Title: Anweisung zum Weinbau an Gebäuden, Mauern, Lauben und Bäumen
Author: Johann Gottfried Bornemann
Release date: September 8, 2016 [eBook #53013]
Language: German
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Einige klare Fehler in Rechtschreibung, Interpunktion usw. sind stillschweigend korrigiert worden.
Von
J. G. Bornemann.
Leipzig, 1841,
Carl Heinrich Reclam.
Anweisung
zum
Weinbau
an
Gebäuden, Mauern, Lauben
und Bäumen,
als eine sehr leichte, angenehme und nützliche Beschäftigung
für Erwachsene sowohl, als
auch für Kinder.
Herausgegeben
zur Ermunterung der Kinder
zu
edler Thätigkeit
von
Johann Gottfried Bornemann,
Schullehrer in Döbern bei Bitterfeld.
Zweite verbesserte und vermehrte Auflage.
Leipzig, 1841,
bei Carl Heinrich Reclam.
Wir leben jetzt in einer Zeit, wo alles, was die Landwirthschaft betrifft, beachtet und verbessert wird. Ich glaube aber, mit Recht behaupten zu können, daß man besonders in unserer Gegend Eins bei weitem noch nicht so beachtet hat, als es geschehen könnte und sollte. Dieß Eine ist der Weinbau. Man scheint, ihn für ein Geschäft zu halten, das bloß in wärmeren Gegenden mit großen Nutzen betrieben werden kann und betrachtet dieses herrliche Product bloß als ein entbehrliches Naschwerk, ohne zu bedenken, das es ein vortreffliches Sättigungs- und Stärkungs-Mittel ist, und bei reichlicherer Anpflanzung auch wohl ein nicht ganz unbedeutendes Erwerbsmittel werden könnte. Obschon hin und wieder an passenden Orten Weinstöcke sich befinden, so giebt es doch noch viele tausend leere und zu sonst weiter nichts brauchbare Stellen, wo die herrlichsten Weinstöcke gedeihen würden. Und selbst unter denen, die wir haben, giebt es viele, die man aus Unkunde vernachlässigt, so daß sie bei weitem den Nutzen nicht bringen, den sie bringen würden, wenn man sie richtig behandelte; welche Behandlung man sich gewöhnlich weit mühsamer, schwieriger und kostspieliger vorstellt, als sie wirklich ist. Ich selbst bin früher einer von denen gewesen, der seine zwei Weinstöcke aus Unkunde vierzehn Jahre lang vernachlässigte. Nachdem ich aber vor nunmehro 8 bis 9 Jahren die herrlichen Eigenschaften dieses vortrefflichen Gewächses kennen gelernt, und diese zwei Stöcke in kurzer Zeit bis auf viele Hunderte vermehrt habe, gehöre ich unter diejenigen, die sich der Früchte ihres Fleißes erfreuen können. Denn die Zahl meiner Weintrauben geht nun schon seit einigen Jahren alle Jahre weit in die Tausende, und meine Kinder, die jetzt diese herrlichen Früchte genießen können, so viel sie nur wollen, belachen es immer noch, daß sie sich früher mit großer Freude in die einzelnen Beeren der vernachlässigten Stöcke getheilt haben. Deshalb muß ich auch frei gestehen, daß mich nun jeder Ort, wo Wein stehen könnte, und jeder aus Unkunde vernachlässigte Stock, der oft bloß durch die Hand eines Kindes angepflanzt und richtig behandelt werden könnte, von Herzen dauert, zumal wenn ich noch in Erwägung bringe, welch’ ein herrliches Schutzmittel gegen Regen und Sonnenhitze dieses vortreffliche Gewächs den Gebäuden ist. Denn die Wände meines Schulhauses, die sonst bei Regenwetter von Nässe trieften, berührt jetzt kein Tropfen mehr, und die Stuben, in welchen man es früher im Sommer vor Hitze kaum aushalten konnte, sind jetzt kühlen Lauben ähnlich geworden, durch deren Fenster sich überall die Weintrauben hereindrängen. Mehrere in und außer meinem Wohnorte haben mich nun gebeten, ihnen auch Weinstöcke anpflanzen und nach meiner Art in Stand bringen zu helfen. Weil ich aber diese Bitte wegen Mangel an Zeit nur sehr wenigen erfüllen kann, und deshalb schon oft ein Undienstfertiger genannt worden bin: so habe ich mich entschlossen, meine aufgeschriebenen, durch Erfahrung und aus Büchern erlangten Kenntnisse in dieser Sache, durch den Druck bekannt zu machen, um dadurch Jeden in Stand zu setzen, nach meiner Art zu verfahren. Es sind zwar schon mehrere, diesen Gegenstand betreffende, aber nur zu große und deßhalb theure Anweisungen vorhanden. Ich habe in meiner gegenwärtigen Anweisung auf Kürze und Billigkeit Rücksicht genommen, und hege die frohe Hoffnung, vielleicht dem Einen und dem Andern, der diese theuren Anweisungen nicht kaufen kann, und auch dem, der sie kaufen kann oder vielleicht schon hat, aber gern auch noch die Meinung Anderer zur Vermehrung seiner Kenntnisse hört, durch diese kleine Schrift einen Dienst zu erweisen. Möge der Herr der Natur, von dem ja aller Segen kommt, auch dieses geringe Unternehmen für recht viele segensreich machen, und es zu einem Mittel gebrauchen, durch welches der Gewerbfleiß auch in unserer Gegend in dieser Hinsicht erhöht, und so manche leere Stelle zum Wohle des Landes angebaut wird; dann fühlt sich hinlänglich belohnt
Geschrieben
im Sommer des Jahres 1835.
der Verfasser.
Obgleich mein Büchlein bei einigen Wenigen Widerspruch fand, so war doch die Zahl derer, die mir ihren gütigen Beifall schenkten, weit größer, und daher kommt es denn nun, daß mir die Freude zu Theil geworden ist, die erste Auflage binnen vier Jahren vergriffen und eine zweite in’s Leben treten zu sehen. Wenn man es nun Herrn Kecht in Berlin nicht verargt, oder für Stolz auslegt, daß er in der Vorrede zur fünften Auflage seines Buches über den Weinbau, mehrere Empfehlungen seines Werkes hat abdrucken lassen, so wird man es ja auch mir nicht verargen, oder für Stolz auslegen, wenn ich mich gedrungen fühle, in gegenwärtiger Vorrede zur zweiten Auflage meines Büchleins, allen denen meinen schuldigen Dank öffentlich abzustatten, die mein geringes Bemühen gnädig und gütig anerkannt, und durch öffentliche Empfehlungen die Verbreitung desselben befördert haben. Demüthigen Dank also erstens Dem, der mir und meiner geringen Arbeit den Weg bahnte, und sie mit seinem göttlichen Segen krönte. -- Für’s zweite spreche ich hier meinen unterthänigsten Dank Einer Hochlöblichen Königl. Preuß. Regierung zu Merseburg aus, die im 63sten Stücke des öffentlichen Anzeigers, vom Jahre 1836, unter Nr. 850, durch eine allergnädigste Empfehlung den Absatz meines Büchleins ungemein beförderte. Jene Empfehlung lautet wörtlich also:
„Der Schullehrer in Döbern, Ephorie Delitzsch, Johann Gottfried Bornemann, hat eine Schrift herausgegeben: Anweisung zum Weinbau, an Gebäuden, Mauern, Lauben und Bäumen u. s. w. 62 Seiten in Octav, welche bei L. Meyner in Delitzsch gedruckt, und dort sowohl als bei dem Verfasser für fünf Silbergroschen zu haben ist. Nach dem Urtheile Sachverständiger, ist diese Schrift sehr wohlgelungen und verdient empfohlen zu werden.”
Merseburg, den 9. August 1836.
In der deshalb an Sr. Hochehrwürden, den sel. verstorbenen Herrn Superintendent Dr. Rudel in Delitzsch ergangenen schriftlichen Erklärung heißt es:
„Die von Ew. Hochehrwürden unterm 2ten vorigen Monats eingereichte Schrift des Schullehrers Bornemann in Döbern: Anweisung zum Weinbau, haben wir von einem Sachverständigen prüfen lassen, und dieser hat sie dem Inhalte nach, richtig und zweckmäßig abgefaßt befunden, und kann eine Anzeige derselben in den öffentlichen Anzeiger aufgenommen werden.”
Merseburg, den 9. August 1836.
Königl. Regierung, Abtheilung für das
Kirchen- und Schulwesen.
Unterthänigsten Dank daher meinen Hohen Vorgesetzten, die mein geringes Bemühen so gnädig anerkannten. -- Dank allen den Edlen und Guten in der Nähe und Ferne, die mich und mein Büchlein so liebevoll aufnahmen, und sich die Verbreitung desselben angelegen seyn ließen. -- Dank den Thätigen, die meinen Winken und Vorschlägen treulich folgten, und unaufgefordert erklärten, das was sie nach Anleitung meines Büchleins versuchten, auch in der That bewährt und richtig befunden zu haben. Dank besonders noch den aufrichtigen Freunden, die mich auf das noch Fehlende aufmerksam machten, und mich dadurch in den Stand setzten, es in dieser zweiten Auflage nachfolgen zu lassen. Einiges werde ich im Eingange erwähnen, und das Uebrige dem Büchlein selbst, da, wo es hingehört, einverleiben.
Zum Schlusse dieser Vorrede bitte ich die Freunde der Wahrheit und Aufrichtigkeit herzlich, mir jeden vielleicht auch in dieser zweiten Auflage vorkommenden Irrthum bestens anzuzeigen. Ich werde diese mir dadurch erzeigte Gefälligkeit mit dem größten Danke erkennen.
Möchte doch der Wunsch des Verfassers, durch diese kleine Schrift den Trieb zum Weinbaue in allen, ja auch schon in den Kindern zu wecken und zu stärken, im reichen Maaße erfüllt, und jede bis jetzt noch leere und doch für den Weinbau nutzbare Stelle zum Wohle der Menschheit und zur Verschönerung des Landes angebaut werden.
Möge der Geber alles Guten auch dieser zweiten Auflage seinen Segen zu Theil werden lassen, damit sie recht Vielen noch faßlicher und nützlicher werde, als die erste es war. Und wenn dann erfüllt ist, was im vorstehenden Gedichte steht:
dann wird sich für seine darauf gewendete Mühe hinlänglich belohnt fühlen
Geschrieben
im Sommer des Jahres
1840.
der
Verfasser.
Seite | ||
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1. | Zum Weinbau schickliche Oerter | 1 |
2. | Anpflanzung der Schnittlinge | 2 |
3. | Zeit der Anpflanzung von Schnittlingen | 3 |
4. | Art des Legens der Schnittlinge | 3 |
5. | Raum der Schnittlinge | 5 |
6. | Vom Begießen und Düngen des Weinstockes | 6 |
7. | Das Setzen der Schnittlinge mit dem Pfahl-Eisen | 10 |
8. | Vom Begießen und erstem Beschneiden der Schnittlinge | 11 |
9. | Vom Anpflanzen der Wurzlinge | 12 |
10. | Vom ersten Beschneiden der Wurzlinge | 15 |
11. | Vom Zudecken der Schnittlinge, Wurzlinge und aller anderer Weinstöcke überhaupt | 16 |
12. | Vom Aufdecken der Weinstöcke im Frühjahre | 18 |
13. | Behandlung der Schnitt- und Wurzlinge im zweiten Sommer | 19 |
14. | Vom Beschneiden der Schnitt- und Wurzlinge im zweiten Herbste | 21 |
15. | Behandlung der Schnitt- und Wurzlinge im dritten Sommer | 23 |
16. | Vom Beschneiden der Schnitt- und Wurzlinge im dritten Herbste | 25 |
17. | Vom Verbrechen oder Kappen | 26 |
18. | Natürliche Ursachen des Nachtheils vom allzufrühen Verbrechen | 28 |
19. | Nutzen des Nichtverbrechens oder Kappens | 31 |
20. | Regelmäßiges Verlängern der Weinstöcke | 33 |
21. | Umzäunung der Weinstöcke | 34 |
22. | Vom Untersetzen der Weinstöcke | 36 |
23. | Vom Verjüngen der alten Weinstöcke | 37 |
24. | Vom ersten Anbinden oder Heften im Frühjahre | 41 |
25. | Von den Reserve-Augen und ihren Ruthen | 43 |
26. | Vom zweiten, dritten und vierten Anbinden oder Heften | 43 |
27. | Das natürliche Anheften vermittelst der Gabeln | 46 |
28. | Von der richtigen Lage der Ruthen | 47 |
29. | Von der richtigen Lage der Trauben | 48 |
30. | Vom Abbrechen der Blätter zum Gebrauche | 50 |
31. | Einrichtungen zur Erleichterung des mühsam scheinenden Begießens | 52 |
32. | Reinigung des Weingartens | 54 |
33. | Das Erretten einiger Ruthen und Trauben vom Verderben im Frühjahre | 56 |
34. | Vom Anpflanzen der Weinstöcke im Freien oder an Bäumen | 57 |
35. | Schutzmittel gegen die späten Fröste im Mai und Juni | 58 |
36. | Behandlung der im Winter erfrornen Stöcke | 60 |
37. | Vom Senken oder Vermehren der Stocke | 62 |
38. | Vom Verpflanzen der Senker | 65 |
Der ersten Auflage meines Büchleins fehlte es vorzüglich an einer vorausgehenden kurzen Uebersicht und Benennung der einzelnen Theile des Weinstocks. Sie folgen also hiermit:
Für das zunächst vom Stamme des Weinstocks ausgehende alte Holz, was man beim Baume Zacken oder Ast nennt, habe ich in keinem Buche eine fest angenommene richtige Benennung gefunden. In gegenwärtiger Anweisung ist es mit dem Namen: „Zweig von altem Holze” oder „Ast” bezeichnet. (§. 9 und 23.) Mir scheint es aber jetzt, als ob man diese Theile des Stockes mit Recht „Arme” oder auch „Kanal, Saftkanal” nennen könnte. Ich übergebe diese Benennung den geneigten Lesern zur Prüfung. Denn, wenn man den an diesen Aesten stehenden Theilen die Namen „Zapfen und Schenkel” gab, weil sie mit denselben einige Aehnlichkeit haben, so kann man ja eben so gut auch diese Aeste, die durchaus nicht mit den Reben verwechselt werden dürfen, „Arme” nennen, denn sie sind ja ebenfalls denselben ähnlich. Auf diese Weise wären demnach die Haupt- und Neben-Theile eines Weinstockes in der gehörigen Ordnung folgende:
Wenn man Weinstöcke an einem Gebäude oder an einer Wand anpflanzen will, so muß man die Morgen- oder Mittags-Seite dazu wählen. In warmen Sommern und Herbsten gedeihen sie auch auf der Abend-Seite; bei sehr günstiger Witterung sogar auch auf der Nacht-Seite, zumal wenn man den Stock mit seinen Wurzeln auf die Morgen-Seite setzt, und die Reben nachher um die Ecken des Gebäudes herum auf die Nacht-Seite zieht. Bringt man aber die Wurzeln auf die Nacht-Seite, so ist’s gut, wenn man den Erdboden, wo die Wurzeln liegen, oben 2 Finger breit mit Pferdemist oder Sand bedeckt; beides hält die Kälte ab und vermehrt die Wärme des Bodens; und darauf kommt es beim Weine vorzüglich an, daß der Boden, wo die Wurzeln liegen, recht erwärmt wird; es fördert sein Wachsthum und bringt ihn zeitig zur Reife, obschon der obere Theil des Stockes nicht so viel Sonne hat. Auch muß man beim Setzen der Stöcke auf der Nacht-Seite die Erde, womit die Wurzeln bedeckt werden, reichlich mit Sand vermischen, und den obern Theil des Bodens so einrichten, daß nicht zu viel Wasser darauf stehen bleibt. Es läßt sich aber leicht denken, daß die Nacht-Seite eines solchen Gebäudes auch ganz frei seyn muß, und daß sowohl in der Nähe als auch selbst in weiterer Entfernung kein Baum oder sonst ein anderer Gegenstand stehen darf, welche den früh und Abends dahin fallenden Sonnenstrahlen den Zugang verhindern, und den Weinstöcken Licht und Wärme entziehen würden, die dieselben hier noch weniger als auf der Morgen-, Mittags- und Abend-Seite entbehren können. Jedoch muß man von den, auf der Nacht-Seite stehenden Stöcken nie den großen Nutzen erwarten, welchen man sich von den auf den andern Seiten stehenden Stöcken versprechen kann.
