he Dich angesteckt, oder hat es der Unsinn gethan, den Du gestern h�ren mu�test?�

�Du wirst von mir Nichts glauben, was mich unw�rdig machen k�nnte, Deine Nichte, die Erbin Deines Namens zu sein,� erwiederte das Fr�ulein mit stolzer Stimme.

�Nein, mein Kind, nein!� sagte Alfeld beruhigend, indem er ihr die Wange streichelte, �ich kenne Deine Grunds�tze, die Nichts mit Lembek's Treiben gemein haben; aber bin ich doch selbst von seinem Wesen fortgerissen worden und habe mich alter Zuneigung nicht erwehren k�nnen, als ich ihn wiedersah. Du wirst es mir daher nicht �bel nehmen, wenn mir einfiel, es k�nnte sich ereignen,� – er blickte die sch�ne Nichte l�chelnd an und setzte dann rasch hinzu: �aber ich wei� ganz gewi�, da� es nicht sein kann.�

�Was k�nnte sein oder nicht sein, Onkel?�

�Du k�nntest Dich verlieben,� rief der alte Herr l�chelnd, �aus dem Spa�e Ernst machen, den Eifer, ihn f�r unsere gute Sache zu gewinnen, etwas zu weit treiben.�

Die Erbin wendete sich ab, und pl�tzlich r�thete sich ihr Gesicht, denn ihre Blicke fielen auf den Etatsrath von Scheden, der eben drau�en vom Pferde stieg und freundlich hereingr��te.

�Du mu�t nicht roth werden,� rief Alfeld, indem er sie umarmte. �Ich habe nur einen Wunsch, mein Kind, den Wunsch, Dich recht gl�cklich zu sehen. Leider sind die Zeiten so, da� weit eher an Krieg, als an Hochzeit gedacht werden kann, aber eben deswegen ist es n�thig, einen sicheren Hort zu suchen f�r alle St�rme. Nun,� sagte er, �Du wei�t schon, was ich meine.�

�Es w�rde mir Nichts helfen, wenn ich es leugnen wollte,� erwiederte sie.

�Da kommt er,� fiel der alte Herr ein. �Ich mische mich in Nichts, aber alles, was Du thust, ist mir lieb und recht. Du bist ja m�ndig, Ida, bist Herrin �ber Deinen Willen.�

�Und �ber meine Freiheit, Onkel?�

�Ei ja,� rief er lachend, �Ihr wollt Sklaven haben. Nun, da hast Du einen, der Dich abg�ttisch verehrt.�

In dem Augenblick, wo Alfeld sich entfernte, trat Scheden herein, sichtlich erfreut, Ida allein zu finden.

�Ich habe mich darnach gesehnt, Sie zu sehen,� sagte er nach den ersten Worten, �denn seit gestern trage ich mich mit einem Gedanken umher, der mich gl�cklich macht, wenn Sie ihn billigen.�

�So lassen Sie h�ren, was Ihnen seit gestern f�r mein Gl�ck und f�r das Ihre eingefallen ist,� erwiederte sie scherzend.

�F�r unser beiderseitiges Gl�ck also,� fuhr er fort, �d�rfen Sie hier nicht l�nger verweilen.�

�Und woran h�ngt das Ungl�ck, wenn ich bleibe?�

�Ich darf es Ihnen nicht verhehlen,� erwiederte Scheden, �da� vielleicht schon in wenigen Tagen dies Land der Schauplatz blutiger Verwirrung sein wird. Es ist kein Zweifel, da� die Sache des K�nigs den Sieg beh�lt, allein Sie d�rfen den Ausgang der Dinge nicht abwarten. Meine dringende Bitte ist daher, mir zu gestatten, f�r Ihre Sicherheit zu sorgen und Sie an einen Ort zu f�hren, wo Sie vor allen Schrecken geborgen sind.�

�Halten Sie unsere Lage denn wirklich f�r so gef�hrlich?� fragte Ida.

�Beantworten Sie sich diese Frage selbst. An der Grenze steht ein Heer, das unfehlbar vordringt, sobald die Fahne des Aufstandes erhoben wird, und zweifeln kann Niemand, da� dies geschieht. Ich habe heute die sichere Nachricht erhalten, da� alle Bem�hungen in Kiel fruchtlos geblieben sind. Sie rufen Hilfe aus dem emp�rten Deutschland herbei, und wie weit der Wahnsinn geht, wei� Niemand. Die beth�rten Menschen wollen den Krieg, sie werden ihn finden.�

�Und wohin wollen Sie mich f�hren?�

�Nach Kopenhagen,� sagte er, �oder wenn Sie es vorziehen, nach F�hnen. Ich habe Freunde �berall und werde Sie begleiten, wenn Sie mir gestatten, Ihr treu ergebener Diener und Freund zu sein.�

�Und mein Oheim – kennt er Ihre freundliche Absicht?�

�O der gute Baron,� sagte Scheden. �Ihre Einwilligung gen�gt, um ihn daf�r zu bestimmen, und was kann er Besseres thun, als uns begleiten? Der Fr�hling kommt und macht unsere herrlichen Buchenw�lder gr�n. Sie kennen noch nicht die Reize unseres Nordens, diese wundervollen Inseln im Thau des Meeres gebadet und ausgestattet mit den lieblichsten Einsamkeiten. Dorthin retten wir uns aus diesem feindlichen Gewirre von L�ge und Leidenschaft, bis ich Sie zur�ckf�hren kann, theure Ida, in die beruhigte Heimath.�

�Ich fange an zu f�rchten,� erwiederte das Fr�ulein, �da� Ruhe und Frieden hier so bald nicht wieder einkehren werden.�

�So bleiben wir dort, bis dieser sch�ne Zeitpunkt eintritt.�

�Unter den D�nen?�

Scheden lachte.

�Sie haben doch auch Ihre deutschen Sympathieen,� sagte er.

�Und ein deutsches Herz,� f�gte sie hinzu.

�Voll deutscher Treue,� sagte der Etatsrath, indem er mit einem innigen Blicke ihre Hand an seine Lippen dr�ckte. �Theure Ida,� fuhr er dann leiser fort, �f�hlen Sie nicht, wie unendlich gl�cklich es mich machen w�rde, oft und immer in Ihrer N�he zu sein?�

�So bleiben Sie uns,� antwortete sie l�chelnd.

�O, wie gern! doch der Wille eines Mannes ist nicht immer genug, um zur That zu werden. Sie kennen meine Verh�ltnisse ganz. Zwar bin ich unabh�ngig, doch habe ich die Zukunft und meine Stellung zu bedenken. Ich darf hoffen, da� diese einst eine gl�nzende sein wird, darf ich nicht auch glauben, da� meine kluge, geistvolle Freundin mir etwas mehr als gew�hnliche Theilnahme schenkt?�

�Sie sind zu g�tig und besorgt um mich gewesen,� antwortete die Erbin, �um Undankbarkeit zu erwarten.�

�Lassen Sie uns nicht mit Worten spielen,� erwiederte er, �es h�ngt viel von der Minute ab, die man ergreift, ich halte sie fest, weil ich Nichts verlieren will. Ihr Herz mu� Ihnen sagen, was meine Lippen nur unvollkommen verm�gen, von diesem Herzen erwarte ich mein Urtheil. Sprechen Sie es aus, theure Ida, wollen Sie einem Manne angeh�ren, der mit der innigsten Verehrung um Ihre Liebe wirbt?�

�Sie �berraschen mich nicht, lieber Scheden,� erwiederte sie nach einem augenblicklichen Schweigen, w�hrend sie ihre H�nde ihm �berlie�, �aber sind unsere Neigungen nicht zu verschieden, um nicht Bedenken einzufl��en?�

�Bedenken?� fragte er l�chelnd, �welche Bedenken?�

�Sie w�nschen und hoffen eine gl�nzende Laufbahn, ich ziehe ein stilles, einfaches Leben vor. Ich habe keinen Gefallen an buntem Scheine; bei einem fremden Volke mag ich nicht wohnen, wer mich liebt, mu� mich nicht von dem Boden rei�en, auf den ich gepflanzt bin.�

�Wenn Sie das beruhigen kann,� fiel Scheden l�chelnd ein, �so verspreche ich Ihnen auf's Heiligste, allen Ihren W�nschen nachzukommen. Sobald die Ruhe hier hergestellt ist, wollen wir zur�ckkehren und in Bornholm ein paradiesisches Leben f�hren.�

�Und Ihren gl�nzenden Aussichten k�nnten Sie entsagen?�

�Allem, was Sie wollen, nur nicht dem Gl�cke, das Sie mir als Ersatz bieten.�

�Liebensw�rdiger Freund,� rief das Fr�ulein, �ich erkenne dieses Opfer. O wie anders entz�ckt mich diese edle Milde, wenn ich damit den finstern Starrsinn Lembek's vergleiche.�

�Der Narr!� sagte Scheden, indem er sp�ttisch auflachte. –

�Sie haben Recht, er ist aufrichtig zum Erbarmen. Da f�llt mir ein: Was haben Sie ihm von mir gesagt?�

�Ich habe ihn, wie der Versucher, auf die h�chsten Spitzen der Berge gef�hrt,� erwiederte Scheden noch immer lachend, �und ihm das Sch�nste gezeigt, was die Erde bietet.�

�Welche Gr��e der Entsagung!�

�Bah!� sagte der Etatsrath, �wir sind fertig mit ihm. Dieser Ritter von der traurigen Gestalt soll uns nicht mehr st�ren.�

�Ich denke nur zu sehr an ihn und f�rchte seine Macht,� antwortete das Fr�ulein nachdenkend.

�So mu� er zum Beispiel werden, was solche bedeutet. Seien Sie ganz ruhig, er soll Ihnen keinen Schrecken einfl��en.�

�Was haben Sie vor?� fragte sie, rasch aufblickend.

�Nichts, was Sie erschrecken k�nnte,� lachte Scheden, �eine Ueberraschung h�chstens, die ihm eine gute Lehre sein wird. Wenn er kommt, seien sie freundlich, ich denke ihn vern�nftig zu machen und habe ein unfehlbares Mittel dazu. Ist er artig, so nehmen wir ihn mit, um Zeuge unseres Gl�ckes zu sein, wo nicht, so �berlassen wir ihn seinem Schicksale. Sagen Sie mir nur, liebe theure Ida, ob ich mit Ihrem Onkel sprechen darf?�

�Nicht heute,� erwiederte sie, �nicht jetzt.�

�Und warum diese Grausamkeit?� fragte er z�rtlich bittend.

�Weil dies kein Tag ist, wie ich ihn w�nsche,� war ihre Antwort.

