Theodor M�gge

Vater und Sohn

 

Gesammelte Novellen. Dritte Abteilung.
Einzelausgaben.
Zweiter Teil


 

Neu herausgegeben
von
lobo.dox@freenet.de

2024

 

I.

Es war tief in der Nacht, dabei heulte der Wind und warf den fein fallenden Regen so heftig an die Doppelfenster eines stattlichen Hauses, da� die Scheiben darin klirrten und zitterten. Zwei dieser Fenster waren matt erleuchtet, alle �brigen dunkel, die wei�en Vorh�nge herabgelassen.

Wer aber in das erhellte Zimmer geschaut h�tte, w�rde eine junge Frau erblickt haben, die an dem Tische in der N�he des Ofens sa� und, den Arm aufgest�tzt, in einem Buche las. Neben ihr lag eine N�harbeit, ein sch�nes N�hk�stchen stand ge�ffnet vor ihr, alle Ger�the in dem gro�en Zimmer deuteten auf Wohlstand und Behaglichkeit. Die junge Frau ruhte zur�ckgelehnt in dem Polsterstuhle, ihr dunkles Haar fiel �ber eine kleine wei�e Hand, und um sich besser vor der Nachtk�hle zu bewahren, hatte sie sich in einen gro�en buntgewirkten Shawl geh�llt.

Die Lampe, welche auf dem Tische brannte, war mit einem jener Blumenschirme bedeckt, die, indem sie ihre sch�nen Farben gl�nzen lassen, dichte D�mmerung verbreiten und das Licht auf einen schmalen Raum zusammendr�cken. Lange Zeit wurde die lautlose Stille umher durch Nichts unterbrochen, als durch das R�tteln des Windes an den Fenstern und durch das Umschlagen der Bl�tter des Buches, welche von der einsamen Leserin nach und nach immer hastiger gewendet wurden, als verl�re sie Geduld und Theilnahme.

Zuweilen stellte sie ihre Besch�ftigung ganz ein, und dann wandte sie sich horchend bald nach einer angelehnten Th�re im Hintergrunde, bald wieder der Stra�e zu, bis sie endlich aufstand eben, als die Bronceuhr auf dem Consol vor dem hohen Spiegel Eins schlug. Sie blickte starr auf die Rosen und Georginen des Lichtschirmes, ein L�cheln lief langsam �ber ihr klares wohlgebildetes Gesicht, aber es war weit eher ein schmerzliches Zucken, das sie mit einer Bewegung ihrer Hand gegen ihre Stirn begleitete, die sie damit bedeckte, als wollte sie einen Schmerz s�nftigen oder einen b�sen Gedanken verscheuchen.

Nach einigen Minuten stand die junge Frau auf, trat an eines der Fenster und sah in die Nacht hinaus. Das Haus lag an einem Bollwerke des breiten tiefen Stromes, der einen Abgrund bildete, schwarz wie das Ungl�ck, das Nichts mehr glaubt. Der Regen, welcher an die Laternen schlug und �ber die Wasserpf�tzen der Stra�en gejagt wurde, verschwand in jener d�stern Tiefe, aus der zuweilen sch�umige wei�e Wellen ein mattes Leuchten verbreiteten.

Die junge Frau dr�ckte ihre hei�e Stirn an die Scheiben, so stand sie ohne sich zu regen. Sie war noch vollst�ndig in ihren Tageskleidern. Ein dunkles seidenes Gewand zeigte ihren schlanken Wuchs, die weiten kurzen Aermel wurden durch wei�e Unter�rmel geschlossen, und von ihrem sch�nen braunen Haar fielen Sammetb�nder in den Nacken.

Pl�tzlich kam Bewegung in die stille Gestalt. Sie lie� den Riegel los, an den sie sich gelehnt, und indem sie beide H�nde auf ihre Brust legte und so zu ihrem Stuhle am Tische zur�ckkehrte, sagte sie leise:

�Muth! Muth! Er kommt, er ist da!�

Die Hausth�re wurde inzwischen ge�ffnet und zugeschlagen, feste polternde Schritte kamen die Treppe herauf, jetzt h�rte man sie in dem Corridor, und nun fa�te eine Hand den Dr�cker, und ein junger stattlicher Mann trat herein.

Einen Augenblick blieb er an der Schwelle stehen, dann rief er scheltend und lachend zugleich:

�Guten Abend, mein Cl�rchen! Du bist noch auf? Du erwartest mich!�

Die junge Frau reichte ihm die Hand entgegen und sagte freundlich:

�Ich kann nicht schlafen, wenn Du fort bist, und obenein ist das Kind heute so unruhig. Sprich nicht so laut, lieber Eduard, wecke es nicht auf.�

�Was machst Du Dir f�r Plagen!� antwortete er, sich neben sie setzend. �Statt den Schreihals der W�rterin zu �berlassen, nimmst Du ihn zu Dir, und statt ruhig im warmen Bette zu schlummern, sitzest Du hier allein in dem kalten Zimmer und frierst.�

�F�r die, die man liebt,� erwiederte sie, �mu� man wachen und frieren k�nnen, wenn ihnen Gefahr droht.�

�Wenn ihnen Gefahr droht! Aber wo ist Gefahr?

O ich merke es, Du willst mir ein Kapitel lesen, weil ich seit einiger Zeit zuweilen sp�t nach Hause komme und Dich allein lasse.�

�Nein, Eduard, ich will Dir kein Kapitel lesen.�

�Aber Du selbst bist ein stummer Vorwurf. So erwartest Du mich, damit ich die Schrift an Deiner Stirne lese.�

�Und wenn ich gleichgiltig mich niederlegte?� sagte die junge Frau.

�Du bist Schuld daran!� fiel er ein, den Arm um sie legend. �Du bist zu h�uslich, ziehst Dich �berall zur�ck, kaum da� ich Dich dann und wann zu einem Vergn�gen �berreden kann.�

�Ist denn die H�uslichkeit kein Gl�ck?� erwiederte sie. �Ich gehe gern mit Dir, wohin Du mich f�hrest, und was Dir Freude macht, freut auch mich, aber eine Frau darf nicht in Gesellschaften und Zerstreuungen aufgehen. Sie hat Pflichten!�

�Du bist eine Moralistin,� rief er lachend, �ich mu� Dich vers�hnen. Was willst Du haben, Cl�rchen, einen neuen Shawl, einen neuen Schmuck? Da hier! Nimm, kaufe Dir was Dein Herz begehrt.�

Er legte ziemlich ungest�m eine Hand voll Goldst�cke auf den Tisch, indem er die junge Frau umarmte und �ber ihr Erstaunen sich erg�tzte. Sein frisches Gesicht und seine blitzenden Augen r�theten und belebten sich st�rker; er kam offenbar aus fr�hlicher Gesellschaft und verhehlte es nicht, denn ehe die �berraschte junge Frau Etwas erwiedern konnte, fuhr er fort:

�Ich war in dem Caf� royal, wo Abends nach dem Theater Freunde und Bekannte zusammentreffen, um ein Glas zu trinken und zu plaudern. Da habe ich eine neue Bekanntschaft gemacht, Cl�rchen, einen Verwandten von Dir, von dem ich bisher gar Nichts gewu�t habe. Wie hei�t er gleich? – ja richtig, Grie�feld, Hauptmann Grie�feld auf halbem Solde. Ein interessanter Mann, ein pr�chtiger Gesellschafter. Aber Du wirst ja ganz bla� und ernsthaft dabei!�

Die junge Frau hatte die H�nde in ihren Schoo� gelegt, der Shawl war von ihren Schultern gefallen, bilds�ulenartig starr blickte sie ihren Gatten an.

�Er ist also wieder hier,� antwortete sie. �Gott beh�te uns Beide vor ihm!�

�Wie so? Warum?� fuhr er fragend fort. �Ich habe ihn eingeladen, uns zu besuchen.�

�Wo er ist,� erwiederte sie, ohne darauf zu achten, �da wird gespielt, und dies Gold hast Du von ihm gewonnen, Eduard. La� ihn nicht in Deine N�he kommen.�

�Was Du nicht Alles wei�t und Dir Vorstellungen machst,� sagte er. �Ich will es ja nicht haben, ich schenke es Dir!�

�Ich mag es nicht,� versetzte sie im bestimmten Tone. �Um Gottes Willen, Eduard, h�te Dich vor Grie�feld, ich kenne ihn. Er ist ein Spieler und ein gewissenloser Mann.�

�Mag er sein, was er will,� rief er dagegen. �Ihr Frauen bildet Euch leicht Etwas ein. Wer Euch gef�llt, der hat keinen Fehler, doch wer Euch nicht gef�llt, dem bleibt kein gutes Haar. Im Uebrigen sei ohne Sorgen, mein Cl�rchen, ich will mit ihm schon fertig werden. Packe Dein Geld ein und kaufe Dir etwas recht Sch�nes; wenn es nicht reicht, so lege ich zu.�

Die junge Frau war jedoch dazu nicht zu bewegen.

�Ich kaufe Nichts,� sagte sie. �Du �berh�ufst mich �berdies mit viel zu vielen reichen und pr�chtigen Geschenken.�

�Ich mu� Dich schm�cken,� erwiederte er z�rtlich, �ich will eine sch�ne Frau haben, alle Anderen sollen sie beneiden und mich beneiden!� –

Er hielt ihre bei: den H�nde fest und sah sie an.

�Wie reizend Du bist!� rief er aus, �und wie Dir das einfachste Kleid nett, und zierlich steht. Ich will Dir einen neuen Wagen kaufen und neue Pferde anschaffen. Die Zimmer dr�ben will ich auch neu einrichten lassen. Alles, was Du w�nschest, das sage mir nur, mein Herzenscl�rchen, alle Deine W�nsche will ich erf�llen.�

�Willst Du das wirklich, Eduard?� fragte sie bittend und l�chelnd.

�Auf mein Wort, ich will! Hast Du Etwas auf dem Herzen, heraus damit! Was es auch sein m�ge, es soll geschehen.�

�Dann, mein geliebter Freund,� fuhr sie schmeichelnd und im innigen Tone fort, �schenke mir Nichts, �ndere und kaufe auch Nichts. Gieb Niemanden Gelegenheit, �ber uns den Stab zu brechen.�

Eine Falte zog sich auf seiner Stirn zusammen, und die gute Laune, in welcher er sich befand, wich in seinen unmuthigen Blicken.

�Das sind ja Kleinigkeiten!� rief er hastiger aus, �warum sollen wir uns das Leben nicht so angenehm machen, wie wir k�nnen?�

�Wir m�ssen R�cksichten nehmen, Eduard,� fl�sterte sie.

�R�cksichten, vor wem?�

�Ich,� fuhr sie mit sanfter �berredender Stimme fort, indem sie ihn anl�chelte, �ich lege Dir R�cksichten auf, denn ich habe Dir Nichts zugebracht als mich selbst, und Dein Vater –�

�Mein Vater,� unterbrach er sie mit Heftigkeit, �ist ein alter Mann voller Grillen und Launen. Wir haben genug schon darunter gelitten, jetzt aber ist es vorbei, ich bin Herr hier!�

Sie legte die Hand auf seinen Mund, da� er schweigen mu�te.

�Stille,� sagte sie, �er schl�ft �ber uns und k�nnte aufwachen; vor kurzer Zeit habe ich noch seinen Schritt geh�rt. Ja, Eduard, Du mu�t R�cksichten nehmen. Mit allen seinen Eigenheiten ist er doch zu ehren, und Dich liebt er – er hat es bewiesen.�

�Er ist hart wie Eisen!� murmelte der junge Mann mit einer Bitterkeit, die seine Lippen zusammenpre�te. �Er gab nach, weil er mu�te. La� sie reden, was sie wollen, Cl�rchen, la� sie klatschen und verleumden, was fragen wir darnach. – Ha,� rief er, indem er aufsprang und den Stuhl polternd zur�ckstie�, �wir m�ssen ansto�en auf unser Gl�ck! Da steht noch eine Flasche Wein im Eckschrank, hier sind Gl�ser. La� uns ansto�en, Cl�rchen, da� alle R�nke immer so zu Schanden werden, wie sie zu Schanden geworden sind. K�nnte uns meine geliebte Tante, die Frau Geheimsecret�rin Rosenstock, sehen, wie wie hier sitzen in Mitte der Nacht, Wein aus Wassergl�sern trinkend, Arm in Arm ansto�end, welche sch�ne Geschichte w�rde sie daraus machen!�

Er lachte hell auf, als er das Glas aufhob, dann austrank und den Kopf zur�ckwarf.

�M�ssen wir ihr aber nicht ganz besonders dankbar sein?� fuhr er spottend fort, �denn ist sie nicht die Ursache unseres Gl�cks? H�tte sie Dich nicht zum Geburtstage unsers lieben Malchens eingeladen, wer wei�, ob ich Dich jemals gesehen h�tte. Und ein Wetter war's beinahe wie heute. Ich hatte die Ehre, das sch�ne Fr�ulein nach Hause f�hren zu d�rfen, weil der hilfreiche Zufall wollte, das die leichtsinnige Magd ausblieb.�

�Ich bitte Dich, trink nicht mehr, sagte Cl�rchen, seinen Arm festhaltend.

�Angesto�en, sch�nes Fr�ulein, angesto�en!� rief er dagegen. �Ich sah Dich, und es war um mich geschehen. Als ich zur�ckkam, h�rte ich Deine Geschichte. – ›Ach, das arme Cl�rchen!‹ seufzten die alten und jungen Rosenst�cke. ›Ihr Vater war Regierungsrath, wie fein ist sie erzogen worden, wie h�bsch spielt sie Clavier, singt und spricht sogar Franz�sisch; aber ach, ihre Eltern sind todt, jetzt ist sie bei dem alten Geheimrath, ihrem Verwandten, und ach, eine arme Verwandte ist immer eine Last. Wenn sich doch ein Mann f�r sie f�nde. Nichts w�re ihr mehr zu w�nschen, als ein guter Mann, eine gute Partie.‹ Haha, das sagten sie mir in's Gesicht und dachten nicht, da� der Mann schon neben ihnen sa�. Sto� an, Cl�rchen, alle Rosenst�cke sollen leben!�

Die junge Frau nippte ein wenig; er stie� so heftig gegen ihr Glas, da� der Wein �berflo�.

�Halt ein,� bat sie warnend, �es ist genug.�

�Wie �nderte sich aber Alles,� fuhr er achtlos fort, �als die Geschichte an den Tag kam. Was warst Du pl�tzlich geworden, Cl�rchen, und was brach �ber mich herein? Was haben wir zu �berwinden gehabt, ehe der Alte seinen Segen gab! Doch was sage ich da, ehe er den Gedanken ertragen konnte, da� ich Dich in die Kirche und dann hier in's Haus f�hrte. Sto� an, Cl�rchen, sto� an! Es ist einerlei, wie es geschah, wenn es nur geschah.�

�Nein, Eduard, nein!� erwiederte sie bittend. �Haben wir ihn nicht ganz vers�hnt, so m�ssen wir darnach streben, er mu� sehen, da� wir seine Zufriedenheit erwerben wollen.�

�Zufriedenheit! Seine Zufriedenheit?� rief der junge Mann. �Gieb Dir keine M�he darum, es geschieht doch nicht – das wirst Du nie erreichen.�

�Wir wollen morgen dar�ber sprechen;� sagte sie. �Ich habe einen Plan, wie es gl�cken soll. Aber trinken sollst Du nicht mehr, ich leide es nicht mehr.�

�Du leidest es nicht mehr!� schrie er herzlich lachend. �Auf Dein Wohl will ich trinken, auf Deinen Plan, auf Dein Gl�ck!�

Sie fa�ten Beide nach der Flasche, die auf dem Tische stand, ehe jedoch die junge Frau sich deren bem�chtigen konnte, hatte er sie umgeworfen. Klirrend zerbrach sie, der Wein flo� �ber den sch�nen Teppich, die Scherben st�rzten zu Boden, und w�hrend der Misseth�ter sein Gel�chter verdoppelte, sprang seine Gattin best�rzt und mi�billigend auf. Sie war selbst nicht ohne Schaden fortgekommen, dazu fing das Kind in dem Schlafgemache heftig an zu schreien, und in demselben Augenblicke wurde die Th�re des Corridors aufgedr�ckt, und durch den Spalt steckte sich zuerst ein rother vierkantiger grauhaariger Kopf, dem der K�rper, welcher dazu geh�rte, alsbald nachfolgte.

Es war eine breitschulterige Gestalt von ansehnlicher H�he, ein greiser Mann in Unterkleidern, einem getragenen Hausrock und Pantoffeln. Sein Gesicht von braunrother verwetterter Farbe, die starken groben Z�ge, die tiefen Falten auf der Stirn und die muskelkr�ftige rauhe Hand, welche ein Licht im kurzen Messingleuchter in die H�he hielt, Alles k�ndigte einen Besuch an, der sehr wenig zu dem jungen �berraschten Paare zu passen schien.

Als der alte Mann das Licht aufhob und n�her trat, hatte seine Erscheinung etwas D�monisches. Die trotzigen blauen Augen bewegten sich nicht, das graue dichte Haar stand kurz abgeschnitten auf der rothen Stirn, und ein grimmiges starres Lachen zog seine m�chtigen Lippen noch breiter. Er sprach kein Wort, aber dies Schweigen war Furcht erweckend und mu�te Eduard's Verlegenheit vermehren, denn das Lachen verging ihm pl�tzlich.

Wie zu seinem Schutze stellte sich die junge Frau vor ihn hin, und mit dem gewandten Muthe des Augenblicks, den Frauen mehr als M�nner besitzen, sagte sie �berredend freundlich:

�Es ist der Papa. Mein Gott, wie ist das m�glich!�

�Ich wollte nur sehen,� sagte der alte Mann mit harter Stimme, �ob T�rken oder Kosacken hier eingefallen w�ren und pl�nderten.�

�Bester Papa,� erwiederte Clara leise bittend, �seien Sie nicht b�se, wenn wir Ihre Ruhe gest�rt haben. Wir sind ein wenig sp�t nach Hause gekommen.�

�So!� rief er, seinen Kopf h�hnisch vorschiebend. �Sp�t nach Hause gekommen, in lustiger Gesellschaft gewesen und daran noch nicht genug gehabt?�

�Es war so kalt,� sagte sie dem�thig, �ich f�hlte mich unwohl. Ich bin schuldig, bester Papa.�

�Da sitzen sie und l�rmen und lachen, da� es durch die Decke dr�hnt,� fuhr der greise Strafprediger fort. �Drau�en steht die Th�r weit auf, und drinnen schreit das Kind, das sich ein Stein erbarmen m�chte! – Da sitzen sie Beide beim Wein, und es ist ihnen einerlei, was fragen sie darnach.�

�Bester Papa, bester Papa!� sagte die junge Frau tief aufathmend, �schelten Sie nicht zu sehr – ich will gewi� meine Pflicht thun.�

�Ihre Pflicht, Madame?� schrie der alte Mann. �Wissen Sie, was Ihre Pflicht ist? Statt neumodisch in Sammet und Seide hier zu trinken und zu jubeln, sollten Sie in der Nachtjacke dem Wurme da seinen Thee w�rmen und ihn nicht wimmern lassen. Eine sch�ne Wirthschaft ist das, aber ich habe es vorher gesagt. Art l��t nicht von Art und was nicht zusammen pa�t, wird niemals passen.�

Die junge Frau hatte schon bei dem ersten Theile dieser Scheltreden sich entfernt, den Schlu� richtete daher der alte Herr an seinen Sohn, der mit ger�thetem Gesicht und m�hsamer Fassung vor ihm stand.

�Ich bitte Dich, Vater!� sagte er jetzt, indem er nach der Th�re des Schlafzimmers deutete und eine abwehrende Bewegung machte.

�He!� rief der alte Mann, das Licht dicht vor ihm hochhaltend. �Was giebt's? Was soll geschehen?�

�Du solltest bedenken, Vater,� sagte der Sohn mit gel�hmter Stimme, �da� Cl�rchen meine Frau ist.�

Der Alte sah ihn stier an.

�Bist Du n�chtern?� fragte er.

�Vater!� sagte Eduard bittend.

�Bist Du n�chtern?� wiederholte der Greis. �Wenn Du es nicht bist, so wirst Du es werden, und wenn Du es immer gewesen w�rest, w�rde es besser mit Dir stehen. Nimm Dich in Acht!�

�Wovor, Vater?�

�Da� Deine Narrheiten Dich nicht in's Tollhaus oder in's Armenhaus bringen. Meinst Du, ich w��te es nicht?�

�Was, Vater?�

Der alte Mann leuchtete in dem Zimmer umher und nickte dabei mit einem b�sen Lachen.

�Morgen wollen wir weiter sprechen,� sagte er dann, �wir m�ssen unsere Rechnung machen.�

�Gut, Vater,� antwortete der Sohn, �Eines aber steht heute fest. Wie ein Kind lasse ich mich nicht behandeln. Ich bin alt genug, um zu wissen, was sich f�r mich schickt.�

�Sehr wohl, mein Herr Sohn, sehr wohl!� erwiederte der Alte hohnvoll nickend. �Eines steht auch bei mir fest. Was ich mit Flei� und M�hen erworben habe, soll mir nicht vergeudet und verpra�t werden. Mit leichtsinnigen Menschen habe ich Nichts zu schaffen – Nichts, gar Nichts!�

�Und ich – ich – ja bei Gott!� rief Eduard, indem er den Arm wie zum Schwure aufhob.

�Du? – ha? – Du! Heraus damit!�

�Eher m�chte ich rettungslos untergeben, als das ertragen.�

�Und das wirst Du,� sagte der Alte, �ja, das wirst Du, denn Du bist reif dazu. Ich kann es an den Fingern abz�hlen, wie es mit Dir und Deinem P�ppchen von Kanten kommen wird.�

�Unertr�glich!� schrie der junge Mann, mit dem Fu�e aufstampfend und die H�nde ballend. �Gieb mir Ruhe, Vater. Hier ist meine Wohnung!�

Diese heftig hervorgesto�enen Worte brachten eine sichtliche Wirkung auf den greisen Mann hervor. Er heftete seine Augen durchbohrend auf seinen Sohn, sein ganzes Gesicht zog sich wie in Schmerz und Zorn zusammen; ehe er jedoch antworten konnte, wurde er von den weichen Armen seiner Schwiegertochter umschlungen, die leise wieder hereingetreten war.

�H�ren Sie nicht auf ihn, Papa,� sagte sie mit ihrer sanften bittenden Stimme. �Vergeben Sie ihm seine Aufregung. Bitte mit mir, Eduard, gieb dem Vater ein gutes Wort.�

�Vorheucheln lasse ich mir Nichts!� sagte der alte Mann, sie mit seinem Arme zur�ckschiebend. �Ich wei�, wie es gemeint ist. Ich bin ein alter, grober Mensch ohne Bildung, und Sie sind eine feine Frau; ich bin ein alter Geizhals, und Sie wollen das Leben genie�en. Wir passen nicht zusammen, also Jeder in seiner Weise. Was aber Dich betrifft,� fuhr er mit kalter Strenge fort, indem er sich wieder an seinen Sohn wandte, �so hast Du ein Recht, mir die Th�re zu weisen. Die Wohnung ist Dein, wenigstens f�r jetzt noch. Jeder von uns soll behalten, was sein ist, und Jeder mag sorgen, da� er nicht hinausgeworfen wird.�

Mit diesen Worten drehte er sich um und verlie� das Zimmer. Die junge Frau sah wohl ein, da� ihre Bitten vergebens bleiben w�rden.

�Das ist doch sehr hart!� fl�sterte sie bleich und zitternd.

�Gr�me Dich nicht, mein Cl�rchen,� antwortete ihr Mann, der sie in seine Arme zog und tr�stete. �Da siehst Du seine Liebe, so weit hat er es gebracht. Soll ich das dulden, bin ich ein Kind? La� ihn thun, was er will. Warum �berf�llt er uns bei Nacht, um uns zu beschimpfen? Ich mag es nicht l�nger ertragen, und Dich kennt er nicht, Dich achtet er nicht – Alle, Alle! – aber ich – ich dulde es nimmer, nein, nimmermehr!�

Mit gro�en Schritten, laut sprechend, ging er auf und ab, der Vater oben sollte ihn h�ren. Die junge Frau sa� in dem Sessel mit schlaffen Armen, der Kummer �berw�ltigte ihre Fassung, sie weinte leise.


II.

Am n�chsten Morgen befand sich bei dem Hauptmann Grie�feld, eben als dieser am Kaffeetische sa�, ein kleiner Herr im blauen Frack mit blanken Kn�pfen, welcher dem Hauptmann gegen�ber sa�, ebenfalls Kaffee trank und ebenfalls Cigarren rauchte.

Der Hauptmann war ein sch�ner, hochgewachsener Herr von vielleicht vierzig Jahren. Er war ziemlich wohlbeleibt, sein Gesicht hatte volle und starke Z�ge, die etwas Keckes und Herausforderndes besa�en. Ein dunkler, wohlgepflegter Backenbart und Schnurbart machten dies Gesicht noch martialischer, und die gerade stolze Haltung seines K�rpers verdeckte den gemeinen Ausdruck, den seine Augen erhielten, wenn er lachte und sich belustigte, wie es hier geschah, wo er sich keinerlei Zwang auflegte. Seine H�nde waren wei� und mit mehreren blitzenden Ringen geschm�ckt, seine W�sche von au�erordentlicher Feinheit und Sauberkeit.

In dem gro�en Schlafrock von buntgewirkter Seide mit Schn�ren und Troddeln und dem turbanartigen Sammetbarett lag er halb ausgestreckt auf den Polstern, und w�hrend er sich mit dem kleinen Herrn im blauen Frack unterhielt, nahm er von Zeit zu Zeit eine feine B�rste und einen kleinen Spiegel auf, welche neben ihm auf dem Tische lagen, beschaute sich nach rechts und links unter allerlei Grimassen und striegelte seinen Bart glatt.

Der Herr im blauen Frack war vielleicht ein halbes Dutzend Jahre j�nger als der Hauptmann; aus seinem Gespr�che mit diesem ging hervor, da� er ein Gesch�ftsmann war, was sein ganzes Aussehen best�tigte. Sein blondes, d�nnes Haar, das ihm auf der Stirn hoch stand, zu beiden Seiten aber an den Schl�fen lag, als sei es mit Wachs oder Talg festgeklebt, pa�te zu dem langen spitzen Gesicht, das sich wie ein Keil nach vorn dr�ngte. Auf jedem seiner Backenknochen, die ziemlich weit vorstanden, bildete sich ein runder rother Fleck, und verbunden mit den kleinen beweglichen Augen, sah er dabei rothb�ckig und freundlich aus.

Ein Paar ungeheuer gro�e H�nde mit langen Fingern streckten sich wie Krallen aus den kurzen Aermeln seines Rockes, und dieser war wie Alles an dem kleinen Herrn zwar nicht nach der neuesten Mode, aber er sah doch respektabel genug aus. Seine schwarze Binde zierte ein weit vorstehender wei�er Kragen, der ziemlich bis an die Ohren reichte, Lippen und Kinn waren glatt rasirt, und mit sichtlichem Wohlbehagen rauchte er die Cigarre, mit welcher ihn sein G�nner versehen hatte.

Der Hauptmann schien gut bekannt mit ihm zu sein.

�Nun, Vollbrecht,� sagte er, �ich habe Sie zu mir gebeten, um zun�chst von Ihnen selbst zu h�ren, da� es Ihnen wohl geht und Sie viele gute Werke vollbracht haben.�

Der kleine Mann spitzte seine Lippen und kniff seine Augen zu, indem er eine d�nne Rauchwolke von sich blies, der er nachsah.

�Meinen unterth�nigsten Dank,� antwortete er dann sich vorn �berb�ckend und den Hauptmann angrinsend, �was aber die guten Werke betrifft, – so k�nnte es besser damit stehen, viel besser k�nnte es damit stehen. Aber die Zeiten sind schlecht, sehr schlecht! Es ist kein Gesch�ft zu machen, Alles faul, durchaus faul!�

Er zuckte die Achseln so hoch, da� sie seine Ohren fast ber�hrten.

