Wilhelm Busch
Die beiden Schwestern
Wilhelm Busch

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Wilhelm Busch

Die beiden Schwestern

Es waren mal zwei Schwestern,
Ich weiß es noch wie gestern.
Die eine namens Adelheid
War faul und voller Eitelkeit.
Die andre, die hieß Kätchen
Und war ein gutes Mädchen,
Sie quält sich ab von früh bis spät,
Wenn Adelheid spazierengeht.
Die Adelheid trank roten Wein,
Dem Kätchen schenkt sie Wasser ein.

Einst war dem Kätchen anbefohlen,
Im Walde dürres Holz zu holen.

Da saß an einem Wasser
Ein Frosch, ein grüner, nasser;
Der quakte ganz unsäglich
Gottsjämmerlich und kläglich:
»Erbarme dich, erbarme dich,
Ach, küsse und umarme mich!«

Das Kätchen denkt: Ich will's nur tun,
Sonst kann der arme Frosch nicht ruhn!

Der erste Kuß schmeckt recht abscheulich,
Der grasiggrüne Frosch wird bläulich.

Der zweite schmeckt schon etwas besser;
Der Frosch wird bunt und immer größer.

Beim dritten gibt es ein Getöse,
Als ob man die Kanonen löse.

Ein hohes Schloß steigt aus dem Moor,
Ein schöner Prinz steht vor dem Tor.
Er spricht: »Lieb Kätchen, du allein
Sollst meine Herzprinzessin sein!«
Nun ist das Kätchen hochbeglückt,
Kriegt Kleider schön mit Gold gestickt
Und trinkt mit ihrem Prinzgemahl
Aus einem goldenen Pokal.

Indessen ist die Adelheid
In ihrem neusten Sonntagskleid
Herumspaziert an einem Weiher,
Da saß ein Knabe mit der Leier.
Die Leier klang, der Knabe sang:
»Ich liebe dich, bin treu gesinnt,
Komm, küsse mich, du hübsches Kind!«

Kaum küßt sie ihn,
So wird er grün,
So wird er struppig,
Eiskalt und schuppig

Und ist – o Schreck! –
Der alte kalte Wasserneck.

»Ha!« lacht er. »Diese hätten wir!«
Und fährt bis auf den Grund mit ihr.

Da sitzt sie nun bei Wasserratzen,
Muß Wassernickels Glatze kratzen,
Trägt einen Rock von rauhen Binsen,
Kriegt jeden Mittag Wasserlinsen;
Und wenn sie etwa trinken muß,
Ist Wasser da im Überfluß.