Kann man keine Wurzlinge, d. h. Stöcke mit Wurzeln, bekommen, so nimmt man Schnittlinge, d. h. die im Herbste beim Beschneiden vom Stocke abgeschnittenen überflüssigen Ruthen, schneidet davon die schwachen Spitzen oben ab, so daß der Schnittling ohngefähr eine Elle lang bleibt. Sollte die Ruthe mehr, als eine Elle gutes starkes Holz haben, so kann man aus derselben zwei und mehr Schnittlinge machen. Es können diese Schnittlinge auch 5 bis 6 Viertel Elle lang seyn; länger aber nicht, weil sonst das Einlegen in die Erde unbequem ist, und viel Raum erfordert. Auch können sie kürzer seyn, als eine Elle. Ich habe welche gelegt, die nur zwei Augen hatten, wovon das eine in die Erde kam und die Wurzeln trieb, das andere über der Erde stand, aus welchem die Ruthe emporschoß. Je kürzer sie aber sind, desto sparsamer wachsen sie.
Diese Schnittlinge kann man nun gleich im Herbste, sobald sie vom Stocke abgeschnitten sind, in die Erde bringen, dahin, wo der aus denselben entstehende Stock künftig seinen Platz haben soll. Sie können aber auch an einem kühlen, feuchten Orte, z. B. im Grase, mit etwas Gras, Heu oder Stroh bedeckt, mehrere Wochen lang aufbewahrt, und dann von Zeit zu Zeit gesteckt werden. Man kann sie auch bis zum Frühjahre aufbewahren, und dann an Ort und Stelle legen. Dann müssen sie aber in ein Bund zusammen gebunden, eine halbe Elle tief in die Erde gelegt und ganz mit Erde bedeckt werden. Im Frühjahre muß man sie aber zeitig heraus nehmen und verpflanzen, ehe die Augen anfangen zu treiben, sonst kann man dieselben leicht verletzen, und sie erleiden auch durch das Herausnehmen und Weiterpflanzen eine nachtheilige Störung im Wachsthume. Deßhalb ist es am Besten, sie gleich im Herbste einzeln an Ort und Stelle zu bringen. Manche rathen an, diese Schnittlinge erst 8 bis 14 Tage in laues Wasser zu werfen, ehe man sie pflanzt. Ich habe das mit einigen gethan, mit andern nicht, und es wuchs die eine Art so gut, wie die andere.
Zum Legen der Schnittlinge mache man eine Grube oder einen Graben längs des Gebäudes, eine halbe Elle breit und eben so tief, in der Richtung, daß nachher das vom Dache herabfließende Regen-Wasser gerade auf die Grube fällt. In diese Grube lege man nun die Schnittlinge, und beuge das obere Ende aufwärts, daß es mit einem Auge aus der Erde hervorragt, wenn die Grube zugeschüttet ist, und die obere Spitze des Schnittlings nach dem Gebäude schräg hin zeigt. Man muß die empor gebogene Spitze mit einem in die Erde gesteckten Häkchen oder einer Gabel befestigen, damit sie ihre Richtung behält. Das zweite Auge muß so zu stehen kommen, daß beim Zuschütten der Grube einen bis zwei Finger breit Erde darauf zu liegen kommt. Sollte das obere Auge zu Schaden kommen, so schafft man die wenige Erde vom zweiten hinweg, daß dieses die Ruthe treiben kann. Bleibt aber das obere Auge unverletzt, so läßt man das zweite in der Erde, damit es die Wurzel vermehren hilft; denn alle in der Erde liegende Augen treiben Wurzeln. Sollte das zweite Auge aus der Erde emportreiben, so kann man es wachsen lassen; man bekommt alsdann zwei Ruthen an diesem Stocke. Ich lasse es aber gewöhnlich nicht zu, sondern beuge es sanft um und bedecke es mit Erde, daß es unter- oder seit-wärts gehen und Wurzeln treiben muß; die eine Ruthe wird alsdann kräftiger. Nur muß man sie wohl in Acht nehmen; denn wird sie abgebrochen, so ist leicht der Stock verloren, da sie nur selten noch einmal und nie so stark wieder treibt. In dieser Hinsicht wäre es freilich besser, zwei Ruthen zu lassen. Wenn dann die eine verloren ginge, so bliebe doch noch die andere. Man thut dieß aber bei Schnittlingen nicht gern, weil sie noch zu wenig Kraft zur Ernährung zweier Ruthen haben. Man verwahrt lieber die eine Ruthe so, daß sie nicht beschädigt werden kann.
Eine Spanne weit von der empor gebogenen Spitze des ersten Schnittlings kann nun schon wieder der zweite eingelegt werden, dessen oberes Ende man wieder eben so umbeugt, und mit einem Haken befestigt, und eine Spanne von diesem der dritte, und so fort der vierte, fünfte u. s. w., bis der ganze Graben der Länge nach voll ist. Auf diese Weise kommen die Stöcke eine bis zwei Ellen weit zu stehen. -- Ich weiß wohl, daß Manche sagen, dieß sey zu enge, ein Weinstock brauche einen Raum von 8 Ellen. Allein es können 10 Jahre vergehen, ehe er diesen Raum gebraucht, und während dieser Zeit wird dann ein großer Theil des Spaliers kahl; da hingegen nach meiner Art zu pflanzen gleich in den ersten zwei Jahren das ganze Spalier grün wird, und im dritten und in den folgenden Jahren überall Trauben hat. Auch lassen sich die dicht stehenden Stöcke, wenn sie größer werden, so behandeln, daß sie alle am Spaliere Raum haben.
Ich lasse nämlich von den vielen Stöcken gleich vom Anfange an den einen höher gehen, als den andern. Auf welche Art ich dieß bewirke, werde ich in der Folge zeigen. Freilich dürfte diese Behandlungsweise nur an hohen Spalieren, bei übersetzten Gebäuden anwendbar seyn; an niederen nicht so gut; an solchen müßte man sie allerdings etwas weiter auseinander pflanzen. Da nun die Weinstöcke, gleich allen anderen Bäumen, von Jahr zu Jahr höher gehen, so daß das alte kahle Holz unten immer länger wird und die Ruthen immer weiter hinauf kommen, so geschieht es, daß bei Stöcken, welche zu weit auseinander stehen, unten am Spaliere bloß kahles, blätterloses Holz zu sehen ist. Ich bedecke dieses jedesmal mit den niedrig stehenden Ruthen der kurz gehaltenen Stöcke, von denen der eine länger ist, als der andere, und so geschieht es, daß mein Spalier von unten bis oben grün aussieht und Trauben trägt, wodurch natürlich die Anzahl derselben bedeutend vermehrt wird. -- Man macht zwar auch den Einwurf, es hätten diese dichtstehenden Stöcke mit ihren Wurzeln in der Erde nicht Raum und Frucht genug. Allein meine dichtstehenden Stöcke tragen eine Menge Trauben, wie man sie selten an einem Stocke findet, und müssen daher Raum und Frucht genug haben. Sollten sie ja nach Verlauf mehrerer Jahre wegen ihrer Größe nicht mehr Raum genug haben, so ist’s ja auch noch Zeit, einige wieder heraus zu nehmen und weiter zu verpflanzen.
Man muß nur gleich beim Legen der Weinstöcke dafür sorgen, daß solche Frucht haben können. Deßhalb mache ich den Graben zum Einlegen nicht ganz dicht au das Gebäude, sondern ½, auch ¾ Elle weit davon ab, so daß die Traufe mitten auf den Graben, und also auf die Stelle fallen muß, wo die Wurzeln liegen. Beim Zuschütten des Grabens mache ich nach dem Gebäude zu auf die frei gelassene halbe Elle festen Bodens ein schräges Dämmchen, welches das Wasser vom Gebäude ableitet und auf die Wurzeln führt. Auf diese Weise bleibt es an der Wand immer trocken, und wird wenigstens nicht so naß, daß es dem Gebäude schaden könnte. In dieses schräge Dämmchen beuge ich nun gleich beim Legen die Spitzen der Schnittlinge, so daß die Stöcke dicht am Gebäude zu stehen scheinen und an demselben in die Höhe gehen können. -- Auf der andern Seite der Grube mache ich gleich beim Zuschütten ein eben so schräges Dämmchen, daß aber natürlich seine hohe Seite nach Außen haben muß, und so entsteht auf der eine halbe Elle breiten Grube eine Vertiefung, in welcher das Regenwasser und alle andere Flüssigkeiten, die man zur Beförderung des Wachsthums dahin gießt, stehen bleiben und auf die Wurzeln eindringen müssen. Es ist sehr gut, wenn diese Vertiefung um das ganze Gebäude herum wagerecht ist; denn auf diese Weise bekommen alle Stöcke gleiche Frucht. Nur von den Seiten des Gebäudes nach den Giebeln zu mache ich die Vertiefung etwas schräg, damit die sonst an den Seiten sich vermehrende Traufe nach den Giebeln fließt, wo gewöhnlich, besonders am Morgengiebel, weniger Regen hinkommt. Sollte bei anhaltendem Regen des Wassers in der Vertiefung zu viel werden, so darf man nur in das Dämmchen an der Außenseite eine kleine Oeffnung machen, um es abfließen zu lassen. Stehen aber die Stöcke auf trockenem sandigen Boden und ist kein Teich oder sonstiger Wasserbehälter in der Nähe, aus welchem sie Frucht ziehen können, so bekommen sie auch nicht leicht zu viel Nässe. -- Ich habe in trockenen Sommern einem Weinspaliere von 24 Ellen Länge jeden Mittwoch und jeden Sonnabend 100 Eimer Wasser gegeben; vorausgesetzt, das solches auf trockenem, sandigen Boden stand. Auf feuchten Boden dürfte natürlich nicht so viel nöthig sein. Bei Stöcken auf solchem Boden bedurfte ich noch nicht der Hälfte Wasser, und dennoch wurden die Trauben eben so gut, als jene. Es kommt auch viel auf das Alter des Stockes an. Ein solcher, der seine Wurzeln schon in der Länge und Tiefe weit ausgebreitet hat, gedeihet oft mit seinen Ruthen und Trauben auch auf sandigem Boden, ohne begossen zu werden. Wenn der Stock an den Spitzen der Ruthen welk wird, nicht mehr treibt, und sogar die Trauben anfangen zu welken, dann ist’s hohe Zeit, ihn zu begießen; besser aber ist’s, man läßt es so weit nicht kommen. Es war dieß bei meinen Stöcken einige Mal der Fall; ich begoß, und sah binnen 24 Stunden, daß die schon ganz hingewelkten Trauben alle wieder frisch wurden. Unterläßt man nun das Gießen nie, so erleidet der Stock keine Störung, und die Trauben kommen zeitig zur Reife. Folgen häufige Regen, so ist natürlich das Gießen nicht nöthig. -- Am liebsten begieße ich mit dem von der Sonne erwärmten Teich- oder Pfützenwasser, besonders solchem, welches recht schlammig ist; denn dadurch erhalten die Stöcke zugleich eine herrliche Düngung; keinen andern Dünger, als solches Schlammwasser gebe ich meinen Stöcken, und sie gedeihen dabei vortrefflich. Mistjauche halte ich für zu scharf. Auch Waschwasser, welches mit Lauge vermischt ist, taugt nichts; wohl aber das Wasser, in welchem die Wäsche gespühlt worden ist, das zwar Seife, doch keine zu starke Lauge enthält. In Ermangelung solchen Wassers habe ich aber auch bei großer Trockenheit meine Stöcke mit kaltem Brunnenwasser begossen, um zu sehen, ob es ihnen schaden würde; habe aber keinen Nachtheil gefunden. Doch ist ihnen jenes dienlicher, als dieses. Beim öfteren Begießen geschieht es nun, daß die Grube verschlämmt, und nicht mehr die gehörige wagerechte Richtung behält; diese muß man dann immer wieder herzustellen suchen. Weil nun in der Grube zwar die Wurzeln des Stockes liegen, er selbst aber nicht aus derselben hervorragt, sondern in das Dämmchen an der Wand geleitet ist, so läßt sich dieses auch mit einer Schippe ganz bequem machen; denn so breit ist gewöhnlich an meinen Weinspalieren die Grube, daß ich mit einer solchen darin hinfahren kann, so daß sie einem glatten Fußsteige ähnlich sieht, auf welchem man sehr bequem um das Spalier herumgehen kann. Was aus der Grube geräumt wird, werfe ich auf das Dämmchen an der Mauer; dadurch wird es in gutem Stande erhalten und die in demselben liegenden Thauwurzeln bekommen zugleich eine herrliche Düngung, denn es ist ja größtentheils hineingespühlter Schlamm. Häuft sich derselbe zu sehr an, so verstärke ich damit auch das Dämmchen an der Außenseite. Außerdem aber bediene ich mich zur Verstärkung desselben anderer Erde, wenn es nöthig seyn sollte.
Die oben erwähnten Schnittlinge können auch noch auf eine andere Art gesteckt werden. Wenn man nämlich einen Ort hat, wo man nicht gern einen solchen Graben machen will und kann, und der Boden an sich schon nicht zu fest ist, so nimmt man einen Pfahl oder ein Pfahl-Eisen, stößt damit ein Loch senkrecht so tief, als der Schnittling lang ist, stellt alsdann denselben hinein, doch so, daß das obere Auge heraussteht und das andere einen bis zwei Finger breit tief in die Erde kommt. Sind es mehrere Schnittlinge, die ein längeres Spalier bilden sollen, so kann man auch den Löchern gleich mit dem Pfahle oder Pfahl-Eisen oben eine schräge Richtung, nach dem innern Dämmchen zu, geben, um nachher beim Setzen das obere Ende des Schnittlings eben dieser Richtung fähig zu machen. Auch hier versteht sich das Anheften mit einem Häkchen von selbst. Nun nimmt man gute klare Erde, und reibt dieselbe langsam zwischen beiden Händen über dem Loche, bis dasselbe mit Erde angefüllt ist. Ein Andrücken derselben ist hier nicht nöthig, könnte sogar den sämmtlich aufwärts stehenden Augen schädlich werden; es wird dieselbe durch das nachherige Begießen von selbst fest, und man muß, wenn es mit der Zeit oben an Erde fehlen sollte, etwas nachfüllen. Die auf diese Art gepflanzten Stöcke halten bei trockener Witterung lange aus, da ihre unteren Wurzeln tief in die feuchte Erde hinunter treiben. Bei ganz hartem festen Boden dürfte jedoch diese Art der Anpflanzung nicht anwendbar seyn. Daß auch hier des Begießens wegen oben an den Stöcken eine mit Dämmchen umgebene Vertiefung bleiben muß, versteht sich von selbst. Ich kann diese Art der Anpflanzung um so mehr empfehlen, da ich sie mehrere Jahre lang erprobt und gut befunden habe.