�Kein gutes Gesch�ft zu machen, Vollbrecht?� rief der Hauptmann, indem er in den Spiegel sah und seinen Bart k�mmte. �Was? Haben Sie sich nicht verheirathet?�

�Verheirathet, ja allerdings.�

�Und ist es kein gutes Gesch�ft gewesen?�

�Hihi!� rief Herr Vollbrecht, eine neue d�nne Rauchwolke hoch blasend; �Sie sind doch immer noch so spa�haft, Herr Hauptmann, wie vor drei Jahren, wo ich die Ehre hatte, neben Ihnen zu wohnen.�

�Wissen Sie was, Vollbrecht?� fragte Grie�feld, den Spiegel auf die linke Seite haltend.

�Was denn, bester Herr Hauptmann?� fragte Herr Vollbrecht, indem er den Kopf �ber den Tisch streckte.

�Ich bin noch spa�hafter wiedergekommen, wie ich fortgegangen bin. Und wissen Sie warum?�

Herr Vollbrecht nahm die Cigarre von seinen Lippen und kniff die Augen so weit zusammen, da� nur ein ganz schmaler Spalt zum Sehen ihm �brig blieb.

�Bitte, theilen Sie es mir mit,� sagte er mit einer unterth�nigen Verbeugung.

�Erstens habe ich zeither meist in Paris gelebt, und zweitens habe ich noch keine Frau genommen.�

�Hihi!� rief Herr Vollbrecht, �also wenn man eine Frau nimmt, vergeht Einem der Spa�. – Das mu� ich mir merken und mu� es meinem Malchen erz�hlen. Es ist allerliebst, es ist eine wundervolle Bemerkung! Sie werden also wohl niemals heirathen, Herr Hauptmann? Oder werden Sie? Es haben schon Viele so gesagt.�

�Wie lange sind Sie denn verheirathet?� fragte Grie�feld, ohne diese Frage zu beachten, indem er den Spiegel rechts hielt.

�Seit zwei Jahren,� antwortete der kleine Mann stolz nickend, �und ich bin noch immer nicht im geringsten schwerm�thig geworden.�

�Wenn Sie schwerm�thig werden wollten,� sagte Grie�feld, �so w�rde dies auch im h�chsten Grade undankbar sein. Eine so liebensw�rdige Frau und zehntausend Thaler findet man so leicht nicht zum zweiten Male.�

Herr Vollbrecht war so erstaunt �ber diese Bemerkung, da� er stumm und starr auf seinem Stuhle sa�, seinen wei�en Kragen in die H�he zog und seine kleinen Augen so weit aufmachte, wie ihm dies m�glich war. �Es ist merkw�rdig,� rief er dann pl�tzlich, wie Sie das wissen.�

�Bah!� sagte der Hauptmann, �es w�re merkw�rdig, wenn ich es nicht w��te. Als ich mich nach meinem alten Freunde Vollbrecht erkundigte, hat man mir die Geschichte erz�hlt. – Dem geht es vortrefflich, sagte man mir, der hat eine Nichte des alten reichen Holzh�ndlers Eckhoff geheirathet, zehntausend Thaler gleich mit bekommen, ohne was er noch einmal zu erwarten hat. Er ist auch nicht mehr Gesch�ftsf�hrer bei dem alten Eckhoff, sondern hat ein eigenes Commissions- und Geldgesch�ft begr�ndet.�

�Ein Incasso-Gesch�ft,� sagte Herr Vollbrecht freundlich grinsend, �doch verschaffe ich auch Kapitalien auf H�user, liegende Gr�nde, G�ter und gute Papiere, wobei sich Jeder, der mich mit seinem Vertrauen beehrt, auf meine Reellit�t verlassen kann.�

�Gut, mein lieber Vollbrecht,� erwiederte Grie�feld, �Sie sollen mein Bankier sein und meine Geldgesch�fte f�hren.�

�Verlassen Sie sich darauf, hochgeehrter Herr Hauptmann,� versetzte der kleine Mann, seinen Kragen anfassend, als wollte er sich daran in die H�he ziehen, �da� ich immer bedacht sein werde, mir Ihre Zufriedenheit zu erwerben.�

Grie�feld legte sich in die Kissen zur�ck, hielt den Spiegel vor sein Gesicht und betrachtete seine Z�hne.

�Ja, noch Eins!� sagte er dann, �Sie sollen mir einige Fragen beantworten. Nicht umsonst, ich verlange �berhaupt Nichts umsonst. Ein Kaufmann wie Sie mu� seine Zeit zu Gelde machen, so gut wie ein Advokat, der kein Wort ohne Bezahlung spricht. Im Uebrigen haben meine Fragen noch einen besonderen reellen Hintergrund f�r Sie, und es kann sein, Vollbrecht, da�, wenn Sie mich geh�rig unterst�tzen, Ihnen gro�er Reichthum daf�r zuflie�t.�

Eine gewisse Ungl�ubigkeit dr�ckte sich in Vollbrecht's Mienen aus, aber was er h�rte, war viel zu angenehm, um nicht die freudigsten Empfindungen in ihm anzuregen. Ein gieriges L�cheln schwebte um seinen ge�ffneten Mund, und seine Augen funkelten in ihren schmalen Schnitten lauernd auf Grie�feld, der die Untersuchung seiner Kauwerkzeuge fortsetzte, ohne sich im Geringsten um seinen Nachbar zu k�mmern.

�Bitte recht sehr!� sagte der Kommissionair, seinen spitzen Kopf �ber den Tisch schiebend, �gewi� nicht des Eigennutzes wegen, Herr Hauptmann, thue ich irgend Etwas. Eigennutz ist ein schreckliches Laster. Wenn der Eigennutz nicht w�re, w�rde die Menschheit gl�cklich sein, aber –�

�Aber,� unterbrach ihn Grie�feld, �ich will zu Ihrer Ehre hoffen, kleiner Vollbrecht, da� Sie an solche Dummheiten nicht glauben. Jeder Mensch ist eigenn�tzig und soll eigenn�tzig sein. Jeder verfolgt Zwecke und setzt zur Erreichung derselben alle Mittel in Bewegung. Gegenseitig dienen wir uns, weil wir eben unsern Zwecken nachtrachten. Ich habe nat�rlich auch meine Zwecke, indem ich Sie ausfrage und Ihre Dienste w�nsche, Sie haben Ihre Zwecke, indem Sie mir antworten, denn Sie wollen daraus Vortheile ziehen. Sie werden mir doch nicht einreden wollen, da� Sie ein sogenannter uneigenn�tziger Mann sind?�

Herr Vollbrecht legte die Cigarre vor sich auf den Tisch und seine rechte Hand auf die linke Seite seines blauen Rockes.

�Bei Gott!� sagte er, mit den Fingern auf die Stelle klopfend, wo das Herz zu sitzen pflegt, �ich spa�e nicht, Herr Hauptmann, ich bin uneigenn�tzig! Wenn ich das nicht w�re, wenn ich so sein k�nnte, wie andere Leute sind, w�rde ich manche Umst�nde besser ben�tzen, die mir Vortheile bringen k�nnten.�

Grie�feld drehte sich einen Augenblick zu ihm um, sah ihn an, und nachdem er seinen Zahnstocher vom Tische genommen, fiel er in die alte Stellung zur�ck.

�Wenn ich w��te,� antwortete er darauf, �da�, was Sie da schwatzen, wirklich wahr w�re, so w�rde ich jede Gemeinschaft mit Ihnen aufheben, kleiner Vollbrecht, denn ein Mensch, der sichere Vortheile nicht benutzt, mu� ein Narr oder ein Dummkopf sein, und mit Beiden mag ich Nichts zu thun haben. – Es wird sich aber jedenfalls wohl etwas anders verhalten,� fuhr er fort, indem er sich nochmals zur�ckwandte und auf den Ellenbogen st�tzte. �Sie sind Ihrer Sache nicht gewi� gewesen und haben Nichts wagen wollen.�

Mit �berlegenem Hohne lachte er Vollbrecht an, der sich an seinem Kragen vergebens in die H�he zog und eine Art Verlegenheit nicht verbergen konnte, die sich endlich in einem spitzb�bischen L�cheln zusammendr�ngte.

�Sie sind doch immer spa�haft,� rief er dabei, �aber es ist doch wahr, es ist dennoch wahr! Ich sage Ihnen, Herr Hauptmann, ich wei� gleich einen Fall, in welchem viele sehr rechtschaffene M�nner anders handeln w�rden wie ich, aber ich thue es nicht. Ich kenne eine Familie, wo, wenn der Vater genau w��te, wie es mit seinem Sohne steht, und was der treibt und thut, er dessen Namen nicht mehr nennen w�rde. Mir w�rde es Vortheile bringen, gro�e Vortheile bringen, ich k�nnte reden, Andere w�rden reden, aber ich – nein! Gott bewahre mich! Ich will die S�nde nicht auf mich laden – ich nicht, nein!�

W�hrend Herr Vollbrecht dies sagte, klopfte er unaufh�rlich auf die linke Brust des blauen Fracks und nickte dazu. Sein mageres spitzes Gesicht sah sehr ernsthaft aus, und die Energie seiner Tugend leuchtete aus seinen Augen.

Grie�feld h�rte aufmerksam zu und antwortete dann gleichm�thig:

�Ich habe also Recht, kleiner Vollbrecht, Sie wagen nicht damit aufzutreten und thun wohl daran, denn was Sie wissen, reicht nicht aus, um den Erfolg in der Hand zu haben. Der alte Eckhoff ist ein alter eigensinniger Mensch, grob und querk�pfig genug, um Ihnen Ihre edle Gesinnnng abscheulich zu lohnen. Sein Sohn aber ist zwar ein Verschwender und leichtsinniger Narr, Ihnen jedoch war er immer freundlich und n�tzlich, und wenn Sie nicht vorsichtig verfahren, k�nnten Sie leicht bewirken, da� eine Vers�hnung zwischen Vater und Sohn erfolgt, Sie dagegen als undankbarer Verleumder behandelt werden.�

So lange Grie�feld sprach, wurden die Augen seines Zuh�rers immer gr��er, sein Mund �ffnete sich immer weiter und lie� endlich die Cigarre fallen, die erst auf seinen Rock, dann auf den Boden rollte. Er sprang auf, um sich vor Feuersgefahr zu sch�tzen, als er jedoch sich davor bewahrt sah und die Cigarre wieder aufgehoben hatte, blieb er stehen und stierte den Hauptmann an, wie der Ungl�ubige einen Wahrsager, der ihm seine geheimsten Gedanken haarklein erz�hlt.

�Nehmen Sie Ihre Cigarre in den Mund, Vollbrecht, damit sie nicht ausgeht, und setzen Sie sich,� sagte Grie�feld. �Eben das, was Sie mir mittheilen, h�ngt mit den Fragen zusammen, welche ich an Sie richten will. Sie erleichtern mir die Einleitung. Antworten Sie mir also jetzt kurz und bestimmt. Wollen Sie?�

�Ja,� sagte Vollbrecht mechanisch und noch immer nicht aus seiner Best�rzung erwacht.

�Wie lange waren Sie im Hause des alten Eckhoff?�

�Acht Jahre.�

�Sie sind ein entfernter Verwandter von ihm?�

�Nein. Er war mein Vormund und mein verstorbener Vater sein Freund. Er schickte mich in die Schule, dann in ein Handelsgesch�ft, endlich nahm er mich in sein Haus, und ich f�hrte B�cher und Rechnungen, bis sein Sohn zur�ckkam.�

�Sein Sohn bei�t Eduard?�

�Ja.�

�Und hat eigentlich studirt?�

�Ja.�

�Warum gab er das auf?�

�Es ist ein eben so sonderbarer Mensch wie der Alte,� sagte Vollbrecht, der jetzt wieder rauchte. �Er ist eben so eigensinnig wie sein Vater; was er sich in den Kopf gesetzt hat, davon geht er nicht ab. Er wollte nicht in den Staatsdienst gehen, weil er sich einbildete, in jetziger Zeit w�ren die Beamten abh�ngige Menschen, ohne eigene Meinung und ohne eigenen Willen, die tanzen m��ten, wie oben gepfiffen werde, Vater und Mutter verleugnen m��ten, wenn es befohlen w�rde.�

�Also solche schlechte Gesinnung hat er obenein,� sagte Grie�feld in den Spiegel nickend.

�Das glauben Sie gar nicht,� rief Vollbrecht, �was er Alles zu reden wei�, und der Alte gab ihm darin Recht und sah es gern, da� er in sein Gesch�ft eintreten wollte.�

�Der Alte ist von Geburt eigentlich ein Tischlermeister?� fragte Grie�feld.

�Es ist einzig, was Sie spa�haft sind,� lachte Vollbrecht. �Ja, Tischlermeister ist er zuerst gewesen, und oft genug hat er mir erz�hlt, wie es ihm Anfangs k�mmerlich gegangen sei, bald aber immer besser, und wie er dann Holzhandel getrieben, H�user gebaut und das Gesch�ft immer gr��er ausgedehnt hat.�

�Reich ist er also wirklich, das wissen Sie gewi�?�

�Das wei� ich ganz gewi�,� antwortete Herr Vollbrecht. �Es ist ein gro�es Verm�gen da.�

�Und der alte Bursche kann kaum schreiben und lesen.�

�Wenig genug,� sagte Vollbrecht, �aber auf dem Platze ist er. Er steht eine Sache durch und durch.�

�Ein schmieriger Geizhals. Wie?�

�Eh!� grinzte der kleine Mann, �jeden Pfennig kehrt er drei Mal um, bis er ihn ausgiebt, und auf Anstand h�lt er nicht viel.�

�Wie so? Wie meinen Sie das?� fragte Grie�feld.

�Ich meine, wie er aussieht, ist ihm einerlei, und wer ihn so sieht und nicht kennt, m�chte keinen Groschen f�r ihn geben.�

�So?� sagte Grie�feld nachdenkend, �er ist also ohne alle Politur, das r�cht sich gew�hnlich bei beschr�nkten Spie�b�rgern durch ihre Kinder. Sie geizen und knausern, die verbringen es.�

�Und wie lange hat er in der alten schlechten H�tte mitten auf seinem Holzplatze gewohnt,� fuhr Vollbrecht lachend fort. �Das neue gro�e Haus an der Stra�e hat er erst bauen lassen, als er glaubte, sein Sohn sollte heirathen und hineinziehen, aber –� hier zog Herr Vollbrecht seine Augen dicht zusammen, und ein hohnvolles Lachen spitzte seinen Mund – �h�tte er gewu�t, wer hineinziehen w�rde, hihi! er h�tte keinen Pfennig f�r Mauersteine ausgegeben.�

�Das hei�t,� sagte Grie�feld seine N�gel b�rstend und ohne davon aufzusehen, �Herr Eduard Eckhoff that Etwas, was ihm Ihre ewige Dankbarkeit sichern mu�, kleiner Vollbrecht. Er heirathete eine arme Geheime Regierungsrathstochter und verschaffte Ihnen dadurch die Ehre, Fr�ulein Malchen Rosenstock's liebevoller Gatte zu werden. Auf mein Wort, Vollbrecht, ich begreife die zarten R�cksichten und die edle Freundschaft, welche Sie f�r diesen galanten Vetter hegen, der so uneigenn�tzig Ihnen diente, da� er Ihnen seine eigene Braut �berlie�. Ohne Zweifel eine reizende, s��e, z�rtliche kleine Frau mit einem Rosenherzchen von Zucker und zehntausend Thalern obenein! Sie m�ssen grenzenlos verliebt sein, so sehen Sie auch aus, Vollbrecht!�

Herr Vollbrecht rieb seine gro�en H�nde, grinste schrecklich und betheuerte, da� er wirklich au�erordentlich gl�cklich sei. In seinem magern Gesicht dr�ckte sich lebhafte Genugthuung �ber das Lob seiner k�rperlichen F�lle und Behaglichkeit aus, das er so eben vernommen hatte; er warf dabei einen Seitenblick in den Spiegel und grinste noch einmal �u�erst anmuthig hinein, indem er seine Tolle hochstrich.

�Es ist ein Schatz, mein Malchen!� rief er. �Sie k�nnen es mir glauben, Herr Hauptmann, so wirthschaftlich, h�uslich, sparsam und ohne Anspr�che ist so leicht keine Andere. Wie sind die allermeisten jetzt eitel und verschwenderisch, vergn�gungss�chtig, ohne zu fragen, wo es herkommen soll. Ich sage Ihnen, wenn mein Vetter Eduard Malchen bekommen h�tte, st�nde es anders mit ihm. Die w�rde ihn kuriren. Hihi! ich sage, die w�rde dem Alten besser gefallen, und das ist die Wahrheit. Ich bin �berzeugt, da� es ihm jeden Tag leid thut, da� er sie mir gegeben hat.�

�Ich kann mir denken, da� Sie Recht haben,� antwortete Grie�feld, �denn wie ich vermuthe, hat der alte Narr im Aerger Sie an seines Sohnes Stelle gesetzt. Ist es nicht so?�

�So ist es!� antwortete Vollbrecht ihm selbstgef�llig zunickend. �Ich h�tte im Leben nicht daran gedacht, da� Malchen meine Frau werden sollte, aber eines sch�nen Morgens ging es los mit dem Alten und seinem Sohne. Wie ein Paar Kampfh�hne standen sie gegen einander. Er wollte sein Cl�rchen haben, wie es auch kommen m�chte, wollte fort in die weite Welt, und dazwischen wieder lie� er es nicht an Vorstellungen und Zureden fehlen, bis der Alte endlich sagte, er wollte ihn nicht zwingen, es w�re gut, er m�chte thun, was er nicht lassen k�nnte. Darauf machte er die Th�re auf, rief mich hinein und fragte mich, ob ich Malchen heirathen wollte. ›Warum nicht, Herr Eckhoff,‹ sagte ich; ›es ist meine angenehme Pflicht, Alles zu thun, was Sie mir befehlen; wenn Fr�ulein Malchen Nichts dagegen hat, bin ich gern dazu bereit.‹ ›Das ist meine Sache,‹ sagte er. ›Heute gehst Du hin und sprichst mit ihr. Die Ausstattung werde ich besorgen, fehlen soll es Euch nicht, ich nehm's auf mich.‹ï¿½

�Und sie kamen, sahen und siegten, und das Werk wurde vollbracht,� fiel Grie�feld ein. �Aber konnte die Schwiegertochter sich nicht in Gunst setzen? Konnte sie den alten B�ren nicht zahm machen?�

Vollbrecht sch�ttelte mit triumphirendem Grinsen den Kopf.

�Es ist immer �rger geworden,� lachte er, �mit jeder Woche oder jedem Monat ist es �rger geworden. Wir haben es in der Stille beobachtet, Malchen und meine Schwiegermutter, denn meine Schwiegermutter wohnt bei uns. Sie ist die Stiefschwester des alten Eckhoff und kennt ihn aus dem Grunde. Keiner mu� mit ihm sprechen, sagt sie, weil er sonst mi�trauisch wird und meint, er solle gehetzt werden. Es kommt ganz von selbst, Keiner braucht Etwas dazu zu thun. Aber nun wird das Ma� n�chstens voll sein, meint meine Schwiegermutter, denn wenn der Alte einmal im Zuge ist, so ist kein Halten mehr. – Ich sage Ihnen, bester Herr Hauptmann, auf den Knieen k�nnen sie Beide vor ihm liegen, wenn es so weit ist, er st��t sie fort, und wenn sie verhungern m��ten.�

�Die Schwiegertochter ist also eine leichtfertige, schlechte Person,� sagte Grie�feld, indem er seinen Kaffee austrank und seine F��e auf den Stuhl legte.

�I nun ja oder auch nein,� antwortete Vollbrecht. �Schlecht will ich nicht sagen, und dies kann vielleicht Niemand sagen; es ist eine sch�ne Frau, obwohl Malchen –� hier hielt er inne, als bes�nne er sich auf Etwas, dann f�gte er rascher sprechend hinzu: �Schuld ist sie an Allem, denn wenn sie anders w�re, so w�rde er auch anders sein. Aber das Verschwenden hat kein Ende, und er ist wie umgewandelt. Sie hat kein Bette und keinen Stuhl gehabt, die vornehmen Verwandten haben ihr kaum ein Bischen W�sche auf den Weg gegeben. So hat sie sich in das Haus hineingesetzt, doch Nichts ist ihr gut genug, es mu� das Sch�nste und das Beste sein. Dazu pa�t aber eben der alte Eckhoff, hihi! Der Alte, der ist ganz gemacht dazu, auf englischen Teppichen zu gehen, pariser Kronleuchter an den Decken aufzuh�ngen – und die Schwiegertochter in Gold und Brillanten und Sammetm�nteln.� –

Er brach in ein wieherndes Lachen aus und fa�te mit beiden H�nden seinen Hemdkragen, den er bis an die Ohren zog.

Grie�feld hatte w�hrend dessen sein Taschenbuch genommen und darin gebl�ttert. Ohne sich dabei st�ren zu lassen, sagte er, als Herr Vollbrecht zu lachen aufh�rte:

�Die nat�rliche Folge dieses leichtsinnigen Lebens ist, da� der junge Herr Eckhoff sich in heimliche Schulden st�rzt. Ich habe erfahren, da� er von verschiedenen seiner Freunde und Bekannten Summen geborgt hat, und es sollte mich wundern, wenn er nicht auch bei Ihnen �hnliche Versuche gemacht h�tte.�

�Das wissen Sie also auch?� rief Vollbrecht starr wie ein Haubenstock. �Schulden hat er freilich, und wenn es der Alte erf�hrt, wird er au�er sich gerathen. Aber bezahlen wird er keinen Pfennig. Damit wird es enden. Seit Jahr und Tag schon kommt er immer tiefer hinein. Der Alte hat ihm das Gesch�ft zum allergr��ten Theil �bergeben, die Fournierschneidem�hle und den Nutzholz- und Bretterhandel, aber das Capital mu� ihm verzinst werden, und das Grundst�ck ist sein Eigenthum geblieben. So wie er Unrath merkt, kann er zufassen, und das wird er, geben Sie Acht, das wird er!�

�Und wenn er den leichtsinnigen liederlichen Sohn zum Hause hinauswirft,� sagte Grie�feld, �wird das h�usliche tugendreiche Malchen mit ihrem vortrefflichen edelm�thigen Manne dort einziehen zur Freude aller Gerechten.�

�Gott beh�te!� antwortete Vollbrecht seine H�nde faltend. �Daran denken wir nicht. Es w�re schrecklich! Nein, gewi� nicht.�

�Es w�re sehr albern von Ihnen, wenn Sie nicht daran denken wollten,� entgegnete Grie�feld. Sie haben ein Recht dazu, Sie sind der n�chste Erbe, Sie m�ssen daran denken, es ist Ihre Pflicht.�

Vollbrecht's Augen vergr��erten sich, und ehe er sie wieder zusammenfaltete und nachdenklich auf seine Tasse heftete, richtete er sie so forschend als m�glich auf seinen G�nner, der immer noch in dem Taschenbuche bl�tterte, ohne ihn anzusehen. –

�Es ist allerdings Pflicht,� sagte er dann leise, �sich des alten Mannes anzunehmen, wenn seine eigenen Kinder ihn verlassen. Malchen hat ein Herz wie ein Engel, sie ist ganz voll Liebe und Dankbarkeit, aber Eigennutz – o nein! gewi� und wahrhaftig nicht, das sei ferne von uns.�

�Gro�m�thige Seele!� rief Grie�feld, �doch im Ernst, kleiner Vollbrecht, ich bin betr�bt dar�ber, denn ich glaube in der Lage zu sein, Ihnen die ganze Erbschaft sichern zu k�nnen.�

�Sie!� sagte Vollbrecht mit einem starren zweifelhaften L�cheln. – �Sie machen immer Spa�!� rief er dann lauter, �ich wei� es ja, Sie machen immer Spa�!�

�Nein, es ist Ernst,� fuhr Grie�feld fort. �Wenn Sie genau thun, was ich Ihnen sage, bin ich fest �berzeugt, da� Eckhoff Ihnen Alles giebt und l��t, was er sein Leben �ber zusammengescharrt hat.�

�Wie w�re dies denn m�glich?� fragte der kleine Mann sanft l�chelnd, aber mit habs�chtiger Gier, die wie eine Spinne durch seinen Kopf lief und ihre F�den �berall ankn�pfte. Er streckte lauernd sein spitzes Gesicht �ber den Tisch und brach dann in ein neues Gel�chter aus. �Es ist ja Nichts wie Spa�,� schrie er, �aber mich fangen Sie nicht damit; mich nicht!�

�Ich sage es Ihnen nochmals,� antwortete Grie�feld, indem er jetzt erst aufblickte und seinen Gast in einer Weise ansah, da� dieser sein Lachen einstellte und nur in den Mundwinkeln ein halb �ngstliches Grinsen festhielt, �ich gebe Ihnen mein Wort darauf, da� Sie die ganze Erbschaft bekommen, wenn Sie mir folgen.�

�Was soll ich denn thun, wenn es wirklich wahr ist?� fl�sterte Vollbrecht.

�K�nnen Sie schweigen?� fragte Grie�feld.

�Schweigen? O gewi�!�

�Auch gegen Ihre Frau schweigen?�

�Malchen? Man wird doch einer Frau �berhaupt nicht mehr sagen,� antwortete Herr Vollbrecht, mit stolzer W�rdigkeit sich an seinem Kragen aufhebend, �als was sie wissen soll.�

�Wenn dies wahr ist, wenn Sie schweigen k�nnen,� sagte Grie�feld, �wird Ihr Gl�ck gemacht sein; wenn die Weiber sich einmischen, werden Sie den Schaden davon haben. Wollen Sie genau befolgen, was ich sage?�

�Sie k�nnen sich so fest darauf verlassen, wie auf's Evangelium,� rief der kleine Mann, indem er heftig auf seinen blauen Frack klopfte.

�Gut,� sagte Grie�feld, �so sagen sie Niemand, da� Sie bei mir gewesen sind.�

�Ich sage es nicht einmal, wenn ich allein bin,� versicherte Vollbrecht freudig grinsend.

�Dr�cken Sie Widerwillen und Abscheu aus, wenn Jemand von mir spricht,� fuhr Grie�feld fort.

�Wie so?� rief der kleine Mann erstaunt. �Es ist gegen meine Natur.�

�Es geh�rt dazu,� antwortete Grie�feld. �Sobald Sie Gelegenheit finden, �ber mich zu sprechen, so zeigen Sie offen, wie tief Sie mich verachten.�

�Ich?� schrie Vollbrecht verwirrt und zweifelnd, �ich? Niemals!�

�Sagen Sie,� sprach der vornehme Herr kaltbl�tig weiter, �ich sei ein Spieler, ein Mensch von den schlechtesten Sitten, ein Raubritter oder Gl�cksritter, der die auspl�ndere und verderbe, die mit ihm umgehen, ein Weiberverf�hrer, ein Mensch, dem Nichts heilig sei. Verdammen und verachten Sie mich also auf's Tiefste und sparen Sie Nichts, um Ihre eigene Tugend gl�nzen zu lassen.�

Herr Vollbrecht streckte beide H�nde vor sich aus und �ffnete alle Finger vor Schreck. Er sagte kein Wort, er war ganz Starren und Staunen.

�Das ist Alles, was Sie f�r jetzt zu thun haben,� sagte Grie�feld, indem er aufstand. �Sie werden Gelegenheit haben, �ber mich zu sprechen. Jetzt verlassen Sie mich und vergessen Sie Nichts.�

�Und – und,� stammelte Vollbrecht, �es ist wirklich Ernst?�

�Ich habe Ihnen mein Wort darauf gegeben, damit pflege ich nicht zu spa�en,� antwortete der Hauptmann. �Jetzt kommt es darauf an, ob Sie klug genug sind, zu begreifen, was Ihnen gut ist. Wo wir uns also sehen werden, thun Sie genau, was ich Ihnen sage. Und jetzt guten Morgen, Herr Vollbrecht! An Ihre Gesch�fte! Wenn ich Sie brauche, werde ich Sie zu finden wissen.�

Mit diesen Worten schob er ihn zur Th�re hinaus, kehrte dann zur�ck, vollendete seine Toilette mit gr��ter Sorgfalt, kn�pfte ein neues Ordensb�ndchen in das oberste Knopfloch, und endlich, als er vor dem Spiegel sich �berzeugt hatte, da� sein zierlicher Ausputz vollkommen sei, verlie� er seine Wohnung, um Besuche zu machen.


III.

Auf dem gro�en Holzplatze des jungen Eckhoff stand beinahe in der Mitte ein kleines Haus, in welchem sein Vater lange Zeit gewohnt hatte, und wo er selbst seine Kindertage verlebte. Es war von Fachwerk, einfach gebaut und enthielt wenige enge Gem�cher, aber trotz seiner niedrigen Th�ren und Fenstern sah es doch einladend aus, denn Wein rankte daran auf, und ein G�rtchen, mit Fruchtb�umen, Blumen und einer Laube von spanischem Flieder besetzt, bildete ein Viereck darum.