�Vielleicht haben Sie Recht,� sagte Scheden nach einem Augenblicke des Bedenkens. �So bewahre ich denn mein Geheimni� bis morgen, aber dann, dann –�

Er beugte sich nieder und n�herte sich ihren Lippen, als pl�tzlich die Th�r ge�ffnet wurde und Lembek hereintrat.

�Wie, Heinrich!� rief der Etatsrath zur�ckfahrend, �Du kommst h�chst erw�nscht, wie der Wolf in der Fabel. Wir haben so eben von Dir gesprochen.�

�Ich bitte um Verzeihung,� sagte Lembek, sich verbeugend, �wenn ich unerwartet eintrete.�

Er wandte sich an Ida, die l�chelnd aufstand und unbefangen sagte:

�Ich habe Sie erwartet, Herr von Lembek, und freue mich, Sie hier zu sehen.�

�Also munter, Freund Heinrich, und lege Dein ernsthaftes Gesicht ab,� fiel Scheden ein. �Setze Dich zu uns und erz�hle, was Du Neues wei�t. Wie geht es der h�bschen Anna? Wann soll die Hochzeit sein? Ich hoffe, der verliebte Br�utigam wird nicht warten wollen, bis das deutsche Vaterland gerettet ist.�

�Du magst sie selbst fragen,� erwiederte Lembek, �denn ich habe sie Beide mitgebracht.�

�Als unterhaltende Reisegesellschaft,� rief Scheden lachend.

�Sie haben Verwandte hier in der N�he und wollen am Abend mit mir zur�ckkehren.�

�Da spazieren sie schon umher,� sagte Scheden, zum Fenster hinausdeutend, �wirkliche Prachtexemplare der V�lkerwiege Angeln.�

Auf dem Hofe stand Ludolf neben dem Wagen bei den m�chtigen Pferden, die ihn gezogen hatten, und f�r welche er ein Unterkommen suchte. Die K�pfe der muthigen Thiere waren mit farbigen B�ndern geschm�ckt; ein deutsches Band steckte von gestern her an seinem Hute und bildete eine stattliche Schleife; der junge schmucke Bursch sprach lebhaft mit den Hausleuten des Barons, die sich um ihn gesammelt hatten und eifrig zuh�rten. Was er ihnen erz�hlte, schien viele Theilnahme und Beifall zu finden und dann und wann von Anna best�tigt zu werden, die in ihrem rothen Rocke mit dem gr�nen Besatze, dem schwarzen J�ckchen mit blanken Kn�pfen und dem Strohhute, der wie ein gro�es Vogelnest mitten auf ihrem Kopfe sa� und lange gl�nzende B�nder durch die Luft wehen lie�, anmuthig unter dem Haufen stand.

�La� sie doch n�her treten,� sagte Scheden, als nach einigen Minuten die Pferde ausgespannt waren und Ludolf seinen Hut zog, weil er das Fr�ulein am Fenster bemerkte.

�Kommt hierher,� rief er dann, ohne die Antwort abzuwarten. �Wir m�ssen der h�bschen Braut unsere Gl�ckw�nsche sagen.�

Der junge Bauer z�gerte nicht. Er kam mit festen Schritten auf das Haus zu und f�hrte Anna bei der Hand. Eben aber, als er die Stufen hinaufstieg, sah er den Baron mit einem andern Herrn im Vorflur stehen, der sehr vertraulich die Hand auf dessen Arm gelegt hatte und lebhaft sagte:

�Es ist Alles zu seiner Aufnahme bereit, Herr von Scheden hat mich von Ihren W�nschen unterrichtet. Folgen Sie seinem Rath, Herr von Alfeld.�

Der Gutsherr sah auf und erblickte Ludolf an der Th�r, im Augenblicke drehte sich der andere Herr um, in welchem der junge Bauer den Kaufmann aus Sonderburg erkannte.

�Wer seid Ihr?� fragte der Baron �rgerlich.

�Ei, Herr von Alfeld,� erwiederte Ludolf, seinen Hut drehend, �kennen Sie mich nicht? Ich bin der Petersen von Cappeln, und hier ist meine Braut, Anna Ludwig. Wir sind mit dem Herrn Lembek her�ber gekommen und wollen uns der gn�digen Herrschaft vorstellen.�

�Schaffen Sie den albernen Burschen fort,� murmelte Nielsen in d�nischer Sprache, �er ist uns hier im Wege.�

Lembek �ffnete das Zimmer und sah hinaus. –

�Da ist ein Bursch, der zu Dir geh�rt,� sagte der Baron. �Ist es so?�

�Ludolf Petersen,� erwiederte Lembek. �Sie haben ihn bei mir gesehen. Tritt ein, Ludolf, das Fr�ulein hat von mir geh�rt, da� ich Dich und Anna besonders sch�tze, sie will Euch ihren Gl�ckwunsch sagen.�

�Gl�ck ist zu brauchen jeder Zeit,� sagte Ludolf, �ich und Anna aber, wir haben es jetzt mehr n�thig, als sonst.�

�Und warum jetzt noch mehr?� fragte das Fr�ulein, die wohlwollend Beiden in die hellen Augen sah.

�Ja, Fr�ulein,� antwortete er unerschrocken, �weil's mit den D�nen erst mu� zur Hochzeit gehen, ehe es mit Anna hier geschehen kann.�

�Die Hochzeitsb�nder sitzen Euch schon an dem Hute,� sagte Herr Nielsen lachend.

�Freilich, Herr,� sprach der Bauer, �und es ist ein Schmuck, der da sitzen bleiben soll, bis der letzte Gast nach Hause geschickt ist.�

�Wie ich sehe, sind es die deutschen Farben,� fragte Scheden. �Seit wann seid Ihr denn deutsch geworden?�

�Wei� es meiner Treu nicht,� rief Ludolf, �mu� also wohl gewesen sein von Geburt an, aber ist eine Frage erlaubt, Herr? Von welchem Stamme meinen Sie denn zu sein, deutsch oder d�nisch?�

Der Etatsrath l�chelte �ber diese kecke Frage, die ihn selbst ein wenig verwirrte. –

�Ich bin in Schleswig geboren,� sagte er, �also ein Kind des Landes wie wir Alle.�

Ludolf sch�ttelte den Kopf.

�Ich will es Ihnen sagen, Herr,� fuhr er dann fort, �was meine Meinung ist. Ein D�ne mag ein D�ne sein, ich verdenke es ihm nicht, wer aber eine deutsche Zunge im Kopfe hat, soll auch ein deutsches Herz in der Brust haben, und wer das nicht hat, der ist der Schlimmste von Allen. Ich m�cht' mein Lebtag keinem trauen, der sich selbst so betr�gen kann.�

�Es ist keine Ehrlichkeit mehr in der Welt,� rief Scheden lachend. �Aber wir wollen Eure kostbare Zeit nicht zu sehr verk�rzen. Ein deutscher Mann hat viel jetzt zu thun.�

�Damit hat's keine Noth,� sagte Ludolf. �Was ich thun kann, geschieht mit rechtem Willen und findet �berall Ohren genug.�

�Sorgt nur daf�r, da� sie Euch nicht abgeschnitten werden,� fiel Herr Nielsen in seiner Weise freundlich ein. �Es w�re Schade, wenn das h�bsche M�dchen da keinen ganzen Mann bek�me.�

�H�r', Anna,� sagte der junge Bauer, �die Sache hat ihre Richtigkeit.�

�Komm wie Du willst zur�ck,� erwiederte das M�dchen, �wirst immer noch mehr ein Mann sein, wie die, welche ihre Augen und Ohren und Gliedma�en nur brauchen, um Unheil zu stiften.�

�Sehen Sie, Herr,� rief Ludolf, �so mu� ein M�dchen sprechen hier im Lande. Will's Gott, bleibt Recht doch Recht und meine Ohren bleiben mein. Kommst mit den D�nen zusammen Du, sagt ein altes Sprichwort, – so halt die Augen offen, den Beutel zu. – Mache denn Jeder die Augen weit auf, damit er nicht in Schaden gerathe, und damit Gott befohlen. – Wann soll ich wieder hier sein, Herr Lembek, damit wir nach Hause fahren?�

Die Antwort, welche Lembek ertheilte, f�hrte zu Einw�rfen von Seiten des Barons, und w�hrend Ida sich mit Ludolf's Braut besch�ftigte, unterst�tzte Scheden die Vorstellungen des gastlichen Hausherrn, der Lembek nicht vor Abend entlassen wollte.

�Du darfst es mir nicht abschlagen,� sagte Alfeld endlich, �und wer wei� denn, ob es nicht der letzte Tag ist, wo wir beisammen sind.�

�Das wollen wir nicht denken,� erwiederte Lembek. �Ich hoffe, da� die Zukunft, wie d�ster sie auch jetzt aussieht, uns dennoch bald eine Wiedervereinigung gestattet, die unseren W�nschen besser entspricht.�

�Ich scheue mich beinahe zu fragen,� sagte Alfeld, ihn zum Fenster f�hrend; �aber es mu� dennoch geschehen, Du bist, wie ich leider glaube, noch immer entschlossen, Dich zu den M�nnern zu halten, die das Aeu�erste versuchen wollen?�

�Mein v�terlicher Freund, Sie d�rfen mir nicht z�rnen,� antwortete Lembek. �Ich halte daf�r, da� ich Ihrer Achtung unwerth w�re, wenn ich jetzt z�gern und schwanken k�nnte, meine Pflicht zu erf�llen. Mein Haus ist bestellt, ich lasse in Anna eine treue H�terin zur�ck.�

�Hast Du auch Alles bedacht, und giebt es Nichts, was Dich an uns zu fesseln verm�chte?� fragte der alte Herr, indem er seine Blicke auf Ida hin�bergleiten lie� und mit besonderem Nachdrucke diese Worte betonte.

�Ich habe Alles bedacht,� sagte Lembek, �und bin mit dem Gef�hle zu Ihnen gekommen, da� ich nicht gehen durfte, ohne Ihnen nochmals die Hand zu reichen.�

�Also doch,� rief Alfeld. �Nun, mag es denn sein,� fuhr er fort, �ich wei� zu gut, da� ich nicht der Mann bin, der Dich zur Aenderung Deiner Entschl�sse bewegen k�nnte. Ich danke es Scheden, da� eine Ann�herung zwischen uns erfolgt ist, die Hoffnungen, welche ich daran gekn�pft habe, mu� ich freilich fallen lassen.�

�Aber Sie werden mir Ihre wiederkehrende Freundschaft nicht entziehen,� sagte Lembek, ihm die Hand reichend.