Eine Hauptsache ist nun, daß solche Schnittlinge, sie mögen auf diese oder jene Art gepflanzt worden seyn, besonders im ersten Sommer, immerwährend feucht gehalten werden; alsdann treiben die mehresten schon im ersten Jahre eine Ruthe von 1 bis 2 Ellen. Unterläßt man das Begießen, oder fährt damit nicht regelmäßig fort, so daß sie bald zu naß, bald wieder zu trocken stehen, so wird, besonders wenn wenig Regen fallen sollte, selten einer davon fortkommen. Wer, wegen Mangel an Zeit, nicht oft genug nach seinen Schnittlingen sehen kann, thut wohl, wenn er die an denselben angebrachte Vertiefung zwischen den Dämmchen mit strohigem Kuhmiste, in welchem jedoch wenig Koth hängen darf, anfüllt; unter demselben halt sich natürlich die Feuchtigkeit länger. Es kann derselbe den ganzen Sommer durch liegen bleiben, und immer wieder darauf gegossen werden. Nur muß man vorher erst untersuchen, ob der Boden darunter trocken und also das Begießen nöthig ist. Denn oft ist der obere Theil des Mistes trocken und der untere ist immer noch feucht. Man kann diese Befeuchtungs-Methode überhaupt auch bei allen frischgepflanzten Weinstöcken anwenden. Die Ruthe nun, welche die Schnittlinge im ersten Sommer getrieben haben, muß im nächsten Herbste bis auf 2, höchstens 3 Augen weggeschnitten werden, und das über derselben stehende alte Holz wird ebenfalls glatt und dicht über der Ruthe weggeschnitten. Sollte man einem Schnittlinge zwei Ruthen gelassen haben, so wird die schwächere, wenn sie zu schwach ist, ganz weggeschnitten; im anderen Falle kann man ihr ein Auge lassen, mehr aber nicht.
Wenn man Wurzlinge, d. h. Stöcke mit Wurzeln, pflanzen will, so wähle man solche, die nicht zu langes, altes Holz haben, sonst hat man unbequemes Stecken, indem dasselbe bis auf eine Viertel-Elle in die Erde gelegt werden muß; die Stöcke kommen außerdem nicht gut fort, und wenn es auch geschähe, so wachsen sie sparsam, und haben mit demselben ein schlechtes Ansehen, sind auch in wenigen Jahren über das Spalier hinausgewachsen. Die beste Zeit zur Anpflanzung derselben ist, wie bei den Schnittlingen, der Herbst; doch kann es auch im Frühjahre geschehen, aber nur zeitig, ehe die Augen anfangen zu schwellen. Ist die Erde nicht gefroren, so kann man den ganzen Winter über pflanzen. Das an den Wurzlingen befindliche junge Holz, die Ruthe, muß bis auf 2, höchstens 3 Augen, und zwar 2 bis 3 Finger breit über dem dritten Auge, weggeschnitten werden. Sind mehr Ruthen daran, so werden diese ganz dicht am alten Holze weggeschnitten; der Stock hat sonst mehr zu treiben, als er Kraft besitzt, weil er im ersten Jahre mit dem Anwurzeln zu thun hat. Auch die zu langen Wurzeln muß man abkürzen, und beschädigte bis an den Schaden wegschneiden. Sollte der Wurzling mehrere Zweige von altem Holze haben, so zieht man sie auseinander, so daß sie ohngefähr eine bis anderthalb Elle weit von einander zu stehen kommen. Auf diese Weise werden aus einem Stocke zwei bis drei, oft noch mehr, wenn genug kurze und lange Zweige daran sind, daß sie in gehöriger Weite von einander entfernt werden können, und diese Stöcke hängen dann in der Erde an einer gemeinschaftlichen Wurzel, welche sich aber noch dadurch vermehrt, daß alles in der Erde liegende alte Holz Wurzeln treibt, wodurch schon im ersten Sommer jeder Stock seine eigenen Wurzeln bekommt. Man kann auch, wenn der Wurzling zu langes altes Holz haben sollte, dasselbe so weit wegschneiden, daß es nur eine Viertel-Elle aus der Erde hervorragt. Auch dieses alte Holz, ohne eine Ruthe mit Augen, schlägt aus, wiewohl etwas später. Ich habe sogar den unteren Theil des Senkers, an dem ich einige Wurzeln ließ, gesteckt, und mit dem Ende, wo ich den Senker vom Stocke abgeschnitten hatte, aus der Erde hervorgehen lassen, also den Stock verkehrt gesteckt, und die auf diese Art gepflanzten Stöcke wuchsen eben so gut, als die anderen. Die Grube zu den Wurzlingen wird eben so gemacht, wie bei den Schnittlingen. Sollten die Wurzeln groß seyn, so muß dieselbe natürlich etwas breiter werden, wenn nämlich diese so gewachsen und so stark sind, daß man sie nicht gut in der Grube lang hin ziehen kann. Dieß kann leicht der Fall werden, wenn der Wurzling mehrere Zweige an der Stelle hat, wo die Haupt-Wurzel hin zu liegen kommt. Die Wurzeln macht man mit den Händen recht sorgfältig aus einander, und drückt die zuerst darauf geworfene wenige klare Erde etwas mit der Hand und den ausgebreiteten Fingern an sie an, nicht aber mit dem Fuße fest getreten; dieß verwandelt diese lockere weiche Erde leicht in einen, den zarten Wurzeln schädlichen Kloß. Die übrige, zur Ausfüllung der Grube nöthige Erde braucht gar nicht fest getreten zu werden, sie senkt sich mit der Zeit von selbst. Auch bei diesen Wurzlingen muß beim Zuschütten der Grube ebenso verfahren werden, wie bei den Schnittlingen. Es muß nämlich oben auf der Grube eben eine solche Vertiefung bleiben, damit das Wasser stehen bleiben kann. Und auch diese müssen, sowie die Schnittlinge, im ersten Sommer immer feucht gehalten, doch nicht zu häufig begossen werden. Auch müssen sie, gleich jenen, mit den aus der Erde hervorragenden Enden in das an der Mauer gemachte Dämmchen geleitet seyn, damit sie beim Reinigen der Vertiefung kein Hinderniß verursachen. Alle auf diese Art gepflanzten und gepflegten Stöcke wachsen gewiß. Mir ist von mehreren Hunderten, die ich bereits pflanzte, auch nicht ein Einziger eingegangen. Nur Einer fing einst an zu kränkeln und nicht ein Auge kam zum Aufbrechen. Ich ließ ihm Zeit bis nach Pfingsten, begoß fleißig, aber er kam nicht. Nun nahm ich denselben wieder heraus, und fand, daß solcher durch zu vieles Begießen gelitten hatte, denn seine Wurzeln standen gleichsam im Schlamme. Ich schüttelte die nasse Erde von den Wurzeln ab, räumte die Schlamm-Erde aus der Grube heraus und setzte denselben wieder in lockere bloß frische Erde ein. Nach 3 Tagen schwollen die Augen, und er trieb noch in denselben Sommer schöne kräftige Ruthen. -- Dieß möge Jedermann zur Belehrung dienen.
Die an diesen Wurzlingen im ersten Sommer gewachsenen Ruthen müssen im nächsten Herbste, die schwächsten dicht am Stocke, die stärkeren bis auf 1, die noch stärkeren bis auf 2, und die stärksten bis auf 3 Augen weggeschnitten werden. Dieß ist durchaus nöthig; denn läßt man alles im ersten Sommer gewachsene Holz stehen, so treiben im nächsten Jahre alle daran befindliche Augen nur schwache Ruthen, weil die noch zu geringe Kraft des Stockes sich zu sehr vertheilt; derselbe würde dann in kurzer Zeit einem Dornenbüschchen ähnlich sehen, nie Trauben bringen und wohl gar erkranken und eingehen. Schneidet man aber das überflüssige Holz auf die hier beschriebene Weise ab, so geht im nächsten Jahre die ganze Kraft des Stockes in die wenigen Augen, und treibt einige schöne, starke Ruthen.
Die im Herbste gepflanzten Schnittlinge, Wurzlinge und alle andere Weinstöcke müssen nun, ehe der Winter kommt, zugedeckt werden, damit sie nicht erfrieren. Es geschieht dieß zwar nicht jeden Winter; wenn die Kälte nicht zu heftig wird, so halten sie aus. Da man dieß aber nicht vorher wissen kann, so ist es besser, man unterzieht sich der kleinen Mühe; und wenn auch die Wurzeln, wie bekannt, nicht erfrieren, so würden doch dadurch die Stöcke um 3 Jahre zurückgesetzt werden. -- Bei den Schnittlingen ist das Zudecken sehr leicht. Man stecke um jeden Schnittling einige Stückchen Holz die etwas höher sind, als der Schnittling selbst, so daß um ihn herum gleichsam ein kleiner Zaun, etwa eine Spanne im Durchmesser, entsteht. Diesen Raum fülle man mit trockenem Laube, Heu oder klarem Stroh aus, und der Schnittling wird nicht erfrieren, wenn es auch noch so kalt würde. Den Wurzling, wenn er zu hoch seyn sollte, beuge man auf die Erde, befestige ihn mit einem Haken an dieselbe, und umstecke und bedecke ihn eben so. Das Niederbeugen und Umstecken muß gleich beim Beschneiden geschehen, weil man da noch in die Erde kann und der Stock sich gut beugen läßt; das Zudecken aber wird dann erst nöthig, wenn es anfängt, zu frieren. Denn so lange es nicht friert, ist es für jeden Weinstock besser, wenn er unbedeckt liegt. Ich lege deßhalb alle meine Stöcke im Herbste, nachdem sie beschnitten und vielleicht von einem Regen durchnäßt worden sind, zwar auf die Erde nieder, decke sie aber erst dann zu, wenn es zu frieren anfängt. Zum Bedecken nehme ich auch hier nur die oben genannten Gegenstände. Mit Mist darf man durchaus nicht zudecken; derselbe verursacht zu viel Wärme, durch welche Fäulniß entsteht; und von Erde, welche von Vielen für die beste Decke gehalten wird, werden die Stöcke unansehnlich; auch verfaulen bei gelinden Wintern leicht mehrere Augen, und die Mäuse können ungehindert den Stöcken großen Schaden zufügen, weil man nicht so leicht nach denselben sehen und die Mäuse vertreiben kann. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß die Weinstöcke nur einer ganz leichten Decke bedürfen, um nicht zu erfrieren. Früher bediente ich mich des schlechten unbrauchbaren Heues zu denselben. In Ermangelung dessen nahm ich im vergangenen Winter langes Roggenstroh, mit welchem es sich noch bequemer machte. Man setzt es mit den Sturzen auf die Erde, lehnt die in die Höhe stehenden Aehren an die Mauer und schiebt sie unter die erste oder zweite Stange des Spaliers. Sollte es ein langes Spalier seyn, so muß man eine Querstange anzubringen suchen, damit es von einem etwanigen Sturmwinde nicht mit fortgeführt werden kann. Der von der Traufe herabfallende Regen gleitet recht gut daran hernieder in die Gußrinne zwischen den Dämmchen, giebt den Wurzeln die Winterfrucht und der Stock selbst bleibt unter dem Strohe trocken; denn dadurch, daß solches schräg steht, können bei warmen Wintertagen die Sonnenstrahlen recht gut wirken; auch kann die Luft das unter dem geraden Strohe hohle Weinlager recht durchstreichen, welches beides die Fäulniß verhindert und den Mäusen die Gelegenheit entzieht, ihre Winternester darin zu bauen. Ueberdieß hat mich auch noch die Erfahrung gelehrt, daß das Stroh, wie an andern Gewächsen, also auch hier, gleichsam ein Frostableiter ist. Drei Finger breit Stroh ist zu den Decken hinreichend. Wo wegen Mangel an Raum das Herunterlegen und Zudecken mit Stroh nicht möglich ist, muß man sich freilich blos des Umwindens mit Stroh bedienen, das aber mühsamer ist. Wo das Zudecken mit Stroh unbequemer ist als mit Erde, da möchte ich lieber Sand für Erde anrathen. Ich habe es versucht, und solchen besser befunden als Erde. Die Stöcke halten sich darunter trockner und reinlicher, und ein Verfaulen der Augen ist dabei nicht so leicht zu befürchten.
Im Frühjahre decke man dieselben nicht zu zeitig auf; späte Fröste können leicht den schon aufgeschwollenen und im Aufbrechen stehenden Augen schaden. Man lasse aber auch die Decke nicht zu lange liegen, sonst bringt die dadurch entstehende Wärme die Augen eher zum Treiben, als es ihrer Natur nach geschehen kann, und man ist beim Anbinden nicht im Stande, die weichen Triebe alle vor Verletzung zu bewahren. Auch sind dieselben nun nicht an die natürliche Luft gewöhnt, und können daher leicht durch Frost Schaden leiden. Wären diese Nachtheile nicht zu befürchten, so würde ich rathen, die Decke lange darauf liegen zu lassen, solche nach und nach zu verschwächern, und endlich ganz wegzunehmen. -- Durch das Stroh wirkt am Tage die warme Frühjahrs-Sonne, und des Nachts schützt dasselbe die Stöcke vor den kalten Frühlingslüften. Die Augen kommen dadurch zeitiger zum Treiben und die Trauben erscheinen früher. Freilich würde man sich dann beim Anbinden sehr in Acht nehmen müssen; auch dürfte diese Behandlungsweise bei großen, holzreichen Stöcken nicht so gut anwendbar seyn, als bei kleineren.
Alle Ruthen, die im zweiten Sommer an den Schnitt- und Wurzlingen gewachsen sind, läßt man ungestört treiben, heftet und henkelt sie gehörig an, daß sie bei Sturm und Regen oder durch ihre eigene Schwere nicht abbrechen können; kneipt aber nicht wie Einige zu thun pflegen, die an den Blättern heraustreibenden Seitenruthen, den sogenannten Geiz, ab, sondern schneidet dieselben erst im Herbste beim Beschneiden dicht weg, doch so, daß man das dabei stehende Auge nicht verletzt. Einige meinen zwar, diese Seitenruthen raubten der Hauptruthe die Kraft; dieß ist aber nicht der Fall, sondern sie führen derselben vielmehr Nahrung zu und schützen und nähren besonders das Auge, an welchem sie stehen. Sollten an diesen jungen Stöcken außer den aus den Augen treibenden Ruthen auch noch mehrere aus dem alten Holze kommen, was bei gut bewurzelten Stöcken und auf gutem Boden wohl manchmal der Fall seyn könnte, so daß ihrer zu viel würden; so kann man wohl dem allerschwächsten die Spitze nehmen, die stärkern aber lasse man gehen. Sie rauben den Hauptruthen nicht zu viel Kraft, sondern bleiben von selbst zurück, und im Herbste lassen sie sich oft, wie ich in der Folge zeigen werde, zur Vergrößerung des Stockes gut benutzen, besonders wenn derselbe gleich von unten an erweitert werden soll. Durch das richtige Beschneiden im ersten Herbste sind die Stöcke schon in einen solchen Zustand versetzt, daß sie nicht leicht mehr Ruthen treiben, als sie ernähren können. Einige Schnitt- und Wurzlinge jedoch, die mir im zweiten Sommer zu lange und schwache Ruthen und Seitenruthen trieben, brachten mich auf den Gedanken, einen Versuch zu machen, ob man sie nicht durch Abkneipen der Spitzen zwingen könnte, sich unten mehr zu verstärken. Ich nahm nun von den Ruthen so viel weg, daß sie bloß noch von einer halben bis höchstens zu einer Elle lang blieben, und die Seitenruthen drei bis vier Blätter behielten, und der Erfolg entsprach ganz meiner Erwartung. Die Ruthen wurden stärker und kräftiger und die Seitenruthen nahmen nun nicht so viel Raum weg.
