Title: Meine zweite Weltreise
Zweiter Theil : Sumatra. Java. Celebes. Die Molukken.
Author: Ida Pfeiffer
Release date: March 17, 2025 [eBook #75639]
Language: German
Original publication: Wien: Carl Gerold, 1856
Credits: Peter Becker and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by eBooks on Demand at the University of Vienna.)
Anmerkungen zur Transkription
Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe von 1856 so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert.
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Holzschnitt und Druck von Eduard Kretzschmar in Leipzig.
Eine Bambusbrücke.
Von
Ida Pfeiffer,
Verfasserin der „Reise in das heilige Land“, der „Reise nach Island“ und der „Frauenfahrt um die Welt.“
Zweiter Theil.
Sumatra. Java. Celebes. Die Molukken.
Wien.
Carl Gerold’s Sohn.
1856.
Das Recht der Uebersetzung in fremde Sprachen behält sich die Verfasserin vor.
Druck von Carl Gerold’s Sohn.
[S. iv]
Siebentes Kapitel.
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Sumatra. — Ankunft in Padang. — Reise in das Innere.
— Fort de Kock. — Kotto-Godong. — Seltsame Gesetze. — Muara-Sipongie.
— Widerrathen der Reise. — Die Battaker. — Ihre Gebräuche und Gesetze.
— Abschied von den letzten Europäern
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Achtes Kapitel.
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Fortsetzung der Reise auf Sumatra. — Die
Fußreise. — Das Nachtlager im Urwalde. — Erstes Zusammentreffen
mit den Kannibalen. — Haly-Bonar. — Opferung eines Büffelkalbes. — Das
Thal Silindong. — Feindseliger Empfang. — Gezwungene Rückkehr. —
Wiederholte wilde Scenen. — Wiederkehr nach den Holländischen
Besitzungen. — Paija-Kombo. — Besteigung des Merapi. — Rückkunft nach
Padang
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Neuntes Kapitel.
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Java. — Samarang. — Die Schlammquellen von Grobogan.
— Besuch der freien Fürstenthümer Djogokarta und Surukarta. — Der
Tempel Boro-Budoo. — Die heilige Schildkröte. — Audienz bei dem
Sultan. — Solo. — Fürstliches Leichenbegängniß. — Audienz bei dem
Susubunan. — Rückkehr nach Samarang. — Reise nach Surabaya
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[S. v]
Zehntes Kapitel.
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Makassar. — Banda. — Erdbeben. — Die
Muskatnuß-Pflanzungen. — Ambon. — Ausflug nach der Negeri Emma. —
Saparua. — Ceram. — Fußreise durch das Innere Cerams. — Ankunft zu
Wahai. — Die Alforen. — Rückreise nach Ambon. — Ternate. — Besuch
bei dem Sultan
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Elftes Kapitel.
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Celebes. — Menado. — Reise nach den Oberlanden.
— Die holländischen Missionäre. — Makassar. — Reise in das Innere von
Celebes. — Maros. — Eine Regentenwahl. — Tanette. — Baru. — Fest der
Zahnfeilung. — Pare-pare. — Der gelehrte Malaische König
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Zwölftes Kapitel.
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Sidenring. — Die Seen von Tempe. — Lagusi. — Ein
königliches Mahl. — Rückkehr nach Sidenring. — Die Rehjagd. — Besuch
bei dem Sultan von Goa. — Abreise von Celebes. — Surabaya. — Eine
Malaische Hochzeit. — Eine Spukgeschichte. — Rückkehr nach Batavia
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[S. 1]
Sumatra. — Ankunft in Padang. — Reise in das Innere. — Fort de Kock. — Kotto-Godong. — Seltsame Gesetze. — Muara-Sipongie. — Widerrathen der Reise. — Die Battaker. — Ihre Gebräuche und Gesetze. — Abschied von den letzten Europäern.
chon seit einiger Zeit war der Wunsch in mir rege geworden, eine
Reise nach Sumatra (560 M.) zu machen; allein die Kosten des
Dampfschiffes (fünfhundert Rupien für die Hin- und Rückfahrt) waren
zu groß. Herr van Rees machte mir jedoch Hoffnung auf eine billige
Ueberfahrt. Einige Stunden nach unserer Rückkunft von Tangerang fuhr
er nach der Stadt, und sandte mir wirklich ein Briefchen, in welchem
eine Karte eingeschlossen lag, lautend auf die Reise nach Sumatra und
zurück. Wie groß meine Freude war, kann man sich leicht vorstellen.
Herr van Rees hatte darüber mit den in Batavia etablirten deutschen Kaufleuten gesprochen; sie waren sogleich bereit, eine Karte für mich zu besorgen. Ich[S. 2] sage diesen Herrn meinen innigsten Dank, und kann sie versichern, daß diese Reise die interessanteste von allen war, die ich gemacht habe.
Schon den folgenden Tag sollte der Dampfer Makassar, 120 Pferdekraft, Kapitän Bergner, absegeln. Meine Vorbereitungen waren schnell gemacht, und am 8. Juli 1852, Morgens um sechs Uhr ging ich an Bord, begleitet von meinem unermüdlich gefälligen Freunde, Herrn van Rees.
Denselben Tag noch bekamen wir die Küste von Sumatra zu Gesicht, ohne jene von Java zu verlieren. Beide Inseln sind sehr gebirgig, Java’s Berge aber höher und in Form und Gestalt abwechselnder.
10. Juli. Erst diesen Morgen verloren wir die Küste von Java aus dem Auge. Auf Sumatra zeigten sich zwei- bis dreifache Gebirgsketten. Ein schöner, ebener Landgürtel zog sich von der See bis an das Gebirge. Ebene und Gebirge waren üppig bewaldet.
11. Juli. Wir sollten zu Benkula, dem Hauptorte der Residentschaft gleichen Namens anlegen; allein der Ankerplatz ist selbst für Dampfschiffe nur bei ruhigem Wetter zu benützen; da uns dieses nicht begünstigte, mußten wir in die zwölf Meilen entfernte Pulu-Bay einlaufen. Der Kapitän ging zu Lande[S. 3] nach Benkula und kam erst den folgenden Nachmittag zurück. Gegen Abend ging die Reise weiter.
13. Juli. Morgens kamen wir zu Padang an, dem Hauptorte der Holländischen Besitzungen auf Sumatra. Die Lage dieser Stadt ist außerordentlich reizend. Auf der Westseite sind liebliche Hügel und niedere Berge, darunter der Gunang Batu der höchste (950 Fuß), der schroff aufsteigende 350 Fuß hohe Affenberg der auffallendste. Dieser letztere ist in die See hinaus geschoben und mit dem Lande nur durch eine schmale Erdzunge verbunden. Gegen Norden erhebt sich in der Entfernung von vier bis fünf Paal ein schöner Gebirgszug; zwischen diesem und der Stadt breitet sich eine sehr fruchtbare Ebene aus.
Padang ist die größte Stadt auf Sumatra: sie hat eine Bevölkerung von 27,000 Seelen und ist der Sitz des Gouverneurs, der vier Paal von der Stadt entfernt, nahe dem Gebirge zu „Wellkom“ ein schönes Haus bewohnt. Die Stadt ist nicht hübsch; die besten Gebäude sind die Magazine und Comptoir’s der Europäischen Kaufleute. Die Wohnhäuser der Europäer liegen nahe der Stadt in kleinen Gärten unter schattigen Kokospalmen, an welchen die ganze Gegend sehr reich ist.
Ich stieg zu Padang bei Herrn Major Kreling ab; allein kaum hatte der Gouverneur, Herr van[S. 4] Switen, meine Ankunft erfahren, als er selbst kam, mich nach seinem Hause einzuladen, wohin ich noch denselben Tag fuhr.
Meine Absicht war, in Padang selbst nur kurze Zeit zu verweilen; ich wollte das sogenannte Oberland, Benjol, Mandelling, Ankolla, Groß-Toba u. s. w. besuchen, und bis zu den freien, wilden Battakern unter die Kannibalen gehen. Auch hier wie zu Sarawak suchte man mich zu bereden, diesen Plan aufzugeben; man sagte mir, daß, seit im Jahre 1835 zwei Missionäre, die Herren Layman und Mansor, von den Battakern getödtet und auch gefressen worden seien, sich kein Europäer ohne Militärbegleitung unter sie wage. Man rieth mir, mich mit den Holländischen Besitzungen zu benügen, und mich nicht der beinah unvermeidlichen Gefahr auszusetzen, auf so gräßliche Art mein Leben zu verlieren. Allein gerade der Wunsch, unter die Battaker zu gehen, diese von den Europäern so wenig gekannten Völker zu besuchen, war es, was mich zu dieser Reise anspornte. Anderseits dachte ich, daß vielleicht die Schwäche meines Geschlechtes mein Schutz sein könnte. Ich gab den Warnungen kein Gehör, und trat am
19. Juli unter trübem, wolkenbedecktem Himmel die Reise zu Pferde an. Auch hier, wie zu Sarawak, stellte sich gleich am ersten Tage meiner Reise[S. 5] ein Hinderniß entgegen, das mich zur Rückkehr zwang. Als ich nämlich in die Nähe des Flusses Udjong-Karang kam, fand ich die Gegend in Folge mehrtägigen ununterbrochenen Regens weit und breit überschwemmt — das Wasser reichte den Pferden bis über die Brust. Ueber den Fluß selbst führte keine Brücke; sie war in der Nacht weggespült worden, und die Ueberfahrt auf einem Floße noch nicht geordnet. Ich mußte nach Padang zurück.
20. Juli. Mit wässerigem Sonnenschein zog ich aus; bald hatte ich beständigen Regen. Ich ging bis Lubulong, 20 Paal oder zwei Etappen. Auf Sumatra sind die Entfernungen in Etappen eingetheilt, d. h. in Militär-Stationen oder Märschen von je acht bis dreizehn Paal. Auf den Etappen findet man entweder einen Beamten oder ein kleines Fort, oder irgend ein der Regierung gehöriges Häuschen, in welchem man die Nacht zubringen kann. Auf manchen findet man auch Schreiber oder Aufseher, welche die Fremden gegen Bezahlung aufnehmen.
Die Gegend fing, sechs bis acht Paal von Padang entfernt, an ein etwas wildes Aussehen zu haben: wenige Reispflanzungen, dagegen viel Waldung, Gestrüppe und Alang-Alang. Die Bevölkerung schien mir, im Verhältniß zur geringen Kultur, bedeutend: ich kam häufig an Kampon’s vorüber. Da ein großer[S. 6] Theil der Bevölkerung Sumatras aus Malaien besteht, so sind auch hier die Hütten überall auf Pfähle gebaut.
In Sumatra wird, wie in Java, ebenfalls alles, Kaffee ausgenommen, von Menschen getragen, und zwar auf dem Kopfe. Der Kaffee wird durch Pferde und Büffel fortgeschafft. An der Straße liegen viele Hütten (Pasangruhan), an welchen fünf Fuß hohe Gestelle angebracht sind, auf die der Kulli die Last bequem vom Kopfe abschieben kann. Diese Hütten dienen ihnen zugleich als Schenke; sie finden da Thee, Kaffee (letzterer ein Abguß von den Blättern des Kaffeebaumes), gekochten Reis und Qué-qué (eine Art Kuchen oder Backwerk). Sie können daselbst auch die Nacht zubringen.
Man bezahlt den Kullis hier, wie auf Java 2½ Deut per Paal, und vertraut ihnen unbedingt alles an. Man erzählte mir einen einzigen Fall, in welchem sie zwar nichts entwendeten, aber dennoch dem Eigentümer einen großen Schaden zugefügt hatten. Ein Mineralog sandte mehrere Kisten mit Mineralien nach Padang. Die Kisten waren nicht verschlossen, und als die Kulli sahen, daß sie nichts als Steine enthielten, kamen sie überein, die Steine wegzuwerfen und die Kisten vor Padang mit anderen Steinen anzufüllen — sie meinten Steine wären[S. 7] Steine. Der Eigentümer blieb leider längere Zeit auf Reisen; als er zurück kam und den Verlust seiner Schätze entdeckte, war es zu spät, sie wieder aufzufinden.
In den größeren Ortschaften fielen mir offene Hallen auf, die von Holz gebaut, mit einem zierlich geschnitzten Dache bedeckt und mit hellen Farben bemalt waren. In diesen Hallen halten die Rajah’s ihre Beratungen, in ihnen werden alle Klagen vorgebracht und an den Tagen des Bazar’s alle größeren Handelsgeschäfte abgeschlossen. Desgleichen findet man auch eine Art Trommel, Tabu genannt, aufgestellt, auf welche geschlagen wird, so bald sich die Gemeinde bei irgend einer Gelegenheit versammeln soll. Die Trommeln sind acht bis fünfzehn Fuß lang, und haben oben eine viel größere Oeffnung (oft drei Fuß im Durchmesser) als unten; die obere Oeffnung ist mit einem Felle überzogen.
Der Hahnenkampf ist auf Sumatra erlaubt und scheint, je mehr man sich dem Innern nähert, immer beliebter zu werden. Ich begegnete nun schon vielen Männern und jungen Leuten, die ihre Streithähne stets unter dem Arme trugen.
21. Juli. Heute ging ich nicht weit, nur 10 Paal bis Kaju-Tanam. Schön und freundlich war es diesen Morgen; die Sonne schien so bescheiden,[S. 8] daß ich der Nähe des Aequators ganz vergaß. Einige Vögel sangen, zwar nicht mit so gewandter Kehle wie in Europa, allein für ein Tropenland artig genug; Affen schrien, lärmten und sprangen von Ast zu Ast. Auch die Gegend war schöner, die Gebirge großartiger und wechselnder in den Formen; die höchsten Berge, der Singallang und Merapi, sind 9 bis 10,000 Fuß hoch.
Ich hatte für diese Reise keine Pferde gekauft, da man mir zu Padang sagte, daß mich die Herren, bei welchen ich jeden Tag einzusprechen hätte, stets mit Pferden und mit einem Führer versehen würden. Und so war es auch. Nur mußte ich oft an einem Tage zweimal Pferd und Führer wechseln. Kaum war ich mit den Launen eines Pferdes vertraut geworden, so hatte ich wieder ein anderes zu versuchen. Oft erhielt ich Thiere, die so lebhaft waren, daß sie nach allen Seiten ausschlugen und nicht aufsitzen lassen wollten. Man mußte ihnen einen Vorderfuß aufheben und sie an der Nase festhalten. Saß ich oben, dann ging es in gestrecktem Galopp über Stock und Stein. Ich ließ ihnen stets willig die Zügel, wohl wissend, daß nach dem ersten Paal das Feuer von selbst erlosch.
Die Reise richtete ich folgendermaßen ein: Morgens zeitlich brach ich auf, durchritt meine Station, sie mochte kurz oder lang sein, ohne Unterbrechung[S. 9] und war gewöhnlich schon um zehn bis zwölf Uhr an Ort und Stelle. Nach einer halbstündigen Rast ging ich dann in die Umgebung auf die Insekten- und Schmetterling-Jagd.
Zu Kuju-Tanam fand ich in dem Kontrolor, Herrn Barthelemy, der mich sehr freundlich aufnahm, einen emsigen Vogel-Sammler; er begleitete mich auf meiner Jagd und versprach mir, Insekten und Reptilien zu suchen und für meine Rückkehr bereit zu halten.
22. Juli. 20 Paal nach Fort de Kock, auch Buckiet-tingi genannt.
Die erste Hälfte des Weges ist sehr romantisch; eine herrliche Straße windet sich durch eine Schlucht (bei den Holländern „Kluft“ genannt), die bewaldete Hügel und Berge einengen; ein Waldbach stürmt tobend und schäumend über Felsen und Steingerölle, während ein anderer knapp am Wege von einer sechzig bis siebzig Fuß hohen Wand herabstürzt. Am Ende der Schlucht steigt die Straße spiralförmig zu einer Höhe von 3000 Fuß empor und führt auf einer Hochebene fort.
Ich begegnete langen und vielen Zügen von Pferden und Büffeln (letztere vor Karren gespannt) mit Kaffee-Transporten, die nach Priaman an die Seeküste geschafft wurden, von wo man sie nach Padang[S. 10] verschifft. Die Pferde sind etwas größer als auf Java, die Büffel sehr groß und schwerfällig; die einen wie die andern besitzen jedoch wenig Kraft und Ausdauer. Man ladet den Pferden, die hier nicht vor Karren gespannt werden, nur einen Pikul auf. Ein Paar Büffel ziehen höchstens acht Pikul, und dieß nur, wenn es auf guten Wegen geht. Pferde wie Büffel machen per Tag nicht mehr als sechs Paal und ruhen jeden fünften Tag. Trotz dieser wenig anstrengenden Arbeit leben die Thiere nicht lange. Man füttert sie mit Gras und mit dem Marke der Sagopalme. Ein gewöhnliches Pferd kostet fünfzehn bis zwanzig Rupien, ein Büffel bis dreißig. Pferde, die aus dem Battaker-Lande kommen, etwas größer und weit stärker sind, werden bis zu zwei- und dreihundert Rupien bezahlt.
Fort de Kock liegt auf einer schönen Hochebene von beinahe 3000 Fuß Höhe und hat eine reizende Aussicht über weite Thäler und auf hohe majestätische Berge. Das Klima ist hier sehr gemäßigt mit kühlen Abenden und Nächten. Auf dieser Hochebene gedeiht die Weinrebe.
In Fort de Kock stieg ich bei dem Residenten des Agamer-Gebietes, Herrn Oberst van der Hardt, ab, einem ausgezeichneten Offiziere, der alle Kriege auf Sumatra vom Jahre 1830 bis 1849 mitgemacht[S. 11] hat und zuerst mit seinen Truppen in dem Battaker-Lande bis an den Eingang des Thales Silidong (Groß-Toba) vorgedrungen ist. Ich hatte Herrn van der Hardt[1] schon in Batavia, wohin er auf Urlaub gegangen war, kennen gelernt und in seiner Gesellschaft die Reise von Batavia nach Padang gemacht. Er überhäufte mich mit Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten jeder Art, und veranstaltete sogleich eine Partie, um mir die interessanteste Sehenswürdigkeit der Umgegend zu zeigen, den schönen und reichen Kampon Kotto-Godong (drei Paal). Dieser Kampon ist wirklich der geschmackvollste und reichste von allen, die ich nicht nur auf Sumatra, sondern auch auf Java und den übrigen Holländischen Besitzungen sah. Am meisten fiel mir die Bauart der Häuser auf: viel länger als breit, mit schmal zulaufenden Endseiten, die das Mittelgebäude überragen, gleichen sie eher Schiffen als Häusern. Die Dächer sind zwei- bis dreimal ausgeschweift und jede Ausschweifung mit zwei Spitzen versehen, was ihnen das Ansehen Türkischer Sättel gibt. Die Häuser sind von Holz und mit hellen Oelfarben angestrichen, die Vorder- und Seitenwände mit kunstvoll ausgeschnittenen Arabesken oft ganz bedeckt. Sie stehen auf Pfählen, von welchen man[S. 12] aber nichts sieht, da sie von Bambus- und Bretterwänden umkleidet sind. Man kann sich wirklich nichts geschmackvolleres, nichts originelleres vorstellen.
Das Innere besteht aus einem großen Gemache, das die ganze Länge und wenigstens drei Viertheile der Breite des Hauses einnimmt, und auf dessen äußerstem Ende ein kleines erhöhtes Plätzchen angebracht ist, welches dem Hause wie angehängt scheint und, mit Polstern, Matten und Teppichen reichlich belegt, der vornehmsten Frau zum Ehrenplatze dient. Der hintere Theil des Hauses ist in winzig kleine Kämmerchen abgetheilt, welche die Feuer- und Schlafstellen enthalten und stockfinster sind, da die Hinterwände keine Fenster haben. Jedem Hause gegenüber steht eine kleine, in derselben Art geschnitzte und angestrichene Hütte, welche zur Aufbewahrung des Reises dient.
In den Häusern wohnt nicht, wie bei den Dayakern, ein ganzer Stamm, sondern nur was zu einer Familie gehört.
Da der Rajah des Kampons[2] von unserm Kommen unterrichtet war, so fanden wir seine Familie[S. 13] in den kostbarsten Kleidern, die Wohngemächer mit Teppichen, Matten und Polstern belegt, alle Pracht, allen Reichthum entfaltet. Die Sarongs der Frauen waren von schwerer Seide und höchst geschmackvoll und reich mit Gold durchwirkt. Man zeigte uns Sarongs, die bis zu fünfhundert Rupien kosteten. Die Padjus waren von blauem, rothem oder grünem Seidensammt, mit Goldborden besetzt, die Kopftücher von Seide und so schwer an Gold, daß sie nicht um den Kopf gebunden, sondern mehr darauf gelegt wurden. Es gab deren bis zu dem Werthe von sechzig Rupien. Die Frauen weben die Sarongs und Kopftücher selbst, den Sammt kaufen sie. An den Handgelenken tragen sie kunstvoll gearbeitete goldene Armbänder und an dem kleinen Finger der linken Hand einige Ringe. Manche hatten diesen Finger auch mit einem zwei Zoll langen goldenen Nagel geschmückt, der gleich einem Ringe angesteckt wird und das Kennzeichen des Reichthums und Nichtsthuns ist.
Der Malaische Oberpriester machte uns seine Aufwartung im vollen Staate. Eine lächerlichere Kleidung war mir noch nicht vorgekommen. Er trug ein langes rosenfarbenes Unterkleid, darüber ein Oberkleid von weißem Gaze, mit drei Reihen breiter Spitzenfalten besetzt; die Aermel, ebenfalls mit Spitzen garnirt, reichten bis an das Handgelenke. Den komischsten[S. 14] Kontrast zu diesem Anzuge, den jede Europäische Dame als Ballkleidung hätte gebrauchen können, bildeten eine weiße Männerweste, ein kostbarer Gürtel mit prächtigen Waffen und ein weißer Turban mit einem großen Spitzenschleier, der bis über den halben Körper herabfiel. Als uns diese Erscheinung ansprach und den Schleier zurückschlug, erblickten wir ein junges, bartloses Gesicht. Wären wir nicht versichert gewesen, daß der Oberpriester vor uns stehe, so hätten wir sie eben so gut für ein Mädchen als für einen Mann gehalten.
Außer dem Hause des Rajah besuchten wir einige andere Hütten, in welchen wir die Frauen und Mädchen mit kunstvollen Goldwebereien beschäftiget fanden. Auch bei einem Goldarbeiter traten wir ein, der wahre Kunstwerke verfertigte, und zwar zu unserem größten Erstaunen blos mit Hilfe eines kleinen Amboses, einiger Hämmer, Nägel und anderer Kleinigkeiten. Alle seine Werkzeuge faßte ein kleines Kästchen, das er unter den Arm nehmen konnte, um seine Werkstätte nöthigen Falles überall aufzuschlagen.
Die gewöhnliche Tracht der Malaien auf Sumatra besteht ebenfalls aus einem Sarong nebst einer Kabai oder Padju; der einzige Unterschied ist, daß sie hier die Stoffe sehr dunkelblau, beinahe schwarz färben,[S. 15] während dieselben auf Java mehr buntfärbig getragen werden.
An Schönheit, oder besser gesagt Häßlichkeit, wetteifern sie mit ihren Stammgenossen auf Java und Borneo. Dieselbe breite Gesichtsbildung, dieselben weit hervorragenden Zahnkiefer, dieselben abgefeilten, schwarz gefärbten Zähne. Viele junge Leute haben schon Zahnlücken; die Reichen lassen sich goldene Zähne machen; aber nicht so sehr um die verlornen zu ersetzen, als um damit zu prunken; sie setzen sie blos bei besonderen Feierlichkeiten ein. Das weibliche Geschlecht hat hier die Ohrläppchen nur einmal durchstochen; dagegen wird aber alle Kunst angewandt, die Löcher so groß als möglich zu machen. Um dieß zu Stande zu bringen, stecken sie in die durchstochenen Ohrläppchen ein zusammengerolltes Blatt oder ein Stückchen Holz, das stets an Umfang zunimmt, bis die Oeffnung einen Zoll weit geworden ist. Diese Löcher sind in ihren Augen ein so vollkommener Schmuck, daß sie nicht nöthig finden, ihn durch Ohrgehänge zu verschönern; nur wenige hängen Gold-, Silber- oder Messingplatten daran, oder stecken ein rund geschnitztes Stück Holz durch.
Eine besondere Merkwürdigkeit des Agamer-Distriktes ist, daß hier die Weiber viele Rechte der Männer besitzen; letztere sind ihnen sogar in mancher[S. 16] Hinsicht unterworfen. In jedem Lande der Welt gewiß höchst originell, wird diese Erscheinung um so wunderbarer bei Mohamedanern, die uns armen Geschöpfen sogar die Seele absprechen wollen.
Wenn z. B. ein Mädchen heiratsfähig ist, so sucht die Mutter nach dem Bräutigam und bespricht sich mit der Mutter desselben, worauf die beiden Frauen die Sache abmachen, ohne den Vätern Stimme zu geben. Am Tage der Hochzeit holt die Mutter der Braut den Bräutigam ab; derselbe folgt der Braut in das elterliche Haus und geht ganz in ihre Familie über. Dieß hindert ihn jedoch nicht, mehrere Ehen zu schließen, nur nicht in demselben Kampon, so daß ein Mann, der mehrere Frauen besitzt, keinen festen Wohnplatz hat und bald in diesem, bald in einem andern Kampon wohnt.
Ein Mann weigert sich nie, die ihm gebotene Braut zu nehmen; mißfällt sie ihm, so kann er sie am Tage nach der Hochzeit verlassen. Die Braut hat nicht dasselbe Recht: sie kann ihrem Bräutigam, sollte die Wahl sie gereuen, nur vor der Hochzeit den Abschied geben und muß sich in diesem Falle mit einem Theile ihrer beweglichen Güter, wie Hornvieh, Geflügel, Hausgeräthe, mitunter auch mit Geld loskaufen.
Der Mann kann auch in der Folge seine Frau ohne die geringste Ursache verlassen; die Frau darf[S. 17] hier nur die Initiative ergreifen, wenn sie erlittene Mißhandlungen zu beweisen vermag. Bereuen die Eheleute die Trennung innerhalb vierzig Tagen, so können sie sich ohne Ceremonien wieder vereinigen. Sind aber die vierzig Tage vorüber, so müssen sie neuerdings durch den Priester getraut werden. Die geschiedene Frau kann sich nach drei Monaten und zehn Tagen wieder mit einem andern Manne verbinden[3].
Wenn die Frau stirbt, erbt der Mann nur die Hälfte der ihr gehörigen beweglichen Güter, außerdem nur, was sie ihm besonders vermacht. Die eigentlichen Erben sind die Kinder; hat sie deren keine, so geht das Vermögen auf die Kinder ihrer Schwester oder sonstigen weiblichen Verwandten über. Der Mann kann nur von seinem Stamme, seiner Mutter, oder seinen weiblichen Verwandten erben. Das Vermögen des Mannes erben dem zu Folge auch nicht seine Kinder, sondern die seiner Schwester oder weiblichen Verwandten.
Zu diesen sonderbaren Erbschafts-Gesetzen soll der Sage nach folgendes Ereigniß Anlaß gegeben haben:
Ein großer Fürst, dessen Wohnsitz weit von der See entfernt lag, träumte durch mehrere Nächte, daß[S. 18] er, um sein Glück zu befestigen, ein großes Prauh bauen lassen müsse. Der Traum verkündete ihm zu gleicher Zeit, sein nächster Blutsverwandter würde dieses Prauh mit leichter Mühe in die See schaffen. Der Fürst that, wie das Traumgesicht gebot. Als das Prauh fertig war, lud er alle seine Verwandten, so wie viele Rajah’s aus der Umgegend ein, da die Fortschaffung des Prauh’s unter großen Feierlichkeiten statt finden sollte. Er rief hierauf seinen ältesten Sohn herbei, und befahl ihm, das Prauh nach der See zu bringen. Der Arme wandte alle Kräfte an, doch vergebens: er vermochte es nicht von der Stelle zu bewegen. In dieser Weise rief der Fürst einen Sohn nach dem andern herbei; aber keinem gelang es. Zornentbrannt forderte er den Sohn seiner Schwester auf, und siehe — mit leichter Mühe schob es dieser an den Ort seiner Bestimmung!
In den Holländischen Besitzungen auf Sumatra herrscht eine eigenthümliche Art Sklaverei: sie darf nicht länger als zehn Jahre dauern. Die Sklaven kommen alle von der nahen Insel Nias, sind entweder Kriegsgefangene oder Schuldner und Verbrecher oder auch freie Leute und werden von dem Sultane dieser Insel verkauft. Sklave wie Sklavin kosten den festgesetzten Preis von 100 Rupien. Der Käufer muß sie ordentlich kleiden und nähren, darf sie mit Arbeit[S. 19] nicht überladen und muß jedem pr. Monat zwei Gulden Kupfer für Siri geben. Nach zehn Jahren sind sie frei, kehren aber selten in ihre Heimat zurück, da sie fürchten, von ihrem Sultane neuerdings verkauft zu werden.
Die Holländische Regierung sieht sehr darauf, daß die Sklaven nicht mißhandelt werden. Kurz vor meiner Ankunft wurde zu Padang eine Frau, die einen ihrer Sklaven arg mißhandelt hatte, wohlverdienter Weise auf fünf Jahre in das Strafhaus gesperrt und des Rechtes für immer verlustig erklärt, Sklaven zu halten. Den Sklaven, die sie hatte, wurde die Freiheit gegeben.
Wollte Gott, daß es in allen Sklavenstaaten so wäre!
Beinahe in jedem Hause sieht man Niaser; ich fand sie minder häßlich als die Malaien; nur sind die Weiber etwas gar zu klein.
In dem Distrikte von Agam wird schon sehr viel Kaffee gebaut. In den hiezu geeigneten Gegenden muß, wie zu Java, jedes Familienhaupt 300 Bäume pflanzen und pflegen. Der Kaffee wird in gereinigtem Zustande an die Magazine geliefert, die von den Pflanzungen oft zehn bis zwölf Paal entfernt liegen. Der Pflanzer erhält per Pikul sieben Kupfergulden. Für den Transport von den Magazinen an die Seeküste[S. 20] bezahlt man per Pikul und per Meile drei Deut. Dieses Geschäft ist gewöhnlich verpachtet.
Im Jahre 1851 wurden auf Sumatra schon 120,000 Pikul Kaffee gewonnen, was für die kurze Zeit, seit der man mit dem Kaffeebaue anfing, sehr bedeutend war. Die Regierung verkauft den Kaffee zu Padang im Versteigerungswege, gewöhnlich zu 20½ Rupien per Pikul. Der Ausfuhrszoll beträgt per Pikul für Holland zwölf, für das Ausland sechs Rupien.
Da Sumatra viel weniger bekannt ist als Java, und es manche meiner Leser vielleicht interessiren dürfte, zu wissen, welche Produkte hauptsächlich von dieser Insel ausgeführt und zu welchen Preisen sie angenommen werden, so füge ich hier eine kurze Uebersicht bei.
Im Jahre 1851 wurden ausgeführt:
Kaffee
|
der
|
Pikul
|
à
|
20½
|
Rupien
|
120000
|
Pikul,
|
|
Reis
|
„
|
„
|
„
|
2½
|
„
|
50000
|
„
|
|
Benzoe,
|
1. Sorte
|
der
|
Pikul
|
à
|
250 Rupien,
|
250
|
„
|
|
Benzoe,
|
2. Sorte
|
„
|
„
|
„
|
75–100 R.,
|
4000
|
„
|
|
Drachenblut
|
„
|
„
|
„
|
75
|
Rupien,
|
|||
Cassia
|
„
|
„
|
„
|
10
|
„
|
|||
Schwarzer Pfeffer
|
„
|
„
|
„
|
14
|
„
|
|||
Weißer „
|
„
|
„
|
„
|
22
|
„
|
|||
Gutta-Percha
|
„
|
„
|
„
|
30
|
„
|
|||
[S. 21]
Gummi-Elastique
|
„
|
„
|
„
|
25
|
„
|
|||
Gambir
|
„
|
„
|
„
|
18
|
„
|
|||
Muskatnüsse (hier frei) der Pikul
à 90 Rupien.
|
Von Kampfer (auf Sumatra am besten und theuersten) kommen im Handel jährlich höchstens zwei bis drei Pikul vor, die bis zu dem Preise von 7 bis 10,000 Rupien bezahlt werden. Ich komme hierauf später zurück.
Am 24. Juli setzte ich meine Reise wieder fort.
Herr van der Hardt war so gefällig, mir eine Reiseroute vorzuzeichnen, mich mit Empfehlungsbriefen für die Beamten und Offiziere zu versehen und mir Pferde nebst einen Führer bis Palembajang (20 Paal) zu geben.
Ganz nahe bei Fort de Kock führt der Weg durch ein kleines Thal, welches weit und breit durch seine eigentümliche Einfassung bekannt ist. Ungefähr 200 Fuß hohe, senkrechte, wie mit dem Meißel behauene Sandwände umgeben es; durch eine Spalte der Wände windet sich ein steiler Weg. Unten angekommen, durchreitet man üppige Reispflanzungen, von einem niedlichen Flusse bewässert, und ersteigt nach einer Meile auf eben so steilen Wegen wieder die Hochebene. Man nennt dieß kleine Thal Karbauwengat.
Von hier an bis Palembajang war das Land so hügelig, daß man es einer stürmisch wogenden See[S. 22] hätte vergleichen können. Hie und da an den Hügeln waren künstliche Terrassen angelegt, um das Wasser von einer Reispflanzung zur andern zu leiten. Der Weg führte häufig die Höhen hinauf und gewährte schöne Uebersichten der unzähligen Hügel und Terrassen, die zum Theile in dem saftigen Grün der jungen, noch kaum einen halben Fuß hohen Reispflanze prangten.
25. Juli. Bonjol, dreizehn Paal. Die ersten sechs bis sieben Paal ging es durch ein so enges Thal, daß man es eine Schlucht nennen konnte. Selten sah man eine Hütte, ein Reisfeld; das Gemurmel des Flusses Massang, das Geschrei der Affen waren die einzigen Töne, die mein Ohr trafen. Vor dem Ausgange der Schlucht führt eine Brücke über den Massang, dessen Ufer aus hoch aufgetürmten, von frischen, ewig grünen Schlingpflanzen überdeckten Felsen bestehen. Tief unten schäumt der Fluß durch das enge Felsbett.
Bald verläßt man den Massang, und kommt an den etwas bedeutenderen Alahan-Bajang, der eine kurze Strecke vor seiner Mündung in die See für Prauh’s schiffbar wird. Die wenigsten Flüsse auf der Westküste Sumatra’s sind selbst für kleine Boote befahrbar; sie haben einen zu kurzen Lauf um bedeutend zu werden, und einen sehr starken, von Gestein und Felsmassen unterbrochenen Fall.
[S. 23]
Die Gebirgszüge, die Sumatra von Süden nach Norden durchziehen, verliert man nie aus dem Gesichte; bald ist man ihnen näher, bald ferner. Sie wechseln an Form und Höhe; mitunter erheben sie sich zu 5-7000 Fuß. Der Ophir auf der Westküste mißt sogar 9500 Fuß.
Bonjol liegt in einem weiten, zum Theil noch unkultivirten Thalkessel. Es steht hier ein kleines Fort. An vielen Weibern in dieser Gegend fiel mir die sonderbare Kopfbedeckung auf. Sie falten ein großes Tuch mehrfach zusammen und legen es gleich einer Last ganz lose auf den Kopf.
26. Juli. Lubuskoping, 10 Paal. Der Kontrolor, bei dem ich abgestiegen war, so wie einige Offiziere, begleiteten mich eine Strecke Weges. Als wir an den Fluß Alahan-Bajang kamen (zwei Paal), fanden wir ihn so angeschwollen, daß an keine Ueberfahrt zu denken war; wir mußten zurück nach Bonjol.
Innerhalb der Grenzen von vier bis fünf Grad nördlich und südlich des Aequators tritt die Regenzeit nicht so regelmäßig ein, und es regnet da viel häufiger als in den weiter von dem Aequator entfernten Gegenden. Ich hatte auf Borneo nichts als Regen, auf Java vergingen wenige Abende ohne Regen, und eben so war es hier auf Sumatra. Für Reisende kann es[S. 24] nichts Unangenehmeres geben, besonders wenn die Wege schlecht sind und man über Flüsse ohne Brücken oder durch Waldungen muß. Selten verging ein Tag, ohne daß ich vollkommen durchnäßt wurde.
Nachmittags kam die Nachricht, daß der Fluß gefallen sei, und daß man ihn übersetzen könne. Ich eilte fort und wurde glücklich in einem kleinen Boote hinüber gefahren; die Pferde mußten schwimmen.
Ich passirte heute den Aequator zu Pferde.
Gestern wie heute waren die Wege theilweise sehr schlecht. Der Regen hatte den lehmigen Boden so schlüpfrig gemacht, daß es schwer und gefährlich wurde, mit den unbeschlagenen Pferden über die oft sehr steilen Hügel zu kommen. Auch fand ich die Pferde nirgends in der Welt so ungeschickt wie hier: sie stolperten über jeden Stein, fielen in jedes Gräbchen und fanden auf den Brücken gewiß die morscheste Stelle, um den Fuß darauf zu setzen. Dabei erschracken sie über alles, oft über ein großes Blatt, das am Wege lag. Ich kann den Pferden Sumatras mit gutem Rechte dieses schlechte Zeugniß geben, ich habe sie erprobt, wie wenig Männer, da ich sehr viel ritt und alle Paar Stunden ein anderes Pferd bekam.
Lubuskoping liegt in einem schönen großen Thale. Man sieht hier den Ophir besser als von jeder andern Seite, da die Vorgebirge sich zertheilen und hierdurch[S. 25] einen vollkommenen Anblick dieses Berges vom Fuße bis zur Spitze gestatten.
In dieser Gegend tragen die Leute sehr große Hüte von zwei bis drei Fuß im Durchmesser. Sie sind aus Palmenblättern gemacht, ganz flach und haben in der Mitte eine nur sechs Zoll hohe Spitze, die mit Blumen oder andern Kleinigkeiten geziert ist.
27. Juli. Panty, 18 Paal. Die Hälfte des Weges führte durch schöne Waldthäler, und meistens durch Alang-Alang. Ueberall gab es häufige Spuren von Elephanten-Tritten und Tigerklauen. Sumatra ist an Tigern sehr reich. Die Leute, welche die Briefe durch das Land tragen, gehen Abends nie ohne Feuerbrände. Sonderbarer Weise veranstalten weder die Europäer noch die Eingebornen Tigerjagden wie in Brittisch-Indien.
Die Regierung zahlt für jeden erlegten Tiger zehn Rupien. Die Eingebornen fangen sie in Fallen.
Panty liegt mitten in den herrlichsten Waldungen; dessen ungeachtet sind die Hütten der Eingebornen überaus klein und elend: die Leute sind zu träge, das zum Baue nöthige Holz zu fällen. Sie leben hier überhaupt in der größten Armuth, besitzen kaum ein Paar irdene Töpfe und einige Matten, gehen halb nackt oder in Lumpen gekleidet und sehen sehr schmutzig aus. An alledem ist ihre Trägheit schuld. Sie haben[S. 26] zwar der Regierung viele Händearbeit zu leisten, aber sonst keine Abgaben. Die Männer ergeben sich größtentheils dem Spiele und dem Müssiggange, unterhalten sich mit Hahnenkämpfen, werfen, wie bei uns die Kinder, Kupfermünzen oder Steinchen in kleine Löcher, lassen Drachen steigen, schlagen die Zeit mit einer Art Bretterspiel mit kleinen Steinchen todt, schlafen viel und sitzen mitunter auch Tage lang beisammen, ohne etwas anders zu thun als Siri zu kauen oder zu schwatzen. Hätte unser herrlicher Schiller in diesem Lande das Licht der Welt erblickt, er würde die Männer „das leer geschwätzige Geschlecht“ genannt haben, und nicht uns Frauen.
Die Weiber arbeiten viel mehr als die Männer. Bei den Straßen-Ausbesserungen zählte ich durchschnittlich drei Weiber auf einen Mann; in den Kaffeegärten haben sie die meisten Verrichtungen, auf dem Felde schneiden sie den Reis, treten und stampfen ihn aus den Aehren und tragen alle Lasten nach Hause. Ich sah manches Weib mit einer schweren Last auf dem Kopfe, einer zweiten unter dem Arme und einem auf den Rücken gebundenen Kinde mühsam einherschreiten, während der Mann leer daneben ging.
Ich will damit nicht sagen, daß die Männer gar nichts thun; aber sie arbeiten gewiß nicht halb so viel als die Weiber. Erstere pflügen mit Büffeln das[S. 27] Feld und pflanzen den Reis, — allerdings eine beschwerliche Arbeit, da sie dabei bis über die Schenkel im Wasser stehen müssen.
An den Bauten der Straßen und Brücken, der Kaffeemagazine und der Wohnhäuser der Beamten darf auf Befehl der Regierung kein Weib Theil nehmen. Dieser menschenfreundliche Befehl wurde in der Absicht gegeben, das schwache Geschlecht doch einigermaßen zu schützen.
Auf Sumatra schneidet man den Reis nicht Halm für Halm, wie auf Java, sondern man nimmt mit einem sichelförmigen Messer so viel Halme auf einmal ab, als mit der Hand gefaßt werden können. Die Aehren werden auf dem Felde selbst ausgetreten; zu diesem Zwecke sind kleine Gestelle von Bambus errichtet, die neun Fuß hoch und fünf Fuß breit sein mögen. Zwei Fuß von der Erde ist an dem Gestelle ein hölzerner Boden angebracht, mit kleinen Löchern, durch welche die Reiskörner durchfallen können. Auf diesem Boden werden die Aehren mit den Füßen ausgestampft. Ein Blätterdach an der Spitze des Gestelles schützt die Arbeiter vor der Sonne.
Man rechnet in Sumatra die Reisernte durchschnittlich auf sechzig bis achtzig Prozent, während sie in Java hundert bis zweihundert gibt.
28. Juli. Rau, 13. Paal. Ein ziemlich ausgedehnter[S. 28] Kampon mit einigen angestrichenen, mit Schnitzwerk versehenen Bretterhäusern und einem kleinen Fort. Die Lage dieses Ortes ist sehr ungesund; es herrschen böse, hartnäckige Wechselfieber, die bei den Europäern häufig in Auszehrung oder Wassersucht übergehen.
Hier beginnt die Provinz Mandelling, mit dem Distrikte Ulu (von den Eingebornen „Lubu“ genannt). Die Uluaner oder Lubuaner werden von manchen für ein Stammvolk gehalten, von andern für verwilderte Malaien. In diesem Distrikte fangen auch schon die Battaker an.
29. Juli. Muara-Sipongie, 10 Paal. Langweiliger Ritt durch wellenförmige, schmale, mit kurzen Alang-Alang bewachsene Thäler. Man sah keine menschliche Wohnung, man hörte keinen Laut — alles war todtenstille wie in den Sandwüsten Afrika’s.
Ich befand mich nun schon mitten unter den Battakern; jedoch könnte man diese die „gezähmten“ nennen, da sie unter der Holländischen Regierung stehen (seit zehn Jahren) und daher natürlich ihrer Begierde nach Menschenfleisch entsagen müssen.
Zu Muara-Sipongie empfing mich Herr Kontrolor Schoggers auf die zuvorkommendste Weise: er kam mir mehrere Paale entgegen geritten. Da ich früh eintraf, und gerade großer Bazar gehalten[S. 29] wurde, ging ich mit ihm dahin. Man sieht bei solchen Gelegenheiten viel Volk; auch sagte mir Herr Schoggers, daß in den kleinen Flüssen dieses Distriktes viel Gold gefunden und zum Verkaufe nach dem Bazar gebracht werde. Wir fragten nach dieser Waare. Die glücklichen Besitzer waren so lumpig gekleidet, daß ich keine Kupfermünzen, viel weniger Gold bei ihnen gesucht hätte. Sie brachten Päckchen zum Vorscheine, so groß, daß man einige Pfund Goldes hätte vermuthen können; allein da gab es der Umwicklungen so viele, daß am Ende ein winziges Säckchen mit etwas Goldstaub, oder ein erbsengroßes Goldklümpchen zum Vorschein kam. Für das größte Stück, das ich sah, verlangte man siebzehn spanische Thaler. Jederman hat das Recht, Gold zu suchen; nur muß er von dem Funde die Hälfte an seinen Rajah abgeben.
Neben dem Bazar (einer offenen Halle mit einem Blätter-Dache) war ein kleiner umzäunter Raum, wo die Hahnenkämpfe stattfanden. Eine Menge Menschen standen gedrängt umher; es gab sehr viele Kämpfe und Wetten, und zwar wetteten die Leute keine Kupfermünzen, sondern Spanische Thaler. Dieses Reichthums ungeachtet waren sie alle so armselig gekleidet, daß man sie für Bettler hätte halten mögen.
Die Vorbereitungen zum Kampfe, die Aufreizung der Thiere u. s. w. gingen in derselben Art vor sich,[S. 30] wie auf Java; nur machten hier die Hahnenbesitzer hinter ihren Hähnen schreckliche Grimassen mit Gesicht, Händen und Füßen. Einer unter ihnen blies während des Gefechtes auf seinen Hahn; die Wettenden wie die Zuseher nahmen dies sehr übel, und es entstand ein allgemeines Gemurmel. Nach kaum einer Minute verließ der eine Hahn das Schlachtfeld; der andere wurde als Sieger erklärt, obwohl er, zu Tode verwundet, bald zusammenstürzte und früher den Geist aufgab als der Besiegte. Andere Hähne ersetzten sogleich die Stelle der geopferten. Halbe Tage lang unterhalten sich die Menschen mit diesem grausamen Spiele und verlieren Summen, mit welchen sie ihrem häuslichen Elende vollkommen aufhelfen könnten. Unter den Battakern ist der Hahnenkampf viel weniger beliebt als unter den Malaien. Hier gibt es noch viele Malaien, daher auch viele Hahnenkämpfe.
Herr Schoggers hatte die Güte, Nachmittags mehrere Battakische Rajah’s von den umliegenden Dörfern zusammen zu berufen, um mit ihnen über meine Reise zu sprechen. Er selbst hielt die Reise in das unabhängige Battaker-Land für höchst gefährlich und führte das gräßliche Schicksal der beiden Missionare an; doch fügte er hinzu, daß dieser Mord zum Theile aus Mißverständniß geschehen sei. Einige Zeit vor den Missionären hatten nämlich mahomedanische Priester[S. 31] mit Kriegsgefolge einen Einfall in das Battaker-Land gemacht und die Leute auf die grausamste Weise mit Feuer und Schwert (gleich unsern edlen Vorfahren in Mexiko und Peru) zur Annahme ihrer Religion gezwungen. Als hierauf die Amerikanischen Missionäre als Religionslehrer in ihr Land kamen, geriethen die Battaker in große Wuth, sahen in ihnen neue Religionsquäler, mordeten sie und fraßen sie auf.
Des Abends saßen wir in Gesellschaft mehrerer Rajahs, umgeben von vielem Volke, denn weit und breit hatte man schon gehört, eine Frau sei hier, die sich in das verrufene Land wagen wolle. Die Rajah’s, so wie viele aus dem Volke, riethen mir die Reise ab. Da ich jedoch fest dazu entschlossen war, fragte ich nur, ob es wahr sei (wie manche Reisebeschreibungen behaupten), daß die Battaker die Leute nicht gleich tödteten, sondern lebend an Pfähle bänden, ihnen das Fleisch stückweise vom Körper schnitten und es warm mit Tabak und Salz verzehrten. Dieses langsame Hinmorden hätte mich doch ein wenig abgeschreckt. Aber man betheuerte mir einstimmig, daß dies nur mit jenen geschähe, die schwerer Verbrechen wegen zum Tode verurtheilt seien. Die Kriegsgefangenen werden an einen Baum gebunden und enthauptet; dann fängt man ihr Blut sorgfältig auf und trinkt es warm oder verzehrt es mit gekochtem Reise gemischt. Hierauf[S. 32] geht es an die Theilung. Die Ohren, die Nase, die Leber und die Fußsohlen sind ein ausschließendes Vorrecht des Rajah’s, der außerdem noch seinen Antheil an dem Körper erhält. Die schmackhaftesten Theile sind die Fußsohlen, das Innere der Hand, das Fleisch am Kopfe, das Herz und die Leber. Gewöhnlich rösten sie das Fleisch und verzehren es mit Salz. Den Weibern ist es nicht erlaubt, an diesem Festessen Theil zu nehmen.
Die Rajah’s versicherten mir mit höchst begehrlichen Mienen, daß Menschenfleisch sehr gut schmecke und daß sie es gerne essen würden.
Aus dem Baumstamme, an welchen die Unglücklichen ihr Leben enden, werden gewöhnlich vier bis sechs Fuß hohe Stöcke geschnitten, mit einer Figur oder einigen Arabesken verziert und mit Menschenhaaren oder Federn geschmückt. Ein solcher Stock heißt „Tungal-Panaluan,“ d. i. Zauberstock. Sie legen ihm wunderbare Kräfte bei und besuchen keine Kranken, geben keine Arzneien, ohne ihn zur Hand zu nehmen.
Die Battaker beobachten gleich den Dayakern keine religiösen Gebräuche; sie beten nicht und haben weder Priester noch Tempel. Sie glauben an gute und böse Geister. Von ersteren nehmen sie eine sehr kleine, von letzteren eine sehr große Zahl an. Wird ein Mensch krank, so behaupten sie, der böse Geist[S. 33] sitze in ihm; jedes Unglück wird einem solchen Dämon zugeschrieben. Manchmal fährt, ihrer Meinung nach, der böse Geist auch in einen Menschen, ohne ihn krank zu machen; dieser wird dann hoch verehrt, da man fürchtet, in dem Menschen den Geist zu beleidigen. Alles, was ein solcher Besessener spricht, wird als Orakelspruch angenommen und getreu erfüllt. Gewöhnlich hat der Rajah die Ehre vom Bösen besucht zu werden. Er zeigt dabei viele Grimassen und Zuckungen, geberdet sich besonders bei den Tänzen wilder als alle übrigen und benützt in diesem Zustande die Leichtgläubigkeit des Volkes, seine Wünsche in Orakelsprüchen kund zu geben. Man zeigte mir unter den Anwesenden mit vieler Hochachtung einen Knaben, der „der Sohn des Bösen“ genannt wurde, da sein Vater von diesem Unholde besessen war.
Bei Taufen, Vermählungen, Sterbefällen gibt es keine Ceremonien. Nur wenn ein bedeutender Rajah stirbt, werden die Rajah’s der Umgegend zur Beerdigung eingeladen. Jeder kommt in Begleitung mehrerer Lanzenknechte und bringt ein Büffelkalb mit. Die Kälber schlachtet man, vertheilt das Fleisch unter die ganze Gemeinde, und durch mehrere Tage, oft Wochen hindurch wird nichts als gegessen, Suri getrunken[4] und getanzt.
[S. 34]
Ihre Regierungsform ist konstitutionell-monarchisch; der Rajah ist das Oberhaupt; doch geht jedermann, selbst der Sklave, mit ihm wie mit seines gleichen um; auch seinen Befehlen wird nicht immer strenger Gehorsam geleistet, obwohl seine Person hoch geachtet ist. Bei wichtigen Angelegenheiten kommen viele Rajah’s zusammen, um Rath zu halten. Der älteste Sohn ist Haupterbe; er erbt alle Weiber seines Vaters, die er zu den seinigen machen kann.