Alfeld stie� diese sanft zur�ck. �Hand in Hand k�nnen wir nicht geben,� erwiederte er. �Zwischen M�nnern, die wie wir sich entgegenstreben, ist wahre Freundschaft nicht m�glich, doch davon sei �berzeugt, da� ich alles, was zu Deinem Besten gereichen kann, gern und willig thun werde.�

�Sie denken zu edel und sind zu ehrenhaft,� sagte Lembek, �als da� ich daran zweifeln k�nnte.�

�Wann willst Du fort?� fragte der Baron.

�Morgen.�

�So la� uns denn gar nicht mehr von dem sprechen, was uns trennt, aber verl�ngere die Stunden, welche Du uns zugedacht hast, so viel als m�glich. Ich will Dir noch einen Grund anf�hren, warum Du hier bleiben mu�t.� –

Er neigte sich zu ihm und sagte leise:

�Wir feiern heute wohl noch eine Verlobung.�

�Scheden?� sagte Lembek.

Alfeld nickte ihm l�chelnd zu. –

�Es kann kaum anders sein, ein passenderes P�rchen ist nicht zu denken. – Beide sind f�r einander geschaffen, �bereinstimmend in Gef�hlen und Empfindungen, jung, feurig, liebensw�rdig und er ein Mann, der kein Tr�umer oder Schw�rmer ist, sondern seine Zukunft begreift. Vor einigen Tagen schon war die Sache in Richtigkeit, heute, denke ich, soll die Erkl�rung stattfinden. Darum mu�t Du bleiben und dabei sein.�

�Wenn es das ist,� erwiederte Lembek, �so will ich bleiben.�

�So ist es recht,� rief Alfeld laut, �Heinrich bleibt bei uns, bis der Mond aufgeht; die Fackel der Verliebten, wie es die Poeten nennen, wird ihm dann auf der Reise leuchten.�

�Es wird somit sp�t werden, Ludolf,� sagte der Hofbesitzer.

�Sp�t oder fr�h, Herr,� antwortete der Bauer, �es ist einerlei, wenn wir �berhaupt nur nach Hause kommen. Zu Abend bin ich hier und zu Ihrem Dienst.�

Der Baron lud ihn ein, sich als sein Gast zu betrachten, und verwendete eine Anzahl h�flicher Worte und Sp��e, um seine Herablassung vollkommen zu machen.

Fr�ulein Ida schenkte der Braut eine gro�e silberne und vergoldete Nadel, wie sie die reichen Bauerst�chter im Haar zu tragen pflegen, und Beide entfernten sich endlich sehr vergn�gt �ber diese Aufmerksamkeiten mit lautem Dank.

�Ein pr�chtiger Bursche,� sagte Herr Nielsen, die H�nde reibend. �Voll Leben und von leichten Gliedern. Das wird ein guter Soldat werden.�

�Sie wundern sich vielleicht, Herr Nielsen,� erwiederte der Baron, �da� ich ihn als Gast eingeladen habe. Aber dieser junge Mann ist der Erbe eines vollen Hufengutes. Sein Vater ist ein wohlhabender Mann, und obenein ist er unseres Freundes Lembek vertrauter Freund.�

�O,� sagte der Kaufmann bescheiden, �wie sollte ich mich wundern, da ich doch selbst, als ein schlichter und untergeordneter H�ndler, von Ihnen so gastlich aufgenommen bin.�

�Und wie ich denke,� f�gte Scheden hinzu, �haben wir Alle die Ueberzeugung gewonnen, da� die Unterschiede der Gesellschaft jetzt auf ganz anderen Grundlagen ruhen, wie ehemals. Die Ideen der Zeit geben auf Gleichheit hinaus, Gleichheit des Rechtes, der Gesetze und der Anspr�che. Die blo�e Geburt thut es nicht mehr. Ansehen l��t sich nur durch Achtung erwerben, Einflu� sich nur durch Reichthum, Bildung und Besitz begr�nden. Die Tage sind vor�ber, wo ein Name oder Titel Hoheit verlieh oder Demuth bewirkte. – Der Baron mag sich daher immer mit einem Bauer an den Tisch setzen und sein Brot mit ihm brechen. Er wird um so sicherer Baron bleiben, wenn er es versteht, die neue geistige H�rigkeit in die rechte Form zu bringen.�

Alfeld schien nicht recht zu begreifen, was sein bewunderter geistreicher Freund eigentlich meinte. Er sprach von alten Rechten und Satzungen, die eine leichtfertige Zeit antaste, und lie� in einer Abhandlung, welche er vornehmlich dem geduldigen Nielsen zum Besten gab, seinen Zorn aus, wie seit drei�ig Jahren systematisch daran gearbeitet worden sei, die historischen wohlbegr�ndeten Rechte der Ritterschaft zu zerst�ren.

Der Etatsrath wandte sich zu dem Fr�ulein und forderte sie zu einem Spaziergange auf.

�Man spricht so viel von Natur und Kunst,� sagte er, �aber wir leben in einem Zeitalter der Kunstst�cke und der Ueberraschungen. Mit der Natur ist es ganz und gar aus; ihre gesetzm��igen Zust�nde werden �berall verspottet und verlacht, und die alte Mutter der Menschen hat dar�ber den Glauben an sich selbst verloren und sinnt darauf, sich durch unnat�rliche Kunstst�cke wieder zu Ansehen zu bringen. Die V�lker haben, wie jetzt �berall zu lesen ist, ihren Fr�hling mit Revolutionen begonnen, putzen sich mit Fahnen und B�ndern, lassen Freiheitsb�ume wachsen und singen wonnevolle Lenzhymnen von dem Reiche Gottes voll Br�derlichkeit, wo Milch und Honig fleu�t; dar�ber erschreckt die Natur sich dergestalt, da� sie um keinen Preis hinter den Hitzk�pfen zur�ckbleiben will und pl�tzlich in sch�nster Fr�hlingspracht den M�rz zum Mai macht. Ist es nicht ein sonderbares Kunstst�ck der alten Mama,� rief er lachend, �da� sie heute, am vierundzwanzigsten M�rz, mit gr�nen Kr�nzen und Blumen ihr Haupt schm�ckt, wie sonst noch nie, und sollte man nicht meinen, sie sei von der Revolution angesteckt oder die geheime Verb�ndete der Revolutionen geworden? Ich f�rchte, sie wird f�r diese Uebereilung b��en m�ssen; nehmen wir darum, was wir bekommen k�nnen, ehe es zu sp�t wird.�

Mit dieser Unterbrechung schnitt Scheden die Auslassungen des Barons ab, und mehrere Stunden lang war die kleine Gesellschaft besch�ftigt, so heiter als m�glich zu sein. Nach und nach vergr��erte sie sich durch einige Freunde des Herrn von Alfeld, aber es waren doch nur wenige, die obenein besorgte Gesichter und schreckliche Neuigkeiten und Ger�chte mitbrachten. Die Meisten waren entschiedene Gegner der Dinge, die sich in Kiel begeben hatten, Andere vertheidigten diese mit halben Worten, und wenn die Einen sich widerwillig abwendeten, sobald Lembek in ihre N�he kam, und nicht begreifen konnten, warum Alfeld diesen verha�ten Mann hierher geladen habe, suchten ihn die Mildergesinnten auf und behandelten ihn mit weit gr��erer freundlicher Aufmerksamkeit, als es je der Fall gewesen war.

Lembek selbst war sehr heiter und wu�te Alles zu vermeiden, was in einen ernsten Streit ziehen konnte. H�flich und gewandt strebte er jede Ursache dazu zu entfernen, und dann und wann gen�gte ein rasches in scherzendem Tone gesprochenes Wort, ihm Achtung zu verschaffen.

Vor allen Andern suchte der Kaufmann aus Sonderburg sich auch heute in Lembek's N�he zu dr�ngen und ihm besondere Aufmerksamkeit zu erweisen. Er hatte immer Fragen in Bereitschaft und Schmeicheleien zur Belohnung f�r die Antworten, die er empfing. Zuweilen waren seine Lobeserhebungen so �bertrieben, da� sie wie Spott klangen, und das schlaue Gesicht des Kaufmannes pa�te zu dieser Vermuthung, aber er wu�te dies bald wieder gut zu machen durch ein aufrichtiges und derberes Benehmen. So ging er mit ihm durch den Garten, wo sich die Gesellschaft zerstreut hatte, und unterhielt den Hofbesitzer mit den Erfahrungen, die er auf seinen Handelsreisen gesammelt.

�Ich bin ein schlichter Mann, Herr Lembek,� sagte er, �wie ich denke, wissen Sie, ich halte damit nicht hinter dem Berge. In den Tagen aber, wo ich mich hier umhergetrieben habe, ist mir so viel gewi� geworden, da� Manches anders ist, wie man es sich auf den Inseln denkt.�

�Und was denkt man auf den Inseln, Herr Nielsen?� fragte Lembek.

�Ja, was denkt man?� antwortete dieser. �Man denkt, da� ein Haufen spitzb�bischer Advokaten die ganze Sache hier aufger�hrt hat, und da� nun dazu die Herz�ge von Augustenburg mit ihrem Anhang gekommen sind, um den Aufstand f�r ihre Erbfolgerechte in den rechten Gang zu bringen und auszubeuten.�

�Sie werden sich �berzeugt haben,� sagte der Hofbesitzer, �da� die ganze deutsche Bev�lkerung wie ein Mann fest entschlossen ist, lieber Alles zu wagen, als sich ihr Recht nehmen zu lassen.�

�Das ist die Sache,� rief Nielsen. �Die D�nen sagen, das Land ist unser, und im Grunde ist es doch so. Ich verstehe zwar Nichts davon, Herr Lembek, aber wenn ich mir denke, ich h�tte mein Magazin voll Korns�cke, und Einer k�me und sagte mir, das geh�rt Dir nicht, w�rde ich es auch nicht dulden.�

�Hier ist der Unterschied,� erwiederte Lembek lachend, �da� ein ganzes Volk mit geballten H�nden ruft: Wir sind euer Eigenthum nicht, und Dokumente und Beweise beibringt, da� es wirklich sich also verh�lt.�

�Was wollt Ihr mit Beweisen?� rief der Kaufmann. �Der beste Beweis ist der feste Wille, und D�nemark will nicht!�

�Nun denn,� sagte Lembek, �wir wollen wenigstens ebenso wenig.�

�Ihr wollt nicht,� rief Nielsen, �aber Ihr m��t wollen. Es ist beinahe so, als wenn ein H�ndchen zu einem B�ren sagte, ich will nicht aufgefressen sein, ich bei�e dich. Gebt Acht, wie es Euch gehen wird.�

�Herr Nielsen,� sagte der Hofbesitzer, �Sie fallen wieder in Ihre eitlen Prahlereien.�

Herr Nielsen wurde roth, und einen Augenblick sah er sehr zornig aus, aber in der n�chsten Minute war er wieder sanft und freundlich.