Ganz schwachen Wuchs schneidet man dicht am Stocke weg; Stummel dürfen nicht stehen bleiben, sie vertrocknen mit der Zeit und machen den Stock unansehnlich. Bei glatt weggeschnittenen aber verwächset die Wunde. Etwas stärkere Ruthen schneidet man weg bis auf 1 Auge, noch stärkere bis auf 2 und 3 Augen. Man nennt dieß Zapfen. Die allerstärksten Ruthen werden nicht länger, als eine Viertel-, höchstens eine halbe Elle lang gelassen, und diese nennt man Schenkel, wenn nämlich die Augen so dicht stehen, daß auf der angegebenen Länge sich mehr als 3 Augen befinden. Bei Ruthen, wo die Augen weitläuftig stehen, müßte man sich allerdings nach denselben richten, und ihrer 4, 5 bis 6 stehen lassen, obschon dadurch der Schenkel nun länger würde, als eine Viertel- oder eine halbe Elle. Es müßte eine sehr gute, starke und kräftige Ruthe seyn, wenn man sie im zweiten Jahre schon eine bis anderthalb Elle lang lassen sollte, so daß sich an ihr mehr, als 6 Augen befänden; denn diese nennt man nicht mehr Schenkel, sondern Reben, und solche Reben läßt man gewöhnlich erst im dritten Jahre stehen. Es ist ein Hauptfehler, wenn man in dem zweiten Jahre die Ruthen zu lang läßt, oder wohl gar nicht abschneidet. Der Stock bekommt dann im nächsten Jahre eine Menge schwachen Wuchs, den er nicht gehörig ernähren kann, und Trauben bringt er selten. Da hingegen die kurzen Schenkel in dem folgenden dritten Jahre schon Trauben bringen. Auch wird der Stock durch das Nichtbeschneiden in wenigen Jahren zu schnell hoch und behält unten schwaches Holz, da er hingegen beim Kurz-Beschneiden sich nach und nach gleich von unten an verstärkt, kräftige Wurzeln treibt, und mit den Jahren erst seine gehörige kraftvolle Höhe und Stärke erreicht. Es ist sehr wohlgethan, wenn man auch die Stöcke auf diese Art erzieht, die eigentlich später ihre größere Ausbreitung am zweiten Stockwerke des Gebäudes erhalten sollen, weil, z. B. in Städten, am ersten Stockwerke, wegen der Fenster, kein Raum dazu vorhanden ist. Sie erhalten dadurch einige niedere Zweige oder Aeste, mit denen man ja auch hier den Raum unter und neben den Fenstern bekleiden kann. Zum Schlusse dieses Kapitels muß ich nochmals ausführlich wiederholen, was schon im 9. §. kürzlich gesagt worden ist. Alle Schnitte am jungen Holze müssen 3 bis 4 Finger, wohl oft eine Hand breit über dem Auge geschehen. Dieses Holz über dem Auge vertrocknet im nächsten Sommer und wird im folgenden Herbste dicht über der aus diesem Auge entstandenen Ruthe weggeschnitten. Schneidet man aber zu dicht über dem Auge, so vertrocknet dasselbe leicht, und die aus demselben zu erwartende Ruthe mit den Trauben ist verloren.
Im dritten Sommer treiben nun die Zapfen und Schenkel schöne kräftige Ruthen, die Schenkel an denselben auch zugleich Trauben. Die Zapfen bringen gewöhnlich hier, sowie auch an älteren und größeren Stöcken, keine Trauben, sondern treiben bloß gute Ruthen. Es müßte ein sehr kräftiger, auf sehr gutem Boden stehender Stock seyn, wenn er auch an den Zapfen Trauben haben sollte. Bei einigen von meinen, auf solchem Boden stehenden Stöcken ist dieß schon oft geschehen. Bisweilen kann sich’s aber auch zutragen, daß ein Zapfen den Erwartungen nicht entspricht, sondern statt einer starken, eine schwache Ruthe treibt, wohl gar schlecht wächst oder vertrocknet. Geschieht dieß, so wird er im nächsten Herbste entweder glatt weg, oder wieder zum Zapfen geschnitten. Ich habe Fälle erlebt, daß aus dem wieder zum Zapfen geschnittenen Zapfen erst im nächsten Jahre die kräftigere Ruthe kam. Auch muß ich zur Belehrung Anderer hier noch eine Erfahrung anführen, die ich einst an einem Stocke gemacht habe. Es trieb derselbe im ersten Sommer sehr schwache Ruthen, obschon es ein Wurzling war. Ich schnitt zwei derselben zu Zapfen, die dritte ganz weg; sie trieben im 2ten Jahre wieder schwache Ruthen, die zu keinem Schenkel zu gebrauchen waren. Ich schnitt alle bis auf zwei weg, aus denen ich wieder Zapfen machte. Im 3ten Jahre wurde eine Ruthe so stark daß sie im Herbste einen leidlichen Schenkel gab, die übrigen wurden wieder nur Zapfen. Aber alle zeigten im 4ten Jahre schwachen Wuchs, und gaben keine Trauben. Ich schnitt nochmals Alles zu Zapfen. Im 5ten Jahre trieb der Weinstock die schönsten Ruthen, aus welchen ich im Herbste Zapfen, Schenkel und Reben machen konnte, die das folgende 6ste Jahr Trauben brachten. Jetzt ist es ein kräftiger Stock, der viel Trauben trägt, aber noch nicht höher, als etwas über 2 Ellen, weil er bei dieser Behandlungsweise nur allmählig steigen, aber sich desto besser bewurzeln konnte. Hätte ich ihn nach den gewöhnlichen Regeln schneller in die Höhe wachsen lassen, so würde er wahrscheinlich am Ende eingegangen seyn. Die Ursache seines langsamen Vorrückens war Schwäche der Wurzeln und ein unfruchtbarer Boden, der sich nicht gut verbessern ließ. Nachdem aber dieselben durch das immerwährende scharfe Beschneiden sich verlängert und verstärkt hatten, und also ihre Nahrung nun weiter herholen konnten, war er in den Stand gesetzt, Früchte zu tragen. Dieß Beispiel zur Belehrung für denjenigen, dem es vielleicht einmal eben so ergehen könnte. -- An den in diesem Sommer wachsenden Ruthen wird nun ebenfalls, wie im vorigen Sommer, weiter nichts gethan, als daß sie gehörig angeheftet werden, damit sie Sturm und Regen oder die eigene Schwere nicht niederbeugen und zerbrechen können. Sollten aber auch hier wieder einige zu schwachen und langen Wuchs machen, so kann man sie ebenfalls nach der zu Ende des 13. §. gegebenen Regel behandeln.
Im nächsten Herbste wird nun ebenfalls wieder so beschnitten, wie im vorigen. Alle schwachen Ruthen schneidet man dicht am Stocke ganz weg, die stärkeren bis auf 1, 2 oder 3 Augen zu Zapfen; die noch stärkeren bis auf ¼, ½ oder ¾ Elle zu Schenkeln, die allerstärksten hingegen, von 1 Elle an, bis auf 5, 6, 7 Viertel, höchstens bis auf 2 Ellen lang zu Reben. Länger darf keine Rebe seyn. Wenn es auch die allerschönste, stärkste und kräftigste Ruthe wäre, so darf doch nicht mehr, als höchstens 2 Ellen lang davon stehen bleiben. Was daraus wird, wenn man sie länger, oder vielleicht gar so lang läßt, als sie gewachsen sind, weiß ich aus Erfahrung. Die untersten Augen bleiben ganz weg, die folgenden treiben schwache Rüthchen ohne Trauben, und die noch höheren schwache Ruthen mit kleinen, magern Träubchen. Erst dann, je weiter es nach oben kommt, sieht man starke Ruthen mit schönen Trauben, und man hat den Nachtheil, daß der Stock in wenigen Jahren langes, altes, kahles Holz hat, eine unförmliche Höhe erreicht, und an den Spalieren keinen Platz findet. Schneidet man sie aber nach der hier vorgeschriebenen Art, so treibt jedes Auge eine Ruthe, und jede derselben bringt eine, zwei bis drei, auch vier Trauben, je nachdem die Art ist. Zwar sind auch hier gewöhnlich die untersten Ruthen mit ihren Trauben etwas magerer als die obersten; aber es ist doch keine fruchtlos. Es giebt indeß einige Weinsorten, die hiervon eine Ausnahme machen, und auch an langen Reben von unten an bis oben aus starke Ruthen mit Trauben bringen. Solche lassen eine Ausnahme zu und man kann dieselben länger machen.
Einige lehren nun, man solle alle diese Ruthen, sobald die letzte Traube da sey, zwei Blätter weit über dieser Traube, verbrechen oder abkneipen, (kappen, nach dem gewöhnlichen Winzer- oder Gärtner-Ausdruck). Nur eine davon, welche man zur Zugruthe für das nächste Jahr brauchen und deshalb im Herbste aus derselben eine Rebe machen wollte, solle man wachsen lassen, und zwar an jedem Zapfen, jedem Schenkel und jeder Rebe die unterste. Im Herbste solle man dann, dicht an dieser Zugruthe, alles über derselben stehende Holz mit den verbrochenen und nun von Trauben entledigten Fruchtruthen wegschneiden. Durch das Verbrechen der obern Ruthen ginge nun die Kraft in die Trauben und in die unterste Ruthe, und diese würde um desto stärker. Allerdings wäre dieß sehr gut, wenn es so ginge. Bei einigen Weinsorten kann dieß auch der Fall seyn, und wo es so ist, da rathe ich, auch so zu verfahren. Allein ich habe es an meinen und andern Stöcken versucht, und es ging nicht so; ich fand vielmehr, daß der Weinstock, sowie fast alle andere Gewächse seine Kraft nach oben wirft, und da die stärksten Ruthen und Trauben treibt. Ich verbrach die obern starken Ruthen alle und ließ nur die unterste schwächste Ruthe zur Zugruthe unverbrochen, in der Hoffnung, es sollte, wie man mir ja gesagt und versichert hatte, nun die Kraft zurück in die unterste Ruthe gehen; allein es geschah nicht, sie blieb schwach und die obersten verbrochenen fingen immer wieder an, an den Spitzen neue Ruthen anzusetzen und zu treiben. Ich brach nach der gegebenen Regel auch diese wieder weg, um so, wie man mir gelehrt hatte, den Stock gleichsam zu zwingen, seine Kraft nach unten zu werfen; aber es geschah nicht, die unterste blieb schwach, und die obern fingen durch das beständige Stören im Wachsthume sogar an, zu kränkeln. Im nächsten Herbste empfand ich erst den großen Nachtheil, der aus dieser Behandlungsweise entstanden war. Ich hatte gar keine Zugruthe, aus der ich eine kräftige Rebe hätte machen können. Die unterste, dazu bestimmte, war zu schwach, und die obersten waren zu kurz und durch das beständige Stören erkrankt, so daß mir nichts übrig blieb, als elende Zapfen und ganz kurze Schenkel. Auch habe ich eben nicht bemerkt, daß durch das Verbrechen die Trauben kräftiger geworden wären. Es blieb vielmehr bei den nun einmal angeschaffenen Eigenschaften dieses Gewächses; unten schwächere Ruthen mit kleineren Trauben, und nach oben zu immer stärkere Ruthen mit immer größern Trauben. Ich entschloß mich daher, in den folgenden Jahren auch gar nichts zu verbrechen, und habe gefunden, daß dieß weit besser ist, und daß man auch dadurch des wirklich langweiligen und mühsamen Geschäfts des Verbrechens überhoben wird. Ich that nun weiter nichts, als daß ich die treibenden Ruthen von Zeit zu Zeit anheftete, damit sie nicht von Sturm und Regen umgebrochen werden konnten. Nun bemerkte ich, daß an jedem Zapfen, Schenkel und jeder Rebe allemal die untersten Ruthen die schwächsten waren und blieben, die höhern stärker wurden und die obersten am stärksten waren. So erhielten auf diese Weise der Zapfen eine, der Schenkel zwei und die Rebe drei starke Ruthen an seinem obern Ende. Die Trauben waren eben so gut, wie im vorigen Jahre, wo ich verbrochen hatte, und zwar richteten sie sich nach der Ruthe; je stärker diese war, desto größer waren auch die Trauben. Die obersten starken, langen, unverbrochenen Ruthen hatten die schönsten Trauben. Es war also durch das Forttreiben der Ruthen keine Kraft verloren gegangen. Wenn der Stock richtig beschnitten worden ist, und er in trockenen Sommern gehörig begossen wird, so treibt er schöne lange Ruthen und nährt auch seine vielen Trauben.
Daß das allzufrühe Verbrechen Schaden bringt, ist nach meinen wiederholt gemachten Beobachtungen und Erfahrungen unverkennbar. Denn Schaden muß es thun, weil man ja der Natur dadurch geradezu entgegen arbeitet. Es zeigt sich an dem starken, fetten, flüchtigen Wuchse, den der Weinstock im Frühlinge macht, ganz deutlich, daß es ihm jetzt vorzüglich darum zu thun ist, seinen Kindern, (den Trauben), die er nebenbei mit erzeugt, eine dauerhafte, feste Wohnung, (haltbare Ruthen), zu erbauen. Das langsame Vorrücken und Verstärken der Trauben in dieser Zeit ist ein klarer Beweis, daß der Stock sich jetzt weniger um sie, mehr aber um die Ruthen bemüht. Ist die Zeit der Blüthe vorüber, so bemerkt man ein schnelles Wachsthum der Trauben und ein langsames Treiben der Ruthen. Bei meinem blauen Weine hört der Trieb der Fruchtruthen um diese Zeit gänzlich auf; nur die Zugruthen treiben langsam fort. Das Haus ist nun fertig; jetzt bemüht er sich um Erziehung der Kinder, die es bewohnen sollen. Breche ich nun den zarten, fetten Wuchs gleich nach dem Erscheinen der letzten Traube zwei Blätter weit über derselben weg, so hindere ich den Stock gewaltsam in seinem Wirken und zwinge ihn, etwas anderes zu thun, als er jetzt thun will. Davon zeugen auch die kräftigen Triebe, die immer wieder aus den verbrochenen Ruthen empor schießen. Der Stock streitet gegen seinen Verderber. Des Nachtheils noch nicht einmal zu gedenken, daß man sich dadurch mancher Traube beraubt. Ich habe solche Spätlingskinder oft genug an meinen Weinstöcken gesehen, die ich im vorigen Jahre durch allzu frühes Verbrechen in der Erzeugung erstickt hatte. Soll es nun einmal verbrochen seyn, so kann ich dasselbe nicht eher anrathen, als einige Wochen nach der Blüthenzeit, wenn die Beeren bereits schon die Größe einer Erbse erlangt haben, und man ganz gewiß ist, daß nun keine Traube weiter kommt; auch nicht etwa dicht über den Trauben, sondern bloß an den äußersten Spitzen der Ruthen, die im Herbste beim Beschneiden einmal weggeschnitten werden müssen, so daß die Ruthe ohngefähr so lang bleibt, als ich sie im nächsten Herbste zu brauchen gedenke. Ich winde diese Spitzen zuweilen, zur Befestigung der Ruthen, um das Spalier oder um das alte Holz des Stockes. Jetzt werde ich auch nicht so viel zu verbrechen finden, denn die meisten Ruthen haben schon im Wachsthume nachgelassen. Nur die Zugruthen, die gar nicht verbrochen werden dürfen, schießen fort. Eine um diese Zeit verbrochene Ruthe wird auch selten wieder einen neuen Trieb an der Spitze ansetzen, Beweis genug, daß ihr Wachsthum zu Ende ist, es müßte denn ein Stock auf gar zu fetten Boden stehen. An diesem kann man dann mit dem Verbrechen etwas strenger verfahren; aber ebenfalls nur an den äußersten Spitzen. Solche zu zeitig verbrochene Ruthen fangen auch oft an, zu kränkeln, und sterben nebst ihren Trauben bald ab oder bleiben wenigstens elend. Man will den Stock zwingen, seine Kraft in die Trauben zu werfen; er will aber das jetzt noch nicht. Man lasse ihm deßhalb seinen Willen; er wird allein schon thun, was man erzwingen will, wenn seine Zeit gekommen seyn wird. Man verbricht ja die Ruthen auch an den Bäumen nicht, und sie ernähren doch beides, ihre Früchte und Ruthen. -- Dieß ist meine, auf Erfahrung gegründete Ansicht in dieser Sache. Wer mich eines Bessern belehren kann, dem will ich für seinen Unterricht danken und seiner Belehrung folgen.