Als Eduard mit seiner jungen Frau die neue gro�e Wohnung bezog, hatten sie mit Bitten nicht nachgelassen, bis der alte Vater sich entschlo�, die Zimmer im obern Stockwerk einzunehmen, denn bei Regen, Wind und Schnee war es nicht zu dulden, da� der alte Herr, wie er es wollte, in seinem H�uschen bleiben durfte. Er sollte mit ihnen wohnen und leben, ihren Tisch und ihre Freuden theilen, und eine Zeit lang war das Alles auch gut ausgef�hrt worden.

Nach und nach jedoch wuchs die Entfremdung durch gegenseitiges Unbehagen. Dem einfachen streng gesinnten Greise war Nichts recht, was er sah und h�rte; was sein Sohn that, gefiel ihm nicht, noch viel weniger gefiel ihm die aufgedrungene Schwiegertochter. Ist einmal Mi�fallen vorhanden, so wird es leicht im engeren Beisammensein noch mehr gen�hrt, und wo Vorurtheile sich festwurzeln, saugen sie aus den unschuldigsten Dingen neue Nahrung.

Was die junge Frau auch thun mochte, um die Zuneigung des Schwiegervaters zu gewinnen, es gelang ihr nimmermehr, und je eifriger sie sich bem�hte, um so gr��er wurde seine Abneigung. Es half ihr Nichts, da� sie sich sorgsam um ihn zeigte, ihrem Hauswesen getreulich vorstand und flei�ig ordnend waltete, sie vermehrte damit nur die mi�m�thigen Beobachtungen ihres Widersachers. Der Putz der jungen Frau und die pr�chtigen Einrichtungen ihrer Wohnung traten dadurch um so mehr bemerklich hervor, die Verschwendungen wurden sichtbarer und auff�lliger, und Alles, was er an seinem Sohne zu tadeln wu�te, legte er ihr zur Last, Alles r�hrte von dieser unbesonnenen unpassenden Heirath her.

Es blieb ihm nicht verborgen, da� Eduard sich kostspieligen Zerstreuungen hingab, die er fr�her nicht gehabt, und welche er nicht geduldet haben w�rde; daran war wiederum die Frau schuld. Er hatte sein ganzes Leben �ber einen stillen Haushalt gef�hrt, erst arm, dann reich, mit einfachen Speisen sich ges�ttigt, selten einmal einen Abend nicht an seinem Ofen bei Frau und Kind gesessen und selten Gastfreundschaft gegen Leute ge�bt, die so m��ig waren wie er selbst.

Seine Stiefschwester war an einen Schreiber, der den Titel Geheimsecretair f�hrte, verheirathet gewesen, der ihr wenig hinterlassen hatte, als er zu seinen V�tern gesammelt wurde. Er hatte f�r die Wittwe und ihre Tochter gesorgt und sorgte noch f�r sie, wie f�r mehrere andere arme entferntere Verwandte, sein Sohn aber und seine Schwiegertochter pa�ten weder f�r den Kreis seiner Gen�sse, noch f�r seine Freunde und seine Familie.

Zu ihnen kamen Leute, die ganz anders zu leben wu�ten. Da gab es bald Schmausereien und Einladungen, wo es der Eine dem Andern an theuren Speisen, Weinen und Aufwand aller Art zuvor thun wollte, und der junge Herr ging mit seinen lockeren Freunden Abends an die theuersten und ersten Vergn�gungsorte, schw�rmte dort bis in die sp�te Nacht hinein, vers�umte und vernachl�ssigte seine Gesch�fte, und daran war wieder diese leichtsinnige Frau schuld, denn w�re sie Eine gewesen, wie sie sein sollte, so w�re sie kr�ftig dazwischen gefahren.

Als das Kind geboren wurde, schien eine Aenderung und Ann�herung einzutreten. Der alte Mann f�hlte alles Gl�ck und die Z�rtlichkeit eines Gro�vaters, aber es war eine rauhe Z�rtlichkeit. Der Knabe sollte nach ihm hei�en, ungl�cklicher Weise aber hie� er Tobias, und gegen diesen Namen, der so urvorweltlich und gemein klang, protestirten alle Freunde und Bekannten des jungen Paares. Der Tobias durfte dem neuen Weltb�rger zwar nicht erspart werden, aber man nannte ihn daneben Robert, und mit diesem wohlklingenden Namen wurde er gerufen. Der alte Mann schwieg dazu, allein es war ihm gewi� und wurde ihm zugefl�stert, da� die vornehme Madame den ehrlichen Namen Tobias abscheulich und l�cherlich finde.

Dazu kam, da� sie eine Amme hielt, weil der Arzt es so wollte, oder wie der alte Mann �berzeugt war, weil sie ihr Kind nicht selbst n�hren wollte, da dergleichen nur das gew�hnliche Volk thue, und weil sie zu bequem dazu sei. Anscheinend freilich machte sie sich viel mit dem schw�chlichen Erstgeborenen zu schaffen, doch nur zum Schein, wie die Frau Geheimsecretairin auseinander setzte, und so ging der Zwiespalt denn Schritt f�r Schritt weiter bis zu jener Nacht, in welcher der heftige Auftritt zwischen Vater und Sohn einen offenen Bruch bewirkt hatte.

Am folgenden Tage sahen die Arbeiter auf dem Holzplatze zu ihrem Erstaunen, da� der alte Herr wieder in dem Holzhause wohne, und Mancher wunderte sich nicht wenig dar�ber, allerlei Ger�chte liefen um. Es konnte zwar Niemand etwas Bestimmtes sagen, doch konnte Keiner zweifeln, da� Etwas zwischen Vater und Sohn vorgefallen sein m��te.

Der alte Herr hatte die Leitung des Gesch�ftes zwar seinem Sohne �bergeben, aber er k�mmerte sich gern noch um die verschiedenen Arbeiten, gab seinen Rath, ordnete, wo es zu ordnen gab, und in seinem grauen dicken Halbrocke, seinen hohen Stiefeln und seiner M�tze ging er eben so umher wie seit drei�ig Jahren. Jeder Arbeiter sah ihn mit Ehrerbietung kommen, denn jeder wu�te, da� er doch der eigentliche Herr hier sei und die Sache am besten verstehe. –

Von dem Tage aber, wo er das H�uschen bezogen hatte, k�mmerte er sich nicht mehr um den Platz und die Gesch�fte. Er kam nicht heraus mit dem Zollstock im Stiefel, um Balken und Bretter zu messen; weder am fr�hen Morgen noch am sp�ten Abend sahen ihn die W�chter seine Runde machen, und wenn Jemand kam, um ihn �ber Etwas zu befragen, wies er ihn an seinen Sohn.

So waren drei Tage vor�ber gegangen, und zwischen dem pr�chtigen Hause an der Stra�e und dem H�uschen auf dem Hofe blieb alle Verbindung abgebrochen. Der alte Herr hatte seine Mobilien fortschaffen lassen, sich eingerichtet, seine fr�here Haush�lterin wieder herbeigeschafft und seine eigene Wirthschaft bestellt, ohne im Geringsten von seinen Kindern dabei gest�rt zu werden. Vielleicht hatte er Vorstellungen erwartet, Bitten und reuige Versprechungen, und es w�re dann zu einer Vers�hnung gekommen; allein Nichts von Allem geschah. Keine Stimme lie� sich h�ren, Niemand hinderte ihn, und mit geheimem ingrimmigem Schmerz sah er sich verlassen und vergessen. –

So starrsinnig seine Gem�thsart war, so gab es doch darin eine wunde Stelle. Den einen Sohn hatte er nur, er taugte zwar Nichts, aber es war doch sein Sohn. Und dort in der Wiege lag ein unschuldiges Kind; es gab ihm einen Stich in's Herz, da� er das Kind nicht sehen sollte.

Die drei Tage �ber war er fast nicht aus seiner Stube gekommen. Wenn er sich heftig �rgerte, litt er an Blutandrang und Kopfschmerzen, aber obwohl er annehmen mu�te, da� vorn im Hause sie gut wu�ten, wie es mit ihm ging, lie� sich dennoch keiner bei ihm sehen. Es war gewi�, da�, w�re sein Sohn gekommen, der Empfang �bel geendet haben w�rde, noch viel weniger durfte es die Schwiegertochter wagen. Doch das Kind konnten sie ihm schicken, aber sie schickten es nicht. Sie konnten ihm Zeichen ihrer Theilnahme geben, die er gewi� rauh abgefertigt haben w�rde, allein ihn verlangte eben darnach, und mit Bitterkeit erf�llt, die Lippen zusammengekniffen und die geballte Faust an die Stirn gedr�ckt, sa� er in dem gro�en Lederstuhle und wartete von Stunde zu Stunde auf einen Boten.

Statt dessen wurde es dunkel, und er konnte erkennen, da� die Wohnung seines Sohnes hell erleuchtet war. Der Kronleuchter brannte in dem Speisezimmer, und als er das Fenster �ffnete und das Weinlaub zur Seite bog, sah er auch die Seitenzimmer voll Licht und Menschen, welche darin hin- und hergingen. Sie gaben ein Fest, sie schwelgten, lachten und jubelten, der alte Vater aber sa� hier im Finstern allein, und seine Seele war voll Zorn und Ha�. –

Wie er �ber den stillen Hof forthorchte, h�rte er die Kl�nge des Fl�gels, der in dem Saale stand, und irgendwo mu�te ein Fenster ge�ffnet sein, denn es drangen auch die T�ne einer lieblichen Stimme zu ihm her�ber, welche einige Minuten lang ihn weicher stimmten. Das war die einzige Eigenschaft, welche er an seiner Schwiegertochter zu loben wu�te. Er h�rte gern zu, wenn sie am Clavier sa�, und mehr als einmal hatte sie ihn damit bes�nftigt und vers�hnt, wie Amphion Amphion, mythischer Herrscher von Theben, erhielt von Hermes eine Lyra, die er von vier auf sieben Saiten erweiterte und so zu spielen lernte, dass die Steine der Unterstadt von Theben sich bei seinem Lyraspiel von selbst zusammen f�gten, und aus diesem Grund wurde die Stadtmauer auch mit sieben Toren erbaut. Vom Bes�nftigen des tobenden Meeres durch sein Saitenspiel wei� der antike Mythos nichts. das tobende Meer. Als Tobias Eckhoff aber eine kurze Zeit gehorcht hatte, warf er das Fenster heftig zu und ging mit gro�en Schritten auf und nieder.

�Dies Weib,�, sagte er grollend halblaut, �ist die b�se Hexe. Eduard w�rde kommen, sie hindert ihn, er w�rde mir das Kind schicken, sie will es nicht leiden. Wenn das Weib nicht w�re, so w�re Alles gut, so w�rde ich einen Sohn haben, der mich liebte und achtete. Dies Weib macht ihn schlecht; es ist ein Fluch f�r mich, aber ich will's ihr vergelten. Ich will's ihnen Allen vergelten,� murmelte er vor sich hin, �denn sie taugen Nichts, und Unkraut mu� ausgerissen werden, wachse es, wo es wachse.�

�Bruder Tobias!� rief eine Weiberstimme vor der Th�re in der Dunkelheit. �Herr, mein Gott, Bruder Tobias, was ist denn das? Hier sitzt er ganz allein in der j�mmerlichen H�tte. Was ist denn geschehen, Tobias? – Ach, du g�tiger Gott, was geschieht Alles in der Welt!�

Mit diesen Worten war die Frau Geheimsecretairin herein getreten und schlug ihre H�nde jammernd zusammen.

�Nichts geschieht, und damit la� mich in Frieden, Hanne,� sagte der Alte rauh.

�Aber, Bruder Tobias,� versetzte sie weinerlich, �Du wohnst hier?�

�Ich will hier wohnen,� fuhr Eckhoff fort, �weil ich will! Es ist mir hier wohler wie irgendwo.�

Er stand auf, nahm ein Schwefelholz und z�ndete ein Licht an. W�hrend er dies that, ging die Frau Geheimsecretairin wieder an die Th�re und rief laut hinaus:

�Malchen! Vollbrecht! Kinder, kommt herauf, der gute Onkel wohnt wirklich hier. Lieber Gott, Tobias, wir wollten Dich besuchen, wollten Dich sehen, da wir Dich seit drei Tagen nicht gesehen haben. Wie wir an's Haus kommen, stehen vier oder f�nf Wagen da, und oben ist Alles erleuchtet. Kinder, sage ich, wir wollen umkehren, hier giebt's einmal wieder gro�e Gesellschaft. Wir wissen das nat�rlich nicht, denn wir geh�ren nicht dazu, aber der liebe Onkel Tobias wird obenan sitzen. – Wie ich das sage, steht der Christian unter dem Thorwege und hat es geh�rt. O nein, Frau Geheimsecretairin, sagte er leise zu mir, der alte Herr ist nicht oben dabei, es sind lauter vornehme Herrschaften. I Herr Jesus! schreie ich, sie werden doch den eigenen Vater nicht vergessen haben? Da weist der Christian auf das Haus hier und sagt ganz betr�bt: da wohnt der alte Herr schon seit drei Tagen und hat die Frau Heinzen wieder kommen lassen, die ihm kocht und ihn pflegt, denn er soll krank sein, wie sie sagen. – Wie ich das h�re, st�rze ich �ber den Hof, und mit schlagendem Herzen steigen wir die Treppe herauf. Ist es nicht wahr, Kinder,� rief sie, sich zu ihren Begleitern umwendend, die so eben eintraten, �haben wir uns nicht halb todt ge�ngstigt?�

Der matte Schein des Lichtes fiel zun�chst auf die runde fette Gestalt einer alten Frau, in deren Schatten wandelnd Herr Vollbrecht nur einige Andeutungen seines Daseins erkennen lie�, indem ein Elnbogen sichtbar wurde, welcher zu einem Arme geh�rte, dessen Hand die kleine blonde Tolle in die H�he strich.

Die junge Frau, welche neben der alten stand, sah aus wie die sieben magern K�he Pharaonis neben den fetten. Sie trug einen kurzen Mantel und einen Strohhut, obwohl die Jahreszeit schon tief herbstlich war. Ihr mageres Gesicht mit der gebogenen Nase hatte weiter nichts eben Unangenehmes, aber sehr scharfe Z�ge, die eine reizbare Gem�thsart ank�ndigten. Ihre Augen waren grau und lebhaft, und ihre Lippen so d�nn, da� sie kaum die Z�hne bedeckten.

Mit ausgestreckten Armen eilte sie auf den Tisch los, an welchem Tobias Eckhoff sich niedergelassen hatte, die Faust auf die Tischplatte dr�ckte und ein trotziges Schweigen beobachtete. Der Besuch kam ihm sichtlich ungelegen. Er hatte nicht Lust, seine Verwandten zu seinen Vertrauten zu machen und seinen Kummer in ihren Schoo� zu sch�tten.

�O Gott, mein armes Onkelchen!� rief die junge Frau mit einer Stimme, die eben so scharf war wie ihr Gesicht; �er leidet, er ist krank an seinem Kopfschmerze, der immer kommt, wenn er sich �rgert; h�tte ich nur von meinem Melissengeist etwas hier. August k�nnte nach Hause laufen und ihn holen.�

�Versteht sich!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Versteht sich, Vollbrecht, laufen Sie ganz geschwinde!�

Es geh�rte eine gute halbe Stunde dazu, um nach Hause zu laufen, aber Vollbrecht sprang sogleich vor und ri� seinen Hut hastig von dem Pulte, auf welches er ihn gestellt hatte.

�Gleich, gleich,� sagte er eilfertig, �gieb mir nur den Schl�ssel.�

�Setz' den Hut fort,� fiel der alte Mann grollend ein, �es ist viel zu weit.�

Das war allerdings der Fall, und im Grunde dachte Malchen eben so wenig ernsthaft daran, den Melissengeist herzugeben, wie ihr Mann, ihn zu holen, Beide aber machten Einwendungen, und Vollbrecht betheuerte, da� er in einer Viertelstunde wieder hier sein werde.

�Ich will's aber nicht!� sagte Tobias mit Entschiedenheit. �Es geht mir besser, morgen wird Alles vor�ber sein. Frisch Wasser ist mein bestes Mittel.�

�Richtig!�schrie die Frau Geheimsecretairin, �daran haben wir nicht gedacht. Einen Umschlag um den Kopf, das ist das Allerbeste, was es giebt. Aber recht kalt mu� das Wasser sein, ganz frisch aus dem Brunnen. Vollbrecht, holen Sie Wasser herauf!�

�Gleich, gleich!� schrie der kleine dienstfertige Mann, seinen Hut auf das Pult schleudernd.

�La�t mich in Frieden!� brummte Tobias Eckhoff. �Mir ist Nichts n�thig.�

�Holen Sie die Caraffe aus dem Waschtische, Vollbrecht,� schrie die Geheimsecretairin. �Aber schnell! Und ein Handtuch, Malchen, sieh zu, wo Du ein Handtuch findest.�

�Gleich, gleich!� antwortete Vollbrecht, indem er �ber die ausgestreckten Beine des Patienten stolperte und Malchen beinahe zu Boden rannte.

�Gott bewahre uns, was sind Sie wieder ungeschickt!� schrie die Frau Geheimsecretairin ihm nach.

�Er ist immer ungeschickt,� sagte Malchen, �aber wenn kein Handtuch gleich da ist, will ich mein Taschentuch geben. Es ist ganz neu, bester Onkel, und stark ist es auch. Feine Batistt�cher sind Nichts f�r uns. Die kann ich nicht bezahlen, und wenn ich es k�nnte, th�te ich es nicht. Nein, gewi� nicht! In diesen schlechten Zeiten sollte kein Mensch verschwenden, Jeder sollte sich einrichten, es hat Keiner jetzt Etwas �brig, der Reichste nicht.�

�Das arme Kind,� fiel die Frau Geheimsecretairin ein. �Es geht noch mit dem Sommerm�ntelchen und dem Strohhut.�

�Es schadet mir gar Nichts!� rief Malchen lachend, �durchaus nicht. Es ist h�bsch luftig, ich erhitze mich nicht darin. Bei der sch�nen Witterung kann ich recht gut noch damit durchkommen, und je l�nger ich mit dem Winteranzug warte, je l�nger h�lt er.�

�Du mein Gott!� schrie die Frau Geheimsecretairin, �was bleibt der Vollbrecht lange.�

�Der kommt niemals schnell wieder,� sagte Malchen.

�Auf der Treppe ist er schon,� fiel ihre Mutter ein, �ich werde ihm Beine machen.�

Sie �ffnete die Th�re ein wenig und schrie durch den Spalt:

�Was n�len Sie denn wieder so lange, Vollbrecht? es ist mit Ihnen doch kaum mehr aufzuhalten!� –

Hier versiegte Ihre Stimme pl�tzlich, und umschlagend in einen ganz anderen Ton, schrie sie:

�Ach Herr Jes's! Sie sind es, bestes Cousinchen? Treten Sie doch n�her. Wie geht es Ihnen denn? Wie befindet sich der Herr Gemahl? Sie sehen so reizend sch�n aus wie eine F�rstin, aber hier ist leider Krankheit. Mein armer Bruder Tobias ist krank und hat uns Nichts sagen lassen, kein Wort haben wir davon gewu�t.�

Die sch�ne, schlanke, geschm�ckte Frau, welche hereingetreten war, hatte nicht geglaubt die Familie ihres Schwiegervaters hier zu finden. Sie trug ihren Kopf halb in den gro�en Shawl geh�llt, der auch ihr Gewand und ihren Schmuck bedeckte. Die Frau Geheimsecretairin hatte daher nur eine boshafte Bemerkung angebracht, wenn sie Cl�rchen mit einer F�rstin verglich; als die H�lle jedoch herabfiel, erschien die junge Frau allerdings geschmackvoll gekleidet, und selbst das dunkle melancholische Licht auf dem kleinen Messingleuchter lie� die Brillanten in ihren Ohrgeh�ngen und in ihrer Brosche funkeln.

�Lieber Papa,� sagte Cl�rchen mit leise zitternder Stimme, �Alles, was in meiner Macht steht, soll geschehen, um Ihnen Beistand zu leisten.�

�Wir sind eben dabei, einen Umschlag zu machen,� fiel Malchen ein.

�Vielleicht kann ich etwas helfen,� fuhr die junge Frau fort.

�Nicht doch!� rief Malchen, �Ihr Anzug kann kein Wasser vertragen. Mir schadet es Nichts, wenn ich auch na� werde.�

Cl�rchen stand vor dem Tische, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Der alte Mann st�tzte den Arm auf, sah finster vor sich hin, ohne sie einmal anzublicken; die beiden Frauen musterten die beneidete Cousine vom Wirbel bis zur Zehe.

�Aber Vollbrecht,� schrie die Frau Geheimsecretairin, �was bleiben Sie denn da in der Th�re stehen? Ich glaube, er f�rchtet sich, haha! Es ist ganz gewi�, er f�rchtet sich vor der lieben Cousine.�

�Nein, Madame,� antwortete eine fremde Stimme, �es ist weder Herr Vollbrecht, den ich nicht die Ehre zu kennen habe, noch f�rchte ich mich; es ist vielmehr eine, wie ich denke, sehr gerechtfertigte Scheu, da� ich diesen Familienkreis nicht st�ren wollte.�

Die Frau Geheimsecretairin prallte mit einem Schrei bei den ersten Worten des fremden Herrn zur�ck, ihre Tochter fa�te nach dem Lichte, um ihn besser sehen zu k�nnen. Der alte Mann stand von seinem Stuhle auf und blickte den unverhofften Besuch fragend an.

�Mein lieber Herr Eckhoff,� sagte dieser l�chelnd, �ich sehe wohl, da� ich mich Ihnen selbst vorstellen mu�. Ich bin ein Verwandter Cl�rchens, Ihrer Schwiegertochter, ich hei�e Grie�feld, bin Hauptmann au�er Dienst, seit Kurzem von Reisen hierher zur�ckgekehrt, und da ich ein Gast Ihres Sohnes war, mochte ich mir das Vergn�gen nicht versagen, auch den wackeren Papa kennen zu lernen, von welchem ich so viel Gutes und Treffliches geh�rt habe. Daher erlaubte ich mir denn Cl�rchen zu begleiten, um Ihre Bekanntschaft zu machen.�

Der alte Mann h�rte ruhig an, was der stattliche Herr sagte, der mit den liebensw�rdigsten Formen seine Worte einschmeichelte.

�Wenn es das ist,� antwortete er, �so seien Sie mir willkommen, Herr Hauptmann, obwohl ich Sie heute kaum einladen kann, sich bei mir niederzulassen. Es geht mir eben nicht zum Besten.�

�Aber Sie haben so vortreffliche Aerzte um sich,� versetzte Grie�feld, �da� die Heilung nicht ausbleiben kann.�

�Mein bester Arzt bin ich selbst,� sagte Eckhoff. �Man mu� sich immer selbst zu helfen suchen. Viele K�che verderben den Brei.�

�Wo so sanfte und sch�ne H�nde th�tig sind,� fuhr der Hauptmann fort, indem er die langen d�rren und die kurzen dicken Finger der beiden Damen betrachtete, welche sich auf dem Tische mit dem Zusammenlegen des Taschentuches besch�ftigten, �da m�ssen alle Schmerzen schnell ein Ende nehmen.�

Malchen l�chelte anmuthig und dankbar f�r das zweideutige Compliment, die Frau Geheimsecretairin bezeugte ihr Vergn�gen durch einen leisen grunzenden Ton und einen ermunternden Blick von unten nach oben, der an dem geschweiften Schnurrbart des Hauptmanns oder an dem B�ndchen in seinem obersten Knopfloche beif�llig ausruhte.

W�hrend dieser Zeit war auch Herr Vollbrecht mit der gef�llten Wasserflasche zur�ckgekehrt, die er an Hals und Boden festhielt und sich damit hinter die beiden Genien seines Lebens stellte.

�Und dieser Herr geh�rt ebenfalls zur Familie, wie ich denke,� sagte der Hauptmann.

Malchen wandte den Kopf ein wenig nach dem kleinen Manne um, dem ihre Mutter die Caraffe abnahm, w�hrend Eckhoff f�r Beide antwortete.

�Es ist richtig,� erwiederte er. �Die junge Frau da ist Vollbrecht's Frau, und ihre Mutter hier ist meine Schwester. Es ist meine ganze Familie, die hier beisammen ist.�

�Mit Ausnahme des Einen, der uns fehlt,� sagte Grie�feld, �mit Ausnahme Ihres Sohnes und des kleinen Robert, der noch nicht zum Gro�vater kommen kann, sondern warten mu�, bis dieser zu ihm kommt.�

Bei diesen Worten verfinsterte sich das Gesicht des alten Mannes. Was er auf Minuten vergessen hatte, fiel ihm pl�tzlich mit verdoppelter Heftigkeit ein, und zwischen seinen grauen Augenbrauen hervor warf er einen zornigen Blick auf die geputzte Schwiegertochter.

�So,� sagte er an sich haltend, �ja freilich, ja, der ist nicht hier, ich hatte es beinahe vergessen.�

Clara richtete die Augen scheu auf den Boden und auf ihre Umgebungen. Sie h�tte gern all ihren Schmuck in die langen Finger ihrer Cousine gedr�ckt, h�tte sie diese damit aus dem Hause schaffen k�nnen, aber weder ihre bittenden Blicke, noch ihr flehendes L�cheln wurden verstanden. Die Gesichter der Frau Geheimsecretairin und ihrer Tochter dr�ckten keine Spur von Theilnahme aus, und hinter ihnen stand Herr Vollbrecht, die Augen zusammengekniffen, den Kopf in dem Nacken und seine Stirn voll grimmiger Falten.

�Mein bester Herr Eckhoff,� sagte der Hauptmann l�chelnd, �V�ter m�ssen ihren S�hnen Manches nachsehen. Jugend hat einmal keine Tugend, Jeder mu� an seine eigene Jugend denken, um nachsichtig zu sein. Sie werden mir verzeihen,� setzte er rasch hinzu, als er sah, da� die Augen des Alten ihn drohend anstarrten, �ich habe von meinem Freunde Eduard geh�rt, da� er mit Ihnen ganz gegen seinen Willen in einige Zerw�rfnisse gerieth, und als ein Verwandter, und weil mir aller Streit verha�t ist, vor Allem aber, weil ich einen so w�rdigen Mann liebe und verehre, wage ich es, Cl�rchens Bitten durch meine Bitten zu unter: st�tzen.�

�Warum hat mein Sohn seine Frau nicht selbst begleitet?� fragte der alte Mann.

�Lieber Papa,� fl�sterte Cl�rchen, �Sie wissen, Eduard – ich bin daran Schuld.�

�Ja, das wei� ich,� antwortete er mit tiefer grollender Stimme.

�In Wahrheit,� fiel Grie�feld ein, �ich bin es, der ihm rieth, uns die Einleitung machen zu lassen. Man mu� in der Welt vers�hnlich sein; wer wei�, wie bald man Alles lassen und verlassen mu�? Darum lassen Sie uns ein sch�nes Friedensfest feiern, geben Sie mir Ihre Hand darauf. Ich hole ihn her, edler, gro�m�thiger Papa! Bringen Sie ihm selbst Ihren Segen und Ihre Liebe.�

Er hatte sich der Hand des alten Mannes bem�chtigt, der ihm diese jedoch mit einem kr�ftigen Ruck entzog.

�Es ist hier nicht Zeit und Ort, mich dar�ber zu erkl�ren,� sagte er so ruhig er konnte. �Ich will's bedenken.�

�Ein Vater mu� sich nicht bedenken, wenn er seinen Sohn in seine Arme schlie�en will.�

�Ich will's nicht!� erwiederte der alte Mann heftiger, �sprechen Sie Nichts mehr davon. Sie kennen die Sache nicht; so geht's nicht mit uns.�

�Aber wenn wir Alle bitten, wenn die Damen sich mit uns vereinigen?�

Die Damen antworteten Nichts. Malchen stemmte jedoch den Arm in die Seite, und die Frau Geheimsecretairin sch�ttelte so gewaltsam den Kopf, da� der eine Seitenkamm mit den falschen Locken ihm abfiel.