�Ich bitte um Entschuldigung,� sprach er dem�thig, �mich geht es eigentlich blutwenig an, ich spreche nur aus, was jenseits des Wassers dar�ber gesagt wird, denn davon m�gen Sie �berzeugt sein, Herr Lembek, kein D�ne denkt anders. Ein Mann wie Sie aber, so aufgekl�rt, so seiner innersten Natur nach dem Volke zugewandt und f�r des Volkes Wohl streitend, sollte doch gr��eren Antheil nehmen an dem, was soeben in Kopenhagen geschehen ist. Die alten Minister sind gest�rzt, Volksm�nner sind an die Spitze getreten, eine Verfassung, so frei wie die norwegische, wird gegeben. Das ist doch Grund genug zur Theilnahme f�r Jeden, der zu uns geh�rt, und von dr�ben her�ber strecken sie die H�nde aus und rufen uns zu: kommt und theilt mit uns, ihr sollt Alles haben, was wir besitzen.�

�Guter Herr Nielsen,� sprach Lembek lachend, �Sie haben vernommen, was Ludolf vorhin sagte, der ein so einfacher Mann ist, wie Sie: Vor jedem D�nen mache die Augen auf.�

�Der unversch�mte Bauer!� rief der Kaufmann.

�Behalte jeder darum das Seine,� fuhr Lembek fort, ohne darauf zu achten, �wir sind zufrieden mit dem, was wir haben. Aber sehen Sie, da sind wir richtig bis auf den H�gel gestiegen und haben den sch�nsten Beweis vor uns, wie es mit der Br�derlichkeit und Freundschaft unserer alten Herren gemeint ist.�

Er deutete �ber das Meer fort auf die hohen Mastenspitzen des Kriegsschiffes, das noch immer auf derselben Stelle lag, wie fr�her, und seine wei�-rothen Wimpel wehen lie�.

Nielsen lachte.

�Es ist eine pr�chtige Fregatte,� sagte er, �ich habe sie neulich vor Sonderburg gesehen. Ja, wenn der Bursche da ein Wort im Ernst sprechen wollte, w�rde uns bang genug werden. Aber es wohnen h�fliche und friedliche M�nner darauf,� fuhr er fort, �die Leute von der K�ste fahren hin und her, man kann dreist einen Besuch machen.�

�Dazu w�rde ich Niemandem rathen,� rief eine helle Stimme, und �berrascht bemerkten jetzt erst die beiden Herren, da� sie nicht allein waren. Hinter dem dicken Pfeiler des chinesischen Sonnenschirms fanden sie die Erbin von Bornholm, welche ihre Worte wiederholte und dann zu Lembek gewandt sagte: �Dies Schiff da ist ein Schiff des K�nigs, unseres Herzogs, und noch ist Frieden �berall, aber ich m�chte mich nicht hinauf wagen, eine so gute und getreue Unterthanin ich auch bin.�

�Und was,� fragte Herr Nielsen unterth�nig, �k�nnte das gn�dige Fr�ulein davon abhalten?�

�Jedes Schiff ist ein Gef�ngni�,� sagte sie, �am Bord ist der Capitain unbeschr�nkter Gebieter, der thun kann, was ihm beliebt. Ich bin nie auf einem Schiffe gewesen, wo mir das nicht eingefallen w�re.�

�Waren Sie schon am Bord eines Kriegsschiffes?� fragte der Kaufmann.

�Nein,� antwortete Ida, �auch habe ich nicht die geringste Lust dazu. Sie, Herr Heinrich Lembek, theilen sicherlich meine Abneigung.�

�Wenigstens,� sagte Lembek, �m�chte ich kein d�nisches Kriegsschiff besteigen.�

�Ei,� lachte Nielsen, �ich denke, Sie lassen sich doch erbitten, wenn sich Gelegenheit bietet.�

Er schilderte ein Kriegsschiff als ein Wunder des menschlichen Geistes, der nichts Sch�neres erfunden habe, und beschrieb mit vielem Geschicke die Einrichtungen und einzelnen Theile des Baues.

�Wenn wir dort bis an den �u�ersten Vorsprung gehen,� sagte er, �so sehen wir die Fregatte in ihrer ganzen L�nge vor uns liegen, und wenn Sie die schlanken Linien genau betrachten, bekommen Sie schon Lust, eine Reise mit ihr zu machen.�

Der Punkt, auf welchen der Kaufmann deutete, war nicht weit entfernt, die H�gelwand senkte sich dort steil hinab, das Schiff lag vor den Beschauern im hellen Sonnenschein gl�nzend, mit seinen zahlreichen Tauen, die wie feine Seidenf�den von Mast zu Mast liefen. Die reine stille Luft lie� den kleinsten Gegenstand erkennen, Alles war so friedlich, sch�n und ruhevoll, das Meer so blank, das Land so goldig, die F�rbungen und Spiegelungen so wundervoll saftig und tief und das Kriegsschiff so bewegungslos und zierlich, als sei es als ein pr�chtiges Spielzeug zum Vergn�gen der Beschauer auf's Wasser gesetzt.

Herr Nielsen wu�te au�erordentlich gut Bescheid mit allen Namen der Stangen, Seile und wonach er sonst gefragt wurde.

�Man sollte meinen,� sagte Lembek l�chelnd, indem er seinen scharfen Blick auf ihn richtete, �Sie w�ren selbst ein Seemann.�

�Gott bewahre mich!� rief der Kaufmann, �ich habe immer das Wasser gescheut, allein es doch nicht vermeiden k�nnen, oft Reisen �ber's Meer zu machen und allerlei Schiffe zu sehen, die mir besonders gefielen.�

�Liegt es nicht so still dort,� fiel Ida ein, �als w�re es eine Felsenmasse und g�nzlich unbewohnt?�

�Sie liegt ganz leicht an ihrem Pflichtanker, die schlanke Nixe,� sagte Nielsen, vergn�gt hinschauend, �in wenigen Minuten k�nnte sie rasch durch den Wind schie�en, und ob die Leute darauf munter und wachsam sind, k�nnen wir sogleich erfahren.�

Er nahm sein wei�es Taschentuch, schwenkte es durch die Luft und rief dann luftig lachend:

�Sehen Sie dort, die Wache hat einen Officier gerufen, der in aller Eile sein Glas auf uns richtet.�

Mehrere der Herren, und mit ihnen Scheden, waren inzwischen herbeigekommen, und Alle betrachteten die Fregatte, auf welcher nach einigen Minuten die fr�here Bewegungslosigkeit eintrat. Die dunklen Gestalten verschwanden vom Quarterdeck, aber an der Stenge des Besanmastes Der Besanmast ist der hinterste Mast auf Schiffen, die mit Masten hinter dem Gro�mast getakelt sind. - Eine Stenge bildet die Verl�ngerung des Mastes oberhalb der ersten Saling auf einem Segelboot oder Segelschiff. Sie ist Teil der Takelage und kann aus einem Metallrohr oder fr�her auch aus einem massiven Rundholz bestehen. wurde eine Flagge aufgezogen, gleichsam als Dank und Antwort f�r das Schwenken des Tuches.

Diese H�flichkeit gab zu manchen Bemerkungen Anla�, bis endlich der Baron seine G�ste zur R�ckkehr einlud.

�Wir wollen unsere Gl�ser darauf leeren,� sagte er, �da� Alles sich zum Besten wenden m�ge, und dies Schiff voll h�flicher und tapferer M�nner und immer so friedlich und freundlich gesinnt bleiben m�ge, wie es jetzt der Fall ist.�

�Das ist ein Toast, den wir s�mmtlich trinken k�nnen,� sagte Scheden, indem er der Erbin den Arm bot, und leise f�gte er hinzu: �Ein solcher Delphin, theure Ida, tr�gt uns auf seinem R�den leicht und sicher zu der gl�cklichen Insel unserer Liebe.�

Sie blickte ihn l�chelnd an.

�Ist das die Br�cke,� fragte sie, �die uns von aller Noth befreit?�

�Von Noth und Klagen und von allen zudringlichen, widerw�rtigen Gesellen, welche uns nicht mehr st�ren und �berraschen sollen,� erwiederte er lachend.

In der N�he des Hauses arbeitete der G�rtner an den Taxuseinfassungen des Weges. Es war ein alter Mann, der seinen Spaten ruhen lie� und ehrerbietig den spitzen, verbogenen Hut zog, als die Herrschaften bei ihm vor�bergingen. Lembek machte den Schlu�, und noch immer wich Nielsen nicht von seiner Seite, der unerm�dlich im Fragen und Erz�hlen blieb, obwohl er nur einsilbige Antworten empfing.

Pl�tzlich f�hlte der Hofbesitzer, der die H�nde auf den R�cken gelegt hatte, ein Papier zwischen seinen Fingern. Er wandte sich verwundert um, der alte G�rtner arbeitete tief geb�ckt und pfiff dazu die Melodie des Nationalliedes: Schleswig-Holstein stammverwandt. Besser bekannt unter dem Titel: �Schleswig-Holstein, meerumschlungen�. Die Melodie stammt von Carl Gottlieb Bellmann (1772-1862), dem Kantor des St.-Johannis-Klosters vor Schleswig. Der Text hatte urspr�nglich der Berliner Rechtsanwalt Karl Friedrich Stra� (1803-1864) verfasst. Kurz vor dem Schleswiger S�ngerfest 1844, wo das Lied vorgestellt wurde, schrieb ihn jedoch der Schleswiger Advokaten Matth�us Friedrich Chemnitz (1815-1870) fast vollkommen neu.

�Ein j�mmerliches Lied,� rief Herr Nielsen voraneilend, als wollte er Nichts davon h�ren.

�Aber von guter Wirkung,� sagte Lembek, indem er den Zettel �ffnete und hineinsah. Es stand Nichts weiter darin, als mit steifen, etwas unbehilflichen Buchstaben das einzige Wort plattdeutsch geschrieben: Aufgepa�t!


Sechstes Kapitel.

Das festliche Mahl hatte sp�t begonnen, denn der Abend kam, und noch war es nicht beendet. Alfeld bot auf, was er vermochte, um seine G�ste heiter zu stimmen, aber die Fr�hlichkeit wollte nicht recht gedeihen. Die Meisten lie�en sich selbst durch den feurigen Wein des Barons nicht aufregen, w�hrend dieser Reden hielt, Trinkspr�che ausbrachte und in steigend gute Laune sich versetzte.