In den letztern Jahren nun, in welchen ich meine Weinstöcke gar nicht, oder doch nur wenig und spät verbrochen habe, hatte ich im Herbste gutes Beschneiden, denn es fehlte mir nicht an Ruthen, aus denen sich etwas Gutes machen ließ. Nun schnitt ich, wie ich schon mehrmals gesagt habe, an jedem Zapfen, Schenkel und jeder Rebe die untersten schwachen Ruthen ganz weg, die folgenden machte ich zu Zapfen, die nächsten zu Schenkeln, und die obersten zu Reben. Und so haben meine Stöcke immer schöne und starke Reben, denn die stärksten Ruthen werden dazu benutzt. Auf diese Weise erhält gewöhnlich jeder Zapfen eine Rebe von der Ruthe des obersten Auges; denn die beiden untern Augen, wenn er deren drei gehabt hat, haben gewöhnlich schwachen Wuchs, welcher ganz weggeschnitten wird. Es trifft auch zuweilen, daß ein Zapfen lauter schwachen Wuchs hat. Dann schneidet man solchen entweder wieder zu Zapfen, oder man schneidet, wie schon einmal gesagt worden ist, den ganzen Zapfen mit allen seinen schwachen Ruthen weg. An den Schenkeln finde ich nun nach meiner Behandlungsweise unten einige schwache Ruthen. Diese schneide ich ganz weg, die folgende stärkere giebt einen Zapfen, die nächste einen Schenkel von einer Viertel-Elle, die folgende einen von einer halben Elle und darüber, und die oberste oder die beiden obersten geben eine oder zwei Reben von einer Elle und darüber, so daß ein solcher Schenkel nun, wenn er von mittler Länge ist, nach dem Beschneiden einen Zapfen, zwei Schenkel von verschiedener Länge und zwei Reben, ebenfalls von verschiedener Länge hat. An der Rebe habe ich nun die meisten Ruthen. Die untersten schwächsten werden ebenfalls ganz weggeschnitten. Aus den nächsten mache ich ein, auch zwei Zapfen; aus den folgenden einen, zwei bis drei Schenkel, und aus den obersten stärksten, deren gewöhnlich drei sind, drei Reben, alle von verschiedener Länge. Denn das muß ich überhaupt bemerken, daß nicht alle Zapfen, Schenkel und Reben gleiche Länge haben dürfen. Darum habe ich auch gleich im Anfange gesagt, ein Zapfen kann ein, zwei, auch drei Augen haben, die Schenkel können ¼, ½, ¾ Elle lang seyn, und die Reben können aus einer Länge von einer Elle, 5, 6, 7 Viertel- bis 2 Ellen bestehen. Je nachdem die Ruthe stark oder schwach ist, macht man auch Zapfen, Schenkel und Reben lang oder kurz. Zuweilen trifft es sich auch, daß an einem Schenkel oder einer Rebe die oberste, oder zwei der obersten Ruthen verkrüppeln und schwächer bleiben, als die unter ihnen stehenden; ja durch das Treiben mehrerer kleinen Seiten- und Wasserruthen des dabei stehenden alten Holzes gleichsam zu einem Strauche werden. Ist dieß der Fall, so schneidet man das obere alte Holz mit seinen verkrüppelten, schwache Ruthen ganz weg und bestimmt die unter ihm stehenden zu Reben, Schenkeln oder Zapfen, wozu sie, vermöge ihrer Stärke am tauglichsten sind. Und sollte einmal, was auch geschehen kann, an einem Schenkel oder einer Rebe Alles verkrüppeln, so wird er im Herbste ganz weggeschnitten. Dasselbe kann und muß auch geschehen, wenn der Stock mit den Jahren des Holzes zu viel bekommen sollte. Man schneidet dann natürlich die schlechtesten weg. Davon wird aber in einem der nächsten Kapitel beim Untersetzen ein Mehreres gesagt werden.
Aus dem bisher Gesagten wird nun Jeder leicht einsehen können, daß nach meiner Behandlungsweise die Stöcke von Jahr zu Jahr regelmäßig höher steigen. Es hat demnach ein nach meiner Art gepflanzter Weinstock im ersten Herbste, wenn er gesteckt wird, eine Höhe von ¼ bis ½ Elle. Im zweiten Herbste, nach dem erstmaligen Beschneiden, ist er kaum einige Zoll länger, weil der Wuchs des ersten Jahres bei dem ersten Beschneiden jedesmal zu Zapfen geschnitten wird. Im dritten Herbste, nach dem zweiten Beschneiden, ist er ohngefähr 1 Elle hoch. Im vierten Herbste, nach dem dritten Beschneiden, hat er eine Länge von 2 Ellen und so kommt er in jedem folgenden Jahre allemal um 2 Ellen höher. Hierbei richte ich es nun gleich in den erstern Jahren und jedem folgenden beim Beschneiden so ein, daß von meinen dichtstehenden Stöcken immer einer früher in die Höhe kommen muß, als der andere. Dieß geschieht dadurch, daß ich die Zapfen, Schenkel und Reben an dem einen immer etwas länger mache, als an dem andern. Auf diese Weise bekomme ich jedes Jahr in der Tiefe, Mitte und Höhe junges Holz, mit dem ich das alte bedecken kann. Und deßhalb sieht mein ganzes Spalier von unten an bis oben grün aus, und trägt von der Erde bis in die äußerste Spitze hinauf Trauben.
Freilich müssen solche Stöcke aber auch gegen Vieh und andere Feinde durch eine Umzäunung geschützt seyn, und diese wird sich wohl an den meisten Orten anbringen lassen, da sie nicht breiter, als höchstens 2 Ellen zu seyn braucht, so daß man darinnen gehen kann. Sollte nicht so viel Raum vorhanden seyn, so ist eine Elle breit hinreichend. Man muß aber die Umzäunung alsdann so einrichten, daß sie, gleich den Thorflügeln aufgemacht werden kann, wenn es an dem Stocke etwas zu thun giebt. Diese Art dürfte auch in Städten anwendbar seyn, denn ich kann nicht einsehen, warum man nicht auch hier den Weinstock gleich von der Erde an sollte benutzen können. Welch’ ein schöner, breiter und oft auch hoher Raum ist da nicht oft von der Erde an bis an die untersten Fenster, und selbst zwischen denselben giebt es oft sehr breite Stellen, an welchen man Reben in die Höhe ziehen könnte, die dann mit ihren Ruthen und Trauben dem Bewohner durch die Fenster begrüßen, den Zimmern in heißen Sommertagen eine wohlthätige Kühlung gewähren, zur Zeit der Blüthe einen erquickenden Geruch verbreiten, und zur Zeit der Traubenreife bei geöffneten Fenstern freundlich zum Genusse einladen dürften. Einige, denen ich diesen Vorschlag einstens machte, äußerten zwar die Bedenklichkeit, es würde der Wein an diesen niedern Stellen wohl vor räuberischen Thieren, schwerlich aber vor diebischen Menschenhänden zu schützen seyn. Mit dieser Furcht suchte man mich freilich auch zu erfüllen, als ich meine, mitten in dem Dorfe stehende Schulwohnung mit Weinstöcken umpflanzte; aber ich muß es den Bewohnern meines Ortes öffentlich zum Ruhme nachsagen, sie haben mir nichts entwendet. In Städten aber, wo Fenster bei Fenster und Tag und Nacht weit mehr reges Leben auf den Gassen ist, als auf dem Lande, dürfte ja der Dieb wohl noch viel weniger Gelegenheit haben. Laßt uns nur Alle jeden schicklichen Ort mit Weinstöcken bepflanzen und jede müßige Stunde dazu benutzen, so wird Niemand mehr nöthig haben, zu stehlen; denn Jeder hat dann selbst genug für sich und -- den Dürftigen, die keine Gelegenheit zur Anpflanzung haben, wird man gern eine Traube mittheilen. Es ist in der That Unrecht, daß man die schönen hohen Wohnungen, Scheunen und Stallgebäude in den Städten und auf dem Lande nicht überall, wo es irgend geht, mit diesem herrlichen Grün bekleidet. Freilich macht der Anfang eine kleine Mühe und in der Folge alle Jahr ein wenig Arbeit; allein, wer diese scheuet, den möchte man wohl an das allbekannte Sprüchlein erinnern: Wer nicht will arbeiten, (am Weinstocke), der soll auch nicht essen (von den Trauben).
Hierbei kommt es darauf an, wie hoch man wegen der Höhe des Spaliers die Stöcke ziehen kann und will. Hat der zuerst emporkommende Stock die Höhe des Spaliers erreicht, so daß man im nächsten Jahre dessen über das Spalier hinausgehende Reben nicht mehr anheften könnte, so muß er nun untersetzt oder abgeschnitten werden. Abschneiden kann man ihn gleich unten, etwa eine Viertel-Elle über der Erde. Auch dieses alte Holz ohne Augen schlägt wieder aus. Man nennt diese Ruthen, sowie überhaupt alle Ruthen, die aus dem alten Holze kommen, Wasserruthen. Ich thue das aber beim Untersetzen gewöhnlich nicht, sondern gehe an jedem Zweige oder Aste des Stockes von der Erde an in die Höhe, bis dahin, wo ein jeder Zweig oder Ast junges Holz, d. h. eine Ruthe, hat. Gerade über dieser Ruthe schneide ich weg und die Ruthe selbst schneide ich zum Zapfen. So behält der untersetzte Stock mehrere Zweige oder Aeste von verschiedener Länge; diese treiben im nächsten Sommer schöne, starke Ruthen, haben aber selten Trauben, weil der Stock in diesem Jahre zu sehr mit neuem Wuchse beschäftigt ist. Im folgenden Jahre bringen sie jedoch der Trauben viele. Ein so untersetzter Stock dient nun wieder zur untern oder mittlern Bekleidung des Spaliers, je nachdem er länger oder kürzer gemacht worden ist. Ist an einer Stelle zur niedrigsten Bekleidung keiner mehr vorhanden, so muß man in dieser Gegend Einen auf vorhin beschriebene Art eine Viertel-Elle über der Erde wegschneiden. Während dessen kommt wieder ein anderer in die Höhe, bei dem dann wieder in einem andern Jahre das Untersetzen nöthig ist. Und so habe ich fast jedes Jahr Stöcke zu untersetzen. Auf diese Weise fehlt es nun meinem Spaliere an keinem Orte, und in keinem Jahre weder an Reben, noch Trauben. Auch glaube ich, es nun so deutlich dargelegt zu haben, daß mich ein Jeder wird verstehen können. Da man beim Beschneiden, wenn es ordentlich werden soll, viel gegen den Daumen schneiden muß, so ist es nöthig, denselben durch einen Ueberzug von starkem, festen Leder zu schützen. Auch ist ein spitziges Messer beim Beschneiden das beste, weil man damit bequem in alle Winkel kann.
Man kann die alten Stöcke auch noch auf eine andere Weise verkürzen, nämlich durch das Verjüngen oder Jungmachen. Dazu gehört aber, wie sich gleich zeigen wird, mehr Raum und Mühe. Man nimmt nämlich das alte, lange Holz vom Spaliere herunter, legt es von demselben ab- oder seitwärts in einen oder einige dazu gemachte, eine halbe Elle tiefe und breite Graben, beugt es in einiger Entfernung wieder um, nach dem Spaliere zu, so daß das ganze alte Holz in die Erde kommt, und nur die äußersten Enden, mit dem zu einem Zapfen geschnittenen jungen Holze am Spaliere wieder aus derselben hervorragen. Auf diese Weise werden aber oft aus einem Stocke sehr viele; so viel er nämlich Zweige oder Aeste hat. Man müßte denn einige, für die kein Raum vorhanden wäre, abschneiden. Bei weniger Raum ist natürlich das Untersetzen besser, als das Verjüngen. Ich habe dasselbe bei einigen meiner Bekannten, die mich baten, ihre in Unordnung gerathenen Weinstöcke in Augenschein zu nehmen, an einem ganzen am Giebel eines Hauses angebrachten Spaliere anwenden müssen. Zum Verjüngen war hier nicht der geringste Raum. Die Stöcke selbst aber hatten eine solche Menge altes, langes Holz mit schwachen Ruthen, daß dieselben von der Erde an bis in die äußerste Spitze des Hauses einer durch und durch verwachsenen dicken Dornenhecke glichen, an welchem von unten an bis an den Bodenraum gar kein junger Wuchs mehr zu finden war. Ich legte Hand an das Werk, und als ich fertig war, reichten sämmtliche Stöcke kaum bis an das Fenster, was höchstens eine Elle hoch war. Und im nächsten Sommer trieben diese alten kraftvollen Stöcke so viel schöne starke Wasserruthen, sogar mit Trauben, (was in diesem Jahre eigentlich noch nicht zu erwarten war, aber durch die starke Kraft der Stöcke bewirkt wurde,) daß mehrere verbrochen werden mußten, weil sie nicht alle Raum hatten. Im nächsten Herbste wurde wieder gehörig beschnitten, nämlich Zapfen, Schenkel und Reben nicht länger gelassen, als ich es schon angegeben habe. Im darauf folgenden Jahre ging die Zahl der Trauben weit in die Hunderte, und nach Verlauf von 4 Jahren, in die Tausende.