�Nun denn,� sagte der unerm�dliche Hauptmann, �so ist hier Ihre Schwiegertochter, die Sie auf's Innigste liebt und verehrt und in tiefster Herzensbetr�bni� �ber Ihren Zorn ist.�

�Das ist wahr!� rief der alte Mann im Tone des bittersten Hohnes.

�Lieber Papa,� sagte Clara dem�thig, �seien Sie g�tig gegen mich. K�nnte ich Ihnen doch mein ganzes Herz zeigen.�

�Ein so edles und sch�nes Herz darf nicht vergebens bitten,� fiel Grie�feld ein. �Nehmen Sie die ausgestreckte Hand an, Herr Eckhoff, kein K�nig w�rde sich besinnen.�

�Herr,� sagte der Greis, indem er aufstand, �Herr Hauptmann, ich habe Ihren Namen vergessen, aber es thut Nichts. Jeder fege vor seiner Th�r, das ist ein altes richtiges Sprichwort, und damit – ich denke, Sie verstehen mich.�

�Ganz ohne Zweifel,� antwortete Grie�feld, �aber Ihr Sohn ist mein Freund und Cl�rchen meine Cousine.�

�So bleiben Sie bei Ihrem Freund und Ihrer Cousine. Ich w�nsche Ihnen einen guten Abend.�

Der Hauptmann strich l�chelnd �ber seinen Bart.

�Eduard hat also Recht,� sagte er halblaut. �Seien Sie nicht so traurig, liebes Cl�rchen, dergleichen versteht man hier nicht.�

�O lieber Papa,� antwortete die junge Frau, indem sie ihre Hand bittend auf die rauhen H�nde des alten Mannes legte, �k�nnte ich nur eine Viertelstunde mit Ihnen allein sein.�

�Nimm Deinen Hut, Malchen,� schrie die Frau Geheimsecretairin, �wir k�nnen gleich Platz machen.�

�Ihr bleibt!� sagte Eckhoff; �ich habe mit der Madame da Nichts zu sprechen.�

�Bester guter Papa,� fuhr Cl�rchen flehend fort, �nicht um mich, um Eduard's Willen h�ren Sie mich. Ich liebe ihn, ich bin seine Gattin.�

�Ja, leider!� rief er rauh zur�ckweichend; �das ist es.�

Sie lie� ihre H�nde sinken und zitterte.

�Es ist beinahe zu viel,� fl�sterte sie mit erl�schender Stimme.

�Herr Eckhoff,� sagte der Hauptmann, �gegen eine Dame hat auch der roheste und ungebildetste Mensch R�cksichten zu nehmen. Ich bedauere sehr, dazu beigetragen zu haben, da� meine Verwandte von Ihnen gemi�handelt wird, allein ich f�rchte leider, da� dies nicht da� erste Mal ist.�

Die Stirn des alten Mannes und sein ganzer Kopf wurden dunkelroth. Er f�hlte die Vorw�rfe, die ihm gemacht wurden, aber sie steigerten seinen Grimm. Statt der Antwort hob er die Hand auf und deutete nach der Th�re.

�Sehr wohl, sehr wohl,� sagte Grie�feld mit seiner unersch�tterlichen Ruhe, indem er Cl�rchen seinen Arm bot.

�Kann ich Sie nicht erweichen? Wollen Sie mich nicht h�ren?� fragte diese mit einer letzten Anstrengung.

�Nein, Madame, nein!� rief er, den Kopf sch�ttelnd. �Wir passen nicht zusammen, Sie nicht zu uns, wir nicht zu Ihnen!�

�Darin liegt sehr viel Wahres,� erwiederte Grie�feld, indem er seine Verwandte fortf�hrte, �und wenn Sie das fr�her bedacht h�tten, Cl�rchen, w�rden Sie sich nicht so weit herabgelassen haben.�

Diese letzten Worte schallten von der Th�re her und wurden nicht zuf�llig so laut ausgesprochen, da� jede Silbe in die Ohren der Frau Geheimsecretairin drang.

�Herabgelassen!� schrie sie wie elektrisirt von dieser Beleidigung, und ihrem Ausrufe folgte ein Hohngel�chter. �Herabgelassen, sagt er, der Hasenfu�! Es ist eine allerliebste Herablassung, wenn man bettelarm ist wie eine Kirchmaus, und wer hat sich denn darnach gedr�ngt? Wer hat denn alle K�nste in Bewegung gesetzt und hinter dem R�cken seines Vaters ihn so lange verlockt, bis er ganz in ihre Netze gefallen war?�

�Und wie hat sie unser Mitleid vergolten,� fiel Malchen ein, �als wir uns herablie�en, sie zuweilen bei uns zu dulden? Diese Heuchelei �bersteigt alle Begriffe!�

Diese Antworten wurden mit solcher Gewalt gegeben, da� sie unm�glich den beiden Fortgehenden, welche langsam die dunkle Treppe herabstiegen, entgehen konnten, zum Ueberflu� aber erwachte jetzt auch Herr Vollbrecht aus seiner Napoleonsstellung, welche er bis dahin unersch�tterlich behauptet hatte. Er fuhr mit seinen langen knochigen Fingern an die beiden Ecken seines Hemdkragens, zog sich in die H�he, als wollte er an die Decke fahren, und schrie mit ganzer Energie:

�Es ist sch�ndlich! Es ist emp�rend! Dieser Mensch, dieser elende Mensch, dies Ungeheuer darf hierher kommen!�

Malchen und ihre Mutter beobachteten anfangs diese Anstrengung nicht, doch zu den Gedanken des alten Mannes pa�ten sie besser. Er wandte sich zu Vollbrecht um, der seinen Kragen losgelassen hatte und tiefsinnig mit beiden H�nden das dicht an seine Schl�fe liegende Haar noch fester klebte.

�Kennst Du den da?� fragte er.

�Kennen?� antwortete Vollbrecht schrecklich grinsend, �kennen? o!� hier hielt er inne und besann sich, �kennen?� wiederholte er dann gelassener, �Gott sei Dank, nein, niemals, ich w�rde mich sch�men, wenn ich ihn kennte. Ja, wirklich sch�men,� rief er, seine Rechte wagerecht ausstreckend, als wollte er Etwas von sich sto�en, �und ehe ich ihn meinen Freund nennte, ehe ich das th�te, wollte ich mir die Zunge abbei�en. Ja, das wollte ich, das th�te ich!�

Herr Vollbrecht klopfte heftig auf seinen blauen Frack. Er hatte die allgemeine Neugier erregt, seine Frau und seine Schwiegermutter fielen mit Fragen �ber ihn her, auf welche er mehrere unbestimmte und geheimnisvolle Antworten gab.

�Aber Vollbrecht!� rief die Frau Geheimsecretairin �rgerlich, �was ist denn das wieder f�r eine neue alberne Angewohnheit, da� Sie nicht ordentlich antworten, wenn Sie gefragt werden?�

�So macht er es ja immer,� fiel Malchen ein. �Sage jetzt einfach gerade heraus, welche Verbrechen der Mensch begangen hat.�

�Es sind vielleicht eigentlich gar keine Verbrechen,� erwiederte der kleine Mann nachdenklich vor sich hinschauend, indem er die Arme kreuzte und den Kopf sch�ttelte, �wenigstens m�gen vornehme Leute Nichts darin finden, aber ein redlicher Familienvater, ein schlichter B�rger – nein, mein Freund w�rde er niemals sein, darauf kann ich schw�ren, mir w�re er zu schlecht, viel zu schlecht!�

�O,� sagte Malchen triumphirend, �und von solchem schlechten Menschen l��t sie sich liebes Cl�rchen nennen und geht Arm in Arm mit ihm? Jetzt erz�hlst Du auf der Stelle, August, was Du wei�t.�

Vor dieser energischen Forderung, welche Malchen mit dem Ausstrecken ihres Zeigefingers begleitete, beugte sich ihr Mann.

�Was ich wei�, ist,� sagte er, �da� der Hauptmann spielt und seinen Freunden das Geld abnimmt. Er reist f�rmlich darauf, geht in die B�der oder nach Paris und pl�ndert Jeden aus, der mit ihm umgeht.�

�Ach Herr Jes's, ein Spieler!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Das fehlte noch, da� der in's Haus kommt.�

�Solche vornehme Verwandte hat sie,� fiel Malchen h�hnisch ein, �und bei alledem hat sie sich dennoch herabgelassen, Eduard zu nehmen. Mit dem Spieler geht sie Arm in Arm, ihm zu Ehren werden Gesellschaften gegeben, w�hrend der gute Onkel –�

Die Stimme versagte ihr, sie hielt die H�nde vor ihr Gesicht.

�Was wei�t Du weiter von ihm?� fragte der alte Mann.

�Weiter?� erwiederte Herr Vollbrecht, �o – weiter Nichts, nur – es ist ein galanter Herr, n�mlich bei den Damen; ein sch�ner Mann, ja, wirklich sch�n ist er. Ich kenne ihn gar nicht, ob's wahr ist, wei� ich nicht, aber es hat mir's Einer erz�hlt, der von fr�her her mit ihm bekannt war. Ueber alle Ma�en ausschweifend soll er sein, keine Frau ist vor ihm sicher.�

�Pfui!� rief die Frau Geheimsecretairin, �ich dachte es gleich, wie er mich ansah, denn ein Paar Augen hat er im Kopfe wie Kohlen!�

�Und mit dem Menschen geht sie Arm in Arm, der ist ihr Vetter!� sagte Malchen in tiefster sittlicher Emp�rung.

�Ich m�chte sein Vetter nicht sein!� schrie Vollbrecht. �Nicht um eine Million m�chte ich sein Vetter sein!�

�Ach Onkel, armer lieber Onkel, gr�me Dich nicht,� schluchzte Malchen, indem sie ihre Arme um die Schultern des alten Mannes legte, der lautlos in seinem Sorgenstuhle sa� und den Kopf in seine Hand st�tzte.

�Bruder Tobias,� flehte die Frau Geheimsecretairin, von der anderen Seite ihn umfassend, �wir sind bei Dir zu aller Zeit.�

�Es ist gut,� sagte der alte Mann, �jetzt geht.�

�Der Umschlag!� schrie die Frau Geheimsecretairin, �Gott im Himmel! Du siehst wie ein Krebs so roth aus.�

�Hier ist mein Tuch schon zusammengelegt,� sagte Malchen.

�Wo ist das Wasser und der Napf? Stehen Sie doch nicht da wie ein Stock, Vollbrecht.�

�Gleich, gleich!� rief der kleine Mann, indem er hastig nach der Caraffe griff, die er in einen Winkel gesetzt hatte.

�Geht Alle!� sagte Tobias Eckhoff ingrimmig, seinen Arm aufhebend und die Faust ballend, �la�t mich allein.�

Er fa�te nach dem Tuche, schleuderte es von sich und stand auf.

Sein Gesicht war so drohend, da� die beiden Frauen kein Wort weiter wagten. Sie nahmen schweigend und bek�mmert ihre M�ntel und H�te; Vollbrecht hob das Tuch auf, Malchen wischte sich die Augen und steckte es ein, dann stellte sich Vollbrecht hinter den Tisch, um seinem Wohlth�ter m�glichst aus dem Wege zu gehen, der mit gro�en Schritten und ohne aufzublicken auf- und abging.

�Kinder sind unsers Lebens Gl�ck und Qual,� seufzte die Frau Geheimsecretairin, indem sie die Haken an Malchens Mantel zumachte. �Die Gerechten tr�stet Gott, das ist mein Trost. Gute Nacht, Bruder Tobias! Wir befolgen Deinen Willen, wenn unser Herz auch ruft: bleibe bei ihm.�

�Gute Nacht, bester Onkel,� sagte Malchen niedergeschlagen.

�Halt!� rief der alte Mann an dem Pulte stillstehend, das er aufschlo� und aus einem Schubfach eine Rolle Thalerst�cke herausnahm. �Kaufe Dir einen Mantel und einen Winterhut,� sagte er. �Und Du, Vollbrecht, komm morgen fr�h um acht Uhr zu mir.�

�O lieber, theurer Onkel, darf ich es annehmen?� lispelte Malchen. �Mutter, sieh doch nur.�

Die Frau Geheimsecretairin breitete ihre Arme und ihren Mantel aus, aber Tobias winkte mit solcher Heftigkeit und kehrte ihr so rasch den R�cken zu, da� sie es f�r das Beste hielt, ohne l�ngeren Zeitverlust mit ihren Kindern sich zu entfernen.

Als sp�t am Abend die Aufw�rterin noch Licht in ihres Herrn Zimmer entdeckte, steckte sie leise den Kopf herein und sah ihn am Tische sitzen. Das Licht brannte dunkel, er las ohne Brille in einem dicken Buche. Seine Lippen bewegten sich, doch sein Gesicht sah so zornig, starr und heftig aus, da� die Magd davor erschrak. Sie wagte nicht, ihn anzureden, aber sie kannte das Buch recht gut. Es war die Bibel.


IV.

Eine Woche verging, w�hrend welcher Herr Vollbrecht von seinem G�nner Nichts h�rte, und im Grunde war ihm dies auch lieb, denn er empfand ein gewisses unheimliches Gef�hl, wenn er an den Hauptmann dachte, und f�rchtete sich beinahe, ihm zu begegnen.

Endlich traf er mit ihm zusammen, und zwar auf der Stra�e in der N�he von Eckhoff's Hause, wo ihm Grie�feld Arm in Arm mit dem Herrn Eckhoff junior entgegen kam und, wo es ihm unm�glich war auszuweichen. Er hatte daher einen m�nnlichen Entschlu� gefa�t, hatte sich am Kragen geh�rig in die H�he gezogen und ging alsdann gerade auf die beiden Herren los, die ihn kommen sahen und einige Worte wechselten, worauf sie zu lachen anfingen.

�Nicht doch,� h�rte Vollbrecht seinen Vetter sagen, �im Grunde ist er gutm�thig und thut mir leid.�

�Solche Packesel sind zu Allem zu gebrauchen,� antwortete der Hauptmann.

Das war es, was der kleine Mann vernahm, aber er war weit entfernt davon, den Packesel auf sich zu beziehen. Als er gr��te, redete ihn Eduard an, und w�hrend er mit ihm sprach, stand der Hauptmann daneben und betrachtete ihn so sonderbar scharf, da� er dar�ber �u�erst verlegen wurde. Endlich lie� er sich sogar ihm vorstellen, erinnerte ihn an den Abend beim alten Eckhoff, lachte und witzelte und richtete einige Fragen an ihn. Es war unm�glich sich loszumachen, und doch f�rchtete Vollbrecht, da� er in dieser Gesellschaft gesehen werden k�nnte.

Eduard sprach mit ihm �ber das Verh�ltni� zu seinem Vater.

�Wie ich vernommen habe,� sagte er, �l��t er Dich jetzt oft zu sich kommen, und man hat mir erz�hlt, da� er Euch fast t�glich besucht.�

�T�glich, nein gewi� nicht!� antwortete Vollbrecht, �nur zuweilen kommt er und giebt mir Auftr�ge f�r Gesch�fte und dergleichen.�

�Spricht er von mir?� fragte der junge Mann.

�O,� antwortete Vollbrecht sich �ngstlich umsehend, �da� ich nicht w��te. Er spricht gar nicht dar�ber oder doch kaum ein Wort, kaum eine Bemerkung.�

�Es l��t sich denken,� fiel Grie�feld ein, �da� bei so nahen Verwandten Familienangelegenheiten besprochen werden, und gewi� kann Herr Vollbrecht dar�ber die beste Auskunft geben.�

Vollbrecht's Angst stieg, als Eduard seine Hand dr�ckte und vertraulich sagte:

�Du wei�t, da� ich es immer gut mit Dir meinte, stehe mir also bei, so viel Du kannst, um meinen Vater vers�hnen zu helfen. Er giebt nicht viel auf das, was Du Gutes von mir sagen m�chtest, aber geh�re nicht zu denen, die Oel in's Feuer gie�en, und wenn Du willst, kannst Du mir doch Dienste leisten, die ich Dir niemals vergessen werde.�

�Das wird Herr Vollbrecht, f�r den ich mich verb�rgen m�chte, jedenfalls thun,� fiel der Hauptmann ein.

�Ja, das werde ich jedenfalls thun,� sagte Vollbrecht mechanisch

�Dann theile mir mit, wie mein Vater gesonnen ist. Zu ihm gehen, bitten, mich reuig zeigen kann ich nicht. Er ist ein eigensinniger Mann und von hartem Charakter. Was er f�r Recht h�lt, soll f�r Jeden Recht sein und bleiben. Er kennt Nichts als Arbeit vom Morgen bis zum Abend; jede Erholung, jedes Vergn�gen scheint ihm Ueberflu� oder Verschwendung. Er ist darnach erzogen worden, hat gearbeitet sein Leben �ber und verlangt Nichts weiter. – Da� er reich geworden ist, hat Nichts daran ge�ndert, und so ist es auch mit meiner Mutter gewesen; ihr Geld hat beiden Nichts genutzt. Ich dagegen will mein Leben.genie�en, will meinen Reichthum anwenden, wie es sich f�r mich schickt. Mitnehmen kann Keiner Etwas. Wenn mein Vater die Augen zumacht, hat ihm all sein Sparen und Knausern Nichts geholfen, er mu� es mir doch hinterlassen. Ich will mich also nicht mit ihm vers�hnen, um in die alte Abh�ngigkeit zu kommen, mich anfahren und ausschelten zu lassen, ich bin froh, da� dies endlich aufgeh�rt hat, und jedenfalls, wenn wir wieder gute Freunde werden wollen, mu� er mich leben lassen, wie ich es f�r gut befinde. Aber er ist mein Vater,� fuhr er fort, �und schon um deswegen thut es mir weh, wenn er nicht bald nachgiebt und eigensinnig bleibt, noch weher aber thut es mir meiner Frau wegen, die ein weiches Herz hat und sich darum gr�mt, da� der alte Mann so einsam und verlassen in der H�tte sitzt. Sogar das Kind hat er zur�ckgewiesen, da� sie ihm gestern hin�ber schickte. Und darum bitte ich Dich, Vollbrecht, stelle ihm dies Alles vor. Nimm die Gelegenheit wahr, meine Sache bei ihm zu f�hren, sage ihm, da� wir mit Freuden uns auss�hnen wollen; besonders stelle ihm vor, wie hart und unbillig er gegen Cl�rchen gewesen ist, die ihn noch immer vertheidigt und trotz aller seiner Heftigkeit – ja wahrlich, ich mu� es sagen, ihm mehr zugethan ist, wie ich es bin.�

�Ich bin �berzeugt,� sagte Grie�feld, �Herr Vollbrecht wird dies gewi� gern thun.�

�Gewi�, ich werde es gern thun,� wiederholte Vollbrecht, indem er auf den blauen Frack klopfte.

Eduard dankte ihm mit warmen Worten.

�Ich will auch n�chstens mit Malchen sprechen,� sagte er, �oder thue Du es. Sie hat den meisten Einflu� auf meines Vaters Gem�th. Helft uns den Alten vers�hnen und glaubt mir, da� ich es nicht vergessen werde. Wo ich irgend dienen kann, geschieht es gewi�, und bin ich einmal reich, so wird es Euch nicht fehlen.�

�Das wird sich Herr Vollbrecht ganz besonders merken,� sagte der Hauptmann, den Finger aufhebend.

�Ich werde es mir merken,� rief Vollbrecht heftig nickend, dann aber lief er, so schnell er konnte, davon, als er endlich losgelassen wurde.

�Nicht ein Wort soll �ber meine Lippen kommen,� murmelte er sich zu, als er allein war, �allein ich wollte, da� dieser Hauptmann beim Geier w�re! Ich wollte, da� ich mich mit ihm gar nicht eingelassen h�tte, denn wenn es herauskommt, da� ich ihn kenne und es verschwiegen habe, so vergiebt es mir Malchen nimmermehr.�

 

Den ganzen Tag �ber lebte er in schwerer Besorgni�, da� er mit den beiden Verfehmten im Gespr�ch gesehen worden sei, und als gegen Abend seine Schwiegermutter nach Hause kam, vor ihm stehen blieb und ihn scharf ansah, zitterte er wie ein Verbrecher.

�Wie sehen Sie denn aus, Vollbrecht?� sagte die Frau Geheimsecretairin.

�Wie so?� fragte er, seine Augen zusammenfaltend und die d�nne Tolle streichelnd.

�Sie sehen ja ganz bla� aus,� fuhr die strenge Dame fort, �und Sie zittern ja.�

�Ich zittere gar nicht,� antwortete er, indem er sich mit einem Rucke aufrichtete und alle Muskeln anstrengte.

�Sie machen sich nicht genug zu thun,� rief die Frau Geheimsecretairin; �Sie sind kein Mann, der auf seinem Posten ist.�

�Er ist nie auf seinem Posten,� sagte Malchen, die am Tische sa� und n�hte.

�Wenn Sie auf ihrem Posten w�ren,� fiel die Mutter ein, weil sie sah, da� Vollbrecht Etwas antworten wollte, �so w�rden Sie nicht hier sitzen, Cigarren rauchen und Nichts thun, sondern Sie w�rden sich auf die Lauer legen, wenn's auch Keulen und Fr�sche regnete, um Ihrem Wohlth�ter zu n�tzen.�

�Er n�tzt nie Etwas,� sagte Malchen vor sich hin.

�Was w�ren Sie denn ohne meinen Bruder Tobias?� fuhr die Frau Geheimsecretairin fort. �W�ren Sie etwa in unsere Familie gekommen? Schwerlich! Nichts w�ren Sie, gar Nichts. Du mein Jes's, es ist eine Schande, eine Schande ist es!�

Vollbrecht senkte den Kopf dem�thig nieder.

�Aber ich wei� ja nicht,� fl�sterte er zerknirscht, �was ich thun soll.�

�Jetzt wird's immer sch�ner!� schrie die Dame. �Er wei� nicht, was er thun soll.�

�Er wei� nie, was er thun soll,� sagte Malchen.

�Aufpassen sollen Sie, was vorgeht!� fuhr die Mutter fort. �Nachrichten sollen Sie sammeln �ber den schlechten Menschen, den Hauptmann, Alles was Sie h�ren, sehen und erfahren k�nnen, sollen Sie Ihrem Wohlth�ter hinterbringen. Aber Sie sehen, h�ren und erfahren Nichts, weil Sie viel zu nachl�ssig und bequem sind!�

Vollbrecht suchte sich zu vertheidigen, allein die erz�rnte alte Dame befahl ihm zu schweigen.

�Wenn Sie nicht nachl�ssig w�ren,� schrie sie ihm zu, �so m��ten Sie jetzt l�ngst wissen, was ich wei�, und nicht hier im Schlafrock warten, bis die Neuigkeiten zu Ihnen kommen. Eben habe ich ihn gesehen, den Spieler und Verf�hrer, und neben ihm ging der verlorene Sohn mit noch einigen Anderen von derselben Sorte. Alle Tage ist der Herr Hauptmann jetzt bei seinem Busenfreunde, und Abends leistet er der Frau Cousine Gesellschaft. Heute aber haben sie sie allein gelassen. In's franz�sische Kaffeehaus sind sie hinein gegangen, ich habe es mit meinen Augen gesehen, und jetzt gehen Sie auf der Stelle, Vollbrecht, und sehen Sie zu, was Sie weiter erfahren k�nnen.�

Es war kein sehr angenehmes Wetter drau�en; eben begann es dicht und fein zu regnen, aber Vollbrecht wagte keinen Einwand zu machen. Er zog geduldig seine Stiefeln an, fuhr eifrig mit den d�rren und langen H�nden in seinen blauen Frack, kn�pfte den Paletot dar�ber und nahm den schlechtesten Hut vom Nagel.

Er hatte noch Nichts gegessen und machte eine sehns�chtige Bemerkung, da� es sp�t werden k�nne, was jedoch nicht die geringsten Folgen hatte; dann griff er in seine Tasche und fand, da� au�er einigen kleinen Geldst�cken Nichts darin sei. An den Schreibtisch zu gehen, um diese Baarschaft zu vermehren, wagte er nicht, weil er f�rchtete, da� es bemerkt werden m�chte, und da Malchen die Kasse f�hrte und er vom Anfang an gew�hnt worden war, ihr genaue Rechenschaft abzulegen, mu�te er sich �berhaupt bittend an seine Eheh�lfte wenden.

Welche S�nden und Fehler aber die junge Frau an ihrem Manne zu r�gen und zu r�chen hatte, Verschwendung konnte sie ihm nicht vorwerfen; im Gegentheil war, wie sie ihm zugestand, Sparsamkeit neben p�nktlichem Gehorsam seine einzige Tugend, die so weit ging, da� Malchen in nachsichtigen Minuten ihn sogar ermunterte, doch dann und wann Etwas f�r sein Vergn�gen auszugeben, was er jedoch stets standhaft abschlug, weil ohne sein Malchen ihm doch Nichts schmecke.

Als Herr Vollbrecht auf die Stra�e trat, schlug ihm der kalte Regen entgegen. Er spannte seinen Schirm auf und ging langsam gegen den Wind an; den Schirm vor sich ausgestreckt, dachte er dar�ber angestrengt nach, welches die billigste Art sei, um in das franz�sische Kaffeehaus zu gelangen. Er rechnete alle Biersorten durch, und von welcher er wohl das m�glichst kleinste Fl�schchen fordern k�nnte, oder ob er nicht lieber Jemand suchen oder Jemand erwarten k�nnte, ohne das Geringste zu verzehren; pl�tzlich aber f�hlte er eine Hand auf seiner Schulter, und eine Stimme, welche er nicht verkennen konnte, sprach zu ihm:

�Kleiner Vollbrecht, da sind Sie ja. Vortrefflich, da� Sie in meine H�nde fallen! Ich bin begierig darauf. Erz�hlen Sie mir, wie unsere Angelegenheit steht. Welche Auftr�ge hat Ihnen der alte Barbar gegeben?�

Herr Vollbrecht war durch diesen Ueberfall sehr erschreckt. Er hatte Nichts gesehen, Nichts geh�rt, wie Malchen es ihm so oft vorwarf; pl�tzlich stand der vor ihm, den er ausgegangen war zu suchen, wie Saul seines Vaters Eselin, als er ein K�nigreich fand.

�Bitte recht sehr, o bitte,� stotterte der kleine Mann, �es ist merkw�rdig. Ich glaubte, Sie seien im franz�sischen Kaffeehause, und ich –�

�Sie wollten uns dort auf Befehl Ihrer Schwiegermutter, der liebensw�rdigen Frau Geheimsecretairin, aufsuchen,� fiel Grie�feld ein, �eben deswegen komme ich, um Ihnen keine unn�tzige M�he zu machen. Es geht Alles mit richtigen Dingen zu,� fuhr er lachend fort. �Ich sah, da� die Frau Geheimsecretairin uns bemerkte und verfolgte, und dachte mir wohl, da� sie den getreuen Eckart ausschicken w�rde.�

�Vollbrecht, wenn ich bitten darf,� sagte der kleine Mann h�flich.

�Richtig, Vollbrecht!� rief der Hauptmann, indem er ihn unter dem Arme fa�te und sich mit dem gemeinsamen Schirme sch�tzte. �Jetzt erz�hlen Sie.�

�Ich soll zusehen,� sagte Vollbrecht fl�sternd, �wie es mit den Geldverh�ltnissen seines Sohnes steht, laufende Wechsel, Schulden und so weiter.�

�Und wie steht es damit?�

�Immer noch so leidlich. Es laufen viele Wechsel auf ihn, aber er wird sie decken k�nnen.�

�Wer wei�!� erwiederte Grie�feld. �Was sollen Sie weiter thun?�

�Ehe – ja so, o eigentlich weiter Nichts,� antwortete Vollbrecht.

�Das ist nicht wahr!� entgegnete der Hauptmann. �Sie sollen spioniren, was ich thue und treibe, sollen zu erfahren suchen, wie ich mit Eduard stehe, wozu ich ihn verf�hre!�

�Was Sie Alles wissen!� rief Vollbrecht. �Ja freilich, allerdings, das soll ich, und er hat mir versprochen, es sollte mein Schaden nicht sein.�

�Gut!� sagte Grie�feld nach einigen Augenblicken. �Sie sollen Ihr Geld verdienen, kleiner Vollbrecht; Sie sollen Ohren- und Augenzeuge sein, was ich mit Ihrem lustigen Vetter vornehme, und sollen dem alten Geizhalse eine pr�chtige Beschreibung liefern k�nnen, wie sein vom Lichte der Aufkl�rung durchdrungener Spr��ling arbeitet, um den irdischen Mammon los zu werden. Geben Sie genau Acht, was ich Ihnen sage, denn darauf kommt es an, ob Sie der Erbe sein werden oder er. Verstehen Sie mich?�

�Jede Sylbe, jeden Laut,� fl�sterte Vollbrecht in �u�erster Erwartung.