�Meine lieben Herren und Freunde,� sagte Alfeld endlich, �wir feiern heute unter allen Umst�nden einen frohen Tag. Meine Nichte, hier an meiner Seite, ist m�ndig geworden nach dem letzten Willen meines Vaters. Ihr Eigenthum, das ich bisher verwaltete, habe ich in ihre H�nde gegeben, Rechenschaft abgelegt und mich absolviren lassen. Die Erbin von Bornholm kann nun thun und lassen, was ihr beliebt, aber bezeugen soll sie mir vor meinen Freunden und Nachbarn, da� sie keine andere Forderung an mich hat, als meine herzliche Liebe, die ich ihr immer zu zahlen verspreche, und doch niemals aufh�ren will, ihr Schuldner zu sein.�

�Theurer Onkel,� erwiederte Ida, als er sie z�rtlich umarmte, �ich erkenne Deine v�terliche G�te und Gro�muth. Bin ich auch heute die freie Herrin meines Willens geworden, so werde ich doch nie aufh�ren, mich Deinem Rathe und Deinen Beschl�ssen zu unterwerfen, weil ich wei�, da� Alles, was Du willst und thust, nur ehrenhaft und recht sein kann, weil ich Dich liebe und verehre und nie Etwas von Dir gesehen und geh�rt habe, was mich nicht stolz machte, Dir zu gehorchen.�

�Du gutes Kind,� sagte Alfeld; ihre Stirn k�ssend, �bist mein Trost in dieser Schreckenszeit; aber ich bin ein alter Mann, wer wei�, wie bald ich abgerufen werde, und wer wird dann Dir zur Seite stehen und Dich sch�tzen?�

Er blickte mit bedeutsamem L�cheln in Ida's Gesicht und sah dann Scheden an, der neben ihr sa�; aber wenn er geglaubt hatte, eine k�hne Erkl�rung dadurch hervorzurufen, so wurde seine Absicht vereitelt.

�Du wirst mich nicht verlassen, mein V�terchen,� sagte Ida schmeichelnd, �wenn aber Ungl�ck �ber uns kommen soll, so bin ich im Stande, ihm muthig Trotz zu bieten, und einige Freunde werden mir in aller Noth doch bleiben.�

Sie wandte sich nach Lembek um und nickte ihm zu:

�Da ist Herr Heinrich Lembek,� sagte sie, �den Du auch lieb hast seit alten Zeiten, und der mich genau kennt. Kann ich nicht immer auf Sie rechnen, bei Allem, was mich treffen mag, mein tapferer Freund?�

�Ich glaube,� sagte Lembek, indem er sein Glas erhob, �da� Niemand hier ist, der diese Frage freudiger mit Ja beantwortete und f�r Erf�llung aller Ihrer W�nsche mit Rath und That zur Hand w�re.�

�Das ist eine Zusage, die Etwas gilt,� rief Scheden von der anderen Seite. �Man hat viele wunderbare Geschichten aus Revolutionszeiten, wo m�chtige Volksrepr�sentanten sich verlassener Jugendfreundinnen annahmen und mittelst ihrer Allmacht sie von Gefangenschaft und Tod befreiten.�

�Ich w�nschte,� erwiederte Lembek mit einem unmuthig raschen Blicke auf den Sprecher, �da� ich im Stande w�re, alle meine Freunde vor Heuchlern und Verr�thern zu sch�tzen.�

Der Etatsrath strich fein l�chelnd das Haar von seiner Stirn zur�ck. Niemand antwortete, eine gewisse Verlegenheit lag auf den Gesichtern der G�ste.

�Du hast Recht, Lembek,� rief Scheden nach augenblicklichem Schweigen, �darauf la� uns ansto�en, ich nehme Deinen Spruch auf. M�chten alle Verr�ther bald den Weg gehen, der ihnen geb�hrt, m�chte es uns gelingen, unsere Freunde auf immer von ihnen zu befreien.�

�Die Verr�ther an K�nig und Vaterland!� rief eine Stimme am andern Ende des Tisches.

Lembek setzte sein Glas hin. Herr Nielsen lachte hell auf.

�Auf's deutsche Vaterland,� sagte er. �Trinken Sie, Herr Lembek.�

�Ist es so gemeint,� rief Lembek ruhig, �dann trinke Jeder, worauf es ihm beliebt.�

�Auf die gute Sache also und deren Sieg!� sagte Scheden. �Du kannst nicht beleidigt sein, Lembek, denn hier ist Keiner, der Dich nicht lieb h�tte. Gieb mir Deine Hand, wir wollen nicht richten und rechten; Alles, was wir w�nschen, ist ja nur Dein Bestes, und warum sollen wir nicht offen gestehen, da� wir Dich zu hoch achten, um nicht mit Betr�bni� zu sehen, wie weit Du Dich verirrt hast.�

�Verschone mich und diese Gesellschaft mit allen weiteren Erkl�rungen,� antwortete Lembek, �und la� uns die letzten Minuten unseres Beisammenseins nicht unfruchtbar verbringen.�

�Nein,� rief Scheden, �ich sage es laut, ich kann den Gedanken nicht aufgeben, Dich loszurei�en von dem Verderben, das �ber Deinem Haupte schwebt. Du willst morgen nach Kiel. Ich bitte Dich, Lembek, gieb Deinen Vorsatz auf. Fordere, was Du willst, und h�re die Gr�nde an, welche Deine Freunde haben. Es kann nicht gl�cklich enden. Du wei�t nicht, was ich wei�, Du �bersiehst die Lage nicht, erkennst nicht, was ich erkenne.�

�Ich erkenne und wei�, welchen Platz Du einnimmst, und welchen Weg zu geben Dir geb�hrt,� erwiederte Lembek.

�Welchen Platz ich einnehme? Ich denke, einen, der nur mit Ehren bekleidet werden kann.�

�Bei den Feinden Deines Vaterlandes!�

�Bei D�nemark,� sagte Scheden, �ja und ich bin stolz darauf, nicht zu den Schw�rmern zu geh�ren, die von einer gro�en deutschen Nation, von einem weltbeherrschenden Volke tr�umen, dessen Bl�thezeit wiederkehren soll, dieweil es ein Greis ist, der seinem Grabe entgegengeht.�

�Frevle weiter wie ein entarteter Sohn gegen Deine Mutter,� fiel Lembek ein.

�Du sollst mich nicht erhitzen,� sprach der Etatsrath, �allein ich hoffe, wir vergessen die Grenzen nicht, welche uns durch Geburt und Erziehung gezogen sind. Sieh Dich vor, Lembek, ich rufe es Dir zum letzten Male zu. Ist es denn etwa das kleine D�nemark allein, das sein Recht begehrt, sich nicht berauben lassen will? Sieht Deine Erfahrenheit nicht ein, da� andere, gewaltigere Kr�fte bei diesem Drama mitwirken werden? Und soll denn, Du Mann der Freiheit und des Lichtes, etwa die alte Nacht hier wiederkehren? Sind nicht Geister th�tig und wirksam, deren k�hnes Streben M�nner Deines Schlags zum Beifall und zur eifrigen Theilnahme aufreizen m�ssen?�

�Ich habe Nichts mit ihnen gemein,� warf Lembek dazwischen.

�Nichts mit ihnen gemein?� wiederholte Scheden mit unverkennbarem Hohn. �Weil sie D�nen sind? Kann die nationale Engherzigkeit denn wirklich das Evangelium der Freiheitsschw�rmer so weit untergraben, da� es mit allen andern herrlichen Ideen �ber die Erl�sung der V�lker daran untergeht?�

�Weder Dein Spott,� sagte Lembek, �noch Deine erk�nstelten Besorgnisse k�nnen die einfache Wahrheit verdunkeln, da� Unrecht und Gewalt �ber uns hereinbrechen.�

�Wen meinst Du damit?� fragte Scheden. �Du liebst Dein Vaterland, sagst Du, und k�nntest im Gewissen ruhig sein �ber die Mitschuld, da� blutige Verw�stung und Elend aller Art diese gl�cklichen und reichen Th�ler verheeren? Ich bitte Dich, Lembek, h�re die Stimme der Klugheit und der Vernunft. Glaubst Du wirklich, da� diese wohlhabenden Hufner in Angeln es Dir danken werden, wenn Du ihre Geldbeutel leerst, ihre S�hne ihnen nimmst, ihr Vieh und sie selbst zur Schlachtbank f�hrst? Welch' Gl�ck giebst Du ihnen denn besten Falls daf�r? und welch' schreckliches Ungl�ck bringst Du �ber sie, wenn sie wirklich D�nemark einverleibt werden!�

�Du empfindest es freilich nicht,� antwortete Lembek ergl�hend, �was es hei�t, sein gutes Recht von der Gewalt zerrei�en zu sehen. Das Vaterland ist Dir ein leerer Name, ich kn�pfe daran das h�chste Gl�ck und die gr��te Liebe, die eines Menschen Brust erf�llen k�nnen.�

�Armer Freund,� sagte Scheden, �es sieht �bel mit Dir aus. Du bist ein Idealist, der jetzt, wo der wilde Freiheitstaumel losgebrochen ist, nur durch die entschiedensten Mittel geheilt werden kann. Wenn ich Dich doch auf ein Jahr hindern k�nnte, an diesen Thorheiten Theil zu nehmen, Du w�rdest es mir danken, denn die Wahrheit wird an den Tag kommen, noch ehe der M�rz wiederkehrt. Vielleicht �bernimmt es Herr Nielsen und bringt Dich nach Sonderburg in K�nig Christians Thurm. Wahrlich, es w�re besser, Dich in Einsamkeit zu begraben, als in diesem Gew�hl umkommen zu lassen.�

�Wenn Herr Lembek will,� fiel Herr Nielsen h�flich ein, �so steht ihm meine Wohnung jeder Zeit zu Diensten.�

Lembek suchte jeder Antwort zu entgehen, indem er sich an Alfeld wandte und l�chelnd sagte:

�So haben wir denn die letzte Stunde doch nicht ganz nach unserer Verabredung zugebracht. Aber die Zeit, die allgewaltige, wird zu Gericht sitzen �ber uns, alle L�ge aufdecken und alle Wahrheit zu Ehren bringen.�

�Ich bin fertig mit ihm,� rief Scheden dazwischen, indem er sich niedersetzte, �versuchen Sie Ihr Heil, Alfeld, wenn Sie noch Glauben haben k�nnen.�

�Ich denke,� fuhr Lembek fort, �der Mann, welcher mich als Knaben kannte, wird nicht glauben, da� Worte mich erschrecken oder umzuwandeln verm�gen.�

�Nein, Heinrich Lembek,� sagte Alfeld, �ich wei� zu gut, da� ich die M�he sparen kann. Ich z�rne nicht mehr auf Dich, aber nur zu wahr ist das Bild, das der Etatsrath Dir vorgehalten hat. Du bringst Gefahr und Noth �ber Viele, welche sich sp�ter das Haar zerraufen und ihr zerst�rtes Leben von Dir fordern werden. Das thust Du. Ich verlasse diesen Ort, wo ich so lange friedlich und ruhig gelebt habe; Du und Deine Genossen, ihr treibt mich und andere wackere M�nner fort, aber besser in irgend einem Winkel in Sicherheit sitzen, als hier die Schrecken mit erleben, welche dieses arme Land heimsuchen werden.�

�Sie wollen fort?� fragte Lembek. �Doch was frage ich, ohne Zweifel nach Kopenhagen. Das ist der b�seste Rath, der Ihnen gegeben wurde, ein trauriges Beispiel, das seine Fr�chte tragen wird. H�ren Sie nicht auf die verlockende Stimme Scheden's, der in Kopenhagen verlernt hat, ein Deutscher zu sein. Wohin wollen Sie? Zu denen, die mit fanatischen Drohungen uns zurufen, da� deutsches Leben, deutsche Sitte, deutsche Sprache, deutsche Gesinnung bis zum letzten Hauch zerst�rt werden soll. K�nnen Sie das, mein v�terlicher Freund? Verm�gen Sie Alles von sich abzustreifen, was als Ihr heiligstes Erbtheil Ihnen zufiel? Sie sind aus altem deutschem Stamm entsprossen, Ihre Vorfahren sind stolz darauf gewesen. Wollen Sie Vaterland, Stamm und Geschlecht hinwerfen, um bei einem Volke, da� den Deutschen auf's Bitterste ha�t, ein Asyl zu suchen, um f�r ihre Waffen zu beten?�

�Sagte ich es nicht,� rief Scheden h�hnisch lachend, �er werde uns selbst noch mit einer Bekehrung heimsuchen?�

�Sei sicher davor,� antwortete Lembek, �ich wei�, da� ein Renegat, wie Du, f�r seines Landes und Volkes Recht und Ehre kein Gef�hl besitzt, aber Sie, den mein Vater Freund und Bruder nannte, Sie sollen wenigstens die Stimme seines Sohnes h�ren, der Sie beschw�rt, jenen falschen Rath zu verwerfen. Es mag klug sein, Gott wei� es! aber hier ist Ihr Platz. Gehen Sie nicht, verlassen Sie das Vaterland nicht, wahren Sie Namen und Ehre vor ewiger Schmach.�

�Es ist genug!� rief der alte Herr heftig aufstehend, �ich wei� am besten, was meine Ehre von mir verlangt.�

�Und was Pflicht und Treue jedem getreuen Unterthanen des K�nigs befehlen,� sagte Scheden ruhig l�chelnd.

�Landesverr�ther festzuhalten, wo man sie findet,� f�gte eine andere Stimme hinzu.

In diesem Augenblicke entstand vor den Fenstern auf dem Hofe ein L�rmen mehrerer rauher Stimmen, und mitten darin lie� sich ein schrilles Pfeifen h�ren, das sich dreimal wiederholte. Zugleich wurde die Th�re ge�ffnet, und herein trat Ludolf Petersen, frohgelaunt, als komme er von der Flasche, den Hut mit dem deutschen Bande etwas schief auf den Kopf gedr�ckt und seine Braut am Arme f�hrend.

�Da ist der wackere Bursch, den ich lange erwartet habe,� rief Nielsen. �Ich w�re nicht ruhig gewesen, wenn der uns gefehlt h�tte. Wie sieht es aus, Freund? Euer Gesicht strahlt ja vor Freude und Wonne! Was bringt Ihr f�r gute Nachrichten mit?�

�Ei ja,� sagte Ludolf, sich nach allen Seiten verneigend und seinen Hut lustig schwenkend, �was ich bringe, ist der M�he werth, geh�rt zu werden, und wird den Herrschaften gefallen. Herr Lembek, die Zeit ist da, es l��t sich Nichts mehr halten. In Rendsburg ist die Landesregierung eingesetzt, alle d�nischen Farben sind abgerissen, alles Volk ist auf den Beinen und marschirt auf Flensburg los. Sehen Sie den Feuerschein dort unten an der Schlei? Das sind die J�ger aus Kiel. Auf allen H�hen werden Feuer angez�ndet, das ganze Land steht auf. Hurrah, jetzt gilt's, Herr Lembek. Ich denke, wir m�ssen nach Cappeln zur�ck, so schnell es gehen will.�

�Wie ihm die Augen blitzen,� rief Herr Nielsen. �Ein prachtvoller Junge. Will sich nicht halten lassen, bis er das Gewehr in der Hand hat.�

�Ja, Herr,� antwortete Ludolf, �kann's kaum erwarten.�

�Gut,� lachte der Kaufmann aus Sonderburg, �sehr gut!�

�So scheide ich denn von Ihnen,� sprach Lembek, �mit dem Bewu�tsein meiner Pflicht und Treue und mit der Hoffnung, einst besser beurtheilt zu werden.�

�Antworten Sie ihm, Herr von Alfeld, wie Sie m�ssen,� fiel Scheden ein, indem er aufstand:

�Du bleibst!� sagte der Baron. �Wenn kein Vertrauen, kein verst�ndiges Einwirken fruchten kann, dann ist es Zeit, Dir den vollen Ernst zu zeigen.�

�Und was bedeutet das Alles?� fragte Lembek, indem er einen Schritt zur�cktrat.

�Ich kann es nicht verantworten,� rief Alfeld, �Dich ungehindert Aufruhr verbreiten zu lassen. Gegen Deinen Willen mu� ich Dich vor den Folgen sch�tzen, zugleich aber daf�r sorgen, da� Du nicht gr��ern Schaden thust.�

�Sie wollen meine Freiheit antasten?� fragte Lembek stolz.

�Deine Freiheit, weil sie gef�hrlich f�r das allgemeine Beste ist.�

Lembek f�hlte eine Hand, die seinen Arm ergriff. Er ri� sich mit einer heftigen Bewegung los. Es war Herr Nielsen, der sehr sanft und gutm�thig aussah und l�chelnd nach der Th�r deutete.

�Still, mein lieber Herr Lembek,� sagte er, �wer wird so viele Umst�nde machen bei Dingen, die nicht zu �ndern sind. Mein Wort darauf, es soll Ihnen nichts Uebles geschehen.�

�Herein Ihr da!� schrie Nielsen, und die Th�r flog auf. Ein halbes Dutzend wetterbraune Gesichter, Glanzh�te auf den K�pfen, braunrothe Jacken auf den breiten Schultern, S�bel und Pistolen in den H�nden, zeigten sich auf der Schwelle.

�Sehen Sie, theurer Herr Lembek,� fuhr der Kaufmann fort, �das sind Einladungen, denen kein vern�nftiger Mann sein Ohr verschlie�en kann. Diese wackern Leute geh�ren zu der Fregatte, welche im Sunde an der K�ste ankert und, wie ich Ihnen nicht verschweigen will, schon seit einigen Tagen auf Ihren Besuch wartet. Heute Nachmittag, als ich mit meinem Tuche winkte, und eine aufgezogene Flagge antwortete, war dies das verabredete Zeichen, da� Sie sich hier bef�nden und die Fregatte in Augenschein zu nehmen w�nschten. Man verlangt weiter Nichts von Ihnen, als die kleine Gef�lligkeit, sich dorthin begleiten zu lassen.�

�Mit Menschenraub also beginnt Ihr die Vertheidigung Eurer gerechten Sache?� rief Lembek ver�chtlich.

�Wer wird denn so b�se sein!� lachte Nielsen. �Wir wollen ja nur, wie der verehrte Herr Baron sagt, Sie hindern, ein Verr�ther zu werden, und f�r Ihre Sicherheit sorgen. Im Uebrigen werden Sie uns nicht verargen, da� wir einen Mann, der zu den gef�hrlichsten Feinden D�nemarks geh�rt, ergreifen und festhalten, wo wir ihn bekommen k�nnen.�

�Sie sind, wie ich es l�ngst nicht bezweifelte, ein Officier des Schiffes,� sagte der Gefangene.

�Der commandirende Officier,� erwiederte Herr Nielsen. �Aber beim Himmel, wenn Sie dies ahneten, warum haben Sie gewartet, bis ich Ihnen selbst es best�tige?�

�Warum?� erwiederte Lembek. �Weil ich wohl denken konnte, da� in diesem Hause ein d�nischer Officier gastliche Aufnahme finde, aber weil ich den Gedanken verwarf, da� ein ehrloser Plan gegen meine Freiheit damit verbunden sei.�

�Verzeihen wir ihm in seiner Verblendung alle Beleidigungen,� sagte Scheden, �doch achten wir nicht darauf. Ohne ihn sind diese aufr�hrerischen Bauern Nichts; es giebt keinen Andern, der sie zusammentreiben, fanatisiren und zu Opfern f�hig machen kann. Bald genug zwar w�rde auch sein Einflu� zu Grunde gehen, denn sie sind zu reich und zu bed�chtig, um f�r hohle Ideen viel zu wagen; zu bequem und zu friedlich, um sich daf�r todtschlagen zu lassen. Vorw�rts denn, Herr Nielsen, ich glaube, wir k�nnen in kurzer Zeit s�mmtlich zu ihren Diensten sein. – Ein letztes Wort zu Dir, Lembek. Verschlimmere Dein Schicksal nicht durch unfruchtbaren Widerstand. Je f�gsamer Du bist, um so besser. Du mu�t mir das Zeugni� ausstellen, da� ich Nichts unversucht lie�, um Dich als Freund zu gewinnen, versuche jetzt Nichts, was mich zwingen k�nnte, Dich als Feind zu behandeln.�

�Elender!� rief Lembek. �Du sollst mir Rechenschaft geben.�

�Keine Declamationen,� fiel Scheden ein. �Ich glaubte, Sie th�ten am besten, Herr Nielsen, Ihren Gast an seinen Bestimmungsort begleiten zu lassen, w�hrend wir unsere Reise vorbereiten.�

�Sehr gerne,� sagte der Officier so freundlich wie immer. �Nehmen Sie Ihren Hut, Herr Lembek, und vertrauen Sie sich den guten Leuten dort an. Machen Sie jedoch keinen Versuch, sich ihrer hilfreichen F�rsorge zu entziehen; betrachten Sie die S�bel, Handpiken und Pistolen. Es sollte mir sehr leid thun, wenn Sie dadurch besch�digt w�rden, doch um Ihnen jeden Unfall zu ersparen, wird es besser sein, wenn wir einige Ellen gut gedrehten Hanf um Ihre Arme legen.�

Bei diesen Worten, welche er in d�nischer Sprache wiederholte und an die Seeleute richtete, welche lautlos und bewegungslos die Th�r besetzt hielten, traten sogleich ein Paar breitschulterige Gesellen n�her heran, von denen Einer aus seiner Tasche eine zusammengewickelte getheerte Schnur zog, die er rasch zu einer doppelten Schlinge umformte.