So verfährt man mit alten, in Unordnung gerathenen Stöcken durch das Untersetzen, wenn das Verjüngen wegen Mangels an Raum nicht möglich ist. Durch das Verjüngen aber kann man sich, wenn Raum genug vorhanden ist, auch noch andere Vortheile verschaffen. Man kann nämlich von einigen alten langen Zweigen oder Aesten ein Gegenspalier anlegen, das man so weit vom Hauptspaliere entfernen kann, als die Aeste des Stockes lang sind. Auch kann man dadurch ferner eine Menge Stöcke erzeugen; diese stehen aber nicht in gleicher Linie, sondern zerstreut durch einander, und bilden gleichsam einen Weinberg. Dieß geschieht nämlich, wenn man jeden vom Hauptstocke abgenommenen Zweig oder Ast, so lang er ist, in die Erde legt, und nur das äußerste Ende desselben mit dem daran befindlichen Zapfen hervorragen läßt. Auch ist das Verjüngen sehr anwendbar, wenn ein Gebäude, woran Weinstöcke stehen, vergrößert werden soll. Man braucht nämlich dann solche nicht heraus zu nehmen und weiter zu pflanzen; wenn nur sonst die Erweiterung des Gebäudes nicht länger ist, als die Zweige oder Aeste der Stöcke sind, sondern man legt sie so lang in die Erde, daß sie an der Außenseite der neu aufzuführenden Mauer wieder hervorragen. Man kann sie auch dadurch noch verlängern, daß man die oberen Ruthen recht lang läßt, und nur die äußerste schwache Spitze wegnimmt. Von diesen lang gelassenen und nachher mit in die Erde gelegten Ruthen brauchen nur ein, zwei oder drei Augen hervorzustehen; sie bilden dann wieder einen neuen Stock. Dadurch kommt nun die Hauptwurzel des Stockes mit denjenigen, welche in Zukunft an den in die Erde gelegten Zweigen oder Aesten entstehen, unter das Gebäude, und haben, wenn es eine Stube ist, ein sehr warmes, und ist es ein Stall, ein sehr fruchtbares Lager, und die Wurzeln, die der Stock außerhalb der Mauer treibt, bekommen ihr Lager wieder in der am Gebäude hin unter der Traufe zum Begießen befindlichen Vertiefung. -- Alle durchs Verjüngen erniedrigten Stöcke haben einen vorzüglichen starken Trieb, wegen der vielen zerstreut liegenden Wurzeln, die aus allen Richtungen dem Stocke Frucht zuführen. Das Untersetzen muß wegen des Verblutens durchaus im Herbste geschehen. Das Verjüngen aber kann außerdem auch im Frühjahre, ja sogar mitten im Sommer, wenn die Menge der Ruthen nicht daran hindert, vorgenommen werden. Wenn Umstände es im Sommer nöthig machen sollten, so müßte man die Ruthen, welche ihr Lager in der Erde bekommen würden, zu Zapfen schneiden, und nur die äußerste oder zwei derselben, jedoch unverbrochen, aus der Erde hervorgehen lassen. Wäre der Stock nicht zu weit zu leiten, so daß nur sein unteres altes, kahles Holz in die Erde käme, so kann man alle daran befindliche Ruthen mit ihren Trauben unverändert lassen. Sie gedeihen an der neuen Stelle eben so gut, oft noch besser, indem der Stock, obgleich er neue Wurzeln treibt, doch durch das Einlegen zugleich auch neue Nahrung bekommt. Ich fand einst bei einem Bekannten zu Johannis einen alten, im Grase hin und her liegenden Stock. Ich ließ das Gras abhauen, dann den Boden umgraben, legte das alte Holz in die Erde und ließ nur die Spitzen der schwachen elenden Ruthen an der Wand hin aus der Erde hervorragen. Es sah aus wie eine Reihe zarter Nelkensenker. Binnen vier Wochen waren sie gegen 3 Ellen lang, und jetzt, nach Verlauf von ohngefähr sechs Jahren, ist es ein Spalier, an welchem jährlich 2 bis 3000 Trauben hängen. Auf diese Weise kann man also auch verdorbene Weinstöcke wieder in Ordnung bringen.
Eine Hauptsache beim Weinbau ist nun ferner das Anbinden oder Heften im Frühjahre. Am besten ist hierzu der Bast von Linden oder Rüstern. Bindfaden und andere ihm ähnliche Bänder taugen nicht dazu, weil sie Einschnitte in das Holz machen. Ich habe in Ermangelung des Linden- und Rüstern-Bastes, es auch mit dem weidenen und fichtenen versucht, und es gelang vortrefflich. Ich schälte nämlich meine im Winter gehauenen weidenen 3 Ellen langen Brennholzstücke und einige zum Bauen bestimmte Fichten ab. Dieß gab Streifen mitunter von einer Hand breit und noch breitere. Von diesen ließ ich die obere graue Schale mit einem Messer abstreifen, alsdann ließen sich die den breiten Lederriemen ähnlich sehenden Stücke in mehrere lange schwache Faden reißen. Dieß macht man, wenn man es gleich verbrauchen will. Ist dieß nicht der Fall, so läßt man diese breiten Streifen, um sie vor dem Verstocken zu sichern, trocknen. Sie werden hierdurch freilich so hart, daß sie oft bei der geringsten Berührung brechen; allein man darf sie nur eine Stunde vor ihrem Gebrauche in das Wasser werfen, so werden sie wieder so geschmeidig, als ob sie eben vom Baume geschält wären. Freilich muß man sie während der Arbeit in einem Gefäße mit Wasser liegen haben, und nur immer so viel heraus nehmen, als man für die erste Viertel-Stunde gebraucht. Sobald der Wein damit angebunden ist, wird der Bast freilich wieder trocken, aber er reißt nicht mehr. Auf diese Weise hat man also nicht nöthig, des Bastes wegen grünende und wachsende Bäume zu beschädigen. Beim Anbinden selbst nun muß man die Aeste des Stockes mit ihren Zapfen, Schenkeln und Reben so weit auseinander bringen, als es nur immer möglich ist. Das alte Holz der Aeste kann zwar dicht neben und über einander liegen; die Schenkel und Reben selbst aber dürfen nicht dichter zusammen kommen, als eine Viertel-Elle. Hat man Raum genug, so kann man sie auch noch weiter von einander bringen. Sowohl das junge, als das alte Holz muß nicht durchaus gerade in die Höhe gezogen werden, sondern beides kann seitwärts schräge zu liegen kommen, je nachdem es sich schickt. Fangen später die Augen an zu treiben, so hat jede Ruthe gehörigen Raum und Sonne.
Bisweilen trifft es sich auch, daß zwei Ruthen an einer Stelle entstehen, besonders bei starken, auf gutem Boden stehenden Stöcken. Es befindet sich nämlich hinter jedem Auge noch eins, oft zwei; man nennt sie Reserve-Augen. Diese Reserve-Augen fangen gewöhnlich im Frühjahre mit den Haupt-Augen zugleich an, zu treiben. Sind nun die Stöcke noch jung und schwach und haben magern Boden, so bleibt endlich das Reserve-Auge sitzen. Haben aber, wie gesagt, die Stöcke Kraft und guten Boden, so treiben diese Reserve-Augen mit den Haupt-Augen zugleich fort, und auch diese aus den Reserve-Augen entstandenen Reserve-Ruthen bringen ihre Trauben. Ich habe einmal in einem guten Weinjahre an den meisten Hauptruthen drei und an den Reserve-Ruthen zwei, und also fünf Trauben auf einer Stelle gehabt. An einigen Stöcken hatten sogar die Hauptruthen 4 und die Reserve-Ruthen 3 Trauben.
Wenn nun die Ruthen länger werden, so muß man sie anheften, damit sie sich nicht umbeugen und von Wind- und Regenstürmen abgebrochen werden. Es ist auch dieses Anheften um der Trauben willen nöthig, weil dieselben sonst, wenn sie zu groß und schwer werden, mit der Ruthe zugleich abbrechen können. Daher muß man auch die untern Fruchtruthen anbinden, ob sie gleich gewöhnlich nicht so lang werden, als die obern Zugruthen, welche oft mehrere Male angebunden werden müssen. Denn zwar nicht die Last der Länge, wohl aber die Last der Trauben kann sie später umbeugen und brechen. Dieses Anheften muß aber durchaus noch vor der Blüthenzeit geschehen, denn während derselben darf man nicht in den Ruthen herumstören, weil man sonst den Blüthenstaub abstreift. Auch kann, wenn die nun immer länger werdenden Ruthen nicht angebunden sind, Sturm und Wetter dieses Abstreifen verursachen, oder die schwebenden Ruthen zerbrechen. Bei diesem Heften muß aber mit den noch jungen und fetten Ruthen sehr vorsichtig umgegangen werden, damit man sie nicht abbricht. Deßhalb dürfen sie auch nicht etwa dicht an das Spalier oder an die alten Aeste des Stockes angebunden werden, wie man das beim ersten Anbinden im Frühjahre thut; es ist auch dieses dichte Anbinden sehr oft wegen der Fettigkeit und Weichheit der Ruthen nicht möglich und noch weniger nöthig. Man faßt mit dem Baste eine Stange des Spaliers, oder einen Ast des alten Holzes, oder einen nahe liegenden Schenkel oder eine Rebe, und zugleich auch die Ruthe dicht unter der ersten Traube, und zieht dieselbe nun so weit heran, als es sich thun läßt. Dadurch geschieht es, daß die Ruthen nun in längere oder kürzere Henkel zu hangen kommen, wodurch sich dann der ganze Stock nach der Außenseite hin verbreitet und Ruthen und Trauben mehr Raum bekommen; denn es braucht durchaus nicht Alles dicht an das Spalier angeschnürt zu seyn. Meine Stöcke kommen durch dieses Henkeln oft ¼, sogar ½ Elle weit und noch weiter vom Spaliere und der Mauer ab, und hängen doch nicht abwärts, sondern stehen und sehen so glatt, als ob sie mit der Zannscheere beschnitten worden wären. Das dritte Heften erfolgt nach der Blüthenzeit, wo man Alles, was abwärts hängt, ebenfalls wieder so anhenkelt, und sollten späterhin wieder Ruthen mit ihren nun länger gewordenen Spitzen abwärts hängen, so muß man zum vierten Male heften, was aber selten und nur bei wenigen, nämlich bei den langen Zugruthen nöthig ist. Jetzt kann man auch, wie schon gesagt, die abermals abwärts hängenden Spitzen abbrechen oder der Haltbarkeit wegen um einen nahe liegenden festen Gegenstand winden; denn sie können nun nichts weiter nützen. In den kürzlich vergangenen Jahren habe ich den Versuch gemacht, mir das dritte und vierte Heften ohne Nachtheil für den Stock ganz zu ersparen, und er ist gelungen. Ich fand nämlich bei genauer Beobachtung, daß einige Wochen nach der Blüthenzeit alle Ruthen ohne Ausnahme ihre gehörige zum Herbste beim Beschneiden nöthige Länge erreicht hatten, folglich alles nun noch wachsende Holz überflüßig sey. Jetzt fing ich an, alle hervorkommenden Spitzen aller Ruthen, sogar die der Zugruthen, wegzubrechen, und mit allen in der Folgezeit wieder hervorkommenden Spitzen eben so zu verfahren, und fand, daß diese Behandlungsweise weder den Trauben noch den Ruthen Schaden brachte. Ich hatte im Herbste beim Beschneiden nur einen sehr geringen Nachtheil davon, nämlich den, daß ich keine, oder wenigstens nur sehr wenig Schnittlinge machen konnte: denn ich fand größtentheils nur so viel junges Holz, als ich brauchte, und konnte einen Schnittling nur da erlangen, wo wegen zu vieler Ruthen einige weggeschnitten werden mußten. Das von den stehenbleibenden Ruthen weggenommene Holz war zu Schnittlingen größtentheils zu kurz. Seitdem habe ich jedes Jahr wieder so verfahren, und da ich abermals keinen Nachtheil gespürt habe, werde ich es auch ferner thun, und rathe einem Jeden, eben so zu handeln. Nur das zu frühe Verbrechen, nämlich vor und in der Blüthenzeit, kann ich nie und nirgends anrathen.
Manche Ruthen heften sich auch selbst an, vermittelst der Gabeln; so nennt man die an den Ruthen und beiden Trauben hin und wieder hervortreibenden Ranken, die sich an den Enden in zwei Theile theilen und sich um das Spalier und Alles, was sie erreichen können, herumwinden und sehr fest werden. Das Erscheinen der ersten Gabel an einer Ruthe ist gewöhnlich ein Zeichen, daß nun keine Traube weiter kommt. Einige meinen, man müsse diese Gabeln abbrechen, denn sie raubten dem Stocke die Kraft. Dieß ist ein Irrthum, denn man raubt ja auch dadurch den Ruthen ein herrliches Befestigungsmittel, welches ihnen die Natur sehr weislich verliehen hat. Denn kein Band kann fester werden, als dieses Anklammern der Gabeln. Man muß aber dieses Heften oder Anhalten nicht zuerst den Gabeln überlassen, (denn Wind und Wetter treibt oft die Ruthen aus der gehörigen Lage, und sie heften sich alsdann da an, wo es sich nicht schickt), sondern man muß das erste Anbinden der Ruthen selbst besorgen, damit sie in die richtige Lage kommen, und das Anklammern der Gabeln für sie nachher ein zweites richtiges und noch stärkeres Befestigungsmittel wird.
Die richtige Lage der Ruthen ist folgende: Die an jedem Schenkel und jeder Rebe sich befindenden untern, gewöhnlich schwächern und kürzern Fruchtruthen leitet man durch das Anbinden einwärts nach der Mauer zu; die obern längeren und stärkeren Zugruthen aber zieht man, so viel es sich thun läßt, nach außen, damit sie gutes Licht und Sonne bekommen und gehörig reifen können. Denn fehlt es diesen Zugruthen an Luft, Licht und Sonnenwärme, so bleiben sie blaß und weich, verholzen nicht, und man kann sie zum Herbste nicht gebrauchen, sondern muß sie, so weit sie grün sind, wegschneiden. Denn die Reife, die sie nach dem Abfallen der Blätter und den Winter über noch bekommen sollen, ist nicht von Bedeutung. Und dieses Erziehen der Zugruthen ist eine Hauptsache beim Weinbau. Es ist die Aussaat für das nächste Jahr. Zieht man im ersten Jahre keine Zugruthen, so hat man im nächsten Jahre keine Trauben zu erwarten. Ich habe Weinstöcke gesehen, die viele Trauben hatten, recht schön angebunden und ganz glatt verbrochen waren, aber nicht eine einzige Zugruthe hatten. Solche Stöcke lassen sich im Herbste schlecht beschneiden; man findet an ihnen lauter kurze und schwache Ruthen, und man muß lauter Zapfen und kurze Schenkel schneiden. Reben werden gar nicht, und sie bringen natürlich im nächsten Jahre nicht die Trauben, die sie gebracht haben würden, wenn man ihnen die gehörigen Zugruthen gelassen hätte. Am Ende fangen sie gar an, zu kränkeln und gehen ein, weil sie durch das beständige starke und besonders zu frühzeitige Verbrechen in ihrem Wachsthume zu sehr gestört worden sind.
Den kürzeren Fruchtruthen mit ihren Trauben schadet es nicht, wenn sie hinter die Zugruthe und deren Blätter kommen. Die kurze Ruthe reift doch wohl, und die Trauben gedeihen hinter den Blättern im Schatten weit besser und reifen eher, als wenn sie zu viel Sonne haben. Alle der Sonne zu sehr ausgesetzte Trauben bleiben hart und reifen viel später. Die Spitzen der kurzen Ruthen nehme ich, wie schon gesagt, gewöhnlich dann, wenn die Trauben anfangen, schwer zu werden, und winde sie um eine Stange des Spaliers herum, oder wo es sich sonst thun läßt. Denn eine solche Ruthe treibt nun schon von selbst nicht mehr, die Kraft bleibt unten in den Trauben, und durch das Umwinden und Befestigen der Spitzen bekommt die Ruthe mit ihren Trauben einen sehr guten Halt. Ist aber die Ruthe mit ihren Trauben schon durch das Heften gehörig befestigt, so kann man auch jetzt, wie ich nun durch Erfahrung gefunden habe, die Spitzen ohne Nachtheil für Ruthen und Trauben wegbrechen. Bei dieser Behandlungsweise, daß ich nämlich vor der Blüthenzeit gar nichts, und nach derselben nicht zu zeitig verbreche, und die Stöcke auch sehr dicht stehen, kommt es freilich dahin, daß in den Sommer-Monaten meine Weinspaliere dicht belaubt sind, viel Ruthen und wenig Trauben zeigen. Aber was von Ruthen vorn seyn und reifen soll, ist doch vorn, und die hinter den Blättern steckenden Trauben befinden sich da einstweilen sehr gut. Man muß nur beim Heften nicht Alles zu eng zusammenschnüren, sondern lange Henkel machen, damit Raum in dem Dickicht ist. Kommt es nun gegen den Herbst, die Zeit der Reife, so wirft der Stock seine größte Kraft schon von Natur auf die Trauben und läßt die Blätter fahren; einige fallen ganz ab, die meisten bleiben zwar, verlieren aber ihre Fettigkeit, fangen an, zu welken, fallen und beugen sich zusammen. Nun bekommen die hinter denselben versteckt gewesenen Trauben so viel Licht und Wärme, als sie zu ihrer Reife bedürfen. Aber doch nicht so viel, daß die allzu große Hitze die Beeren verhärten könnte. Wer aber Alles zu sehr und besonders zu zeitig verbricht und entblättert, dem hängen um diese Zeit alle Trauben frei in der größten Sonnenhitze. Auf fettem Boden stehende Stöcke entblättern sich zwar nicht so sehr; ist aber nur gut gehenkelt und nicht etwa geschnürt, so kann dennoch Alles gehörig wachsen und reifen. Sollten dieselben gar zu dicht werden, so kann man durch ein schärferes Abbrechen der Spitzen beim dritten und vierten Heften etwas Luft machen. Oder, wie schon gesagt worden ist, das dritte und vierte Heften ganz unterlassen, und alle hervorkommende Spitzen wegbrechen. Denn ich wiederhole es nochmals: Wo Raum genug ist, kann man ohne Nachtheil alles wachsen lassen; wo dieser aber mangelt, da kann man auch hinwiederum ohne Nachtheil alles verbrechen. Nur nicht vor und in der Blüthenzeit und nicht zu schnell nach derselben.