Die Männer müssen ihre Frauen kaufen. Die Tochter eines Rajah wird nicht selten mit 40 Piaster in Gold und einigen Büffeln bezahlt. Die Männer kaufen ihre künftigen Frauen oft schon im zartesten Alter; sie nehmen sie in ihr Haus und behandeln sie wie ihre Kinder. Ist ein Mann zu arm, um sich eine Frau zu kaufen, so zieht er zu der Familie seiner Frau und arbeitet da wie ein Sklave. Selten nimmt ein Mann mehr als eine Frau, weil ihm die Mittel zum Ankaufe gewöhnlich fehlen.
Die Battaker sind in vielen Dingen andern wilden Völkern voraus: sie lesen und schreiben, ihre Gesetze sollen im allgemeinen sehr gut und zweckmäßig sein, — bei alle dem aber sind sie Menschenfresser.
Herr Schogger fügte diesen Berichten noch bei, daß die der Holländischen Regierung unterworfenen Battaker jede Verpflichtung genau und willig erfüllen,[S. 35] daß man den Kulli’s Gut und Geld sicher anvertrauen könne, und daß Diebstähle, Morde und überhaupt Verbrechen höchst selten vorkommen. Für einen Diebstahl ist die ganze Gemeinde, in welcher er vorfällt, verantwortlich; letztere muß das Gestohlene ersetzen, oder den Thäter überliefern. Morde finden nur aus Eifersucht statt. Ein Verbrecher wird nicht eingesperrt, sondern bis einige Tage vor Vollziehung der Strafe seiner Familie übergeben, die für ihn bürgt. Gerichtet werden die Battaker, auch unter der Holländischen Regierung, noch nach ihren Gesetzen, die leider für den Reichen sehr vortheilhaft sind, da er sich sogar von der Todesstrafe loskaufen kann. Der größte Theil der Summe kommt in diesem Falle dem Beleidigten oder seiner Familie zu. Die zum Tode Verurtheilten werden auf dem Bazar enthauptet. Sie gehen dem Tode nicht nur mit Muth, sondern sogar mit Fröhlichkeit entgegen. Sie schmücken sich auf’s beste, bekränzen sich mit Blumen und kommen singend und tanzend in Begleitung ihrer Verwandten und Freunde auf den Richtplatz.
Diese Gleichgültigkeit für den Tod ist auch den Malaien und überhaupt den meisten rohen Völkern eigen. Viele schreiben sie ihrem Stumpfsinne zu.
30. Juli. Kotto-Nopau, 11 Paal. Das Land fortwährend hügelig und größtentheils mit Alang-Alang[S. 36] bedeckt. An Kampons war kein Mangel, die Hütten aber elend, kaum fünfzehn Fuß im Gevierte. Da kauert alles auf einer schmutzigen, zerrissenen Matte, in einer Ecke glimmt ein Feuer, an dem höchstens ein irdener Topf steht, der den ganzen Hausrath ausmacht. Die Bewohner sind sehr ärmlich in zerrissenes, dunkelblaues Zeug gekleidet. Die Kinder gehen ganz nackt, die Mädchen und Weiber häufig bis an den Gürtel. Zwei Hütten, wenig größer als Taubenschläge, sah ich sogar auf hohen Bäumen zwischen den Aesten — sie dienten ebenfalls zu Wohnungen.
Ich kam an vielen kleinen Bächen mit gelbem, trüben Wasser vorüber; in diesen suchen und finden die Leute das Gold. Gerade hier, wo die Leute an der Quelle des Goldes saßen, war die Armuth am größten. Führt doch dieses Metall statt Segen, überall nur Fluch mit sich.
Vier oder fünf Meilen von Muara-Sipongie besah ich abseits der Straße in einem Kaffeegarten einige Battakische Grabmäler. Sie bestanden aus viereckigen Stein- oder Erdhügeln von drei bis vier Fuß Höhe, auf welchen ein einfacher, hölzerner Sarg stand. Die Ecken waren mit vier Fuß hohen, aus Holz geschnitzten Menschenfiguren geschmückt, die den jämmerlichsten Fratzen glichen. Jede Grabesstätte war mit einem Dache bedeckt und von einem hölzernen[S. 37] Geländer umgeben. Die Leiche liegt nicht in dem Sarge, sondern unter der Erde.
31. Juli. Fort Elout (Panjabungan), achtzehn Paal. Waldparthien, Gesträuche, junge Kaffeepflanzungen verdrängten an vielen Stellen das traurige, einförmige Alang-Alang. Fort Elout liegt in einem großen, hügeligen, von schönen Gebirgen umgebenen Thale und ist der Sitz eines Assistent-Residenten.
Noch in keinem Distrikte fand ich so nette, reinliche Kampons als in diesem. Man schreibt dies der Aufsicht und den Bemühungen des gegenwärtigen Assistent-Residenten Herrn Godoon zu. Die Hütten sind zwar klein, aber sehr rein gehalten, und stehen in langen, regelmäßigen Reihen, eine von der andern etwas getrennt. Der Unrath darf nicht unter die Hütte oder vor dieselbe geworfen werden, und das Hornvieh hat seinen Aufenthalt außerhalb des Kampons. Früher war diese Gegend sehr ungesund; seit aber die Menschen einiger Maßen an Reinlichkeit gewöhnt sind, herrschen viel weniger Krankheiten.
Auch die Brücken und Straßen zeigen von der Sorgfalt des Residenten. Die Brücken sind alle gemauert, die Straßen sehr gut unterhalten. Letztere haben eine Breite von wenigstens zwanzig Fuß, was mir überflüssig erschien, in einem Lande, wo noch kein Fuhrwerk im Gebrauche ist. Die Holländische Regierung[S. 38] läßt aber alle Straßen so bauen, für den Fall, daß Militär-Züge hindurch zu gehen haben.
Das Bauen der Straßen ist für die Eingebornen eine harte Aufgabe, da ihre einfachen Werkzeuge zu derlei Arbeiten gar nicht geschaffen sind. Zum Brechen der Felsen haben sie eiserne Stangen, zum Graben in der Erde handbreite, unten scharf zugehauene Hölzer. Die Erde schaffen sie mit den Händen aus den Gruben. Das Alang-Alang, das die wenig benützten Wege fortwährend überwuchert, schneiden sie mit kleinen Messern ab. So mühsam wie die Straßen bauen sie auch die Wohnhäuser der Beamten und die Kaffeemagazine. Ich sah oft sechs bis acht Menschen an einem Balken oder einigen Brettern schleppen.
Wenn ich Bemerkungen über die Mangelhaftigkeit der Werkzeuge, über die Art des Arbeitens machte, gab man mir zur Antwort: „Die Leute sind es so gewöhnt.“ Warum sucht man sie denn in andern Sachen von ihren Gewohnheiten abzubringen? An das Bauen der Straßen und Gebäude, an das Anlegen der Kaffeegärten, Zucker- und Gewürz-Pflanzungen waren sie, bevor die Europäer kamen, gewiß noch nicht gewöhnt. Aber leider wird in vielen Ländern auf die Gewohnheiten und Nicht-Gewohnheiten der Völker nur in so ferne Rücksicht genommen, als sie der Regierung Nutzen oder Schaden[S. 39] bringen. Das Wohl der Unterthanen selbst kümmert sie nicht viel. So ist es auch hier; die Straßen, die Brücken, die Gebäude müssen unentgeldlich hergestellt werden; ob fünfzig oder hundert Menschen, und auf welche Art sie daran arbeiten, ist der Regierung gleichgültig.
Ein anderer Druck für die Eingebornen, in deren Nähe Beamten wohnen, ist, daß sie diesen viele häusliche Dienste, Gartenarbeiten, Botengänge u. dgl., überall unentgeldlich, verrichten müssen. Die Zahl solcher Leute, auf welche der Beamte ein Recht hat, ist nicht bestimmt; es mißbrauchen daher gar manche ihre Macht und nehmen viel mehr Leute, als sie eigentlich sollten.
Der jetzige Gouverneur-General, Herr Deimar van Twist, soll eifrig bemüht sein, alle diese Mißbräuche und Bedrückungen so viel wie möglich abzustellen. Er hat den Taglohn, so wie den Preis der von den Eingebornen gelieferten Materialien erhöht und will es dahin bringen, daß niemand ohne Lohn zu arbeiten habe.
1. August. Surumentingi, 20 Paal. Obwohl sich der Charakter des Landes ziemlich gleich blieb, gab es doch einige hübsche Ansichten. Ich kam durch große, äußerst rein gehaltene Kampons, durch viele Reispflanzungen und durch ein Wäldchen, das bloß aus Bambus, und zwar von außerordentlicher[S. 40] Größe und Höhe (70 bis 80 Fuß), bestand. Die Rohre sollen viel Wasser enthalten.
Zu Surumentingi fand ich nur ein einfaches Bambushäuschen mit der nothdürftigsten Einrichtung, das den durchreisenden Beamten und Offizieren als Unterkunft dient. Da ich nicht, gleich den verwöhnten Europäern, meinen ganzen Haushalt mit mir führte, sondern nur so wenig Gepäck, daß ich es im Nothfalle selbst fortschaffen konnte, hätte ich mich heute mit einem höchst einfachen Mahle und einer harten Schlafstelle begnügen müssen, wenn nicht Herr Godoon so gefällig und aufmerksam gewesen wäre, mir alle Bedürfnisse nebst einigen Dienern voraus zu senden. Ich fand ein treffliches Mahl, Thee und Kaffee und konnte mich in einem weichen Bette ausruhen.
2. August. Padang-Sidimpuang, 20 Paal. Fortgesetztes Hügelland, jedoch von größeren Flächen unterbrochen. Die Gebirgskette nimmt stets an Höhe ab.
Padang-Sidimpuang liegt bereits in Ankola und besitzt ebenfalls ein kleines Fort. Ich traf hier die letzten Europäer; einige Offiziere und einen Kontrolor, Herrn Hammers, bei welchem ich abstieg.
Die letzten drei Tage hatte ich Pferde bekommen, die entsetzlich stießen; ich kam ganz erschöpft an und hatte nicht die geringste Eßlust. Bei Tische konnte ich mich kaum aufrecht halten; mein Stolz gab aber[S. 41] nicht zu, diese Schwäche zu gestehen. Ich warf den Katzen, die den Tisch umschwärmten, heimlich einen Bissen nach dem andern zu. Glücklicher Weise war es auch hier, wie auf ganz Java, Sitte, nach dem Mittagsmahle eine kleine Siesta zu halten. Nie segnete ich diese Gewohnheit so sehr als heute — ich fiel auf mein Lager. Zwei Stunden Ruhe stärkten mich so, daß ich gänzlich erholt zur Theestunde erschien und Abends mit den Herren sogar eine Parthie Whist spielte.
Ich sah hier ein neues Beispiel der Gefühllosigkeit einer Javanesin. An dem Tage, an welchem ich ankam, begrub man den Kapitän der Garnison. Er hinterließ eine sogenannte Wirthschafterin mit vier Kindern. Durch zehn Jahre hatte diese Person an seiner Seite das bequemste Leben geführt — heute, da man den Vater ihrer Kinder in’s Grab senkte, da sie nicht wußte, wie ihre und ihrer Kinder Zukunft sich gestalten würde, sah sie so fröhlich und heiter aus, lachte und scherzte so ungenirt, als ob in ihrem Schicksale nicht das geringste vorgefallen wäre.
Ich blieb drei Tage zu Padang-Sidimpuang. Auch hier kamen, als mein Vorsatz, das Battaker-Land zu betreten, bekannt wurde, viele Eingeborne mich zu sehen. Sie warnten mich ebenfalls vor dieser Reise, um so mehr als erst noch im vergangenen Jahre einige[S. 42] Uneinigkeiten zwischen den Battakern und Holländern vorgefallen waren. Die Battaker hatten einen Einfall in das Holländische Gebiet gemacht, einen Kampon zerstört und 27 Menschen mit sich fortgeführt. Die Holländer sandten zwar einige Truppen, die Schuldigen aufzusuchen; sie fanden aber die Kampons leer, die Bewohner waren, wie dieß bei solchen Gelegenheiten bei ihnen üblich ist, in die unzugänglichsten Schluchten und Wälder entflohen. Die einzige Rache, welche die Verfolger nehmen konnten, bestand im Niederbrennen einiger Kampons. Herr Hammers erzählte mir, daß vor kaum zwei Jahren vier Menschen sogar von den Battakern, die unter der Holländischen Regierung stehen, getödtet und verzehrt worden seien.
Nichts desto weniger blieb ich bei meinem Entschlusse stehen. Ich wollte durch das große Thal Silindong bis an den Land-See Eier-Tau (großes Wasser) vordringen, welchen noch kein Europäer gesehen hat, und von dessen Vorhandensein man bloß durch die Erzählungen der Eingebornen unterrichtet ist. Von seiner Lage, Größe, von den an seinen Ufern wohnenden Stämmen hat man nur ganz unvollständige Begriffe. Ich konnte dem zu Folge keinen Plan dieser Reise machen und mußte alles dem Schicksale und meinem bisher stets treuen Glücke überlassen. Herr Hammers war so gütig, mich mit Briefen für einige Rajah’s,[S. 43] die mit den Holländern in Verkehr standen, so wie mit einem Führer zu versehen. Ich ordnete einige Papiere, die ich im Falle des Nichtwiederkehrens für meine Familie zurückließ, und nahm recht herzlichen Abschied von den Europäern. Sie konnten vielleicht die letzten sein, die mir auf dieser Welt zu Gesicht kamen.
[1] Er wurde im folgenden Jahre Gouverneur auf Celebes.
[2] Jeder Kampon auf den holländischen Besitzungen in Sumatra hat seinen Rajah beibehalten. Letzterer bezieht von der Regierung einen kleinen Gehalt und trägt dafür Sorge, daß seine Gemeinde die Gesetze und Befehle der Regierung erfüllt und ausführt.
[3] Diese Gesetze für Ehescheidungen, Wiedervereinigungen oder neu zu schließende Ehen sind bei allen Malaien dieselben.
[4] Der Suri wird aus der Arenga-Palme gezogen. Auch Zucker wird aus dem Safte dieser Palme gewonnen.
[S. 44]
Fortsetzung der Reise auf Sumatra. — Die Fußreise. — Das Nachtlager im Urwalde. — Erstes Zusammentreffen mit den Kannibalen. — Haly-Bonar. — Opferung eines Büffelkalbes. — Das Thal Silindong. — Feindseliger Empfang. — Gezwungene Rückkehr. — Wiederholte wilde Scenen. — Wiederkehr nach den Holländischen Besitzungen. — Paija-Kombo. — Besteigung des Merapi. — Rückkunft nach Padang.
m 5. August trat ich diese gefahrvolle Reise an. Ich ging bis
Sipirok, 20 Paal. Alles war Wald und Alang-Alang. Von einer
kleinen Hügelkette, über welche der Weg führte, übersah ich eines der
größten Thäler Sumatras, das wellenförmige Lawas-Thal.
Ich war nun schon durch einen großen Theil Sumatras gekommen. Ich fand diese Insel, was Naturschönheiten anbelangt, eben so reizend, wo nicht reizender als Java. Welch herrliches Land könnte nicht daraus werden! Bis jetzt ist es verhältnißmäßig menschenleer und, die wenigen Pflanzungen ausgenommen, unkultivirt. Wilde Thiere (Elephanten, Rhinozerosse)[S. 45] bewohnen die mächtigen Waldungen des Innern, blutdürstige Tiger durchstreichen das ausgedehnte Alang-Alang.
Man sollte glauben, daß ein Theil von Sumatra ein günstiges Land für Europäische Auswanderer wäre. Auf den großen Hochebenen, deren es viele gibt, bleibt das Klima, obwohl der Aequator so nahe ist, sehr gemäßigt; die dichten, üppigen Wälder, das hohe Alang-Alang zeigen von der Fruchtbarkeit des Bodens. Gewiß würde hier, wo die Natur so reich ist, mit Nachhilfe der Kultur Großartiges zu schaffen sein. Allein die Holländische Regierung begünstiget die Ansiedlung von Europäern, selbst von ihren eigenen Unterthanen, durchaus nicht. Sie gibt vor (mit vollem Rechte), daß die Eingebornen durch das Beispiel der Weißen nur verdorben würden. Ich möchte noch einen zweiten Grund dahinter suchen, und zwar — die Furcht, daß die Weißen mit der Zeit dem kleinen Vaterlande gegenüber zu mächtig würden und, mit den Eingebornen vereint, sich unabhängig erklären könnten.
Sipirok liegt in einem kleinen regelmäßigen Thale. Hier steht das letzte Kaffeemagazin, unter der Aufsicht eines eingebornen Schreibers. Ich kam gerade an, als eine große Lieferung statt fand, was mir Gelegenheit gab, viel Volk (meist Battaker) zu sehen. Der Anblick war eben nicht reizend. Derselbe Gesichtstypus[S. 46] wie bei den Malaien, nur noch häßlicher, das weibliche Geschlecht auffallend klein. In der Kunst die Zähne zu feilen, schwarz zu färben, mit einem Worte, sich so häßlich als möglich zu machen, gebührt ihnen die Palme. Sie waren sehr wenig, höchst dürftig und überaus schmutzig bekleidet. Alle hatten die Backen mit Siri vollgestopft und spieen rechts und links neben den ausgebreiteten Kaffee. Zum Zeitvertreibe suchten sie das Ungeziefer von Kopf und Kleidung, und Kinder voll ekelhafter Hautausschläge warfen sich mit Kaffeebohnen.
Nachdem der Kaffee besichtiget, in Säcke gefüllt, in das Magazin abgeliefert war und die Leute das Geld empfangen hatten, verwandelte sich der Platz in einen Bazar. Aus dem Gemache des Schreibers wurden allerlei Waaren herausgeschafft, Krämer, die schon stundenlange auf die Wegschaffung des Kaffees gelauert hatten, packten bunte Stoffe, Glasperlen, Messingreifen, Eßwaaren u. dgl. aus. Mit gierigen Blicken sahen die glücklichen Geldbesitzer auf alle die Gegenstände; die Armen wußten nicht, woran sie sich halten sollten, — es gab der verführerischen Dinge gar zu viele, des Geldes gar zu wenig. Nach einer Stunde war der Bazar zu Ende, d. h. die Pflanzer waren ihr Geld los.
Zu Sipirok hörte das Reisen zu Pferde auf; ich mußte wieder wie in Borneo allen Bequemlichkeiten[S. 47] des Lebens auf einige Zeit entsagen und meine Fußwanderungen beginnen.
6. August. Danau, 12 Paal. Der Weg führte durch lauter Waldungen über steile Berge und Hügel auf schlüpfrigen, schrecklichen Pfaden.
In Danau angekommen, wies man mich in eine halb verfallene Hütte, die zwei Schlafstellen enthielt. Ich war von nun an in jedem Utta (die Battaker nennen so ihre Dörfer) von Menschen umringt. Schon zu Muara-Sipongie hatte diese Begierde mich zu sehen begonnen, da noch keine Europäerin bis dahin gekommen war. Hier war es noch ärger, und die Hütte so voll Leute, daß ich im ersten Augenblicke gar nicht gewahrte, mit welchen Bewohnern ich sie theilte. Ein Mörder und ein Sterbender waren ihre Inwohner. Ersterer hatte einen seiner Nachbaren in einem Anfalle von Eifersucht getödtet und sollte in zwei Tagen auf dem Bazar enthauptet werden. Er lag nackt auf dem Boden, an einen Pfosten gebunden, die Füße durch einen Block gezogen und geberdete sich wie närrisch; bald schrie, bald lachte, bald weinte er, dabei warf er sich, so viel er konnte, von einer Seite zur andern, — ein grauenvoller Anblick. Der Kranke, ein Jüngling von achtzehn Jahren, lag ebenfalls auf der Erde, ohne Matte, ohne Bedeckung; er litt an einem Brustübel und hatte schreckliche Anfälle von[S. 48] Husten. Leider konnte ich dem Armen keine Erleichterung verschaffen, da ich weder Arzeneien noch sonstigen Bedarf für Leidende bei mir hatte.
Ich beobachtete bei dieser Gelegenheit, daß man mit dem Mörder viel mehr Mitleid hatte, als mit dem Kranken. Die Weiber bereiteten das Siri für ihn, sie brachten ihm zum Mahle Reis und getrocknete Fische, fütterten ihn, da er die Hände gebunden hatte, gleich einem kleinen Kinde, wehrten ihm die Fliegen ab u. s. w. Die Männer führten ihn zum nahen Flusse, damit er sich baden könne. Den armen Kranken beachtete niemand. Man ließ ihn liegen, husten und stöhnen, reichte ihm weder Speise noch Trank und schien ihn zu betrachten, als ob er nicht mehr unter die Lebenden gehörte. Ich konnte ihm auch nichts anderes geben als Reis und Wasser; dieß war alles, was ich selbst erhielt.
Brustkrankheiten scheinen überhaupt in den hochgelegenen Gegenden Sumatra’s zu herrschen; die Leute husteten viel und oft sehr heftig. Die Hitze ist am Tage groß, die Nächte sind beinahe kalt, es regnet viel und die Eingebornen gehen so leicht bekleidet wie in den heißen Gegenden, haben jedoch nicht einmal eine Bedeckung für die Nacht.
Ich wollte mit dem Mörder nicht in einem Gemache bleiben und ließ den Rajah ersuchen, mir eine[S. 49] andere Hütte anzuweisen. Er war so gefällig, den Gefangenen und den Kranken entfernen zu lassen. Das Volk aber konnte nicht abgehalten werden, mich zu umringen; ich war von nun an, selbst während der Nacht, nicht einen Augenblick allein. Bis Mitternacht brannten die Feuer und wurde geschwätzt; dann legten sich die meisten hin, wo sie Platz fanden, zogen den Sarong über sich und schnarchten um die Wette.
Den 7. August mußte ich in Danau bleiben. Der Rajah, dem Namen nach noch unter Holländischer Botmäßigkeit, versicherte mir, daß ich ohne seine Begleitung das freie Battaker-Land, welches einige Paal von hier beginnt, nicht betreten könne. Er wolle mit mir gehen und sich bei den Rajah’s, mit welchen er bekannt sei, persönlich für meine Aufnahme verwenden.
Diesem Entschlusse zu Folge ließ er mir zu Ehren ein Büffelkalb schlachten, um dabei die bösen Geister anzurufen, unserer gefahrvollen Reise keine Hindernisse, kein Unglück in den Weg zu legen.
Früh Morgens besuchte er mich mit einem Gefolge von einem Dutzend Weiber und vielen erwachsenen Mädchen, zum Theile seine Verwandten. Die Weiber und Mädchen traten in tief gebeugter Stellung, die Hände halb vor das Gesicht haltend, an mir vorüber. Es ist dieß der Gruß der Niederen gegen die[S. 50] Höheren. Sie setzten sich im Hintergrunde der Hütte zu Boden und packten aus schön geflochtenen Strohtaschen Siri, das für mich bestimmt war.
Die Mädchen trugen zehn bis fünfzehn bleierne Ringe in den Ohrläppchen, hatten auch die oberen Theile des Ohres durchstochen und mit einem Knopfe oder einer kleinen Schnur von Glasperlen geziert. Am Halse, an den Armen und an den Füßen trugen sie Messingringe und Glasperlen. All dieß Geschmeide legen sie ab, wenn sie heirathen. Die Mädchen gingen mit bedeckten Busen, die Weiber meistens entblößt. Weiber und Mädchen hatten die Haare in einen Knoten geschürzt, in welchen sie Strohwülste stecken, um ihn zu vergrößern. Auch die Männer lassen die Haare lang wachsen und binden sie ebenfalls in einen Knoten, tragen aber Strohkappen oder Tücher darüber. Diese Kopfbedeckung ist das einzige Zeichen, an welchen man den Mann von dem Weibe unterscheiden kann, da die Männer keine Bärte haben und beide Geschlechter die Sarongs auf dieselbe Weise um den Körper schlagen.
Unter den Mädchen gab es einige sehr beleibte, wie mir ähnliche unter den Malaien nicht vorgekommen waren; manche hatten die erste Jugendblüthe schon abgestreift, ohne Männer gefunden zu haben. Dieß rührt davon her, daß die Battaker ihre Weiber kaufen müssen.
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Der Rajah war gekommen, um mich zu der feierlichen Schlachtung des Büffelkalbes einzuladen. Ich folgte ihm in seine Hütte. Die Ceremonie bestand in einem tollen Tanze, den der achtzehnjährige Sohn des Rajah’s unter lärmender Musik aufführte. Die Hütte war so voll von Menschen, daß man sich kaum bewegen konnte. Jedermann wollte den Jüngling tanzen sehen, der, wie man mir sagte, vom bösen Geiste besessen war. Er raste auch wirklich wie besessen umher, bis er vor Erschöpfung beinahe hinsank. Ein anderer, nicht besessener Tänzer nahm seinen Platz ein, bis sich jener wieder erholte, was sehr bald der Fall war. Dann begann er zum zweitenmal dieselbe Raserei. Man reichte ihm eine mit ungekochtem Reis gefüllte Schale die er mehrmals über den Kopf erhob, als wolle er ihren Inhalt den Geistern opfern oder deren Segen darüber erflehen; hierauf nahm er einige kleine Portionen heraus, streute sie in die Luft, stürmte plötzlich aus der Hütte, streute vor derselben ebenfalls einen Theil des Reises in die Luft und den Rest über das Kalb, das, auf ein Gerüst gebunden, zum Schlachten bereit lag. Er kehrte hierauf wieder in die Hütte zurück und raste so lange fort, bis er am Ende ganz erschöpft den erbauten Zusehern in die Arme fiel. Das Kalb wurde nun geschlachtet, in viele kleine Stücke zerschnitten und größtentheils unter das Volk[S. 52] vertheilt. Für mich ward die Leber, als das beste Stück, zur Seite gelegt. Ich erhielt sie Abends zum Imbiße, aber leider ungenießbar; sie war zu einem Steine verbraten. Ich mußte daher mich auch heute, obwohl mir zu Ehren das Kalb geschlachtet worden war, mit Reis und Salz begnügen.
8. August. Ich verließ Danau mit einem Gefolge von mehr als zwanzig Personen, von welchen jedoch der größere Theil an der Grenze (drei Paal) zurückkehrte. Sie reichten mir beim Abschiede die Hand und wünschten mir eine glückliche Wiederkehr. Alle betrachteten meine Reise als ein großes Wagestück, wiesen an den Hals und gaben mir durch Zeichen zu verstehen, daß sie befürchteten, man würde mir den Kopf abschneiden und mich auffressen. Obwohl diese Pantomime nicht sehr ermuthigend war, kam mir doch kein einziges Mal der Gedanke in den Sinn, von der Reise abzustehen.
Meine Begleitung bestand nur aus dem Rajah, aus fünf seiner Leute, meinem Führer, einem Kulli für mich und einem für den Führer.
Der Weg ging durch die sogenannte „Wildniß“, durch finstere, beinahe undurchdringliche Wälder oder durch sechs Fuß hohen Alang-Alang. Wir sahen nirgends weder eine Hütte, noch einen Menschen, dagegen viele Spuren von wilden Thieren, besonders[S. 53] von Tigern. Bei einem Flusse angekommen, mußten wir auf einen Baum klettern und die überhängenden Aeste, die sich mit jenen eines andern am jenseitigen Ufer kreuzten, benützen, um hinüber zu kommen. Diese natürliche Brücke erhob sich gewiß an zwanzig Fuß über das Wasser.
Von Zeit zu Zeit gelangten wir an Waldausschnitte, von welchen wir die herrlichsten Ueberblicke großer, schöner Thäler hatten, die von dem Flusse Padang-Toru in unzähligen Krümmungen durchschnitten waren. Ein kleiner See, wenig größer als ein Teich, schimmerte in schöner Sonnenbeleuchtung auf einer der Höhen. Dem Padang-Toru kamen wir oft ganz nahe; es ist ein schöner, breiter Strom, aber kein Boot schaukelte sich auf seinem Rücken; wohin der Blick fiel, war alles menschenleer — es schien, als wären wir die einzigen Bewohner der Erde.
In dieser Jahreszeit regnet es beinah regelmäßig jeden Nachmittag, und leider traf uns der Regen stets auf dem Wege, denn hier wie in Borneo war an ein frühes Fortkommen nicht zu denken. Dieses schlechte Wetter belästigte mich um so mehr, als ich auf Kleider- und Wäsche-Wechsel verzichten mußte — einerseits verließen mich die Leute weder bei Tag noch bei Nacht, anderseits hatte ich mein kleines Gepäck gewöhnlich nicht zur Hand, wenn ich es am nothwendigsten brauchte.[S. 54] Mein Führer, der, gleich jenem von Sarawak, nur that was ihm beliebte, verlangte stets zuerst einen Kulli für sich, von welchem er sich vollkommen bedienen ließ; für meine Reisetasche ward der nächste beste Mensch genommen — fand sich keiner, so ließ er sie zurück, mit dem Bedeuten, sie nachzubringen.
Heute war der Regen schon über alle Maßen lästig. Wir mußten noch dazu im Walde unser Nachtquartier aufschlagen. Man errichtete zwar schnell ein kleines Blätterdach und bedeckte den Boden mit großen Blättern; allein ich war schon durch und durch naß, als wir ankamen, und bis über die Knie voll Schlamm und Morast; ich mußte an dem kleinem Flusse, an dem wir uns gelagert hatten, den Schmutz von Füßen und Kleidern waschen, und von Wasser triefend, zitternd vor Kälte (die Abende und Nächte waren sehr kalt) das Feuer suchen, das aus Mangel an trockenem Holze mehr glimmte als brannte.
Meine Begleiter trugen Holz für die Nacht zusammen, fingen in dem Flüßchen einige kleine Fische und brachten einige ganz grüne Bambusrohre herbei, deren Nutzen oder Gebrauch mir nicht erklärlich war; bald sah ich, daß sie statt der Kochgeschirre dienten. Die Leute legten Reis nebst etwas Wasser auf Bisangblätter, machten lange Wülste daraus und schoben sie in die Rohre; dasselbe thaten sie mit den kleinen[S. 55] Fischen. Die Rohre wurden auf das Feuer gelegt und so lange liegen gelassen, bis sie zu brennen anfingen, was eine sehr geraume Zeit währte, da sie viele Feuchtigkeit enthielten. Man spaltete dann die Rohre und nahm die köstlichen Gerichte heraus. Einige der größeren Fische wurden an kleine Holzstäbchen gespießt, die man neben dem Feuer in die Erde steckte, und ein wenig gebraten.
Das Mahl war schlecht und unsauber; den Reis hatte man nicht gewaschen, die Fische weder gereinigt noch gesalzen; allein den ganzen Tag hatte ich nichts genossen, meine Eßlust war überdieß durch den mühevollen Marsch (achtzehn Paal) sehr gesteigert worden; ich fand daher das Essen dennoch vortrefflich.
Bevor wir uns zur Ruhe begaben, empfahl ich den Leuten, die Nacht hindurch ein tüchtiges Feuer zu unterhalten, um die Tiger von uns zu scheuchen. Aber bald fielen sie in tiefen Schlaf, mein Rufen erweckte sie nicht, ich konnte das Feuer nicht unterhalten, weil das Holz zu naß war, und so umgab uns bald undurchdringliche Finsterniß. Ich schlief keine Minute, weniger einen Ueberfall von Menschen als von Thieren fürchtend. So oft ich im Gebüsche ein Feuerkäferchen sah, meinte ich das glühende Auge eines Tigers zu erblicken, so oft es im Laube raschelte, dachte ich an Schlangen — es war eine schauderhafte Nacht!
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9. August. Soßor-Doluk, siebzehn Paal. Wenig gestärkt durch das gestrige Mahl, erschöpft vom nächtlichen Wachen, ging ich ohne Imbiß fort und Mühen sonder gleichen entgegen. Wege, wie mir noch keine ärgeren vorgekommen waren, führten durch undurchdringliche Waldungen, voll von dichtem Untergebüsch, durch hochaufgeschossenes Alang-Alang, durch Sümpfe und Flüsse, die oft der Länge nach durchwatet werden mußten. Die Bäume und Gebüsche troffen noch vom nächtlichen Regen. Ganz steil abfallende Hügel sperrten das Vordringen und waren gefährlich zu übersteigen, da alles so glatt und schlüpfrig war, daß man keinen festen Fuß fassen konnte. Zu diesen Uebeln gesellte sich noch ein hochstämmiges Schilf (Saccharum Koenigri), das in einer Höhe von vier bis fünf Fuß so dicht in einander verflochten war, daß man nur in gebückter Stellung durchkommen konnte. Der Pfad bestand an solchen Stellen aus einer schmalen Rinne mit Löchern und Gruben voll Schlamm und Morast. Man hatte kaum so viel Raum, um einen Fuß vor den andern zu setzen. Glitt man in ein Loch, in eine Grube, und wollte man sich am Schilfe oder am Gebüsche fest halten, so erging es einem noch schlimmer. Das Schilf brach, und unter dem Gebüsche gab es Stämmchen mit großen Stacheln, an welchen man sich die Hände blutig riß.[S. 57] Springende Blutsauger kamen in solcher Menge vor, daß ich am ganzen Körper, besonders an den Füßen, heftig blutete. Den größten Theil dieser Fußreise, besonders jenen durch die Wüstenei, mußte ich mit bloßen Füßen machen, da es unmöglich ist, sich auf diesen morastigen, theilweise tief unter Wasser stehenden Wegen irgend eines Schuhzeuges zu bedienen, das dem Fortkommen nicht hinderlich wäre. Meine Füße wurden in Folge dessen von dem scharfkantigen Alang-Alang ganz zerschnitten, von Dornen zerstochen. Nach jeder vollbrachten Tagereise mußte ich mir von einem der Eingebornen die Dornen ausziehen lassen. Sie machten die Sache gut, aber auf sehr schmerzhafte Weise; die großen, wenig spitzen Parangs dienten ihnen als Instrumente. Oft waren meine Füße so wund, daß ich dachte, am folgenden Morgen nicht fort zu können — dennoch ging es täglich weiter.
Als wir dem Ausgange der Wildniß nahe kamen, hörten wir ein heftiges Geschrei von vielen Menschenstimmen. Dies erschreckte uns sehr. Wir verhielten uns eine Zeit lang ganz ruhig und stille und schlichen endlich, gleich Dieben, mit großer Vorsicht dem Ausgange zu. Aus dem Walde tretend, befanden wir uns an dem Ufer des Flusses Puli, und sahen die Schreier, vierzig bis fünfzig an der Zahl, beinahe im Naturzustande, im Wasser stehen und mit Fischen beschäftiget.[S. 58] Der Rajah hieß mich mit den Leuten zurückbleiben, ging allein zu dem fischenden Häuptlinge und ersuchte ihn um die Gnade, mir den Eintritt in sein Land zu gewähren. Nach vielen Fragen und Erläuterungen erhielt ich die Bewilligung. Wir gingen durch den ziemlich breiten Fluß und machten am jenseitigen Ufer unter dem Prachtexemplar eines Baumes aus der Familie der Dilleniacen (auch Colbertia genannt) Rast. Dieser Baum hat mehr als faustgroße Blüthenknospen, die wie Früchte aussahen. Ich öffnete eine derselben und fand eine wunderschöne Blume darinnen. Wenn die Kapsel gereift ist, springt sie von selbst auf.
Außer dieser Gattung schöner Bäume fielen mir in Sumatra’s Wäldern wenige ihres besondern Umfanges oder auch ihrer besondern Höhe wegen auf. Ich habe wohl Bäume von hundert und vielleicht hundertzwanzig Fuß Höhe gesehen, aber gewiß nicht von zweihundert, wie manche Reisende behaupten wollen. Auch die wildwachsenden Blumen mußte ich emsig suchen; sie schaffen hier bei weiten nicht, wie in Brasilien, die Wälder zu natürlichen Gärten um.
Was den Weg anbelangt, so war nun wohl das Schlimmste der Reise glücklich überstanden; jetzt begann aber der ungleich gefährlichere Kampf mit den Menschen.
Wir setzten alsbald unsere Wanderung fort. Das[S. 59] Land war noch immer hügelig, doch freier und offener, und gute Pfade führten uns der Nachtstation zu. Wir kamen an einigen schrecklichen Erd-Spalten oder Rissen vorüber, in deren Tiefe sich der Blick mit Schauder verlor.
Als wir in Soßor-Doluk anlangten, machte man einige Schwierigkeiten, uns, das heißt, mich aufzunehmen; endlich wies man uns doch eine Ruine von einer Hütte an, die so schief und krumm stand, daß ich jeden Augenblick ihres Einsturzes gewärtig war. Das Dach glich einem Siebe, ich konnte in der Nacht die Sterne über meinem Haupte zählen; allein es war ein herrliches Nachtquartier im Vergleiche zu jenem in dem nassen, finsteren Walde.
Abends kam der Rajah des Ortes in Begleitung des Rajah von Sigumpolang (einem nahe gelegenen Orte), der zufällig hier auf Besuch war, zu mir. Beide machten große Schwierigkeiten, mir die Erlaubniß zu ertheilen, weiter in dem Lande vorzudringen. Am Ende verdankte ich diese Erlaubniß meinem Geschlechte; wäre ich ein Mann gewesen, so hätten sie mich ohne Zweifel für einen Spion gehalten und zurückgewiesen, wo nicht gar getödtet.
Nahe bei Soßor-Doluk ist eine heiße Quelle, doch ohne Schwefelgeruch. Die Leute baden sich häufig darin und halten sie für jede Krankheit heilsam.
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10. August. Sigumpolang (Klein-Toba), fünf Paal. Der Rajah dieses Utta’s, Hali-Bonar, ein sechs Fuß hoher, kräftiger Greis, begleitete uns. Wir überschritten den Padang-Toru auf einer Hängebrücke, die aus einem einzigen, wenigstens siebenzig Fuß langen Bambusrohre bestand, das kaum sechs Zoll im Durchmesser haben mochte. Dünne Stämmchen formten an den Seiten ein Geländer, welches jedoch, gleich jenem auf der Brücke zu Borneo, nicht als Stütze, sondern nur dazu diente, das Gleichgewicht zu erhalten. Ich konnte den einfachen Bau, sowie die Stärke dieser Brücke nicht genug bewundern. Das Rohr schwebte vollkommen frei in der Luft, bloß die Endpunkte ruhten auf Baumstämmen. Je mehr man sich der Mitte näherte, desto mehr schwankte es — ich dankte Gott, als ich das jenseitige Ufer glücklich erreichte. Dieses einzige Rohr trug zu gleicher Zeit ungefähr ein Dutzend Menschen.
Die Landschaft war reizend, das Thal groß und wellenförmig; aber auch an Flächen fehlte es nicht, die reich mit Reis bepflanzt waren.
Hali-Bonar führte mich an seinem Utta vorüber, einen halben Paal weiter nach einem großen freien Platze, auf welchem Bazar gehalten wurde, um mich da dem Volke und mehreren Rajah’s[5] vorzustellen. Er that dieß[S. 61] in der Absicht, daß, wenn ich im Laufe der Reise durch eines der Utta dieser Leute käme, sie mich freundlich aufnähmen. Die Rajah’s, die sich auf dem Bazar befanden, setzten sich um mich auf den Boden, und ihre Lanzenträger, deren jeder Rajah ein halbes Dutzend mit sich hatte, schlossen einen Kreis um uns, eine höchst nothwendige Vorsicht, da das Volk mit wildem Geschrei von allen Seiten herandrang. Die Verkäufer verließen ihre Waaren, die Käufer vergaßen ihre Geschäfte; alles wollte mich sehen; Männer und Kinder, die nicht in meine Nähe kommen konnten, kletterten auf die Bäume. Es war ein Gewirre, ein Lärmen, von dem man sich keine Vorstellung machen kann. Ich verstand kein Wort von dem, was sie sprachen und befand mich fast allein unter diesen wilden Menschen — der Rajah von Danau war mit seinen Leuten und meinem Führer im Utta zurückgeblieben.
Unter dem Volke sah ich viele sechs Fuß hohe, starke Männer; auch die Weiber waren kräftiger als alle, die ich bisher auf Sumatra gesehen hatte. Die Gesichtsbildung fand ich aber häßlich wie überall, die Zahnkiefer breit und ganz besonders hervorragend, die Hautfarbe nicht sehr dunkel. Gekleidet gingen beide[S. 62] Geschlechter in Sarongs. Die Weiber trugen in den Ohrläppchen große Messingbleche oder runde Stücke Holz; auf den Kopf legten sie ein, auch zwei große, zusammengefaltete Tücher. Die Männer hatten hier die Ohrläppchen eben so weit durchlöchert wie die Weiber, meistens aber nur eines. Die Rajah’s trugen schwere Goldreifen daran, die Uebrigen steckten Strohzigarren durch. Eine zweite Auszeichnung des Rajah bestand in einer großen Tabakspfeife von Messing, die an einem schweren Messingrohre hing.
Ich bemerkte bei den Battakern dieselben aus weißen Muscheln geschnittenen Armbänder, dieselben Korbgeflechte, dieselbe Art Maultrommeln, dieselben aus Bast geschlagenen Zeuge, wie bei den Dayakern.
Nachdem ich über eine Stunde unter diesem Volke zugebracht hatte, führte mich Hali-Bonar nach seinem Utta.
Die Häuser der Battaker sind auf Pfählen gebaut, gleich jenen der Malaien, aber ohne Vergleich größer, schöner und solider. Sie haben sehr hohe Dächer, die das Haus an fünf Fuß überragen. Die beiden Enden der Dächer gehen in hohen Spitzen aus. Ich möchte die Höhe der Häuser, so wie ebenfalls das Gevierte auf vierzig bis fünfzig Fuß annehmen. Sie bestehen aus Bretterwänden, die Dächer sind mit der Faser der Aranga-Palme gedeckt.[S. 63] An manchen Häusern waren die Vorderseiten angestrichen und ebenso geschmackvoll ausgeschnitzt, wie in dem Kampon Kotto-Godong nächst Fort de Kock. Man sieht weder Fenster noch Thüren. Nur in der Höhe ist an der Außenseite eine kleine hölzerne Gallerie angebracht, von dem Vorsprunge des Daches gedeckt, auf welche nach der innern Seite des Hauses eine Thüre führt, zu der man auf Leitern steigen muß. Der Aufgang in das Haus ist unter demselben und mit einer Fallthüre zu schließen. Das Innere besteht aus einem einzigen großen Gemache, in welchem meistens drei auch vier Familien wohnen, jede in einer Ecke. In diesen Häusern ist es natürlich ganz finster, man gewahrt im ersten Augenblicke nichts als einige Luftlöcher in der Höhe, die dem Rauche Ausgang gestatten, von welchem das Gemach stets voll ist, da, obwohl die Leute wenig zu kochen haben, doch in jeder Ecke das Feuer beinahe fortwährend brennt.
In dem Raume unter dem Hause werden Schweine, Geflügel, Kühe (alle schwarz), Büffel, Hunde, hie und da auch ein Pferd gehalten. Die Schweine sind von ganz eigenthümlicher Art: sie haben sehr spitz zulaufende Rüssel, einen etwas eingebogenen Rücken, kurze Füße, wenig Borsten, dagegen eine dicke, kurze Mähne, wie Pferde.
Die Vorräthe an Vieh und Reis fand ich bedeutend,[S. 64] ja sehr reich im Vergleiche zu jenen der Javanesen oder der Sumatra-Malaien. Der Hausrath bestand aus eisernen Kesseln, irdenen Töpfen, Tellern, Näpfen, vielen Matten und Körben, einigen Spinnrädern, Holztruhen u. s. w.
Beinahe jedem Hause gegenüber steht ein Soppo, das ist eine offene Hütte mit einem untertheilten Dache, auf welchem der Reis in Säcken und Körben aufgespeichert ist. Dieser Soppo ist der eigentliche Wohnplatz der Leute während des Tages. Hier weben die Weiber die Sarongs, die Männer versammeln sich, um die Zeit im Geschwätze und Nichtsthun hinzubringen, denn auch unter den Battakern muß das Weib beinahe alle Arbeit verrichten. Abends finden hier die Zusammenkünfte der heirathsmäßigen Mädchen mit den jungen Leuten statt. Dem Fremden wird ebenfalls in den Soppos das Nachtquartier angewiesen. Auch ich schlug das meinige hier auf.
Hali-Bonar erbot sich, mich bis Silindong (Groß-Toba) zu begleiten, ein Anerbieten, das ich mit um so größerer Freude annahm, als mich der Rajah von Danau mit seinem Gefolge hier verließ.
Ich mußte gleichfalls wie zu Danau einen Tag verweilen, denn auch Hali-Bonar schlachtete am folgenden Morgen ein Büffelkalb, theils mir zu Ehren, theils um die bösen Geister anzuflehen, unserer Reise[S. 65] nichts in den Weg zu legen. Er holte mich persönlich zu dieser Feierlichkeit ab und führte mich in einen saubern, mit Matten belegten Soppo, der seinem Hause gegenüber stand. Die Feierlichkeit fand hier unter freiem Himmel statt. Ein ganzes Musikcorps war versammelt; man schlug auf Trommeln und Gongs, man blies eine Art Dudelsack und lange Pfeife. Das Kalb wurde unter voller Musik geschlachtet, die Eingeweide (der größte Leckerbissen) in das Haus des Rajahs getragen und das übrige unter das Volk vertheilt. Der Rajah von Danau bekam natürlich nebst seinen Leuten auch seinen Theil.
Ein Mann trat hierauf, einfach und dennoch malerisch gekleidet, auf den Schauplatz. Er trug einen schönen Sarong, der von den Hüften bis an die Füße reichte, ein weißes Tuch kranzartig um den Kopf geschlungen und eine Art von schwarzem Shawl, an den Rändern mit Glasperlen besetzt, um den Oberkörper in reichen Falten geworfen. Die Shawls, an 5 Fuß lang und 2½ breit, werden nur von den Männern getragen und dürfen bei Feierlichkeiten und wenn die Krieger zu Felde ziehen, nicht fehlen. Der Mann hielt in der einen Hand ein mit Wasser gefülltes Büffelhorn, in der andern ein Betelblatt. Nach einer langen Rede, die einem Gebete glich, fing er einen recht hübschen Tanz an, hob Horn und Blatt mehrmal gegen den[S. 66] Himmel und schlug seine Augen zu demselben auf. Er goß hierauf einiges Wasser gegen mich und die Musiker, den Rest über das Betelblatt. Das Horn wurde ein zweites Mal mit Wasser gefüllt und dieselbe Ceremonie wiederholt, worauf er einen Teller voll Reis nahm, mit welchem er nach einer abermaligen Rede dasselbe that, wie mit dem Wasser. Der Rajah trat nun auf den Schauplatz, gefolgt von einem Manne, der stets nahe hinter ihm blieb und ein Diener zu sein schien. Der Rajah ahmte den ersten Tänzer in allem nach, nur daß er das zweite Mal das Horn gegen einen Teller mit Reiskuchen vertauschte, und es am Ende des Tanzes vor mich hinstellte. Zum Schlusse begannen der Rajah und der Tänzer vereint einen artigen Tanz aufzuführen, bei welchem sie mehrmals die Hände wie bittend gegen den Himmel erhoben und diese Pantomime mit ehrfurchtsvollen Blicken begleiteten. Der Diener folgte auch hiebei dem Rajah stets wie sein Schatten. Wer nicht gewußt hätte, daß diese Anrufung dem Haupte der bösen Geister oder, wie wir sagen würden, dem Lucifer galt, würde das ganze für einen recht schönen, andächtigen Gottesdienst gehalten haben. Bei keinem Volke sah ich eine anscheinend so feierliche Ceremonie.
Nachdem die beiden Tänzer abgetreten waren,[S. 67] kamen andere, die einfache, langweilige, den Malaischen sehr ähnliche Tänze aufführten.
Bei diesem Feste waren die Weiber nicht gegenwärtig; sie erhielten jedoch ihren Antheil bei der Vertheilung des Fleisches. Nach dem Feste wurde in dem Soppo, in welchem ich wohnte, das Festmahl bereitet und verzehrt. Man kochte Reismehl in dem Blute des Büffels und ließ Fleisch und Eingeweide an hölzernen Spießen braten. Ich bekam von allen Gerichten, von der Leber ein besonders großes Stück. Was ich übrig ließ, wurde mir so oft wieder vorgestellt, bis es aufgezehrt war — man gab mir nichts anderes. Manche von den Gästen tranken nach dem Essen sehr warmes, beinahe heißes Wasser, das gleich unserm schwarzen Kaffee, die Verdauung befördern soll.
Nachmittags ersuchte ich Hali-Bonar, einige Volkstänze ausführen zu lassen. Der Schwert-Tanz glich zu meinem Erstaunen vollkommen jenem, den ich auf Borneo von den Dayakern hatte aufführen sehen. Dem Schwert-Tanze ganz ähnlich war der Messer-Tanz; der einzige Unterschied bestand darin, daß die Messer nicht auf der Erde lagen, sondern in Scheiden stacken, welche die Tänzer am Gürtel befestiget hatten, und aus welchen während des Tanzes die Messer gezogen wurden. Ein hierauf folgender Faustkampf gab dem Publikum sehr viel zu lachen. Die beiden Kämpfer[S. 68] oder Tänzer schlugen und stießen sich auf höchst vorsichtige Weise unter grotesken Grimassen und Wendungen mit Händen und Füßen. Sehr wild und belebt war der Teufels-Tanz. Diese vier Tänze wurden von zwei Männern aufgeführt. Nun kam ein Tanz, an welchem vier Männer und ein Weib Theil nahmen; letzteres machte jedoch nur einige Bewegungen mit den Händen und kauerte sich zeitweise auf den Boden; die Männer tanzten um sie herum. Alle diese Tänze waren lebhaft, mit abwechselnden, recht hübschen Figuren und Stellungen. Auch hier schlugen die Tänzer die Augen stets zu Boden.
Ich hatte nun alle Tänze gesehen, bis auf jenen, den sie bei der Tödtung eines Menschen aufführen, der zum Verzehren bestimmt ist. Diesen Tanz wollte man mir nicht zeigen, gab aber am Ende doch meinen Bitten nach. Sie banden zu diesem Zwecke an einen Pflock ein großes Stück Holz, welches das Schlachtopfer vorstellte, und setzten ihm eine Strohkappe auf. Ehe sie zu tanzen anfingen, streuten sie sich etwas Erde auf den Kopf. Der Tanz selbst war sehr lebhaft und von vielen Grimassen begleitet; sie hoben dabei die Füße so viel sie konnten in die Höhe und zückten ihre Parangs nach dem Opfer. Endlich gab ihm einer den ersten Stoß, die andern folgten sogleich seinem Beispiele, das Blut wurde sorgfältig[S. 69] aufgefangen. Sie hieben dann den Kopf (die Strohkappe) vom Rumpfe, legten ihn auf eine ausgebreitete Matte, tanzten darum her, und stießen dabei wild-fröhliche Töne aus. Einige hoben den Kopf auch auf und führten ihn zum Munde, als leckten sie das Blut ab, andere warfen sich zur Erde, als saugten sie das vom Kopfe rieselnde Blut auf, oder sie tauchten die Finger in dasselbe und führten sie zum Munde. Alles dieß geschah nicht so sehr mit wilden als mit fröhlichen Geberden; auch ihre Gesichtszüge drückten eher Vergnügen als Grausamkeit aus. Freilich war dieß nur ein Spiel; ganz anders mag es sich verhalten, wenn ein wirklicher Mensch getödtet wird.