�Ich f�hre Sie in meine Wohnung,� fuhr der Hauptmann fort, �und werde Sie in ein Cabinet stecken, durch dessen Scheibenth�re Sie Alles sehen k�nnen, was vorgeht. Zur rechten Zeit werde ich Sie daraus entlassen, verlassen Sie sich darauf. Morgen fr�h eilen Sie zu Ihrem gro�m�thigen Wohlth�ter. Erz�hlen Sie ihm, da� Sie mit Hilfe meines Bedienten, den Sie bestochen haben, uns belauschten, und schildern Sie ihm, was Ihre Augen Grauenhaftes entdeckten. Sie haben ihm doch heute wiederholt, da� ich ein schlechtes, mit Lastern bedecktes Wesen bin?�

�O,� stotterte Vollbrecht, �bitte, bitte!�

�Und haben ihm mitgetheilt, was sein Sohn und Erbe auf der Stra�e an l�blichen Ansichten und Hoffnungen �ber Vater und Erbschaft �u�erte?�

�Nein, nein,� fl�sterte Vollbrecht, �ich habe es nicht �ber's Herz bringen k�nnen, denn glauben Sie mir, der alte Mann gr�mt sich mehr, als er sich merken l��t.�

�Sie tugendhafte Seele! Sie – pecus campi, wie die alten w�rdigen R�mer ihre geistreichen Mitb�rger nannten,� sagte Grie�feld lachend. �Wenn Sie der gl�ckliche Erbe wirklich sein wollen, kleiner Vollbrecht, so mu� sich ja dieser alte Gauner bis auf's Mark gr�men. Einen anderen Weg giebt es nicht, um Sie zum reichen Manne zu machen. Wollen Sie oder nicht?�

�Alles, bester Herr Hauptmann, Alles!� rief Vollbrecht erschrocken.

�Haben Sie Ihren Weibern zu Hause auch keine Sylbe verrathen.�

�Nichts, nicht eine Sylbe.�

�So seien Sie kein Schwachkopf, oder es ist vorbei mit uns. Ich garantire Ihnen daf�r, da� Eckhoff seinen Sohn, den Dornbusch, bald ganz aus seinem Herzen rei�t und Sie, die s��e Rose, sammt den z�rtlichen Rosenst�cken daf�r einsetzt; doch wer gewinnen will, mu� k�hn und unerschrocken sein. H�ten Sie sich, die Weiber einzumischen, auf mich mu� der allgemeine Fluch fallen, und obwohl es hart ist, da� das herrliche Malchen und ihre ehrw�rdige Mutter mich tief verachten sollen, so will ich es doch Ihretwegen tragen, kleiner Vollbrecht, weil ich es mir in den Kopf gesetzt habe, Sie zu einem reichen Erben zu machen.�

Mit solchen Reden f�hrte er ihn weiter, und endlich erreichten sie die Wohnung des Hauptmanns, der ihn durch einen Gang in eine schmale Kammer schob und die Th�re zuschlo�, ohne ein Wort weiter zu sprechen, denn eben lie�en sich drau�en mehrere Stimmen h�ren.

Na� und zitternd stand der ungl�ckliche Commissionair eine Zeit lang in dem dunklen Raume, ohne sich zu r�hren, auf jeden Ton lauschend und nicht wagend, seinen Platz aufzugeben, weil ihm allerlei f�rchterliche Ahnungen vorschwebten. Wenn er verrathen w�re, wenn der schreckliche Mensch ihn hier eingesperrt h�tte, um ihn zu Spott und Schanden zu machen, wenn er entdeckt und erkannt w�rde, was sollte aus ihm werden!

Nach und nach steigerte sich seine Angst so sehr, da� er im Begriff war, nach Hilfe zu rufen, als pl�tzlich ein Lichtschein in sein Gef�ngni� fiel und neue Hoffnung in seine Seele brachte. Er erblickte eine Glasth�re, die in ein sch�nes geschm�cktes Zimmer f�hrte; er sah umher und bemerkte, da� er in ein leeres kleines Kabinet gesperrt war, in welchem nicht einmal ein Stuhl sich befand.

Gel�chter und laute Stimmen lie�en sich aus einem Nebenzimmer h�ren, in dem gro�en Salon vor ihm aber deckten zwei Diener eine Tafel und munterten sich gegenseitig zur Eile auf, da die Herren beisammen seien und der Koch die Sch�sseln gebracht habe. Gleichsam zur Bekr�ftigung ihrer letzten Bemerkungen verbreitete sich ein lieblicher Geruch, welchen Herr Vollbrecht mit weit ge�ffneten Nasenfl�geln begierig einsog.

Er war �u�erst hungrig geworden, und wie wurden erst seine fleischlichen Begierden gereizt, als er hinter der Gardine mit verhaltenem Athem stehend lauschend zusah, wie Speisen mannichfacher Art auf die Tafel gesetzt wurden, die Diener Gl�ser und Flaschen mit verschiedenen Weinen gef�llt brachten und vertheilten, bis zuletzt der Hauptmann hereintrat, den Tisch betrachtete, einige Aenderungen vornehmen lie� und dann anzurichten befahl.

Herr Vollbrecht hatte den k�hnen Gedanken gefa�t, leise anzuklopfen und um einige, wenn auch noch so geringe Speise und Trank zu bitten, denn der Durst plagte ihn noch sch�rfer als sein Hunger, doch eben wie er den Finger aufhob und die Gardine ein wenig zur Seite schob, kamen die G�ste lachend und schreiend herein, so da� er in h�chster Eile den Vorhang fallen lie� und zur�cksprang.

Es waren wohl ein Dutzend Herren beisammen, einige jung, andere alt, von dem verschiedensten Aussehen, mager und fett, mit geraden und krummen Nasen, alle aber geh�rten, wie es schien, denjenigen Klassen der Gesellschaft an, die nicht zu arbeiten n�thig haben, um zu leben. Ihre Kleidung, ihre Art zu sprechen und sich zu bewegen, ihre Lobspr�che �ber die Weine und Speisen, ihre ungezwungenen Scherze, wie ihre Urtheile, Alles zeigte an, da� sie gewohnt seien in solcher Weise zu leben und sich zu belustigen.

Herr Vollbrecht dr�ckte sich in eine Ecke, pre�te mit beiden Armen seinen Magen zusammen und sah durch einen schmalen Spalt �ber den ganzen Tisch fort. Da sa� sein leichtsinniger Vetter Eduard ihm gerade gegen�ber; er konnte jede Miene, jede Augenwimper erkennen, und wie er lachte und lebhaft rechts und links erz�hlte, wie er Braten und Pasteten verschlang und Glas auf Glas leerte, stieg der rechtschaffene Ingrimm immer h�her in Vollbrecht's Brust und Hals bis in den Kopf.

Sein eigener Hals war so trocken wie ein Brunnen der W�ste, seine Zunge klebte am Gaumen fest, und seine Eingeweide kehrten sich um vor Jammer und Elend; dort aber sa� er, der B�sewicht, der Verschwender, mitten in V�llerei und Schwelgerei, ohne an seinen alten Vater zu denken, der zu Hause kummervoll sein St�ck Brot verzehrte und sein Glas Hausbier dazu trank. –

Die einladenden D�fte, welche ihren Weg in das kleine Cabinet fanden, machten Vollbrecht mit jeder Viertelstunde rachs�chtiger, und diese Mahlzeit wollte nicht enden; immer neue k�stliche Gerichte wurden gebracht, dazu knallten die Champagnerpfropfen, und immer lauter und l�rmender wurden die G�ste. Sie erz�hlten Anekdoten und skandal�se l�cherliche Geschichten, sie zerbrachen Gl�ser und st�rzten deren k�stlichen Inhalt um, so da� Herr Vollbrecht heimlich die H�nde zusammenkrampfte, indem er den Schaden berechnete, endlich aber go� sein ungeschickter Vetter sogar eine ganze Flasche �ber den Tisch, und diese Heldenthat wurde mit allgemeinem Beifallklatschen und Bravogeschrei belohnt.

�Er kann die Zeit nicht erwarten!� schrie ein Herr mit vornehmem Gesicht, der neben Eduard sa�, indem er diesem vertraulich auf die Schulter schlug.

�Sie haben Recht, Baron,� lachte Eduard, �ich bin ungeduldig, Ihnen Genugthuung zu geben.�

�Er hat zu viel Gl�ck,� fiel ein anderer Herr ein, der auf der anderen Seite sa�. �La� zur Messe, zur Messe l�uten, Hauptmann.�

Die St�hle wurden zur�ckgesto�en, Alle standen auf und schrieen:

�Zur Messe, zur Messe! und nach den heiligen B�chern der K�nige!� wodurch Herr Vollbrecht in ein starrendes Erstaunen versetzt wurde. Er hatte von heimlichen Sectirern geh�rt, von katholischen Bekehrern, von Muckern und Methodisten, und einige Minuten lang war er in voller Sinnesverwirrung dar�ber, was er vor seinen Augen erleben w�rde, allein er sollte nicht lange in Zweifel bleiben.

�Wir m�ssen heute hier unsern Gottesdienst halten, da die Gemeinde ungew�hnlich zahlreich ist,� sagte Grie�feld. �Ich werde sogleich die Kapelle errichten lassen, inzwischen m�gen die verehrten Mitglieder die Weihrauchkerzen anz�nden.�

Die Bedienten r�umten eilig den Tisch ab, der gottselige Wirth aber bot ein schwarzes K�stchen umher, aus welchem der gr��te Theil der Anwesenden eine Weihrauchkerze nahm, welche bald ihren bl�ulichen Duft aufringeln lie�en und dem armen kleinen Mann in der Kammer neue Qualen bereiteten.

Er hatte wenige Leidenschaften in dieser Welt zu �berwinden, denn er war gen�gsam und m��ig in allen seinen Anspr�chen, aber eine gute Cigarre geh�rte zu seinen h�chsten Lebensfreuden. Und dort stand ein ganzer Kasten gef�llt mit den besten; der satanische Hauptmann hatte ihn offen auf den kleinen Tisch gestellt, welcher vorsichtig die Th�re zum Cabinette verbarrikadirte, und der nichtsnutzige Vetter Eduard warf mehrere dieser edlen k�stlichen Glimmstengel in den Winkel, weil sie ihm nicht gut genug scheinen mochten.

Bei diesem Anblicke f�hlte Vollbrecht eine solche Wuth wider ihn in seiner Brust, da� er seine geballte Faust aus dem Winkel hervor gegen die Scheiben streckte und den Schwur that, von jetzt ab wolle er nicht das geringste Mitleiden mehr mit ihm haben. Ein einziger Griff durch die d�nne Glastafel h�tte ihn in Besitz des K�stchens gesetzt; er w�rde dann geduldig sein Geschick ertragen haben, aber ach! es war unm�glich, und vor M�digkeit, Hunger, Durst und Aerger dr�ckte Herr Vollbrecht die Augen fest zu und murmelte seufzend in sich hinein:

�Wenn ich doch bei meinem Malchen w�re! M�chte sie mich ausschelten so viel sie wollte, m�chte sie mich sto�en, kratzen, puffen, keinen Schritt th�te ich mehr, nicht einen Schritt, und wenn sie mir die Ohren abrisse!�

Herr Vollbrecht machte jedoch Augen und Ohren weit auf, als er einen Klang vernahm, bei dem ihm zu Muthe ward, wie dem Schlachtrosse, wenn es die Trompete h�rt. Er h�rte Gold klingen, und bald hatte er alle Noth, alle M�digkeit, seinen Magen und selbst die Cigarrensehnsucht vergessen, denn vor ihm entwickelte sich eine Scene, welche ihn auf's Lebhafteste besch�ftigte.

Die Tafel in der Mitte war zu einer Spielbank umgewandelt. Ein Roulette war dort aufgestellt. Der Nachbar Eduard's, der Baron, hielt Bank. Aus einem gl�nzenden Kasten, den der Hauptmann herbeibrachte und aufschlo�, sch�ttete er einen Goldhaufen vor sich aus. Auch die Umstehenden und Sitzenden zogen Gold und Papiere hervor, und Vollbrecht sah deutlich, wie Eduard sein Taschenbuch �ffnete und eine ganze Hand voll gro�er Kassenscheine herausnahm, die er neben seine B�rse legte.

Unverwandt verfolgte Vollbrecht jetzt das Spiel, seine gierigen Augen bald da-, bald dorthin richtend; zumeist aber sah er auf seinen Vetter, und nie war sein Neid gr��er als damals, wo der Goldberg immer h�her wuchs, den Eduard vor sich anh�ufte. –

�Ist es denn m�glich?� fl�sterte er. �Er gewinnt ihnen ihr Geld ab und lacht sie aus. Fa�t ihn! fangt ihn! rupft ihn! saugt ihn aus, wie die Spinne die Fliege! er darf nicht gewinnen. Wenn es noch eine Gerechtigkeit im Himmel giebt, mu� er wie ein Bettler nach Hause gehen!�

Und diese Gerechtigkeit kam, es war, als h�tte sie Vollbrecht's inniges Gebet aufgeweckt. Der Goldhaufen verschwand vor dem Gl�cklichen, die Kassenscheine wanderten �ber den Tisch, dann wurden ihm Vorsch�sse gemacht, er spielte mit Zetteln, auf welche er seine Eins�tze schrieb. Zuerst lachten die Herren �ber sein Ungl�ck, und er lachte mit, dann bedauerten sie ihn, und er lachte gezwungen; endlich nannten sie es unerh�rt, und er lachte erbittert auf.

Grie�feld bat ihn, heute nicht weiter zu spielen, er h�rte nicht darauf; wie ein Rasender verdoppelte er seine S�tze, bis er zuletzt, dunkelroth bis unter das Stirnhaar, seine Brieftasche einsteckte, sich in einen Stuhl warf und mit erzwungener Ruhe erkl�rte, er habe genug f�r dies Mal.

�Wir Alle haben genug!� rief Grie�feld. �Mach's ein ander Mal besser, Eckhoff. Was zum Henker! Du siehst verdrie�lich aus.�

�Ich w��te nicht,� erwiederte Eduard mit einem langen starren Blick, �warum ich fr�hlich sein sollte.�

�Es ist ja eine Lumperei,� lachte der Hauptmann ihn umarmend. �Der Sohn vom alten Eckhoff kann dergleichen ein Paar Dutzend Male vertragen.�

W�hrend des allgemeinen Gel�chters erheiterte sich das Gesicht des jungen Mannes. Er stimmte ein und strich sich die Falten vom Gesicht.

�Ein ander Mal mehr Gl�ck!� rief er seine Uhr ziehend.

�Halt!� schrie Grie�feld, �Du darfst noch nicht fort; erst abgek�hlt und den Schlaftrunk eingenommen. Franz, bringe die Bowle in Eis!�

Der Diener, welcher den Befehl schon erwartet hatte, brachte eine gro�e Krystallschale, die von der Gesellschaft mit einem Hurrah empfangen wurde; eben jedoch, als Herr Vollbrecht sich die vertrockneten Lippen abwischte und in den s��esten Vorstellungen schw�rmte, wie dieser unbekannte G�ttertrank schmecken m�sse, wurde die Th�re des Ausganges leise ge�ffnet, und eine Hand packte ihn an der Schulter. Zusammenfahrend erblickte er den Hauptmann, doch ehe er einen Laut von sich geben konnte, war er drau�en an der Treppe und wurde diese hinunter gef�hrt.

�F�nf tausend Thaler hat er verloren,� fl�sterte Grie�feld. �Vorw�rts, kleiner Vollbrecht, machen Sie Ihre Sache gut.� –

Bei den letzten Worten war Vollbrecht auf der Stra�e, �ber ihm in dem hellen Zimmer klangen die Gl�ser, um ihn tobten Wind und Regen.

�Mein Schirm!� schrie er kl�glich durch's Schl�sselloch, �o bitte, bitte recht sehr, mein Schirm!� –

Es h�rte ihn aber Niemand, und nach einigen vergeblichen Versuchen schlug er schaudernd den alten Paletot um den Kopf und eilte nach Hause. Na� bis auf die Haut kam er an. Malchen mu�te aus dem Bette, um ihn einzulassen; er hatte einen schlimmen Empfang.


V.

Der alte Eckhoff wohnte seit einem Monate in dem H�uschen, in welchem er sein Verm�gen erworben hatte, und noch hatte sich Nichts in den Verh�ltnissen zu seinem Sohne ge�ndert. Beide begr��ten sich kalt, wenn sie zusammentrafen, vermieden dies jedoch so viel sie konnten, und Jeder that, als bemerkte er von des Anderen Thun und Treiben gar Nichts. Nur einmal, bald nach jener Nacht, die Herr Vollbrecht so schauerlich verlebt, war es zu einer Art Erkl�rung gekommen, welche ziemlich friedlich endigte. Eduard nahm eine Gelegenheit wahr, seinem Vater einige freundliche Worte zu sagen, die als Einleitung zu einem Verst�ndnisse dienen sollten; der Alte aber brach kurz ab und sagte ohne Heftigkeit, doch sehr bestimmt:

�La� es gut sein, wie die Sachen liegen zwischen uns, so sollen sie bleiben. Du hast meinen Rath nicht geh�rt, willst Deinen Weg gehen, so gehe ihn denn.�

Der Sohn zuckte die Achseln.

�Dein Rath wird mir immer willkommen sein,� erwiederte er, �ich wei� ihn zu sch�tzen, aber Du hast Vorurtheile gegen mich, die mich auf's Tiefste betr�ben, und was Cl�rchen betrifft –

�So!� rief der alte Mann dazwischen, �also Vorurtheile!�

�Was Cl�rchen betrifft, so bist Du hart und grausam gegen sie.�

�Es wird sich zeigen, wer Recht hat,� fiel der Vater ein. �Gewi� ist, da� ich zu alt geworden bin, um mich noch zu �ndern.�

Der Sohn wollte auch Nichts �ndern, er wollte die v�terliche Bevormundung in keiner Weise wieder zur�ck haben, allein er wollte seinen Vater auss�hnen, denn er sah immer deutlicher, da� er ihn brauche.

�Bei alledem,� sagte er, �k�nnen wir ja doch freundlich beisammen stehen; wer st�nde mir denn n�her als Du in der Welt? Was sollen die Leute denken, wenn Du Dich von uns zur�ckziehst?�

�Es geht nicht,� antwortete der alte Mann, den grauen Kopf sch�ttelnd, �Du mu�t es einsehen, da� es nicht geht. Mein Leben und Dein Leben haben sich getrennt, Gott wei� es, wie sie sich wieder zusammen finden sollen.�

�Wir m�ssen nur Nachsicht �ben und nicht wollen, da� alle Anderen so sein sollen, wie wir selbst,� sagte Eduard l�chelnd.

�Es ist richtig,� versetzte der alte Mann, �allein ein Vater will doch immer, da� sein Sohn nach ihm arte. Wenn der Vater ein schlechter Kerl oder ein Dieb ist, m�cht' er, da� sein Sohn ihn noch �bertr�fe, wenn er aber in Flei� und Ehrbarkeit alt wurde, kann er es nimmer ansehen, wenn sein Sohn ein liederliches Leben f�hrt.�

�Was man so nennt, indem man es von seinem Standpunkte betrachtet, ist es oft nicht,� antwortete Eduard empfindlich. �Man mu� sein Leben auch genie�en, wenn man arbeitet, und sich nach seinem Stande und seinen Verh�ltnissen benehmen.�

�Thust Du das?� fragte der alte Mann.

Die dunkle R�the kehrte in Eduard's Gesicht zur�ck.

�Es ist leider wahr,� sagte er, �da� unsere Ansichten dar�ber sehr verschieden sind.�

�Nun,� fiel der Vater ein, �Jeder mu� schlafen, wie er sich bettet, Du hast Dich von mir los gemacht; mach's gut, so wird's gut. Meine Meinung kennst Du.�

 

Als er einige Tage darauf Abends allein war, kam Herr Vollbrecht zu ihm, mit mancherlei neuen Nachrichten vollgestopft. Er mu�te sich zu ihm setzen und erz�hlen, und ohne eine Miene zu �ndern h�rte der Alte zu, obwohl, was er h�rte, ihm nahe gehen mu�te.

�Die f�nftausend Thaler sind richtig bezahlt, die er verloren hat,� sagte der Kundschafter, �aber gestern sind sie wieder beisammen gewesen, und es wird nicht viel weniger sein, was er dies Mal sitzen lie�.�

�Ich kann's denken,� antwortete Eckhoff.

�Und dies Mal,� fuhr Herr Vollbrecht fort, indem er seine Augen zusammenkniff, �wird es etwas schwieriger werden. Es laufen viele Wechsel auf ihn, ich glaube es nicht, da� er sich halten kann.�

�Ich glaube es auch nicht,� sagte der Alte.

�Heute Mittag, wie ich nach Hause wollte, kam er mir entgegen und hatte ein Anliegen,� fl�sterte Vollbrecht, mit einem eigenth�mlichen Grinsen seinen Kragen anfassend. �Er w�re in einer augenblicklichen Klemme, – Sie k�nnen schon denken.�

�Kann's denken,� antwortete der Alte. �Wie viel?�

�Drei Tausend auf eine Woche,� sagte Vollbrecht. �Dreihundert Thaler Provision, wenn ich's machen k�nnte.�

�So weit ist er schon?� murmelte Eckhoff. �Hast Du es gemacht?�

�Gott soll mich beh�ten!� rief Vollbrecht erschrocken. �Keinen Pfennig, wenn Sie es nicht befehlen.�

�Dreitausend Peitschenhiebe m��t' ich bekommen,� erwiederte der Alte.

�Wie wird's denn aber enden?� fiel Vollbrecht seufzend ein. �Er kann es keine vierzehn Tage mehr halten, ohne da� die ganze Stadt erf�hrt, wie es mit ihm steht. Sein Credit hat schon einen Sto� bekommen, seitdem man wei�, da� Sie ganz aus dem Gesch�ft sind. Dazu kommt der gro�e Luxus, den er treibt, und die Bekanntschaften, die ihm keine Ehre bringen. Es ist jetzt fast alle Tage Gesellschaft da vorn, und der Herr Hauptmann hat eine ganze Compagnie guter Freunde in's Haus gebracht. Das giebt nat�rlich Nachrede.�

�Giebt Nachrede,� wiederholte Eckhoff vor sich hin.

�Du lieber Gott!� lispelte Herr Vollbrecht, seine Haare fest streichend, �es ist eine junge h�bsche Frau, und dieser Vetter ist auch jung. Einen Bart hat er, so schwarz wie Ebenholz.�

�Du bist ein Narr, wenn Du nicht mehr bist!� rief der alte Mann, indem er aufstand und einen so wilden Blick auf seinen Spion warf, da� dieser vor Schreck den Hut aus seinen Fingern fallen lie�.

Der Gedanke, den Vollbrecht aufgeweckt hatte, war ihm noch nie gekommen. Zu der Schande und dem Kummer, die er um seinen Sohn trug, gesellte sich jetzt pl�tzlich noch eine andere Empfindung, die eine f�rchterliche Wuth in ihm erregte. Der rothe dicke Kopf schwoll auf. Die Falten an den starken Backenmuskeln spannten sich bl�ulich aus. Er dr�ckte beide F�uste zusammen vor der Schmach, die man seinem Sohne nachsagte.

Was in ihm weiter vorging, lie� er nicht laut werden, aber nachdem er einige Augenblicke nachgedacht, redete er Vollbrecht wieder an, der sich �ngstlich zur�ckgezogen hatte.

�Weibergeschw�tz und L�gen!� sagte er. �Komm mir keiner damit, ich will's ihm anstreichen. Es ist meines Sohnes Ehefrau, damit ist's genug. Jetzt geh'! Geld gebe ich keinen Groschen weder f�r ihn noch f�r sie, aber ihre Ehre soll Keiner sch�nden, so lange sie meinen Namen tr�gt.�

Herr Vollbrecht machte sich davon, und l�nger als eine Stunde ging der alte Mann auf und ab, seine H�nde auf den R�cken gelegt, seinen Kopf auf die Brust h�ngend, w�hrend er kein lautes Wort sprach. Die kleine Schirmlampe h�llte ihn in Schatten, aber dann und wann blieb er bei ihr stehen, und ihr rothes tr�bes Licht beleuchtete seine grauen Haare und seine blitzenden, mit Zorn und Kummer gef�llten Augen.

�Er ist doch mein Kind,� murmelte er endlich vor sich hin, �und mein Kind wird er bleiben; ich kann's nicht absch�tteln und abstreifen, hier sitzt es, hier!�

Indem er eine Hand auf seine Brust legte, trat er an das Fenster und sah zu dem dunklen Nachthimmel auf.

�Da rei�t es keine Macht heraus!� schrie er aus seinem Schweigen. – �Was hat der K�nig David von seinem Sohne Absalom erfahren, und als er vor ihm lag, rief er dennoch: ›Mein Sohn, mein Sohn, wollte Gott, da� ich f�r Dich sterben m��te!‹ï¿½

Seine Stimme war in's Zittern gekommen, er wischte mit der verkehrten Hand �ber seine Augen fort und stand lange still, indem er nach dem Hause hin�ber blickte, wo sein Sohn wohnte. – Es schien heute kein Besuch dort zu sein, denn Alles war dunkel, nur in dem Zimmer, wo, wie er wu�te, das Kind schlief, flimmerte es matt hinter den Vorh�ngen.

Der Strahl der Liebe, welcher in des einsamen Greises Brust gefallen war, klammerte sich an diesem matten Schimmer fest und f�hrte seine Gedanken zu dem Lager seines Enkels. Es war ein kr�nkelndes schwaches Kind, aber er hatte es lieb gehabt und hatte es dennoch von sich gewiesen. Nun seit Wochen war die W�rterin nicht mehr gekommen, dabei war das Wetter rauh und kalt, er hatte den Knaben nicht mehr gesehen. Jetzt erinnerte er sich, wie er die Aermchen nach ihm ausgestreckt, und wie er ihn angelacht, und um dieses unschuldigen Kindes willen kam ein weiches wehmuthsvolles Gef�hl �ber ihn. –

�Das Weib taugt Nichts,� murmelte er, �seine Hoffahrt ist ohne Grenzen, es ist Nichts als Eitelkeit und Hochmuth darin; aber das Kind ist Blut von meinem Blut, und wenn Eduard sich nicht an sie gehangen h�tte, w�re er unverdorben geblieben. Sonst war er flei�ig und mit dem einfachen Leben zufrieden, sie hat ihn dem Hochmuthsteufel verkauft.

Es ist doch sonderbar!� murmelte er dann, indem er zur�cktrat und wieder auf- und abging, �ich kann sie nicht leiden, und doch hat sie mir Nichts zu Leide gethan. Ich habe wohl gemerkt, da� sie oft die Schuld auf sich nahm, wo es Eduard's Schuld war. Immer wollte sie mir um den Bart gehen, mir schmeicheln und heucheln. Weil sie meinte, ihr k�nnte ich doch Nichts sagen, darum that sie es, hinterher lachte sie mich aus. –

Aber ich habe sie niemals angeh�rt,� fuhr er in seinem Selbstgespr�che fort, �ich hab's ihr mit Bitterkeit vergolten, da� sie mir aufgedrungen wurde. Es ist wohl Unrecht, es mag wohl so sein, denn seine Frau ist sie doch. Wenn sie ihm anh�ngt und Nichts auf ihn kommen lassen will, so thun's nicht alle Frauen so, und um ihr Kind hat sie Sorge, sitzt wohl an seinem Lager jetzt. –

Wei� es Gott, ob sie alle Schuld tr�gt,� sagte er still stehend, �ob sie wei�, was er treibt, wohin es mit ihm gekommen ist!�

Pl�tzlich ging er an die Kammerth�re, nahm den grauen dicken Rock vom Nagel und zog ihn an, dann ging er wieder hin und her, bis er nach der M�tze griff, sie wieder aufh�ngte, endlich aber sie doch nahm und, nachdem er zwei Mal umgekehrt war, zuletzt entschlossen hinausging.