Aus dem bisher Gesagten gehet nun auch hervor, daß an einem nach meiner Art richtig beschnittenen Weinstocke nicht ein Blatt übrig ist. Was soll man aber thun, wenn man Weinblätter verlangt, oder deren selbst bedarf? -- Von den Zugruthen darf man sie nicht nehmen. An jedem Blatte steht ein Auge, dieses wird von seinem Blatte geschützt, auch wird durch dieses Blatt demselben Nahrung zugeführt; denn alles auf dem Blatte stehen bleibende Thau- und Regenwasser dringt größtentheils durch die in dem Blatte und dessen Stiele befindlichen kleinen Oeffnungen bis in das Auge hinein und erquickt und stärkt dasselbe. Nimmt man ihnen nun dieses Blatt, so zerstört man den Befruchtungs-Kanal, und es wird in seinem Wachsthume gehindert; und geschieht dieß gleich unten an den Zugruthen, wo sie die Trauben haben, so beraubt man zugleich auch den Trauben die Schutz- und Nahrungsmittel. Von den übrigen kürzern Fruchtruthen darf man sie nun ebenfalls nicht nehmen, denn sie sind auch hier die Beschützer und Ernährer der daran befindlichen Augen und Trauben. Es giebt aber oft außer den Zug- und Fruchtruthen noch einige unfruchtbare Ruthen, die keine Trauben bekommen haben, und zu den Zugruthen zu schwach sind. Auch kommen oft unten am Stocke oder etwas weiter hinauf aus dem alten Holze Ruthen heraus, die weder Trauben haben, noch zu Zugruthen taugen, und allenfalls im Herbste beim Beschneiden einen Zapfen geben können. Man nennt sie bekanntlich Wasserruthen. Von diesen beiden, den oben genannten unfruchtbaren und den Wasserruthen, kann man Blätter nehmen, wenn man welche gebraucht. Hier thut es nicht viel Schaden, besonders an den obern Enden, die ja ohnedieß im Herbste weggeschnitten werden. An den obern Enden könnte man allenfalls auch von den Zug- und Fruchtruthen Blätter wegnehmen, aber nicht eher, als nach dem dritten und vierten Heften, wo man auch die ganze Spitze wegbrechen kann. Vor und während der Blüthenzeit aber ist nirgends ein Blatt übrig; es macht ohnedem das Abbrechen eines solchen fetten Blattes eine Wunde, die im zeitigen Frühlinge sogar blutet. Braucht man aber die Blätter nicht nothwendig, so lasse man auch die für entbehrlich erklärten stehen. Es ist große Thorheit, solche oder wohl gar ganze Ruthen für das Vieh abzubrechen, ohne vorher überlegt zu haben, ob sie auch wirklich überflüssig waren oder nicht, und ob es also Nutzen oder Schaden bringen konnte. Denn, ich wiederhole es nochmals, hat man im Herbste nach meiner Art richtig beschnitten, so kann man, wo Raum genug ist, vom Frühjahre an bis zum Herbste, alles daran ungestört und ohne Nachtheil wachsen lassen. Es kann schon, dem Schnitte gemäß, nicht mehr wachsen, als nöthig ist. Ich weiß dieß aus mehrjähriger Erfahrung, und freue mich, diese Entdeckung gemacht zu haben, denn sie überhebt mich der wirklich schwierigen Arbeit des frühzeitigen Verbrechens, wobei man sich nicht genug in Acht nehmen kann, daß man den jungen fetten Ruthen und zarten Träubchen nicht Schaden thut. Dieser Schaden kann aber beim Verbrechen zur Zeit des dritten und vierten Heftens, spät nach der Blüthenzeit nicht geschehen. Jetzt können die abgebrochenen überflüssigen Spitzen zum Futter für’s Vieh benutzt werden.
Ich erwähne diesen Gegenstand nochmals, um zu zeigen, welch’ eine wesentliche Arbeit dieß beim Weinbau ist. Ich habe es in dem vergangenen trockenen Sommer an einem Spaliere absichtlich unterlassen, um dessen Nutzbarkeit nochmals zu erproben, und sie zeigt sich nun mehr, als zu deutlich. Dieß Spalier hat magere Träubchen, die wohl schwerlich zur Reife gelangen werden. Die begossenen Spaliere aber prangen mit fettem Wuchs und schönen Trauben, die eine zeitige Reife versprechen. Damit nun aber auch das Begießen gehörig nützen kann, so muß man die Vertiefung und die Dämmchen unten am Spaliere bei den Wurzeln immer in gutem Stande erhalten. Thut man dieß nicht, so darf man sich nicht wundern, wenn auch bei fleißigem Begießen die Weinstöcke nicht gedeihen. So ging es einem meiner Bekannten. Ich besah seine Stöcke, und fand sie auf einer festen Erhöhung von Erde stehend, von der jeder Tropfen Wasser augenblicklich wieder ablaufen mußte. Das hieß nun, Wasser auf eine umgekehrte Schüssel gießen und sich dabei wundern, daß es nicht eindringen will; oder dem Durstigen den Trank über den Kopf gießen, und es sich befremden lassen, daß er dabei noch immer über Durst klagt. Ich machte nun am Stocke unten die gehörige Vertiefung nebst den zwei Dämmchen, vermehrte die Stöcke durch das Verjüngen einiger niedern Aeste und ließ die Vertiefung alle 8 Tage voll Wasser gießen. In Zeit von 4 Wochen hatten die Ruthen 2 Ellen hoch getrieben, und jetzt, nach Verlauf von 5 Jahren, bekleiden diese Stöcke den ganzen Giebel des Hauses und bringen Trauben im Ueberfluß. Deßhalb muß auch ein Weinstock, wie schon gesagt, eine bis zwei Ellen breit vom Spaliere ab gehörig umzäunt seyn, damit kein Vieh hinzugehen und die Vertiefung nebst den Dämmchen verderben kann. Um sich des mühsamen Hintragens des Wassers bis an das Spalier zu erleichtern, suche man sich einige hölzerne Wasserrinnen zu verschaffen, die von einem Brunnen oder einem nahen Wasserbehälter bis an das Spalier reichen. Dann ist das Begießen, zumal bei einer Pumpe, ein Geschäft für ein Kind, das auf diese Art binnen einer Stunde einige hundert Eimer Wasser hinschaffen kann, und die geringen Kosten der Rinnen bringt eine einzige Traubenlese wieder ein. Freilich muß aber auch, wie gesagt, die Vertiefung gehörig wagerecht seyn, damit ein Stock so viel bekommt, wie der andere.
So nenne ich den eine bis zwei Ellen breiten Raum von der Mauer bis an die Umzäunung. Diese Stelle muß immer rein gehalten und nichts weiter darauf gepflanzt werden. Es darf deßhalb dieses Weingärtchen nicht zugleich den Blumen-, Petersilien- und Pflanzengarten mit ausmachen. Auch muß man darinnen kein Gras oder Unkraut aufkommen lassen. Wo dieß geschieht, oder wo wohl gar dicht an den Stöcken Hühner, Hunde und Katzen ihr Faulbettchen aufschlagen, und die Weiber diesen Ort zu einer Niederlage von Bouteillen, Aeschen, Schüsseln, alten Töpfen und dergl. gebrauchen, auch wohl den Herbst und Winter über Kraut und Rüben daselbst aufbewahren, da kann freilich der Weinstock nicht gut gedeihen.
„Welche Mühe und Arbeit machen Sie sich mit Ihren Weinstöcken!” sagte oft der Eine oder der Andere zu mir. „Der und Jener dort thut gar nichts an seinen Stöcken, und hat eben so viel, wohl noch mehr Trauben, als Sie.” Dieß kann der Fall seyn; denn das weiß ich auch, daß alte, tief eingewurzelte Stöcke auf gutem Boden oft einige Jahre lang ohne regelmäßige Behandlung dennoch gedeihen und Früchte tragen können. Man lasse das aber so fortgehen, so werden nach mehreren Jahren diese Stöcke einer wild verwachsenen Dornenhecke gleichen, wie ich einen solchen gesehen und oben schon beschrieben habe. Kommt nun ein kalter Winter, in welchem glücklicherweise das ganze Dornengestrüppe bis auf die Wurzeln erfriert, so daß er rein abgeschnitten also untersetzt werden muß, und folglich nun wieder einige Jahre ohne regelmäßige Behandlung gut treiben und viele Trauben bringen kann: dann wird der unwissende Besitzer seinen Irrthum nicht gewahr, sieht es nicht ein, daß ihm die Natur zu Hülfe gekommen ist, welche seinen verwilderten, der gänzlichen Unfruchtbarkeit sich nahenden Weinstock durch den Frost untersetzt hat, was an ihm hätte geschehen müssen, wenn er nicht erfroren wäre und noch länger hätte Trauben bringen sollen. Denn wenn solche Stöcke, an denen gar nichts gethan wird, nicht einmal erfrieren, so sehen sie am Ende sehr elend aus und haben unten eine Menge altes, kahles, verwachsenes Holz und oben an der Spitze des Daches einige Ruthen mit Trauben. Stünde ein solcher Stock an einem Kirchthurme, er würde bald, wenn ihn kein Frost untersetzte, mit seinen Ruthen und Trauben die Fahne erreichen und vor Diebstahl ziemlich gesichert seyn.
Wenn im Frühjahre die Augen aufbrechen und die Ruthen anfangen zu treiben, so trifft es sich oft, daß einige stark und fett treibende Ruthen mit den Spitzen an eine Stange des Spaliers, an altes Holz oder an die Mauer anstoßen, sich umbeugen und abbrechen. Da hat man nun fleißig nachzusehen, und wo man dieses bemerkt, den fetten Wuchs sanft abwärts zu beugen; wenn er dieß aber vielleicht nicht aushalten könnte, so muß man den Schenkel oder die Rebe, woran er sich befindet, losschneiden, und so anbinden, daß die Ruthe frei wachsen kann. Auf diese Weise habe ich oft ein Schock Trauben gerettet, die sonst verloren gegangen wären. Denn kaum ist die Ruthe einen Zoll lang, so zeigt sich auch schon die erste Traube und bald auch die zweite, ehe noch die Blätter sich gehörig entfaltet haben. Läßt man nun die Ruthen in ihrem Entstehen verderben, so verderben damit auch zugleich die Trauben. Werden die Ruthen länger und entfalten sich die zarten Blätter, so steht gewöhnlich die erste Traube am dritten, vierten oder fünften Blatte, je nachdem die Art ist. Am nächsten Blatte kommt die zweite Traube zum Vorschein, ein, auch zwei Blätter über dieser die dritte, und bei manchen Sorten in derselben Entfernung auch die vierte. Mehr habe ich aber noch an keiner gesehen. Meine weißen und gelben Sorten sind von der Art, die blauen aber haben nicht an jeder Ruthe zwei, vielmehr an einigen sogar nur eine Traube. Dagegen sind aber ihre Trauben größtenteils eine Viertel-, oft beinahe eine halbe Elle lang, haben am obern Ende viele kleine Nebentrauben, und die Beeren sind von der Größe einer Herzkirsche.
Wenn man Weinstöcke ins Freie oder an Bäumen, Lauben, Pyramiden und dergl. anpflanzen will, so werden sie eben so behandelt, wie bisher beschrieben worden ist. Sie gedeihen daselbst auch eben so gut, als an Gebäuden und Mauern, nur daß die Trauben später reifen und die Fröste im Mai ihnen leicht schaden können, weil sie dem Luftzuge mehr ausgesetzt sind. Hohe Bäume, mit langen, kahlen, weit ausgebreiteten Aesten, sind natürlich hierzu am besten. Niedere hingegen, mit vielen buschichten Zweigen, sind gar nicht dazu tauglich. Sie rauben den Stöcken zu viel Sonne und ihre Ruthen haben keinen Raum unter den dicht belaubten Zweigen des Baumes. Ueberhaupt thut man wohl, besonders wenn die Wurzeln des Baumes etwas hoch liegen, wenn man den Stock nicht zu dicht an denselben, sondern eine bis zwei Ellen weit davon entfernt steckt, und einen langen Ast oder eine Rebe in der Erde hin in einer schmalen Rinne bis an den Baum leitet. Befestigen kann man die Ruthen des Stockes hier leicht, wenn man in einer Entfernung von einer halben Elle starke Bastbänder um den Stamm des Baumes bindet, und an dieselben nun mit schwächern Bändern die Ruthen befestigt. Steht er ganz im Freien, so muß man ihn mit in die Erde geschlagenen Pfählen und daran befestigten Querstangen befestigen. Eine Weinlaube muß etwas hoch und pyramidenähnlich gebauet seyn, oder von zwei Seiten ein recht steiles Dach oder Sparrwerk haben. Will man die Trauben eines im Freien stehenden langen Weinspalieres zeitig zur Reife bringen, so muß man hinter dasselbe auf der Nachtseite starke lange Pfähle setzen, und an dieselben vermittelst einiger Haken von starkem Drahte eine aus starkem Papiere oder schwacher Pappe gemachte schwarzgefirnißte Hängewand befestigen. Es läßt sich dieselbe, wenn sie gut aufbewahrt wird, viele Jahre lang gebrauchen.
Gegen diese Feinde des Weinstocks, nämlich die späten Fröste im Mai, (Pancratius und Servatius &c.), giebt es freilich wenige ganz sichere Schutzmittel. Weil man eines Theils nicht gewiß weiß, wann ein solcher Frost kommen wird, und wenn man es auch wüßte, die schon mit Ruthen und Trauben besetzten Stöcke nicht herunterlegen und zudecken kann, ohne sie bedeutend zu beschädigen. Das beste Mittel wäre freilich, den Abend vorher, an welchem man aus der kühlen Abendluft oder andern Kennzeichen einen solchen Frost vermuthet, die Spaliere mit einer Decke von grober Leinwand, welche auf der, dem Stock zugekehrten Seite mit Löschpapier überzogen wäre, zu bedecken. Diese Decke müßte dann mit Nägeln und Henkeln behutsam an das Gebäude angeheftet werden. Freilich wäre dieß sowohl kostspielig, als mühsam, besonders bei großen Spalieren; jedoch wäre dieses Schutzmittel gegen den Frost um diese Zeit schon hinreichend. Bei wenigen, besonders niedrigen Stöcken dürfte beides, Aufwand und Mühe, nicht so bedeutend, der Nutzen aber groß seyn; denn man verliert durch einen solchen Frost nicht allein die Trauben für dieß Jahr, sondern bekommt auch schwache Ruthen, die im folgenden Herbste bloß zu Zapfen und kurzen Schenkeln geschnitten werden können, und also im folgenden Jahre entweder gar keine oder nur sehr wenige, magere Trauben bringen. Denn obschon die erfrornen Stöcke bald wieder ausschlagen, so haben sie doch kein rechtes Gedeihen, und man thut wohl, wenn man vor dem Herbste nichts daran thut, sondern das Erfrorne nach und nach von selbst abfallen und abwelken läßt. Einige rathen auch, am Abend vorher, wenn man einen solchen Frost vermuthet, Fässer und Wannen mit kaltem Brunnenwasser dicht unten an das Weinspalier zu setzen; es soll den Frost von demselben ab- und an sich ziehen; noch besser soll es seyn, wenn man Strohseile oben an das Spalier bindet, mir den untern Enden in die Wassergefäße legt, und daselbst mit darauf gelegten Steinen befestiget. Am mühsamsten wäre wohl das Räuchern, d. h. mit einem Becken voll glühender und dampfender Kohlen die ganze Nacht am Spaliere hin und her gehen, was man zuweilen in Weinbergen zu thun pflegt.