Nichts desto weniger machte dieses schauerliche Spiel einen großen Eindruck auf mich. Ich betrachtete unwillkührlich die wilden Gestalten, in deren Macht ich war; unheimliche Bilder drängten sich vor meinen Geist, und, in mein Soppo zurückgekehrt, fiel ich erst spät in einen unruhigen Schlaf mit aufgeregten, beängstigenden Träumen.
12. August. Si-Pijarajah, 10 Paal. Die klare Morgensonne verscheuchte die nächtlichen Visionen und mit neuem Muthe trat ich die Tagereise an. Wir mußten heute über den tiefen, reißenden Strom Padang-Toru, eine schwere Sache für mich, die nicht schwimmen konnte. Zwei Eingeborne reichten mir[S. 70] jeder eine Hand, ich hielt den Kopf über dem Wasser, und so zogen sie mich hinter sich her. Die Wege waren gut; wir kamen über einige niedrige Hügelketten und durch schöne Thäler mit Hügeln. Die Gebirgskette, die wir selten aus dem Gesichte verloren, wurde stets niedriger, die höchsten Spitzen mochten 1200 bis 1500 Fuß hoch sein. Uttas sahen wir wenige; sie waren mit Erdwällen oder hölzernen Zäunen umgeben. Wir mußten am Eingange stets um die Erlaubniß des Eintrittes ansuchen. Ich litt heute sehr von der Hitze, da der größte Theil des Weges in der Sonne oder durch glühend heißes Alang-Alang ging. Der Thermometer zeigte vierzig Grad (Reaumur).
In Si-Pijarajah brachte ich die Nacht wieder in einem Soppo zu. Ich wußte nie, welchen Wohnort ich wählen sollte, ob den Soppo oder das Haus des Rajah. Im ersteren war ich unausgesetzt wie auf offener Schau. Die Leute blieben nicht nur vor dem Soppo stehen, sie traten auch in denselben. Abends wurde Feuer angezündet, und man schwatzte bis tief in die Nacht. Jeder neu Hinzukommende wollte aus dem Munde meines Führers selbst vernehmen, „warum, woher ich käme u. s. w.“ Keiner traute den Ueberlieferungen seines Nachbars. Die Erscheinung einer Europäerin war ihnen zu außerordentlich, sie konnten sie nicht begreifen. Auch diese Barbaren thaten mir[S. 71] die Ehre an, mich für ein außergewöhnliches Wesen zu halten. Viele unter den Neugierigen, die von andern Uttas gekommen waren, streckten sich gleich auf dem Platze nieder, wo sie saßen, und verschliefen da den Rest der Nacht.
In dem Hause eines Rajahs hatte ich einst nicht geringere Unannehmlichkeiten. Die Weiber, in Gegenwart der Männer scheu und zurückgezogen, mit ihren Kindern fliehend wenn ich mich näherte, wurden, sobald ich allein in ihrer Mitte war, nicht nur gleich zutraulich, sondern so zudringlich, daß sie meine ganze kleine Habe forderten, die Kleidungsstücke nicht ausgenommen, die ich am Körper trug. Ich wußte nicht, wie ich mich ihrer erwehren sollte, denn der Anfang des Gebens wäre für sie das Signal des gewaltsamen Nehmens gewesen. Ich schob mein Ränzchen hinter mich und mußte einige Male die Weiber kräftig zurückweisen. Gewöhnlich zogen sie dann drohend und heftige Reden gegen mich ausstoßend ab. Ich hütete mich so viel als möglich allein mit ihnen zu sein. Unter den Männern war ich viel sicherer: sie gafften mich stundenlang an, schwatzten fortwährend über mich, verhielten sich aber im übrigen höchst anständig.
Eine weitere Unannehmlichkeit in den Häusern war während des Tages die Dunkelheit, Abends, wenn die vier Feuer brannten, der Rauch; ich konnte die[S. 72] Augen kaum öffnen. Auch sah ich hier so viel Schmutz und Unreinlichkeit, daß ich die mir gebotene Mahlzeit nur mit dem größten Ekel verzehrte. Der Reis wurde ungewaschen in den Topf geschüttet, der Topf selbst gleichfalls nicht gereinigt, da die Leute glauben, daß, wenn stets etwas Reis in dem Topfe zurückbleibe, es nie daran fehle. Morgens kochten sie Milch, in die sie Kräuter und Blätter warfen, um sie in Käse zu verwandeln. Sie preßten mit ihren schmutzigen Händen den Käse aus, schütteten die Molken über den Reis und vermengten dieß ebenfalls mit den Händen. Wurde für mich und meinen Führer ein Huhn getödtet, so rissen sie es in vier Theile, die sie ins Feuer warfen, wo dieselben gewöhnlich zu Kohlen verbrannten; die Eingeweide wuschen sie ein wenig aus und bereiteten sie für sich. Sie aßen alles was lebt, sogar Regenwürmer und alle Arten größerer Käfer. Ich konnte diese ekelhafte Gefräßigkeit um so weniger begreifen, als ich in allen Uttas Ueberfluß an Hornvieh, Geflügel, Schweinen, Reis u. s. w. sah.
Die Weiber werden hier, wo möglich noch mehr als in Mandelling oder Ankola, wie Lastthiere betrachtet. Die Männer bauen nur die Häuser und pflanzen den Reis; fast alles übrige fällt den Weibern zu. Am meisten war ich erstaunt zu sehen, wie lange die Weiber die Kinder säugten und auf dem Rücken[S. 73] trugen. Kinder von drei Jahren nahmen noch die Mutterbrust und stritten sich oft mit den jüngeren darum. Manches zweijährige kräftige Kind sah ich vom Spiele wegeilen, wenn es die Mutter gewahrte, und sich auf ihren Rücken hängen. Diese band es mittelst eines alten Tuches oder Sarongs fest und verrichtete mit dieser Last ihre Arbeiten. Morgens rissen Mütter oft große Kinder aus dem Schlafe, banden sich selbe auf den Rücken und begannen ihre Hausgeschäfte.
13. August. Silindong, Groß Toba, zwölf Paal. Die erste Hälfte der Reise ging, wie gestern, durch wenig bevölkerte, hügelige Thäler; dann erstiegen wir einen niedrigen Gebirgskamm, und das überraschend schöne Silindong-Thal lag in seiner ganzen Größe zu unseren Füßen. Ich hatte bisher auf dieser Reise keine größeren Flächen als von einigen Paal Länge (das Lavas-Thal ausgenommen) gesehen. Hier erblickte ich eine Ebene, die gewiß über zwanzig Paal lang und acht Paal breit sein mochte; sie war von dem Padang-Toru in mehreren Armen durchschnitten und bewässert, und mit üppig grünen Reisfeldern bedeckt. Eine unzählige Menge kleiner Boskette lagen wie Blumen über den großen, grünen Teppich gestreut. Jedes Boskett barg, wie ich später sah, ein Utta.
Bevor wir in das Thal hinab stiegen, bedeutete[S. 74] mir Hali-Bonar, mich nicht von ihm zu entfernen und stets hinter seinen Rücken zu bleiben. Den Zug eröffneten seine sechs Lanzenknechte, dann kam er, dann ich, mein Führer und noch einige Leute von irgend einem Utta. An dem ersten Utta angekommen, gab es schon Anstände mit dem Weiterkommen. Ueberall war es bereits bekannt, daß ich im Lande sei und wohin ich gehen wolle. Vor jedem Utta, an dem mein Weg vorüber führte, standen die Männer versammelt, mit Lanzen und Parangs bewaffnet, und versperrten mir den Durchzug. Doch am Ende wußte Hali-Bonar die Leute stets zu bewegen, mich weiter gehen zu lassen.
An einem Orte aber schien es ernster zu werden. Mehr als achtzig bewaffnete Männer standen am Wege und erwarteten uns. Als wir an ihnen vorüber wollten, verstellten sie den Weg, und in einem Augenblicke hatten viele Lanzenknechte einen Kreis um mich geschlossen. Die Leute sahen über alle Beschreibung wild und fürchterlich aus. Sie waren groß und kräftig, viele an sechs Fuß hoch, die Gesichtszüge leidenschaftlich bewegt, was sie noch viel häßlicher machte — das große Maul mit den hervorstehenden Zähnen glich wahrlich mehr dem Rachen eines wilden Thieres als einem menschlichen Munde. Sie schrieen und lärmten so auf mich los, daß, wäre ich mit dergleichen Scenen nicht schon vertraut gewesen, ich das äußerste hätte befürchten[S. 75] müssen. Ich hatte zwar Angst — die Scene war zu entsetzlich — doch verlor ich nicht meine Geistesgegenwart und setzte mich, anscheinend ruhig und vertrauungsvoll, auf einen Stein, der am Wege lag. Einige Rajahs traten auf mich zu, mir mit Worten und Zeichen drohend, daß, wenn ich nicht umkehre, man mich tödten und verzehren würde. Die Worte verstand ich nicht; aber die Zeichen ließen mir keinen Zweifel, denn sie wiesen mit einem Messer an den Hals, mit den Zähnen an die Arme und bewegten die Zahnkiefer, als hätten sie den Mund schon voll von meinem Fleische. Ich war natürlich schon seit dem Eintritte in dieses Land auf solche Scenen gefaßt, und hatte zu diesem Zwecke einen kleinen Satz in ihrer Sprache gelernt. Mein Gedanke war, wenn ich etwas sagen könnte, was ihnen gefiele, was sie lachen machen würde, hätte ich einen großen Vortheil über sie, denn die Wilden sind wie die Kinder — eine Kleinigkeit ist oft hinreichend sie zu Freunden zu machen. Ich erhob mich also, klopfte dem Vordersten der sich am meisten an mich heran drängte, freundlich auf die Achsel und sagte mit heiterer, lächelnder Miene, halb Malaisch, halb Battakisch: „Ihr werdet eine Frau nicht tödten und auffressen, am wenigsten eine so alte wie ich bin, deren Fleisch schon hart und zähe ist.“ Durch Zeichen und Worte gab ich ihnen ferner zu verstehen,[S. 76] daß ich keine Furcht vor ihnen hätte, daß ich bereit sei, meinen Führer zurück zu lassen und allein mit ihnen zu gehen; sie sollten mich nur bis Eier-Tau führen. Glücklicherweise fingen sie an, über mein Kauderwelsch, über meine Pantomine zu lachen. Meine Furchtlosigkeit, mein Zutrauen gefiel ihnen — ich hatte gesiegt. Sie reichten mir die Hände, die Reihen der Lanzenknechte öffneten sich, und froh und heiter, im Gefühle der überstandenen Gefahr, setzte ich mit meinen Leuten die Wanderung fort. Wir kamen unbelästigt bis Tugala, wo mich der Rajah Ompu-Soubun in seinem Hause aufnahm.
14. August. Nur sechs Paal zurückgelegt. Wiederholte wilde Scenen unterbrachen den Marsch. Nur mit der größten Mühe gelangte ich bis zu dem Rajah Ompu-nimar-longus, in dessen Utta ich diesen Tag und die Hälfte des folgenden bleiben mußte.
Hier fanden meinetwegen große Berathungen statt. Jeden Augenblick kam ein neuer Rajah mit einer kleinen Anzahl Lanzenknechte an; bald war das Utta voll von Männern und Bewaffneten. In dem hohen Rathe wurde leider beschlossen, daß ich nicht weiter vordringen dürfe. So nahe am Ziele, nach so vielen glücklich überstandenen Gefahren und Mühseligkeiten umkehren — das war doch sehr hart! Nach der Beschreibung der Eingebornen war ich nicht mehr als[S. 77] zehn bis zwölf Paal von dem See Eier-Tau entfernt. Ich hätte nur eine niedrige Hügelkette zu übersteigen gehabt und wäre an seinem Ufer gestanden. Sie sagten mir, daß sich „das große Wasser,“ wie sie den See nannten, weit ausbreite, daß das umliegende Land sehr fruchtbar und von mächtigen Völkern bewohnt sei, die unter der Regierung einer Königin stünden. Vergebens war mein erneuerter Antrag, meinen Führer zurückzulassen und allein mit einem ihrer Leute zu gehen, vergebens suchte ich sie durch Bitten zu bewegen, mich nur die Hügelkette ersteigen zu lassen, um doch wenigstens einen Blick auf den See werfen zu können. Sie erwiderten mir, daß sie mit den Battakern zu Eier-Tau beständige Uneinigkeiten hätten, und daß keiner von ihnen es wagen würde, mit mir dahin zu gehen. Sie versicherten mich, daß bisher noch kein Holländer (bei ihnen ist jeder Europäer ein Holländer) so weit gekommen sei wie ich, ohne feindlich behandelt, das heißt getödtet und aufgegessen worden zu sein.
Später hörte ich, daß die Königin von Eier-Tau einen Friedensbund mit den Silindongern unter der Bedingung geschlossen hatte, keinem Fremden zu erlauben, bis an die Grenze ihres Landes vorzudringen. Was an der Sache wahr oder falsch war, konnte ich nicht ergründen.
[S. 78]
Den folgenden Tag ward der Zulauf des Volkes noch stärker; es schien, als versammelten sich alle streitfähigen Männer des Thales; man sah nichts als Lanzen, Parangs, die viele aus der Scheide gezogen hatten, sogar einige sehr lange Gewehre. Das Ganze glich einer echt kriegerischen Scene, die ich mit großem Gefallen betrachtet hätte, wäre meine Lage weniger kritisch gewesen. Ich sah aus ihren Mienen und Geberden, daß alles mir galt, und konnte keinen Augenblick sicher sein, daß nicht einem oder dem andern die Lust ankäme, mich zu morden, denn so wie es nur einer Kleinigkeit bedarf, die Wilden zu Freunden zu machen, eben so bedarf es auch nur wieder einer Kleinigkeit, sie in die grausamsten Feinde zu verwandeln. Am unheimlichsten war mir der Gedanke, mich unter Kannibalen zu befinden. Ich begriff in solchen Augenblicken oft selbst nicht, woher ich den Muth genommen hatte, mich unter dieses Volk zu wagen.
Während der Nacht war in dem Hause neben jenem des Rajah, bei dem ich wohnte, ein Weib gestorben; ich ging Morgens hin, um zu sehen, was mit der Leiche vorgenommen wurde. Sie lag ausgestreckt auf einer Matte und war in zwei Sarongs so eingeschlagen, daß man nur das Gesicht sah. Drei Weiber (wie man mir sagte, die Töchter der Verstorbenen) bewegten sich langsam um die Leiche, stießen[S. 79] taktmäßig mit den Füßen auf den Boden, murmelten dabei einige Worte und kniffen sich mit den Nägeln in die entblößte Brust, bis hier und da etwas Blut zum Vorschein kam. Jeden Augenblick beugten sie sich über die Leiche und berührten sie. Die übrigen weiblichen Verwandten saßen an den Füßen der Todten und heulten von Zeit zu Zeit; der Mann saß abseits und zeigte eine sehr betrübte Miene. Vor dem Hause stand der Sarg, ein ausgehöhlter Baumstamm, der aber so schmal war, daß die Leiche mit aller Gewalt hinein gepreßt werden mußte. Die Leichen begraben sie gewöhnlich am Saume der Wälder oder in Gebüschen; in einem einzigen Utta sah ich ein Grab neben einem Hause.
Im grellen Widerspruche zu den Umständen, welche die Leute mit den Verstorbenen machen, steht die Theilnahmslosigkeit, die sie für die Kranken haben. Ich sah in mehreren Uttas halb sterbende Geschöpfe, die sich mit größter Anstrengung über die kleine Hausleiter schleppten, um an die Sonne zu gelangen. Niemand sah nach ihnen, kein Mensch reichte ihnen Hilfe.
15. August. Gegen Mittag verließ ich mit meinen Begleitern das Utta. Man führte mich nun zurück, aber nicht auf demselben Wege, auf welchem ich gekommen war; im Gegentheile schleppte man mich im Zickzack von einem Utta zum andern; es war als[S. 80] wollten mir die Battaker die Erlaubniß, ihr Land zu verlassen, noch schwerer ertheilen, als jene, es zu betreten.
Die Uttas sind in diesem Thale mit acht Fuß hohen Erdwällen umgeben und mit so hohen und dichten Bambuspflanzungen umzäumt, daß man außerhalb derselben weder die Häuser noch die Wälle sieht. Manche sind noch überdieß von einer Wasserpfütze umgeben. Jedes Utta hat nur einen ganz schmalen Eingang mit einer Thüre, die Nachts geschlossen wird.
Daß mein Leben, trotz meiner Verzichtleistung auf weiteres Vordringen und trotz des eingetretenen Rückwegs noch nicht in Sicherheit war, zeigte sich heute. Ein hoher, sehr wild aussehender Mann empfing uns, umgeben von bewaffnetem Volke, an dem Eingang eines Utta. Auch hier, wie Tags zuvor, schloß man einen Kreis um mich. Der Wilde sprach mit großer Heftigkeit und ließ meine Leute kaum zu Worte kommen, ja einmal sah ich das gelbliche Gesicht meines Führers noch mehr erbleichen und die Worte auf seinen Lippen ersterben. Mich selbst stieß der Wilde mehrmal an und bedeutete mir gebieterisch, ihm in sein Haus zu folgen; er faßte mich sogar einmal am Arme. Hali-Bonar winkte mir mit den Augen, nicht von seiner Seite zu weichen und ja nicht jenem zu folgen. Erst nach langen Erläuterungen und[S. 81] lebhaftem Wortwechsel, erwirkte Hali-Bonar den Durchzug. Hier schien mein Leben nur an einem Haare gehangen zu haben.
Als wir das Utta im Rücken hatten, hieß mich mein treuer Beschützer knapp vor ihm gehen; er mochte vielleicht befürchten, daß dieser blutdürstige Häuptling nachkommen und mir von rückwärts den Parang durch den Leib stoßen könnte. Auch befahl er uns, so schnell als möglich zu gehen. Wir liefen an fünf Stunden durch Wald und Alang unausgesetzt fort bis zu einem Utta, wo die Leute freundlicher und bereit waren, uns über Nacht aufzunehmen. Allein Hali-Bonar hielt die Entfernung noch nicht für groß genug, und weiter ging es auf beschwerlichen Kreuz- und Quer-Wegen. Erst spät Abends erreichten wir ein Utta, dessen Namen mir jedoch entfiel, denn auf der Rückkehr kamen wir durch so viele Uttas, daß ich ihre Namen nicht behalten konnte. Zu schreiben wagte ich nicht, um nicht für eine Spionin gehalten zu werden.
16. August. Diesen Morgen sah ich ein Mädchen aus einem der Häuser stürzen und sich heulend und weinend zur Erde werfen, als wäre ihr das größte Unglück begegnet. Dabei löste es ein Stück seines Schmuckes nach dem andern von Hals, Arm und Ohr, und wickelte alles sorgfältig in ein Tuch. Es sprang dann auf, lief ein Haus weiter, warf sich da[S. 82] neuerdings unter Geschrei und Geheul nieder, raffte sich wieder auf und eilte in das Haus zurück, aus welchem es gekommen war. Ich hielt dieses Geschöpf für wahnsinnig; allein mein Führer sagte mir, daß es diesen Abend heirathen und daher allem Schmuck (Glasperlen und Messingringe) Lebewohl sagen müsse. Diesem Geschmeide weinte es bittere Thränen, während beim Abschiede vom elterlichen Hause das Auge vielleicht trocken bleibt! —
Auch heute kamen wir nur wenig vorwärts. Von einem Utta ging es zum andern. Mitunter machten wir große Umwege, um irgend ein Utta zu vermeiden, dessen Bewohner, wie Hali-Bonar schon unterrichtet sein mochte, feindselig gegen uns gestimmt waren. Ich konnte nie erfahren, warum wir zurück nicht denselben Weg nahmen, auf welchem wir gekommen waren.
In den Utta’s, in welchen man uns über Nacht aufnahm, wurden wir stets auch gastfreundlich bewirthet und erhielten nebst Reis manchmal Ubi (süße Kartoffeln) oder wohl gar ein Huhn, Morgens Tadi, die bereits beschriebene geronnene Milch. Das Huhn, die Ubi und den Tadi gab der Rajah, den Reis lieferte die Gemeinde. In jenen Utta’s aber, in welchen wir nicht gastlich aufgenommen wurden, hielt es oft schwer, einen Trunk Wasser zu erlangen.
[S. 83]
17. August. Wie gestern und vorgestern von einem Utta zum andern gezogen, mehr oder minder freundliche Aufnahme gefunden.
18. August. Endlich war das schöne Thal Silindong, dessen Anblick mir so viele Freude gemacht hatte, dessen Durchwandern von so gefährlichen, schrecklichen Scenen begleitet war, glücklich im Rücken. Alle Gefahr war zwar nicht vorüber, doch wenigstens der bei weitem größere Theil[6].
Ich zählte auf dieser meiner Treibjagd durch das Silindong-Thal mehr als fünfzig Utta’s rings umher. Eben so viele, wenn nicht mehr, mögen noch weiter im Thale gelegen haben. Manche der Utta’s bestanden aus zwanzig bis vierzig Häusern, die kleinsten aus fünf bis sechs. In den großen Häusern zählte ich in den vier Ecken des Gemaches zwanzig bis fünfundzwanzig Personen (natürlich die Kinder mitgerechnet). Doch ist die Größe der Häuser nicht überall gleich, da in manchem nur eine Familie wohnt. Nimmt man, sehr gering gerechnet, auf jedes Utta durchschnittlich 150 Seelen an, so stellt sich für das ganze Thal eine Bevölkerung von[S. 84] 15,000 Seelen heraus, eine Berechnung, die gewiß nicht übertrieben ist. Auf keiner Insel des Indischen Archipels, Java nicht ausgenommen, sah ich eine ähnlich bevölkerte und reichbepflanzte Gegend.
Schade, daß gerade in diesem herrlichen Thale die Menschen so wild und kannibalisch sind. Ich fand die Leute im allgemeinen sehr groß und kräftig, was besonders von den Rajahs gilt, auf deren Wahl Größe und Stärke den meisten Einfluß haben sollen. Die Hautfarbe der Battaker ist lichtbraun oder bräunlichgelb. Die Männer tragen die Haare entweder lang und fliegend, oder halb abgeschnitten und wie Borsten von dem Kopfe abstehend. Männer und Weiber gehen in Sarongs gekleidet, die von schwarzer Farbe und mitunter an den Rändern mit Glasperlen besetzt sind. Ein mit Glasperlen besetzter Sarong kostet bis fünfunddreißig und vierzig Rupien. Die Männer tragen beständig eine Lanze und den Parang und verlassen selten das Haus ohne diese Waffen. Siri kauen, Tabak rauchen ist ihre Hauptbeschäftigung, der Mund ruht auch nicht einen Augenblick. Dies gilt eben so gut von den Weibern (die gleichfalls rauchen), ja sogar schon von den fünf- bis sechsjährigen Kindern. Ich glaube, die Kinder verwechseln hier die Mutterbrust mit der Cigarre und dem Siri. Ich sah Kinder von fünf Jahren, die ihre kleine Strohtasche mit allen Bestandtheilen für Siri und Cigarre[S. 85] schon über den Schultern hängen hatten. Die Battaker sind, wie ich bereits bemerkt habe, über alle Maßen schmutzig und unrein. Der Sarong wird nie gewaschen, nie geflickt und nicht gewechselt, bis er in Stücken vom Leibe fällt. Sie baden sich wohl, d. h. sie schütten Wasser über sich, ohne sich zu waschen und abzutrocknen, wie die Malaien, und damit ist alles gethan. Ihre Behausung, ihre Matten und Kochgeschirre werden nie gereinigt. In letztere greifen sie mit schmutzigen Händen, die Kinder nehmen daraus und halten sich darüber, wobei oft ein Theil der Nahrung aus dem Munde in den Topf zurückfällt. Zuweilen kömmt wohl auch ein Hund geschlichen und spricht den Töpfen verstohlen zu. Ich will nur eine Scene erzählen, die ich gesehen habe. Meine Leser werden sich vielleicht wundern, wie man Aehnliches niederschreiben kann; allein sie ist zu charakteristisch, um verschwiegen zu werden.
Ich saß in einem Soppo neben einem Weibe, das mit Weben beschäftigt war und ein Kind von etwa zehn Monaten auf den Rücken gebunden hatte. Das Kind fing zu weinen an und die Mutter legte es an die Brust. Es mochte jedoch kurz zuvor mit einer guten Portion Reis vollgestopft worden sein, denn die Muttermilch war ihm zu viel — es entleerte sich von allen Seiten in der Mutter Schooß. Diese blieb gelassen[S. 86] sitzen, rief einen Hund herbei, schlug den Sarong auseinander und ließ den Hund alles aufzehren. Sie hielt ihm dann das Kind von allen Seiten hin, daß er es rein lecke. Das Kind ward wieder auf den Rücken gebunden und das Weib fuhr in seiner Arbeit fort. Unter einem solchen Volke brachte ich einige Wochen zu, mit diesen Leuten mußte ich aus einer Schüssel essen! Man wird mir gern glauben, daß dieß das größte Opfer war, welches ich meiner Reiselust bringen konnte, daß ich alle übrigen Beschwerden und Mühseligkeiten, ja die Gefahren selbst, leichter ertrug, als diese unbeschreibliche Unreinlichkeit.
Wir brachten die Nacht ungefähr sechs Paal von der Grenze des Silindong-Thales, in dem Utta Kaßan zu.
19. August. Bolanahito. Hier nahm ich Abschied von meinem wackeren Freunde Hali-Bonar, dessen kräftigem Schutze ich wohl mehr als einmal das Leben dankte. Es hieß nun abermals den Wald, die „Wüstenei“ durchziehen, die als natürliche Grenze das Land der freien Battaker von den Holländischen Besitzungen trennt. Als letzten Dienst gab mir Hali-Bonar noch vier seiner Leute mit, die mich bis Danau begleiten sollten.
20. und 21. August. Gewöhnt, wie ich es war, an alle Mühen und Entbehrungen, an Regen[S. 87] und Hitze, an die ermüdendsten Märsche, überfiel mich dennoch fast ein Fieberschauer, als ich an den Wald gelangte, der fürchterlichen Wege, der Gefahren, der schlaflosen Nacht gedachte, die ich das erstemal da zugebracht hatte. Doch glücklich kamen wir Abends am zweiten Tage zu Danau an, wo mich die Leute mit großer Freude und Herzlichkeit begrüßten. Jeder drängte sich an mich, mir die Hand zu drücken. Sie wiederholten einstimmig, daß sie nicht gedacht hatten, mich wiederzusehen.
Auf dieser Reise unter den Battakern hatte ich stets nach dem Kampferbaume gefragt, der, wie man mir sagte, im Norden Sumatras bis zu einer Höhe von 120 Fuß vorkommen soll. Man zeigte mir einige, die aber kaum 70 Fuß haben mochten. Der Kampfer sitzt zwischen der Rinde und dem Baste. Die Rinde wird abgelöst und der Kampfer mittelst eines großen Besens herabgekehrt; dieß muß mit großer Sorgfalt geschehen, denn wenn der Besen zu tief eingreift, geht der Baum zu Grunde. Manche hauen den Baum um, um für den Augenblick mehr Kampfer zu gewinnen. Der stärkste Baum liefert auf die erste Art höchstens ein Pfund Kampfer, auf die letztere das doppelte. Der Pikul dieses Kampfers kostet sechs- bis zehntausend Rupien. Er kommt als Arznei in[S. 88] dem Handel gar nicht vor[7], da ihn die Chinesen begierig aufkaufen, von diesen die Japanesen, welche ihn mit dem Japanischen Kampfer vermengen und zur Bereitung ihres durch seine außerordentliche Feinheit bewährten Lacks verwenden. Als Arznei soll der Kampfer von Sumatra um nichts besser sein, als jener von Japan oder China.
Sago-Palmen sah ich ziemlich viele in Sumatra’s Waldungen; sie sollen aber viel weniger Mark enthalten als jene auf den Molukken, wo ihr eigentliches Vaterland ist.
22. August. In Danau ließ ich meinen Führer zurück, der mir wo möglich noch unausstehlicher war, als jener von Sarawak. Ich forderte nur einen Kulli, um mein kleines Gepäck zu tragen; man wies mir einen zehnjährigen Knaben an. Ich weigerte mich das Kind zu nehmen und wich nicht vom Platze, bis mich mein Führer mit einem kräftigeren Träger versehen hatte. Kaum aber waren wir einen Paal im Walde, so kam der Junge nachgelaufen, der Träger setzte mein Ränzchen ab und ging davon. Dieß war, wie mir der Junge sagte, zwischen dem Träger und meinem Führer so abgemacht. Ich erwähne diese Geringfügigkeit nur, um zu zeigen, wie man oft mit den Führern[S. 89] hintergangen und der Willkür und Bosheit derselben ausgesetzt ist. Ich beschwerte mich wohl, als ich zu Herrn Hammers zurückkam, über die schlechten Dienste jenes Mannes. Ich hatte ihn auch sehr im Verdachte, daß er Ursache war, warum man mich nicht bis Eier-Tau ließ, und ich vermuthe, er hat die Leute ersucht mir Hindernisse in den Weg zu legen, damit es schneller an die Heimkehr ginge. Allein was nützten meine Klagen! Der Mensch hütete sich wohl während meiner Anwesenheit zum Vorscheine zu kommen. Erst lange nachdem ich fort war, ließ er sich sehen und gab vor, in Folge der großen Mühen in Danau schwer erkrankt gelegen zu haben.
Ich ging diesen Tag bis Sipirok, wo die Fußreise ein Ende hatte. Im Ganzen war ich an 150 Paal gegangen, was auf guten Wegen gerade nicht so anstrengend gewesen wäre; so aber war es einer wahren Herkules-Arbeit zu vergleichen.
23. August. Padang-Sidimpuang. Nachmittags vier Uhr kam ich glücklich aber ausgehungert bei Herrn Hammers an, — ich hatte seit gestern drei Uhr nicht die geringste Nahrung gesehen. Meine erste Bitte war um eine Tasse Kaffee mit guter Büffelmilch und um ein tüchtiges Stück Brot. Man kann sich gar keine Vorstellung machen von dem angenehmen Gefühle, das ich empfand, als ich mich wieder in voller[S. 90] Sicherheit sah, mich an eine reinliche Tafel mit guten Gerichten setzte, in ein herrliches Bett zur Nachtruhe ging. Wer keine Mühen und Gefahren ausgestanden hat, vermag das Gute nie in solchem Maße zu schätzen und zu würdigen.
Ich verweilte einige Tage bei Herrn Hammers, und auch auf dem Wege nach Fort de Kock ruhte ich hie und da einen Tag aus. Erst am 9. September traf ich sehr leidend in Fort de Kock ein, wo ich in ein heftiges Fieber fiel. Allein der trefflichen Pflege der liebenswürdigen Gemahlin des Residenten, der ärztlichen Hilfe und meiner guten, wirklich unzerstörbaren Natur, hatte ich es zu danken, daß ich bald wieder hergestellt war. Die Sumatra-Fieber (Wechselfieber) sind sehr hartnäckig und bösartig, wie es die Folge leider auch an mir zeigte. Man verliert sie oft Jahre lang nicht; sie gehen häufig in Auszehrung und andere Krankheiten über und sind vielen sogar tödtlich.
Kaum fühlte ich meine Gesundheit zurückgekehrt, so richteten sich meine Gedanken schon wieder auf einen kleinen Ausflug. Doktor Bauer, ein Deutscher, ausgezeichnet durch seine medicinischen und botanischen Kenntnisse, war zu Paya-Kombo stationirt. Ich wollte die Bekanntschaft dieses Mannes machen und[S. 91] zugleich diese Gegend Sumatras sehen, die einen ganz eigenthümlichen Charakter haben soll.
Am 18. September saß ich wieder zu Pferde und ritt zweiundzwanzig Paal nach Paya-Kombo. Das wellenförmige Hügelland verschwindet allmählig und gibt schönen Thälern, großen Ebenen Raum. Herrliche Gebirgsketten steigen in mehrfachen Reihen auf: der Merapi, der Singallang, die höchsten, der Sago, minder hoch, aber seiner besonderen Form wegen in die Augen fallend. Sein Sattel zieht sich ziemlich in die Länge, viele Felskuppen und Felsparthieen zieren ihn und bewirken einen schönen Kontrast zu den üppigen Waldungen, die seine Nachbarn bekleiden.
Wahrhaft pittoresk wird die Gegend in der Nähe des Kampon Titti. Einzelne Felsstücke, bedeutende Felsgruppen liegen wie auf die Ebene geworfen, — welch fürchterliche Revolution mag sie von den Bergen so weit weggeschleudert haben!
Unfern von Titti stürzt sich der Pattang-Agam wild brausend und schäumend durch einen tiefen, engen Felsspalt. Eine hoch gemauerte Brücke führt darüber, welcher gegenüber sich eine wunderbar malerische Felsgruppe, theilweise mit schönen Gewinden von Schling-Gewächsen und anderen Pflanzen übersponnen[S. 92] aufthürmt. Lange weilte ich auf der Brücke, um das grause Bild des tobenden Stromes, die ruhig milde Landschaft um mich her, die Gebirgswelt in der Ferne mit einem Blicke zu überschauen.
Die letzten Paal von Paya-Kombo geht es unausgesetzt zwischen Alleen von Kokospalmen, viele Kampons liegen am Wege oder in den umliegenden Reisfeldern. Die ganze Gegend vom Fort de Kock bis Paya-Kombo ist sehr belebt und reich kultivirt.
Dieser kleine Ausflug machte einen höchst angenehmen Eindruck auf mich, alles, was mich umgab, war lieblich — eine Landschaft in rosigem Lichte.
Zu Paya-Kombo stieg ich bei Dr. Bauer ab. Auch er hatte schon manches von mir gehört; wir waren uns daher gegenseitig nicht fremd. Die Tage, die ich in dieses hochgebildeten Mannes Gesellschaft zubrachte, werden mir unvergeßlich bleiben.
Ich fand bei Dr. Bauer zufällig einen zweiten Deutschen, Lieutenant Freiherrn von Bülow, der von Fort de Kapellen auf Besuch gekommen war. Wir sprachen viel von den Naturschönheiten Sumatra’s. Unter anderem kam die Rede auch auf den Merapi, seine Krater und seine schönen Aussichten. Herr von Bülow, der Berg und Krater schon oft besucht hatte, machte uns davon eine so reizende Schilderung, daß wir sogleich den Entschluß faßten, ihn[S. 93] gemeinschaftlich zu besteigen. Herr von Bülow ritt denselben Tag nach Fort de Kapellen, um den Assistent-Residenten Herrn Netscher zu ersuchen, auf dem Berge eine kleine Laubhütte für unser Unterkommen errichten zu lassen.
Am nächsten Tag verweilte ich noch zu Paya-Kombo, den folgenden Tag, 20. September, ritten wir, Dr. Bauer und ich, nach Fort de Kapellen, auf Malaisch Pagar-udjong, im Distrikte Tanar-Dater, zwanzig Paal.
Herr Netscher nahm mich nicht nur auf die freundlichste Weise bei sich auf, er war auch so überaus gefällig gewesen, den Rajah von Sungi-djambu zu ersuchen, die auf den Berg führenden Pfade ein wenig in Ordnung bringen, so wie auf halber Höhe die erwähnte Laubhütte errichten zu lassen.
Abends machten wir einen Spaziergang nach dem Kampon Pugger-zuijong, in welchem mehrere große Steine mit eingehauenen Inschriften liegen, die bisher noch von niemandem entziffert werden konnten. Mich erinnerte die Form dieser Steine an die Runensteine, die ich in Island und Norwegen gesehen hatte.
21. September. Von Fort de Kapellen konnten wir noch sieben Paal reiten bis an die Kaffeegärten, die an den Abhängen des Merapi angepflanzt sind. Unterwegs verweilten wir einige Zeit in dem[S. 94] Kampon Sungi-djambu, der gleich jenem von Kotto-Godong seiner Wohlhabenheit wegen bekannt ist. Ich fand hier, wie dort, die Häuser mit Oelfarben angestrichen, mit Holzschnitzwerk geziert, und bei den Bewohnern schwerseidene Sarongs, Kopftücher mit Gold durchwirkt und viel echtes Geschmeide. Wir mußten bei dem Rajah ein kleines Mahl einnehmen.
Bei den Kaffeegärten, die so wie die Wege besonders gut angelegt und gehalten waren, begann die Fußreise. Ein schöner Steig, zum Theil für uns ausgebessert, führte bis zur neugeschaffenen Hütte, die so bequem und solid gemacht war, als sollte sie für Monate und nicht für Tage dienen. Mehr als siebzig Menschen hatten gestern und heute am Steig und an der Hütte gearbeitet; sie waren, als wir anlangten, noch im vollen Schaffen begriffen. Jeder von uns fand sein eigenes, winzig kleines Schlafkämmerchen. Da Herr von Bülow Diener, Koch, Lebensmittel u. s. w. vorausgesandt hatte, so erfrischten wir uns sogleich an Speise und Trank.
Die Reise ging diesen Tag nicht weiter; dessen ungeachtet gönnten wir uns aber nicht die geringste Ruhe. Wir suchten Blumen und Insekten, wir kletterten auf freie Punkte, um die Gegend zu überschauen. Die dreifache Gebirgskette, welche Sumatra von Süden nach Norden durchschneidet, lag mit allen ihren merkwürdigen[S. 95] pittoresken Spitzen und Zacken, Kuppen und Einsenkungen vor uns aufgedeckt. Die klare Spiegelfläche des Sinkara-Sees[8] schimmerte gleich einem Silberflor aus der Mitte des ihn umgebenden Hügelkranzes, das Meer begrenzte in weiter Ferne den wolkenlosen Himmel, und große, fruchtbare Thäler breiteten sich aus zwischen Berg, Hügel und Meer. Lange hielt uns dieses Rundgemälde fest gebannt, wir waren so in der Anschauung von Gottes schöner Natur vertieft, daß jedes Wort auf unsern Lippen erstarb. Die Natur selbst schien uns in der Betrachtung, in der Bewunderung nicht stören zu wollen: kein Laut schlug an unser Ohr, kein Lüftchen bewegte sich. Zu früh erstarb der letzte Strahl der Sonne, zu schnell verblich ein Gegenstand nach dem andern in der schnell heranrückenden Dämmerung.
Als sich die Nacht gänzlich herabgesenkt hatte, ward ein tüchtiger Holzstoß angezündet, um Herrn Netscher unsere Anwesenheit auf der Höhe kund zu machen. Nach kurzer Zeit loderte auch in der Tiefe ein Feuer als Antwort auf.
22. September. Nur drei- bis viertausend Fuß hatten wir heute zu steigen — eine geringe Mühe, hätte sich ein Pfad hinauf geschlängelt; allein so weit[S. 96] konnte die Arbeit in diesen zwei Tagen nicht gefördert werden. Es galt daher steil aufgethürmte Stein- und Erdwälle zu erklimmen. Zuerst kamen wir an einen Krater, der schon lange ausgetobt haben mochte — seine Tiefe schlief ruhig unter einer Wasserdecke. Dr. Bauer sah an dem Wassersaume einige Blumen und wäre gerne hinab geklettert; allein die Wände fielen etwas zu steil ab, waren mit losem Gerölle bedeckt und die Führer versicherten uns, daß ohne Stricke und Leitern an ein Hinabsteigen nicht zu denken sei.
Ein zweiter Krater von bedeutendem Umfange, doch nicht tief, lag in einiger Entfernung vom ersten. Auch dieser war schon lange erstorben; aber gewaltig mag einst die Wuth und Kraft seiner Elemente gewesen sein, denn weit und breit war alles mit großen Steinen überdeckt. Noch wagte es beinahe kein Grashalm, keine Blume in dieser ausgebrannten Werkstätte Wurzel zu fassen.
Endlich gelangten wir an den Hauptkrater. Ich hatte schon viele Krater, besonders auf Island gesehen; aber keiner ließ sich mit diesem vergleichen. Eine regelmäßigere, man könnte sagen, kunstgerechtere Trichterform, als die Natur hier gebildet hat, kann sie nicht mehr schaffen. Die Tiefe, die der Krater im gegenwärtigen Augenblicke hatte, mochte 400 Fuß betragen, der obere Durchmesser 300 Fuß. Aus zwei Oeffnungen[S. 97] steigen unausgesetzt dicke, schwarze Rauchsäulen. Ein beständiges Zischen und Brausen verrieth die große Thätigkeit des nie ruhenden Feuerheerdes. An ein Hinabklettern war nicht zu denken: wir mußten uns damit begnügen, diese großartige Naturscene von dem Rande zu betrachten. Der Krater liegt 8500 Fuß hoch.
Wir hielten uns lange bei jeder Gelegenheit auf und kamen erst spät nach unserer Laubhütte zurück, viel zu spät, um noch nach Fort de Kapellen gehen zu können; wir blieben also auch diese Nacht auf der Höhe und gaben, wie gestern, der Gesellschaft zu Fort de Kapellen durch Anzünden eines großen Feuers unser Dasein kund[9].
[S. 98]
Am 23. September waren wir früh Morgens auf Fort de Kapellen und am folgenden Tag ritt ich, ohne Paija-Kombo zu berühren, in gerader Richtung nach Fort de Kock.
Ich sah auf diesem Ritte eine seltsame Naturerscheinung, die hauptsächlich nur Sumatra eigen sein soll. Ein weißer, undurchdringlich dicker Nebel lag über einer Fläche und deckte dermaßen alles, daß nicht der geringste Umriß irgend eines Gegenstandes durchschien. Man könnte wetten, einen See vor sich zu sehen, so ruhig und silberweiß ist der Nebel und so scharf abgegrenzt. Ich wußte, daß ich ein Nebelmeer vor mir hatte und wollte es doch nicht eher glauben, bis ich hinein ritt. Diese Nebel bleiben viele Stunden unbeweglich liegen.
Am 30. September verließ ich Fort de Kock, um nach Padang zurück zu kehren. Ich änderte jedoch unterwegs meinen Entschluß und machte einen Abstecher nach Priaman und Tiku an die See, um[S. 99] meine noch sehr unbedeutende Fischsammlung zu vermehren.
Fünf Paal von Priaman führt eine 360 Fuß lange, gedeckte Brücke über den Mangui; diese Brücke ist die längste auf Sumatra.
In Priaman stieg ich bei dem Assistent-Residenten Herrn Godin ab, ritt aber gleich den folgenden Tag weiter nach Tiku (24 Paal), mit der Hoffnung, eine reiche Ernte zu machen. Beständiges Regenwetter verdarb mir jedoch nicht nur die Ernte, sondern überhaupt den ganzen Ausflug, der mir bei schönem Wetter gewiß großes Vergnügen gemacht hätte, denn das Land war angenehm; viele Kokos-Alleen umschatteten schöne Wege, und zahlreiche, sehr reinliche Kampons belebten sie. Ich fand keine Gegend auf Sumatra, das Thal Silindong ausgenommen, so bevölkert, wie diese längs des Seegestades.
Die Weiber hatten hier die Ohrläppchen mehr durchlöchert als irgendwo. Ich war stets froh, diese häßliche Zierde mit einer Messingplatte oder einer Holzscheibe verdeckt zu sehen. Leider muß das weibliche Geschlecht auch hier mit der Heirath allem Schmucke und somit dieser dem Auge wohlthuenden Messingplatte oder Holzscheibe entsagen.
Nachdem ich zwei Tage vergebens auf besseres Wetter gewartet hatte, ritt ich unter Regen wieder[S. 100] nach Priaman. Ich mußte nun bald an meine Rückkehr nach Padang denken, um das Dampfboot nicht zu versäumen, das jeden Monat nach Batavia geht. Ich blieb daher zu Priaman ebenfalls nur zwei Tage.
Herr Godin brachte mir das große Opfer, mich unter dem heftigsten Regen nach einem nahen, kleinen Eilande zu begleiten, welches Priaman gegenüber liegt. Wir gingen in die See und suchten mehrere Stunden hindurch zwischen den Riffen und Korallen nach Fischen und Crustaceen; zuletzt kamen wir von Wasser triefend, zitternd vor Kälte, aber auch reich beladen nach Hause. Obwohl ich mich Abends etwas unwohl fühlte, hielt mich dies doch nicht ab, den Besuch nach diesem Eilande, das meiner Sammlung so reiche Beträge lieferte, am nächsten Tage zu wiederholen[10].
Am 7. Oktober langte ich in Padang an. Unterwegs erfaßte mich ein so heftiges Fieber, daß ich Wellkom nicht mehr erreichen konnte und in Padang[S. 101] selbst die höchst erfreuliche Einladung des Herrn van Genepp, in seinem Hause abzusteigen, mit vielem Danke annahm. Freundliche, sorgfältige Pflege, für welche ich dieser liebenswürdigen Familie aus vollem Herzen danke, und ärztliche Hilfe bekämpften auch hier wie auf Fort de Kock das Fortschreiten meiner Krankheit, und als nach acht Tagen das Dampfschiff nach Batavia segelte, war ich schon so weit hergestellt, um mitzugehen.
Ich habe auf Sumatra an 700 Paal zu Pferde und 150 zu Fuße gemacht. An allen Orten wurde ich von den Holländischen Beamten und Officieren auf die gastfreundlichste und liebevollste Weise aufgenommen, ich mochte mit oder ohne Empfehlungsbrief kommen. Man half mir überall fort, man gab mir Leute und Pferde — mit einem Worte alles was ich benöthigte.
Sowohl in Hinsicht der herrlichen Naturscenen, die ich gesehen, der interessanten Ereignisse, die ich erlebt, als auch wegen der überaus zuvorkommenden Aufnahme, die ich bei den Europäern gefunden, gehört diese Reise zu meinen liebsten und schönsten Erinnerungen.
[5] Auch in den Battaker-Ländern hat jedes Utta seinen Rajah. Dieser vielen Rajahs wegen ist das Reisen so beschwerlich; alle Augenblicke muß man den Schutz eines neuen zu erhalten suchen.
[6] Einige Zeit später begaben sich drei Französische Missionäre in das unabhängige Battaker-Land. Während ich bis Klein- und Groß-Toba vorgedrungen war, kamen sie nur bis Tapanola. Sie wurden von den Kannibalen erschlagen und unter großen Freudenfesten verzehrt.
[7] Ganz Sumatra liefert, wie bereits erwähnt, jährlich höchstens zwei Pikul.
[8] Dieser See ist 15 Paal lang, 5 Paal breit, und liegt 1300 Fuß über der Meeresfläche.
[9] Dr. Bauer erlaubte mir bereitwilligst, Folgendes über die Vegetation auf dem Merapi aus seinem Tagebuch zu entnehmen.
„Die sich bald verlierende Kokospalme wird durch die Arengpalme (aus der man den Suri und braunen Zucker gewinnt) ersetzt. Die etwas tiefer häufigen Feigenbäume kommen allmählig seltener vor. Die rauhblätterigen Teraströmiaceen (Saurauja) mögen zuerst den Beginn der Bergvegetation bezeichnen. Später traten die schöne, unten an den Blättern weiße Nessel Urtica nivea Bl., noch später herrliche, rothe und gelbe Balsaminen auf. Die parasitischen Orchideen sind seltener als auf Java. In einer Höhe von 2500 bis 4000 Fuß sieht man viele Eichen und Kastanien, deren Früchte den Europäischen bald mehr bald minder gleichen. Die Laurineen (Lorbeergewächse) und die Rubiaceen scheinen hier so zahlreich wie auf Java zu sein; dagegen vermißt man die schöne, dort einheimische Rasamala (Liquidambar Altingiana). Reich vertreten sind die Aroideen, Scitamineen, Acanthaceen, Araliaceen, Sapindaceen, Meliaceen, Terebinthiaceen und Leguminosen. — In einer Höhe von etwa 6800 Fuß beginnt die, der Javanischen ähnliche Alpenflora. Man sieht vor allem das zierliche Rhododendron retusum Benn. und viele schöne Arten von Gautiana, Thibaudia oder Agapetes u. a. Graphalium und verschiedene neue Arten von Synanthereen zeigen sich bis hoch hinauf.“
[10] Schon bei meinem frühern Aufenthalte in Batavia hatte ich das Vergnügen, die Bekanntschaft des Herrn Doktor Blecker zu machen, der unter die ersten Ichthyologen unserer Zeit zu zählen ist. Herrn Bleckers Sammeln beschränkt sich hauptsächlich auf Indien; er hat in dieser Beziehung gewiß die reichste Sammlung, die bisher besteht. Ich war so glücklich, ihm mehrere neue Gegenstände von Borneo, Sumatra und von den Molukken zu bringen. Er beschenkte mich dagegen reichlich mit Fischen von Java und andern Plätzen.
[S. 102]
Java. — Samarang. — Die Schlammquellen von Grobogan. — Besuch der freien Fürstenthümer Djogokarta und Surukarta. — Der Tempel Boro-Budoo. — Die heilige Schildkröte. — Audienz bei dem Sultan. — Solo. — Fürstliches Leichenbegängniß. — Audienz bei dem Susuhunan. — Rückkehr nach Samarang. — Reise nach Surabaya.
n Batavia angekommen wollte ich die Güte des Residenten Herrn van Rees
nicht mißbrauchen und stieg bei der Familie des Herrn Obrist Steuerwald
ab.
Meines Bleibens war aber nicht lange; ermuthigt durch die gute Aufnahme, die ich auf Java und Sumatra gefunden, durch die Bereitwilligkeit, mit welcher man mir überall das Reisen so viel als möglich zu erleichtern gesucht hatte, wünschte ich nun auch das Innere Javas, so wie Celebes, die Molukken u. s. w. zu besuchen.
Es gibt auf Batavia zwei Dampfschifffahrts-Gesellschaften, deren Schiffe alle Inseln und etwas bedeutenderen Punkte der Holländisch-Indischen Besitzungen[S. 103] berühren. Ich ging zu den Direktoren beider, den Herren Cores de Vries und Fraser, um sie zu ersuchen, mir die Ueberfahrtspreise etwas billiger zu stellen. Wer stellt sich meine Ueberraschung, meine Freude vor, als mir die Herren die Erlaubniß ertheilten, von ihren Schiffen unentgeldlich überall, wohin sie gingen, Gebrauch zu machen[11]!
Schon am 18. November verließ ich wieder Batavia auf der „Königin der Niederlande,“ Kapitän Chevalier, mit der Bestimmung für Samarang auf der Ostküste Java’s (210 Meilen). Wir hatten herrliches Wetter und legten die Reise in 37 Stunden zurück. Das Land verloren wir selten aus dem Gesicht. Es[S. 104] breitete sich als unübersehbare Ebene längs dem Seegestade aus; erst nahe bei Samarang kam wieder ein Theil der Gebirgswelt zum Vorschein, dabei der 5000 Fuß hohe Ungarang.
In Samarang fand ich bei Dr. Schmitz die herzlichste Aufnahme. Er wie seine Gemahlin waren Deutsche, hatten mir, der ihnen ganz Fremden, nach Batavia geschrieben und mich in ihr Haus eingeladen für den Fall, daß mich mein Weg nach Samarang führe. Von der Frau hatte ich schon viel in Batavia als von einer ausgezeichneten Sängerin sprechen gehört.