�Nicht doch, Knudsen, mein guter Junge,� rief sein Vorgesetzter abmahnend, �dazu ist drau�en Zeit genug. Im Uebrigen seid h�flich mit dem Herrn, er soll nicht sagen k�nnen, da� er ohne Noth von d�nischen M�nnern Uebles erfahren habe. Ihr dort,� fuhr er mit derselben Freundlichkeit fort, indem er sich zu Ludolf umwandte, der schweigend, aber mit ziemlich gleichgiltigem Gesichte in der Ecke neben der Th�r stand, �Ihr wi�t jedenfalls den besten und n�chsten Weg zur K�ste hinab?�

�Ja, Herr, den wei� ich,� sagte Ludolf unerschrocken.

�Dann werdet Ihr gewi� die Gewogenheit haben und diese guten Leute als Wegweiser begleiten.�

�Wenn's so sein mu�, Herr, und es mir nicht erlassen werden kann,� antwortete der Bauer achselzuckend.

�Gewi� nicht, mein lieber Petersen. Es mu� so sein.�

�Ei ja, so wird's an mir nicht fehlen d�rfen.�

�Ein pr�chtiger Junge!� sagte Herr Nielsen, �durchaus verst�ndig, er gef�llt mir immer mehr. Ein Paar Tage soll er sich besinnen, ob er nicht Geschmack am Seeleben gewinnt und bei uns bleibt, oder ob er bei seinem Vorsatze beharrt, in des K�nigs Regiment einzutreten. Was meint Ihr, Freund, bleibt Ihr bei uns?�

Ludolf nickte vergn�gt und unbesorgt dazu.

�Unters d�nische Seevolk gehen oder unter die Garde, es ist Alles einerlei, wie ich denke.�

�Vortrefflich gesagt!� rief der Officier. �Ruhm und Ehre sind gleich gro�. Aber wo ist die niedliche Braut, das h�bsche M�dchen? Es w�re doch grausam, so ganz ohne Abschied sie auf einige Zeit zu verlassen.�

Ludolf sah sich langsam um, Anna war fort.

�Sie ist wahrhaftig davon gelaufen aus Angst vor den Theerjacken,� lachte er.

�Und ihr Narren da an der Th�r habt sie laufen lassen?� rief Herr Nielsen. �So macht ein Ende, nehmt den Burschen da zwischen Euch und seht Euch vor. Bei der geringsten Falschheit schlagt ihn zu Boden. Ich hoffe, Du lustiger Narr, Du wirst mich verstehen. Wie lautete Dein h�bscher Spruch: Kommst Du mit einem D�nen zusammen, halt die Augen auf. War's nicht so?�

�Sie haben ein gutes Ged�chtni�, Herr.�

�Nun gut, Du deutscher Schelm, so halt Deine Augen auf, oder Du sollst morgen an der gro�en Raa h�ngen zur Warnung f�r alle Kr�hen im Lande. Vorw�rts mit ihm. Herr Lembek, geben Sie Ihrem Freunde den Arm.�

�Ist das Wahrheit, Onkel?� sagte in diesem Augenblicke die Stimme der Erbin von Bornholm, welche aufgestanden war und sich vor Lembek gestellt hatte; �soll Dein Gast, der Deiner Ehre vertrauend in Dein Haus gekommen war, von Deinem Tische weggeschleppt und seinen Feinden �berliefert werden?�.

�Mische Dich nicht in Dinge, die nicht zu �ndern sind,� antwortete der alte Herr verlegen, indem er seine Festigkeit zu behaupten suchte. �Meine Schuld ist es nicht; haben wir nicht Alles versucht, ihn zu �berzeugen? Jetzt ist es Pflicht geworden, ihn festzuhalten.�

�Schande �ber die,� fuhr das Fr�ulein fort, �welche solchen Rath geben konnten. Es kann nicht sein, Du kannst es nicht zulassen. Ehre und Recht verbieten es in gleichem Ma�e.�

�Dringen Sie nicht weiter in den guten Oheim,� unterbrach sie Scheden, �was er auch thun m�chte, in diesem Augenblicke h�tte sein Widerspruch keine Bedeutung mehr. Ich glaube kaum, da� die bewaffneten M�nner dort und ihr Anf�hrer viel darauf achten w�rden.�

�Rufe aus dem Fenster, la� die Hofglocke ziehen,� rief das Fr�ulein heftig, �wir haben Mittel genug, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Mit welchem Rechte will man diesen Menschenraub vertheidigen?�

�Mit dem Rechte des Krieges, sch�ne Dame,� sagte Herr Nielsen l�chelnd.

�Es ist kein Krieg,� erwiederte das Fr�ulein, �doch w�re er selbst schon da, wie kann es mit der Ehre des Krieges sich vereinbaren, waffenlose Menschen fortzuschleppen, um sie dem Kerker zu �berliefern?�

�Was das betrifft, so beruhigen Sie sich, theure Freundin,� sagte Scheden. �Lembek ist sehr gl�cklich, einen so feurigen, edlen Vertheidiger gefunden zu haben, allein es wird nur von ihm abh�ngen, wie leicht oder schwer seine Haft sein soll. Vorl�ufig gebe ich Ihnen mein Wort, er wird mit der gr��ten Schonung behandelt werden, und da wir ihn begleiten, k�nnen Sie selbst sich �berzeugen, da� ihm kein Leid geschieht.�

�Wie?� antwortete Ida stolz zur�cktretend; �wen meinen Sie, Herr von Scheden? Geht die Gewalt etwa so weit, auch meine Freiheit anzutasten?�

�Sie w�rden Ihren Oheim nicht begleiten?� fragte Scheden bittend und l�chelnd.

�Nein,� erwiederte sie, �nicht auf ein d�nisches Schiff, nicht nach den Inseln und nicht in Ihrer Gesellschaft, Herr Etatsrath.�

�Dar�ber hat meiner Meinung nach Herr von Alfeld allein zu entscheiden,� sagte Scheden, �doch bin ich auf's Aeu�erste best�rzt und betr�bt, Ihnen zu mi�fallen, obenein �ber Beschl�sse, die vor wenigen Stunden noch Ihre freiwillige und freudige Zustimmung fanden.�

�Niemals,� fiel sie lebhaft ein, �Sie t�uschten sich eben so wohl �ber meinen Willen, wie �ber meine Empfindungen.�

�Wir werden morgen Zeit haben, uns zu verst�ndigen,� unterbrach sie Scheden gereizt. �Diese augenblickliche Aufwallung wird gr��erer Besonnenheit Raum geben. Es ist an Ihnen, Herr von Alfeld, Ihrer Fr�ulein Nichte bemerklich zu machen, was Ihr Wunsch und Ihre Absicht ist.�

�Ida,� sagte der Baron, zwischen Bitte und Befehl schwankend, �ich verlange Gehorsam von Dir. Was ich beschlossen habe, mu� ausgef�hrt werden. Komm her, mein Kind, gieb mir Deine Hand, es ist Nichts mehr zu �ndern.�

�Nichts zu �ndern?� fragte sie, ohne dem Wunsche Ihres Oheims Folge zu leisten. �So ist es Dein unwiderruflicher Entschlu�, den Sohn Deines Freundes zu verrathen und Dich selbst den D�nen auszuliefern?�

�Mein Entschlu� steht fest,� sagte der Baron finster und heftig, �aber Deine Sprache ist eine ungeb�hrliche.�

So wisse,� fuhr Ida fort, �da� ich keine andere daf�r habe und Dich nicht begleiten kann.�

�Ich befehle es Dir!� rief Alfeld heftig.

�Ich bin frei und m�ndig,� antwortete sie mit festem Tone, �und will bleiben, wo ich bin, in meinem Vaterlande, bei Denen, die durch Geburt, Recht, Sprache und Sitte mir nahe stehen.�

�Sie ist von Sinnen!� schrie der Baron auf. �Hat die N�he dieses Verr�thers Dich angesteckt, oder welcher Wahnsinn hat Dich ergriffen? Du sollst mir folgen! Ich habe ein Recht, Gewalt zu brauchen. Ich, Dein n�chster Verwandter, will es so. Deine Freiheit und M�ndigkeit �ndern Nichts daran, ein M�dchen hat keinen Willen, jetzt nicht und hier nicht, – ich bestimme �ber Dich und Deine Zukunft und will es Dir beweisen!�

Scheden suchte den heftigen Mann zu beruhigen.

�Ich bitte Sie, bester Alfeld,� sagte er, �m��igen Sie Ihren Zorn. Fr�ulein Ida ist zu einsichtsvoll, um nicht zu begreifen, da� Weigerungen ganz fruchtlos bleiben m�ssen. Ich beklage diese ungl�ckliche Scene, welche so viele seltsame Zuschauer hat. Wenn Fr�ulein Ida so g�tig sein will, mir in das n�chste Zimmer zu folgen, so werde ich sie hoffentlich in wenigen Minuten �berzeugen, da� ihr g�tiger Oheim im vollsten Rechte ist, und w�hrend dieser Zeit� – er sah Nielsen l�chelnd an – �l��t sich alles N�thige ordnen.�

�Ich werde Ihnen nicht folgen,� erwiederte das Fr�ulein, den Arm zur�ckweisend, den er ihr bot. �Nur durch Gewalt kann ich gezwungen werden, mein Recht aufzugeben.�

�Dann freilich,� sagte Scheden kalt l�chelnd, �werden wir in eine �ble Lage gerathen.�

�O, Lembek,� rief Ida, indem sie pl�tzlich, beide H�nde auf dessen Brust legte, �wie recht hast Du gehabt. Sie achten Nichts und scheuen Nichts. Sie kennen Nichts als Gewalt und Zwang; Falschheit und Verrath ist ihr Wesen.�

�Wie,� rief Scheden, als Alle, best�rzt �ber diese unerwartete Wendung, schwiegen, �ist das die wahre Ursache dieses sch�nen Zornes? H�ren Sie doch, Alfeld, wie weit die Abneigung Ihrer Nichte geht.�.