�Ich will mit ihr reden, wenn's so sein kann,� sagte er in sich hinein, als er �ber den Hof schritt, �doch ganz allein mu� ich sie treffen, Niemand darf es wissen. Es ist doch m�glich, da� es gut thut.�

Mit diesem Entschlusse stieg er die Treppe hinauf, nachdem er sich �berzeugt hatte, da� in dem Wohnzimmer Licht sei. Den Schl�ssel zu der Th�re am Corridor trug er noch in der Tasche, fr�her war er immer mit dessen Hilfe hier eingetreten, so oft es ihm beliebte. Leise schlo� er auf, ging ger�uschlos �ber die Dielen, die mit einer dichten Strohmatte belegt waren, und stand horchend an der Th�re still, durch welche ein Gemurmel von Stimmen drang.

Nach einigen Augenblicken beugte sich der alte Mann zu dem Schl�sselloche herab, doch sogleich hob er den Kopf so j�h wieder auf, als habe er etwas Entsetzliches gesehen. Seine Arme und Beine strafften sich, er ballte die F�uste und hob sie auf, als wollte er einen f�rchterlichen Schlag gegen die Th�re thun, allein mitten darin hielt er inne, und sich nochmals niederbeugend, blieb er l�ngere Zeit mit dem Auge an dem Schl�sselloche.

Er hatte sich nicht get�uscht, es war dasselbe Bild, dieselben Personen, dieselbe vernichtende Schmach und Schande, vor der sich noch vor wenigen Stunden sein ganzer Stolz und sein Rechtsgef�hl aufgeb�umt hatten. Seine Schwiegertochter sa� vor ihm, er sah nicht ihr Gesicht, denn sie hielt dies von ihm abgekehrt, aber er sah daf�r das Gesicht des Hauptmanns Grie�feld, der ihre H�nde in seinen H�nden hielt, diese H�nde z�rtlich dr�ckte und k��te und sie mit Blicken betrachtete, vor denen sich das Herz des alten Mannes mit Blut bis zum Zerspringen f�llte.

Was sie verhandelten, h�rte er nicht, Beide sprachen so fl�sternd sacht, da� kaum ein Ton zu ihm drang. Aber was sie sprachen, war doch nimmer zu verkennen; jede Miene, jede Bewegung des sch�ndlichen falschen Mannes dr�ckte es deutlich aus. Und jetzt ergriff sie seine Finger, wie betend oder anbetend hielt sie diese in ihren Fingern und beugte sich zu ihm nieder, da� er sie mit seinen Armen besser umfassen konnte.

Alle Adern des alten Mannes schwollen auf, seine Augen traten gl�hend hervor, als m��te die Th�re in Flammen und Asche vergeben, dennoch aber unternahm er Nichts; denn seine Arme sanken nieder, und mit der Selbstbeherrschung, die �berwiegende Verstandesth�tigkeit so oft schon in seinem Leben �ber die aufbrausende Leidenschaft gestellt, drehte er sich um und verlie� eben so leise den Corridor, wie er dahin gekommen war.


VI.

Das h�usliche Gl�ck Eduard's und seiner jungen Frau war w�hrend der Vorg�nge, die in den letzten Monaten stattgefunden, stets sichtlicher untergraben worden. Das Auge des Vaters war f�r den lebhaften, zu allerlei Leidenschaften und Thorheiten geneigten Mann immer noch ein Hinderni� gewesen, das ihn abhielt, sich seinen Neigungen ganz zu �berlassen, als jedoch der Bruch erfolgt war, gab es keine Aufsicht mehr f�r ihn, denn die sanfte Z�rtlichkeit seiner Gattin, ihre Scheu, ihm wehe zu thun, und ihr eingeschlagener Weg, ihn ohne bestimmten Widerspruch durch Bitten und Vorstellungen zu gewinnen und durch die Zeichen ihrer innigsten Liebe zu fesseln, scheiterten an dem Einflusse, den Grie�feld �ber ihn erlangt hatte.

Von dem Tage ab, wo ihrer Bitten ungeachtet der Hauptmann ihr Haus betreten hatte, f�hlte Clara, da� eine fremde Hand sich zwischen sie und ihren Gatten legte, und mit wachsendem Kummer, den sie in ihrem Herzen verschlo�, empfand sie, da� Eduard sich weiter und weiter von ihr entfernte. Sie erwartete ihn nicht mehr, wenn er sp�t in der Nacht nach Hause kam, denn er hatte sich in sehr bestimmter Art das �Aufpassen� verbeten.

Er wurde empfindlich und heftig, als er einige Male bemerkte, da� Clara rothe tr�be Augen hatte. Sie sollte nicht weinen, sie hatte keine Ursache dazu; sie sollte fr�hlich und sorglos sein, denn er selbst war froh, wenigstens gab er sich dies Ansehen, und eine Zeit lang mochte er auch Nichts erkennen, was ihn traurig stimmen konnte. Seine Gesch�fte gingen ihren Gang, er k�mmerte sich nicht allzu viel darum; er konnte sich nach der Sprache der Kaufleute Geld machen, d. h. er besa� Hilfsquellen genug, um eintretende Ausgaben zu decken, und da er wie alle Leichtsinnige sich g�nstige Combinationen zusammenstellte, auf g�nstige Umst�nde rechnete, seine Ausgaben gering anschlug, seine Verschwendungen mit seinen eingebildeten Mitteln besch�nigte und sich vor sich selbst damit rechtfertigte, da� er reich genug sei, um zu thun, was viele Andere th�ten, so blieb er so lange im Irrthum �ber seine Lage, bis die Verlegenheiten wachsend auf ihn eindrangen.

Jetzt hatte er bedeutende Zahlungen zu machen, welche gemacht werden mu�ten, allein von mehreren Seiten, wo er sonst leicht Credit gefunden, wurde ihm dieser unter h�flichen Entschuldigungen abgeschlagen. Ein Mi�trauen war �ber ihn entstanden, allerlei Ger�chte hatten es hervorgerufen; wer diese verbreitet hatte, wu�te Niemand, doch was er vor aller Welt verborgen meinte, war in vieler Leute Mund. Seine Verschwendungen, sein gl�nzender Haushalt, sein Bruch mit dem alten Vater, die Vernachl�ssigung seiner Gesch�fte, und endlich das Schlimmste von Allem, seine Ausschweifungen, die noch gr��er gemacht wurden, als sie waren, gaben Stoff zu vertrauten Mittheilungen, die ihm schaden mu�ten.

Die Menschen, mit denen er umging, und welche seine Freunde waren, wurden von den Kreisen, in denen er Achtung haben sollte, mit Geringsch�tzung betrachtet und verabscheut. Da� er sich zu ihnen gesellte, war der beste Grund, um ihn f�r verloren und ruinirt zu halten, vielleicht h�tte selbst eine schnelle Umkehr ihn nicht mehr gerettet, allein er dachte daran am wenigsten.

Beim Spiel hatte er Anfangs bedeutend gewonnen, dann noch weit mehr verloren, und wie es immer geht, war die geweckte Leidenschaft bis zu der erbitterten Hartn�ckigkeit gesteigert, den Verlust gut zu machen und das Gl�ck zu zwingen, ihm sich wieder zuzuwenden. Das Gl�ck reicht aber wohl dem Versinkenden dann und wann einen Strohhalm, doch nur um ihn um so tiefer fallen zu lassen; selten hebt es Einen aus dem Abgrunde und schickt ihn gebessert nach Hause.

Eduard nahm zuweilen eine ziemlich bedeutende Summe vom Spieltische mit sich fort, allein sie half ihm zu Nichts, als um noch mehr l�stern zu werden. Dann war er im Hause gespr�chig, fr�hlich, z�rtlich und bereit zu den pr�chtigsten Geschenken und zu neuen Verschwendungen. Er lachte und scherzte, wenn Clara ihre Bitten erneuete, leugnete auf's Entschiedenste, da� er hoch spiele, und beantwortete ihre Warnungen vor Grie�feld mit Sp��en, die ihr den Mund schlossen.

In der Nacht, welche jenem Abend folgte, an welchem der alte Eckhoff seine Schwiegertochter �berrascht hatte, kam er sp�t nach Hause, und am n�chsten Morgen fand ihn Clara zum ersten Male so d�ster und unruhig, wie sie ihn noch nicht gesehen. Er kam aus dem Comptoir zur�ck, wohin ihn sein Buchhalter gerufen, setzte sich an seinen Schreibtisch, bl�tterte in B�chern und Papieren, warf sie bald wieder fort und sa� nun stumm, die Arme verschr�nkt und mit starren Mienen in dem Sessel, dann und wann einzelne halblaute heftige Worte vor sich hin sprechend. Pl�tzlich f�hlte er eine Hand auf seiner Schulter, vor der er zusammenfuhr, seine Frau stand neben ihm.

�Ah, Du bist es!� rief er mit erzwungener Freundlichkeit. �Du siehst bla� aus, fehlt Dir Etwas, mein Cl�rchen?�

�Mir Nichts,� sagte sie, �aber Dir, Eduard.�

�Nein,� antwortete er rasch. �Das Wetter wird endlich gut. Wie geht es dem Kinde?�

�Willst Du es sehen?� fragte sie.

�Jetzt nicht. Ich mu� fort, aber es freut mich, Du liebst den Jungen mehr wie ich.�

�Soll ich ihn nicht lieben? Er sieht Dir so �hnlich, hat Deine Augen, Deinen Mund, und heute rief er zum ersten Male Papa!�

Unruhig fuhr der junge Mann mit der Hand �ber die Stirn, als wollte er sein Gesicht zudecken. So stand er einige Augenblicke, dann drehte er sich um.

�Du bist sehr aufgeregt, lieber Eduard,� sagte sie ihm nachfolgend.

�Ich, nein!� antwortete er, sich weiter entfernend.

�Kannst Du es mir nicht sagen, was Dich qu�lt?� fragte sie bittend.

�La� mich! La� mich!� rief er heftig. �Du kannst mir nicht helfen,� setzte er vers�hnlicher hinzu.

Sie schwieg eine Minute lang und stand still.

�Helfen,� fl�sterte sie kaum h�rbar, �ach nein! Das kann ich nicht, aber mit Dir tragen, Dich tr�sten, Dich lieben, das kann ich.�

�Sei nicht th�richt,� rief er sich umwendend und sein Gesicht zur Freundlichkeit zwingend, �Du siehst so kl�glich aus, als w�re es schon um mich geschehen. Ich bin in Geldverlegenheit. Morgen sp�testens soll ich einige bedeutende Summen zahlen. Ich habe genug Forderungen, die f�llig sind, um die Wechsel doppelt zu decken; allein die Leute nehmen sich Zeit damit, und ich kann sie nicht dr�ngen. Mein Ansehen leidet dadurch, wenn ich so eilig bei sichern M�nnern bin. Ich mu� Rath schaffen, sehen, wo ich es hernehme.�

�Und Du wei�t nicht, was Du thun sollst?�

�Nein,� sagte er die Stirn faltend, �das Geld ist knapp, Jeder braucht es. Es w�re eine Kleinigkeit, wenn mein Vater –�

Er schwieg, als w�re er von dem Gedanken erschreckt, den er laut werden lie�.

�Du k�nntest mit ihm sprechen,� sagte Clara leise.

�Ich?� schrie er auf, und die gl�hende R�the, ob Scham, ob Unwillen, kehrte in sein Gesicht zur�ck. �Lieber wollte ich die dreitausend Thaler, die ich brauche, vom �rgsten Halsabschneider borgen; lieber m�gen die Wechsel protestirt werden und das Gericht sich einmischen.�

�O mein Gott!� sagte die junge Frau zitternd, �das f�rchtest Du?�

�Sei kein Kind,� erwiederte er einlenkend, �ich sagte so, weil mich der Zorn �berlief. Ich werde schon Rath schaffen ohne seine Hilfe, aber er freilich, er k�nnte jeden Augenblick das Zehnfache geben. Das Capital, mit dem ich das Gesch�ft �bernommen habe, ist jedenfalls zu gering, ihm geh�rt ja Alles, eigentlich bin ich nur sein P�chter. Beruhige Dich, Cl�rchen, und weine nicht etwa. Kein Mensch darf Etwas merken. Sollte Grie�feld kommen, so sei freundlich und halte ihn auf, bis ich zur�ckkehre. Im Nothfalle –� er brach ab und sah sie tadelnd an, �Du mu�t freundlich zu Grie�feld sein,� sagte er, �er verdient Deine �blen Launen nicht, und eben jetzt darfst Du sie ihm am wenigsten zeigen.�

Als er sich rasch entfernt hatte, blieb Clara am Fenster stehen und sah ihm nach, bis sie ihn nicht mehr erblicken konnte. Ihr Herz schlug in heftigen Schl�gen, ein Schauder lief �ber ihre Glieder. Endlich faltete sie die H�nde und richtete ihre Augen auf den blauen Himmel, an dem die Sonne hell gl�nzend stand und ihr gelbes Licht �ber den Strom ausgo�, der voll Leben und Gesch�ftigkeit war.

Die frische Luft drang durch das offene Fenster, und es kam ihr vor, als dr�nge Gottes Trost und Muth in ihre Brust, als spr�chen Stimmen in ihr Ohr, und als s�he sie in dem strahlenden Wasserspiegel milde Gesichter, die ihr zul�chelten und winkten. Da sa�en auch V�gel auf einer Stange am Ufer, junge V�gel, die von einem alten Vogel umflogen, mit dem Schnabel gestreichelt und gef�ttert wurden, und pl�tzlich nahm Clara ihr Tuch vom Stuhle, h�llte sich ein und sagte mit fester Stimme:

�Er mu� helfen, er wird helfen! Ich will es versuchen, der barmherzige Gott wird mir Kraft verleiben.�

Sie ging rasch �ber den Hof, als sie die schmale Treppe des alten Hauses hinaufstieg, versagten ihr die F��e den Dienst, krampfhaft hielt sie sich an dem Gel�nder fest, als wollte sie sich hindern umzukehren, dann stand sie an der Th�re still, und es dauerte einige Zeit, ehe sie sich zum leisen Anklopfen entschlo�. Als sie das scharfe strenge: �Herein!� h�rte, holte sie tief Athem, und mit Aufbietung aller Kraft folgte sie dem Rufe.

Der alte Mann sa� vor seinem Pulte, sein gro�es Rechenbuch lag vor ihm. Er hielt den Kopf dar�ber gebeugt und wandte sich nicht gleich von seiner Arbeit fort. Ein Zittern lief durch das Herz der jungen Frau, als sie das rothe faltige Gesicht von der Seite anschaute. Die wei�en buschigen Augenbrauen standen borstig ab, der stierartige Nacken quoll �ber das blaue Tuch, das er um den Hals gewunden, der stachliche graue Bart bedeckte Kinn und Backen.

Und jetzt sah er sich nach ihr um, so hart und erbarmungslos feindlich, da� ihr �ngstliches L�cheln daran erstarrte. Er stand nicht auf und erwiederte ihren Gru� auch nicht. Seine Finger ballten sich zusammen, und seine Augen thaten sich weit auf und schleuderten einen Strom von Ha� und Grimm auf sie.

�Lieber Papa,� sagte Clara stockend und verwirrt, �ich komme zu Ihnen – es wird mir sehr schwer, weil ich f�rchte – aber ich that es –�

�Weil Nichts weiter �brig blieb,� fiel er ein.

�Sie wissen vielleicht – oder Sie h�rten,� fuhr sie noch leiser fort.

�Da� ich geben soll, weil's mit der Wirthschaft ein Ende nimmt, ein Ende mit Schrecken,� rief er dazwischen. �Ich kann's mir denken.�

�Ich bitte nicht f�r mich,� erwiederte sie muthiger, �ich bitte f�r ihn, f�r Ihren Sohn.�

�Wer hat ihn so weit gebracht?�

�Eduard wei� nicht, was ich thue,� sagte sie, ohne sich zu vertheidigen, �aber ich sehe seine Noth, und wer st�nde ihm n�her als der eigene Vater?�

�Seinen Vater hat er von sich gesto�en!� antwortete der alte Mann. �Wer hat ihn dazu getrieben?�

�Er bedarf Ihrer Hilfe nur auf kurze Zeit,� fl�sterte sie schnell athmend, �dreitausend Thaler nur auf einige Wochen.�

�Um sie zu vergeuden, zu verspielen! Um der Dame neue Spielereien zu schaffen, ihr eitles Unwesen weiter zu treiben.

�Sie sind ungerecht gegen mich,� antwortete sie mit erwachendem Stolze.

�Ungerecht?� fragte er hohnvoll, �ungerecht, Madame? – Wenn die Frau Nichts taugt, geht der Mann zu Grunde. Eine liederliche putzs�chtige Frau kann einen Brunnen aussch�pfen.�

Leichenbl�sse bedeckte Clara's Gesicht, aber ihre Augen wurden fester, und mit klarer Stimme sagte sie:

�Ich habe Ihnen nie Gelegenheit gegeben, so unw�rdig von mir zu denken. Gott wei� es, da� ich mich schuldlos f�hle, schuldig allein bin ich vielleicht durch meine Liebe zu Eduard, die mich geduldig hoffen und glauben lie�.�

�Sie klagen ihn an?� fragte er.

�Nein, nein!� sagte sie dem�thig, �ich bitte nur f�r ihn. Werfen Sie Ihren Zorn auf mich, aber entziehen Sie ihm nicht den Vater und Freund. Helfen Sie ihm; es sind Wechsel da, die er zahlen mu�, er wird Alle wieder erstatten, und dann – o gewi�, er wird vorsichtiger, einsichtiger werden.�

Der alte Mann sch�ttelte zornig den Kopf.

�Geben – ich – dreitausend Thaler?� antwortete er. �Ich bin kein Narr, der sich von leeren Worten r�hren l��t. Schauen Sie mich so unschuldig an, wie Sie wollen, Madame, ich glaube es Ihnen doch nicht. Heucheln geht nicht bei mir. Dreitausend Thaler!� er lachte zornig auf – �in einem Tage haben Sie die mit ihm verthan. – Sie sind aber klug genug, um zu wissen, da� er mit so Wenigem sich nicht helfen kann. Bis �ber den Hals sitzt er darin, und wer heute nicht zugreift, kommt morgen.�

�Was sagen Sie da?� sagte die junge Frau voll Schrecken.

�Ich sage, da� er ein Bettler ist und betteln gehen kann, wenn er aus dem Schuldthurm kommt,� fuhr er fort. �Aber ich, ich werde mein Eigenthum retten, so viel ich kann. Ehe Andere kommen und Beschlag darauf legen, werde ich es selbst thun.�

Mit Mienen voll Angst und Verzweiflung hob sie die gefalteten H�nde zu ihm auf.

�Und was hat ihn dahin gebracht?� schrie er heftig ihr in's Gesicht. �Eine Heirath, bei der kein Segen sein konnte! W�re die nicht gewesen, h�tte er eine verst�ndige, flei�ige, b�rgerliche eine achtbare Frau bekommen,� sagte er mit vernichtendem Nachdruck, �er w�rde nicht leichtsinnig geworden sein. Er war es fr�her nicht, aber das P�ppchen mu�te ausgeputzt werden, das P�ppchen sollte Staat machen, das P�ppchen wollte es so haben! Nichts da, Madame, Nichts da! Wir passen nicht zusammen, und so lange er mein Sohn, ja, das war er – so lange er in solchen H�nden ist, mag's Aergste mit ihm geschehen, er hat's verdient!�

Sie sah ihn stier mit fliegendem Athem an, dann dr�ckte sie beide H�nde an ihre Brust, als wollte sie diese zusammenpressen.

�Ich – ich bin die Quelle seines Ungl�cks?� sagte sie. �Gro�er Gott, was soll ich thun? Wenn es wahr ist – ich will – Allem, Allem entsagen! Ich verstehe – ich verstehe. Sie wollen helfen, wenn ich gehe – wenn ich ihn verlasse. Ich will, ich will! O mein Gott – ja, ich will!�

Der alte Mann unterbrach sie nicht. Ein grimmiger Hohn schwebte um seinen Mund, und aus seinen Blicken leuchtete die bitterste Verachtung.

�Es ist keine gro�e Sache,� rief er aus, �denn ein Bettler ist er, und das lustige Leben wird sobald nicht wieder kommen. Ein Anderer, der mehr hat, ist ihm vorzuziehen.�

Pl�tzlich hielt er inne, und seine Hand befehlend ausstreckend, w�hrend die Stirnfalten sich dick zusammengezogen, sagte er:

�Verlassen Sie ihn, ja, das ist das einzige Mittel, um ihn zu retten. Ich will zutreten und ihn aus dem Sumpfe rei�en, aber fort heute noch aus dem Hause da fort! Wollen Sie?�

�Ich will,� antwortete sie den Kopf senkend, indem sie eine schwankende Bewegung machte, als wolle sie sich entfernen.

�Halt, noch Eins!� rief er ihr nach. �Das Kind bleibt hier; meinen Namen tr�gt's, ich will f�r den Jungen sorgen.�

�Mein Kind!� fl�sterte sie mit brechender Stimme und einem Blicke, dem er nicht ganz widerstehen konnte.

�Dummes Zeug!� antwortete er, die Augen von ihr abwendend. �Ein Kind, ist eine Last f�r eine –� er sprach nicht aus, was er weiter sagen wollte. �Wer soll's erziehen?� fragte er finster. �Der Vater hat seine Rechte daran. Ich will sein Vater sein; ein schuldloser Wurm soll nicht leiden. Wollen Sie?�

Die junge Frau hob den Kopf auf, eine seltsame Zuversicht lag in ihrem bleichen Gesichte.

�Ich will Ihnen den Knaben anvertrauen,� sagte sie, �weil ich Ihnen glaube. Wie grausam Sie auch mich verwerfen, ihn werden Sie lieben und sch�tzen, und da ich nicht wei�, was aus mir werden wird, so – nehmen Sie ihn hin,� fl�sterte sie tonlos.

�Es ist Vernunft darin,� murmelte er ihr zunickend.

�Heute Abend will ich gehen,� fuhr sie mit gr��erer Fassung fort, �er – Eduard soll erfahren, wenn es geschehen ist. Ich will es ihm schreiben – das Kind sollen Sie erhalten, – dann – dann – sprechen Sie mit ihm, sagen Sie ihm, da� es nothwendig sei zu seinem Gl�cke – sagen Sie ihm, was Recht ist, und seien Sie mild, ein Vater mit ihm. Alles, was Sie weiter bestimmen, werde ich erf�llen.�

Mit diesen Worten entfernte sich Clara, grollend blieb der Alte stehen.

�Es ist doch Alles Heuchelei,� schrie er endlich seinen Arm aufhebend. �Kom�die spielen kann sie, mag sie unter die Kom�dianten geben.�

Er setzte sich wieder an sein Pult und rechnete weiter, aber der Hader in seinem Kopfe verwirrte seine Gedanken. Er wandte die Augen bald auf den leeren Fleck zur�ck, auf welchem die Frau, die er ha�te, gestanden hatte, den jetzt die Sonne, durch das Weinlaub dringend, hell beschien. Ihr blasses Gesicht voll stummer Noth kam ihm in den Sinn, er ballte die Faust und legte sie an seine harte Stirn, als wollte er das schwache Mitleid fortdr�cken, das sich gegen seinen Willen dahinter regte. –

�Wenn es richtig bei ihr w�re,� murmelte er leise, �h�tte sie nimmermehr ja gesagt. Was kann solch' Weib lieben? Es ist ihr Alles einerlei; Mann und Kind verl��t sie, um Einem nachzulaufen, der – der.�

Er sprang auf und streckte den Arm aus.

�Da� ich ein Narr w�re,� schrie er laut auf, �und mich beschwatzen lie�e! Betrogen hat sie ihn, ich hab's mit meinen Augen gesehen, und darum soll sie fort; k�nnte sie Thr�nen weinen, da� ein Meer daraus w�rde, ihre Schande und L�ge w�scht Nichts ab. Sie soll fort! Er soll's h�ren warum, das wird ihm die Augen �ffnen.�

W�hrend er dies nochmals mit sich abmachte, war die junge Frau in ihre Wohnung zur�ckgekehrt. Als sie eintrat, fand sie Grie�feld, der in einem der Lehnst�hle sa�, in einem Buche bl�tterte und sie erwartete.

L�chelnd legte er das Buch fort und verbeugte sich.

�Sie haben mir zwar gestern erkl�rt,� sagte er, �da� ich fortan Ihr Angesicht meiden solle, ich komme dennoch, weil ich vielleicht heute hoffen darf – aber was ist Ihnen geschehen?� fuhr er abbrechend fort. �Sie haben etwas Schreckliches erlebt oder erfahren!�

�Sie erwarten meinen Mann?� erwiederte sie; �er hat mir aufgetragen, Sie zu ersuchen, hier zu verweilen.�

�Bis er kommt, sehr gern,� fiel Grie�feld ein, indem er seinen Bart mit dem Taschenkamme strich. �Setzen Sie sich zu mir, liebes Cl�rchen, lassen Sie uns aufrichtig sein, und weisen Sie meine Theilnahme nicht zur�ck. Sie haben Kummer, ich kann mir denken was es ist. Bei meinen Empfindungen f�r Sie mu� es es mir doppelt nahe gehen.�

Clara schlug die Augen zu ihm auf und sagte mit Gelassenheit:

�Ich bitte Sie nochmals, mich mit Allem zu verschonen, was ich nicht h�ren darf.�

�Wie grausam Sie sind, und was that ich denn?� rief er pathetisch. �Ich habe Ihnen gestern Nichts gesagt, was Sie beleidigen konnte. Ich erinnerte mich selber an vergangene sch�ne Tage, wo ich hoffen durfte, Sie mein zu nennen, und fragte Sie, ob dies nicht besser f�r uns Beide gewesen sein w�rde. Statt dessen verlangten Sie von mir, da� ich Sie verlassen, da� ich diesen theuern Eduard verlassen, Ihr Haus nicht mehr betreten solle. Sie zeigen mir ein Z�rnen, das ich nicht verdiene, eine Abneigung, die mich immer tief geschmerzt hat.�

Ohne ihm Antwort zu geben, sa� die junge Frau einige Minuten lang bewegungslos, pl�tzlich ergriff sie feinen Arm und sagte heftig:

�Sie haben sich r�chen wollen, Sie haben ihn von mir getrennt, ihn und mich elend gemacht – was wollen Sie noch?�

�Was ich will?� erwiederte er l�chelnd, �ich will Nichts! Sie erschrecken mich mit Ihren Anklagen. Ich habe durchaus nicht die Absicht, Sie von dem geliebten Freund zu trennen, oder ihn von Ihnen. Er ist in Verlegenheiten gerathen, wahrlich nicht durch meine Schuld, im Gegentheil ich hatte selbst einige Forderungen an ihn, bin aber gern bereit ihm zu helfen, so viel ich vermag. Ich wei�, da� er Zahlungen zu leisten hat und vergebens umherl�uft, Geld aufzutreiben. Wie viel ist es, wissen Sie die Summe?�

�Dreitausend Thaler,� sagte Clara.

�Viel Geld!� versetzte er, �und der Alte giebt Nichts, daf�r bin ich gut. Ueberhaupt steht es schlimm mit Eduard, er wird mehr brauchen als das; allein wenn wir gute Freunde bleiben, l��t sich wohl Rath schaffen. Ich will meine Hand aufthun, jedoch unter Bedingungen. Wir wollen Frieden schlie�en, Sie mit mir, Clara, wir m�ssen uns verst�ndigen, gute Freunde werden.�

Als er nach ihren Fingern griff, zog sie diese zur�ck und r�ckte mit dem Stuhle.

�Ist das Ernst?�, fragte er. �Sagen Sie mir aufrichtig, Clara, wissen Sie, wie es mit Ihrem Manne steht, und was Sie erwartet?�

�Ich wei� Alles, sehe Alles!� erwiederte sie leise.

�Und ich wiederhole Ihnen, was ich gestern sagte,� fuhr er mit ged�mpfter Stimme fort. �Sie haben Unrecht gethan, zu dieser Familie hinunter zu steigen, die Sie mi�achtet, mi�handelt und verfolgt.�

Seufzend legte die junge Frau ihre H�nde zusammen, ohne zu antworten.