Die Stadt Samarang liegt in einer sehr fruchtbaren Ebene und ist von prachtvollen Alleen von Tamarinden-Bäumen umgeben, die hier zu einer seltenen Höhe und Ueppigkeit gelangen. Die Europäer wohnen auch hier, wie zu Batavia, außerhalb der Stadt.
Zu den ausgezeichnetsten Gebäuden gehört das Haus des Residenten[12]. In früheren Zeiten, als auch auf der Ostküste Java’s ein Gouverneur residirte, war es dessen Palast. Ein großer, schöner Garten umgibt es.
Nach diesem Gebäude ist das Hospital, die ehemalige Wohnung des Residenten, zu erwähnen.
[S. 105]
Ich besuchte die Hospitäler beinahe in allen Holländischen Niederlassungen und fand sie überall, selbst in den kleinsten Orten, ausgezeichnet, vollkommen gut eingerichtet und die Kranken trefflich gehalten. Ich müßte von jenen herrlichen Anstalten nur immer wiederholen, was ich von der ersten geschrieben habe. In dieser Hinsicht scheinen mir die Holländer alle übrigen Nationen zu übertreffen.
In der erwähnten Anstalt hatten es die Irrsinnigen vorzüglich gut: sie wohnten zu vier oder sechs gemeinschaftlich in hohen, geräumigen Zimmern. Als ich in ihre Abtheilung kam, hatte ich gar keine Ahnung, mich unter Irren zu befinden. Früher wurden die Unglücklichen bei starken Ausbrüchen gebunden; unter der Leitung des Dr. Schmitz hat diese Behandlung aufgehört. Er bestraft sie wie ungezogene Kinder und beschränkt sie auf einen oder mehrere Tage in der Kost, was stets den besten Erfolg hat.
Das Merkwürdigste in der Residentschaft Samarang sind die aufbrodelnden Schlammquellen in der Nähe des Districtes Grobogan. Herr Resident Potter gewährte mir Postpferde dahin (66 Paal), Frau Schmitz war so liebenswürdig, mich zu begleiten, und gut ausgerüstet verließen wir am 22. November Samarang.
Man kann leicht in einem Tage nach Grobogan[S. 106] kommen; da aber unterwegs zu Pennwangan (36 Paal) eine bedeutende Tabakfabrik lag, mit deren Inhaber, Herrn Klein, Frau Schmitz bekannt war, fuhren wir am ersten Tage nur bis dahin. Herr Klein zeigte uns die ganze Anstalt. Der Tabak ist auf Java nicht gänzlich Monopol; man ist nicht gezwungen, ihn gegen festgesetzte Preise an die Regierung zu liefern. Man miethet nur die Ländereien auf zwanzig Jahre von ihr, mit welchem Pachte zugleich das Recht auf eine gewisse Anzahl Arbeiter zu bestimmten Preisen verbunden ist.
Herr Klein hat auf den von ihm gepachteten Ländereien acht große Trockenhäuser von Holz aufgeführt, jedes 750 Fuß lang, 106 breit und 42 hoch. Die Tabaksblätter werden hier nicht gepflückt, sondern die Pflanze wird an dem Stengel abgeschnitten und so aufgehangen. Wenn die Blätter trocken sind, werden sie abgenommen, in große Haufen aufgeschichtet und so lange liegen gelassen, bis sie durch ihre eigene Wärme zu gähren beginnen. Die Verfertigung der Cigarren ist höchst einfach. Die großen, schönen Blätter werden mit feinem Reiskleister bestrichen, kleinere Blätter darein gerollt, die Cigarren oben und unten nach einem Maße abgeschnitten, nochmals getrocknet und verpackt.
Den 23. November ging es weiter durch die[S. 107] Districte Damak und Grobogan bis zu den Schlammquellen. Der Weg führte gestern wie heute durch große, unübersehbare Ebenen, deren Einförmigkeit mir etwas langweilig wurde. In weiter Ferne nach dem Inneren zu sah man den Ungarang, Merapi, Merbabu, längs der Seeküste die niedrigen Vorgebirge von Sumbing und Sindoro.
Diese Gegend wird ihrer Fruchtbarkeit wegen die Reiskammer von Java genannt, und doch fand hier im Jahre 1849 eine furchtbare Hungersnoth statt. Die Reisernte war mißglückt, und Tausende von Menschen starben dahin. Augenzeugen erzählten mir, daß man sich von dem Elende, von den schauderhaften Scenen dieser Zeit gar keine Vorstellung machen könne. In jeder Hütte lagen Todte, Sterbende, Halbverweste; die Lebendigen waren oft nicht mehr im Stande, die Verstorbenen hinweg zu schaffen. Ueberall begegnete man nur Gerippen; ausgehungerte Kinder, die Eltern und Freunde verloren hatten, irrten jammernd umher und schrieen nach Brot. Männer und Weiber fielen auf den Straßen nieder und gaben den Geist auf. Man beraubte die Kokospalmen ihrer Kronen, um die Blätter zu kochen und zu essen. Und so groß war dabei der Glaube dieser Unglücklichen an ihre Bestimmung, daß sie neben den vollen Reissäcken, die in und vor den Kaufläden standen, hinsanken und mit dem[S. 108] Hungertodte kämpfend ausriefen: „Gott hat dieses Schicksal über uns verhängt!“ — Kein Kaufladen wurde geplündert.
Mehrere Privatleute sandten Berichte über diese grenzenlose Noth an die Regierung und selbst an den Gouverneur-General (Herr Deimar van Twist war zu dieser Zeit noch nicht in Indien; er kam erst im Jahre 1851). Die Regierung schien aber nur ihren eigenen Organen glauben zu wollen und forderte officielle Berichte von dem Residenten zu Samarang, Herrn Be..... Sollte man es glauben, daß dieser Mann die Grausamkeit hatte, alles für unwahr zu erklären? Er wollte sogar die Namen jener wissen, welche die Berichte geschrieben hatten, um sie zu bestrafen[13]. Als die Regierung hinter die Wahrheit kam, war es für Tausende und Tausende schon zu spät[14]. Viele der Unglücklichen waren schon so schwach, daß sie die Nahrung nicht mehr vertragen konnten. Die Straßen, die Dörfer lagen voll Leichen; bösartige Seuchen entstanden in Folge der verpesteten Luft,[S. 109] und 120,000 Menschen starben in der Zeit von 13 Monaten (September 1849 bis Oktober 1850); außerdem wanderten über 20,000 aus. Und was geschah dem Residenten und dem Assistent-Residenten? — Ersterer wurde pensionirt, mit einem jährlichen Gehalte von 6000 Recepissen, letzterer als Resident in eine andere Provinz versetzt.
Noch jetzt sah es in dem Bezirke Grobogan, wo die Noth am größten war, düster und traurig aus. Obwohl die nie ermüdende Natur mit ihrem grünen Teppiche die Leichenfelder überdeckt hatte, konnte sie weder die Hütten beleben und vor dem Einsturze bewahren, noch den Bäumen ihre Kronen wiedergeben. Alang-Alang und Gestrüppe wucherte auf dem größten Theile des Bodens, zahllosen Heerden von Wildschweinen zum Tummelplatze dienend. In wenig Jahren wird freilich wieder alles reich ersetzt sein; die Geflüchteten kehren bereits zu ihren verfallenen Hütten zurück, der ausgeruhte Boden wird doppelt tragen, und der Reisende durch die Ebene ziehen, ohne im geringsten zu ahnen, von welchen Schreckensscenen sie Zeuge war. Wird auch Herr Be..... diese Scenen aus seiner Erinnerung streichen können?
Das Aufbrodeln der Schlammquellen sieht man schon einige Paal weit von der Straße aus; es gleicht der Brandung des Meeres. Der Schlamm steigt wie[S. 110] eine Woge in die Höhe, und der Dampf ist mit dem feinen Staubregen der schäumenden Welle zu vergleichen. Wir fuhren den Quellen bis einen halben Paal nahe. Tragstühle, durch die Vorsorge des Herrn Assistent-Residenten, der uns begleitete, bereit gehalten, brachten uns an Ort und Stelle.
Auf gelegten Brettern konnten wir bis an den Rand der Hauptquelle gehen. Ihr Becken mag über 100 Fuß im Durchmesser haben. Das ganze Becken ist zwar mit Schlamm gefüllt; allein nur ein kleiner Theil brodelt gleich einer Woge auf, das übrige ist halb verhärtet. Die Schlammquelle in diesem Becken hat 15 Fuß im Durchmesser; sie brodelte höchstens 4 Fuß auf; bei anhaltendem Regenwetter soll sie einige Fuß höher aufsteigen. Unbedeutende Aufbrodelungen von Schlamm gibt es an vielen Stellen in dem Becken; Gas- oder Luftblasen steigen beinahe überall auf. Ein zweites kleines Schlammbecken, von sechs bis sieben Fuß im Durchmesser, liegt unfern dem großen. Man kann ihm ganz nahe kommen; der kaum fußhoch aufwirbelnde Schlamm ist lauwarm. Wir steckten ein sehr langes Bambusrohr in das Becken, welches von der unterirdischen Kraft alsbald gehoben und über den Rand geworfen wurde. Die große Schlammquelle ist viel heißer als die kleine. Der Schlamm schmeckt sehr salzig. Viele Leute aus der[S. 111] Umgebung tragen davon nach Hause und ziehen durch Abwässerung die Salztheile heraus. Diese Quellen verdienen allerdings besucht zu werden; für mich waren sie jedoch nicht so überraschend, da ich auf Island viel Wunderbareres der Art gesehen hatte.
In der Nähe der Schlammquellen sind auch Salzquellen, oder besser gesagt Salzbrunnen, denn vierkantige Oeffnungen von 4 Fuß Breite und 40 Fuß Tiefe leiten zu ihnen. Sie haben in der trockenen Jahreszeit eine Wärme von 45 Grad Reaumur, in der Regenzeit von 39. Die Oeffnungen sind mit Balken ausgezimmert, um das Einstürzen des Erdreichs zu verhindern. Das Wasser wird herausgeschöpft und in große Becken geleitet, wo es so lange bleibt, bis sich der wenige Schlamm, den es mit sich führt, gesetzt hat. Man läßt es dann in ganz seichte, auf drei Fuß hohen Gestellen ruhende Rinnen laufen und an der Sonne verdampfen. Das Salz bleibt in kleinen, weißen Krystallen zurück und wird mit Muscheln zusammengefaßt.
Es gibt viele solche Salzbrunnen in dieser Gegend. Der Reingewinnst im Jahre beträgt 10,000 Pikul Salz. Man konnte mir nicht sagen, wie viel Procent reines Salz dies Wasser liefert.
Von den Salzquellen kehrten wir mit dem Herrn Assistent-Residenten nach Grobogan zurück und nahmen[S. 112] seine freundliche Einladung, die Nacht in seinem Hause zuzubringen, gern an.
Am 24. November zogen wir wieder in Samarang ein, um sogleich Vorbereitungen zu einer bedeutenderen Reise nach dem Innern des Landes zu treffen. Herr Resident Potter gestattete mir Postpferde für seinen ganzen Distrikt und versicherte mir, daß die übrigen Residenten gewiß dasselbe thun würden. Er rieth mir besonders, die herrlichen Hindu-Tempel, so wie die freien Fürstenthümer Djogokarta und Surakarta zu besuchen.
Auf dieser Reise begleitete mich Herr und Frau Schmitz.
Wir verließen Samarang am 26. November und fuhren 48 Paal bis Magelang, in der Residentschaft Kadu. Zu diesen 48 Paal benöthigten wir neun Stunden, denn stets ging es über Gebirge von mehr als 2000 Fuß, ja zwischen Salatiga und Magelang über eine Höhe von 4550 Fuß. Unserem Sechsgespanne wurden häufig tüchtige Büffel zugesellt.
Diese langsame Fahrt war uns allen höchst angenehm, denn die Ansichten waren überaus reich und wechselnd. Das Meer mit seinem endlosen Spiegel lag tief unter uns, ein zweites Meer von Bergen, Hügeln und Thälern umgab uns. Im Westen prangte[S. 113] der Sumbing (10,770 Fuß), im Osten der Merapi (8240 Fuß), der Merbabu, im Norden der Onclong, das Telo-mayo- und Jambu-, im Süden das Minore-Gebirge. Unter den Thälern war das schönste jenes von Ambarawa; es ist mit herrlichem Grün, mit lieblichen Bosketen bedeckt. Leider ist diese Schönheit zum Theil nur Larve, da der größte Theil dieses Thales einen trügerischen Sumpf bildet, der an manchen Stellen unergründlich tief sein soll.
Einige Paal früher kamen wir an dem kleinen Fort Ungarang vorüber, welches seiner hohen Lage wegen so gesund ist, daß viel krankes Militär hieher gesandt wird. Auch für Privatleute ist ein geräumiges Hotel errichtet.
In dem Thale Ambarawa liegt die Festung „Wilhelm der Erste“; sie bildet ein regelrechtes Viereck und ist die größte auf Java.
Um drei Uhr Nachmittag kamen wir in Magelang an (1200 Fuß hoch gelegen). Herr Resident Gaillard war so gütig, mich aufzunehmen. Dr. Schmitz mit seiner Frau stieg bei einem Freunde ab. Das Gebäude, welches der Resident bewohnt, gehört zu den sehr schönen, die Lage zu den reizendsten, da sie das großartige Rundgemälde der herrlichen Gebirgswelt beherrscht. Der dazu gehörige große Garten verdiente den Namen eines Parkes; er ist sehr geschmackvoll[S. 114] angelegt und mit vielen Alterthümern aus den nahen Hindu-Tempeln ausgeschmückt, unter welchen auch der heilige Stier nicht fehlt.
Ganz nahe bei Magelang liegt ein einzelner Hügel, von welchem die Eingebornen behaupten, daß er gerade den Mittelpunkt Java’s bezeichne; sie nennen ihn deshalb „den Nabel von Java.“
In Magelang wurde mir das große Vergnügen zu Theil, meinen lieben Landsmann Herrn Wilson kennen zu lernen, dessen Arbeiten ich in Batavia gesehen und bewundert hatte.
Herr Wilson war von der Holländischen Regierung beauftragt worden, die Hindu-Denkmäler und ganz besonders den Tempel Boro-Budoo von Innen und Außen auf das genaueste aufzunehmen. Diese kolossale Aufgabe hatte er so eben beendet, und in wenig Tagen sollte er nach Batavia zurückkehren.
Wir blieben einen Tag in Magelang; den nächsten Morgen begleitete uns Herr Wilson nach dem zwölf Paal entfernten Tempel Boro-Budoo, und war so gefällig unsern Führer und Erklärer abzugeben.
Der Tempel, als Gebäude betrachtet, hat gar nichts Kunstvolles oder Schönes an sich. Er besteht aus zehn bis zwölf Fuß hohen Steinwänden, die an einem kleinen Hügel, den sie ganz einnehmen, stufenweise aufgeführt sind und ein regelmäßiges Viereck[S. 115] von 362 Fuß Durchmesser bilden. In fünf Gallerien erheben sich die Wände eine über der andern bis zu einer kleinen Fläche, von welcher wieder drei Terrassen aufsteigen; den Schluß bildet das Sanktuarium, eine große Glocke (leider schon größtenteils eingestürzt), unter welcher ein Buddha sitzt, der vorsätzlich unvollendet blieb, denn die Hindu sagen, daß das Allerheiligste von Menschenhänden nicht vollendet werden kann[15].
Die Höhe der ersten fünf aufsteigenden Terrassen beträgt 90 Fuß, des ganzen Tempels mit den letzten drei Terrassen und der obersten Glocke 120 Fuß. Auf der obersten Terrasse stehen 24 durchbrochen gebaute Glocken, auf der zweiten 28, auf der dritten 32, jede mit einem sitzenden Buddha. Im Ganzen enthält der Tempel 505 große Statuen des Buddha und 4000 Basreliefs, die an den In- und Außenseiten der Gallerien ausgehauen sind. Kein leeres Plätzchen zeigt sich an den Wänden; alles ist mit menschlichen Figuren, Arabesken u. s. w. bedeckt.
Zu dem Zeichnen dieser ungeheuern Menge von Statuen, Basreliefs, Figuren und Arabesken hat Herr Wilson nur vier Jahre verwendet. Der ganze Tempel ist mit seinen unzähligen Einzelheiten auf 400 große[S. 116] Velinbogen mit der Feder gezeichnet und auf diese Weise für die Nachwelt bewahrt, wenn er selbst schon lange in Schutt gefallen sein wird.
Aus den Basreliefs kann man die ganze Schöpfungsgeschichte der Indier, die Erschaffung des ersten Menschen, die nach und nach sich vervollkommnende Heiligkeit des Buddha u. s. w. ersehen. Diese Schöpfungsgeschichte hat sehr viel Aehnlichkeit mit der unsrigen.
Die Figuren und Gruppen auf den Basreliefs kommen mir hier viel richtiger, geschmackvoller und kunstreicher in Ausführung und Zusammenstellung vor, als ich sie an den Tempeln zu Elora, Adjunta und andern in Brittisch Indien gesehen habe; dagegen fand ich dort die Arabesken ungleich zierlicher, die Glocken und Figuren bei weitem kolossaler. Was den Tempel als Gebäude anbelangt, kann man ihn natürlich mit den großartigen Hindostanischen Tempeln nicht vergleichen, da er, wie gesagt, nur aus parallel laufenden Steinwänden besteht. Die Bauart ohne Mörtel, die Wölbung durch Vorschiebung der übereinander gelegten Steine ist hier wie dort dieselbe.
Man vermuthet, daß der Tempel Boro-Budoo, wie auch die übrigen Hindu-Tempel auf Java, im achten Jahrhundert nach Christi Geburt erbaut worden seien. Welche Unzahl von Künstlern muß es zu jener[S. 117] Zeit gegeben haben, um solche Riesen-Kunstwerke zu Stande zu bringen!
Obwohl der Hindu-Gottesdienst schon im 15. Jahrhundert von dem Mohamedanismus verdrängt und ausgerottet wurde, und ganz Java seit dieser Zeit mohamedanisch ist, so kommen doch noch Tausende von Javanesen zu gewissen Zeiten im Jahre nach den Tempeln, um Gebete zu verrichten. Die Buddha’s in dem Tempel Boro-Budoo werden besonders von dem weiblichen Geschlechte hoch verehrt. Viele Mütter pilgern hieher, um vor ihrer Niederkunft zu bitten, nach derselben zu danken; Bräute tragen ihre geheimen Anliegen vor. Ein Theil des alten Gottesdienstes ist auf diese Art in den neuen übergegangen und hat sich mit ihm verschmolzen.
Der Tempel Boro-Budoo ist leider schon ziemlich in Verfall; ein starker Erdstoß — und das Ganze kann ein Schutthaufen werden. Viele Wände und Steine hängen in so losen Fugen und Geschieben über- und aneinander, daß man mit Angst bei denselben stehen bleibt oder vorübergeht— ein Luftzug scheint hinlänglich zu sein, sie umzuwerfen. Nur der begeisterte Künstler konnte die Gefahr vergessen und Jahre lang hier verweilen. Häufig fielen Steine aus ihren Fugen neben ihm zu Boden, ja kürzlich bei einer schwachen Erderschütterung eine ganze Nische. Auch hatte Herr Wilson[S. 118] von der glühenden Hitze viel zu leiden, die sich zwischen den engen Wänden bildete und von keinem Lufthauche gemildert wurde.
In der Entfernung von nur einem Paal steht der zierliche kleine Tempel Mendut. Er mag zwanzig Fuß im Durchmesser und fünfzig in der Höhe haben und geht in einer Kuppel aus; die Steine halten sich durch ihre eigene Schwere, wie in den Glocken zu Boro-Budoo. Sachverständige erteilen diesem Tempelchen ein besonders großes Lob; sie bewundern die Wölbung, die Zierlichkeit der Arabesken, die drei darin sitzenden Figuren, welche, wenn in aufrechter Stellung, sechzehn Fuß hoch wären. Die Rundung der Formen, das höchst richtige Ebenmaß der Glieder, die edlen Gesichtsbildungen dieser Statuen sollen das Vollendetste sein, was man bisher von der Bildhauerarbeit der Hindu gesehen hat. Die mittlere Figur stellt einen Buddha, die beiden anderen stellen Könige vor.
An diesem Kleinode der Kunst nahmen wir Abschied von Herrn Wilson und fuhren noch 18 Paal weiter nach Djogokarta, der Hauptstadt des freien Fürstenthumes gleichen Namens.
Die beiden Fürstenthümer Djogokarta und Surakarta bildeten vor etwas mehr als hundert Jahren ein mächtiges Reich unter dem Namen Mataran. Zwei Brüder führten zu dieser Zeit einen[S. 119] Krieg um dasselbe, welcher fünfzehn Jahre währte. Im Jahre 1752 schlossen sie Frieden und theilten das Reich unter sich. Beide standen zwar damals schon unter dem Schutze (?) der Holländischen Compagnie, genossen aber ungleich mehr Freiheit und Selbstständigkeit, als heut zu Tage, bis sich im Jahre 1825 der Prinz Diepo Negoro zu Djogokarta, theils aus Ehrsucht, theils beleidigt durch die zurücksetzende Behandlung der Holländischen Beamten, empörte und die beiden Reiche in einen Krieg mit den Holländern verwickelte, welcher fünf Jahre dauerte, sechstausend Menschenleben und viele Millionen Rupien kostete. Die Folge war für die eingeborenen Fürsten, daß die Holländer ihnen einen großen Theil der Ländereien abnahmen und sie gänzlich abhängig machten. Sie führen zwar noch den Titel „selbstständige“ Fürsten, haben aber einen Holländischen Residenten zur Seite, der sie eben so beschränkt und überwacht, wie die Engländer ihre „freien Könige“ in Hindostan. Sie dürfen ohne Vorwissen des Residenten keinen Besuch, keinen Brief empfangen, ja nicht einmal ihre Paläste verlassen; dafür bekommen sie aber von der Holländischen Regierung einen jährlichen Gehalt oder eine Entschädigung, und zwar der Sultan von Djogokarta 480,000 Rupien, der Susuhunan[16] von Surakarta 648,000 Rupien.
[S. 120]
Ich stieg in Djogokarta, einer gütigen Einladung des Residenten Herrn Hasselmann zu Folge, in seinem Hause ab. Eine schönere Residenz als diese (höchstens jene von Samarang ausgenommen) ist mir noch nicht vorgekommen. Vermutlich hat man sie absichtlich in einem so großartigen Style gebaut, um den Javanischen Fürsten Achtung vor den Europäern einzuflößen, um so mehr, da der Sultan dem Residenten einige Mal im Jahre feierliche Besuche abstattet und bei dieser Gelegenheit mit einem Gefolge von drei- bis vierhundert Personen kommt, von welchen mehr als hundert an die Tafel gezogen werden.
Außer den ceremoniellen macht der Sultan auch viele Privatbesuche, nicht nur bei dem Residenten, sondern auch in anderen Europäischen Häusern. Er kommt sogar in den Club und nimmt gern Theil am Billard- und Karten-Spiel, wie überhaupt an jeder Europäischen Unterhaltung. Wenn er die Europäische Welt zu sich ladet, wird nicht selten getanzt. Seine Gemahlin und Töchter sind von diesem Vergnügen nicht ausgeschlossen. Dieß mag vielleicht der einzige Ort in der Welt sein, wo man die Gemahlin, die Töchter eines mohamedanischen Sultans in den Armen Europäischer Herren und Offiziere walzen sehen kann. Die Sultanin soll dem Whist- und L’hombre-Spiele ebenfalls nicht abhold sein.
[S. 121]
29. November. Wir brachten den ganzen Tag mit Besehen des Merkwürdigen, mit Besuchen u. s. w. zu. Die Mutter der Frau Hasselmann, Frau Parvé, eine muntere, sehr gefällige Dame, übernahm es, uns die Sehenswürdigkeiten von Djogokarta zu zeigen. Wir begannen mit dem Lustpalaste des Sultans. Jeder seiner Paläste wird „Kraton“ genannt und ist mit hohen Mauerwällen umgeben, welche die Gärten, Badehäuser, alle möglichen Nebengebäude, ja oft einen kleinen Kampon in sich schließen. Dieser Palast heißt auch „Wasserpalast“ (Tamansari), weil er bis an das erste Stockwerk unter Wasser gesetzt werden konnte. Von Portugiesischen Baumeistern im Jahre 1754 gebaut, zeichnet er sich weniger durch große, schöne Gemächer, als durch feste kasemattirte Wölbungen und Gänge aus, die, wie man glauben sollte, Jahrhunderten widerstehen können. Dennoch fängt er schon zu verfallen an; er wird nicht mehr bewohnt, und ein unbewohntes Gebäude bessert der Malaie so wenig wie jeder Orientale aus. An Einrichtung findet sich nichts vor, als eine alte hölzerne Bettstelle, die man gewarnt wird, nicht zu berühren, da derjenige, der es thäte, alsbald sterben müßte. Dieß mag vielleicht wohl nur gesagt werden, um die Europäer auf höfliche Weise abzuhalten, ein Bett zu berühren, welches die Eingebornen[S. 122] für heilig halten, da der erste der dieses Reich regierenden Sultane darin geschlafen hat.
Von dem Tamansari fuhren wir nach Gédé, dem Begräbnißplatze der Familie des Sultans wie auch der Vornehmsten des Reiches. Dieser Ort ist ebenfalls, gleich dem Kraton, mit hohen Mauern umgeben. Die Gräber sind mit einfachen Steinplatten bedeckt, an deren beiden Enden zwei bis drei Fuß hohe Steine aufrecht stehen. Ueber manche sah ich winzig kleine hölzerne Hütten gebaut, vielleicht um die Steine vor dem Einflusse der Witterung zu schützen. Die Gräber der Sultane sind in einem großen hölzernen Hause; mehrere davon waren mit Betthimmeln und weißen Vorhängen geschmückt.
In einem der Nebenhöfe wird in einem Teiche ein sehr merkwürdiges Thier, eine große weiße Schildkröte gehalten, welche die Eingebornen als heilig verehren. Sie ist so zahm, daß sie, wenn man sie ruft und sie Hunger hat, sogleich erscheint, um die Gabe, die man ihr reicht, aus der Hand zu nehmen. Dieß Kunststück wurde natürlich auch vor uns aufgeführt, damit wir sie zu sehen bekämen. Sie erschien zweimal an der Oberfläche des Wassers, ohne jedoch die Speise zu berühren, die man ihr dicht vor den Mund hielt. Die Führer und die wenigen Eingebornen, die uns begleiteten und die von Frau Parvé gehört hatten,[S. 123] daß ich in Stambul und andern ihnen heiligen und interessanten Plätzen gewesen war, sahen nach mir und sagten, daß ich eine ganz besondere Person sein müsse, da die Schildkröte zweimal erschienen sei, ohne Hunger zu haben. Es sei gerade, sagten sie, als wollte sie mich sehen und von mir gesehen werden. Ich erzähle dergleichen geringfügige Dinge, weil ich glaube, daß sie zur Charakteristik des Volkes gehören.
Die Auszeichnung, welche mir die Schildkröte erwies, wurde sogleich in der ganzen Gegend als ein Wunder erzählt. Als ich Nachmittags dem Sultan und seiner jungen, neunzehnjährigen, kinderlosen Gemahlin vorgestellt wurde, faßte letztere, dieser Begebenheit wegen, ein solches Vertrauen zu mir, daß sie mir leise in das Ohr flüsterte. „O, bete für mich zu Deinem Gotte, daß er mich segnet und den Baum nicht ohne Früchte dahin welken läßt!“ — Dieß war doch der schönste und rührendste Beweis von Zutrauen, der mir als Christin von einer Mohamedanerin werden konnte.
Die Schildkröte war bei zwei Fuß lang, Schale und Körper ziemlich weiß, erstere nicht horn-, sondern lederartig, die Augen roth. Sie hatte mehrere Junge, die alle ebenfalls weiß waren. Durch die besondere Verwendung der Frau Parvé erhielt ich eines, das ich sogleich in Spiritus verwahrte.
[S. 124]
Man hat die Behauptung aufgestellt, daß diese Thiere hier deshalb weiß seien, weil der Wasserplatz, in welchem sie leben, nie von der Sonne beschienen würde. Es wäre belehrend, einen Versuch mit einer dunklen Schildkröte zu machen; ich glaube kaum, daß ihre Nachkommenschaft die Farbe wechseln dürfte.
Ein zweiter fürstlicher Begräbnißplatz, auf welchen auch die Susuhunans von Surakarta nebst ihren Familien kommen, liegt drei Paal von hier entfernt; er heißt Imo-Giri. Die Gräber ziehen sich längs eines Hügels von einigen hundert Fuß in die Höhe. Die Verwandten der fürstlichen Häuser werden je nach dem Grade ihrer Verwandtschaft höher oder tiefer auf dem Hügel begraben.
Bei der Rückkehr nach Hause fuhren wir über den großen Platz, auf welchem Bazar gehalten wurde, der durch die vielen und schönen Kupferarbeiten im ganzen Lande berühmt ist; sie werden in der Umgegend verfertigt und hierher zum Verkaufe gebracht.
Nachmittags wurden wir von dem Sultan in seinem Palaste empfangen. Wir kamen durch drei Höfe, in welchen baufällige Häuschen, erbärmliche hölzerne Hütten, Pferdeställe u. s. w. standen.
Der Palast eines Javanesischen Fürsten oder Sultans besteht aus dem Pendopo, Dalem und Probojekso.[S. 125] Der Pendopo ist eine ganz offene Halle, über die sich ein hohes Dach wölbt, und zu welcher einige Stufen führen. Er ist für die Festlichkeiten bestimmt und nur mit Tischen und Stühlen meublirt. Dem Pendopo gegenüber steht der Dalem, ebenfalls eine große Halle, die aber, allein von vorne offen, und daher etwas finster ist, denn sie hat gewöhnlich keine oder wenige niedrige Fensterchen. Der Dalem ist der Aufenthaltsort des Fürsten und zugleich der Empfangssaal; er ist mit Kanapes, Stühlen, Spiegeln, Uhren, Gemälden u. s. w. meistens überladen. Mehrere Thüren, im Hintergrunde angebracht, führen in den Probojekso, den innern Aufenthaltsort des Fürsten, seiner Frauen und Familie. Er besteht aus einem kleinen Saale mit vielen Kämmerchen und Winkelwerk, alles düster und enge; einige Bettstellen, Matten, Polster und Kissen bilden die ganze Einrichtung.
Alle fürstlichen Paläste, die ich auf Java sah, waren von Holz. Sie sind nicht im entferntesten mit der Pracht, dem Reichthume, der Kunst und dem Aufwande der Bengalischen und Hindostanischen Fürstensitze zu vergleichen.
Der Sultan kam uns bis einige Schritte vor dem Dalem entgegen; er reichte jedem von uns die Hand, führte uns in den Saal und wies uns neben[S. 126] sich Plätze zum Sitzen an. Er zählte 32 Jahre, war von mittlerer Größe, etwas beleibt, das Gesicht hübsch. Er hatte eine Art Schlafrock an, darüber einen Sarong, beide, so wie das Kopftuch, von Seidenstoffen. An Schmuck trug er eine Brosche und einige Diamantenringe.
Ich war sehr erstaunt, in dem Dalem lauter weibliche Diener zu sehen; zu Dutzenden kauerten sie halb nackt überall umher. Sie hatten nichts als einen Sarong an, der kaum die halbe Brust deckte. Daß sich die mohamedanischen Fürsten in ihren innersten Gemächern nur von Weibern oder Eunuchen bedienen lassen, ist weltbekannt; aber sie auch in den Empfangssälen nur von Weibern umgeben zu sehen, kam mir gar zu unmännlich vor.
Nachdem sich der Sultan einige Zeit mit uns unterhalten hatte, führte er uns in den Probojekso. Er ist so loyal, selbst den Europäischen Herren das Betreten des innersten Heiligthumes zu gestatten. Wir wurden seiner Gemahlin vorgestellt, einer Frau von 19 Jahren, dem schönsten Geschöpfe, das ich bisher unter den Malaien oder Javanesinnen gesehen hatte. Ihr Näschen war allerliebst, der Mund ziemlich klein, mit glänzend weißen, schön geformten Zähnen, die Augen groß und feuersprühend; die etwas breiten,[S. 127] hervorstehenden Backenknochen allein erinnerten an die Javanesische Abkunft. Der Sultan verbietet seiner Familie das Sirikauen, sowie das Schwärzen und Feilen der Zähne. Außer der Sultanin sahen wir noch zwei Töchter des Sultans aus andern Ehen, hübsche Mädchen von zwölf bis dreizehn Jahren.
Die Sultanin, wie die beiden Mädchen, waren nach der Sitte des Landes in Sarongs und Kabays gekleidet. Sie trugen viele Haarnadeln, Ohrgehänge, Ringe u. dgl. mit Diamanten. Die Sultanin sprach nie mit ihrem Gemahle, ohne die Augen zu Boden zu schlagen und die Hände wie bittend gegen die Stirne zu erheben.
Nachdem wir Thee getrunken hatten, zeigte uns der Sultan seine Waffen und Kostbarkeiten; auch die golddurchwirkten Kleider seiner Gemahlin bekamen wir zu sehen. Auf seinem Bette lagen vier der schönsten Kriese[17], in der Ecke des Bettes am oberen Theil stand die Büste des Königs von Holland. Das wird doch ein getreuer Verehrer seines Europäischen königlichen Bruders sein!
Die höheren Diener und Beamten dieses, sowie[S. 128] auch anderer Javanesischer Fürsten zeichnen sich durch eine eigentümliche Kopfbedeckung aus: sie besteht in einer zehn Zoll hohen Kappe von Strohgeflecht, Seide oder Goldstoff, je nach dem Range der Person.
Am 30. November fuhren wir nach Solo, der Hauptstadt von Surakarta (40 Paal). Auf dem Wege dahin kommt man den „tausend Tempeln“ nahe vorüber, die unweit des Oertchens Brambanang liegen. Sie bilden eine ganze Gruppe. In der Zahl ist man nicht übereingekommen; die Einen geben 170, die Andern 300 an, auf jeden Fall weit weniger als tausend. Die Tempel sind klein, im Style des Mendut. Der Haupttempel soll 67 Fuß hoch gewesen sein, ist aber schon beinahe zu einem Schutthaufen verfallen. Wir kletterten bis an die obere Abtheilung, von welcher wir in das Innere sehen konnten. In einer kleinen, gewölbten Halle stand noch ein Buddha und hie und da entdeckte man einige Arabesken. Die übrigen Tempel sollen nicht höher als 24 Fuß gewesen sein, und in jedem soll ein Buddha gestanden haben.
In Solo konnte mich der Resident Herr Büschkens nicht aufnehmen: man war gerade beschäftigt, seine etwas baufällige Residenz herzustellen. Ich ward in das Haus des Herrn Göreke, Missionärs und Bibelübersetzers, gebracht, eines überaus gemüthlichen und menschenfreundlichen Mannes. Ganz besonders gefiel[S. 129] mir seine Toleranz: er war einer jener leider so seltenen Geistlichen, die den Menschen mehr nach seinen Handlungen schätzen, als nach dem Glauben, zu welchem er sich bekennt.
Die Lage von Solo ist nicht so hübsch, als jene von Djogokarta. Die Ebene ist zu groß, die Gebirge sind zu fern, den 10,400 Fuß hohen Lawas ausgenommen, dessen Formen man ziemlich deutlich sieht.
Ich fand in den freien Fürstenthümern Grund und Boden durchgehend gut kultivirt. Dieß mag wohl daher kommen, daß die Fürsten ihre Ländereien verpachten und die Pächter fleißig arbeiten müssen, um den hohen Pacht heraus zu bringen. Man baut in beiden Fürstenthümern ziemlich viel Indigo. Die Hütten der Eingebornen, so wie ihre Kleidung, fand ich nicht schlechter und ärmlicher als im übrigen Java. Es gibt unter den Reisenden viele, die in den Holländischen Besitzungen alles besser bebaut und kultivirt finden wollen. Ich kann indeß nur so schildern, wie mir die Sache erscheint, und bemühe mich stets, mein Urtheil so viel als möglich vor Partheilichkeiten zu bewahren. Wege und Brücken sind gleichfalls gut unterhalten. Hierzu werden die freien Fürsten freilich von der Holländischen Regierung verhalten, die in den beiden Städten Solo und Djogokarta bedeutende Forts hat.
[S. 130]
Man macht einen Unterschied zwischen den Malaien und Javanesen. Letztere leben mehr in dem Inneren von Java und den beiden freien Fürstenthümern. Man behauptet von ihnen, daß sie schöner und von besserem Charakter als die Malaien und einer größeren Anhänglichkeit fähig seien. Ich hatte zufällig Gelegenheit, das Volk in großer Menge zu sehen, da während meiner Anwesenheit in Djogokarta Bazar gehalten wurde und hier in Solo zwei Feierlichkeiten stattfanden. Ich muß jedoch aufrichtig gestehen, daß mir das Volk eben so häßlich vorkam, als auf Batavia. Man rühmt ihre kleinen Hände und Füße. Es ist wahr, der Malaie wie der Javanese haben kleine Hände und Füße; aber in der Kleinheit allein besteht nicht die Schönheit. Die Hände sind so mager, daß jeder Knöchel hervorsteht, die Fingerspitzen ein wenig aufwärts gebogen. Finger, Hände und Arme können sie so verdrehen, daß es häßlich anzusehen ist. Diese Schlappheit in den Gliedern und Muskeln ist auch den Europäern eigen, die in diesen Ländern geboren und erzogen werden. Die Füße sind nicht minder häßlich, sehr platt und die Fußzehen stehen weit aus einander.
Unter den Hochgebornen so wie unter der Dienerschaft in den Harems der Fürsten sieht man wohl mitunter hübsche Leute, schöne Kinder; das darf aber[S. 131] nicht als Maßstab angenommen werden. Alles was schön ist, Männer wie Weiber, sucht man in die Fürstenhäuser zu bringen. Will ein Javanese seine Tochter vor dem Harem schützen, so muß er sie sehr jung verheirathen oder eine öffentliche Tänzerin aus ihr machen; als solche ist sie für jeden Mann, den sie nicht selbst begünstigt, ein Heiligthum. Dieser sonderbare Gebrauch geht so weit, daß, wenn eine Frau sich von ihrem Manne gegen dessen Willen scheiden will, sie nur eine öffentliche Tänzerin zu werden braucht. Dann hat der Mann keine Ansprüche mehr auf sie. Gewöhnlich schätzen es sich jedoch die Eltern zur Ehre, wenn ihre Töchter in den Harem eines Sultans aufgenommen werden.
In keinem Lande sah ich so viel Blinde und Lahme als in Surakarta; auch an Lepre-Kranken soll es nicht fehlen, für welche unfern von Solo ein eigenes Hospital errichtet ist.
Man erzählt hinsichtlich dieser Gebrechen eine sehr grausame Sage von einem der letztregierenden Susuhunans: Eine Europäische Dame machte eine Reise durch Surakarta. Zu Solo wurde sie dem Fürsten vorgestellt, der sie fragte, wie ihr das Land gefallen habe. Sie erwiederte: „sehr wohl, bis auf die vielen Blinden, Lahmen und Lepre-Kranken, welchen man überall begegnet.“ „Dieser Anblick,“ rief der[S. 132] Susuhunan aus, „soll in Zukunft niemanden mehr stören.“ Er ließ die Unglücklichen zusammenrufen, sie auf Boote laden, in die Mitte des Flusses führen, die Böden der Boote, die besonders dazu eingerichtet waren, wurden geöffnet, und alle die Armen ertränkt.
Der jetzt regierende Susuhunan, Paku der Siebente, hat den allgemeinen Ruf eines höchst edlen und gerechten Fürsten; er soll, gleich Titus, jeden Tag für verloren halten, an welchem er nicht etwas Gutes ausgeübt hat.
Unter seinen Vasallen zeichnet sich der Fürst Mangku-Negoro besonders aus, welcher der Unabhängige genannt wird, weil er doch einige Freiheit genießt; er darf z.B. seinen Palast verlassen, ohne erst bei dem Residenten um Erlaubniß anzufragen. Er hält 800 Mann Fußvolk und 400 Mann zu Pferde — eine größere Anzahl als der Susuhunan selbst. Ferner ist er Oberst in Holländischem Dienste und Ehren-Adjutant des Gouverneur-Generals. Er bekommt den Gehalt eines Obersten nebst einer bedeutenden Zulage für die Unterhaltung seiner Truppen, muß aber dagegen auch jeden Augenblick zum Ausrücken bereit sein.
Alle diese Auszeichnungen wurden ihm als Belohnung für seine Treue verliehen, die er den Holländern in dem letzten Kriege bewiesen hatte. Er[S. 133] hielt sich nämlich auf ihrer Seite und war ihnen mit seinen wohleingeübten Truppen von großem Nutzen. Inländische, gut eingeschulte Truppen sind den Europäischen weit vorzuziehen. Das Klima ist ihnen nicht schädlich, sie begnügen sich mit wenig und höchst einfacher Nahrung und ertragen die Märsche und Mühen ohne großen Nachtheil.
Unsere erste Bitte an den Residenten war, dem Susuhunan, so wie einigen der vornehmsten Prinzen vorgestellt zu werden. Wir erhielten auch die Zusage einer Audienz für den folgenden Tag; sie fand aber leider nicht statt, da kaum eine Stunde, bevor wir kommen sollten, die einzige Schwester des Fürsten starb, die er, wie man sagte, überaus liebte.
In den wenigen Tagen, die wir zu Solo zubrachten, waren wir so glücklich, zwei Feierlichkeiten zu sehen. Die erste bestand in der Ueberreichung eines Briefes, den der Sultan von Djogokarta an den Susuhunan von Surakarta geschrieben hatte. Nachdem sich der Resident zuerst mit dem Inhalte bekannt gemacht, wurde der Brief in schöne Seidenzeuge gewickelt, auf einen silbernen Teller gelegt und von dem ersten Adjutanten des Susuhunans in einem sechsspännigen Wagen abgeholt; in einem zweiten Wagen folgte der Resident. Dreizehn Kanonenschüsse begleiteten diese Ceremonie.
[S. 134]
Die zweite Feierlichkeit war die Fortschaffung der verstorbenen Schwester des Susuhunans nach dem Begräbnißplatze Imo-Giri. Die Farbe der Trauer ist hier, wie bei den Chinesen, weiß. Alles was zu dem Zuge gehörte, Wagen, Pferde u. s. w. war mit weißem Kattun überhangen. Jedermann, der ihn begleitete, mit einem weißen Kopftuche, Sarong, Schürze oder sonst einem Lappen weißen Zeuges angethan.
Den Zug eröffneten Träger, die mit Balken, Brettern, Stangen u. dgl. beladen waren. Diese Gegenstände gehörten zur Errichtung eines Daches über dem Sarg der Verstorbenen auf den Stationen der Reise. Hierauf kam berittenes Militär[18] mit weißen Binden und Schürzen. Diesem folgte des Susuhunans leerer Staatswagen, das Leibpferd der Verstorbenen, der Betthimmel für den Sarg und endlich der Sarg selbst, der mit einer weißen, golddurchwirkten Atlasdecke überhangen war. Der Sarg wurde bis an die äußerste Pforte des Kraton von den kaiserlichen Prinzen getragen; hier übernahmen ihn die Minister und so abwärts bis zu den Dienern. Viele Lanzenträger, deren Lanzen mit weißem Kammertuche[S. 135] umwickelt waren, umgaben den Sarg; große Schirme wurden über ihn, so wie über die Köpfe der Prinzen gehalten, und von den Knöpfen der Schirme flatterten weiße Tücher. Hinter dem Sarge kam ein großer viereckiger Kasten, welcher die Speisen enthielt, die Abends, der Sitte gemäß, auf den Sarg der Verstorbenen gesetzt werden. Den Schluß des Zuges machte ein großer Haufen Volkes. Der Gemahl, die Kinder der Verstorbenen, so wie ihre Verwandten, den Susuhunan ausgenommen, waren bis zur ersten Nachtstation vorausgefahren. Wie man mir sagte, brauchte der Zug drei Tage, um nach Imo-Giri zu gelangen. (40 Paal.)
Es war allerdings interessant, diesen Trauerzug gesehen zu haben; allein eben so gern hätte ich den guten, ehrwürdigen Susuhunan kennen gelernt, woran nicht mehr zu denken war, da wir schon am folgenden Morgen abreisen sollten. Zu meiner größten Ueberraschung brachte mir Herr Göreke die Nachricht, daß uns der Fürst diesen Abend ausnahmsweise empfangen wolle. Diese Gunst verdankten wir einzig und allein dem guten Missionär, den der Susuhunan hoch schätzt, und dessen Bitte ihm hinlänglich war, unsern Wunsch zu erfüllen.
Bevor wir zu dem Susuhunan fuhren, statteten wir noch zwei Besuche bei andern Prinzen ab.
[S. 136]
Der erste galt dem Fürsten Mangku-Negoro, dessen ich schon erwähnt habe. Ich war im höchsten Grade über den edlen, feinen Anstand erstaunt, mit welchem sich dieser Prinz zu benehmen wußte; er stand hierin dem gebildetsten Europäer nicht nach. Seine Gesichtszüge drückten Verstand, Scharfblick und Güte aus. Er nahm großes Interesse an meinen Reisen und machte Fragen und Bemerkungen, die von vielen Kenntnissen zeigten. In seiner Orientalischen Artigkeit verglich er mich mit einer leichten, schwebenden Wolke.
Der zweite Besuch galt dem Fürsten Ngabchi, einem natürlichen Bruder des Susuhunans, den man, da letzterer keinen Sohn hat, den „wahrnehmenden Kronprinzen“ nennt. Diesen Fürsten trafen wir nicht zu Hause, da er von dem Leichenzuge noch nicht zurückgekommen war.
Um halb acht Uhr war unsere Stunde, bei Hofe zu erscheinen. Die Etikette ist hier ungleich größer als zu Djogokarta; die Herren Schmitz und Göreke hielten die Uhren stets in der Hand, um nicht eine Minute zu früh oder zu spät zu kommen.
An dem Eingange des innersten Hofes kamen uns zwei Hofdamen entgegen, uns meldend, daß der Susuhunan bereit sei, uns zu empfangen. Im Dalem kam er uns selbst zwei Schritte von seinem Lehnstuhl[S. 137] entgegen, reichte uns die Hand und wies uns Plätze zum Sitzen an. Der Dalem wie der Pendopo waren schön erleuchtet; Europäische Militär-Musik, von den Eingebornen ziemlich gut aufgeführt, erschallte bei unserem Eintritte und ward während unserer Anwesenheit öfter wiederholt. Einige Schritte im Hintergrunde zur Linken des Fürsten saßen drei Hofdamen, gleich den übrigen Dienerinnen bloß in einen Sarong gekleidet, welche die Insignien des Reiches hielten, ein Schwert, einen Schild und ein Scepter. Sie standen so steif und unbeweglich wie Statuen. Unter den vielen Weibern, die überall umher kauerten, befanden sich auch zwei Neffen des Susuhunan, Jünglinge von 14 bis 15 Jahren. Ich hielt sie für recht hübsche Mädchen, denn sie trugen wie diese einen einfachen Sarong und hatten die Haare zurückgekämmt, in einen Knoten geschlungen und mit einem Kamme befestiget.
Wir hatten kaum Platz genommen, so kam ein Weib (vermuthlich auch eine Hofdame) auf den Knieen hergerutscht und recitirte eine lange, ununterbrochene Rede, die ich für ein Gebet hielt; spätem erfuhr ich, daß es ein Bericht über den Leichenzug war, der ungefähr lautete „daß die Prinzessin bis an den und den Ort gegangen sei, daselbst unter dem Schatten eines Baldachinen so und so lange ausgeruht und hierauf die Reise wieder an den und den Ort fortgesetzt[S. 138] habe, wo sie die Nacht zubringen werde.“ Von einer so vornehmen Person wird nämlich, so lange sie nicht begraben ist, ebenso gesprochen, als ob sie noch am Leben wäre; auch für ihre leiblichen Bedürfnisse und Bequemlichkeiten wird mit derselben Aufmerksamkeit gesorgt.
Alles, was sich dem Susuhunan nahte, seine Neffen nicht ausgenommen, rutschte auf den Knieen. Die Leute standen vermuthlich erst auf, wenn sie aus seinem Gesichtskreise kamen, denn ich blickte ihnen nach, so weit als ich konnte, und sah sie nicht aufstehen.
Die Züge des Fürsten sprachen vollkommen aus, was man mir von ihm gesagt hatte: ich sah nicht bald ein ehrwürdigeres, gutmüthigeres Gesicht als das seine. Nur wunderte es mich, keinen Kummer an ihn wahrzunehmen über den schweren Verlust, der ihn so kürzlich betroffen. Er hörte den Bericht über den Leichenzug seiner Schwester mit derselben Ruhe an, als hätte man ihm eine ganz gleichgiltige Sache verkündet. Nachdem er sich eine Weile mit uns unterhalten und uns mit Thee bewirthet hatte, der zu meiner Verwunderung nicht von Dienerinnen, sondern von Dienern servirt wurde, bot er Frau Schmitz und mir an, seiner Gemahlin einen Besuch zu machen. Wir fanden in ihr eine noch junge Frau von vielleicht 25 Jahren; sie saß in einer wenig erleuchteten Kammer[S. 139] auf einem Stuhle, ihr zur Seite eine achtzehnjährige Stieftochter auf der Erde. Beide waren minder hübsch als die fürstlichen Frauen zu Djogokarta, doch für Javanesinnen schön genug. Die Kämmerchen in dem Probojekso fand ich sehr klein, dürftig eingerichtet und erleuchtet. Nach einer halben Stunde kehrten wir in den Dalem zurück.
Beim Abschiede hielt der Susuhunan eine sehr lange Rede an mich, während welcher er mich bei der Hand nahm; am Ende derselben zog er einen Ring von seinem Finger und steckte ihn mir an. Herr Göreke saß leider zu weit entfernt, um etwas von dieser Rede zu hören; sie ging daher für mich verloren, da der Susuhunan Hoch-Malaisch sprach, das ich nicht verstand. Der Besuch währte über zwei Stunden.
Die Tracht des Susuhunans, seiner Frau und Tochter war sehr einfach, ungefähr wie die an dem Hofe zu Djogokarta; der Susuhunan trug zwei reich mit Brillanten besetzte Orden.
Am 3. December fuhren wir den kürzeren Weg über Salatiga nach Samarang zurück (66 Paal), wo ich in dem Hause meiner liebenswürdigen Begleiter noch eine Nacht zubrachte. Am folgenden Tage, um ein Uhr Nachmittag, saß ich schon wieder auf dem Dampfer, um nach Surabaya zu gehen (180 M.).
[S. 140]
Am Bord des Dampfers „Ambon“ wurde ich vom Kapitän Bergner als alte Bekannte herzlichst begrüßt. Ich war mit ihm von Batavia nach Sumatra gefahren, und er hatte kurz darauf den „Makassar“ mit dem „Ambon“ vertauscht. Es ist immer eine große Freude, auf einer Reise Bekannte zu finden, und eine um so größere, wenn es so gute, gefällige Menschen sind, wie Herr Bergner.