�So weit,� sagte das Fr�ulein, stolz sich aufrichtend, �da� ich offen bekenne, Lembek zu lieben, da� ich gestehe, ihm meine Hand angetragen zu haben unter der Bedingung, da� er das werde, was Sie, Herr von Scheden, aus ihm machen wollten.�

�Ich aus ihm machen wollte?� fiel der Etatsrath erhitzt ein.

�Einen Verr�ther an seinem Vaterlande!� fuhr sie fort, �aber er verwarf mich, und ich achte ihn darum noch h�her. – Jetzt reiche ich Dir diese Hand noch einmal, Heinrich Lembek, und schw�re meine Irrth�mer ab. Ich will mit Dir aushalten in Noth und Tod, m�gen sie uns Beide fortschleppen auf ihr Schiff, hinf�hren, wohin sie wollen, es soll sich Nichts �ndern an meinem Schwure.�

�Geliebte Ida!� rief Lembek, seinen Arm um sie legend, �f�rchte Nichts. Niemand soll uns zwingen, der Verrath f�llt auf die zur�ck, die ihn ersannen. – H�tet Euch, Hand an mich zu legen!� rief er den Seeleuten zu, als er sah, da� diese sich bereit machten, auf den Wink ihres Anf�hrers sich seiner zu bem�chtigen. �Eine Minute noch, und Ihr seid verloren!�

Die furchtbare Gewi�heit, welche aus seinen Blicken sprach, blieb nicht ohne Eindruck. Herr Nielsen sah ihn unschl�ssig an, dann wandte er sich rasch zum Fenster hin, durch welches heller Feuerschein von den nahen Bergen leuchtete.

Die Glocke der Kirche im Thale l�utete, in den Wirthschaftsgeb�uden des Gutes wurde eine andere Glocke gezogen, wildes Geschrei vieler Stimmen gab Antwort darauf.

�Ei, wahrhaftig,� schrie Ludolf, �da sind die Dragoner aus Missunde. Herr Nielsen aus Sonderburg, folgen Sie dem guten Rathe, den ich Ihnen gebe. Es ist meiner Treu so: Kommst Du mit einem D�nen zusammen, halt die Augen auf. Die Augen haben wir aufgethan, Herr, die Dragoner sind da, und die wackere Dirne, meine Anna, hat das ganze Thal in Bewegung gebracht. Wenn's Ihnen nicht um blutige K�pfe zu thun ist, so nehmen Sie Rei�aus. Durch den Garten geht der einzige Weg, auf dem Ihr entkommen k�nnt, dann immer gerade hinunter, wie es sich pa�t und schickt.�

Nielsen schien einen Augenblick zu �berlegen, dann sagte er lachend:

�Du bist ein pr�chtiger Junge, wei�t immer guten Rath. Schade, da� Du kein D�ne bist. – Da kommen sie den Weg herauf mit Spie�en und Stangen; mit br�llenden Bauern wollen wir schon fertig werden, aber ich sehe Pferde und Helme. Gute Nacht, meine Herren, wer mich begleiten will, der folge mir. Herr Lembek, auf Wiedersehen ein ander Mal.�

�Halt!� rief Scheden, �halt! – Alfeld! Fort mit Ihnen!�

Der alte Herr hatte sich in einen Stuhl geworfen und sagte ersch�pft:

�Retten Sie sich, ich will bleiben.�

�Bei uns, theurer Onkel, mit uns!� rief das Fr�ulein zu ihm eilend.

Er stie� sie zur�ck und sagte erbittert:

�Geh' zu ihm, Du bist frei. Da kommen seine Genossen. Werft Feuer in mein Haus, �berliefert mich dem Gesindel, macht, was Ihr wollt, aber r�hr' mich nicht an, ich habe Nichts mehr mit Dir zu schaffen.�

Ein Haufen Landleute, bewaffnet mit Sensen und Stangen, drang in den Hof und st�rmte auf das Haus los. – In wenigen Augenblicken waren sie bis in den Saal gedrungen, gef�hrt von einem Weibe, von Anna, die in ihren kr�ftigen H�nden ein scharfes Pflugmesser hielt. Ihr Gesicht gl�hte vor Freude, als sie Ludolf sah und ihr Blick auf Lembek fiel.

�Gott zum Lob!� rief sie, �da sind sie Beide. Als ich sah, wie es stand, lief ich hinunter in's Dorf, wo die Leute beisammen sa�en und die Dragoner erwarteten, welche Ludolf bestellt hatte, die aber immer noch nicht kommen wollten. – Da zog ich die Sturmglocke und rief ihnen zu, wir m��ten es selbst thun, wenn's helfen sollte. Und Alle nahmen, was sie fanden, m�chte es gehen, wie es wollte, die D�nen sollen Keinen haben.�

�Wo sind sie?� schrieen viele Stimmen. �Wo ist der d�nische Spion? Wohin habt Ihr ihn versteckt?�

Scheden war verschwunden, aber die erhitzte Menge machte ihren Zorn in Fl�chen und Drohungen Luft, die deutsch genug auf Alfeld sich richteten.

�Ist es wahr, Herr,� rief einer der Bauern Lembek zu, �da� man Sie hierher gelockt hat, um Sie den D�nen zu verkaufen? – Wer hat es gethan? Wer ist so ehrlos gewesen?�

Er sah dabei den alten Gutsherrn grimmig an, der ohne Laut vor sich niederblickte, und sch�ttelte die Faust �ber dessen Haupt.

�Was auch die Absichten meiner Feinde waren, sie sind vereitelt,� erwiederte Lembek. �Das Land ist frei, die Feuer brennen auf allen Bergen. M�gen die Verr�ther auf ihr Schiff fliehen. La�t sie, Freunde, verfolgt sie nicht. Da kommen unsere Br�der aus Missunde, Dragoner und J�ger, ich h�re ihre H�rner, la�t uns ihnen entgegen gehen.�

Das Haus des Barons wurde leer. Der Mond, welcher jetzt hell am Himmel aufzog, beleuchtete die Reiterschaar, deren Waffen in der N�he klirrten und blitzten. Es war Niemand in dem Saale geblieben als Ludolf, der seine Anna herzte, und Lembek, welcher Hand in Hand mit der Erbin von Bornholm vor dem finster schweigenden Oheime stand.

Alle Worte der Liebe hatten Nichts geholfen, ein bitterer, unerbittlicher Hohn pre�te die Lippen des alten Herrn zusammen.

�Zwischen uns kann es nicht besser werden,� sagte er endlich, zu Lembek gewandt, �die letzte M�glichkeit zu Deiner Rettung war, Dich einzusperren. Du hast sie vernichtet. Und wie Du diese unwissenden Menschen verf�hrst, so hast Du Dich in Ida's Herz geschlichen und rei�est sie in Dein Verderben. Scheden hat Recht, Reue wird �ber Dich und sie kommen, aber es wird dann zu sp�t sein.�

�Niemals!� erwiederte Lembek. �Was auch kommen m�ge, wie die W�rfel fallen, aushalten werde ich bei meinem Vaterlande in aller Noth. Wer f�r Wahrheit und Recht leidet, kann nie bereuen. – Aber Du,� fuhr er sanft auf Ida blickend fort, �Du bedenke wohl, was Du thust. Er sagt, ich rei�e Dich in mein ungl�ckliches Schicksal. W�hle, geliebte Ida, w�hle zwischen mir und ihm. Seine Liebe wird Dich vor allen Gefahren beh�ten, die meine f�hrt Dich vielleicht fl�chtig umherirrend, verbannt und ausgesto�en durch die Welt.�

�Ida! – Meine Tochter! Mein Kind!� rief Alfeld, seine Arme ausbreitend, �kannst Du mich verlassen?�

�Hier ist mein Platz,� sagte sie, sich an Lembek's. Brust werfend, �von hier aus, Onkel, strecke ich meine Hand nach Dir aus. Sei g�tig und gerecht!�

�So geh' denn!� schrie der Greis mit Heftigkeit. �Folge ihm nach Kiel; Lug und Trug hat Dich get�uscht. Geh' nach Bornholm und Verbrenne die Bilder Deiner V�ter, damit sie nicht sehen, was aus Dir geworden ist!�

�Ja, nach Bornholm!� sagte die Erbin ihm nachblickend. �Noch einmal, Heinrich, la� und dort hintreten vor die Bilder der strengen, ehrenhaften Ritter und Frauen. Ohne Furcht will ich ihnen Alles sagen, ohne Bangen bekennen, da� ich Dich gew�hlt, da� ich Dich liebe, da� ich ein deutsches M�dchen bin. Nach Bornholm zum letzten Male; Gott beh�te uns, da� wir es wiedersehen und in seinem Frieden wohnen; f�hre mich wohin Du willst.�

Da klangen die H�rner und Trompeten dicht in der N�he, und Ludolf schwenkte seinen Hut und jubelte zum Fenster hinaus:

�Morgen, Anna, bin ich ein J�ger und habe eine B�chse auf dem Nacken. Hurrah f�r Schleswig-Holstein! Aber drei Hurrahs f�r Dich, Du Herzensm�dchen, denn wenn Du nicht warst, s��en wir Alle jetzt auf der Fregatte in eisernen Reifen. Hochzeit wird kommen, Anna, und Lohn und Liebe und Freude, so viel ein Mensch zu geben vermag.�


Aber Saaten sind ausgestreut, und der Sturm hat sie fortgeweht. – Ludolf ist gefallen in der Schlacht bei Idstedt Schlacht bei Idstedt am 24./25. Juli 1850: die Schleswig-Holsteiner erlitten eine Niederlage gegen die d�nischen Truppen. Nachdem Preu�en und der Deutsche Bund aus dem Krieg ausgeschieden waren, waren die Schleswig-Holsteiner auf sich allein gestellt. Schleswig blieb endg�ltig unter d�nischer Kontrolle und wurde von einem au�erordentlichen Regierungskommissar verwaltet. Holstein wurde durch preu�ische und �sterreichische Bundestruppen besetzt, die Schleswig-Holsteinische Armee wurde am 1. April 1851 aufgel�st. - Erst der Deutsch-D�nische Krieg 1864 brachte eine neue Lage: Im Wiener Frieden trat der d�nische K�nig die Herzogt�mer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die beiden deutschen Gro�m�chte Preu�en und �sterreich ab. - Nach dem preu�ischen Sieg im Deutschen Krieg 1866/67 zwischen Preu�en und �sterreich geh�rte ganz Schleswig-Holstein als Provinz zu Preu�en.; die treue Anna kann's noch immer nicht denken, da� er niemals wiederkehren soll; Lembek lebt mit seiner Gattin in Deutschland, hoffend und glaubend, da� Recht Recht bleiben mu�. Der alte Baron ist gestorben ohne S�hne und Vergebung. Der d�nische Geheimrath von Scheden hat ihn beerbt.

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