Vor den Winterfrösten kann man die Stöcke, wie gesagt, am besten durch das Niederlegen und Zudecken schützen, oder, wenn kein Raum dazu vorhanden ist, durch das Verbinden und Umwinden mit Stroh, oder Behängen des Spaliers mit solchen Nadel- und Laubholzsträuchen, die im Winter Laub und Nadeln nicht verlieren. Es ist immer besser, diese kleine Mühe nicht zu scheuen, als den Stock erfrieren zu lassen. Er schlägt zwar im nächsten Jahre wieder aus, wird aber erst nach Verlauf von 3 bis 4 Jahren wieder das, was er gewesen ist. Manche schneiden, wenn der Stock erfroren ist, gleich im Frühjahre alles erfrorne Holz bis auf die Erde weg. Dieses Verfahren ist nicht ganz gut; denn der Stock verblutet sich durch die daraus entstandenen vielen und großen Wunden zu sehr. Ich würde in dieser Lage um diese Zeit nur das obere schwache Holz wegnehmen, von welchem wegen gänzlicher Erstorbenheit keine Verblutung zu befürchten ist. Denn im Frühjahre muß überhaupt, besonders an gesunden Stöcken, gar nicht geschnitten werden. Besser ist es auch den erfrornen Stock erst wieder ausschlagen zu lassen, und das übrige alte, starke, erfrorne Holz erst dann abzuschneiden, wenn er nicht mehr blutet; nämlich zu Johanni. Freilich muß man sich dann in Acht nehmen, daß man bei diesem schwierigen Geschäfte den jungen, fetten Wuchs nicht verdirbt. Hat man aber das meiste schwache Holz schon im Frühjahre weggenommen, so macht es sich leichter. Es muß auch das zu Johanni abgeschnittene alte, erfrorne Holz nicht gleich weggenommen werden, sondern man läßt es, wenn es fest hängt, und die jungen, daran geklammerten Ruthen sich nicht gut davon lösen, hinter und unter demselben stehen bis zum Herbste. Von den jungen Wasserruthen eines solchen Stockes, deren gewöhnlich sehr viele sind, und welche in diesem Jahre selten Trauben haben, schneidet man nun im nächsten Herbste die schwächsten ganz weg, die stärkeren zu Zapfen, die noch stärkeren zu Schenkeln, und die stärksten zu Reben. Sie dürfen aber auch hier nicht länger seyn, als schon gesagt worden ist. Man verdirbt den ganzen Stock auch hier gleich in seinem neuen Entstehen wieder, wenn man sich durch die freilich schönen, langen Ruthen, die ein solcher Stock treibt, verleiten läßt, mehr davon stehen zu lassen, als nöthig ist. Es müßte denn eine Sorte seyn, die auch an langen Reben von unten an bis oben hinauf gute Ruthen und Trauben brächte; da könnte man allerdings von der Regel eine kleine Ausnahme machen. Im folgenden Jahre bringen nun solche Stöcke wieder reichliche und gute Trauben.
Das Senken, als ein Vermehrungsmittel der Weinstöcke und Verlängerung des Spaliers verdient nun noch einer besondern Erwähnung. Hat man schon einen Weinstock von guter Art an einem Gebäude oder sonst wo stehen, und rechts und links neben demselben noch Raum zu mehreren, so nimmt man von beiden Seiten längere und kürzere Aeste, oder lange Ruthen, die dicht an der Erde unten, oder wenigstens nicht weit davon aus dem Stocke gewachsen sind, herunter, und macht eine eine halbe Elle tiefe aber etwas breitere Grube längs des Spaliers auf beiden Seiten desselben. In diese legt man die eben genannten kürzeren und längeren Aeste so, daß sie sich in der Grube nicht berühren, damit ein jeder für sich Raum behalte, seine Wurzeln zu treiben, und läßt die äußersten Enden derselben, an welchem aber nur Zapfen sich befinden dürfen, eine Viertel-Elle lang aus der Erde hervorragen. Sie können auch ganz bis an die Zapfen in die Erde kommen, so daß sich blos 2 bis 3 Augen zeigen. Diese bilden nun neue Stöcke; die kürzeren zunächst beim Hauptstocke, die längeren weiter davon entfernt. Theilt sich der herabgenommene Ast nach seinem Ende zu nach und nach in mehrere Aeste, so ist es desto besser; man kann alsdann aus diesen Seiten-Aesten oder auch Ruthen mehrere Stöcke machen, dadurch, daß man einen jeden mit seinem äußersten Ende und den daran befindlichen Zapfen da aus der Erde hervorragen läßt, wohin er reicht. Doch dürfen diese Senker nicht dichter, als eine Elle neben einander zu stehen kommen. Sollten etwa im nächsten Jahre zwischen den eine Elle weit stehenden Senkern noch Ruthen aus der Erde hervor schießen, so muß man diese wegbrechen, sonst entstehen der Stöcke zu viele. Denn noch dichter, als eine Elle, darf man sie nicht aufkommen lassen. Man kann dazu auch junge, aus dem alten Holze unten getriebene Wasserruthen benutzen. Diese dürfen aber nur mit 2, höchstens 3 Augen aus der Erde hervorstehen; es ist, wie bekannt, auch eins schon hinreichend, wenn es vor dem Verderben hinlänglich gesichert werden kann. Dieß ist es, was man Senken nennt, und man kann dasselbe auch im Frühjahre noch vornehmen; besser ist es aber auch hier im Herbste, und zwar gleich nach dem Beschneiden, oder den Winter über, wenn Frost und Schnee nicht daran hindern. Solche Senker treiben im ersten Sommer schon sehr starke Ruthen, oft sogar Trauben und können im nächsten Herbste, wenn sie auf der Stelle stehen sollen, die schwächern zu Zapfen, die stärkern zu ½- bis ¾elligen Schenkeln, auch wohl zu Reben von einer Elle lang geschnitten werden. Im zweiten Sommer bringen sie schon mehrere schöne Trauben. Ich habe auf diese Weise von einem einzigen Stocke ein Spalier von 14 Ellen lang angelegt, welches mir nun seit 7 Jahren alle Jahr eine große Menge Trauben geliefert hat. Es ist nicht nöthig, diese Senker im folgenden oder einem der nächsten Herbste vom Stocke abzuschneiden, besonders wenn sie sich ganz unten an demselben befinden, und von da aus gleich mit Erde so überdeckt sind, daß man das Senken gar nicht bemerkt. Ein anderes ist es, wenn sie höher am Stocke stehen. Da würde man allerdings wohlthun, sie in einem der nächsten Herbste abzuschneiden; denn sie bilden sonst unförmliche Bogen. Oft treiben diese Wasserruthen; soll nun der Senker am Stocke bleiben, so muß man solche gleich bei ihrem Entstehen verbrechen, oder gleich ganz vernichten, denn sie können nichts nützen, weil der Bogen im Herbste weggeschnitten wird, und rauben also dem Stocke und dem Senker nur die Nahrung. Doch habe ich auch einmal, theils um Erfahrung zu machen, theils noch leeren Raum am Spaliers auszufüllen, das Gegentheil versucht, und es gelang. Ich ließ nämlich die an einem Bogen treibenden drei Wasserruthen stehen, und düngte und begoß den Senker und den Hauptstock den ganzen Sommer durch mit Schlammwasser, habe aber nicht bemerkt, daß eins von allen dreien Schaden gelitten hätte. Der Senker trieb gut und hatte sogar Trauben, die sehr schön wurden. An den Ruthen und Trauben des Hauptstockes mangelte nichts, und die drei am Bogen befindlichen Ruthen wurden so kräftig, daß ich im nächsten Herbste die schwächere zu einem Zapfen, die stärkere zu einem halbelligen Schenkel, und die stärkste zu einer Rebe von einer Elle schneiden konnte. Jetzt schnitt ich nun den Bogen nicht am Hauptstocke, sondern am andern Ende über der letzten Ruthe ab, bog den noch übrigen am Senker hängenden Theil des alten Holzes in die Erde, um dadurch dessen Wurzeln noch zu vermehren. Den Bogen selbst aber bog ich nun wieder in die Höhe nach dem Hauptstocke zu. Er bildete jetzt wieder einen niedrig stehenden Ast, diente zur untern Bekleidung einer noch kahlen Stelle, und brachte im nächsten Jahre schöne Trauben. Auf gutem Boden und bei recht guter Abwartung kann ich dieses Verfahren anrathen; unter andern Umständen möchte es wohl mißlingen.
Sollen nun die Senker nicht am Hauptstocke bleiben, sondern im nächsten Herbste weiter verpflanzt werden, was allerdings im Herbste geschehen muß, weil sonst, wenn man es im Frühjahre thun wollte, der Hauptstock und Senker an der bedeutenden, beim Abschneiden verursachten Wunde sich verbluten würde, so kann man die an den Bogen wachsenden Ruthen stehen lassen und sehr gut benutzen. Sollten sie auch auf magerm Boden nebst den Ruthen des Senkers gerade nicht so lang und kräftig werden, so sind sie ja im nächsten Herbste doch einmal bloß zu Zapfen bestimmt. Um diese Zeit schneidet man nun den Bogen, woran der Senker hängt, dicht am Hauptstocke weg, damit die dadurch an demselben entstehende bedeutende Wunde gut verwachsen kann, nimmt ihn aus der Erde, und hat nun einen Senker, der an beiden Enden Ruthen und in der Mitte Wurzeln hat. Die Ruthen werden dann an beiden Enden, die stärkeren zu Zapfen, die schwächeren aber ganz weggeschnitten. Es dürfen aber von den stärkeren nur 2, höchstens 3 bleiben, im Fall er mehr getrieben haben sollte. Mann kann dieses Beschneiden auch vornehmen, ehe man den Senker aus der Erde nimmt; es geht sich dann besser damit um. In der Mitte, wo die Wurzeln sind, schneidet man nun so durch, daß jeder Theil Wurzeln behält, und so hat man zwei Senker oder Wurzlinge. Man kann das Ganze aber auch beisammen lassen und beide Enden mit ihren Zapfen an dem Orte, wohin sie verpflanzt sind, aus der Erde hervorgehen lassen; so giebt dieß zwei Stöcke, die in der Erde gemeinschaftliche Wurzeln haben. Ich habe aber auch solche Bogen mit Wurzeln abgeschnitten und gesteckt, ob sie schon keine Zapfen mit Augen hatten und sie trieben im ersten Sommer aus dem alten Holze schöne Wasserruthen. Hieraus geht hervor, daß man auch alte Stöcke mit ihren mehrsten Wurzeln herausgraben und weiter pflanzen kann, ob man gleich dabei alles Holz bis auf eine Viertel- oder halbe Elle wegschneiden muß. Sie treiben auch ohne Augen wieder Ruthen und wachsen fort, wenn man sie nur im ersten Sommer gehörig abwartet. Unnöthiger Weise muß man aber keine Senker machen; denn vieles und öfteres Senken ist dem Hauptstocke nicht zuträglich, sondern beraubt ihn nach und nach seiner natürlichen Kraft. Ist man aber in der Lage, daß man gern viele Senker für sich und Andere haben will und muß, so thut man besser, wenn man sich von allen den Sorten, von denen man senken will, einen Stock an einem Ort, besonders pflanzt, wo ringsumher viel Raum ist, und von diesem Stocke jeden Herbst die meisten Ruthen zu Senkern einlegt. Der Stock, wenn er nicht zu kraftlos ist und guten Boden hat, pflegt seine Senker und treibt auch dabei wieder Wasserruthen, die im folgenden Herbste zu Senkern benutzt werden können. Ich habe einen solchen Stock mehrere Jahre dazu benutzt, und deshalb bloß den Mutterstock genannt. Er ist bei alledem aber so kraftvoll, daß er nicht allein fette Ruthen treibt, sondern an demselben sogar auch Trauben bringt. Freilich ist es ein 15jähriger kräftiger Stock, welcher auf gutem Boden steht.
Dieß, lieber Leser, sind nun meine im Weinbau gesammelten, und auf Erfahrung gegründeten Beobachtungen. Habe ich dem Einen und dem Andern damit genützt, so soll es mich sehr erfreuen. Kann mich irgend Einer auf einen Irrthum aufmerksam machen, der ja bei allem menschlichen Thun so häufig vorkommt, so will ich es mit Dank annehmen und der bessern Belehrung gern Beifall geben. Und sollten sachkundige Männer auch die zweite Auflage dieser kleinen Schrift als eine wirklich verbesserte, und wegen ihrer Brauchbarkeit empfehlungswerth anerkennen, so wird mir dieß ein mächtiger Antrieb zu herzlich demüthigen Danke und neuer stärkerer Thätigkeit seyn.
Druck von Joh. Friedr. Glück in Leipzig.
Bei dem Verleger dieses Buches sind noch folgende empfehlenswerthe Bücher erschienen:
Die Aufsicht des Geistlichen über die Volksschule, nach den Grundsätzen des deutschen Schulrechtes. Ein Beitrag zur Pastoralklugheit von K. Kirsch, Diaconus und ersten Mädchenlehrer zu Königsbrück. gr. 8. 30½ Bogen. Preis 2 Thaler.
Die Aufsicht über die Volksschule, dieser höchst wichtige Theil der geistlichen Amtsführung, wird in den Lehrbüchern der Pastoralklugheit meistens nur sehr oberflächlich behandelt; desto willkommner muß jedem Schulinspector ein Buch sein, welches, wie das oben angekündigte, sich über alle Gegenstände der Schulaufsicht verbreitet. Die Brauchbarkeit des Werkes wird dadurch erhöht, daß es auf die Gesetzgebung aller deutschen Länder Rücksicht nimmt.
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Der Verf. übergiebt dem größern Publikum in dieser vollständigen das ganze Kirchenjahr umfassenden Predigtsammlung ein Erbauungsbuch, in welcher alle Hauptlehren der christl. Wahrheit deutlich entwickelt, in die engste Beziehung zur Gegenwart gesetzt, und wo es nöthig schien, vertheidigend behandelt sind. Die Darstellung verbindet Klarheit mit Würde und Kraft.
Sachsens große Erinnerungen. Ein Kreis von Gedichten von Bruno Lindner. 13 Bogen in 8. geheft. Preis 1 Thaler.
Es war die Absicht des Verfassers bei dieser Sammlung von Gedichten, seinem sächsischen Volke die reiche Geschichte des Vaterlandes in einzelnen Bildern vor’s Auge zu führen. Dem Landmann wie dem Bürger, namentlich der heranwachsenden Jugend sollten die erhebendsten Thatsachen, die edeln Züge der sächsischen Fürsten und Helden in einfacher dichterischer Behandlung zur Belebung des volksthümlichen Geistes dargestellt werden.