Von der Reise ist nicht viel zu sagen; wir hielten uns der Küste Java’s fortwährend nahe, die abwechselnd eben und bergig ist. Vier Hügel, die näher an Surabaya als an Samarang liegen, werden ihrer Form wegen die vier Särge genannt; sie stehen von einander abgesondert, mitten in einer Ebene. Zwölf Meilen von Surabaya sieht man, an eine freundliche Hügelkette gelehnt, das Städtchen Grisée; hier gehen die nicht-europäischen Schiffe gewöhnlich vor Anker.
Am 6. December Morgens warfen wir Anker auf der Rhede von Surabaya.
Alle Ankerplätze Java’s, die ich gesehen, Batavia, Surabaya und Samarang, liegen drei bis vier Paal von den Städten entfernt; man muß nach letzteren in Kähnen die Flüsse stromaufwärts fahren; in Surabaya kann man von der Mündung des Flusses bis zur Stadt auch zu Wagen fahren.
[S. 141]
Herr Resident von Perez war so gütig, mich aufzunehmen. Dieser überaus gefällige Herr wußte von meinem Kommen; er hatte jedoch gehört, daß ich zu Grisée vor Anker gehen würde und sandte mir sogar bis dorthin einen Wagen entgegen.
Die Residenz, ein prächtiges Gebäude, leider mit einem ganz kleinen Garten, liegt drei Paal von der Stadt. Eine herrliche Wiese breitet sich davor aus, an deren Ende ein großes, wohlerhaltenes Steinbild eines Hindu-Götzen steht, welches von den Malaien noch sehr verehrt wird.
Ich blieb bis 14. December in Surabaya, ohne das Geringste zu sehen. Die Regenzeit war eingetreten, und durch sie wurden alle meine Projekte vereitelt. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Reise nach Celebes und den Molukken fortzusetzen und mich mit der Hoffnung zu trösten, bei der Wiederkehr glücklicher zu sein.
[11] Die mir ertheilten Freikarten lauteten:
De onder geteekende verleent by deze vrye passage als passagier der eerste klasse, aan Mevrouw Ida Pfeiffer vor eene reis von Sourabaya over den Mollukschen Archipel met eene der Stoomschepe zyner onderneming. Batavia 9. November 1852.
W. Cores de Vries.
The bearer of these lines Madame Pfeiffer has free passage as cabin passenger on board of any of the boats of this company. Batavia 9. November 1852.
Maclain Watson & Co.,
Directors of the N. I. Steamboat Company.
The agents of the company at Samarang and Sourabaya are requested to offer Madame Pfeiffer all the assistance in their power in the persecution of her travels.
[12] Die Gebäude, in welchen die Gouverneure und Residenten wohnen, gehören alle der Regierung; der Resident von Batavia allein muß eine Wohnung miethen.
[13] Hätte man nicht schnell und leicht einen zuverlässigen Beamten abschicken können, um sich von dem wahren Bestande zu unterrichten? Freilich handelte es sich bloß um Menschenleben und nicht um Frohndienste oder Rückstände von Steuern.
[14] Ich führe dies natürlich nur auf Grundlage der Aussagen vollkommen zuverlässiger Männer, deren Wort über jeden Zweifel erhaben ist, hier an.
[15] Auf der höchsten Spitze des Tempels ersuchte ich Herrn Wilson, seinen Namen in mein Album zu zeichnen.
[16] Susuhunan ist ein höherer Titel als „Sultan.“
[17] Kries, ein schlangenförmiges Messer in einer Scheide von 10 bis 15 Zoll Länge, die gewöhnliche Waffe der Malaien und Javanesen.
[18] Das Militär der freien Fürsten trägt Holländische Uniform, die Offiziere haben Schuhe, die Soldaten nicht. Letztere tragen unter dem Helme das landesübliche Kopftuch, manche schlingen das Haar rückwärts in einen großen Knoten zusammen.
[S. 142]
Makassar. — Banda. — Erdbeben. — Die Muskatnuß-Pflanzungen. — Ambon. — Ausflug nach der Negeri Emma. — Saparua. — Ceram. — Fußreise durch das Innere Cerams. — Ankunft zu Wahai. — Die Alforen. — Rückreise nach Ambon. — Ternate. — Besuch bei dem Sultan.
m 14. December schiffte ich mich auf dem Dampfer „Banda“
nach Makassar ein (440 Seemeilen), der Hauptniederlassung der
Holländer auf Celebes.
Von Surabaya bis an die Küste von Celebes sah ich wenig. Das Schiff war sehr klein, die See höchst stürmisch, und obwohl ich viele Jahre gereist, Tausende von Meilen auf Segel- und Dampfschiffen gemacht, ohne dem Meere meinen Tribut zu bezahlen, ward ich nichts desto weniger so seekrank, wie es nur immer ein Neuling werden kann.
Erst am 17. December am frühen Morgen kam ich auf das Deck, um die Küste von Celebes zu begrüßen, eine einförmige Ebene, im Hintergrunde von niedrigen Bergen begrenzt.
[S. 143]
Makassar (Udjang-Pandang), der Sitz des Holländischen Gouverneurs auf Celebes, ist ein kleines, dem Ansehen nach beinahe Europäisches Städtchen mit einem Fort. Die Europäer wohnen in erbärmlichen Steinhäuschen nahe beisammen, längs des schönen Wiesenplatzes Hendrikspad. Auch das Haus des Gouverneurs ist klein und unbedeutend.
Domine Mathes (der protestantische Geistliche) nahm mich gastfreundlich auf.
Ich war hier ebenfalls so unglücklich, gerade zum Beginn der Regenzeit einzutreffen, und konnte nichts als den Bazar besuchen, auf welchem ich eine ziemliche Menge Volkes sah. Ich fand die Eingebornen, Makassaren und Buginesen, obwohl auch zur Malaischen Race gehörig, minder häßlich als die Javanesen, groß und kräftig gebaut, das Gesicht etwas besser geformt, die Hautfarbe lichter.
Da wenig Tage später der Dampfer „Ambon“ von hier nach Banda, einer der Molukken ging, und während der Regenzeit an Ausflüge in das Innere von Celebes nicht zu denken war, entschloß ich mich, diese Gelegenheit zu benützen und meine Reise fortsetzen, mich wie zu Surabaya der Hoffnung hingebend, auf der Rückfahrt günstigeres Wetter zu finden.
Am 21. December war ich schon wieder an[S. 144] Bord bei meinem guten Kapitän Herrn Bergner. Wir machten die Reise nach der Insel Banda (690 Meilen) in 3½ Tagen. Außer einigen kleinen gebirgigen Eilanden kam uns nichts zu Gesicht.
Am 24. December tauchte der Gunong-Api vor uns auf, der höchste Berg Bandas (1800 F.), dessen nordwestlicher Seite beständig Rauchsäulen entsteigen. Abends um neun Uhr liefen wir bei herrlichen Mondschein in die Bai ein, die auf der einen Seite von dem Feuerberge, auf der andern von einer freundlichen Hügelkette begrenzt wird, welch letztere ganz mit Muskatbäumen bepflanzt ist. Das kleine Städtchen Banda liegt so gefährlich an dem Abhange des Gunong-Api, daß ein Ausbruch es unausbleiblich zertrümmern würde; sonderbarer Weise raucht der Berg beständig, ohne daß je ein Ausbruch stattgefunden hätte. Ist aber wohl diesem Frieden immer zu trauen?
Da wir so spät angekommen waren, ging der Kapitän allein mit dem Postpackete an’s Land. Wir Reisende verweilten auf dem Decke und sprachen viel von der Freude, die in den Kreisen unserer Lieben diesen Abend (Christabend) herrschen werde, von den fröhlichen Spielen der über die Geschenke so freudig überraschten Kinder. Da kam ganz unerwartet ein Araber an Bord. Erstaunt über den späten Besuch umringten wir ihn, um zu hören was die Ursache[S. 145] hievon sei. Ach, wie ward so plötzlich unsere heitere Stimmung in Wehmuth und Schrecken verwandelt! Der Araber erzählte uns, daß am 26. November Morgens acht Uhr ein fürchterliches Erdbeben auf dieser Insel stattfand, in Folge dessen mehrere Häuser zusammenstürzten und alle dermaßen beschädigt wurden, daß niemand mehr darin wohnen könne. Glücklicherweise ereignete sich dies bei Tage, wo jedermann gleich fliehen konnte, und es ging daher wenigstens kein Menschenleben verloren; aber alle gebrechlichen Güter, Spiegel, Lampen, Gläser, Geschirre, die in Flaschen gefüllten Getränke u. s. w. gingen zu Grunde. Noch war man unter dem Eindrucke dieser furchtbaren Scene, als um halb neun Uhr die Erde ein zweitesmal erbebte, das Wasser in der Bay zurück wich und dann mit unwiderstehlicher Gewalt an die Küste stürzte, sie 24 Fuß hoch übersteigend. Zweimal sah man den Boden der See blos gelegt; alle kleinen Boote und Barken wurden an die Küste geschleudert, wo sie als Trümmer liegen blieben. Bei dieser Gelegenheit ertranken mehr als achtzig Menschen. Ein großes Schiff, das in der Bay vor Anker lag, gerieth zweimal auf den Grund und wurde nur durch die Geistesgegenwart des Kapitäns gerettet, der das Ankertau sogleich nachließ; allein vor einem bedeutenden Leck konnte er es doch nicht bewahren. Es lag noch zur Ausbesserung in der Bucht. Dieses zweite Erdbeben[S. 146] zerstörte ebenfalls viele Gebäude und vernichtete Tausende von Muskatbäumen, die durch das sie überfluthende Salzwasser abstarben.
Die Erzählung des Arabers war schrecklich. Leider wurde sie Wort für Wort von dem Kapitän bestätigt, als er zurückkam. Auf einige der Reisenden machte sie einen so großen Eindruck, daß sie Morgens gestanden, die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben; sie fürchteten ein wiederholtes Erd- oder Seebeben.
Morgens gingen wir an’s Land und konnten uns persönlich von den stattgehabten Verwüstungen überzeugen. Mehrere Häuser lagen in Schutt, alle waren mehr oder minder beschädigt, die Einrichtungen zum Theile zertrümmert, zum Theile vor den Häusern unter freiem Himmel in Haufen aufgeschichtet; die Leute wohnten daneben in kleinen Bambushütten, die sie eilig aufrichten ließen. Die Kasernen und Wohnungen der Officiere allein, einige hundert Schritte von dem Städtchen entfernt gelegen und von Holz gebaut, blieben beinahe unbeschädigt. Sonderbar, daß auf dieser Insel, wo starke Erdbeben nicht selten vorkommen, alle Häuser von Stein gebaut sind[19].
[S. 147]
Der Resident konnte mich nicht aufnehmen, da auch sein Haus zu sehr beschädigt war; ein Deutscher, der Militärarzt Herr Krause, beherbergte mich in seinem hölzernen Häuschen.
Ich machte denselben Tag noch einen Spaziergang um den Feuerberg „Gunong-Api.“ Ich wollte ihn selbst besteigen; allein Dr. Krause, der schon mehrmals oben war, um zu botanisiren, widerrieth es mir, indem er mir versicherte, daß es nicht der Mühe lohne: der Berg ende in einer geschlossenen Kegelform und habe an den Seiten einige Spalten, aus welchen starker Schwefeldampf aufwirble.
Am folgenden Tage besuchte ich die große Muskatpflanzung des Herrn Meyer, welche 15,000 Muskatbäume zählt. Die Muskatpflanzungen werden „Perken,“ die Besitzer „Perkenier“ genannt. Eine solche Pflanzung gleicht vollkommen einem Walde. Die Bäume sind vierzig bis fünfzig Fuß hoch, umfangreich und nicht in Reihen gepflanzt. Große Nanarinenbäume[20] schützen die Muskatbäume, die keine tiefen Wurzeln schlagen, vor den starken, häufig wehenden Winden.
[S. 148]
Die Insel Banda ist das eigentliche Vaterland des Muskatbaumes. Dieser Baum bedarf hier gar keiner Pflege und wird bei weitem stärker und höher als auf Singapore. Er fängt mitunter im zwölften, gewöhnlich aber erst im fünfzehnten Jahre an Früchte zu tragen und erreicht ein Alter von 80 Jahren. Das Jahr vor seinem Absterben soll er außergewöhnlich viel tragen. Man rechnet durchschnittlich auf jeden Baum im Jahre 2500 Nüsse. Es giebt auch einige, die bis 4000 liefern. Die Ernte währt das ganze Jahr hindurch. Man geht jeden Morgen in die Perken, pflückt die reifen Nüsse, löst die Blüthe, von der sie ganz umsponnen sind, ab und läßt Nuß und Blüthe an der Sonne trocknen. Die Nüsse, welche von selbst abfallen, sind nicht halb so viel werth als die gepflückten. Ungefähr hundert Nüsse sammt den Blüthen gehen auf ein Pfund; fünf Pfund Nüsse geben ein Pfund Blüthe. Der Perkenier erhält von der Regierung für ein Pfund Blüthe und vier Pfund Nüsse einen Kupfergulden.
Die Muskatnuß ist auf Banda und den dazu gehörenden kleinen Eilanden Monopol. Der Eigenthümer kann die Perken verpachten oder verkaufen; allein er darf keinen Baum ohne Bewilligung des Regierungsaufsehers umhauen. Letzterer besucht jedes Jahr die Perken, bezeichnet die Bäume, welche auszurotten[S. 149] sind und bestimmt die Zahl der neu zu pflanzenden. Um die Leute zu den Muskatpflanzungen anzuregen, gibt die Regierung das Land umsonst und unterstützt die Pflanzer mit billigen Arbeitern, die aus den Verbrechern bestehen, welche von Java und anderen Orten hieher verbannt und per Monat vermiethet werden.
Am 27. December segelte der Dampfer wieder ab. Da es auf dieser kleinen Insel wenig zu sehen gab und ich, wollte ich das Schiff nicht benutzen, einen Monat auf ein anderes hätte warten müssen, so besann ich mich nicht lange und begab mich an Bord.
Wir verließen Nachmittags Banda, um nach der ebenfalls kleinen Insel Ambon (144 M.) zu segeln. Das Wetter war herrlich, so daß wir schon am 28. December Morgens vor Ambon lagen.
Die Bucht von Ambon ist sechzehn Meilen lang, an der Einfahrt sechs, bei Ambon, das ungefähr in der Mitte liegt, eine Meile breit. Die ganze Bucht ist von niedrigen Hügelketten und Gebirgen umgeben, die höchsten Punkte, der Sytham und der Sirymohu werden auf 3000 und 4000 Fuß geschätzt. Die Hügelketten zeichnen sich durch reiche Vegetation aus; Wälder wechseln mit Wiesenplätzen und Gewürzpflanzungen; die schöne gefiederte Sago-Palme drängt sich[S. 150] überall hervor; die schlankstämmige Areka-Palme, die Kokospalme überragen die umfangreichen Blätterbäume.
Ich hörte behaupten, daß die Einfahrt von Banda, besonders aber die von Ambon an Schönheit mit jener von Rio de Janeiro wetteifern könne. Die Einfahrt von Banda ist reizend, die von Ambon wohl noch etwas reizender, aber eine wie die andere sind in keiner Beziehung mit der großartigen, einzig schönen Einfahrt von Rio de Janeiro zu vergleichen. Eher könnte man eine Aehnlichkeit mit jener von Santos (400 Meilen von Rio de Janeiro) aufstellen.
Das Städtchen Ambon, Sitz des Gouverneurs der Molukken, zählt nur 1500 Einwohner und sieht mehr wie ein Dorf aus. Es ist von dem Fort Viktoria beschützt. Die Residenz des Gouverneurs, einen Paal von dem Städtchen entfernt, zu Batugadja gelegen, besteht aus einem ganz unbedeutenden kleinen Bambus-Hause. Der Gouverneur, Herr Vischer, konnte mich gar nicht aufnehmen, da das einzige Fremden-Kämmerchen schon besetzt war; ich kam zu Herrn Roskolt, dem Direktor des Institutes zur Bildung der Volksschullehrer.
Herr Roskolt wurde im Jahre 1835 von der Holländischen Regierung nach Ambon gesandt, um dieses Institut zu errichten, welches zur Aufnahme von zwölf[S. 151] eingebornen Jünglingen bestimmt war, die hier Unterricht, Kleidung, Kost u. s. w. erhalten sollten. Die zu dem Zwecke angewiesene Summe wurde in die Hände des Herrn Roskolt gegeben, und zwar ohne daß die Regierung eine Verrechnung verlangte. Schon am Ende des ersten Jahres fand Herr Roskolt, daß die Summe für achtzehn Jünglinge ausreichen würde, und stellte das Ersuchen, sechs Zöglinge mehr aufnehmen zu dürfen. Nebst diesen bestimmten Zöglingen erlaubt Herr Roskolt auch noch zehn bis fünfzehn jungen Leuten an dem Unterrichte Theil zu nehmen, aus welchen er dann immer die fähigsten zur gänzlichen Aufnahme wählt. Der Unterricht besteht in richtiger Kenntniß und Schreibung der Malaischen Sprache, in Religion, Arithmetik, Geographie und im Gesange der Psalmen.
Die Eingebornen auf Ambon und den nahen Inselchen sind Christen; zu den Zeiten der Portugiesen waren sie Katholiken, jetzt sind sie Protestanten. In jedem größeren Dorfe (hier Negeri genannt) ist ein Schullehrer angestellt, der zugleich die Stelle des Priesters vertritt und in dem Gotteshause die Gebete und Gesänge abhält. Es gibt mitunter so große Dörfer, daß ein Schullehrer bis 250 Kinder unter sich hat. Ich besuchte auf meinen Ausflügen auf Ambon, Saparua und Ceram mehrere Dorfschulen,[S. 152] deren Schullehrer Zöglinge des Herrn Roskolt waren. Die Kinder schrieben recht hübsch, rechneten richtig, sangen die Psalmen ganz gut u. s. w. Unwillkürlich stieg der Wunsch in mir auf, daß alle Europäischen Dorfkinder so gut unterrichtet sein möchten, als es diese Malaische Jugend war. Herr Roskolt hat sich nicht erfolglos bemüht; seine Arbeiten tragen jetzt schon gute Früchte.
So wie Banda das Vaterland des Muskat-Baumes, so ist Ambon das des Gewürznelken-Baumes. Die Pflanzung desselben ist daher auch ein Hauptaugenmerk der Regierung und zugleich Monopol. Jedes Familienhaupt muß, je nach der Güte des Bodens, dreißig bis achtzig Bäume pflanzen und vollzählig unterhalten.
In frühern Zeiten wurde der Muskatbaum ausschließend auf Banda und den dazu gehörigen kleinen Inseln, der Gewürznelken-Baum ausschließend auf Ambon und Saparua gepflanzt; auf den übrigen Molukken wurden beide Bäume ausgerottet. Jetzt können sie auf allen Inseln gepflanzt werden und sind nur auf den obgenannten Monopol.
Der Gewürznelken-Baum beginnt im zwölften bis fünfzehnten Jahre zu tragen und stirbt erst mit hundert Jahren. Er liefert ein bis zwanzig Pfund. Die Ernte hat nur einmal im Jahre statt, von November[S. 153] bis Januar. Die Nelken werden im Schatten getrocknet. Der Pflanzer erhält seit kurzem dreißig Deut per Pfund, während er früher sich mit vierundzwanzig begnügen mußte. Diese Erhöhung ist dem jetzigen Gouverneur-General, Herrn Deimar van Twist zu danken[21].
Die Eingebornen wissen aus den Gewürznelken ganz hübsche Gegenstände zu machen: Vasen, Schiffe, Körbchen u. s. w. Die Gewürznelken müssen sie hiezu von der Regierung kaufen, und zwar zu einem unmäßig hohen Preise. In Holland soll das Pfund dieses Gewürzes eine halbe Rupie kosten, hier bezahlen die Leute zwei Rupien dafür. Außerdem ist noch die Ausfuhr von dergleichen Spielzeug sehr hoch besteuert.
Auch der Muskat-Baum wird auf Ambon ziemlich häufig gepflanzt; vorzüglich gut gedeiht der Kakao-Baum; der Pikul Bohnen wird mit sechzig Rupien bezahlt. Der wichtigste Baum jedoch für die Eingebornen,[S. 154] nicht nur auf Ambon, sondern auf allen Molukken, ist die Sagopalme. Das Mark derselben macht die Hauptnahrung der Eingebornen aus; es ist ihnen, was den Chinesen und Indiern der Reis, was andern Völkern das Getreide. Diese Palme wird gewöhnlich im fünfzehnten Jahre reif; man haut sie dann um, spaltet den Baum, und arbeitet das Mark mittelst einer einfachen Haue von Bambus heraus. Der ganze Stamm besteht aus Mark, das kaum von einer zolldicken Rinde umgeben ist. Das Mark wird theilweise in eine Art Trog gelegt, der aus dem ausgehöhlten Sagostamme verfertiget ist, und dessen Endseiten man mit Stücken geschlagenen Bastes verstopft. Durch Waschen und Kneten des Markes sondern sich die mehligen Theile von den faserigen ab. Das von dem Mehle geschwängerte Wasser läuft durch den Bast, welcher die Stelle eines Siebes vertritt, in einen zweiten Trog, in welchem mit dem Waschen so lange fortgefahren wird, bis sich alle Mehltheile von den Fasern gesondert haben. Sobald sich das Mehl gesetzt hat, läßt man das Wasser ab, und die Arbeit ist beendet. Das Mehl wird in nassem Zustande zu fünfundzwanzig bis dreißig Pfund in Körbe verpackt, die gleich an Ort und Stelle von den grünen Blättern der Sagopalme gemacht werden. Eine besondere Eigenschaft dieses Markes oder Mehles ist, daß es nie trocken[S. 155] werden darf; man muß die Körbe mit dem Mehle von Zeit zu Zeit in Wasser stellen.
Man bereitet aus diesem Mehle Brot und Papeta. Zur Bereitung des ersteren bedient man sich eiserner oder irdener Geschirre, mit kleinen Abtheilungen, die man erst glühend erhitzt, dann von innen mit etwas Wasser befeuchtet. Man füllt sie hierauf ganz mit dem Mehle an, bedeckt sie mit Blättern, legt ein Brettchen darauf, das mit einem Steine beschwert wird, und läßt sie so lange stehen, bis sich Dunst entwickelt, ein Zeichen, daß die Brötchen gar sind. Noch einfacher ist die Bereitung der Papeta. Man schüttet anfänglich etwas kaltes Wasser auf das Mehl, rührt es zu einem dicken Teige, gießt dann so viel heißes Wasser zu, bis es sehr flüssig wird, und läßt es erkalten. Die Papeta gleicht einer Sulze oder einem steifen Kleister. Beide Gerichte, ohne andere pikante Ingredienzien genossen, schmecken überaus leer und fade.
Aus diesem Nahrungszweige ist ersichtlich, daß das Volk für Leben und Unterhalt wenig zu thun braucht. Familien, die wenig oder keine Sagobäume besitzen, können sich leicht mehrere hundert Pfund Mehl mit wenig Arbeit erwerben. Es ist nämlich Sitte, daß wenn ein Mann zu dem Eigenthümer eines reifen Sagobaumes geht und ihm sagt, daß er einen[S. 156] reifen Baum habe, den er (der Mann) für ihn umhauen wolle, der Eigenthümer stets seine Einwilligung gibt. Der Mann kommt dann mit einigen Gehülfen, schlägt den Baum, bereitet und packt das Mehl, eine Arbeit von drei bis vier Tagen; dafür erhält er die Hälfte des Mehles nebst der Verköstigung während der Arbeit.
Die Sagopalme, der Pisang (Bananen-Baum) gedeihen ohne alle Nachhülfe, das Meer ist überreich an Fischen, es wird daher begreiflich, daß das Volk auf den Molukken träger ist, als irgendwo. Wenn man z. B. mit dem Dampfer ankommt, ist der Landungsplatz voll von müssigen Gaffern; keiner würde aber, selbst für übertrieben gute Bezahlung, das Reisegepäck nach dem Städtchen tragen. Man muß erst in das Haus gehen, in welchem man absteigt und von dort aus nach Trägern suchen. Oftmals ging ich Nachmittags in mehr als ein Dutzend Hütten, um einiges von den aus Gewürznelken gefertigten Arbeiten zu kaufen — überall fand ich die Leute entweder Karten spielend oder schlafend.
Den Neujahrstag (1853) feierten wir mit einem Spaziergange nach dem nahen Wasserfalle „Batu-Gontung.“ Der Wasserfall ist höchst unbedeutend, eben so eine dabei gelegene Grotte. Ein kaltes Bad[S. 157] im Flüßchen und der Spaziergang durch die schönen Waldungen waren jedoch sehr lohnend.
Um die Insel Ambon ein wenig kennen zu lernen, durchschnitt ich sie von Norden nach Süden und ging nach der Negeri Emma, ungefähr acht Paal. Man bedient sich auf Ambon zum Reisen einer Art Tragstühle, da die Wege zum Fahren oder Reiten nur einige Paal um das Städtchen gut sind. Ich wollte keinen Tragstuhl nehmen, indem mir nichts unangenehmer ist, als mich von Menschen tragen zu lassen; allein man behauptete, daß die Berge zu schroff seien, um von Europäern überklommen werden zu können.
Ich nahm also zur Vorsorge einen Tragstuhl mit, lief aber daneben her. Es ist wahr, die Berge und Hügel steigen sehr schroff und steil auf, man muß wirklich schwindellos sein, um hinüber zu kommen; ich hatte jedoch ungleich Aergeres auf Borneo und Sumatra erlebt. In drei Stunden war ich in Emma.
Die ganze Gegend zwischen dem Städtchen Ambon und Emma besteht aus Schluchten und trichterförmigen Vertiefungen; man mußte stets auf- und niederklettern oder auf äußerst schmalen Bergkanten fortschreiten. Alles war mit schönen Waldungen, mit üppigem Untergesträuch bedeckt. Man sah viele Dusons[22] mit[S. 158] Gewürznelken-Bäumen; in den Wäldern gab es viele Sagopalmen. Von den Höhen erblickte man das Meer dies- und jenseits der Insel. Die Berge bestehen zum Theil aus Sand, den man sehr leicht herab arbeiten kann.
Die Negeris liegen an den Kanten der Schluchten oder auf den Spitzen der Berge. Die Leute haben im Dorfe oft nicht einen Schritt ebene Fläche. Die kleinsten Kinder hier würden manchen Erwachsenen aus den Ebenen im Bergklettern beschämen. Das läuft und springt auf und ab gleich Gemsen.
Ich blieb vier Tage auf Emma, um Insekten zu sammeln. Die Hitze war zwar sehr drückend, ich ertrug sie jedoch so gut, als hätte ich mein ganzes Leben unter dem Aequator zugebracht.
Nach Ambon zurückgekehrt, unternahm ich einen etwas größeren Ausflug nach Saparua und der Insel Ceram, einer der größten von den Molukken. Letztere wollte ich vorzüglich ihrer Bewohner, der wilden Alforen, wegen besuchen.
Am 11. Januar Nachts fuhr ich zur See nach dem Oertchen Paseo, welches östlich von Ambon, an dem kaum einige hundert Fuß breiten Isthmus liegt, der diese Insel in zwei Theile theilt. Ich kam um zwei Uhr Nachts an. Die Prauhs wurden hier bei der Fluth über den Isthmus gezogen und die Reise früh[S. 159] Morgens nach Ihamahu (35 Meilen) einer Negeri auf Saparua fortgesetzt. Von da ging ich zu Fuße nach der Negeri-Saparua (7 Paal), wo ein kleines Fort und der Sitz eines Assistent-Residenten ist.
Einen angenehmeren Spaziergang als von Ihamahu nach Saparua kann es nicht leicht geben. Das ganze Inselchen gleicht einem freundlichen Garten. Der Weg ist trefflich und führt durch kleine Waldungen von Fruchtbäumen, durch bedeutende Negeris, in welchen die Häuser in Reihen stehen, aber durch Bäume und grüne Plätze von einander geschieden und mit lebendigen Hecken eingezäunt sind. Die Aussichten, die man von den kleinen Höhen genießt, sind über alle Beschreibung herrlich. Man sieht Ambon, Ceram, Haraku und viele andere Eilande; man sieht das Meer bald als Bucht, bald als Bay oder Canal und über Saparua hinaus als endlosen Wasserspiegel. Ich fand viel Aehnlichkeit mit den Kykladen in Griechenland. Nur sind die Inselgruppen hier durch ihre üppige Vegetation ungleich schöner als dort.
In Saparua traf ich den Gouverneur, Herrn Vischer, der auf einem Kriegsschiffe von Ambon hieher gekommen war, weil man einen Aufstand der Eingebornen befürchtete. Letztere sind in den entfernteren Kolonieen oft den Eigenmächtigkeiten und Bedrückungen harter und eigennütziger Beamten ausgesetzt.[S. 160] Auch hier schien dies der Fall zu sein, und der Gouverneur wollte die Sache persönlich untersuchen. Ich habe bereits bei der Erwähnung der Hungersnoth in dem Gebiete von Samarang bemerkt, daß die Beamten, die sich Vergehungen oder Eigenmächtigkeiten zu Schulden kommen lassen, meistens wenig, mitunter gar nicht bestraft werden. In den Streitigkeiten mit den Eingebornen erhält fast immer der Beamte, selten der Eingeborne Recht. Bei der kleinsten Unachtsamkeit werden die Leute oft angefahren und ausgescholten, als hätten sie das größte Verbrechen begangen. Ich selbst sah einst einen Eingebornen an einen Pflock gebunden; er sollte mit einem Rohre 50 Hiebe auf den nackten Rücken bekommen. Als ich nach dem Verbrechen des Sträflings frug, wich man mit der Antwort aus, woraus zu schließen war, daß die Strafe dem Verbrechen nicht angemessen war. Zuverlässige Männer versicherten mir, daß nicht selten bis 100 Stockschläge ausgetheilt würden, obwohl die von der Regierung erlaubte höchste Zahl 30 sei. Die armen Leute erzittern manchmal so, wenn sie von Beamten oder Officieren gerufen werden, daß ihnen das Wort im Munde erstirbt. Auch in Brittisch-Indien hatte ich häufig Gelegenheit, dasselbe zu bemerken. Sollten Beamten und Officiere, die auf Außenposten angestellt sind, wo ihr Thun und Lassen nicht so überwacht werden kann,[S. 161] nicht ungleich strenger bestraft werden, wenn sie ihre Pflichten überschreiten, als der Eingeborne, dem die Gesetze mit Waffengewalt aufgedrungen wurden? Aber so ist es fast in der ganzen Welt. Der gemeine, arme Mann, der oft aus Unwissenheit, aus Unkenntniß der Gesetze fehlt, wird für das geringste Vergehen strenge bestraft; der Vornehme, der Gebildete findet Nachsicht und Milde. Verdiente Letzterer, gerade weil er gebildet ist, weil er volles Bewußtsein seines Vergehens hat, nicht doppelte Strafe?
Eine für den Reisenden sehr unangenehme Sache, die mich an Neapel, so wie auch an mein liebes Vaterland Oesterreich erinnerte, ist auf den Holländischen Besitzungen das ewige Abverlangen des Passes. In Batavia ließ ich den Paß für die Reise nach den Molukken visiren, in Samarang mußte dasselbe geschehen, in Surabaya, Ambon ebenso, ja beinahe in jedem Neste, wo nur ein Beamter residirte. Auf Saparua soll die Passomanie so weit gehen, daß kein Fischer ohne Paß auf den Fischzug ausgehen darf. Wahrlich, eine unerhörte Plackerei!
Schon auf Ambon hatte ich den Gouverneur ersucht, meine Reise nach Wahay an der Nordküste Cerams zu unterstützen. Ich wollte zu Lande durch das Innere dieser Insel gehen, die von den wilden Alforen bewohnt ist, welche auf Köpfe noch gieriger[S. 162] sind als die Dayaker. Bisher wagten es nur zwei Europäer diese höchst gefährliche Reise zu unternehmen, von welchen der eine 150 Mann zum Schutze mitnahm. Ohne Hilfe der Regierung kann man gar keine Leute als Begleiter finden, da sich ein Stamm vor dem andern fürchtet. Ich wollte mich dessen ungeachtet mit vier Leuten begnügen; allein der Gouverneur versicherte mir, daß ich wenigstens 20 haben müßte, weil unter dieser Zahl niemand mit mir ginge. Er fügte bei, daß, wenn eine dringende Nachricht zu Lande nach Wahay zu senden sei (gewöhnlich geschieht dieß zur See), stets 20 Mann geschickt werden.
Mit Briefen an einige Regenten, die auf Ceram ungefähr so viel wie Dorfrichter sind, und den herzlichsten Glückwünschen trat ich am 17. Januar Nachmittags die Reise zu Fuß an. Ich ging nur bis nach der Negeri Noloth auf Saparua (7 Paal).
Am folgenden Tag, 18. Januar, fuhr ich in einem Prauh über die See nach Makariki auf der Insel Ceram (32 Meilen). Ich kam da so spät an, daß ich die Nacht in dem Prauh zubrachte.
Den 19. Januar mußte ich in Makariki bleiben. Der eingeborne Häuptling hatte die zwanzig Leute zusammen zu suchen, die mich begleiten sollten. Den Rest des Tages brauchten die Leute, meistens Alforen und einige Malaien, dazu, sich für die Reise[S. 163] mit Lebensmitteln zu versehen. Wir nahmen nichts als Sago-Brote, Pisangs und kleine getrocknete Fischchen mit.
20. Januar. Morgens begann die beschwerliche und gefahrvolle Reise. Die Leute in Makariki machten mir von den Wegen eine schauerliche Beschreibung: sie sagten, daß ich beständig über Steingerölle, durch Wasser, über sehr schroffe Gebirge zu gehen, die Nächte in den Wäldern unter freiem Himmel zuzubringen hätte, und prophezeiten mir, ich würde gewiß bald umkehren.
Kaum waren wir eine Stunde gegangen, so begegneten wir schon einem Hinderniß, das für mich wenigstens sehr unangenehm war: der breite, tiefe und ziemlich reißende Fluß Ruata mußte durchschwommen werden. Wie bei Sigumpulang auf Sumatra kam ich mit Hilfe zweier Eingebornen, die mir die Hand reichten und mich nach sich zogen, glücklich hindurch. Diesen ersten Tag verließen wir zwar die Ebene nicht, deßhalb war jedoch der Weg nicht minder schrecklich: er führte beständig in einem breiten Strombette fort, das jetzt in der trocknen Jahreszeit nur von einem schmalen, seichten Flüßchen eingenommen war. Wir hatten fast immer großes Steingerölle zu überklettern und unzählige Mal den Fluß nicht nur zu durchkreuzen, sondern mitunter lange Strecken in ihm zu gehen.[S. 164] Gewiß ein Drittheil dieser Tagereise (18 Paal) ging durch Wasser. Dabei litt ich viel von der Hitze, denn obwohl von Waldungen umgeben, war das Strombett, in dessen Mitte wir uns halten mußten, zu breit, als daß der kühlende Schatten bis zu uns hätte gelangen können. An Aussichten war der Tag arm, da wir stets zwischen Waldungen und Schluchten wandelten.
Nachmittags um 4 Uhr machten wir Halt[23]. Das Nachtlager wurde im Flußbette aufgeschlagen. Die Alforen errichteten schnell drei Laubdächer, unter die wir uns vertheilten, und lustige Feuer, an denen es leider nichts zu kochen gab, loderten bald empor. Der Anblick der finstern Waldungen, deren schwarze Schatten durch den aufgehenden Mond noch mehr herausgehoben wurden, war wohl etwas unheimlich; allein es halten sich auf dieser Insel keine wilden Thiere auf, und vor dem Ueberfalle eines Alforen-Stammes hatte ich keine Furcht. Ruhig legte ich mich auf das harte Steinlager und ließ mich von dem Gemurmel des Flusses bald in schöne Träume wiegen.
21. Januar (19 Paal). Heute hatten wir die erste Gebirgskette, Rothlong-Batai, zu übersteigen;[S. 165] die Höhe des Uebergangs mochte 800 bis 900 Fuß betragen. Obgleich kein Pfad durch die Waldungen führte, so gehörte der Weg dennoch nicht zu den schlechtesten: das Untergebüsch war dünn, man konnte sich leicht überall durchwinden, auch waren die Berge nicht so schroff und steil wie jene von Ambon. Ich bewunderte sehr die Ortskenntniß der Leute: sie fanden durch das Labyrinth der Bäume den Weg so sicher, als wären wir auf einer gebahnten Straße gegangen.
Auf den Höhen sah man hie und da kleine Gruppen verfallener Alforen-Hütten, die aus weiter nichts als Laubdächern bestanden, unter welchen fußhohe Schlafstellen errichtet waren. Die Bewohner hatten da wahrscheinlich schon allen Sago aufgezehrt und ihre Wohnsitze nach einer neuen, fruchtbareren Gegend verlegt.
Nachdem die Gebirgskette überstiegen war, ging es beständig in engen Klüften, in schmalen, stein- und wasserreichen Flußbetten fort, ja wie gestern, so häufig im Wasser selbst, daß unsere Füße gar nicht trocken wurden. Gegen Mittag ruhten wir ein halbes Stündchen aus, um den magern Imbiß zu verzehren. Das harte Sagobrot mußte erst einige Minuten im Wasser erweicht werden, um es genießbar zu machen; dazu ein Paar Pisangs (Bananen), und die Tafel war Mittags,[S. 166] wie Morgens oder Abends fertig. Mein Hunger zeigte sich jedoch in Folge der gehabten Anstrengung stets so groß, daß ich die Entbehrung besserer Gerichte nicht im Geringsten fühlte.
An Rehen und Wildschweinen muß diese Insel überreich sein; von ersteren sahen wir viele, von letzteren fast nur die Spuren. Einige meiner Leute hatten Gewehre mit; es ging aber keines los. Ich sah bei dieser Gelegenheit, wie die Eingebornen die flüchtigsten Rehe im schnellsten Laufe so zu erschrecken oder stutzig zu machen wußten, daß die Thiere eine halbe Minute wie angewurzelt stehen blieben und das Auge von ihnen nicht abzogen. Die Leute schwenkten nur ein hochrothes Tuch und spannten es plötzlich auf. Trotz des sichern Zielpunktes, den die Thiere der Art abgeben, mußten wir uns doch die Lust auf einen Rehbraten vergehen lassen, da, wie gesagt, die unglücklichen Gewehre stets versagten. Dagegen fingen meine braven Alforen ein junges Wildschweinchen und ein Kussu (Baum- oder wilde Katze). Ersterem liefen sie über Stock und Stein so behende und flink nach, bis sie es ermüdeten und erhaschten. Letzteres holten sie von einem gewiß über hundert Fuß hohen Baume herab. Es war ängstlich und zugleich bewunderungswürdig zu sehen, mit welcher Leichtigkeit sie bis auf die höchste Spitze des Baumes kletterten. Das Thier[S. 167] selbst war nicht schwer zu erlegen: bei Tage sieht es nicht und bleibt ganz ruhig sitzen. Sie gaben ihm einen Schlag auf den Kopf und warfen es zur Erde, wo es gänzlich getödtet wurde.
Gestern wie heute begegneten wir keiner Seele. Das Nachtlager wurde abermals in einem Flußbette aufgeschlagen. Die Feuer brannten jedoch diesen Abend nicht umsonst. Dem Wildschweinchen wurde zwar vor der Hand das Leben geschenkt (mit diesem Braten sollte die Ankunft in Wahay gefeiert werden); aber das Kussu wurde geopfert. Die Leute schlitzten es auf, nahmen die Eingeweide und Gedärme heraus, wuschen es aus und legten es über das Feuer, um den Pelz einigermaßen abzubrennen. Sie legten dann das Eingeweide sammt den ausgewaschenen Gedärmen wieder in das Thier, steckten es an ein Holz und brieten es. Der Braten wurde ohne Salz verzehrt, da wir nichts dergleichen mit uns führten. Die guten Leute brachten mir ein ganzes Schenkelchen; ich nahm ein kleines Stück, um ihre Gabe nicht zu verschmähen und um das Fleisch zu kosten. Es hatte einen starken Geruch; nichts desto weniger schmeckte es mir. Die Malaien essen dieses Thier nicht: sie finden den Geruch zu stark.
22. Januar (achtzehn Paal). Heute gab es zwei Gebirgsketten zu übersteigen. Die Höhe der ersteren, Gorolehuway, mochte 1500, die der letzteren,[S. 168] Hurali, 500 Fuß betragen. Die Waldungen auf Ceram zeichnen sich durch hohe, schlanke, ziemlich umfangreiche Bäume aus; ich blieb häufig bewundernd stehen, um diese himmelanstrebenden Giganten zu betrachten. Viele Stämme waren mit Schlingpflanzen und Orchideen bedeckt; doch Blumen sah ich nicht. Dagegen fiel mir ein Schwamm auf, wie ich nie zuvor einen gesehen. Er war nicht groß, hatte die Form eines Fingerhutes und saß auf einem drei Zoll hohen Stängel. Von der untern Kante hing rund herum ein zwei Finger breites, blendend weißes Netz, das so durchbrochen war wie das feinste Spitzengewebe. Es kam mir nie mehr ein zweites Exemplar vor.
Von der Höhe des Gorolehuway sah man weit in das Land hinein. Der größte Theil war sehr gebirgig, die Thäler lang, aber schmal; überall finstere Waldung, keine Spur einer Hütte oder eines Feldes.
Am schroffsten und gefährlichsten war der Uebergang über den Hurali. Dieses Gebirge, das letzte, das wir zu übersteigen hatten, fiel an manchen Stellen so senkrecht in die See, daß man kaum für den Fuß Raum fand; wäre ich dem Schwindel unterworfen gewesen, so hätte ich da gewiß meine Grabstätte gefunden. Auf dem Hurali sah ich das erste Alforische Dorf; es soll das größte auf ganz Ceram sein und enthielt an dreißig Hütten. Es schien aber wie[S. 169] ausgestorben: man sah und hörte keine Seele, so daß ich glaubte, es sei verlassen. Meine Begleiter sagten mir jedoch, daß das Dorf bewohnt und die Leute zu Hause wären; nur seien sie so scheu und furchtsam, daß sie bei dem geringsten Laute menschlicher Stimmen oder Fußtritte in die Hütten flöhen und die Thüren verschlössen. Wir wurden hier von einem starken Regen überfallen und suchten Schutz unter den Hütten, die auf Pfählen gebaut waren. Wir klopften auch an manche Thür und riefen nach den Bewohnern. Einige gaben uns zwar Antwort; aber keiner öffnete seine Thür. Und so war ich über eine Stunde in einem großen Alforischen Dorfe, ohne eine Seele zu Gesicht zu bekommen. Ich mußte die Neugierde, die Alforen kennen zu lernen, auf die Rückreise verschieben, für die ich mir vornahm, mich von irgend einem Rajah begleiten zu lassen, welcher Einfluß auf die Leute hätte.
Als wir den Hurali im Rücken hatten und an die See kamen, dachte ich, daß nun alles Böse überstanden wäre; allein dem war nicht so. Die Berge und Hügel Ceram’s haben die Eigenthümlichkeit, daß sie meistens ganz schroff und steil gleich Wänden gegen die See abfallen. Wir mußten noch einen ganzen Paal in der Brandung der See selbst über Felsen, Riffe und Klippen steigen. Die Wogen schlugen heftig an, man hatte Mühe, sich zu erhalten, um[S. 170] so mehr, als Klippen und Steine vom Wasser spiegelglatt geschliffen waren, und auf diese Weise bot uns das Ende der Reise mehr Schwierigkeiten als der Anfang. Doch auch dieß wurde glücklich überwunden und ein lieblicher Pfad durch kleine Wiesen führte den letzten Paal nach der Negeri Passanea.
Man wird es vielleicht für Großsprecherei halten, wenn ich sage, daß mich diese Fußreise von einigen fünfzig Paal nicht im geringsten ermüdete. Ich hatte stets so viel zu sehen, jeder Gegenstand, wenn auch noch so klein und unbedeutend, interessirte mich so sehr, daß ich alle Mühseligkeiten vergaß. In solchen Fällen bewunderte ich oft selbst meine eisenfeste Natur, die mir erlaubte, ähnliche Strapazen auszuhalten. Ich lebte nur von Sagobrot und Pisangs, schlief auf hartem Boden und ging täglich achtzehn bis neunzehn Paal, was auf guten Wegen wohl nichts sagen würde, auf diesen steinigen, schroffen Gebirgspfaden aber im höchsten Grade beschwerlich war.
Passanea ist von Malaien bewohnt. Die Malaien lassen sich an Küstengegenden, die Alforen im Gebirge nieder. In Passanea kehrte ich bei dem Regenten ein.
Am folgenden Tage, 23. Januar, fuhr ich in einem winzig kleinen Prauh nach Wahay (40 M.).[S. 171] Die See war ruhig, und ohne Unfall erreichte ich Abends acht Uhr diesen Ort.
Wahay ist die einzige Niederlassung der Holländer auf Ceram; sie haben hier ein kleines Fort mit einer Besatzung von 30 Mann.
Ich blieb in dem Prauh sitzen und sandte den Empfehlungsbrief, den mir der Gouverneur Vischer für den Kommandanten, Herrn Kern, gegeben hatte, an letztgenannten Herrn ab.
Der gute Mann wollte meinem Führer gar nicht glauben, als ihm dieser verkündete, daß eine Frau die Reise nach Wahay über Land gemacht habe; er versicherte mir später zu wiederholten Malen, daß er eher den Einsturz des Himmels als ein solches Ereigniß erwartet hätte.
Ich blieb sechs Tage auf Wahay, während welcher ich meine Insekten-Sammlung sehr vermehrte; allein von den Alforen bekam ich immer noch nichts zu sehen: sie wohnten zu weit ab von Wahay. Herr Kern versprach mir, mich auf meiner Rückreise bis Saway (nahe bei Passanea) zu begleiten und von dort aus zwei Alforische Negeris mit mir zu besuchen.
Herr Kern, der bereits seit zwei Jahren auf Wahay lebte und manches von den Sitten und Gebräuchen der Alforen gesehen und gehört hatte, machte mir davon ungefähr folgende Schilderung, die ich so übereinstimmend[S. 172] fand mit dem, was ich bei den Dayakern beobachtet hatte, daß ich die Alforen für Abkömmlinge oder Stammverwandte der Dayaker halten möchte.
Die Alforen sind Kopfjäger wie die Dayaker; sie schätzen einen abgehauenen Menschenkopf höher als die kostbarste Beute. Hier muß wirklich jeder Jüngling seiner Auserwählten als Brautgeschenk einen Kopf oder wenigstens einen Theil eines Kopfes bringen. Gewöhnlich ziehen fünf bis sechs Jünglinge gemeinschaftlich auf die Kopfjagd aus, begnügen sich mit einer solchen Trophäe und theilen sie dann. Die Hütte, in welcher sie die eroberten Köpfe aufbewahren, heißt Baileo. Wenn der Baileo zu verfallen beginnt und ein neuer gebaut wird, bleibt dieser ungedeckt, bis man ihn mit einem neuen Kopfe schmücken kann; dann erst wird er gedeckt, und die Köpfe werden aus dem alten Baileo übertragen.
Der Alfore, welcher einzeln auf die Kopfjagd geht, verbirgt sich gleich den Dayakern hinter Bäumen oder Gesträuchen, legt sich flach auf die Erde, bedeckt sich ganz mit Laub und Zweigen, und harrt Tage lang, ohne Nahrung und Trank, auf seine Beute. Er schleudert nach dem Unglücklichen aus seinem Verstecke mit nie fehlender Geschicklichkeit seine Lanze, deren Spitze zwar nur von Bambus, aber scharf wie Eisen ist. Dann stürzt er von rückwärts über sein[S. 173] Opfer her und haut ihm den Kopf ab. Den Körper verbirgt er höchst sorgfältig in Klüften und abgelegenen Orten, um die Entdeckung des Mordes so viel als möglich zu verhindern.
Geht ein ganzer Stamm oder die Bewohnerschaft eines Dorfes auf die Kopfjagd, so suchen sie das feindliche Dorf zu einer Zeit zu überfallen, wenn die Männer auswärts mit Feldarbeit beschäftigt sind. Die Alforen schätzen die Köpfe der Weiber, ja der Kinder eben so hoch, wie die der Männer. Mit der Beute heimkehrend, kündigen sie ihr Glück schon von fern durch gellende Pfiffe auf einer Muschel an. Die Weiber und Kinder eilen den Siegern singend und jubelnd entgegen und führen sie im Triumphe nach dem Baileo. Hier werden die Köpfe den Knaben und Mädchen, die das zehnte Jahr nicht erreicht haben, überlassen; diese saugen jeden Blutstropfen begierig aus, was ihnen nach der Eltern Meinung Muth und Tapferkeit verleiht. Die Köpfe werden dann etwas geröstet, von dem Fleische gereinigt und in dem Baileo aufgehangen. Das Fleisch wird nicht gegessen, da die Alforen keine Kannibalen sind. Die Feste dauern einige Tage; man verzehrt dabei Wildschweine, Rehe und Kussus. Die Kinnbacken der verzehrten Thiere hängen sie ebenfalls an den Wänden des Baileo auf. Bei solchen festlichen Gelegenheiten erhalten die zehnjährigen[S. 174] Kinder ihr erstes Kleidungsstück, die Knaben eine handbreite Leibbinde von Bast, die Mädchen ein enges, kaum fußlanges Röckchen. Leibbinde wie Röckchen werden Tijdaks genannt.
Wenn ein Mann einen Kopf erjagt hat, darf er als Auszeichnung sein blankes hölzernes Schild mit weißen Muscheln, sein Tijdak mit Zeichnungen verzieren. Man könnte diese Zeichen füglich die „Alforischen Militärorden“ nennen, denn sie werden gleich den Europäischen nur nach glorreichen Thaten verliehen, wenn die Hände des Siegers Menschenblut vergossen haben.
Die Religion der Alforen ist mit vielen Göttern und Geistern belebt. Einige Stämme haben Priester und eine Hütte als Tempel. Beide dienen jedoch nicht für Gottesdienst, sondern für die Zeremonie des Tätowirens, die an allen Kindern im zehnten Jahre vorgenommen wird. Die Kinder werden zu diesem Zwecke mit Sagower (Palmwein) berauscht, in diesem Zustande in den Tempel gebracht und auf der Brust oder den Armen etwas tätowirt. Wenn sie vom Schlafe erwachen, sagt man ihnen, der gute Geist habe dieß gethan. Die Tätowirungshütte darf nur von dem Priester und dem Rajah betreten werden. Die Stämme, die sich nicht tätowiren, haben weder Tempel noch Priester.
[S. 175]
Die Alforen können mehrere Weiber nehmen und sich ohne Schwierigkeit wieder scheiden; gewöhnlich aber begnügen sie sich mit einer Frau. Scheidungen sollen selten vorkommen. Die Weiber werden gekauft, zwar nicht mit Geld, denn sie haben gar keines und trachten auch nicht darnach, aber mit Reis und Tabak.
Sie tödten zuweilen die schwer Erkrankten, von welchen sie keine Genesung mehr hoffen, spannen dabei die Unglücklichen gleichsam in den Bock, indem sie ihnen die Arme durch die Knie ziehen, und lassen sie in dieser Stellung, bis die Seele vom Körper geschieden ist. Die Todten tragen sie entweder auf die höchsten Spitzen der Berge, am liebsten auf hohe, steile Felsen, oder sie verbrennen sie.