�Sie glaubten ein gro�es Gl�ck zu machen, wohl versorgt zu sein, ein gl�nzendes Leben f�hren zu k�nnen. Welche T�uschung!�

�Es ist falsch,� sagte sie sich aufrichtend, �ich liebte ihn.�

�Sie liebten ihn, aber jetzt –�

�Jetzt, liebe ich ihn noch!�

�Vortrefflich!� rief er laut lachend, �also trotz seines Leichtsinns noch immer so viel Liebe. Was wollen Sie aber thun? Von der Liebe lebt man nicht, und leider ist nicht daran zu zweifeln, da�, wenn ich nicht helfe, schlechte Zeiten kommen werden. Wollen Sie meine W�nsche erf�llen?�

�Morgen,� sagte sie, �sollen Sie meine Antwort h�ren.�

�Gut, so will ich warten und Ihnen morgen sagen, was ich fordere.�

Eine dunkle R�the sammelte sich auf ihrer Stirn, und ihre Augen, die sich auf ihn hefteten, sahen stolz und befehlend aus.

�Ich kann Ihnen heute schon Antwort geben,� begann sie nach einigen Augenblicken, �denn mein Z�gern w�rde Sie vielleicht bewegen, falsch zu urtheilen. Ich liebe Eduard trotz seiner Schw�chen und Irrth�mer, denn sein Herz ist gut; er ist g�tig und mild, er wird erkennen und umkehren. Kein Opfer wird mir zu gro� sein, um ihn mit seinem Vater auszus�hnen, der allzu viel Recht zum Z�rnen hat. Ich f�rchte die Armuth nicht, sie bringt keine Schande, ich f�rchte keine Entbehrungen, ich kann arbeiten; aber um keinen Preis der Welt m�chte ich dem Schlechten und Gemeinen auch nur einen Finger reichen.�

�Damit bin ich ohne Zweifel gemeint,� fiel Grie�feld ein.

�Ich denke, wir kennen uns,� fuhr sie ruhig fort. �Wie ich vor vier Jahren alle Ihre Bem�hungen um mich zur�ckwies, so und noch mehr thue ich es jetzt.�

�Sie sind aufrichtig, ich bedanke mich!� antwortete Grie�feld, �doch es kann anders kommen, wie Sie denken. Bei alledem will ich warten bis morgen,� f�gte er heuchlerisch l�chelnd hinzu, �denn immer werden Sie mir theuer sein, angebetetes Cl�rchen, immer werde ich zu Ihren Diensten bereit sein, sobald Sie wollen. – Nein, ich f�rchte Ihre Thr�nen nicht,� fuhr er leidenschaftlich fort, indem er sich ihrer Hand bem�chtigte, �denn ich liebe Sie, wer will mich hindern, das zu gestehen? Was wollen Sie hier noch bei diesem Manne, der Sie so wenig zu sch�tzen wei�, der ein Bettler ist, ein Leichtsinniger, ein Mensch ohne Nachdenken und Verstand? Was haben Sie von der Zukunft mit ihm und bei ihm zu erwarten? Ich, Clara, ich kann Ihnen ein anderes Leben bieten, verlassen Sie ihn, folgen Sie mir.�

�Ja!� rief sie sich losrei�end, �verlassen will ich ihn, doch lieber in den Tod, als einem Elenden folgen.�

�So,� sagte er, indem er ihr nachblickte, als sie sich entfernte, �verlassen will sie ihn? Nein, Madame, so ist es nicht gemeint. Bleiben sollen Sie, bis die Frucht reif ist und von selbst in meine H�nde f�llt.�


VII.

Herr Vollbrecht lie� wieder mit dem Mittagsessen auf sich warten, was der Frau Geheimsecretairin gro�en Aerger verursachte. Sie kam mit Sch�rze und Kelle aus der K�che gerannt, sah nach der Uhr, welche eben drei geschlagen hatte, und schrie voller Heftigkeit:

�Es ist mit diesem Liederjahn nicht mehr auszuhalten, alle Tage macht er es �rger! Es mu� ein Exempel an ihm statuirt werden, oder es ist aus mit mir. Niemals kommt er mehr zur rechten Zeit, und wenn er kommt, ist er dickh�utig, hat keinen Hunger, entschuldigt sich kaum mit allerlei Flausen, die er zusammenl�gt, und thut, als h�tte ihm Keiner Etwas zu sagen. Du darfst es nicht l�nger leiden, Malchen, es geht nun und nimmermehr so fort, wenn er Dir nicht �ber den Kopf wachsen soll. Gott im Himmel, wer h�tte das gedacht, als der Hungerleider uns in's Haus gebracht wurde!�

�Ich werde es ihm eintr�nken,� sagte Malchen, die am Fenster sa� und n�hte. �Sei nur ruhig, er soll nur erst nach Hause kommen.�

�So ist's Recht!� antwortete die Frau Geheimsecretairin, �la� Dir nicht auf der Nase herumspielen.�

�Ich will ihm schon herumspielen,� meinte Malchen, �er soll jetzt bekennen.�

�Bekennen?� fragte die alte Dame. �Was soll er bekennen?�

�Er hintergeht uns, hat uns lange schon hintergangen.�

�Ist es m�glich!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Der – der, solch' Mensch, der hintergeht uns!�

�Stille!� sagte Malchen, denn eben trat Herr Vollbrecht herein, und wunderbar gl�nzend strahlten seine Augen, wunderbar roth und frisch sah sein bleiches mageres Gesicht mit dem unendlich langen Kinn aus, wunderbar gl�cklich und furchtlos lachte er den beiden Frauen zu, die bei seinem Anblicke gebietende Positionen eingenommen hatten.

�Alle Wetter, ja!� rief der kleine Mann, indem er von der Th�rschwelle hereinstolperte und auf dem Wege eine Schwenkung nach Links machte, �da bin ich endlich. – Hihi!� fuhr er lustig fort, ohne den Hut abzunehmen, �eben f�ngt es wieder an zu regnen. Wie sehen Sie denn aus, Mamachen, so roth wie eine Feuerlilie, hihi! Was halten Sie denn da in der Hand, das ist wohl der Stiel, der Stengel von der Feuerlilie?�

�Ich werde Ihnen den Stengel gleich zu kosten geben!� schrie die erz�rnte Frau Geheimsecretairin, ihre Kelle schwingend. �Na, da siehst Du es, Malchen, da siehst Du es! Ist es nicht eine Schande, eine S�nde und Schande?�

�Wer? Was?� kicherte Vollbrecht auf sie losgehend. �Wer ist die S�nde und wer ist die Schande? Sie, ich, Malchen, oder wir Alle zusammen? Hihi! es ist eine allerliebste Gesellschaft.�

�Ach mein Jes's! ist es denn m�glich, Malchen!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Der Mensch, der Liederjahn er kann nicht mehr auf seinen F��en stehen!�

�Was?� antwortete Vollbrecht in der besten Laune. �Sehen Sie her, Mamachen, machen Sie es nach, wenn Sie k�nnen. Auf der Dielritze gebe ich wie ein Tanzmeister.�

Bei dieser Kunstproduction seiner N�chternheit gelangte er bis in die N�he seiner Frau, welche pl�tzlich ihren langen Arm ausstreckte und mit einem wohlgezielten Schlage ihm den Hut vom Kopfe warf, der in eine Ecke rollte, w�hrend Herr Vollbrecht bedenklich schwankte.

�Wo kommst Du her?� fragte sie zu gleicher Zeit mit so ausdrucksvollen Geberden, da� der kleine Mann mitten in seinem Lachen stecken blieb und zur�ckprallte. –

Er schien nicht recht zu wissen, was er thun sollte, aber mit einigen k�hnen Entschl�ssen zu ringen, denn er zog sich an seinem Kragen in die H�he, stemmte dann den Arm in die Seite und warf den Kopf in den Nacken, indem er ein f�rchterliches Brummen h�ren lie�; ehe er jedoch seiner beleidigten m�nnlichen W�rde Nachdruck gab, streckte Malchen nochmals den Arm aus und deutete auf die Decke von Strohgeflecht, welche an der Th�re lag.

�Dahin gehst Du,� sagte sie in unwiderstehlichem Tone, �und wischst Dir die F��e ab, wie es einem vern�nftigen Menschen zukommt, und dann kommst Du hierher und antwortest auf das, was ich Dich fragen werde.�

Ueberrascht befolgte Vollbrecht p�nktlich diese Gebote, denn es kam ihm vor, als k�nne er nichts Besseres thun, als sich nachgiebig beweisen, um den Sturm, der �ber seinem Haupte schwebte, abzuhalten; allein er that es doch mit so vielem Mi�vergn�gen und allerlei Gemurmel, da� die Frau Geheimsecretairin drohend schrie:

�Er will noch patzig thun? er will noch Recht haben? Ist es denn m�glich, Malchen, da� es uns so gehen kann!�

�Es wird ihm noch ganz anders gehen, wenn er sich untersteht zu mucksen,� erwiederte Malchen; �darum bekenne die Wahrheit, wo Du gewesen bist, und woher Du jetzt kommst.�

�Ich habe Gesch�fte gehabt,� antwortete Vollbrecht, �dringende Gesch�fte.�

�Gewi� von gro�er Wichtigkeit.�

�Allerdings!� rief Vollbrecht mit wachsendem Muthe, �wenn sie nicht wichtig w�ren, w�rde ich nicht so lange geblieben sein.�

�Und es bringt wohl viel ein?� fragte Malchen in sanfterem Tone.

�Es wird sich rentiren,� sagte er seine Knochenfinger dr�ckend, da� sie knackten. �Ein Gesch�ftchen, wie es selten vorkommt, ein Mann, der seinem N�chsten Etwas g�nnt.�

�Wie hei�t er denn?� fragte Malchen.

�Hei�en? Du mu�t nicht fragen, bestes, sch�nstes Herz. – Ich darf's Dir nicht sagen, bis jetzt ist es ein. Geheimni�.�

�Ich will's aber wissen!� schrie das sch�nste Herz gebieterisch.

�O bitte,� antwortete der kleine Commissionair, sich r�ckw�rts bewegend, ich wollte wohl und m�chte gewi�, aber –,� er zuckte heftig die Achseln �es geht wirklich nicht an, weil viel daran h�ngt, und darum –,� bei diesen Worten klopfte er lebhaft auf den blauen Frack – �mein Ehrenwort darauf! Es geschieht Alles f�r Dich, Malchen, und sobald ich kann, ich wollte es w�re heute schon –�

Hier unterbrach ihn Malchen und sagte gelassen:

�Du wirst mir aber doch sagen k�nnen, wo Dein Gesch�ft gemacht wird?�

�Wo? Aha, Du meinst Das Haus? Ja warum nicht?� rief Herr Vollbrecht. �Ich sage blos, es ist eines der ersten H�user, h�chst sicher, h�chst achtungswerth. Es ist f�r mich eine hohe Ehre, mit solchen Leuten zusammenzukommen, denn wenn ich bedenke –�

Hier wurde Herr Vollbrecht pl�tzlich unterbrochen, denn einer Furie gleich sprang Malchen auf ihn los, fa�te mit allen zehn Fingern die Klappen des blauen Rocks und lief mit diesem und dem traurigen Gegenstande, welcher darin eingekn�pft war, bis in die n�chste Ecke, welche von der Wand und einem Schrank gebildet wurde. Hier sch�ttelte sie ihn nochmals, lie� ihn dann los und stand vor ihm mit solchen Augen, solchen ausgespreizten H�nden und solchem hinrei�enden Ausdrucke in ihren Gesichtsz�gen, da� der arme kleine Vollbrecht zitternd und flehend seine Arme aufhob und um Gnade bat. –

�Du l�gst, Du Trunkenbold, Du Betr�ger!� schrie Malchen. �Die Augen rei�e ich Dir aus dem Kopfe, wenn Du nicht bekennst. Gesch�fte machen? Saubere Gesch�fte hat Er gemacht! Umhergetrieben hat Er sich nun schon Wochen lang mit liederlichen, sch�ndlichen, schlechten Creaturen!�

�B�sewicht! Ungeheuer!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Ach mein Jes's, ist es denn m�glich, also auch das noch – mit schlechten Creaturen, Weibsbildern! – Pfui, sch�ndlich, nichtsw�rdig!�

�Unschuldig, unschuldig!� antwortete Vollbrecht schluchzend.

�Noch viel Schlimmeres,� sagte Malchen. �Wo ist Er bisher alle Tage gewesen? Im franz�sischen Kaffeehause. – Was hat Er gethan? Gezecht, geschwelgt, gepra�t, w�hrend wir hier sa�en und hungerten. Mit wem hat Er dort t�gliche Zusammenk�nfte? Mit dem Schelme und Spieler, dem Gauner und elenden Verf�hrer, dem Hauptmann und seinen Genossen. Mit denen steckt Er unter einer Decke, die benutzen Ihn und beschwindeln Ihn. W�hrend der Onkel Ihm Auftr�ge ertheilt und in's Vertrauen zieht, unterhandelt er mit dessen Feinden.�

�Seinen Wohlth�ter verr�th Er!� schrie die Frau Geheimsecretairin. �Er ist ein Judas, ich habe ihm nie getraut, ein Judas Ischariot! ein Ischariot.�

Der ungl�ckliche Vollbrecht machte einige schwache Versuche, sich zu vertheidigen, aber seine beiden Gegner erstickten seine Stimme sofort mit neuen Vorw�rfen. Er mu�te bekennen, da� er wirklich heute und schon oft im franz�sischen Kaffeehause gewesen sei; Malchen hatte ihm in Person aufgelauert, und er f�rchtete sich viel zu sehr, um ihren Beweisen zu widerstreiten. Er mu�te bekennen, da� er dort mit dem Hauptmann zusammengetroffen, aber auf's Heiligste versicherte er, da� Eduard niemals dabei gewesen sei.

Wie eine Citrone wurde er ausgepre�t, und wo er irgend stockte, halfen die zornigen Angriffe der beiden Frauen nach, bis ein ziemlich umfassendes Gest�ndni� insoweit fertig war, da� er dem schlechten Menschen Alles hinterbrachte, was der alte Eckhoff thue und treibe, was er ihm auftrage und mit ihm abrede, worauf Grie�feld ihm Antworten und Nachrichten in den Mund lege, die er dem Onkel �berbringen mu�te.

�Ein abscheuliches nichtsw�rdiges Complott!� rief die alte Dame emp�rt. �Der Schelm! Der Gauner! So betr�gt er meinen einzigen Bruder, seinen Wohlth�ter, dem er es allein zu danken hat, da� er Dein Mann geworden ist. Malchen, denn Du …�

�Ich denke,� unterbrach sie Malchen, �wir gehen sogleich selbst zum Onkel und offenbaren ihm Alles. Er mu� mit und mu� bekennen.�

�Und mit ihm kann mein armer verrathener Bruder dann machen, was er will!� fiel die Frau Geheimsecretairin frohlockend ein. �Fort mit ihm! Aus dem Hause mit ihm! Der Herr Eduard wird ihn versorgen, das hochm�thige P�ppchen kann ihm seine treuen Dienste belohnen.�

�Ich habe ja nie das Geringste mit ihnen zu thun gehabt,� rief Vollbrecht in gr��ter Angst, �und der Hauptmann ha�t sie alle Beide noch weit mehr wie ich. Alles, was ich gethan habe, geschieht ja nur, um den Onkel in seinem gerechten Zorne gegen den Verschwender zu best�rken, damit er nicht schwach wird, sich nicht bereden l��t. Ja, so wahr ich das Leben habe, es ist keine L�ge! Der Hauptmann ist mein bester Freund, unser aller bester Freund, er w�nscht Nichts mehr, als da� der Onkel sich ganz von ihnen trennt und sich uns zuwendet.

Und jetzt ist es so weit,� fuhr er Athem sch�pfend fort, als er sah, da� diese Mittheilungen die zornigen Frauen entwaffneten. �Gestern Abend hat der leichtsinnige Mensch wieder Alles verspielt, sogar noch Schulden obenein gemacht, dabei ist seine Kasse ganz leer, und morgen soll er dreitausend Thaler Wechsel zahlen. Mich hat er mehr wie einmal schon dringend aufgefordert, ihm Geld zu schaffen; es ist aus mit seinem Credit. Ich habe es Niemandem verschwiegen, wie er mit seinem Vater steht, und was er f�r Wirthschaft treibt. Jetzt kommt es darauf an, da� der Onkel fest bleibt, und eben deswegen hat der Hauptmann mich heute durchaus sprechen wollen und hat mir aufgetragen, dem Onkel Nachricht zu bringen, was in der Nacht wiederum am Spieltische vorgefallen, und wie es mit dem saubern Herrn Sohne aussieht, wie ich dies oft schon gethan habe.�

So folgte denn die ganze Enth�llung seiner Bekanntschaft mit Grie�feld aus fr�herer Zeit, und wie dieser ihn wieder aufgesucht, und was er ihm versprochen und gelobt hatte. Die vielen Zwischenfragen wurden von ihm vollst�ndig beantwortet und mit mancherlei Lob auf den Reichthum des Hauptmanns, auf seine Gro�muth und seine lustige Laune unterbrochen, die immer zu Scherz und Fr�hlichkeit geneigt sei.

Die beiden Frauen wurden ersichtlich immer weicher gestimmt, je l�nger Vollbrecht redete, und endlich rief die Frau Geheimsecretairin:

�Ja, wenn es so steht, so ist es etwas ganz Anderes! So hat Vollbrecht eigentlich ganz recht gehandelt. Warum haben Sie denn aber das nicht gleich gesagt, August? Ich konnte mir es auch nimmermehr denken von einem so feinen Herrn, da� der so schlecht sein sollte.�

�Ich habe es keinem Menschen sagen d�rfen,� antwortete Vollbrecht, �er hat es mir streng anbefohlen. Ich sollte ihn verachten und �belreden und –� er zuckte die Achseln und sch�ttelte seinen langen Kopf, �ein Spieler ist er, er spielt, ich glaube alle Tage.�

�I mein Herr Jes's!� fiel die Frau Geheimsecretairin ein, �eine schreckliche S�nde ist das eben auch nicht; die vornehmen Herren spielen Alle! Da war der alte Bl�cher, der konnte ohne Spiel nicht leben. Er wird wohl gewinnen, und wenn man gewinnt, kann man spielen. Wer gewinnt und nicht spielt, der ist ein Narr! Aber solch' Habenichts, solch' Thunichtgut, solch' Verschwender wie der Eduard, der verdient, da� er in's Zuchthaus gebracht wird. Mein armer Bruder, ach guter Gott! was erlebt er f�r Schande an ihm, und wenn er nicht fest ist, wenn er sich nicht ganz losmacht, beh�lt er zuletzt selbst nicht einen Groschen.�

�Der alte Mann kann selbst noch einmal betteln geben,� sagte Malchen, �daher m�ssen wir sorgen helfen, da� es nicht geschieht. Aber,� fuhr sie dann nachdenklich fort, �Warum ist der Hauptmann so falsch gegen seine eigene Verwandte und will ihr Ungl�ck? Unsertwegen thut er es doch nicht! Das soll er mir nicht sagen, er hat seine eigenen Absichten dabei.�

Herr Vollbrecht grinste listig und zog seinen Kragen bis an die Mundwinkel.

�Malchen ist doch immer klug!� rief er, �die merkt Alles, und wenn es auch noch so fein angelegt ist. So recht wei� ich es nicht, aber ich habe mir allerlei zusammengesetzt aus seinen Reden, besonders neulich, wo er Etwas viel getrunken hatte und sehr lustig war. Vor vier Jahren ist er selbst verliebt gewesen in das sch�ne Cl�rchen und hat ihr Antr�ge gemacht; ob er sie gerade heirathen wollte, wei� ich nicht, allein er hat sich wenigstens so gestellt; sie aber ist zuletzt so unangenehm geworden, da� er abziehen mu�te, und das kann er ihr nicht vergessen. Nun kommt er wieder und findet sie in Gl�ck und Freuden, sieht sie und m�chte sie wohl noch haben. So macht er sich mit Eduard bekannt, der findet auch Gefallen an ihm, darauf kommen sie �fter zusammen, und das Spielen geht los. Nun besucht er ihn, und –,� hier fing Herr Vollbrecht an seine langen H�nde zu reiben, �darauf schlie�t er wieder Freundschaft mit dem sch�nen Cl�rchen.�

�Merkst Du nun, Malchen?� fragte die Frau Geheimsecretairin boshaft lachend. �So steht es also? So benimmt sich der Tugendspiegel!�

�Das ist ihm ganz Recht!� rief Malchen ihre grauen Augen weit �ffnend. �So mu� es mit ihm kommen!�

�Und wenn er sie hat, wohin er sie haben will, fuhr Vollbrecht fort, �nimmt er sie vielleicht eine Zeit lang mit. Solche Herren, wenn sie in die B�der reisen, haben oft eine Cousine bei sich.�

�Immer noch zu gut f�r sie!� sagte Malchen vor Rachsucht strahlend; �aber er, wenn er –, wenn er Nichts mehr hat, und wenn sie ihm fortgelaufen ist –, dann kann er ihr nachlaufen oder sich in's Wasser st�rzen oder den Hals sich abschneiden!� –

Sie brach in ein Hohngel�chter aus.

�Ach du mein Jes's!� schrie die Frau Geheimsecretairin die H�nde faltend, �was wird mein guter Bruder anfangen?�

�Der,� sagte Malchen, �der verdient nichts Besseres. Warum ist er so schwachk�pfig gewesen, warum hat er nachgegeben? Wir wollen Alle hingehen. Vollbrecht soll ihm sagen, wie es steht, das Uebrige wird sich finden.�


VIII.

Es war dunkel geworden, als sie sich aufmachten. Vollbrecht f�hrte an einem Arme seine Frau, am andern die Schwiegermutter, und Beide waren ausnehmend g�tig geworden, was der kleine Mann schon daran merken konnte, da� sie ihn August nannten und mit ihm spa�ten, und da� er nicht gescholten wurde, als er Malchen auf's Kleid trat. Sie unterhielten sich gemeinsam �ber die Art, wie sie sich benehmen wollten, und �ber die Erbschaft, die ihnen einmal zufallen w�rde.

Die Frau Geheimsecretairin versenkte sich in allerlei Berechnungen und kam endlich zu dem Schlusse, da� es ohne Zweifel das Beste sei, wenn sie die Wohnung bez�gen, die jetzt von der elenden Person eingenommen werde, sobald diese hinausgeworfen sein w�rde, und vor ihren Augen tanzten die gro�en Zimmer in gl�nzender Herrlichkeit umher.

Eben waren sie vor dem Hause angelangt, wo sie einen sehns�chtigen Blick zu den hohen Fenstern hinaufschickte, dem ein Seufzer folgte, welcher dem Gedanken galt, da� der gute Bruder, von dem Alles abhing, ja noch lebe, und da� er, Gott wei� wie lange, sein starrsinniges Dasein weiter fortsetzen k�nne. Malchen dagegen hatte besseren Glauben an die nahe vollst�ndige Erf�llung ihrer W�nsche. Sie kannte den alten Onkel, wu�te, wie ihm beizukommen war, und machte im Stillen Pl�ne, wie sie Alles von ihm erreichen wollte, was sie mochte.

�Wenn ich nur erst um ihn und immer in seiner N�he bin,� sagte sie zu sich selbst, �so k�nnen sie thun, was sie wollen, er soll so hart bleiben wie ein Felsen, im Uebrigen aber kenne ich Eduard, der dem�thigt sich nicht und fleht nicht um Gnade. Sie hassen sich Beide, und es kommt nur darauf an, zur rechten Zeit immer wieder einen neuen Stein dazwischen zu werfen. Hat der Alte ihn einmal fallen lassen, ist die Schande �ffentlich geworden, stecken ihn die Schuldner in's Gef�ngni�, und l�uft die Person fort, so ist Alles gemacht. Niemals vergeben sie sich das. Der Eine ist ein so rasender Narr wie der Andere, und es kann mit Beiden nicht lange dauern, wenn –�

In diesem Augenblicke wurde die Th�re ge�ffnet, und in einen Mantel geh�llt trat ein Herr rasch heraus, in welchem sie Alle sogleich den Hauptmann erkannten, da er den Kopf hoch hielt und das Licht der Gasflamme sein Gesicht beleuchtete.

Auch Grie�feld sah, wen er vor sich hatte, doch nicht wie sonst ging er fremd vor�ber. Er blieb stehen und gr��te in artiger Weise. –

�Wenn ich nicht irre,� sagte er, �so sind Sie es, Herr Vollbrecht?�

�Allerdings,� antwortete der kleine Mann, �ich bin es.�

�Dann hoffe ich, da� Sie sich meiner erinnern?�

�Ob ich mich erinnere!� rief Vollbrecht belustigt. �Ist es nicht der Herr Hauptmann Grie�feld?�

�Ich sehe, da� Sie mich kennen. Und diese Damen sind, wie ich denke, Ihre liebensw�rdige Frau Gemahlin und w�rdige Schwiegermama?�

�Es ist wirklich so,� sagte Vollbrecht, indem er m�hsam sein Lachen unterdr�ckte und Malchen heimlich in den Arm zwickte.

Der Hauptmann verbeugte sich verbindlich.

�Werden die Damen mir verzeihen,� sagte er, �wenn ich, obwohl Ihren fremd, eine Bitte wage?�

�Sehr gerne!� antwortete die Frau Geheimsecretairin mit einem tiefen Knix, �wir thun Alles gerne, was Sie w�nschen, lieber Herr Hauptmann, ich sowohl wie meine Tochter.�

�W�rden Sie mir gn�digst erlauben,� fuhr Grie�feld fort, �da� ich Herrn Vollbrecht Ihnen auf einige Minuten entf�hre.�

�Wenn Sie keinen weiter entf�hren wollen,� sagte Malchen mit spa�haftem Nachdruck, so werden wir gewi� Nichts dagegen haben.�

�Also, Herr Vollbrecht, wenn ich als Unbekannter Ihnen nicht zu l�stig bin, w�rde ich im Interesse Ihrer Familie Sie um einige Worte unter vier Augen ersuchen.�

�Allezeit bereit!� rief Vollbrecht muthig.

�Ich begleite Sie �ber den Hof fort, wir lassen die Damen vorangehen und bleiben in ihrer N�he,� erwiederte Grie�feld. �Ich nehme an, da� Sie den alten Herrn Eckhoff besuchen wollen.�

Auf eine bejahende Antwort fa�te er den Arm seines Vertrauten und hielt ihn fest, w�hrend die beiden Frauen sich entfernten.

�Leben Sie wohl, meine Damen,� sagte der Hauptmann, sich nochmals verbeugend, �in wenigen Minuten wird Herr Vollbrecht wieder bei Ihnen sein. Entschuldigen Sie nochmals, gn�digste Frau, da� ich Sie bel�stige, und lassen Sie mich auf Vergebung hoffen.�.

Malchen l�chelte befriedigt.

�Bitte,� sagte sie, �lassen Sie sich nicht st�ren, wir sind ja gleich an Ort und Stelle.�

�Ein ganz allerliebster Mann!� rief die Frau Geheimsecretairin laut genug, da� es verstanden wurde. �Was so ein Herr h�flich ist! K�nftig soll er zu uns kommen, wenn wir erst hier wohnen werden. Gesellschaften werden wir geben, Malchen, so gut wie Einer, und im Grunde ist es am Besten, wir richten es so ein, da� Tobias in seiner alten H�tte wohnen bleibt, denn wenn der denkt, wir werden uns zu ihm in den Winkel setzen, so irrt er sich. Aber ich glaube beinahe, er ist nicht zu Hause,� fuhr sie fort, �es ist Alles finster oben.�

Sie waren bis zu dem G�rtchen gelangt, das voll d�rrer gelber Bl�tter lag, die der Oktoberwind von den B�umen und Weinspalieren gefegt hatte. Nur die Laube in der einen Ecke, umrankt von dichtem spanischem Ginster und mit ihrer Drillichwand bedeckt, sah noch aus, als wenn es Sommer w�re. Der Mond stand halbvoll am Himmel unter rasch fliegenden dunkeln Wolken und warf dann und wann durch Spalten einen feinen grauen Schimmer �ber den �den Platz.

�Es ist Licht in seinem Zimmer,� antwortete Malchen; �der alte Geizhals hat die Lampe klein gemacht.�

�Na, la� uns nur erst sein Geld haben,� sagte ihre Mutter leise lachend, �so soll es anders kommen. Jetzt m�ssen wir aber vorsichtig sein. Wo ist denn der Hauptmann? richtig, da stehen sie Beide. Was er nur dem Vollbrecht zu sagen hat?�

�Wir wollen ihn hier erwarten,� fl�sterte Malchen. �Stelle Dich hierher zu mir hinter die Laube, so kann uns Niemand sehen. Da kommt er.�

Mit hastigen Schritten lief der kleine Mann herbei; als er bei ihnen vor�ber wollte, riefen sie ihn an.