Ihre Gesetzgebung soll ziemlich weise und gut sein. Die verschiedenen Stämme bilden eine Art Konföderation, haben einen König für die ganze Insel und Rajah’s für jedes Dorf. Sie erweisen ihren Vorgesetzten viele Ehrfurcht; dennoch sollen diese nur wenig Einfluß auf das Volk haben. Im Ganzen schildert man die Alforen als ehrlich, gut, verträglich und als gut gesittet. Sie sind die einzigen, die auf Ceram einige Bodenkultur betreiben: sie pflanzen etwas Reis, Tabak, Ubi und Mais, welche Artikel sie an die trägen Malaien, die beinahe nichts bauen, gegen Kokosnüsse, Pisangs, bunte Tücher und Glasperlen vertauschen.
[S. 176]
Während meiner Anwesenheit zu Wahay kam die Nachricht an den Kommandanten, daß Alforen in eines ihrer stammverwandten Dörfer eingefallen und fünf Köpfe erobert hätten. Die Holländische Regierung nimmt keine Notiz, wenn sich die Alforen unter einander köpfen, und selbst sehr wenig, wenn sie über die Malaien herfallen. Sie hat auf dieser Insel zu wenig Macht, um mit einigem Ernste auftreten zu können. Auch mit zahlreicheren Truppen, als ihr zu Gebote stehen, würde es schwer sein, diese Bergvölker zum Gehorsam zu bringen. Bei der geringsten Verfolgung ziehen sie sich auf die höchsten, unzugänglichsten Berge zurück und finden dabei überall Nahrung, da die Sagopalme allenthalben in solchem Uebermaße gedeiht, daß ungleich mehr verdirbt, als aufgezehrt wird. Auch an Wild fehlt es nicht auf dieser Insel, wo es keine reißenden Thiere gibt, die dessen Vermehrung verhindern.
Kurze Zeit, bevor ich nach Wahay gekommen war, wurden drei Malaien von Alforen getödtet. Man zog zwar zwei Rajahs von dem Stamme ein, welche der Morde beschuldiget wurden; allein die Leute gestanden nichts, und am Ende mußte man sich begnügen, sie nach ihren Gesetzen zu bestrafen. Diese verurtheilen den schuldigen Stamm, den Verwandten der Gemordeten zur Sühnung einige irdene Töpfe und Schüsseln, etwas Tabak und Reis zu geben.
[S. 177]
Die Holländische Regierung zieht von Ceram nicht den geringsten Nutzen. Es werden keine Gewürze gebaut, keine Abgaben bezahlt. Das Fort zu Wahay dient bloß dazu, festen Fuß auf der Insel zu haben, und sie derart als Holländisches Besitzthum erklären zu können.
Am 30. Januar verließ ich Wahay, begleitet von Herrn Kern. Wir waren kaum einige Stunden zur See, als sich ein so stürmischer Wind erhob, daß wir das Land suchen mußten. Dieß war eine sehr schwierige Aufgabe, obwohl wir längs der Küste in der Entfernung von kaum einer Viertelmeile fuhren; überall gab es Riffe, hohe Felswände, steil abfallende Berge. Mit vieler Mühe und Gefahr gelangten wir endlich in eine kleine Bucht, wo wir den ganzen Tag und die halbe Nacht zubrachten. Den folgenden Morgen fuhren wir nach Saway, das wir sehr früh erreichten. Wir besuchten von hier aus zwei Alforische Dörfer, Massitulan und Opin, die auf niederen, aber beinahe senkrecht aufsteigenden Hügeln nahe bei Saway liegen.
Die Hütten der Alforen sind klein und wie jene der Malaien auf Pfählen gebaut; die Wände bestehen aus den Rippen der Sagoblätter, die Dächer aus den Sagoblättern. Im Innern sieht man nichts als einige Matten, einige Töpfe und Teller, einen Parang, Bogen[S. 178] und Pfeile, eine Lanze und einen hölzernen Schild (vier Fuß lang und sechs bis acht Zoll breit).
Die Alforen sind minder häßlich als die Malaien; ich fand mitunter recht wohlgeformte Gesichtsbildungen. Der Körper ist schlank und ebenmäßig; unter den Mädchen gibt es höchst zierliche Gestalten. Ihre Hautfarbe ist sehr lichtbraun; sie haben schöne schwarze Augen, weiße Zähne und dichtes schwarzes Haar, das nicht geschnitten wird. Die Männer wickeln die Haare vorne zusammen in Form einer Scheibe, die sie durch hinein gestecktes Reisstroh vergrößern. Um den Kopf winden sie ein Tuch so geschickt und zierlich, daß die Haarscheibe gleich einer Kokarde frei in der Höhe steht. Ein Mann, der zwei Köpfe erobert hat, darf auch das Kopftuch mit weißen Muscheln verzieren. Doch tragen nicht alle das Kopftuch oder die Haarscheibe; viele lassen das Haar frei flattern, was ihnen ein etwas wildes Aussehen verleiht. Das dichte, lange, etwas struppige Haar fällt über das Gesicht und fliegt bei jeder Bewegung umher. So reich ihr Kopfhaar ist, so arm ist der Bart. Es scheint nicht, daß sie wie die Malaien das Barthaar ausraufen; ich sah im Gegentheile einige unter ihnen, die ein Schnurrbärtchen hatten und sich viel darauf einzubilden schienen. Die Weiber haben das Haar hinten in einen Knoten gedreht und aufgesteckt.
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Beide Geschlechter gehen beinahe im Naturzustande; nur die Mädchen kleiden sich in das fußlange, enge Röckchen. Die Männer tragen einen handbreiten Gürtel von Bast, die Weiber legen, wenn sie heirathen, den Tijdak ab und gehen beinahe ohne alle Bedeckung.
In diesen beiden Alforischen Dörfern gab es noch wenig eroberte Köpfe. In dem einen stand ein neugebauter Baileo, der einstweilen ungedeckt war und des zu liefernden Kopfes harrte. Der Rajah des Dorfes Opin ist der Holländischen Regierung sehr ergeben. Er gestattet seinen Leuten nicht, ihre Opfer unter den Malaien zu suchen, ja er wünscht sogar, wie er sagt, das Kopfjagen ganz aufhören zu machen; doch wurde bisher seinen Vorstellungen kein Gehör gegeben. Er erhielt von dem Kommandanten für seine Anhänglichkeit an die Regierung einige alte Europäische Kleidungsstücke und andere Kleinigkeiten zum Geschenke. Da er von unserm Kommen unterrichtet war, hatte er alle diese Kostbarkeiten an seinen Körper gehangen. Man konnte nichts Lächerlicheres sehen. Ein altes Beinkleid reichte ihm bis an die Knöchel; in die Weste hätte er sich zweimal wickeln können, eben so in den Rock, an welchem die ursprüngliche Farbe kaum mehr zu erkennen war. Auf letzteren hatte er mehrere bunte Schnüre, sowie ein Stückchen Goldtresse als Orden[S. 180] geheftet. An der Seite trug er einen alten Stoßdegen, auf dem Kopfe eine kleine, spitze Mütze mit weißen Hahnenfedern. In diesem großen Putze erscheint er nur, wenn er mit dem Kommandanten in Berührung kommt; sonst geht er nackt wie sein Volk. Auch die Mädchen und Frauen, deren sich nur wenige auf vieles Zureden des Rajah zeigten, erschienen, weil der Besuch des Kommandanten angekündiget war, in Tücher und Kleidungsstücke eingehüllt. Ich sah sie erst später auf Hurali, wo der Kommandant nicht bei mir war, in ihrem Naturzustande.
Nachmittags fuhren wir nach Passaneo.
1. Februar. Zu Passaneo trennten wir uns: der Kommandant fuhr zur See nach Wahay, ich trat die Fußreise nach Makariki an. Vor dem Abschiede ersuchte ich noch den Kommandanten, mir den Regenten von Passaneo bis Hurali mit zu senden, damit er die Alforen bewege, ihre Hütten zu öffnen und mir Gelegenheit zu geben, dieses wilde und scheue Volk einigermaßen zu sehen.
Ich kam in Passaneo wieder mit meinen Alforischen Begleitern zusammen, die daselbst auf mich gewartet hatten. Nun erst, da ich den Werth der Muscheln und Zeichnungen verstand, sah ich, welche tüchtige Kopfjäger es unter ihnen gab; ich zählte sechs, deren[S. 181] Schilde (Tijdokos) und Kopftücher mit vielen weißen Muscheln und Zeichnungen prangten.
Als wir zu Hurali ankamen, war richtig wieder keine Seele zu sehen; der Regent mußte beinahe mit Gewalt die Leute aus ihren Hütten treiben. Ich stieg in mehrere Behausungen und hoffte mehr Wohlhabenheit zu finden, als in Massitulan und Opin, indem Hurali, wie gesagt, das bedeutendste Alforische Dorf ist; allein die Einfachheit oder Armuth war hier wie dort dieselbe. Die Kinder flohen vor mir, schrieen und heulten, als kostete es ihr Leben. Auch die erwachsenen Mädchen reichten mir nur auf wiederholte Zusprache des Regenten die Hand zum Gruße. Das Mißtrauen, die Scheu dieser Leute rühren von ihrer Angst her: sie leben in steter Besorgniß feindlicher Ueberfälle.
Man führte mich in den Baileo, der an Größe gegen die ihn umgebenden Hütten einem wahren Palaste glich: seine Länge mochte sechzig, seine Breite vierzig Fuß betragen. Mit Schauder zählte ich hier in einer langen Reihe 156 Schädel, die seit vielen Jahren zusammen gebracht wurden. An den Wänden hingen zahllose Kinnbacken der Wildschweine, Rehe u. s. w. die bei den stattgehabten Festlichkeiten verzehrt worden waren. Der Saal enthielt nichts weiter als die Köpfe,[S. 182] die Kinnbacken und die Feuerstelle, an welcher die Köpfe geröstet werden.
In der Hütte des Rajahs hingen ebenfalls noch ein Dutzend Menschenschädel.
Ich wünschte sehr den Festtanz zu sehen, den die Alforen um die eroberten Köpfe aufführen. Die Jünglinge waren auch dazu gleich bereit, und fanden sich alsbald mit den Instrumenten ein, die aus Muscheln und einer Trommel bestanden. Sie begannen schon auf die Trommel zu schlagen und den Muscheln gellende Töne zu entlocken; allein die älteren Leute, besonders der Rajah, gaben ihre Einwilligung zu dem Tanze nicht: sie meinten, daß, wenn dieser Tanz aus Scherz aufgeführt würde, einer von ihnen bald als Opfer fallen müsse. Ich sah daraus, daß die Alforen, wie alle rohen und unwissenden Völker, sehr abergläubisch sind.
Als Entschädigung zeigte mir der Rajah persönlich den Angriff eines Feindes. Er bewaffnete sich mit Schild, Parang und Lanze; Schild und Parang hielt er in der linken, die Lanze in der rechten Hand. Er verbarg sich hinter einem Baum, spähte mit großer Vorsicht nach allen Seiten, warf sich zu Boden, bedeckte sich mit Blättern und Zweigen und legte das Ohr an die Erde. Nach kurzer Zeit richtete er sich etwas auf, als gewahre er sein Opfer, zog sich für[S. 183] einen Augenblick noch mehr zurück, warf plötzlich seine Lanze, stürzte hervor und führte mit dem Parang einen kräftigen Streich durch die Luft. Dann bückte er sich und raffte einen Stein auf, den er mir als eroberten Kopf überreichte.
Ich bat den Rajah hierauf, mir die berühmtesten Kopfjäger seines Stammes vorzustellen. Er wies auf einige Männer, die um mich herum saßen und sagte mir, dieser habe zwei, jener drei, er selbst erst einen Kopf erbeutet. Es gibt keine Worte, mein Erstaunen zu schildern, als ich dieß hörte und dabei die gutmüthigen, sanften Gesichter dieser Menschen betrachtete. Die gerühmten Helden lächelten bei der Erwähnung ihrer Traten so wohlgefällig und bescheiden, als wäre von den edelsten Handlungen die Rede gewesen. Freilich ist in ihren Augen das Erjagen eines Kopfes dieselbe Heldenthat, wie in den Augen eines Europäischen Generals eine gewonnene Schlacht, in den Augen eines Soldaten das Niedermetzeln seiner Gegner. Im Grunde ist die Sache auch hier wie dort dieselbe.
Mit Herzlichkeit nahm ich Abschied von diesen sonst so harmlosen Menschen und setzte die Reise fort. Wir hatten uns heute kaum zur Ruhe gelagert, als wir von dem Wache stehenden Manne erweckt wurden, der nach dem Walde wies. Dort sahen wir zu[S. 184] unserm Schrecken ein Licht schimmern. Meine Leute sprangen auf und griffen zu den Waffen. Bald erschienen ein halbes Dutzend Alforen mit brennenden Holzspänen und erzählten uns, daß sie unfern unseres Lagers viele Alforen gesehen hätten, die vermuthlich auf das Fällen der Sagobäume ausgegangen wären. Sie empfahlen uns Vorsicht und gingen ihres Weges. Mein Führer, den man mir in Saparua mitgegeben hatte, und der der braveste und beste Malaie war, der mir je vorgekommen, ließ unsere noch glimmenden Feuer sogleich gänzlich auslöschen, beorderte an jede meiner Seiten drei Mann als Wache, und auch die übrigen mußten sich ganz in meine Nähe legen. Wir waren aber von der beschwerlichen Tagereise (wir hatten die beiden Gebirgsketten überstiegen) alle so ermüdet, daß wir trotz der Gefahr bald wieder zu schlafen begannen, wie ich glaube, die Wache nicht ausgenommen.
Die Rückreise betrieb mein Führer mit solcher Eile, ich weiß nicht, ob aus Furcht oder aus einem anderen Grunde, daß wir am dritten Tage schon um 11 Uhr Vormittags in Makariki waren. Die letzten sechs bis acht Paal machten wir auf einem anderen Wege, der durch ganze Waldungen von Sago-Palmen führte.
Ich ruhte in Makariki einen Tag aus, den folgenden[S. 185] kehrte ich nach Noloth auf Saparua zurück und am
6. Februar traf ich in der Negeri Saparua selbst ein, wo ich den Gouverneur noch fand, der mich mit freudigem Erstaunen empfing. Seine erste Frage war: „Sind Sie denn wirklich in Wahay gewesen?“ — „Hier ist meine Bestätigung“, erwiderte ich lächelnd und reichte ihm einen Brief des dortigen Kommandanten.
Zu Saparua war diesen Abend große Tafel. Der Gouverneur verließ am folgenden Morgen die Insel und hatte zum Abschiede alle Regenten und Schullehrer eingeladen. Diese Leute, sämmtlich Eingeborne, erschienen in schwarzer, Europäischer Kleidung, drei unter ihnen in militärischer Uniform: letztere waren Offiziere der Bürgermiliz. Ich bewunderte ihre Haltung in den ihnen fremden, steifen Anzügen, so wie ihren Anstand und ihr Benehmen bei der Tafel. Sie handhabten das Eßbesteck mit einer Geschicklichkeit, als wären sie von Jugend auf daran gewöhnt gewesen. Die Malaische Gesichtsform, die bräunliche Hautfarbe allein verrieth sie; sonst hätte man meinen können, sich in Europäischer Gesellschaft zu befinden.
Am folgenden Morgen war schon sehr frühzeitig vieles Volk vor dem Hause versammelt, das dem Gouverneur durch allerlei Tänze seinen Dank für dessen[S. 186] Besuch der Insel bezeugen wollte. Da gab es Tänzer und Tänzerinnen in Menge. Letztere waren voll Flitterwerk; man sah, daß sie alles auf sich gehangen hatten, was sie zusammen bringen konnten. Auf dem Kopfe trugen sie Kronen von Messingblech mit Fransen oder Blumen verziert, bunte Lappen prangten als Schürzen und Schärpen. Sie führten den schläfrigen, einförmigen Malaischen Tanz auf, dessen Ende nie zu erleben ist. Die Tänzer sahen wo möglich noch komischer aus. Sie trugen messingene Pickelhauben mit himmelhohen Hahnenfedern, bunte Schärpen, kleine, runde, hölzerne Schilde, mit weißen Papierschnitzeln beklebt und hölzerne Parangs, mit Blumen geschmückt. Der Tanz, den sie aufführten, war etwas lebhafter und abwechselnder als jener der Mädchen.
Die Besetzung des Forts (50 Mann) war ebenfalls aufgestellt, die Regenten und Schullehrer umgaben den Gouverneur, und der ganze Zug begleitete ihn unter Tanz und Musik bis an das Seegestade. Der Gouverneur bereiste von hier noch einige andere Inseln.
Auch ich verließ Saparua noch denselben Abend, und am folgenden Tage begrüßte ich zu Ambon wieder die liebenswürdige Familie Roskolt.
Ich hatte nun schon viel Gelegenheit gehabt, das Volk auf den Molukken zu sehen. Ich fand die Malaien,[S. 187] aus welchen der größte Theil der Bevölkerung bestand, hier minder häßlich als auf Java, Borneo und Sumatra. Die Hautfarbe ist lichtbraun, der Körper wohlgeformt, wie man ihn häufig bei Völkern findet, die ihn nicht in unnatürliche Kleidertrachten zwingen. Sie verderben die Zähne nicht durch Feilen und Schwärzen und kauen weniger Siri; die Weiber sah ich nirgends Tabak rauchen. Die Hauptfarbe ihres Anzuges ist dunkelblau oder schwarz.
Ich hatte gehört und auch gelesen, daß die Christen unter den Eingebornen aus Ambon höchst lächerlich gekleidet seien und nichts lieber trügen als Europäische Kleider, besonders die Männer den Europäischen runden Hut. Ich fand dieß aber nicht so auffallend. Die Weiber zeichnen sich vor den übrigen Malaiinnen höchstens durch längere Kabays aus; die Männer tragen mitunter Beinkleider, aber höchst selten eine Kappe, einen Stroh- oder Filzhut; gewöhnlich gehen sie ohne Kopfbedeckung. — Aber so ist der Reisende: in allen Ländern will er Sonderbarkeiten finden. Es würde mich nicht wundern, wenn Jemand ein unbekanntes Land durchreist, und unter Tausenden von Eingebornen zwei bis drei mit Klumpfüßen gefunden hätte, ihn sogleich die Behauptung aufstellen zu hören, daß in diesem Lande die Leute alle an Klumpfüßen litten.
[S. 188]
Auf den Molukken sieht man bei den Eingebornen wenig Geflügel, sehr selten Schweine und kein Hornvieh[24]; sie begnügen sich mit Sago, rothem Pfeffer, Fischen und einigen Früchten.
Vor kurzem wurde auf Ambon eine Sagofabrik errichtet, in welcher das schönste weiße Sagomehl, so wie der Perlsago producirt wird. Diese Fabrik kann jedoch nicht so billig arbeiten, wie jene aus Singapore, obwohl der Sago hier heimisch ist, und dort eingeführt werden muß. Auf Singapore gibt es nämlich der arbeitsamen Chinesen genug, die sich mit einem geringen Lohne begnügen, während hier der träge Malaie nur durch Ueberzahlung zur Arbeit bewogen werden kann.
Am 3. März verließ ich Ambon, und zwar abermals auf dem Dampfer Ambon, Kapitän Bergner. Ich ging über Ternate, das noch zu den Molukken gehört, nach Kema auf Celebes. Die Fahrt nach Ternate (260 Meil.) machten wir in 54 Stunden. Wir kamen an vielen Inseln und Eiländchen vorüber; auf manchen sah ich ganz schroffe, vollkommen kegelförmige Berge, die mitunter gerade aus der See emporstiegen. Viele standen frei ohne alle Verbindung, sie erinnerten mich an jene um Sarawak.
[S. 189]
Die Einfahrt von Ternate ist sehr pittoresk. Die Bay erscheint von mehreren über 5000 Fuß hohen Bergen umkränzt, darunter Tidore, Ternate, letzterer ein Vulkan, der häufig raucht. An seinem Fuße liegt das Städtchen Ternate.
Die Holländer haben hier ein Fort und einen Residenten; doch ist diese Insel gleich Ceram für die Holländische Regierung nur ein Lastposten, den sie aus politischen Rücksichten beibehält.
Es residirt hier ein Sultan, welchem sie bisher sein ganzes Land gelassen hat, und dem sie überdieß noch eine jährliche Pension von 10,800 Rupien gibt.
Wir blieben auf Ternate ein und einen halben Tag, die ich höchst angenehm in dem Hause des Residenten, Herrn Goldmann, zubrachte.
Abends machten wir dem Sultan von Ternate einen Besuch. Er sandte, um uns abzuholen, einen bequemen Europäischen Wagen, den er einst von dem König von Holland zum Geschenke erhalten hatte. Da es aber auf der Insel Ternate keine Pferde gibt, woran man in Holland nicht gedacht hatte, mußten, wenn man den Wagen gebrauchen wollte, an die Stelle der Pferde Menschen gespannt werden. Zu meinem Erstaunen sah ich auch wirklich das Fuhrwerk vor das Haus rollen, von mehr als zwanzig Dienern oder Unterthanen des Sultans gezogen und geschoben. Wir[S. 190] saßen ein und fuhren so rasch, daß uns der Abgang der vierbeinigen Laufer kaum bemerkbar wurde.
Das Haus des Sultans war von Stein in Europäischem Style ausgeführt, der Sultan Europäisch gekleidet, mit Ausnahme des Turbans auf seinem Kopfe. Er empfing uns unten an der Treppe, bot mir den Arm und geleitete mich mit vielem Anstande in den Empfangssaal; hier mußte ich mich von ihm trennen, da ich als Frau nicht an seiner Seite Platz nehmen durfte. Es empfingen mich seine Töchter (die Sultanin ließ sich krank melden), und führten mich an das eine Ende des Saales. Die Herren saßen uns gegenüber an dem anderen Ende. Nachdem Thee und Backwerk gereicht worden war, führte man uns zu Ehren zwei Tänze auf, den Menaré und den Tjakalele.
Der Menaré wurde von zwölf hübsch gekleideten Mädchen getanzt. Sie hatten hochrote seidene Blousen an, um den Hals einen sehr breiten weißen Kragen, nebstdem noch rothe und grüne Schürzen und Schärpen. Um die Taille trugen sie einen breiten Goldblech-Gürtel, vom Halse bis an die Brust ein Goldblech, und von demselben Metalle Armbänder, auf dem Kopfe einen schmalen Reif mit vielen Spitzen und Zacken. Nach hinten hing noch ein Goldblech über die Haare, die mit Blumen geschmückt waren; in dem[S. 191] Gürtel hatten sie Fächer stecken. Der Tanz war für Malaiinnen ziemlich bewegt. Sie machten Figuren wie bei der Quadrille und bedienten sich hiezu sogar ihrer Schärpen und Fächer. Alles geschah jedoch mit gesenkten Augen ohne Grazie, und unter Begleitung kreischender Gesänge. Die Musik bestand aus zwei Tamburinen und einer Pfeife, die Musiker waren Weiber.
Der Tjakalele rührt noch, mit einigen Abänderungen, aus den Zeiten der Portugiesen her. Dieser Tanz, von einem Vortänzer und zehn Tänzern ausgeführt, ist so hübsch, daß man ihn einem civilisirten Ballettanze vergleichen könnte. Der Anzug der Tänzer bestand aus orangegelben Beinkleidern und Kaftanen, letztere auf vier Seiten aufgeschlitzt, aus bunten Binden und Schärpen und dreieckigen Filzhüten mit weißen Federbüschen. Jeder Tänzer hielt ein hölzernes Schwert in der Hand und hatte an jedem Arme ein buntes seidenes Tuch befestigt. Der Vortänzer trug statt eines orangegelben Kaftans einen hochrothen, statt einer Schärpe zwei, auf dem Hute zwei Federbüsche und an jedem Arme zwei Tücher. Die Tänzer machten sehr künstliche, verwickelte Figuren und Gruppen; sie stampften zeitweise mit den Füßen auf den Boden und schlugen mit den Schwertern wie bei einem Gefechte aneinander. Auch begleiteten sie den Tanz mit kurzen Gesängen, die etwas weniges besser[S. 192] klangen als jene der Mädchen. Zum Schluß bildeten sie mit den Schwertern eine Art Tragbahre, auf welche der Vortänzer sprang, und trugen diesen im Triumphe von der Scene. Die Musik bestand aus zwei Violinen und einer Pfeife und wurde von Männern gespielt.
Die Unterwürfigkeit ist an diesem Hofe nicht so groß wie zu Surakarta. Die Leute fingen erst an, auf den Knien zu rutschen, wenn sie dem Sultan schon ganz nahe waren. Den Sultan fand ich nicht von Weibern, sondern von Männern umgeben, die hinter ihm aufrecht standen.
Beim Abschiede begleiteten mich die Töchter des Sultans bis an den Ausgang des Saales; hier bot mir der Sultan wieder den Arm und geleitete mich bis an den Wagen.
Ich sah mit Erstaunen die Straßen beleuchtet, obwohl ich im Hinfahren den Luxus von Laternen nicht bemerkt hatte. Als wir bei dem ersten Lichte vorüber fuhren, löste sich das Räthsel — die Laternen waren gleich den Pferden von Menschen vertreten, die an beiden Seiten der Straße mit Fackeln standen.
Die Eingeborenen von Ternate leben noch viel von Sago; doch wird auch Reis und Mais gebaut. Das Land ist fruchtbar, aber noch wenig kultivirt. Daß an dergleichen Orten die Lebensmittel, an welche wir Europäer gewöhnt sind, übertrieben viel kosten,[S. 193] versteht sich von selbst, da wenig oder nichts gepflanzt wird und sich selten jemand mit Aufziehung von Geflügel, Schweinen oder Hornvieh beschäftigt. So bezahlt man hier z. B. für ein Pfund Rindfleisch sechzig Deut, für eine Flasche Milch vierzig. Der Lohn der Dienerschaft ist ebenfalls sehr hoch; man muß die Leute meistens von Java kommen lassen.
Am 7. März Abends verließen wir Ternate und am folgenden Morgen lagen wir vor Kema (94 Meilen) auf Celebes.
[19] Als ich später nach Java zurückkam, las ich in den Zeitungen, daß in Folge dieses Erdbebens die Hälfte der Molukken zerstört worden sei. Welche Uebertreibung!
[20] Der Nanarinen-Baum gehört zum Geschlecht der Kanarien-Bäume; er trägt eine sehr fette Mandel, aus welcher Oel gepreßt wird, das viel feiner als Kokos-Oel ist und auch zum Kochen verwendet wird.
[21] Bei dieser Gelegenheit muß ich bemerken, daß unter diesem Gouverneur-General auch die Abgaben aufgehoben wurden, welche die Kleinverkäufer auf allen Holländisch-Indischen Besitzungen von den Lebensmitteln bezahlen mußten, die sie zu Markte brachten. Dieses Gesetz war um so drückender, als der Bazarpacht meistens in den Händen der Chinesen war, die unglaublich geldgierig und hartherzig sind und das Volk schrecklich quälten, ja nicht selten betrogen.
[22] Jede Pflanzung, jeder Garten wird auf Ambon „Duson“ genannt.
[23] In Gegenden, die nahe am Aequator liegen, muß man frühzeitig Halt machen, da die Sonne um 6 Uhr untergeht und die Dunkelheit plötzlich ohne vorhergehende Dämmerung eintritt.
[24] Es giebt Hornvieh; dasselbe wird aber nur von den Holländern gehalten.
[S. 194]
Celebes. — Menado. — Reise nach den Oberlanden. — Die Holländischen Missionäre. — Makassar. — Reise in das Innere von Celebes. — Maros. — Eine Regentenwahl. — Tanette. — Baru. — Fest der Zahnfeilung. — Pare-pare. — Der gelehrte Malaische König.
elebes ist eine große Insel, die sich ungefähr von dem zweiten
Breitengrade, nördlich des Aequators, bis zu dem sechsten Grade südlich
von demselben erstreckt und durch tiefe Einschnitte des Meeres in vier
Halbinseln getheilt wird.
Kema liegt auf der nordöstlichen Spitze in der Residentschaft Menehassa. Der Sitz des Residenten ist zu Menado (zwanzig Paal). In dem Ostmonsun gehen die Schiffe vor Menado, in dem Westmonsun vor Kema vor Anker[25].
Kema ist ein ganz unbedeutendes Oertchen; ich fand hier nur einen Beamten und einen Missionär,[S. 195] den ersten, welchem ich in den Holländischen Besitzungen begegnete. Der Missionär, Herr Hardig, ein Deutscher, lud mich sogleich in sein Haus ein. Ich blieb daselbst zwei Tage und ritt dann ganz allein nach Menado. Der Weg führt durch schöne, breite Thäler, die mit Reis, Kaffee und Mais bepflanzt sind. Hübsche Berge erheben sich auf beiden Seiten, unter welchen der Klabat, die beiden Brüder an 5000 Fuß hoch sind. Obwohl auch hier die Sagopalme noch wild gedeiht, arbeiten die Leute doch bei weitem mehr als auf den Molukken. Sie nähren sich hauptsächlich von Reis und Mais. Mit dem Kaffeebaue haben sie mehr zu thun, als irgendwo: jedes Familienhaupt muß 500 Bäume pflanzen und erhalten. Sie erhalten zwar für den Pikul Kaffee zehn Kupfergulden, müssen aber davon an die Regenten und Aufseher 1 Gulden 25 Deut abgeben. Jeder Eingeborne muß außerdem für seine Hütte der Regierung jährlich sechs, dem Regenten zwei Gulden bezahlen und an den Weg-, Brücken- und andern Bauten unentgeldlich arbeiten. Es scheint, daß die Leute hier von der Holländischen Regierung etwas stiefmütterlich behandelt werden.
Für Menado hatte ich eine Einladung vom Residenten Herrn Andriesen.
Da ich von Menehassa, das seiner schönen Natur wegen sehr gerühmt wird, etwas sehen wollte, unternahm[S. 196] ich eine kleine Reise nach den Oberlanden (2300 Fuß hoch gelegen) und dem See Tondano.
Am 14. März ritt ich in Gesellschaft des Missionärs, Herrn Schwarz (eines Deutschen), über Lotho, Tomohan und Lahendon nach Sonder (23 Paal). Bei Lotho fängt die Steigung des Weges an; man hat einige wunderbar schöne Aussichten über Land und Meer. Der schönste Punkt aber ist auf der Höhe von Lahendon. Zu Füßen liegt ein großes, fruchtbares Thal, von schönen Bergen umsäumt, darunter der Saputan oder Frauenberg, der Lokon mit 5000 Fuß Höhe. Bepflanzte Hügel, Waldungen, Boskette mit reichen Mais- und Reisfeldern, große, nette Dörfer erscheinen überall dazwischen, und das freundliche Lahendoner-Seelein schimmert gleich einem Diamanten aus der grünen Einfassung.
Zu Tomohan blieben wir bei dem Missionär Herrn Wilken, ebenfalls einem Deutschen, über Mittag. Nach Tische machten wir den kurzen Umweg von einer Meile, um an den kleinen See zu kommen, der ungefähr einen Paal im Durchmesser haben mag. Jenseits des Sees liegen einige Schlammquellen. Ich ließ mich in einem ausgehöhlten Baumstamme übersetzen; allein es war nichts als vertrockneter Schlamm zu sehen; nicht das geringste Dampfwölkchen verkündete einiges Leben. Bei Regenwetter sollen die Quellen noch[S. 197] etwas wirksam sein, aber lange nicht mehr so stark als vor zehn Jahren. Zu jener Zeit bezahlte ein Italienischer Graf den Besuch der Quellen mit seinem Leben. Er wagte sich, ungeachtet der Warnungen seines Führers, zu nahe, sank bis an die Schenkel in den kochenden Schlamm und starb nach einigen Monaten an den Brandwunden.
Außer diesen Schlammquellen ist noch eine kleine heiße Schwefelquelle nahe an dem See zu sehen.
Zu Sonder blieb ich bei dem Missionär Herrn Graafland. Herr Schwarz ritt noch elf Paal weiter nach Langowang, wo er wohnte.
15. März. Herr Graafland begleitete mich bis Langowang. Ungefähr zwei Paal vor diesem Orte, einige hundert Schritte vom Wege ab, liegen ebenfalls Schlammquellen. Es haben sich mehrere Becken gebildet, von welchen das größte vielleicht zwanzig Fuß im Durchmesser ist. Hier brodelt der Schlamm noch etwas auf. Nahe bei Langowang liegen auch einige, beinahe kochend heiße Schwefelquellen. Das Wasser ist krystallhell — man kann tief hinab in die Felsbecken schauen. Der Geruch nach Schwefel ist viel stärker als der Geschmack. Die Leute, die in der Nähe dieser Quellen wohnen, bedienen sich des Wassers zum Trinken und Kochen. Sie sagen, daß wer daran[S. 198] nicht gewöhnt sei, anfangs nach dem Genuß häufig Leibschmerzen bekomme.
In Langowang stieg ich bei dem guten und biedern Herrn Schwarz ab und hielt in seinem Hause einen Ruhetag.
Am 17. März ritt ich nach Romboken (acht Paal), an dem schönen See Tondano gelegen, der neun Paal lang und vier breit ist. Dieser See, ein einstiger Krater, erhält seinen Wasserreichthum durch dreißig kleine Flüsse; außerdem hat er selbst in seiner Mitte eine Quelle, an einer Stelle, wo man mit dem Senkblei keinen Grund gefunden haben soll. Er ist von lieblichen Bergen und Hügeln eingefaßt, die in immerwährendem Grün prangen.
Aus Romboken erwartete mich der Missionär Herr Noe mit einem Boote, um mich nach Tondano (vier Paal), seinem Wohnsitze, zu führen. Unter Weges überfiel uns ein echt tropischer Regenguß, begleitet von einem sehr kühlen Winde; es erfaßte mich ein heftiger Frost, und das böse Sumatra-Fieber stellte sich zum siebenten Male ein (ich hatte es auch auf Ambon). Mit großer Sehnsucht sah ich der Ankunft zu Tondano entgegen und eilte von dem Boote sogleich in das Bett. Gegen Abend war der Anfall vorüber, und ich besuchte noch Herrn Riedl, ebenfalls einen Deutschen Missionär.
[S. 199]
Da ich das dreitägige Fieber hatte, konnte ich am folgenden Morgen ruhig einen Spaziergang nach dem zwei Paal entfernten Wasserfall von Tondano machen. Die Umgebung ist wild romantisch; der Fluß stürzt sich über eine achtzig Fuß hohe Felswand in einen Kessel, der von allen Seiten senkrecht abfällt und unzugänglich ist. Man kann diesen Fall nur von oben besehen, wo eine offene Hütte für die Neugierigen errichtet ist. Ein zweiter Fall ist weniger bedeutend. Ungefähr hundert Fuß von letzterem führt ein Brückchen über den Fluß, von welchem man beide Fälle überblickt. Der Fluß ist zwischen einige Felswände eingeengt, in welche die Kraft des stark abfallenden Wassers große Oeffnungen gebrochen hat, und durch diese stürzt er sich wie durch Schleußen fort.
Nachmittags durchschiffte ich den See in seiner ganzen Länge bis Kakas, von wo ich nach Langowang zu Fuß ging. Hier nahm mich wieder Herr Schwarz auf.
Mit dieser Parthie schloß sich meine Reise in der Residentschaft Menehassa. Ich wäre noch weiter gekommen, wenn das Fieber nicht wiederholt aufgetreten wäre. Alles was ich von diesem Lande sah, gefiel mir unendlich. Es ist reich an Naturschönheiten, hat ein gemäßigtes Klima und trefflichen Grund und Boden. Die Dorfschaften sind schön und reinlich, die[S. 200] Häuser auf Pfähle gebaut, geräumig und so gut in Stand gehalten, wie ich noch in keinem dieser Länder gesehen hatte. Obwohl nur aus Holz oder von den Rippen der Sagoblätter, sehen viele Häuser der Eingebornen, ihrer Größe und Sauberkeit wegen, wie Wohnungen von Europäern aus. Es gibt Dorfschaften von 2 bis 3000 Seelen; die Häuser stehen in Reihen, sind aber durch Bäume und Hecken von einander geschieden. Die schönsten lebendigen Zäune von gefüllten Rosen laufen längs den Häuserreihen hin. Sehr gute, breite Wege durchschneiden Menehassa in allen Richtungen. In siebzehn Ortschaften sind sogenannte „Loger-Häuser“ für den Residenten gebaut, der häufig im Lande herum reisen muß, um nach den Kaffee-Pflanzungen zu sehen.
Die Eingebornen sind theils Christen, theils Heiden. Man nennt sie Alforen; ich fand aber wenig Aehnlichkeit zwischen ihnen und den Alforen auf Ceram. Auch sind sie keine Kopfjäger. Sie sind etwas minder häßlich als die Malaien und lassen ihre Zähne weiß und ungefeilt. Betel wird zwar überall gekaut, doch ziemlich mäßig. Die Kleidung der Christen ist wie jene der Christen auf den Molukken. Die Nichtchristen bekleiden sich weniger, immerhin aber mehr als ihre Namensverwandten auf Ceram. Den Charakter des Volkes hörte ich allgemein loben; man rühmt die Alforen[S. 201] als ehrliche, treue Menschen; ihre Sitten sind rein und unverdorben und sie arbeiten mit gutem Willen für die Regierung.
Menehassa hat eine Bevölkerung von 110,000 Seelen, von welcher seit ungefähr zwanzig Jahren ein Drittheil zur christlichen Religion übergegangen ist. Schon zu den Zeiten der Portugiesen soll es viele Christen unter ihnen gegeben haben, die aber später aus Mangel an Priestern und Lehrern wieder in das Heidenthum zurückfielen. Im Jahre 1831 wurden die ersten Missionäre, die Herren Schwarz und Riedl, von der Holländischen Missionsgesellschaft nach Menehassa gesandt. Herr Schwarz allein hat in den zweiundzwanzig Jahren seines hiesigen Wirkens 9000 Menschen getauft.
Das Leben und Wirken der Missionäre, wie ich es hier sah, befriedigte mich ungleich mehr als jenes der Amerikanischen und Englischen Missionäre in Indien, China und Persien. Der Missionär setzt sich hier an einem Orte fest und reist nicht bald 100, bald 200 Meilen hier und dort hin, um Leuten zu predigen, die keinen Vorunterricht genossen haben und daher von seinen langen Reden so viel wie nichts verstehen. Hat sich sein Wirkungskreis so weit ausgedehnt, daß er seinen Gemeinden nicht mehr genügen kann, so ersucht er die Missionsgesellschaft um[S. 202] einen neuen Mitarbeiter, und so geht die Sache Schritt vor Schritt vorwärts.
Die Herren Schwarz und Riedl haben die Arbeiten hier begonnen; jetzt ist die Zahl der Missionäre schon auf zehn gestiegen, und auch diese reichen nicht mehr aus.
Die Holländischen Missionäre beziehen von ihrer Gesellschaft einen sehr mäßigen Gehalt: sie führen einen sehr bescheidenen Haushalt und leben nicht in Pracht und Luxus wie die vornehmen Amerikanischen und Englischen Missionäre. Die Folge davon ist, daß sich das Volk mit Vertrauen dem Geistlichen und Lehrer nähert, den keine so hohe Scheidewand von ihm trennt. In die Zeit, die ich bei Herrn Schwarz zubrachte, fiel auch ein Sonntag. Ich sah da Nachmittags nach dem Gottesdienste viele Eingeborne zu Besuch kommen und sich stundenlang so herzlich und ohne Zwang mit der Familie unterhalten, als gehörten sie dazu.
Jeder Missionär hält vier bis acht Jünglinge und eben so viele Mädchen in seinem Hause. Die Jünglinge bildet er zu Schullehrern; die Mädchen werden in allen nützlichen häuslichen Arbeiten unterrichtet, die feinen, für das gewöhnliche Leben unnützen, wie Sticken, Schlingen u. s. w. ausgenommen. Diese jungen Leute leben beständig in Gemeinschaft mit[S. 203] der Familie, sie sind fast wie Kinder des Hauses zu betrachten; doch wird auch andererseits wieder Sorge dafür getragen, daß sie nicht durch zu hohen Unterricht oder durch eine zu bequeme Lebensweise aus ihrer Sphäre gerissen werden.
Die Missionäre haben hier nicht jede Woche ein bis zwei Meetings (Zusammenkünfte), sondern nur zwei im ganzen Jahre, und zu diesen kommen weder die Frauen, Kinder, noch der ganze Hausstand mit. Die Herren vereinigen sich auf zwei bis drei Tage, und jeder reitet dann wieder heim. Sie finden es hier auch nicht unter ihrer Würde, sich mit eingebornen, wohlerzogenen Mädchen zu verheirathen. Frau Schwarz war nicht so glücklich, von Europäischen Eltern abzustammen; sie stand aber ihrem Berufe eben so gut, wo nicht besser vor, als die meisten Europäischen Missionärs-Frauen, denn weder sie noch ihre Kinder hatten Klimawechsel, Reisen nach Europa u. s. w. nöthig. Was kostet dem Englischen und Amerikanischen Missionsfond nicht das beständige Reisen der Missionärs-Frauen und Kinder?!
Die Frauen der Missionäre sah ich die Kranken besuchen, die abscheulichsten Wunden und Geschwüre verbinden. Hier bekam ich mehr Achtung vor den Missionären, als ich bisher gehabt hatte, hier ward es mir begreiflich, daß sie des Guten unendlich viel[S. 204] wirken können, wenn sie diesen Stand aus wahrem, innerem Berufe ergriffen, und nicht, wie es leider oft der Fall ist, aus der eigennützigen Absicht, sich eine leichte Existenz, ein reichliches Auskommen zu verschaffen.
Die Regierung scheint auf Menehassa leider wenig Antheil an dem Volksunterricht zu nehmen. Die Schullehrer, die ihre geringen Gehalte (per Monat vier bis sieben Rupien, nur die beiden ersten Lehrer erhalten zehn) von dem Missionsfonde beziehen, sind nicht einmal von der Hüttensteuer ausgenommen, die sie an die Regierung und ihre eingebornen Regenten bezahlen müssen.
Ich brachte fünf Tage bei der lieben, biedern Familie Schwarz zu; am 23. März trat ich den Rückweg nach Menado an. Herr Schwarz begleitete mich zehn Paal weit; dann nahmen wir so innig wehmüthigen Abschied, als wären wir jahrelange Freunde gewesen.
Ueber Mittag blieb ich bei Herrn Wilken, der mich schon früher in sein Haus eingeladen hatte; Abends erreichte ich Menado (34 Paal).
In Menado hielt ich mich dießmal größtentheils bei dem Missionär Herrn Linemann auf, der ebenfalls ein Deutscher ist. Ich sollte mit ihm die noch übrigen Stationen besuchen. Wir waren schon reisefertig,[S. 205] als es verlautete, daß der Dampfer für Makassar noch diesen Monat kommen würde. Ich mußte in Menado bleiben und den Ausflug, von dem ich mir viel Vergnügen versprach, aufgeben, was ich später um so mehr bedauerte, als ein Tag nach dem andern verging und der Dampfer nicht anlangte.
Erst am 9. April berichtete man seine Ankunft; am 8. Abends ritt ich nach Kema, und am folgenden Morgen ging ich an Bord.
Die Reise nach Makassar (600 Meil.) machten wir in drei Tagen.
Ich hatte schon früher gehört, daß Dr. Schmitz nach Makassar als Direktor des Hospitales versetzt worden und daselbst mit seiner Gemahlin bereits angelangt sei. Ich wußte, man werde mich da mit offenen Armen aufnehmen und eilte bei meiner Ankunft sogleich in sein Haus.
Da ich Makassar bereits gesehen hatte, blieb ich daselbst nur einige Tage; ich war begierig, eine Reise in das Innere von Celebes zu unternehmen.
Der von den Holländern unabhängige Theil dieser Insel ist in drei große Reiche, Bonni, Goa und Sidenring getheilt, welche wieder in viele kleine Staaten zerfallen, deren Könige oder Rajah’s den Regenten der großen Reiche unterworfen sind. Die Sultane oder Könige dieser drei Reiche sind Bundesgenossen[S. 206] der Holländer; sie dulden aber weder Forts noch Residenten in ihren Ländern und haben bisher ihre vollkommene Unabhängigkeit zu bewahren gewußt. Ich wollte diese Reiche, so wie auch den Bergdistrikt Duri besuchen, dessen wilde Bewohner in Höhlen wohnen und noch auf einer sehr tiefen Stufe der Zivilisation stehen sollen. Ich ersuchte den Gouverneur, Herrn Bick, um die Erlaubniß zu dieser Reise, denn ohne dessen Bewilligung darf man weder in den Besitzungen der Holländer auf Celebes noch zu deren Bundesgenossen reisen. Der Gouverneur war sogleich bereit, mir die Erlaubniß für Goa und Sidenring zu geben. Bonni schloß er aus, da die Regierung jetzt eben nicht am besten mit diesem Sultan stand, welcher der mächtigste von den Dreien ist und, wie man mir sagte, in kurzer Zeit eine Macht von 40,000 tüchtigen Streitern zusammenbringen kann.
Mit Briefen vom Gouverneur an verschiedene Könige und Rajah’s versehen, trat ich in Begleitung eines Sendlings (Dragomans) und eines Kulis am 17. April die Reise zu Pferde an. Ich ritt bis Maros (17 Paal), dem Sitze eines Assistent-Residenten. Maros und Makassar liegen auf einer und derselben Ebene, die mit unübersehbaren Reisfeldern überdeckt ist. Ich war über diese große Kultur um so mehr erstaunt, als ich nur wenige Ortschaften[S. 207] sah und das Pflanzen des Reises, besonders aber die Ernte, vieler Menschenhände bedarf, denn auch hier, wie auf Java, wird jede Aehre einzeln abgeschnitten.
In dieser Ebene gab es weder gebahnte Wege noch Brücken; die Flüsse Tello und Maros mußten wir in Booten übersetzen; die Pferde schwammen hindurch.
Auf Maros stieg ich bei dem Assistent-Residenten Grafen Bentheim ab. Dieser Herr wohnte in einem sehr schönen Gebäude, dessen Architekt und Baumeister er selbst war, und das an Schönheit die Residenzen der Gouverneure von Makassar und Ambon bei weitem übertrifft. Es ist von massiven Steinen aufgeführt, hat einen artigen Säulengang und große, hohe Gemächer.
Ich wollte auf Maros nur einen Tag bleiben; allein anhaltende Regen hielten mich sechs Tage zurück. Welch ein Glück, daß mich dieß Wetter nicht bei irgend einem Malaischen oder Buginesischen Könige oder Rajah traf! Hier in der Mitte einer so überaus liebenswürdigen Familie, wie die des Grafen, war das schlechte Wetter leicht zu ertragen, und beinahe mit Bedauern sah ich die Sonne wieder erglänzen und mich an die Fortsetzung meiner Wanderungen mahnen.
Während meines Aufenthaltes zu Maros besuchte[S. 208] ich die drei Paal entfernt gelegene Grotte Bulu Sepong. Der Fels, in welchem sich diese Grotte befindet, steht ganz vereinzelt, wie vom Himmel gefallen, in der schönen Ebene. Er mag achtzig Fuß hoch sein und dreihundert Fuß im Umfange haben. Als die Engländer das Land in Besitz hatten, benützten sie ihn als Festung. Die Grotte war die Kaserne, auf der Spitze standen die Kanonen. Die Grotte ist niedlich, von der Decke senken sich viele Zacken und einige unregelmäßige Säulen von Stalaktit herab. Jetzt ist sie der Tummelplatz von Fledermäusen und allerlei Nachtvögeln.
Auch einer Regentenwahl wohnte ich in dem Hause des Grafen bei. Einer der Rajah’s wünschte von der Regierung wie von seinem Volke die Zusicherung zu erhalten, daß nach seinem Ableben sein Titel auf seinen Sohn übergehen möge; er wollte letzteren deßhalb noch bei Lebzeiten für seinen Nachfolger erklären lassen. Die Regenten und Aeltesten des Volkes von dem ganzen Bezirke versammelten sich zu diesem Zwecke in dem Hause des Grafen. Jeder wurde einzeln und abgesondert um seine Meinung und Stimme befragt. Alle stimmten zu Gunsten des Sohnes. Dieser saß während der Verhandlung bei Seite und wurde, als die Stimmen gesammelt waren, herbeigerufen, worauf man ihm den glücklichen[S. 209] Erfolg verkündete. Er zog seinen Kries und legte den Eid der Treue ab.
Das Volk ist hier nicht sehr von der Regierung geplagt; es hat nur den zehnten Theil der Ernte in Geldeswerth zu entrichten und weder an Straßen-, noch Brücken- oder Häuserbauten zu arbeiten. Kaffee-, Zucker- und Gewürzpflanzungen sind frei, und daher sieht man von diesen Produkten auch nichts. Reis ist das einzige Bedürfniß der Eingeborenen und in Folge dessen pflanzen sie nichts anderes, da sie ihre Bequemlichkeit dem Verdienste oder Gewinne vorziehen. Damit wäre ein Beweis geliefert, daß, wenn die Regierung ihr Monopol-System aufgäbe und die Leute nicht zu der Arbeit zwänge, nicht, wie manche behaupten, mehr gepflanzt und zu billigeren Preisen erzeugt würde, sondern im Gegentheile auf allen Inseln, Java nicht ausgenommen, die meisten Pflanzungen nur zu bald eingehen dürften.
Was überhaupt über das Monopol-System so wie über die Regierungsweise der Holländer Gutes oder Böses zu sagen ist, wage ich als schlichte Frau mit meinen ungenügenden Kenntnissen nicht zu beurtheilen. Meiner Meinung nach ist jede Art Zwang eine Ungerechtigkeit, die nirgends statt haben sollte. Wo ist aber eine Regierung in der Welt, die Zwang nicht anwendet, wenn es in ihrer Macht steht? Ich möchte[S. 210] glauben, daß bisher noch keine Regierung ein Land in der menschenfreundlichen Absicht in Besitz genommen hat, das Volk zu beglücken — die einzige Frage war und ist stets: „Welchen Nutzen kann man aus dem Lande, aus seinen Bewohnern ziehen?“ England sucht aus seinen überseeischen Besitzungen so viel als möglich zu erpressen, die Spanier, Franzosen u. s. w. eben so, und natürlich machen die Holländer von der allgemeinen Regel keine Ausnahme.
Warum man aber gerade von der harten Regierung der Holländer in Indien so viel spricht, weiß ich wahrlich nicht zu erklären. Ich fand sie minder hart als in gar manchen andern Ländern. In Brittisch-Indien z. B. wird jeder Fruchtbaum einzeln besteuert, das Pachtsystem ist dort für den Kleinpächter ungemein drückend. Freilich haben auch auf den Holländisch-Indischen Besitzungen die Eingeborenen mitunter viel zu leiden; doch bestehen ihre Leistungen meistens in Handarbeit, was weniger drückend ist, als wenn sie in Zahlungen beständen. Auch muß man andererseits zugeben, daß besonders in neuerer Zeit viel für die Verbesserung ihrer Lage gethan wird. In vielen Provinzen hat der Bauer Eigenthumsrecht; er kann seine Hütte, seinen Grund verkaufen. In anderen wird der Boden patriarchalisch bearbeitet und die Ernte getheilt. In Gegenden, wo weder Kaffee, Zucker, Thee noch[S. 211] Gewürze gebaut werden können, oder wo diese Produkte nicht Monopol sind, muß gewöhnlich der fünfte Theil der Ernte, in einigen Distrikten auch nur der zehnte Theil in Geldeswerth an die Regierung geliefert werden. In jenen Gegenden, in welchen das erwähnte Monopol besteht, hat der Bauer für sein eigenes Besitzthum äußerst geringe, meistens gar keine Abgaben zu entrichten, muß aber dafür in den der Regierung gehörigen oder von ihr verpachteten Pflanzungen arbeiten und erhält eine Vergütung.
Die härtesten Lasten sind für die Eingeborenen die Arbeiten in den Kaffeegärten und die Bauten der Straßen, Brücken, Magazine, Gebäude der Beamten u. s. w. Bei ersteren müssen die Leute oft zwei bis drei Monate im Jahre, mitunter fünfzehn bis zwanzig Paal von ihren Wohnungen entfernt bleiben. Die Regierung bezahlt ihnen dagegen für jeden Pikul gelieferten Kaffee eine bestimmte Summe. Die verschiedenen Arbeiten an den Bauten aber mußten bisher ganz unentgeldlich geleistet werden; nur die Werkführer, wie Maurer-, Zimmer- und Schlossermeister, erhalten für den Tag eine angemessene Bezahlung. Wie ich schon früher erwähnt habe, ist das Trachten des jetzigen Gouverneur-Generals dahin gerichtet, einen genügenden Tagelohn für alle der Regierung zu leistenden Dienste aufzustellen, und es soll diese wohlthätige Maßregel bei[S. 212] meiner Abreise der Ausführung schon ganz nahe gewesen sein.
Die Bürger sind von jeder Last befreit: sie haben keine Frohndienste zu leisten und nichts als jährlich für Grund und Boden eine kleine Summe zu entrichten. Jeder Bauer kann Bürger werden, sobald er zwölf Jahre Militärdienste leistet. Gerade über die Bürger hört man die meisten Klagen: sie sind außerordentlich träge und in einigen Distrikten, besonders auf Ambon, dem Kartenspiele sehr ergeben.
Die Sclaven sind auf den Holländischen Besitzungen gut gehalten: sie können ihre Herren verklagen und werden von der Regierung sehr in Schutz genommen. Die Gesetze für sie stehen hier nicht blos auf dem Papiere, wie in den meisten Sclavenländern, sondern werden auch ausgeführt.
Nach allem, was ich bisher auf meinen Reisen nicht nur in Holländisch-Indien, sondern in allen außereuropäischen Ländern beobachtet habe, möchte ich am Ende beinahe behaupten, daß das Loos jener Völker glücklicher sei, die nicht unter die Herrschaft der Weißen gerathen sind. Sie haben zwar auch ihre Leiden und Erpressungen zu erdulden, aber gewiß keine ärgeren, als unter den habsüchtigen Europäern.
Am 23. April trat ich die Weiterreise an. Graf Bentheim bestand ungeachtet meiner Weigerung darauf,[S. 213] mir noch einen „Tolk“ (Dolmetscher) mitzugeben, welcher Buginesisch und Holländisch sprach. Von letzterer Sprache hatte ich bereits so viel in meinen alten Kopf gebracht, um mich verständlich machen zu können. Ich ging mit einem Gefolge von neun Nichtsthuern auf den Weg, nämlich: Sendling, Tolk, von welchen jeder zwei Kulli und einen Diener hatte; ich selbst hatte nur einen Kulli. Dieser große Zug war mir sehr unangenehm, denn je zahlreicher das Gefolge, desto mehr Mühe kostet es, die Leute in Ordnung zu halten, desto schwieriger ist es, überall die nöthigen Pferde zu erhalten.
Wir ritten nicht weiter als bis Padkadjene (sechzehn Paal), beständig in großen Ebenen zwischen Reispflanzungen. Man könnte die beiden Distrikte von Maros und Makassar mit vollem Rechte die Reiskammern der Insel nennen. Die Ebene von Maros erfreut sich eines besondern Reichthums, was die Eingebornen zum größten Theile dem Grafen Bentheim zu danken haben, da er mehrere Wasserleitungen anlegen ließ, welche die Felder hinlänglich bewässern.
Obwohl mich Graf Bentheim auf die schlechten Wege vorbereitet hatte, fand ich sie dennoch über meine Erwartung schlecht. Es gibt eigentlich gar keine Wege: wir wanden uns beständig durch Reisfelder, die alle durch die künstliche Bewässerung tief unter Wasser[S. 214] standen. Die Felder waren durch schmale Erddämme getrennt, kaum so breit, daß die Pferde einen Fuß vor den andern setzen konnten. Fast bei jedem Schritte mußte man auf einen Sturz gefaßt sein. Das Pferd konnte leicht vom Damme abgleiten oder mit demselben einbrechen, da er nur aus einer weichen Erdmasse bestand. Ging es nicht auf diesen Erddämmen, so ging es durch Pfützen und Moräste, in welche die Thiere bis an die Brust einsanken. Oft waren sie kaum im Stande, sich heraus zu arbeiten. Dabei wurde man natürlicher Weise vom Kopfe bis zu den Füßen mit Koth und Schlamm bespritzt. Die Beamten bereisen diese Gegenden nie vor dem Monate August, wann die Reisernte vorüber und alles trocken ist.
Schön nimmt sich eine kleine Gebirgskette von fünfzehn Paal Länge aus, die sich vor einer größeren aufstellt, und deren Eigenthümlichkeit in langen, senkrecht aufsteigenden Wänden besteht, welche sich hie und da weit auseinanderspalten und reizende Durchblicke gewähren. Die höchste Spitze der dahinter gelegenen größeren Gebirgskette ist der Maros mit 4800 Fuß. Auch dieser Berg steigt senkrecht in die Höhe.
24. April. Wir ritten bis Mendalle (28 Paal). Den Fluß Padkadjene übersetzten wir in einem Boote, den Fluß Segéri mußten wir durchreiten. Das Wasser ging den Pferden bis über die Brust; sie hatten beinahe[S. 215] den Boden unter den Füßen verloren; die eigentliche Gefahr war jedoch, von den Kaimans angefallen zu werden, an welchen es in den Flüssen dieser Insel nicht fehlt. Aus dem Dorfe Segéri allein wurden im vergangenen Jahre neunzehn Menschen von diesen Unthieren aufgezehrt. Dieß hindert aber die Leute nicht, den Fluß zu durchschwimmen oder sich in demselben zu baden. Sie sagen, wer bestimmt sei, von einem Kaiman gefressen zu werden, könne seinem Schicksale nicht entgehen, selbst wenn er sich keinem Flusse nähere.
Zu Segéri blieben wir bei dem Regenten über Mittag; es gab daselbst weder Löffel noch Gabel; die Hände mußten deren Stelle vertreten.
In dieser Gegend beginnt schon wieder die häßliche Sitte, die Zähne schwarz zu färben und abzufeilen. Auch die Nägel an Händen und Füßen färben viele rothbraun. Die Tracht der Eingebornen ist durchgängig ziemlich dieselbe. Die Männer tragen ein kurzes Beinkleid, das bis auf den halben Schenkel reicht, darüber einen Sarong; der Oberkörper ist selten bedeckt, der Kopf in ein Tuch geschlagen. Kein Mann geht vor die Hütte ohne den Parang und eine große Tasche, welche die Siri- und Rauch-Gegenstände enthält. Parang und Tasche werden unter dem Sarong getragen, was den Leuten ein ganz eckiges Aussehen[S. 216] gibt. Nebst den Parangs sind viele auch mit Lanzen bewaffnet.
Die Sarongs der Weiber sind hier viel länger als ich sie irgendwo gesehen habe. Letztere ziehen sie zuweilen bis über den Kopf, gewöhnlich aber schlagen sie selbe nur ganz lose um den Körper, wobei oft ein langes Stück nachschleppt. Es ist nicht möglich, sich dieses Kleidungsstückes alberner zu bedienen. Sie mußten stets eine Hand frei haben, um es zusammen zu halten und aufzuheben. Außer dem Sarong tragen sie noch ein ganz kurzes Oberhemd, das bis an die Hüften reicht und bei den Mädchen aus sehr durchsichtigen, bei den Weibern aus dichteren Stoffen besteht.
Nach der Mahlzeit machten wir uns wieder auf den Weg; der Regent von Segéri begleitete uns. Man konnte nicht leicht ein schöneres Bild sehen als diesen Makassaren[26] auf seinem prächtigen Schimmel. Der Mann war sechs Fuß hoch, kräftig gebaut, und hatte ausdrucksvolle, ernste Züge. Er trug einen blendend weißen Sarong höchst malerisch um den bräunlichen Körper, ein weißes Tuch um den Kopf geschlagen. Sein Pferd hatte weder Sattel noch sonstiges Reitzeug, außer[S. 217] einem kleinen Zaum, der durch das Maul gezogen war. Und dennoch saß er so fest und dabei so ungezwungen oben, wie der geübteste Reiter. Die Leute auf Celebes sind durchgehend treffliche Reiter; man sieht schon zehnjährige Knaben die Pferde wacker herumtummeln. Sie reiten ohne Sattel und Zeug; nur ein kleiner Zaum, wie gerade bemerkt, wird den Pferden durch das Maul gezogen, auch wohl manchmal eine kleine Decke ganz lose auf den Rücken des Thieres gelegt. Wenn sie langsam reiten, stemmen sie gewöhnlich einen Fuß in die Seite des Thieres — ein höchst origineller Anblick. Es gibt sehr viele Gestüte auf Celebes; die Pferde dieser Insel werden häufig ausgeführt, da sie in ganz Indien die größten und ausdauerndsten sind. Der Preis eines schönen Pferdes ist dreihundert Rupien.
Wir kamen auch heute viel durch Reisfelder, so wie durch Mais-, Ubi- und Pisang-Pflanzungen. Große Strecken Alang-Alang, hie und da kleine Waldparthien zogen sich dazwischen hin. Wir gingen stets in großen Thälern fort und ließen die Gebirgsketten einige Paal seitwärts liegen.
25. April. Die heutige Tagereise war nicht länger als sieben Paal, aber desto unangenehmer. Die Wege um Mendalle waren durch die häufigen Regen ganz unpraktisch geworden; wir mußten daher an das[S. 218] Meeresufer hinabsteigen und zum Theile in der See selbst reiten; der Korallenriffe halber konnten wir nicht einmal der Küste nahe bleiben, und ritten oft einige hundert Schritte von ihr entfernt. Die Brandung war sehr stark, das Wasser so trübe, daß man den Grund nicht sehen konnte. Ich dankte Gott, als ich ohne Unfall aus dem feindlichen Elemente kam und unter den Hufen meines Pferdes wieder Erde sah[27].
Vormittags erreichten wir Tanette, ein unabhängiges Fürstenthum oder Königreich auf der Ostküste von Celebes und seit dem Jahre 1840 ein treuer Bundesgenosse Hollands.
Das Oertchen Tanette liegt in einer freundlichen Ebene. Man zeigte mir eine große Bambushütte mitten in Reisfeldern als den Palast der Königin.
Auf Celebes ist es gebräuchlich, daß man nicht geradezu nach der Wohnung eines regierenden Hauptes geht; man muß sich ansagen lassen und um die Erlaubniß einer Vorstellung ersuchen. Ich sandte also einen meiner Leute an den königlichen Hof; die Einladung erfolgte, und ich hatte nichts eiliger zu thun, als davon Gebrauch zu machen.
[S. 219]
Tanette wird von einer Königin regiert. Sie empfing mich sehr herzlich und führte mich sogleich zu ihrer Tochter, die nicht in das Empfangsgemach kam. Die Prinzessin zählte schon neunzehn Jahre und war noch nicht verheirathet. Sie war zwar Braut; doch schob man die Vermählung noch auf ein Jahr hinaus. Bei der vornehmen Klasse ist es Sitte, daß die Mädchen erst mit zwanzig und mehr Jahren heirathen, während dieß in der geringen schon mit elf und zwölf Jahren geschieht.
Die Königin und ihre Tochter waren nicht anders oder besser gekleidet als die Dienerinnen. Das Gefolge (Mädchen und Weiber) hielt sich stets hinter der Königin auf wie ihr Schatten; zwei Mädchen darunter trugen die königlichen Insignien, welche aus ein Paar Cimbeln und einem Scepter bestanden. Die Cimbeln hatte das eine Mädchen am Halse hängen und schlug sie von Zeit zu Zeit aneinander.
Der Palast war ungefähr siebzig Fuß lang, dreißig breit und stand, wie alle Hütten und Häuser in Celebes, auf Pfählen. Das Innere war in drei Kammern und eine Küche getheilt. Die erste Kammer, ziemlich groß, stellte den Empfangssaal vor. Da stand ein Tisch nebst einigen Stühlen, die Wände und die Decke waren mir zu Ehren mit buntfarbigem Kammertuche behangen, eine Decorirung, welche vorgenommen[S. 220] wurde, während ich bei der Prinzessin meinen Besuch abstattete. Die beiden kleinen Gemächer dienten der königlichen Familie sammt einem Theile des Gefolges, das sich überall hinlagerte, wo es Platz fand, als Schlaf- und eigentliche Wohnplätze. In diesen Kammern herrschte eine jämmerliche Unordnung; aller Hausbedarf, alle Vorräthe lagen durcheinander. Theile eines schönen Thee- oder Speise-Services[28], geschliffene Gläser und Flaschen standen neben irdenen Geschirren und anderem Kram, Kisten und Körbe waren überall aufgeschichtet, mehrere Klambus aufgehangen, so daß für die Bewohner selbst kaum Platz blieb. Und da sitzen die Leute von Morgens bis Abends mit nichts als Schwatzen und Sirikauen beschäftigt. Die einzige Arbeit, die eine Königin oder Prinzessin verrichtet, ist das Gewebe eines Bandes, mit welchem die Männer die Kriese oder Parangs an den Leib befestigen. Die Königin zeigte mir eines, das sie gerade webte, und das ich in Zeichnung und Farben ungemein geschmackvoll fand.
Die Königin war so eben im Begriffe, nach Baru, einem benachbarten Königreich zu gehen, wo sie zu einem Feste eingeladen war. Da mich mein Weg ebenfalls dahin führte, ging ich mit ihr. Wir fuhren noch[S. 221] denselben Tag auf dem Flusse Tanette in die See (14 Paal), auf welcher die Reise bis zur Mündung des Baru fortgesetzt werden sollte; da jedoch der Wind sehr ungünstig war, lenkten wir bald in eine kleine Bay, wo wir die Nacht vor Anker gingen. Die Königin sammt einem Theil ihrer Leute brachten die Nacht auf dem Lande zu.
Sie führte ein so zahlreiches Gefolge mit sich, daß ein halbes Dutzend Europäischer Königinnen kein größeres benöthigt hätten. Da gab es mehr als dreißig Mädchen und Weiber (letzteren folgten ihre Ehemänner), die alle die Ehre hatten, Hofdamen, Kammermädchen u. s. w. vorzustellen. Manche davon waren so lumpig gekleidet und dabei so unrein, daß ich mich fürchtete, unangenehme Erbschaften zu machen, wenn sie in meine Nähe kamen. An Gepäck hatte die hohe Gesellschaft so viel mit sich, als handle es sich um eine Uebersiedelung und nicht um einen Besuch von einigen Tagen. Das ganze große Boot war voll von Körben und Körbchen, Kistchen und Taschen, Töpfen, Kochgeschirr, Polstern, Matten u. s. w., so daß man gar nicht wußte, wo Platz finden; wir saßen wie Pikelhäringe zusammengepreßt — eine abscheuliche Tour!
Die Mädchen waren während der ganzen Reise mit der Verfertigung des Siri beschäftigt, das hier nicht in Päckchen, sondern in Cigarrenform gemacht[S. 222] wird. Sie bestreichen ein Betelblatt mit etwas Kalk (aus gebrannten Muscheln), legen ein Stückchen Arekanuß nebst Gambir darauf, rollen es zusammen und umwickeln es mit einer Faser. Wenn ein Blatt zu feucht war, schürzte die Hofdame den Sarong auf und streifte die überflüssige Feuchtigkeit an dem Schenkel ab. Wenn ein Mädchen die Liebeserklärung eines Jünglings günstig aufnimmt, beglückt sie ihn mit Siri-Zigarren; wenn sie ihm keine reicht, ist er abgewiesen.
Die ganze Gesellschaft kaute beständig Siri; sie spuckten dabei fleißig in kleine messingene Töpfe, die als Spucknäpfe dienten und von Hand zu Hand gingen. Die Königin ließ sich den Kopf von Ungeziefer reinigen, und dasselbe thaten die Hofdamen und Kammerzofen unter sich. Bei der großen Unsauberkeit, die in allem herrschte, was ich hier wie in Tanette sah, kam mir die Sorgfalt höchst lächerlich vor, die auf die Trinkgefäße der Königin verwendet wurde. Sie hatte ein eigenes Gefäß, aus welchem nur sie trank; das Wasser wurde mit einem besondern Schöpflöffel, jedoch aus dem allgemeinen Wasserkübel geschöpft und durch ein leinenes Säckchen geseiht. Für das Säckchen und den Schöpflöffel war ein Gestell mitgenommen, auf welchem man sie trocknete und bewahrte.
26. April ging es früh auf die Reise. Wir[S. 223] lenkten alsbald in den Fluß Baru und fuhren sechs bis acht Paal stromaufwärts bis in die Nähe der Residenz, die einen Paal seitwärts des Flusses liegt (35 Paal von Tanette). Die Zeit, während welcher die Botschaft nach Hofe ging, unsere Ankunft zu melden, benutzte die Königin mit ihrem Gefolge zum Baden. Sie kamen aber von dem Bade eben so unsauber zurück, als sie hingegangen waren, denn sie übergossen sich, gleich den Malaien, nur mit Wasser, ohne sich zu waschen. Um dem Körper einen angenehmen Duft zu verleihen, durchräucherten sie sich mit wohlriechenden Harzen. Zu diesem Zwecke war ein eigenes Räucher-Pfännchen mitgenommen worden, über welches die Königin, wie jede Hofdame, sich erst stellte und dann Gesicht und Hände hielt.
Auch in Baru regierte eine Königin. Ich hatte gleichfalls meinen Sendling mit dem in lichtgelben Atlas eingenähten Briefe des Gouverneurs an den Hof geschickt.
Mit dem Sendlinge zurück kam ein Tragstuhl, nebst einem Abgesandten der Königin und einigem Gefolge. Man trug mich bis zum Palaste, auch nur einer Bambushütte, wo mich der erste Minister des Reiches empfing und der Königin vorstellte. Der Empfangssaal mochte ungefähr neunzig Fuß lang und über vierzig breit sein; er sah düster und drückend aus.[S. 224] Die Decke, auf viele Stämme gestützt, war sehr niedrig; kleine Oeffnungen, welche die Fenster vorstellten, gab es nur wenige. Auch hier waren die Wände, wie die Decke des Saales, mit farbigem Kammertuch behangen. Im Hintergrunde saß die achtzehnjährige Königin in einer Art offener Loge, ihr zur Seite eine alte, sehr beleibte Duenna, die ihr mit einem großen Fächer Luft zufächelte. An jeder Seite der Loge stand ein aus Holz geschnitzter, großer Vogel, mit vielen Blumen geschmückt. Die Königin lud mich sehr freundlich ein, an ihrer Seite Platz zu nehmen. Sie war in einen weiten Sarong von dunkelrothem Mousselin mit einigen Goldstickereien gekleidet. Ihr Gesicht fand ich angenehm, aber nicht hübsch; sie war noch unverheirathet.
Die Königin von Tanette war mit ihrem Gefolge am Landungsplatze zurückgeblieben, als man mich abholte. Vermuthlich hatte man nur den einzigen Tragstuhl, den man für mich sandte. Während meiner Anwesenheit bei Hofe, die doch einige Stunden dauerte, kam die Königin von Tanette auch nicht zum Vorschein; sie mochte wohl sogleich in die ihr angewiesene Wohnung gegangen sein, um sich von der beschwerlichen Reise auszuruhen.
Ich kam zu dem großen Feste gerade recht. Es fand den folgenden Tag statt und bestand darin, daß[S. 225] der jugendlichen Königin die oberen Zähne gefeilt werden sollten, eine Handlung, die hier so wichtig ist, wie z. B. in Brasilien die Taufe eines kaiserlichen Prinzen, oder in Europa eine königliche Hochzeit. Alle Fürsten und Rajahs der ganzen Umgebung waren dazu eingeladen. Eine kleine Vorunterhaltung gab es schon heute. Auf einer Seite des Saales, nahe der königlichen Loge, tanzten ein Dutzend Mädchen, auf der anderen, etwas weiter entfernt, zwölf- bis vierzehnjährige Knaben die gewöhnlichen langweiligen Malaischen Tänze. Viele Männer und Weiber, wahrscheinlich lauter hochgeborene Personen, hockten in Gruppen umher und sahen den Tänzen gedankenlos zu; keine Seele sprach ein Wort.
Ich allein wurde nebst meinen beiden Begleitern (Sendling und Tolk) mit Kaffee, Thee, einer Art guten, süßen Scherbets und verschiedenen Leckereien bewirthet. Unter letzteren gab es kleine Früchte in Zucker eingekocht, eben so schmackhaft, wie man sie immer nur in Europa finden kann.
Die Königin bedauerte sehr, mich nicht bei sich aufnehmen zu können; allein sie hatte der Gäste schon so viele, daß alles über und über besetzt war. Man führte mich in die Hütte eines Eingebornen und sandte sogleich Matten, Polster und Klambu zu meiner Einrichtung, Hühner nebst anderen Gegenständen zum[S. 226] Kochen. Wenn man in ein Privathaus gewiesen wird, müssen die Bewohner dem Gaste sogleich die große Stube einräumen. Dieß hindert jedoch weder sie noch alle Neugierigen, die den Fremdling sehen wollen, sich beständig darin aufzuhalten. Ich mußte mich, wollte ich nur einigermaßen Ruhe haben, unter mein Klambu flüchten, und selbst da ließen mich die Leute nicht ungestört — sie hoben den Klambu auf und steckten die Köpfe darunter.
Die Hütten des Volkes sind auf Celebes ungleich größer als auf Java, Sumatra, den Molukken u. s. w. Im Innern bestehen sie gewöhnlich aus einem Gemache von fünfzehn bis zwanzig Fuß im Gevierte, an welches sich ein bis zwei kleinere anschließen. Längs der rechten Seite des großen Gemaches läuft ein sechs Fuß breiter Raum, in dem sich die Feuerstelle, Wassergefäße und dergleichen befinden.
Die Ortschaften sind sehr unrein, voll Schmutz und Pfützen; dabei haben die Leute nicht den guten Gebrauch der Dayaker, sich vor dem Eingange der Hütte die Füße zu waschen, wozu stets Wasser bereit steht, sondern sie treten mit ungewaschenen Füßen ein.
Ganz nahe der Hütte, die ich bewohnte, waren die Lagerplätze der Büffel. Diese Plätze bestanden aus vier Fuß tiefen Sümpfen, in welchen die Thiere ganz begraben lagen. Man sah nichts als die Hörner und[S. 227] die Nase. Obwohl es in diesem Lande überall genug Büffel gibt, kann man doch nirgends Butter oder Milch bekommen, da die Eingebornen keine Kuh melken. Zum Kochen gebrauchen sie Oele, die aus den Kokosnüssen, Kanarinen und anderen Früchten gewonnen werden.
Was Kleidung, Kost und Wohnung anbelangt, könnte man die Bewohner von Celebes alle für gleich reich oder arm halten, da man im gewöhnlichen Leben in nichts einen Unterschied bemerkt. Ihre Reichthümer bestehen in einigem Gold- und Silbergeschmeide, in goldenen Kästchen und Büchsen, welche die Bestandtheile des Siri enthalten, in seidenen Sarongs, in schönen Parangs und Lanzen. Aber alles dieß sieht man nur bei großen Festen und feierlichen Gelegenheiten, wie z. B. bei der Zahnfeilung, der Hochzeit, dem Begräbnisse eines fürstlichen Hauptes. Das Gold färben sie so dunkel, daß es gerade wie Kupfer aussieht.
Die Sarongs werden hier ebenfalls von den Weibern gewoben und gleichen an Muster und Feinheit der sogenannten Englischen oder Schottischen Leinwand. Eine geschickte fleißige Weberin arbeitet einen ganzen Monat an einem Sarong. Bei Hofe werden die Sarongs von den Hofdienern und Dienerinnen gewoben. Jeder Fremde, der bei Hofe vorgestellt wird, erhält einen[S. 228] Sarong zum Geschenk; auch mir ward überall diese Bescherung zu Theil.
27. April. Nachmittags verkündeten einige Böllerschüsse den Anfang der Feierlichkeit. Ich begab mich in den Palast, den ich vom Volk ganz umringt fand. Es waren da viele Lanzenträger (Begleiter der Prinzen und Vornehmen benachbarter Staaten), von welchen einer sogar ein eisernes Panzerhemd[29] trug. Der Saal war so überfüllt, daß ich Mühe hatte, durchzukommen. Mein Platz ward mir in der obersten Reihe unter den zahllosen Königen, Fürsten und Fürstinnen angewiesen, die das Fest weit und breit herbeigezogen hatte. Man stellte mir eine ganze Menge regierender Häupter vor, darunter den künftigen Erben oder, wie die Holländer sagen, den „wahrnehmenden“ Thronfolger von Bonni. Es ist unglaublich, welche Menge von Fürsten, Prinzen und dergleichen hohe Personen es auf Celebes gibt. Und alle diese Leute wollen mit einem gewissen Aufwande leben und natürlich nichts thun; sie sind die wahren Blutsauger des Volkes.
Die Königin war noch nicht gegenwärtig; auch sie verstand es, das Publikum eine geraume Zeit warten zu lassen. Von ihrem Gemache bis an den Ort,[S. 229] wo sie Platz nehmen sollte, war der Boden mit weißem Kammertuche belegt. An der Thüre hielten sechs Mädchen einen Baldachin von Gold durchwirktem, schwerem Seidenstoffe bereit. Einen grellen Kontrast zu diesem reichen Baldachine bildeten die sechs Stangen, mittelst welcher er getragen wurde: sie bestanden aus dünnen Bambusstückchen, die ganz roh waren, wie man sie im Walde geschnitten hatte.
Musik und wiederholte Böllerschüsse verkündeten endlich das Erscheinen der Königin. Mit langsamen, gemessenen Schritten, mit beinah geschlossenen Augen wankte sie unter dem Baldachine, gleich einer zu opfernden Dulderin, ihrem Platze zu. Sie war in zwei purpurrothe Sarongs gekleidet, von welchen der eine den oberen, der andere den unteren Theil des Körpers deckte. In den Haaren trug sie Kränze von Melati[30], nebst künstlich gearbeiteten Blumen von Gold, außerdem Ringe, Armbänder und anderes Geschmeide.
Die Königin blieb stumm und bewegungslos sitzen und schlug den Blick kein einziges Mal auf. In ihrer Nähe bildeten ein Dutzend Mädchen ein halbes Viereck und sangen ein religiöses Lied. Man brachte hierauf eine alte abgenützte Matratze, breitete[S. 230] ein Tuch darüber und legte einige Polster nebst einer Decke darauf zurecht. In diesem Augenblicke entstand plötzlich an der Eingangsthüre ein heftiger Lärm, große Bewegung; es schien mir, daß Leute mit Gewalt eindringen wollten und abgewehrt wurden. Ich dachte schon, daß dieser Aufstand mir gelte, daß es das Volk übel nähme, mich als Fremde, dieser großen Feierlichkeit beiwohnen zu lassen. Die Ruhe wurde indeß bald wieder hergestellt; ich konnte leider die Ursache dieser Unruhe nicht erfahren, und auch mein Tolk vermochte nicht, mir darüber Auskunft zu geben. Letzterer war überhaupt sehr mit Dummheit geschlagen, denn ich mochte ihn fragen was ich wollte, er war beinahe nie im Stande, meine Fragen zu beantworten.
Man führte nun einen ältlichen Mann, ebenfalls unter dem Baldachine an das Bett, stellte an seine Seite ein mit Wasser gefülltes Becken und legte verschiedene Instrumente daneben. Die Königin schob sich in sitzender Stellung nach dem Bette. Die Duenna nahm ihr die Blumen aus den Haaren und reichte eine kleine goldene Untertasse einer nahe sitzenden, sehr alten Frau (der ältesten Königin aus der Verwandtschaft), welche darein einen ganzen Mund voll blutrothen Speichels spuckte. Mit diesem kostbaren Safte salbte sie die Königin an den Schläfen und an der Stirne, goß auch etwas davon auf einen Riemen,[S. 231] den sie nach ihr schnellte, um ihren Körper von allen Seiten zu besprengen. Hierauf nahm sie eine Räucherpfanne mit Rauchwerk, reichte sie dreimal von der rechten zur linken Seite um die Königin, ein viertes Mal in umgekehrter Richtung. Die Königin mußte sich nun der Länge nach niederlegen, wurde leichthin mit der Decke bedeckt und mit Melati bestreut. Die Duenna hockte sich rechts zu ihrem Kopfe, der Arzt nahm die linke Seite ein, und mich setzte man neben die Duenna, ebenfalls der Königin ganz nahe, welche mich bei der Hand faßte und diese während der ganzen Operation nicht mehr los ließ. Sie sah überaus betrübt aus, drückte mir zeitweise die Hand und blickte mich dabei so wehmüthig an, als wollte sie Hülfe von mir erheischen. Fast mit Angst harrte ich der kommenden Dinge.
Der Arzt warf drei Feilen von verschiedener Größe in das Wasserbecken, schob der Königin eine kleine Walze von Palmkohl zwischen die Zähne, nahm die größte der Feilen, und fing damit so kräftig an auf die Zähne loszuarbeiten, als hätte er einen Holzblock unter den Händen. Mit einer zweiten, kleineren Feile setzte er die Operation fort. Bevor er an die kleinste kam, nahm er die Walze aus dem Munde und schob an deren Stelle ein um die Hälfte dünneres Röllchen von Betelblättern. Im ganzen[S. 232] machte er seine Sache gut und schnell, besonders wenn man die plumpen Instrumente betrachtete, deren er sich bediente. Was aber die arme Königin dabei gelitten haben mag, wissen die Götter! Dennoch verzog sie keine Miene: ich fühlte nicht einmal ihre Hand erzittern.
Als die Operation vorüber war, reichte man dem Arzte einen Hahn; er riß ihm ein Stückchen von dem Kamme los und bestrich mit dem herausquellenden Blute die Zähne und Lippen der Dulderin. Zu Ende wiederholte die Duenna mit drei angebrannten, zusammengebundenen Kerzen dieselbe Ceremonie, die sie mit der Räucherpfanne vorgenommen hatte, worauf die Königin wieder auf ihren alten Platz zurück rutschte[31].
Die Operation der Zahnfeilung wurde außer an der Königin noch an sechs Mädchen (wahrscheinlich aus dem königlichen Gefolge) vorgenommen; dabei fanden jedoch nicht die geringsten Ceremonien statt. Die Mädchen legten sich auf eine Matte, ohne Polster oder Decke, der Arzt schob ihnen eine Walze in den Mund, feilte tüchtig darauf los, und die Sache war abgethan.
[S. 233]
Der ganzen großen Gesellschaft, die in dem Saale versammelt war (bei 400 Personen) wurde Thee und Backwerk vorgesetzt. Mir ließ die Königin außerdem eine Tasse des süßen Scherbets, wie auch eine Portion der in Zucker gekochten Früchte reichen. Sie schien wirklich einiges persönliche Interesse an mir genommen zu haben. Der Thee wie die Leckereien wurden nicht eher berührt, als bis wieder ein langes religiöses Lied herabgeheult war. Dann aß und trank man mit großer Bescheidenheit.
Ich begab mich bald darauf nach Hause, denn außer langweiligen, einförmigen Tänzen gab es nichts weiter zu sehen. Die Leckereien, die man mir bei Hofe vorgesetzt hatte, wurden mir, wie es hier Sitte ist, in meine Wohnung nachgesandt. Ich berührte sie hier eben so wenig wie dort; sie waren aus Reismehl, Zucker, Oel, Kanarinen u. s. w. gemacht, und schmeckten sehr fett und ranzig.
28. April blieb ich zu Baru. Der Tolk sagte mir, daß es heute noch Feste über Feste gebe, und daß es der Königin daher unmöglich sei, mir Leute und Pferde zur Weiterreise zu verschaffen. Später sah ich, daß er mich belogen hatte; es gefiel ihm hier sehr wohl. Die Königin sandte beständig gute und viele Lebensmittel, er fand stets große Gesellschaft zum Schwatzen, und so wäre er nicht Tage, sondern Wochen[S. 234] hier geblieben. Keine einzige Unterhaltung hatte statt, nichts gab es als Abends ein einfaches Hahnengefecht auf dem Bazar, wie es bei jedem Markte gebräuchlich ist.
29. April. Mein ärgster Verdruß auf dieser Reise war das Gefolge. Die Leute hatten für mich als Frau nicht die geringste Aufmerksamkeit oder Folgsamkeit. Wenn ich von dem Tolk etwas forderte, sagte er es dem Sendling, dieser dem Diener, der Diener oft wieder dem Kulli, kurz ich hatte einen Haufen von Leuten um mich und war so schlecht als möglich bedient. Die Kerls wollten nicht einmal mein Schmetterlingsnetz nehmen, ich mußte es meistens selbst tragen. Ein zweiter Uebelstand mit so zahlreichem Gefolge war, daß wir überall vieler Pferde und Träger bedurften. Daß der Tolk und Sendling nicht zu Fuß gingen, versteht sich von selbst; aber auch ihre Diener mußten Pferde haben, wenn wir auch nur acht oder neun Paal den Tag machten. Die Herbeischaffung der Pferde nahm stets die schönen Morgenstunden weg. Wir kamen erst fort, wenn die Sonne recht brannte. Anders verhält es sich freilich mit den Leuten, wenn sie mit ihrem Herrn oder Vorgesetzten reisen. Da fürchten sie den Stock oder sonstige Strafen, da hat alles Hände und Füße. Ich hatte das aus Erfahrung kennen gelernt und deßhalb[S. 235] blos einen gewöhnlichen Führer und einen Kulli mitnehmen wollen; allein der Gouverneur wie Graf Bentheim, die es beide sehr gut mit mir meinten und ihre Leute für besser hielten als sie waren, überredeten mich zur Mitnahme dieses lästigen Gefolges.
Erst um zehn Uhr Morgens kamen wir heute in das Prauh. Man gab vor, daß es nach Pare-pare, wohin ich wollte, zu Wasser näher sei als zu Lande; dann aber erfuhr ich, daß man dieß vorgab, weil man nicht so viele Pferde schnell genug herbeischaffen konnte, als der Tolk verlangte.
Kaum waren wir einige Stunden auf der See gefahren, so lenkten die Leute in eine Bucht und wollten die Reise für diesen Tag beschließen. Ich war darüber so aufgebracht, daß ich alle Scheltworte, die mir in der Malaischen und Holländischen Sprache bekannt waren, zusammennahm, den Leuten ihr elendes Betragen tüchtig zu verweisen. Ich drohte Briefe nach Maros und Makassar zu schreiben, ja selbst Tolk und Sendling zurück zu senden. Dieß bewirkte doch so viel, daß wir nach einer kurzen Rast wieder weiter fuhren, erst gegen Abend in eine Bay lenkten und in der Nähe eines Dorfes vor Anker gingen. Der Tolk sagte mir, daß man Nachts nicht fahren könne, weil die Küsten voll Piraten seien. Dieß wußte ich, wir blieben daher hier über Nacht.
[S. 236]
Ich schlief in dem kleinen Prauh. Zum Imbiß erhielt ich nichts als Reis, die Leute hatten nicht einmal für Lebensmittel gesorgt.
Außer unserem Prauh lagen noch zwei ganz kleine vor Anker. Mitten in der Nacht erweckte uns ein fürchterliches Geschrei. Wir fuhren erschrocken empor, meine Leute griffen nach ihren Waffen, da wir dachten, von Piraten überfallen zu werden. Glücklicherweise kam niemand an unser Prauh. Was auf den beiden andern vorging, woher das Geschrei kam, darum bekümmerten sich meine Leute nicht, obwohl ich sehr darauf drang, zu sehen, ob jene nicht unserer Hülfe bedürften. Morgens vernahmen wir, daß Diebe vom Lande an die Prauhs geschwommen waren und verschiedenes gestohlen hatten. Die Leute wurden erst wach, als die Diebe mit ihrem Raube bereits dem Lande zuschwammen.
30. April. Nachmittags drei Uhr kamen wir zu Pare-pare an (30 Meil.). Dieses Oertchen liegt in einer reizenden Bucht, welche von kleinen, fruchtreichen Ebenen, von sanft anschwellenden Hügeln, und im Hintergrunde von bedeutenden Gebirgen umgeben ist. Im Hafen lagen ziemlich viele Prauhs und kleine Barken, die von Makassar und den umliegenden Inseln handeltreibend hieher kommen. Der König dieses kleinen Reiches zieht außer dem Zolle auch aus seinen[S. 237] eigenen Handelsgeschäften großen Nutzen und soll für Celebes ziemlich wohlhabend sein.
Als der Tolk an’s Land stieg, um nach des Königs Wohnung zu fragen, wies man auf ein kleines Canoe, welches gerade im Ankommen begriffen war, und sagte dem Tolk, daß der König so eben vom Fischfange heimkehre. Ich hätte ihn wahrhaftig für nichts anderes, als einen ganz gewöhnlichen Fischer gehalten: er trug bloß einen schmutzigen Sarong nebst einem Kopftuche. Auch seinem Wohnsitze sah man nichts weniger als Wohlhabenheit an. Derselbe bestand in einer höchst baufälligen Bambushütte, der Zugang führte durch eine Pfütze. Vor der Eingangsthüre saßen auf einem kleinen Vorplatze mehrere Jungen und Mädchen, die im Koran-Lesen[32] unterrichtet wurden. Das Sonderbarste bei der Sache ist, daß der Koran in Arabischer Sprache gelehrt wird, von welcher die Lehrer selbst nichts verstehen. Sie lesen oder schreien die Gebete herab,[S. 238] ohne das geringste Verständniß von dem zu haben, was sie plappern.
Von dem Vorplatze ging es in des Königs Gemach, eine ganz gewöhnliche Malaische Wohnstube, von welcher ein Theil durch Bambuswände in Verschläge abgetheilt, die anderen von mehreren Klambus eingenommen waren. Im Vordergrunde lagen viele Kaufmannsgüter in Kisten und Ballen aufgestapelt, und überall machte sich ein Schmutz und eine Unordnung sondergleichen breit.
Ich verstand von der Malaischen Sprache schon so viel, um mich mit dem Könige unterhalten zu können. Er hatte einige Kenntniß in der Geographie, besaß mehrere Landkarten und wußte so ziemlich die Hauptreiche Europa’s zu nennen (der König wurde in Makassar erzogen). Er legte mir die beiden Hemisphären vor und war höchst erstaunt, als ich ihm in Kürze alle Welttheile, so wie die vorzüglichsten Reiche derselben wies. Er ersuchte mich auch, in seiner Gegenwart zu schreiben. Ich bemühte mich, sehr schnell zu schreiben, wohl wissend, daß ihn dieß um so mehr in Erstaunen setzen würde, als die Malaien alles, was sie thun, höchst gelassen verrichten. Ich mußte ihm meinen Namen, Vaterland und Geburtsort aufschreiben, was ich in deutscher und lateinischer Schrift that. Er fragte mich auch über verschiedene[S. 239] Naturerscheinungen und bat mich, ihm einiges von den Sitten und Gebräuchen fremder Völker und ganz besonders von meinem Volke zu erzählen; kurz — ich hatte Gelegenheit, mein Bischen Wissen so viel wie möglich auszukramen — Eitelkeit nimmt überall gern Huldigungen an. Dafür ward mir die Ehre zu Theil, auch von diesem Manne für ein ganz besonders bevorzugtes Wesen gehalten zu werden, wozu freilich in einem Lande nicht viel gehört, in welchem die Männer wenig, die Weiber so viel wie nichts wissen. Er ersuchte mich, ihm den Tag meiner Geburt aufzuschreiben, welcher, wie er behauptete, unter die glücklichsten gehören müsse.
Als er vernahm, daß meine Reisen gedruckt seien, sagte er, daß er gern hundert Rupien geben würde, wenn er sie in seiner Sprache haben könnte. War das doch ein galanter König! — Wie hätte ich meine Reisen ausdehnen können, was wäre mir nicht alles möglich geworden, wenn es viele so freigebige Monarchen gäbe!
Ich äußerte den Wunsch, der Königin vorgestellt zu werden. Nach geraumer Zeit erschien ein Weib, so alt, runzelicht und zu einem Skelette zusammengeschrumpft, daß ich im Zweifel war, ob dieß die Mutter oder die Großmutter des Königs sei, welch letzterer doch auch schon ein Mann von einigen dreißig[S. 240] Jahren sein mochte. Dazu war sie auf einem Auge blind, die Haare hatte sie zum Theile rothbraun gefärbt, zum Theile waren sie schwarz und grau, und in größter Unordnung, als hätten sie wochenlang keinen Kamm gesehen, hingen sie ihr bis an die Schultern hinab — es konnte nicht leicht ein häßlicheres Bild des Alters geben.
Erst um sechs Uhr Abends kam ich in die mir angewiesene Wohnung.
In Folge der Nachlässigkeit meines Gefolges hatte ich seit sechsundzwanzig Stunden nichts gegessen. Die Leute waren so sorglos gewesen, auf die Reise nicht hinlänglich Wasser mitzunehmen, um den Reis kochen zu können; für den gestrigen Tag waren sie mit gekochtem Reis versehen, der Abends kalt gespeist worden war. Heute Morgens wartete ich vergebens auf eine Mahlzeit. Als ich darnach verlangte, kam es erst heraus, daß das Wasser zum Kochen fehlte. Ein Diener verließ sich auf den andern, und keiner sah nach. In Pare-pare angekommen, beauftragte ich den Tolk, so schnell als möglich ein Mahl zu besorgen. Mit wahrem Heißhunger begab ich mich von dem Könige weg in meine Wohnung, sah die Schüsseln schon dampfen und rauchen, glaubte den würzigen Geruch der Speisen schon einzuathmen, da hieß es: „noch nicht fertig.“— Und so mußte ich[S. 241] noch zwei ewig lange Stunden warten. Für meine Geduld hoffte ich doch wenigstens mit köstlichen Gerichten belohnt zu werden. Ich täuschte mich jedoch abermals, da ich nichts als Reis und einen Fisch in einer inländischen Brühe erhielt, die aus gestampften, mit Wasser und Kokosöl ausgekochten, säuerlichen Blättern bestand. Wahrlich, man mußte sechsundzwanzig Stunden gefastet haben, um dieses Essen genießbar zu finden!
1. Mai. Diesen Morgen machte ich dem Könige den Abschiedsbesuch und verehrte seiner Gemahlin einige Fläschchen Kölnerwasser, ihm selbst ein großes illuminirtes Bild, welches den Glaspalast in Hydepark vorstellte. Um ihm einen Begriff von der Größe meines Sultans (Kaisers) zu geben, sagte ich: „Sieh’, dieß ist der Palast meines Sultans, er ist so hoch, daß die höchsten Bäume darinnen stehen können, und so groß, daß man eine halbe Stunde braucht, ihn zu umgehen.“ Er war sehr erstaunt und that viele Fragen über Sultan und Palast; nur meinte er, daß der Palast gar zu durchsichtig sei. Die Sonne müsse da hinein brennen und leuchten, daß man bei Tage gar nicht schlafen könne; er möchte nicht darinnen wohnen.
Noch manche Stunde plauderten wir, erst um eilf Uhr kam ich fort.
[25] Ost- und Westwind wechseln ungefähr alle sechs Monate.
[26] Die Bewohner von Celebes sind im Süden Makassaren und Buginesen (alle Mohamedaner), im Norden Alforen. Uebrigens findet man Buginesen über die ganze Insel zerstreut.
[27] Die vier Halbinseln, aus welchen Celebes besteht, sind lang, aber schmal, so daß man häufig wieder an die Meeresküste kommt.
[28] Die Bundesgenossen erhalten von der Holländischen Regierung beinahe alle Jahre dergleichen Geschenke.
[29] Im Kriege sollen viele der Eingebornen Panzerhemden tragen.
[30] Melati heißt der gefüllte Jasmin; er ist die Lieblingsblume der Malaien und Chinesen und riecht angenehm, aber etwas stark.
[31] Wenn Zahnfeilungen bei hohen Häuptern statthaben, gibt es in Zwischenräumen von mehreren Monaten drei Feste. Bei dem ersten werden die Zähne bezeichnet, wie weit sie zu feilen sind, bei dem zweiten werden die unteren, bei dem dritten die oberen Zähne gefeilt.
[32] Die Malaien, und mit sehr geringer Ausnahme (Menehassa) alle Bewohner von Celebes, sind Mohamedanischer Religion. Doch genießt hier das weibliche Geschlecht dieselben Rechte, wie das männliche. Das erstgeborne Kind eines Königs, Knabe oder Mädchen, folgt dem Vater in der Regierung. Hinterläßt er eine Witwe, so regiert diese, wenn auch der Sohn schon das Mannesalter erreicht hat. Mädchen besuchen die Schule so gut wie die Knaben.
[S. 242]
Sidenring. — Die Seen von Tempe. — Lagusi. — Ein königliches Mahl. — Rückkehr nach Sidenring. — Die Rehjagd. — Besuch bei dem Sultan von Goa. — Abreise von Celebes. — Surabaya. — Eine Malaische Hochzeit. — Eine Spukgeschichte. — Rückkehr nach Batavia.
on Pare-pare ging ich zu Pferde nach Batu-Masapaija (zwölf
Paal) einem Landsitze des Königs von Sidenring, welcher
abwechselnd hier und in der eigentlichen Residenz zu Tete-adje
an dem See Tempe wohnt.
Die Wege führten theilweise über niedrige Gebirge, welche, Alang-Alang und kurzes Gras ausgenommen, von Vegetation beinahe entblößt, dagegen voll Steine und Gerölle waren, so daß unsere armen Thiere wie Gemsen klettern mußten. Wir begegneten vielen Saumpferden, die hauptsächlich Reis nach dem Hafen Pare-pare trugen. Außerdem war das Land nur von Pferden belebt, die sich lustig im Zustande[S. 243] der Freiheit herum tummelten. Die Könige in diesen Gegenden haben große Gestüte und treiben sehr gewinnreichen Pferdehandel.
Schon seit mehreren Stunden zog sich der Weg einförmig bergauf, zwischen Hügeln fort, die jede freie Aussicht versperrten; dagegen wurden wir bei dem Ausgange eines engen Thales überreich belohnt, denn eine der herrlichsten Ansichten, vielleicht die schönste von ganz Celebes, lag vor unsern Blicken. Eine beinahe unabsehbare Ebene breitete sich aus, in ihrer Mitte glänzten die Wasserspiegel der beiden Seen Tamparang-Urai und Tamparang-Cabaija, gewöhnlich die Seen von Tempe genannt. Der erstere dieser Seen bildet ein langes, unregelmäßiges, der letztere ein schönes, rundes Becken. Reiche Reispflanzungen, große Ortschaften verkündeten den Wohlstand der Gegend. Im Vordergrunde stiegen viele vereinzelte, kleine, spitze Hügel und Felsen auf, die man aus der Ferne und der Höhe, auf welcher wir uns befanden, für Tumuli hätte halten mögen, so klein und niedlich erschienen sie auf dieser ungeheuren Ebene. Im Hintergrunde erhoben sich schöne Gebirgsketten gleich hohen Mauern, als wollten sie das friedliche Thal vor den Stürmen der Außenwelt bewahren.
Langsam ritt ich nach der Ebene hinab, denn jeder Schritt verlöschte einen Zug des herrlichen Bildes.[S. 244] Das Großartige verschwand, unser Pfad ging wieder zwischen niedern Hügeln in die Tiefe, und bald sahen wir weiter nichts, als einzelne Hütten, einige Stallungen, die dem Könige zugehörten, kleine Mais- und Reisfelder. Dies ging so fort bis Batu-Masapaija, wo wir den König auch wirklich antrafen.
Obwohl der König von Sidenring zu den drei größten auf Celebes gehört, wohnte er eben so erbärmlich wie der kleinste, ärmste Rajah. Sein Palast, aus dünnem Bambusgeflechte, mit Stroh gedeckt, glich einer halb verfallenen Scheune. Das Innere bestand aus einem großen Gemache, von durchlöcherten Halbwänden untertheilt, und voll schmutziger Klambus. Am Eingange gab es einige Feuerstellen, auf welchen halb erloschene Brände einen abscheulichen Rauch verbreiteten, im Vordergrunde wimmelte es von Faullenzern aller Art, Männer, Weiber und Kinder. Hier hockte eine Gruppe, Siri kauend und schwatzend, dort lagen Schläfer auf dem Boden ausgestreckt und um die Wette schnarchend, hier erschien hinter einem geöffneten Klambu ein zerraufter Kopf, dort balgten sich nackte Kinder, mit Finnen und Schmutz bedeckt — wo man hinsah ein erbärmlicher ekelhafter Anblick.
Das königliche Ehepaar hockte im Hintergrunde auf einer zwei Fuß hohen Tribune, gleich der Dienerschaft mit Sirikauen beschäftiget und in den lieben[S. 245] langen Tag hinein schauend. In der Nähe der Tribune waren hier und da Kisten und Körbe aufgestapelt, zerrissene Kleidungsstücke hingen umher, dazwischen auch eine schöne gestickte Militärs-Uniform, die der König von der Holländischen Regierung zum Geschenke erhalten hatte. Der König zeigte mir dies Kleidungsstück und ersuchte mich, ihm ein derartiges einfacheres zu verfertigen. So sind die Schicksale des Reisenden! Der König von Pare-pare hätte mir hundert Rupien für meine Bücher gegeben, während dieser hier mich zu seinem Hofschneider erheben wollte! Ich wich der bescheidenen Bitte dadurch aus, daß ich sagte, ich sei zum Arbeiten zu vornehm.
Man beherbergte mich in diesem scheunenartigen Palaste unter einem Klambu. Die Kost war ziemlich schlecht; man brachte mir auf handgroßen Täßchen einige winzig kleine Stückchen Fleisch, ein Paar fingerlange Fische und den Hals, Kopf und die Flügelspitzen eines Hühnchens.
Nach der Tafel besuchte mich der König. Als er zufällig einige Insekten sah, die ich unterweges gefangen hatte, und hörte, daß ich Werth darauf legte, versprach er mir ganz unaufgefordert, Leute in die Waldungen zu senden und für meine Rückkehr eine kleine Sammlung bereit zu halten.
Schon in einigen Tagen sollte ich wieder hier[S. 246] sein, denn meine Reise ging nun nicht mehr weiter als über die beiden Seen bis Lagusi, der Residenz der Königin von Wadjo, deren Königreich an jenes von Bonni grenzt. Der Besuch des letzteren, wie bereits erwähnt, war mir nicht gestattet.
Beim Abschied versprach mir der König noch, wenn ich wiederkehre, mir zu Ehren auch eine Rehjagd zu veranstalten.