�Nun,� fragte Malchen, �was wollte er?�

�Hihi!� lachte Vollbrecht, �es ist eine komische Geschichte, eine ganz komische Geschichte!�

�Was f�r eine komische Geschichte?�

�Auf's Gewissen hat er mich gefragt, ob ich Euch auch kein Wort erz�hlt habe. Ich habe es ihm beschw�ren m�ssen, und dabei ist er in gr��ter Wuth gegen das sch�ne Cl�rchen.�

�Wie so denn in Wuth?� fragte die Frau Geheimsecretairin. �Will sie Geld von ihm haben?�

�Im Gegentheil,� fl�sterte Vollbrecht, �er hat ihr die drei tausend Thaler geben wollen, daf�r hat sie ihn beinahe zur Th�re hinausgeworfen. Eduard hat er nicht sprechen k�nnen, der ist den ganzen Tag nicht nach Hause gekommen als gegen Abend und dann wieder fortgelaufen, weil ihm wahrscheinlich Jemand das Geld versprochen hat, der sich nicht sehen und sprechen lassen will. Der Hauptmann hat es ihm schon heute fr�h abgeschlagen, jetzt aber hat er sich anders besonnen, er will's ihm geben und noch mehr, wenn's sein mu�.�

�Er will's ihm geben?� rief Malchen emp�rt; �keinen Groschen soll er ihm geben!�

�Das habe ich ihm auch gesagt,� fuhr Vollbrecht fort, �allein er besteht darauf und meint, er m��te es geben, wenn's so enden sollte, wie er es wollte. Noch k�nnte sich etwas ereignen, was leicht den Alten auss�hnen m�chte, dann w�re es mit der Erbschaft vorbei.�

�Was k�nnte denn noch geschehen?� fragte Malchen erbittert.

�Es kann gar nichts geschehen!� eiferte ihre Mutter. �Wenn der Tobias einmal seinen Kopf aufsetzt, geht er nicht davon ab.�

�Genug, ich soll dem Alten sagen, der Hauptmann habe die drei tausend Thaler herausger�ckt, weil Cl�rchen ihn darum flehend gebeten,� fl�sterte Vollbrecht, �und soll ihm einen Wink geben, warum er es gethan. – Hihi! man wei� ja, was dergleichen Gef�lligkeiten werth sind. Indessen wird er drau�en vor der Th�re bleiben, aufpassen, wenn Eduard kommt, und es mit ihm abmachen.�

�O,� sagte Malchen mit tonloser Stimme und gegen den Mond aufblickend, der eben durch die Wolken brach und in ihre freudig blitzenden Augen leuchtete, �es ist gut so; jetzt merke ich es, wir wollen Alle helfen. Der Alte ist so stolz wie ein Prinz. Wenn er h�rt, da� sie um das Geld gebettelt hat, wird er toll werden. Das rei�t den letzten Nagel aus.�

�Und das ganze Haus f�llt ihm zuletzt auf den Kopf!� kicherte die Frau Geheimsecretairin. �Aber klug m�ssen wir's anfangen. Um Gottes Willen, August, machen Sie keine Dummheiten, denn wenn er das Geringste merkt, so ist es vorbei. Und er ist mein Bruder,� fuhr sie fort, �zwar nur mein Stiefbruder, aber schlau ist er. Also aufgepa�t, August!�

Unter diesen leise gefl�sterten Mittheilungen waren sie durch den kleinen Garten an die Hausth�r gelangt und stiegen die finstere Treppe hinauf. Als sie halb oben waren, fiel unten die Hausth�re mit einem starken Schlage zu und in's Schlo�, so da� es ganz dunkel war.

�Wer ist denn das?� fragte die Frau Geheimsecretairin �ngstlich.

�Es wird der Zugwind gewesen sein,� erwiederte Vollbrecht, der hinter ihr war, still stand und horchte.

Er h�rte keinen Laut, und jetzt wurde oben die K�che ge�ffnet, die alte Magd kam mit der Lampe ihnen entgegen.

�Guten Abend, Frau Heinzen,� sagte Malchen, �ist mein Onkel zu Hause?�

�Treten Sie nur gef�lligst herein,� antwortete die Dienerin, �der Herr sein da. I guten Abend, Frau Geheimsecretairin, kommen Sie auch einmal wieder zu uns? Der Herr werden sich sicher freuen, er ist heute den ganzen Tag in gro�er Unruhe gewesen.�

�Warum denn in Unruhe?� fragte Malchen.

�Ja, warum denn?� erwiederte die alte Frau achselzuckend, �das kann ich Ihnen so eigentlich wohl nicht sagen, aber ach Gott! den ganzen Tag sein sie auf- und abgegangen, und wenn ich hinein kam, sahen sie mich kaum an, drehten sich fort, und kaum einen L�ffel voll Suppe zum Mittag, kaum einen L�ffel voll haben sie zu sich genommen, liebe Frau Geheimsecretairin!�

Diese geheime Mittheilung wurde schweigend angeh�rt, dann aber hob die Frau Geheimsecretairin ihre H�nde auf und faltete sie zusammen, und nachdem sie zu gleicher Zeit ihre Augen aufgehoben und den Kopf heftig gesch�ttelt hatte, lie� sie einen lauten Seufzer h�ren, mit welchem sie sich umwandte und die Th�re des Wohnzimmers �ffnete.

Die Lampe stand ganz niedergeschraubt mitten auf dem Tische, und in dem gro�en Lederstuhle erkannte die betr�bte Wittwe die Umrisse der m�chtigen Gestalt ihres Bruders.

�Mein lieber Tobias, mein herzenslieber Bruder!� sagte sie mit halblauter zitternder Stimme, indem sie sich bestrebte, genauer zu sehen.

Der Angeredete setzt sich jedoch nicht, und pl�tzlich erhob sie ihr gellendes Organ, denn ihr kam ein schrecklicher Gedanke ein.

�Ach du mein Jes's!� schrie sie, �er ist todt, sie haben ihn ermordet!�

�Onkel! Onkel!� schrie Malchen voller Best�rzung, und Vollbrecht lie� seinen Stock fallen und sprang in seinem Entsetzen nicht vorw�rts, sondern nach der Th�re zur�ck.

W�hrend dessen aber hatte sich der grauhaarige Kopf aus der gro�en Backe des Lederstuhles aufgerichtet, und seine Augen reibend sagte der alte Mann in einem Tone, der fast lustig klang:

�Was giebt es denn? Was wollt Ihr? Warum weckt Ihr mich auf?�

Die Frau Geheimsecretairin beugte sich �ber ihn und dr�ckte ihn mit Innigkeit an ihren Mantel:

�Gott sei Dank!� rief sie, �er lebt! Sie haben ihn nicht erw�rgt, er ist blo� aus Verzweiflung eingeschlafen.�

�Was soll das Alles?� fragte Eckhoff mit rauher lauter Stimme, indem er die Lampe h�her schraubte und deren Schirm aufschlug. Er betrachtete die Gesichter seiner Verwandten und befreite sich aus den H�nden seiner Schwester. – �Wahrhaftig,� sagte er, Deine Finger an meiner Kehle machen mir allerlei Gedanken, sonst aber bin ich, wie Du siehst, wohl auf und denke es noch manches Jahr zu bleiben. Warum sollte ich denn auch verzweifeln?� fuhr er fort. �Ich habe einen gesunden Schlaf gehalten und angenehm getr�umt. Ich tr�umte, da� mein Sohn bei mir sei, und wir waren gute Freunde geworden, denn er hatte sich bekehrt und alle seine S�nden abgethan.�

Hier schlug die Frau Geheimsecretairin die H�nde zusammen und st�hnte j�mmerlich. Sie wandte sich halb nach Malchen um, die des alten Mannes Stirn k��te und betr�bt sagte:

�Wenn es doch wahr w�re! wenn Tr�ume immer Wahrheit w�rden! Es ist aber zu viel Schlechtigkeit in der Welt, und leichtsinnige Menschen bekehren sich nicht, die fallen immer tiefer.�

�Zu viel Schlechtigkeit in der Welt!� murmelte Eckhoff. �Es ist wahr, Malchen, und die uns zun�chst stehen, sind oft an Bosheit die Aergsten.�

�Ach Onkel, Onkel!� rief Malchen, �mir will es fast das Herz zerbrechen, da� Deine gro�e Liebe so vergolten wird. K�nnte ich es mit meinem Leben �ndern, es sollte anders sein.�

�Du bist ein gutes Kind,� antwortete der alte Mann. �Aber was giebt's denn wieder? – Ein neues Unheil? Sprecht es aus!�

�Ich kann's nicht,� sagte Malchen, �rede Du, August. Gr�me Dich nicht, Onkel, wir sind bei Dir. La� sie thun, was sie wollen, wir sind da.�

Eckhoff st�tzte den Kopf in seine Hand, die andere lie� er seiner z�rtlichen Nichte, die sich neben ihn setzte und dann und wann seine harten sehnigen Finger k��te, wenn diese sich zusammenzogen, was �fter geschah, je weiter Vollbrecht seine Erz�hlung fortsetzte. Im Ganzen jedoch h�rte der alte Mann gefa�ter und ruhiger zu, als man erwarten durfte, und selbst, da� seine Schwiegertochter sich so erniedrigt, wie Vollbrecht es beschrieb, brachte keine merkliche Bewegung hervor.

�Bist Du gewi�,� fragte er endlich, �da� Alles so wahr ist, was Du sagst?�

Der kleine Mann nickte feierlich und klopfte auf seinen blauen Frack, denn Malchens Augen ruhten auf ihm.

�So gewi� wie das Amen in der Kirche!� rief er feierlich und dann um so schneller sprechend: �Der Hauptmann ist �fter auch ganz allein bei ihr gewesen, da haben sie es abgemacht.�

�Eine f�rchterliche Welt! Eine schreckliche Welt!� seufzte die Frau Geheimsecretairin.

�O nein, Mutter!� rief Malchen, den Kopf stolz aufhebend, �nein, die Welt mu� man nicht anklagen. Anst�ndige Frauen thun so Etwas nicht, und es giebt denn doch noch, Gott sei Dank, anst�ndige Frauen,� f�gte sie mit Nachdruck hinzu. �Aber wenn man leichtsinnig ist, sinkt man immer weiter, das ist es, was ich sage. Und sie, der Tugendspiegel, sie hat ja fr�her schon eine Liebschaft mit dem Hauptmanne gehabt, wer wei� denn, wie sie damals schon gestanden haben?�

�Wer hat Dir das gesagt?� fragte Eckhoff.

�Ich habe es geh�rt,� antwortete seine Nichte unerschrocken. �Leider sprechen die Leute ja offen genug �ber das Verh�ltni�, so da� man roth werden und sich sch�men mu�.�

�Der elende Mensch, der Hauptmann,� murmelte der alte Mann. �G�b's nicht solche Taugenichtse, w�rde manch' Elend weniger sein. Prassen, schwelgen, verderben, ihren L�sten fr�hnen, das ist ihre Sache. Solch' Gesch�pf glaubt nicht an Gott, nicht an Recht, nicht an Vergeltung. Er ist schlimmer wie das schlimmste Thier!�

�Aber, Bruder Tobias! Bruder Tobias!� schrie die Frau Geheimsecretairin, �es ist doch nun einmal nicht anders hier auf Erden. Der Herr Hauptmann ist ein feiner Herr, der nimmt, was ihm geboten wird. Und wenn man jung und reich ist und Nichts zu thun hat und das Leben genie�t und darnach erzogen wird und vornehm – so – so�

Die letzten Worte erstarben ihr auf der Zunge, denn der Kopf ihres Bruders schien zu wachsen und ein Medusenkopf zu werden. Seine ganze Haut f�rbte sich wie mit Blut, seine wei�en Haare richteten sich auf, die Adern liefen hoch darunter hin, und seine Augen quollen hervor.

�Ach, mein Jes's, Bruder Tobias!� sagte sie erschrocken, �der Schlag r�hrt ihn!�

In dem Augenblicke lie� sich drau�en auf dem Vorflur ein Schrei h�ren, der Schrei eines Kindes, der sich einige Male wiederholte, darauf aber trat Stille ein, und der alte Mann stand auf und sagte strenge:

�R�hrt Euch nicht von der Stelle! Ihr sollt sehen, da� ich die nicht schonen will, die es nicht verdienen.�

Als er die Th�r ge�ffnet hatte, stand Clara vor ihm. Ein grauer weiter Mantel h�llte sie ein, eine Kappe verbarg ihren Kopf, unter dem Mantel hielt sie Etwas verborgen, das in ihren Armen lag.

�Kommen Sie herein,� sagte der alte Mann mit harter Stimme.

Sie blieb an der Schwelle stehen; ihre Augen irrten verzagt und entsetzt �ber die drei Familienglieder.

�O mein Gott!� rief sie voll Bangigkeit, �was wollen Sie thun?�

�Was ich mu�,� erwiederte er. �Kommen Sie n�her. Hier hat Keiner Etwas zu reden, als ich allein.�

�Ich verstehe,� antwortete die junge Frau mit hohler Stimme, �Sie wollen, da� ich vor Zeugen Ihnen mein Kind �bergebe.�

�Es ist also noch Ihr Wille?� fragte er.

�Hier,� erwiederte sie, indem sie den Mantel zur�ckschlug, �hier ist Ihr Enkel, nehmen Sie ihn und halten Sie, was Sie mir versprochen. Doch noch Eines!�

Das Kind lag schlafend in einem Kissen. Sein Kopf mit dem weichen blonden Haar ruhte auf ihrem Arm, sie trat mit ihm zur�ck.

�Ehe ich gehe – arm, wie ich war, und ungl�cklicher, wie ich war,� f�gte sie erstickt hinzu, �versprechen Sie mir, da� dies Kind nicht etwa in H�nde gegeben wird, die –�

Ein trostloser und wilder Blick, der deutlich sagte, was sie f�rchtete, fiel auf die beiden Damen hinter dem Tisch, welche neugierig erstaunt diese sonderbare Scene beobachteten.

�Geben Sie her,� antwortete Eckhoff, �und lassen Sie es meine Sorge sein, ich will das Kind vor Schaden bewahren.�

Sie hielt den Knaben ihm entgegen, er sah ihr in's Gesicht. Sie war bleich, aber sie zitterte nicht.

�Es ist also Ihr wohl �berlegter Entschlu�,� fragte er, �mir den Knaben zu �bergeben und Mann und Haus zu verlassen?�

�Ja,� sagte sie leise.

�Und keinerlei Anspr�che wollen Sie weiter machen?�

�Nichts, ich nehme Nichts mit,� erwiederte sie. �Ich habe an Eduard geschrieben. Helfen Sie ihm, lieben Sie ihn! Das ist Alles, was ich fordere.�

�Und was soll aus Ihnen werden? Wohin wollen Sie?

�Ich werde ein Obdach suchen und finden,� war ihre leise feste Antwort.

�Bei dem Herrn Vetter etwa? he!� rief er auffahrend. �Ist's in Richtigkeit mit ihm gebracht?�

�Ich verstehe Sie nicht,� sagte Clara sich abwendend.

�Oho!� fuhr der alte Mann fort, �hat der Hauptmann noch nicht daf�r gesorgt, warum wollen Sie denn fort? Hat er nicht die dreitausend Thaler gegeben und noch mehr versprochen? – Antwort, Frau, zum letzten Male. Haben Sie ihn darum angefleht oder nicht?�

�Das ist eine sch�ndliche elende L�ge!� erwiederte Clara.

�L�ge! Eine L�ge w�r's?� rief der alte Mann. �Hierher, Vollbrecht, wiederhole es ihr in's Gesicht! Sage ihr, da� der Hauptmann ihr den Kaufpreis bezahlt hat, und da� sie meinen Sohn, ihren Mann, heimlich auslacht.�

Sein Arm griff nach dem ungl�cklichen Vertrauten, den er mit unwiderstehlicher Gewalt an dem Kragen des blauen Fracks fa�te und neben sich stellte.

Vollbrecht folgte zappelnd und sich str�ubend. Er war so erschrocken von der Pl�tzlichkeit dieses Ueberfalls, da� er kein Wort sprechen konnte, nur hielt er bittend beide H�nde in die H�he und machte den Mund weit auf wie zu einem Schrei, obwohl er ganz stumm blieb.

�Heraus mit der Wahrheit!� sagte Eckhoff, indem er ihn sch�ttelte.

�Sage die Wahrheit, August!� schrie Malchen, die mit funkelnden Augen aufsprang. �Sage es ihr in's Gesicht!�

�Gerade in's Gesicht!�, schrie ihre Mutter. �Mein armer Bruder! Pfui, pfui! – Ach mein Jes's!�

Dieser letzte Ausruf blieb halb unvollendet, denn er sa� ihr in der Kehle fest, als pl�tzlich Eduard hereintrat und mit ihm Grie�feld, der im Hintergrunde stehen blieb.

�Clara!� rief der junge Eckhoff, der einen Brief in der Hand hielt und bleich und verst�rt aussah, �was thust Du hier? – Sie wollen uns trennen – ich habe dies gelesen – nimmermehr! nimmermehr!�

Er zog sie an seine Brust und fuhr zu seinem Vater gewandt fort:

�Ich verlange Deine Hilfe nicht. Thue, was Du willst, sto�e mich fort, aber diese da lasse ich mir nicht nehmen, um keinen Preis der Welt!�

�Du bist ein Thor!� antwortete sein Vater �und wirst einer bleiben. Willst Du meine Hilfe nicht, so lauf, ich dr�nge sie Dir nicht auf. Da steht ja Dein Retter hinter Dir – der wird helfen!�

�Das will ich auch, alter Herr,� sagte der Hauptmann. �Komm, Eckhoff, f�hre Deine Frau fort, ich habe Dir meine Unterst�tzung zugesagt.�

�Halt!� rief der alte Mann, indem er zwischen beide trat und sich dicht vor seinen Sohn stellte, �h�re erst an, was ich Dir mitzutheilen habe. Heute fr�h kam Deine Frau zu mir, f�r Dich um Hilfe zu bitten. Ich kannte Deine Lage besser, wie Du denkst, und wu�te, da� die Summe, welche Du morgen brauchst, Dir wenig helfen konnte. Deiner Frau aber z�rnte ich mehr noch wie Dir, denn ich hielt sie f�r die Ursache Deiner leichtsinnigen Streiche. Eine Frau, sagte ich mir, die nicht so viel Macht �ber ihren Mann hat, um ihn von seinem Untergange abzuhalten, die Spieler und Menschen um sich duldet, welche ihn in sein Verderben ziehen, mu� eben so sein oder noch viel schlechter. –

Alte Geschichten will ich nicht aufr�hren,� fuhr er fort, �aber wie sie vor mir stand und ja sagte, als ich forderte, da� sie von Dir und ihrem Kinde gehen sollte, kam's mir vor, als beginge ich ein Verbrechen, und doch fa�te mich wieder der Verdacht, sie th�te es nicht eben ungern, th�te es nicht aus �bergro�er Liebe um Deinetwegen, sondern steckte mit dem Herrn Vetter wohl gar unter einer Decke. – Den ganzen Tag �ber trieb's mich in gro�er Unruhe umher, und wie es Abend war, lief ich hinaus; ich wollte leben und wissen, was sie triebe, wollte sie heimlich belauschen, abwarten, ob sie mit dem Kinde wirklich k�me, und wer wohl bei ihr und in ihrer N�he sein m�chte.

Da sa� ich unten in der Laube hinter der Hecke und h�rte meine Schwester kommen mit ihrer Tochter und deren Mann und h�rte deutlich, da� nicht Cl�rchen, wohl aber die Drei mit dem Herrn da ihr Spiel spielten. Er hatte ihnen versprochen, da� sie mich beerben sollten, darnach w�rde er es einzurichten wissen. Dem Spieler und Verschwender k�nnte ich nimmermehr vergeben, und vor dem alten Vater w�rde der verlorene Sohn doch nimmer um Vergebung flehen. Alle Deine Thaten hat mir der Vollbrecht getreulich hinterbracht, dazu wurde er abgerichtet; wie Du auf mich schm�htest und h�hntest, wu�te ich jeden Morgen. Heute hatte er ihm aufgetragen, mir zu berichten, da� Du gestern Nacht wieder einmal rein ausgepl�ndert wurdest, und wie es heute mit Dir stand. Aber h�re mich weiter an.

Sie sollten mir es beibringen, da� Dein Weib ihn um das Geld angefleht, dabei sollten sie mir beibringen, sie stehe in einem heimlichen Handel mit ihm und sei schon, ehe sie Dich genommen, mit ihm in vertrauten Verh�ltnissen gewesen. Sie wu�ten, da� das Feuer f�r mich war, mein Herz auszubrennen. – Sei still, glaube es nicht, es ist nicht wahr. Ich h�rte, da� der Herr da allerdings heute Morgen zu Deiner Frau kam und ihr seinen Beistand anbot, aber auch, da� sie ihn von sich wies und in gro�e Wuth versetzte. Als sie ihre Pl�ne abgeredet hatten und hinein in's Haus waren, folgte ich ihnen. Es war mir wohler, wie seit Wochen; ich stieg die kleine Treppe hinauf, die von dem alten Comptoir unten in meine Kammer f�hrt, und als sie hier hereintraten, fanden sie mich schlafend.

Und nun,� sagte er seine Hand ausstreckend, indem er sich in seiner ganzen L�nge aufrichtete, �nun w�hle! Da steht der Mann, der Dir sein Geld verspricht und ein freies Leben dazu, Spiel und lustige N�chte und Tage – hier aber steht Dein Vater, der Arbeit und Gehorsam von Dir verlangt. Das Gesch�ft nehme ich wieder in meine eigenen H�nde, Du hast gezeigt, da� es Dir nicht taugt. Abh�ngig sollst Du von meinem Willen sein, Nichts thun, was ich nicht billige, Nichts anr�hren, wozu ich nicht Ja sage. Es wird eine schwere Zeit f�r Dich kommen, eine Zeit der Entbehrungen und mancherlei Noth und Demuth, denn Deine Verschwendungen mu�t Du gut machen, Deine Fehler mu�t Du bereuen, und ehe es nicht so mit Dir steht, wie ich es will, ehe ich nicht sehe, Du bist ein Mann geworden, dem man vertrauen kann, eher hoffe nicht darauf, da� ich milder mit Dir umgehe. Lieber keinen Sohn, wie einen leichtsinnigen Sohn! Nachgeben kann ich nicht und will ich nicht. Was ich thue, ist Recht, magst Du es nicht, so geh. Recht mu� Recht bleiben!�

W�hrend er dies Alles langsam und nachdr�cklich sagte, k�mpfte Eduard einen harten Kampf. Sein Stolz war gebeugt, aber er f�hlte doch die Schmerzen der Unterwerfung; reuig wu�te er, wohin er gerathen war, allein es zu bekennen, fehlte ihm die Selbst�berwindung. Seine Augen flogen scheu umher und richteten sich dann zur Erde nieder, und als der alte Mann geendet hatte, stand er noch ohne Bewegung und Antwort.

Pl�tzlich aber sah er auf und sah in die Augen und in das Gesicht seiner Frau, und diese Frau hielt sein Kind in ihrem Arme, so kniete sie vor dem alten strengen Manne und hielt seine Hand, die er ihr lie�, an ihren Mund gedr�ckt. Es kam ihm vor, als s�he er den Vater mild auf sie blicken und die andere Hand nehmen, um sie aufzurichten, da schmolz die stolze Rinde von seinem Herzen.

�Du hast Recht, Vater,� sagte er mit fliegender bewegter Stimme, �ich war ein Thor, ich habe gefehlt. Gott wei� es, ich mu� es bekennen. Verlange keine Selbstanklage, kein Bekenntni�, aber thue, was Du willst, ich werde gehorchen.�

Der Alte streckte die Hand aus.

�Sieh mich an,� sagte er, �sieh mich fest an. Es giebt ein Wesen da oben, das blickt auf uns, dem leiste Dein Versprechen, willst Du?� –

Gleich darauf breitete er seine Arme aus, Eduard's Kopf fiel an seine Brust, er stand einen Augenblick �ber ihn gebeugt, dann richtete er sich auf.

�Morgen reisest Du ab,� sagte er mit seiner alten Strenge, �und bleibst den Winter �ber in Preu�en, um Holzeink�ufe zu machen. Ich wei� nicht, was Deine Frau vor hat, ob's noch ihr Wille ist, von Dir zu lassen, oder ob sie Dich begleiten will, derweil der alte Papa den Jungen hier verwahret.�

�O bester, lieber Papa!� rief die junge Frau mit �berstr�menden Augen, �gern will ich eine Verbannte sein.�

�Wir m�ssen uns Alle selber strafen,� fuhr er ernsthaft fort, �damit wir uns bessern. Deine Sachen hier werde ich inzwischen ordnen; Ihr aber da packt Euch aus meinem Hause, ich will Euch nicht l�nger dulden.�

�Bruder Tobias! Bruder Tobias! Ach mein Jes's!� schrie die Frau Geheimsecretairin kl�glich. �Erbarme Dich, erbarme Dich!�

�Onkel,� sagte Malchen, �ich bin unschuldig, ich wu�te von Nichts. Hinter unserm R�cken hat dieser schlechte Mensch –,� hier deutete sie auf ihren ungl�cklichen Mann, �alle diese Cabalen angestiftet. Wirst Du es bekennen?� fuhr sie heftig fort, �willst Du den Augenblick die Wahrheit sagen?�

Vollbrecht stand da wie ein Bild der Leiden. Er faltete seine H�nde und senkte den schmalen langen Kopf, bis er pl�tzlich verzweiflungsvoll sich an dem Kragen gewaltig in die H�he zog und aufschrie:

�Ich habe es gethan! Ich habe Alles allein gethan, ich bin ein elender, schlechter Mensch!�

�Ich glaube es gern,� antwortete der alte Mann, �aber fort mit Euch, streitet Euch zu Hause darum, wer den Preis verdient!�

Grie�feld hatte l�chelnd zugeh�rt, jetzt bot er Malchen den Arm und sagte artig:

�Lassen Sie uns gehen, Madame, ich glaube wirklich, da� wir nichts Besseres thun k�nnen.�

�Bleiben Sie mir vom Leibe!� schrie die verlorene Frau. �Sie sind der Schlechteste von Aden, Sie m��ten –�

Hier machte sie eine so heftige Bewegung, da� es der Hauptmann f�r gerathen hielt, den R�ckzug allein anzutreten. –

�Wohlan denn;� sagte er, �so d�chte ich, wir schieden s�mmtlich als gute Freunde, die ein gegenseitiges Stillschweigen beobachten und diese Familienscene f�r einen sehr guten Schlu� erkl�ren.�

�Halt!� rief Eckhoff, als er sah, da� sein Sohn sich aus Clara's Armen aufrichtete, sich zu Grie�feld wandte, und sein Gesicht eine gl�hende Farbe erhielt. �Nicht ein Wort mehr zu ihm. Ja, mein Herr Hauptmann, verlassen Sie uns und nehmen Sie unsern Dank mit. Gott bessert uns durch Erkenntni� des B�sen und Ungerechten, und dazu braucht er seine Werkzeuge. Gehen Sie, es war gut so, da� er Sie zu uns sandte; ich habe meinen Sohn wieder gefunden und eine Tochter erhalten, deren Werth ich nicht zu sch�tzen wu�te. Jetzt haben Sie Ihre Dienste gethan; verlassen Sie uns. Ohne Scham und ohne Gram, wie sie sind, wei� der Herr doch auch die zu benutzen, die seiner spotten!�

Er �ffnete die Th�re. Sie gingen s�mmtlich heraus, ohne Etwas zu erwiedern. Der Greis war allein mit seinen Kindern. Einen Augenblick stand er gedankenvoll, dann verschwand die Strenge aus seinem Gesicht, ein mildes L�cheln trat darin hervor.

�Ich habe meinen Sohn wieder gefunden!� rief er seine Arme �ffnend, �und Du –, Du – meine Tochter, Segen �ber Dich! – Du sollst das Band sein zwischen mir und ihm.�

Im Fr�hjahr kehrte Eduard mit Cl�rchen zur�ck. Jetzt wohnt er wieder in dem gro�en Hause eintr�chtig mit dem alten Vater. Der Hauptmann lebt am Rhein oder in Paris; auch Vollbrecht hat Vergebung erhalten, die Frau Geheimsecretairin und ihre Tochter loben seinen Gehorsam und seine P�nktlichkeit.

* * *