2. Mai. Wir ritten heute nicht mehr als neun Paal in der großen Ebene beinah unausgesetzt zwischen Reisfeldern bis in die Nähe des ersten Sees, wo wir in einer offenen Hütte, d. h. unter einem Blätterdache unsere Wohnung aufschlugen. Wir kamen durch mehrere große Ortschaften, darunter besonders Awaritij mit mehr als 200 Häusern. Ich fand in diesem Königreiche Dörfer und Häuser durchgehends sehr groß.
Auch heute bestand meine Mahlzeit nur aus einigen kleinen Fischchen nebst Reis, und zwar ebenfalls wieder durch die Schuld meiner Leute, denn wenn man in diesen Ländern irgendwo gastfreundlich aufgenommen wird, ist es Sitte, alles zu begehren, was man nöthig hat; hätten meine Leute einige Hühner, Früchte u. dgl. verlangt, so würde man sie ihnen mit Freuden gegeben haben; allein sie thaten es nicht, selbst wenn ich es ihnen befahl — sie wollten nicht die Mühe der Zubereitung haben.
[S. 247]
3. Mai. Lagusi (dreißig Paal). Heute ward ich über meine Leute im höchsten Grade aufgebracht. Als ich Morgens an das Ufer des Flusses kam, auf welchem wir noch ein kleines Stück bis in den See zu fahren hatten, war nicht einmal das Prauh in Bereitschaft: eine ganze Stunde mußte ich in der glühenden Sonne stehen und die Leute zur Arbeit antreiben. Mit größtmöglichster Langsamkeit schoben sie endlich einen ausgehöhlten Baumstamm in das Wasser und deckten ihn mit einem so niedrigen Blätterdach, daß ich darunter kaum aufrecht sitzen konnte. Ich betrat mit Widerstreben dieses gefährliche und unbequeme Fahrzeug; wie aber stieg erst meine Angst, nachdem ich so viele Menschen folgen sah, als der hohle Baumstamm fassen konnte! Ich wehrte mich dagegen; doch weder Tolk noch Sendling hörten auf mich; sie ließen mitfahren wem es beliebte. Einundzwanzig Personen saßen in dem engen Raume. Ich mußte während der ganzen Fahrt, die über neun Stunden dauerte, gleich den übrigen, auf meinen unterschlagenen Beinen hocken. Den Eingebornen macht dieß freilich keine Unbequemlichkeit, die sind an diese Stellung gewöhnt; ich litt aber unaussprechlich.
Unter den Mitreisenden befand sich ein Greis, der, obwohl er eben nicht sehr gebrechlich aussah, nicht lange sitzen konnte. Er mußte sich legen, und in Folge[S. 248] dessen waren wir gezwungen, noch mehr zusammen zu rücken. Später sah ich, woher die Schwäche des Alten rührte: er war ein starker Opiumraucher. Er führte Pfeife, Opium und Lampe mit sich und rauchte und schlief abwechselnd während der ganzen Fahrt.
Die beiden Seen, deren vereinigte Länge ich auf ungefähr dreißig, die höchste Breite auf zehn Paal rechne, sind durch den Fluß Watta verbunden, ihre Entfernung von einander beträgt höchstens 1½ Paal. Die Seen, besonders der große, haben wenig Tiefe; letzterer dürfte sich mit der Zeit in einen Sumpf verwandeln, denn jetzt schon ist der ganze Grund und Boden mit Pflanzen dicht überwachsen, und ganze Parthieen derselben schwimmen gleich Inseln auf der Oberfläche umher. Die Ufer bieten wenig Reiz; an vielen Stellen sind sie mit Alang-Alang bedeckt. An dem großen See liegen bedeutende Ortschaften; sie nehmen sich aber in der nackten Umgebung, die weder Gebüsche noch Baum besitzt, ganz armselig aus. Die die Seen umgrenzenden Länder bilden Bestandtheile von Sidenring, Wadjo und andern kleinen Königreichen. Man sieht auch die Gebirge von Bonni, von welchen ich nur eine Tagreise entfernt war. Lagusi liegt am Tjenrana, achtzehn Paal stromaufwärts. Als ich das Boot verließ, um nach der königlichen Residenz zu gehen (¼ Paal) begleitete mich die ganze Dorfgemeinde;[S. 249] man hatte hier noch kein Europäisches Gesicht gesehen. Die Leute wollten alle mit mir in den Palast (natürlich auch nur eine Bambushütte) — man mußte sie mit Gewalt forttreiben.
Die Königin ließ lange auf sich warten. Sie war alt, aber kräftig, überaus lebhaft und sprach sehr eifrig und viel. Sie behauptete, sechsundsiebenzig Jahre zu zählen; aber ihrem jüngsten Sohne nach zu urtheilen, mochte sie es mit den Jahren wohl nicht so genau nehmen. Wenn die Leute hier alt sind, machen sie sich gerne noch älter: sie glauben dadurch an Würde zu gewinnen. Im allgemeinen haben sie auch wenig Begriff von Zeitrechnung und wissen meistens selbst nicht, wie viel Jahre sie zählen.
Nach der üblichen Bewirthung mit Thee und Süßigkeiten wollte ich mich zurückziehen, da ich halb lahm von dem neun Stunden langen unbequemen Sitzen in dem Baumstamme war; allein die hohe Frau gab es nicht zu: sie unterhielt sich zu gut mit meinen Leuten, die ihr alle Neuigkeiten aus der großen Stadt Makassar erzählen mußten. Sie war sehr munter und heiter, obwohl sie, wie sie mir selbst mit wahrhaft stoischer Gleichgültigkeit erzählte, erst vor drei Tagen einen Sohn begraben hatte. So sind diese Menschen! — So lange die Leiche im Hause ist, heulen, schreien und geberden sie sich wie Wahnsinnige; ist der Verstorbene[S. 250] einmal der Erde übergeben, so begraben sie den Schmerz mit ihm, Heiterkeit und Frohsinn kehren wieder.
Die Königin trug Trauer um ihren Sohn. Dieselbe bestand in einem dunklen Tuche, das um den Kopf geschlagen war, die Haare ganz verbarg und bis über die Schultern fiel.
Sehr gegen meinen Willen war ich gezwungen, die Abendmahlzeit bei der Königin einzunehmen. Auch hier war das Essen unter aller Kritik. Es gab eine Menge kleiner Schüsselchen, deren Gesammtinhalt den Magen eines ganz gewöhnlichen Essers nicht überladen hätte. Ein Schüsselchen enthielt ein hartgekochtes Ei in vier Theile geschnitten, ein anderes drei winzig kleine Kartoffeln, ein drittes die Hälfte eines drei Zoll langen Fischchens, ein viertes ein paar Scheibchen von Gurken, ein fünftes zwei gekochte nußgroße Zwiebelchen u. s. w. Mitten unter dieses Puppenmahl setzte man einen sehr großen, fest zugedeckten Suppentopf und legte daneben einen großen Suppenschöpflöffel. Diesem Riesentopfe weihte ich meine ganze Aufmerksamkeit; mein erwartungsvoller Magen hoffte auf gekochte Hühner oder sonst ein herrliches Gericht. In dieser schwelgerischen Erwartung nahm ich eine gute Portion Reis auf meinen Teller, um ihn mit der köstlichen Sauce, mit dem zarten[S. 251] Hühnerfleische zu mengen; doch der Deckel des Topfes wurde lange Zeit nicht gehoben. Ich verlangte nach etwas Salz, um meinen Reis vorläufig zu würzen. Da endlich — ging der Deckel auf, man griff nach dem großen Schöpflöffel und langte — — einen Fingerhut voll weißen Salzes heraus[33]. Bald wäre ich aus Schmerz über die getäuschte Hoffnung selbst zur Salzsäule geworden.
Nicht minder komisch ging es mit dem Wasser zu: man stellte zwei sehr schön geschliffene Flaschen in Futteralen vor uns. Da Flaschen gewöhnlich von Gläsern begleitet sind, wartete ich lange auf letztere. Als sie nicht erschienen, verlangte ich darnach; die Königin aber sagte mir, ich möchte nur aus der Flasche trinken, und nicht nur sie und ich, sondern Tolk, Sendling, alles trank aus den Flaschen.
Unter den Früchten gab es eine, Durian genannt, in Form und Umfange einer Melone von mittlerer Größe ähnlich und mit sehr rauher Schale, die dermaßen nach Knoblauch stank, daß man die Frucht schon roch, als sie dreißig bis vierzig Schritte entfernt war. Das Innere besteht aus weißen, an einander gereihten, sehr großen Bohnen. Ich hatte die Frucht schon auf Borneo wie auch auf den Molukken gesehen.[S. 252] Die Europäer versicherten mir, daß, wenn man sich an den starken Geruch gewöhnt habe, diese Frucht sehr fein schmecke, und fügten hinzu, wenn man sie so recht con amore genießen wolle, müsse man dieß auf einem Flusse in einem Boote sitzend thun, um die Hände jeden Augenblick in das Wasser tauchen zu können, damit der Geruch sich leichter verlöre. Ich konnte ihr, selbst nach wiederholten Versuchen, des Geruches wegen, keinen Geschmack abgewinnen.
Die bei Tische aufwartende Hofdame oder Dienerin trug auf dem Daumen der linken Hand ein wenigstens fünf Zoll langes Nagelfutteral. Ich gab ihr meine Verwunderung über diesen ungeheuren Nagel zu erkennen, sie versichernd, daß ich ähnliches nicht einmal in China, dem Lande der Nagelkultur gesehen hätte. Lächelnd zog sie das Futteral ab, und ich sah, daß es eigentlich mehr als Zierde diente: der Nagel selbst hatte höchstens einen halben Zoll Länge. Eben so verhielt es sich mit den übrigen Futteral-Trägern; nur der Sohn der Königin machte hievon eine Ausnahme: sein Finger prangte mit einem zwei Zoll langen Nagel. Die Mode der Nagelfutterale sah ich nur in dieser Gegend.
Als das Mahl vorüber war, setzte ich die Ceremonie bei Seite und verlangte, mich zurückziehen zu dürfen. Die Königin entschuldigte sich, mich nicht in[S. 253] ihrer Ruine von Palast aufnehmen zu können, ich möchte ihrem Sohne nach dem seinigen folgen; dort sei schon alles für mich bereit. Daselbst angekommen, sollte ich noch seiner Frau vorgestellt werden und abermals Thee und Backwerk genießen. Allein ich wich dieser Ehre für heute aus und schlüpfte unter meinen Klambu, wo ich mich der nöthigen Ruhe erfreute.
4. Mai. Der Prinz war ein noch junger Mann; Gesichtsfarbe und Züge verriethen aber schon den starken Opiumraucher. Sein erstes Geschäft Morgens war auch die Opiumpfeife anzuzünden. Leider wird dieses Gift auf Celebes häufig gebraucht.
Nach dem Frühstücke, das der gestrigen Abendmahlzeit würdig an die Seite zu stellen war, ging ich mit dem Prinzen zur Königin, um Abschied zu nehmen. Beim Eintritte in den Palast fielen mir drei Kisten in die Augen, die ich gestern nicht bemerkt hatte; zwei dienten als Stühle für die Königin und mich, die dritte als Tisch.
Ich mußte über eine halbe Stunde auf die Königin warten; es hieß, sie mache Toilette. Und worin bestand diese Toilette? In einer weißen Blouse, die sie über den Sarong gezogen hatte, der Kopf war wie gestern in ein Tuch gehüllt. An Schmuck trug sie zwei Reihen hohler Kugeln aus Goldblech, in Form und Größe kleiner Hühnereier, die kreuzweise[S. 254] über Brust und Schulter hingen, an jeder Seite der Brust ein rundes, handgroßes, mit Edelsteinen besetztes Goldblech, das man für Orden hätte halten können, wenn die Leute auf Celebes schon auf diesem Höhepunkte der Civilisation stünden. Am meisten fiel mir jedoch die Fußbekleidung auf: sie bestand aus ausgeschnittenen Schuhen nach Art der Europäischen; nur waren sie, statt von Stoff, ganz von Goldblech, die Sohle nicht ausgenommen, und mit Edelsteinen besetzt.
Als mich die Königin begrüßte, sagte sie mir, daß sie es für ihre Pflicht gehalten habe, mich im königlichen Staate zu empfangen.
Auch bei dieser Gelegenheit mußte wieder gespeist werden. Während der Mahlzeit wurde ihr Sohn abgeholt, um ein Haus zu besichtigen, in welches diese Nacht Diebe eingebrochen, und an Silber, Geschmeide u. dgl. bei 800 Rupien im Werthe gestohlen hatten.
Die Buginesen, Hauptbevölkerung dieser Gegenden, sind die berüchtigtsten Diebe und Piraten im ganzen Archipel, übrigens die gewandtesten und hübschesten Leute, die ich auf dieser Insel gesehen. Männer und Weiber sind groß, sehr gut gewachsen, auch ihre Gesichtsbildung ist bei weitem besser, als die der Malaien. Das Nasenbein thut sich doch ein bischen hervor; manche haben mitunter ganz hübsch geformte[S. 255] Nasen, und die Zahnkiefer ragen nicht so heraus. Ihre Augen sind schön und verrathen viel Intelligenz. Ihre Hautfarbe ist licht röthlich braun.
Wie ich bereits bemerkt habe, genießen die Weiber auf Celebes so ziemlich die Rechte der Männer: ein Mann darf ohne die Bewilligung seiner ersten Frau keine zweite nehmen. Auch von den öffentlichen Angelegenheiten sind sie nicht ausgeschlossen. Die Bewohner des Königreiches Wadjo (Lagusi), ein handeltreibendes, friedliches Volk, ziehen es sogar vor, von Königinnen regiert zu werden; sie sagen, daß deren Regierung weniger kriegslustig, treuer und ruhiger sei, als die der Männer.
Um 11 Uhr sagte ich der Königin Lebewohl.
Ich hatte meinen Leuten schon am frühen Morgen befohlen, alles zur Rückreise in Bereitschaft zu halten; trotzdem fand ich, als ich an’s Ufer kam, nicht einmal ein Boot vor. Mit vielem Gezänke kam erst unser ausgehöhlter Baumstamm um Mittag zum Vorschein. Die Rückreise war wo möglich noch unangenehmer als die Herreise, da die Leute so träge ruderten, daß wir nicht von der Stelle kamen. Ich mußte in dem engen Gefängnisse zwanzig Stunden, von Mittag zwölf bis nächsten Morgen acht Uhr zubringen. Während der Nacht wurden die Ruder zur Seite gelegt, und alles schlief. Glücklicherweise war das Wetter[S. 256] schön und der See ruhig, dennoch schwankte das gefährliche Fahrzeug bei jeder Bewegung eines Schläfers so heftig, daß ich oft fürchtete, es könne das Gleichgewicht verlieren.
5. Mai. In der offenen Hütte wieder angekommen, rasteten wir zwei Stunden, dann bestiegen wir Pferde und ritten nach Batu-Massapaija, zu dem König von Sidenring zurück.
Meine erste Frage war nach den Insekten. Der König reichte mir — die leere Flasche[34]. Ich erinnerte ihn an die Rehjagd — „Uebermorgen“ hieß es.
Ich dankte ihm für die vielen Insekten und für die schöne Jagd und ersuchte ihn, mir einige Leute zu geben, um nach dem Bergdistrikte Duri gehen zu können, dessen Bewohner eine Art Alforen und ein noch als sehr wild bekannter Volksstamm, Bundesgenossen des Königs von Sidenring sind. Sie sollen in Höhlen wohnen. Diese Reise gefiel aber dem Tolk und Sendling nicht. Man mußte sie zu Fuße machen und obwohl ich von der Buginesischen Sprache, in welcher meine Leute mit dem Könige verkehrten, so viel wie nichts verstand, entnahm ich doch, daß sie den König ersuchten, mir Schwierigkeiten zu machen.[S. 257] Der König sagte mir dann in Malaischer Sprache, daß er jetzt mit diesem Volke gerade nicht im besten Einvernehmen stehe und daher meinen Wunsch nicht erfüllen könne. Hätte ich diese trägen, faulen Leute nicht bei mir gehabt, so würde ich meinen Willen durchgesetzt haben, denn ich sah es dem Könige an, daß er der Erfüllung meines Ersuchens nicht ungeneigt war. Er bemerkte wohl, daß ich böse wurde, und um mich ein wenig zu erheitern, versprach er mir, die Rehjagd auf den morgigen Tag zu veranstalten.
Ich brachte den ganzen Abend mit der königlichen Familie zu und bemerkte mit Vergnügen, daß das königliche Ehepaar, obwohl schon lange verheirathet (sie hatten vierzehn Kinder), in einer überaus glücklichen Ehe lebte. Ich hörte auch, der König habe nur eine Frau, und überhaupt sei das Familienleben auf Celebes besser als auf irgend einer der anderen Inseln dieses Archipels. Gewöhnlich begnügt sich der Mann mit einer Gattin, und Scheidungen finden auch nicht so häufig statt.
Die beiden Eheleute richteten unzählige Fragen an mich; vor allem andern aber baten sie mich um die Arznei, die ich ihrer Meinung nach nähme, um in meinem Alter so kräftig zu sein. Der König sagte, daß er nicht im Stande wäre, es mir gleich zu thun, viel weniger die Königin, obwohl sie beide um so viel[S. 258] jünger seien als ich. Vergebens betheuerte ich, daß dieß nur Folge der von der ihrigen so ganz verschiedenen Lebensweise wäre. Dann kam auch hier wieder die Rede auf meinen Sultan (ein besonderes Lieblingsthema aller dieser Fürsten); sie fragten mich, wie er wohne, was er speise, ob ich ihn oft besuche u. s. w. Ich erzählte ihnen mit aller Ausführlichkeit das kaiserliche Familienleben.
6. Mai. Gestern hatte die Königin erklärt, sie wolle ebenfalls an der Jagd Theil nehmen. Ich war über diesen heldenmüthigen Entschluß sehr erstaunt, denn daß eine Königin ihre Hütte ohne eine bedeutende Veranlassung verläßt, gehört unter diesen Völkern zu den Wundern. So erzählte mir z. B. die achtzehnjährige Königin von Baru, daß sie seit acht Jahren nicht über zweihundert Schritte weit von ihrer Hütte gekommen sei.
Als es zur Jagd ging, fragte ich nach der Königin. Der König sagte mir, daß sie uns nicht begleiten könne, sie habe das Fieber (vermuthlich das Trägheitsfieber).
Wir begaben uns auf einen großen, schönen Wiesenplatz, der ringsum von Waldungen eingesäumt war. Die Rehe wurden getrieben, von Hunden gefangen, welche die armen Thiere gräßlich zerfleischten, und von den Leuten mit Lanzen getödtet. Viele von den Jägern[S. 259] waren zu Pferde und jagten den Thieren nach. Der König und ich saßen im Schatten eines Baumes und sahen zu, — es war eine abscheuliche Unterhaltung, der ich kein zweites Mal beiwohnen möchte!
Nach der Jagd versammelten sich die Reiter und Treiber um uns. Diese Gruppe war so malerisch, daß ich vieles gegeben hätte, ein Zeichner zu sein. Die Reiter ruhten auf ihren schönen, unbeweglich stehenden Thieren in den verschiedenartigsten Stellungen. Sie schlugen einen Fuß, oft wohl beide unter, hockten auf den Fersen oder stemmten die Füße in die Seiten der Thiere, kurz geberdeten sich wie auf festem Grund und Boden. So wie die Leute zu Pferde, so lagerten die Treiber auf der Wiese umher. Die Kopftücher hatten sie in der mannigfaltigsten Weise um den Kopf geschlagen. Sie stärken diese Tücher und vermögen ihnen daher jede beliebige Form zu geben; die langen, weiten Sarongs umhüllten die kräftigen Körper bald ganz, bald theilweise, oder hingen als Schärpen in reichem Faltenwurfe von der Schulter hinab. Das Betrachten dieses Bildes ergötzte mich ungleich mehr als die grausame Jagd.
Zur Abendmahlzeit setzte man uns schon das Schulterstück eines der erlegten Rehe vor. Leider war es durch die Bereitung beinahe ungenießbar geworden. Man hatte das Fleisch, ohne es zuvor zu waschen und[S. 260] zu salzen, in das brennende Feuer geworfen und kaum so lange darin gelassen, bis es warm wurde. Es war ganz schwarz, stank nach Rauch, und das Blut quoll überall heraus. Von solchen Speisen lebt ein König, der, wie er mir selbst erzählte, im vergangenen Jahre 8000 Rupien in den Hahnenkämpfen verloren, das Jahr zuvor 10,000 Rupien in demselben Spiele gewonnen hatte! —
7. Mai Morgens nahm ich Abschied von dem königlichen Spieler. Die Rückreise ging sehr rasch von Statten. Ich machte in Pare-pare, Baru und Tanette nur die nöthige Rast und erreichte schon am 9. Mai wieder die Grenze der Holländischen Besitzungen, die zwei Paal von der Residenz des Königreichs Tanette beginnen. Um zwei Uhr war ich zu Mandelle, und um eine Tagereise zu gewinnen, ging ich zu Fuß noch sechs Paal weiter bis Segeri, denn bis frische Pferde herbeigeschafft worden wären, würde es Nacht gewesen sein, und die Wege waren zu gräßlich, um sich bei Nacht darauf zu wagen. Meinen Leuten kam dieß nicht sehr gelegen; allein ich bekümmerte mich nicht darum, und begab mich ohne sie auf den Weg, wohl wissend, daß sie mir folgen würden. Wir kamen durch so tiefe Sümpfe, daß man an einer Stelle Mühe hatte, mich durch zu bringen. Bei jedem Schritte sank ich bis an den Oberleib ein, zwei meiner[S. 261] Leute mußten mir stets heraushelfen. Am nächsten Morgen fühlte ich mich so wenig ermüdet, daß ich zweiunddreißig Paal zwar zu Pferde, aber ebenfalls wie gestern, durch die schrecklichsten Sümpfe machte, was selbst für Reiter sehr ermüdend ist. Ich kam glücklich und wohlbehalten zu Maros an; Tolk und Sendling wurden dagegen von den Beschwerden dieser eiligen Rückreise so angegriffen, daß sie beide einige Tage unwohl waren.
Zu Maros blieb ich noch einige Tage und besuchte von hier aus den Fürsten Aru-Sinri, den früheren Minister von Bonni, der sechs Paal von Maros entfernt wohnt. Die Gemahlin dieses Fürsten, Aru-Palengerang, hatte die gerechtesten Ansprüche auf das Reich Bonni: sie war die Schwester des letztverstorbenen Königs, der keine Kinder hinterließ; auch sie war kinderlos und hatte einen Neffen adoptirt. Als aber der König starb, wußte letzterer sich einen solchen Anhang zu verschaffen, daß er sich der Regierung bemächtigte und seine Wohltäterin vertrieb. Sie warf sich mit ihrem Gemahl in die Arme der Holländischen Regierung, welche ihnen ein niedliches Bambushaus bauen ließ und eine jährliche Pension gibt.
Auf ganz Celebes fand ich kein Fürstenhaus so schön gehalten wie dieses. Das Innere war in Gemächer getheilt, die Küche abgesondert, die Dienerschaft[S. 262] sehr sauber gekleidet, der Tisch höchst zierlich gedeckt, die Gerichte gut, man hätte in keinem Europäischen Hause mehr Ordnung und Reinlichkeit finden können.
Der Prinz Aru-Sinri und seine Gemahlin werden auch allgemein als ausgezeichnete Leute, sowohl in Bezug auf Herz als auf Verstand gerühmt.
Am 13. Mai ritt ich nach Makassar zurück, wo ich bis 20. Mai blieb. Ich stattete vor meiner Abreise in Begleitung des Herrn Weiergang, eines hiesigen Kaufmannes, noch dem Sultan von Goa einen Besuch ab. Das Reich Goa stößt an Makassar an; die Residenz des Fürsten ist nur vier Paal von letzterem entfernt. Dieses Reich besteht aus den Trümmern des Königreiches Makassar, welches in früheren Zeiten das mächtigste von Celebes war, eine treffliche Armee und viele Kutter besaß und einen großen Theil der umliegenden Inseln beherrschte.
Der Sultan von Goa bewohnt ein weit hübscheres Haus, als seine königlichen Kollegen von Sidenring und Pare-pare, da es von Brettern und mit Schnitzwerk verziert ist. Im Innern sah es jedoch eben so aus, wie bei allen übrigen Fürsten: eine Ueberfülle von Hofgesinde und Dienerschaft, ein Chaos von Klambus und übereinander geschichteten Kisten und Kasten.
[S. 263]
Der Sultan ließ gerade ein neues Haus bauen, obwohl das alte noch ganz gut erhalten schien; er wollte letzteres nicht mehr bewohnen, weil sein Vater darin gestorben war. Soll man dieß Zartgefühl nennen? Ich wäre eher geneigt, es für Aberglauben zu halten, denn Gefühl für Verstorbene habe ich unter diesen Völkern nirgends gefunden.
Nahe an der Residenz sind die Gräber des Fürstenhauses. Sie enthalten einfache steinerne Grabesmonumente, die zum Theile in kleinen gemauerten Hallen stehen.
Am 20. Mai verließ ich Makassar auf dem Dampfer „Banda“, um zum dritten und letzten Male die gastfreundlichen Küsten Java’s zu betreten.
Nach 2½tägiger Fahrt ankerten wir auf der Rhede von Surabaya. Während meines ersten Aufenthaltes an diesem Orte hatte ich die Bekanntschaft der Frau Brumond, Gattin des Domine Brumond, gemacht, welche so freundlich war, mich in ihr Haus einzuladen, wenn ich von der Reise nach den Molukken und Celebes zurück käme. Herr Resident von Perez, bei welchem ich damals abgestiegen war, hatte nämlich den Ruf nach Batavia als Rath von Indien (höchste Stelle nach dem Gouverneur-General; es sind deren vier, jede mit einem jährlichen Gehalte von 36,000 Rupien) erhalten. Ich fand bei dieser liebenswürdigen[S. 264] Familie eine so herzliche Aufnahme, und während der Krankheit die mich hier befiel, eine so sorgfältige Pflege, daß ich gar nicht glaubte, mich in einem fremden Lande zu befinden. Zu dem Fieber, das mich seit meinem Aufenthalt in Sumatra häufig belästigte, gesellte sich ein Anthrax auf dem Rücken, eine Folge der beschwerlichen Wanderungen und ausgestandenen Mühseligkeiten auf den Molukken und auf Celebes. Durch diese Krankheit wurde mir der Aufenthalt auf Surabaya sehr verbittert, und es war an meine Reise ins Gebirge, nach dem Feuerberge Brumo u. s. f. nicht mehr zu denken; ich benützte nur die Zeit meiner Rekonvaleszenz, Surabaya selbst und seine nahe Umgebung ein wenig zu besehen.
Der gute Herr Brumond war so gefällig, meinen Cicerone zu machen. Wir begannen mit der Moschee, welche die schönste auf Java sein soll und in ganz neuester Zeit von einem Holländischen Baumeister aufgeführt wurde. Sie nimmt sich sehr gut aus, obwohl ihre Bauart weder rein Maurisch noch Gothisch, sondern ein Gemisch von beiden ist. Sie bildet mit den beiden Minarets, die durch vierzig Fuß lange, schöne Gänge verbunden sind, ein Achteck. Das Gebäude ist von Backsteinen (Ziegeln) aufgeführt, die Vorderseite des Daches, so wie die Eingangsthüre mit hübschem Holzschnitzwerk verziert.
[S. 265]
Der Diener verweigerte uns zwar nicht den Eintritt in die Moschee; allein er verlangte, daß wir die Schuhe ausziehen sollten. Herr Brumond, meiner Rekonvaleszenz gedenkend, reichte ihm eine Rupie, und dieser silberne Schlüssel öffnete uns die Thüre ohne weitere Anforderung. Wir sahen im Innern nichts weiter als eine hübsche Halle mit einer kleinen Kanzel, einigen Lampen, Matten und vielen messingenen Spucknäpfen. Letztere fallen einem Fremden gar sehr in die Augen; allein ein Sirikauer kann ihrer nicht entbehren, und an einem so heiligen Orte darf er nicht auf den Boden spucken.
Von der Moschee gingen wir in den nah gelegenen Malaischen Kampon. Dieser gefiel mir ganz und gar nicht. Die Bambushütten, hier nicht auf Pfähle gebaut, stehen in zwei Reihen enge an einander und bilden eine Straße. Der Unrath wird vor alle Thüren geworfen, gegen Abend vor jedem Hause zusammengefegt und verbrannt. Wir kamen gerade zu dieser unglückseligen Stunde in den Kampon und konnten deshalb vor Rauch und Gestank kaum durch die Straße dringen. Wie mag es da in der Regenzeit aussehen, wann nicht gefegt und verbrannt werden kann? Es ist ganz und gar nicht zu wundern, daß die Leute beständig mit Fiebern, Haut- und andern Krankheiten zu kämpfen haben.
[S. 266]
Die Hütten sind außerordentlich klein und gedrückt, ohne Fenster und mit einem so niedrigen Pförtchen, daß man ungebückt nicht durchkommt. Im Innern ist jedes dieser Schneckenhäuser noch in drei Theile getheilt, die wahren Löchern gleichen. Das erste Loch, das einzige, in welches durch die geöffnete Thüre Licht fällt, enthält links und rechts eine Schlafstelle, die während des Tages als Werkstätte oder Sitzplatz dient. In dem zweiten Loche ist an einer Seite die Schlafstelle des Hausherrn, an der andern eine hölzerne Bank, in dem dritten die Feuerstelle. Es bleibt überall gerade nur so viel Raum, um hindurch schlüpfen zu können. Die Einrichtung besteht aus einigen Matten, Polstern, irdenen Kochtöpfen und einer hölzernen Truhe auf Rädern, die alle Schätze der Familie, Kleidungsstücke, Waffen, Geschmeide u. s. w. enthält und im Falle einer Feuersgefahr leicht fortgerollt werden kann.
Das Volk kam mir minder häßlich vor, als im Beginne meiner Reise auf Borneo, Java u. s. f. Ich sah nun schon seit mehr als einem Jahre größtentheils nur Malaien und möchte daher meine Geschmacksänderung der Gewohnheit zuschreiben, die am Ende das Häßliche minder häßlich erscheinen läßt. Geht es doch mit dem Schönen eben so — die herrlichste Landschaft,[S. 267] alle Tage gesehen, macht mit der Zeit nicht halb so viel Eindruck als im ersten Augenblicke.
Wir besuchten diesen Abend auch noch den Chinesischen Kampon, der mit seinen niedlichen Häuschen, durch seine außerordentliche Reinlichkeit den größten Kontrast zu dem Malaischen bildete. Die Häuschen aus Backsteinen waren alle so weiß und nett, als wäre der ganze Kampon erst kürzlich beendet worden. Sie sind zwar auch nicht groß, aber geräumig genug, selbst eine zahlreiche Familie anständig unterzubringen. Es fehlt weder an Fenstern noch Thüren, von welchen erstere mit schönen Läden versehen sind; alles Holz- und Rohrwerk ist mit dunkler Oelfarbe angestrichen. Den Vordertheil des Hauses umgibt eine Veranda; von dieser tritt man in das Empfangszimmer, welches die ganze Länge des Hauses einnimmt. Hier findet man den Boden mit Matten belegt, die Wände mit Spiegeln und Bildern geziert, und eine genügende Einrichtung an Tischen, Stühlen und Schränken. Im Hintergrunde führen links und rechts Thüren in die Wohnstübchen. Beinahe in jedem Hause ist in dem Empfangszimmer ein kleiner Altar aufgerichtet.
Wir betraten mehrere Häuschen, deren Bewohner schon bei der Abendmahlzeit saßen. (Die Weiber der Chinesen sind ebenso wie jene der Malaien von der Tischgesellschaft ausgeschlossen; sie speisen in der Küche[S. 268] oder in ihren Kämmerchen.) Der Tisch war mit einem weißen Tuche gedeckt und trug Gläser, Flaschen, Teller und gute Gerichte; mit Vergnügen hätte man an ihrer Tafel theilnehmen können, während es Ekel erregt, den Malaien zuzusehen, wie sie bei ihren Mahlzeiten irgendwo auf dem Boden kauern und große Portionen in Wasser gekochten Reises mit den Händen in den weit geöffneten Schlund stopfen.
Die Chinesen in den Städten sind Kaufleute, Pächter oder Handwerker; sie sind arbeitsam und unermüdlich, gönnen sich aber auch einige häusliche Bequemlichkeiten. Nicht so die Malaien; bei diesen leben Wohlhabende wie Arme in demselben Schmutze, in derselben Beschränktheit. Der einzige Aufwand, die einzige Liebhaberei der Reichen besteht in kostbaren Waffen, in Gold- und Silbergeschmeide, das sie sorgfältig verschließen und bewahren, und das man höchstens bei außerordentlichen Festen und Begebenheiten, oder wenn man sie darum ersucht, zu sehen bekommt. Außerdem begnügen sie sich mit einem alten Sarong und einem schmutzigen Kopftuche. Eine Ausnahme davon machen nur die von der Regierung als Regenten u. s. w. Angestellten: diese suchen gewöhnlich den Aufwand und die Lebensweise der Holländischen Residenten nachzuahmen.
Einen der folgenden Tage gingen wir nach dem[S. 269] großen Malaischen Friedhof, der zum Theile auch der heilige genannt wird. Er ist mit einer Mauer umgeben. Das Innere ist in viele Plätze getheilt, die ebenfalls durch Mauern oder Staketen von einander gesondert sind und je nach der Heiligkeit oder dem hohen Stande der daselbst Ruhenden mehr oder weniger in Ordnung gehalten werden. Es gibt noch viele Grabmäler von Sultanen aus der guten alten Zeit, als Sultane auf Surabaya herrschten. Sie sind alle höchst einfach und bestehen aus Steinplatten oder aufrecht stehenden Steinen, von welchen die meisten schon beschädiget oder eingesunken sind. Von diesen Gräbern wird eines für so heilig gehalten, daß keine Ehe unter dem Volke Surabaya’s und der nähern Umgebung geschlossen wird, ohne daß das Brautpaar hieher kommt, um durch ein kurzes Gebet den Segen zu dem Bunde zu erflehen. Wir waren so glücklich, einem dieser Brautpaare zu begegnen. Die Braut, ein etwas beleibtes, sehr häßliches, zwölfjähriges Mädchen, wurde in einer kleinen Sänfte getragen, die von beiden Seiten offen war, damit sie von dem Volke in ihrer bräutlichen Herrlichkeit gesehen werden konnte. Sie trug einen seidenen Sarong, der etwas über die Hüfte reichte; von da an war sie unbekleidet und mit einer gelben Farbe ganz bemalt, was dieselbe Wirkung hervorbrachte, wie enge anliegender Tricot. Der Kopf,[S. 270] Hals, die Ohren und Arme waren mit Schmuck beladen. Sowohl der seidene Sarong wie der Schmuck sind selten Eigenthum der Braut: diese Gegenstände werden für die Feierlichkeit gemiethet. Ihre Begleitung bestand aus vielen Weibern und Mädchen, wahrscheinlich Verwandte. Der Bräutigam, ein hübscher Mann von einigen zwanzig Jahren, folgte zu Fuße in Gesellschaft vieler Jünglinge und Männer. Er war sauber, aber nicht anders als seine Begleiter gekleidet.
Ich sah in Surabaya nicht nur dieses Brautpaar aus dem Volke, ich wohnte auch einem vornehmen Hochzeitsfeste bei, wo es des Prunkes nicht wenig gab. Die Braut war die Schwester des Regenten.
Dieses Fest währte mehrere Tage. Am ersten fand die Ceremonie in dem Tempel statt, bei welcher ich nicht zugegen sein konnte, da ich gerade das Fieber hatte. Die Braut folgt an diesem Tage nicht ihrem Gemahl in sein Haus, sondern kehrt in das ihrige zurück. Am zweiten Tage ward das eigentliche Fest in dem Hause der Braut gefeiert. Der Gatte kam gegen Abend in feierlichem Zuge zu seiner Gemahlin. Den Zug eröffneten viele Jünglinge und Knaben aus dem Volke in ihrer gewöhnlichen Kleidung; sie trugen Palmenzweige oder sehr hohe Stangen mit bunten Tüchern, die wie Fahnen flatterten.[S. 271] Ihnen folgte Musik, Gongs und Trommeln und hierauf eine Art Leibwache mit sehr schönen Lanzen, von welcher eine Abtheilung dunkelbraune, die andere zimmetbraune Sarongs trug, die in faltenreichen Spitzen bis an die Waden hinab fielen. Der Oberkörper und die Füße waren mit lichtgelber Farbe bemalt; auf dem Kopfe trugen sie eine Art Krone von Goldblech oder Messing. Sie sahen sehr geschmackvoll und kriegerisch aus. Zwischen jeder Abtheilung ging Musik. Der Bräutigam kam in einem vierspännigen Europäischen Wagen gefahren, von zwei Frauen (Verwandten) begleitet. An dem Hause angekommen, stellte sich das Gefolge in Reihen auf, und der Bräutigam schritt mit gesenktem Haupte und beinahe geschlossenen Augen in den Empfangssaal, in dessen Hintergrunde die Braut, umgeben von Frauen und Mädchen, auf einem schönen Teppiche saß. Stillschweigend, ohne Gruß, ohne die Augen aufzuschlagen, nahm der Bräutigam an der Seite der Braut Platz. Beide blieben bis neun Uhr so stumm und unbeweglich wie Statuen sitzen.
Braut und Bräutigam waren beinahe gleich gekleidet; sie trugen lange, golddurchwirkte seidene Sarongs. Der Bräutigam hatte den Oberkörper unbekleidet und gelb bemalt, die Braut trug ein lichtgelbes, seidenes, sehr knapp anschließendes Leibchen,[S. 272] die Arme hatte sie bis an die Achseln ebenfalls nackt und gelb bemalt. Auf dem Kopfe trugen beide Kränze von Melati. Drei Reihen dieser Blumen fielen von den Schläfen bis an die Brust hinab. Außer den Blumen hatten sie noch einige Verzierungen auf dem Kopfe. Das Brautpaar war von vielen Verwandten umgeben, aber alle saßen stumm und bewegungslos da. Um acht Uhr wurde Thee und Backwerk gereicht; die ganze Gesellschaft aß und trank, ohne auch nur ein Wort zu sprechen. Um neun Uhr verschwand das Brautpaar auf einige Augenblicke, um sich umzukleiden, erschien wieder in einfachen Hauskleidern und blieb dann noch ungefähr eine Stunde sitzen. An diesem Tage wird zwar die Braut dem Bräutigam übergeben; allein er darf sie noch nicht in sein Haus führen; er muß sogar noch einen dritten Abend in dem ihrigen zubringen.
Auch hier ist es wie auf Celebes bei Reichen und Vornehmen nicht Sitte, die Mädchen gar zu jung zu verheirathen; gewöhnlich geschieht es zwischen dem achtzehnten und zwanzigsten Jahre[35]. Manche beobachten den Gebrauch, daß die Braut den Bräutigam erst in der Moschee kennen lernt.
[S. 273]
Ein großes Fest bei den reichen Javanesen wird auch gefeiert, wenn ein Jüngling seine Schulzeit vollendet hat. Der Jüngling sitzt obenan, die Eltern und Verwandten um ihn, dann alle seine Lehrer; erstere fragen ihn über alles aus, was er gelernt hat.
Von den öffentlichen Anstalten Surabayas gefiel mir am besten das Hospital: es ist in jeder Hinsicht das vollkommenste, das ich sah, und dieß will viel sagen, denn in allen Holländisch-Indischen Besitzungen sind die Hospitäler vortrefflich eingerichtet. Dieses hat für achthundert Kranke Raum und ist in mehrere Gebäude abgetheilt, deren jedes von Wiesen und Gärten, mit Blumen und Bäumen umgeben ist. In einem der Gärten sah ich eine Wasserpalme, die merkwürdigste unter den Palmen, die mir auf Java und Sumatra vorkamen. Die Blätter sind zwölf bis fünfzehn Fuß lang und schießen einzeln aus dem Stamme, der kaum fünfzehn Fuß hoch sein mag, gerade in die Höhe. Sie schließen sich eines an das andere und bilden einen vollkommenen regelmäßigen Fächer. Der untere Theil der Blätter so wie der Stamm enthalten Wasser. Diese Palme ist auf Madagascar heimisch; auf Sumatra und Java fand ich sie nur als Zierde in den Gärten der Europäer.
Die Strafhäuser sind gleich jenen in Batavia der Art eingerichtet, daß man beinahe sagen könnte,[S. 274] für Verbrecher sei die Menschlichkeit zu weit getrieben. Die Holländischen Soldaten[36] haben hübsche Zimmer, nette Gärtchen und erhalten eine sehr gute Kost. Die eingebornen Verbrecher sind gemeinschaftlich in große Räume gesperrt und werden zu verschiedenen Arbeiten in- und außerhalb des Gefängnisses verwendet, wofür sie per Tag einige Deute für Siri bekommen. Keiner der Gefangenen ist geschlossen; die Eingebornen tragen nur um den Hals einen eisernen Ring; dessen ungeachtet soll das Entfliehen zu den sehr seltenen Fällen gehören. Die Eingebornen haben vor den Gesetzen viel mehr Achtung, als die Weißen.
Die Gefängnisse waren stark besetzt, wie man mir sagte, mit zwölfhundert Sträflingen, meistens Dieben. Die schweren Verbrecher werden nach der Aburtheilung nach verschiedenen Inseln, besonders nach den Molukken verwiesen, wo sie für die Regierung arbeiten, oder gegen Lohn an Privatleute vermiethet werden. Todesstrafen haben höchst selten statt.
Die Fabrik für Ausbesserung und Zusammenstellung von Dampf- und anderen Maschinen besuchte ich ebenfalls. Diese Fabrik ist für Java sehr nothwendig, da es der Dampfschiffe, Zuckermühlen und[S. 275] andern Anstalten schon in großer Menge gibt. Man könnte hier die Dampfmaschinen auch ganz neu verfertigen; allein sie würden höher zu stehen kommen als in Europa, denn da die Eingebornen nicht gezwungen sind, in den Fabriken zu arbeiten, muß man sie gut bezahlen, um sie dazu zu bewegen. Es waren in dieser Fabrik täglich an sechshundert Arbeiter beschäftiget, welche, die Werkmeister ausgenommen, alle Eingeborne sind und per Tag von dreißig bis hundertzwanzig Deut erhalten.
Nicht minder vollkommen eingerichtet ist das Arsenal, in welchem alle Gattungen Kugeln für Kanonen, Bomben und Gewehre gegossen, die Wagengestelle für die Artillerie, alles Riemwerk für Soldaten und Pferde gemacht werden. Auch hier arbeiten beinahe nur Eingeborne; man zieht sie den Europäern bedeutend vor. Sie sind sehr gelehrig und besonders im Nachahmen sehr geschickt, arbeiten ruhig, fleißig und höchst genau, und schwatzen, zanken und trinken nicht. Ich sah in beiden Fabriken die vollendetsten Arbeiten aus den Händen der Eingebornen hervorgehen, unter andern ein großes Staatssiegel in Messing gestochen, welches von dem besten Siegelstecher in Europa nicht besser hätte ausgearbeitet werden können[37].
[S. 276]
Ich besah auch das Trockendock, eine herrliche Anstalt zur Ausbesserung der Schiffe. Das Becken, groß genug für das größte Schiff, steht durch einen Canal mit der See in Verbindung; das Wasser wird, wenn das Schiff im Becken liegt, mittelst einer Dampfmaschine in fünf bis sechs Stunden gänzlich ausgepumpt. Wenn keine Regierungsschiffe in der Ausbesserung liegen, werden auch Handelsschiffe angenommen, für welche per Tag und per Tonne eine bestimmte Summe zu bezahlen ist. Es lag eben ein Schiff von zwölfhundert Tonnen in dem Becken, das täglich dreihundert Rupien für nichts als den Platz bezahlte. Diese Anstalt mag großen Nutzen tragen, denn der Kostenaufwand ist sehr gering, und an Schiffen, die der Ausbesserung bedürfen, fehlt es nie.
Leider konnte ich, wie gesagt, weder den Feuerberg Brumo, noch das von manchen Reisenden so schauervoll beschriebene „Todtenthal“ besuchen, in welchem der Baum Upas steht. Die Ausdünstung dieses Giftbaumes soll, nach deren Behauptung, jedem lebendem Wesen, das sich in seine Nähe wagt, Mensch oder Thier, Tod und Verderben bringen.
[S. 277]
Der Saft des Baumes diente zur Vergiftung der Pfeile, und um das Gift zu erlangen, sollen die Sultane dieses Landes den schweren Verbrechern die Strafe auferlegt haben, eine gewisse Menge Saftes von dem Baume zu bringen. Hatte der Verbrecher das Glück, mit dem Winde in das Thal zu gehen, so konnte er den Auftrag vollführen, mit dem Leben zurückkehren, und jede weitere Strafe war ihm in diesem Falle erlassen. Kam ihm jedoch bei diesem Gang der Wind in’s Gesicht, so war sein Tod unvermeidlich.
Ich selbst erinnere mich, Beschreibungen dieser Art gelesen zu haben; es hieß ferner, daß dieses Thal voll von Skeletten von Menschen und Thieren sei. Jeder Vogel, der über das Thal fliege, stürze als Leiche nieder u. s. w. — Sehr glaubwürdige Leute versicherten mir, daß an allem diesem Geschwätze kein wahres Wort sei. Es stehe zwar ein Upas-Baum in einem kleinen Thale; allein Mensch und Thier kann sich ihm ohne die geringste Gefahr nahen, der Wind mag kommen, von welcher Seite er will. Hier und da ströme zwar aus dem Boden dieses Thales einiges Gas aus, das sich aber nicht über zwei Fuß erhebe. Man führt, um dem Fremden dieß zu zeigen, gleich wie in die Hundsgrotte zu Neapel, kleine Hunde dahin, die nach einigen Minuten von Zuckungen ergriffen dem Tode verfallen würden, zöge man sie nicht sogleich aus der Stickluft.
[S. 278]
Auf Java habe ich keinen Upas-Baum gesehen, dagegen in Borneo mehrere, an welchen ich oft ganz nahe vorbei kam. Die Eingebornen warnten mich bloß, weder den Stamm noch die Aeste zu berühren; sie sagten, die Hand schwölle auf und schmerze einige Stunden. Vielleicht ist auch dieß nicht wahr; ich wagte aber doch nicht, es zu versuchen.
Da ich gerade von so Sonderbarem spreche, will ich auch eines rätselhaften Ereignisses erwähnen, das sich vor mehreren Jahren auf Java zutrug und so viel Aufsehen machte, daß es sogar die Aufmerksamkeit der Regierung in Anspruch nahm.
In der Cheriboner Residentschaft lag ein Häuschen, in welchem es, wie die Leute behaupteten, arg spukte. Sobald der Abend einbrach, begann ein Steinregen und Sirigespuck von allen Seiten in dem Gemache. Die Steine, wie das Gespuck fielen knapp neben den Leuten, die sich darin befanden, nieder, ohne jedoch Jemanden zu treffen. Dieser Spuk schien hauptsächlich gegen ein kleines Kind gerichtet. Es wurde von dieser unerklärlichen Sache so viel gesprochen, daß am Ende die Regierung einen verläßlichen Stabs-Officier beauftragte, sie zu untersuchen. Dieser ließ das Häuschen von auserwählten, treuen Soldaten umstellen, welche niemand den Aus- oder Eingang gestatteten, untersuchte alles genau, und setzte sich dann, das Kind auf den Schooß nehmend, in das verrufene[S. 279] Gemach. Zu Abend begann der Stein- und Siri-Regen wie immer, alles fiel knapp um den Officier und das Kind nieder, ohne sie zu berühren. Abermals wurde jeder Winkel, jedes Loch untersucht und — nichts gefunden. Der Officier konnte aus der Sache nicht klug werden. Er ließ die Steine aufheben, sie bezeichnen und sie an einem weit entfernten Orte verbergen — vergebens, dieselben bezeichneten Steine flogen zur selben Stunde wieder in das Gemach. Um dieser unbegreiflichen Geschichte ein Ende zu machen ließ die Regierung das Häuschen niederreißen.
Nach Batavia zurückgekommen, war ich abermals unentschlossen, wohin ich meinen Wanderstab wenden sollte. Von Indien hatte ich das Interessanteste gesehen (Englisch Indien auf meiner ersten Reise um die Welt), nach Australien verlangte ich nicht sehr, auch lagen keine Schiffe für dorthin im Hafen, wohl aber gab es deren zwei für Nord-Amerika, und zwar eines für Baltimore (Vereinigte Staaten), das zweite für San Francisco in Kalifornien.
Ich wandte mich an den Amerikanischen Consul, Herrn Reed, ihn ersuchend, mit den Kapitänen dieser Schiffe zu sprechen und mir, wo möglich, einen billigen Ueberfahrtspreis zu erwirken. Herr Reed überbrachte mir schon nach einigen Tagen die erfreuliche Nachricht, daß der Kapitän des für San Francisco bestimmten[S. 280] Schiffes bereit sei, mich ohne die geringste Vergütung auf diese lange Reise (über 10,000 Seemeilen) mitzunehmen.
Beinahe mit wehmüthiger Empfindung nahm ich Abschied von den Holländisch-Indischen Besitzungen. Ich sah in diesen Ländern viel des Herrlichen und Großen in der wundervollen Natur, ich kam mit neuen Völkern in Berührung, deren Bekanntschaft mir, trotz der Gefahren, mit welchen ich sie mitunter erkaufte, höchst genußreiche und interessante Beobachtungen bot. Und nicht nur Geist und Auge fanden Genüsse auf dieser Reise, auch das Herz hatte seinen Theil, denn überall begegnete ich unter den Holländern vielen guten Menschen, die mir auf die liebevollste Weise mit Rath und That an die Hand gingen. Diesen, wie auch den Deutschen, die ich an einigen Orten traf, verdanke ich es, daß mir das Reisen nicht nur überhaupt ausführbar, sondern auch (die Länder der wilden Dayaker, Battaker und, Alforen ausgenommen, wo es keine Europäer gab) so leicht und angenehm gemacht wurde, als es nur immer möglich war.
So lange ich lebe, werden die Eindrücke dieser schönen Reise eben so wenig aus meinem Gedächtnisse schwinden, wie die Erinnerung an die Zuvorkommenheit und wahre Gastfreundschaft der Holländer.
[33] Man findet sehr selten weißes Salz, gewöhnlich ist es so schmutzig und dunkel wie Asche.
[34] Die Leute versprechen alles mit der größten Bereitwilligkeit; ersucht man sie um etwas, so bekommt man stets „Ja“ zur Antwort; allein höchst selten halten sie Wort.
[35] Bei den Europäern scheint frühes Heirathen sehr Sitte gewesen zu sein. Die Regierung hat in neuerer Zeit einen Befehl erlassen, welchem zu Folge kein Europäisches Mädchen vor dem fünfzehnten Jahre heirathen darf.
[36] Die eingebornen Soldaten werden nicht mit den Holländischen in dasselbe Gefängniß gesperrt.
[37] Ich sah bei Oberst von Schierbrandt in Batavia eine Haus-Einrichtung in Gothischem Style, die er in Surabaya verfertigen ließ. Die Stühle, Kanapees, Schränke u. s. w. waren höchst kunstvoll ausgeschnitzt, die Tapezierer-Arbeit nicht minder vollkommen. Aber bis auf die kleinsten Details mußte Herr Schierbrandt den Leuten Zeichnungen geben, aus eigner Erfindung können sie nichts schaffen.