The Project Gutenberg eBook of Deutsche Sagen

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Title: Deutsche Sagen

Contributor: Jacob Grimm

Wilhelm Grimm

Release date: July 24, 2025 [eBook #76558]

Language: German

Original publication: Berlin: Nicolaische Buchhandlung, 1916

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*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DEUTSCHE SAGEN ***

Anmerkungen zur Transkription

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Deutsche Sagen.


Herausgegeben

von

den Brüdern Grimm.


Berlin,

in der Nicolaischen Buchhandlung.

1816.

Unserm Bruder

Ludwig Emil Grimm

aus herzlicher Liebe

zugeeignet.

[S. v]

Vorrede.

I. Wesen der Sage.

Es wird dem Menschen von heimathswegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wann er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet; wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenze des Vaterlands überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohlthätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichte, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben. Jedes hat seinen eigenen Kreis. Das Märchen ist poetischer, die Sage historischer; jenes stehet beinahe nur in sich selber fest, in seiner angeborenen Blüte und Vollendung; die Sage, von einer geringern Mannichfaltigkeit der Farbe, hat noch das Besondere, daß sie an etwas Bekanntem und Bewußtem hafte, an einem Ort oder einem durch die Geschichte gesicherten[S. vi] Namen. Aus dieser ihrer Gebundenheit folgt, daß sie nicht, gleich dem Märchen, überall zu Hause seyn könne, sondern irgend eine Bedingung voraussetze, ohne welche sie bald gar nicht da, bald nur unvollkommener vorhanden seyn würde. Kaum ein Flecken wird sich in ganz Deutschland finden, wo es nicht ausführliche Märchen zu hören gäbe, manche, an denen die Volkssagen blos dünn und sparsam gesät zu seyn pflegen. Diese anscheinende Dürftigkeit und Unbedeutendheit zugegeben, sind sie dafür innerlich auch weit eigenthümlicher; sie gleichen den Mundarten der Sprache, in denen hin und wieder sonderbare Wörter und Bilder aus uralten Zeiten hangen geblieben sind, während die Märchen ein ganzes Stück alter Dichtung, so zu sagen, in einem Zuge zu uns übersetzen. Merkwürdig stimmen auch die erzählenden Volkslieder entschieden mehr zu den Sagen, wie zu den Märchen, die wiederum in ihrem Inhalt die Anlage der frühesten Poesien reiner und kräftiger bewahrt haben, als es sogar die übrig gebliebenen größeren Lieder der Vorzeit konnten. Hieraus ergibt sich ohne alle Schwierigkeit, wie es kommt, daß fast nur allein die Märchen Theile der urdeutschen Heldensage erhalten haben, ohne Namen, (außer wo diese allgemein und in sich selbst bedeutend[S. vii] wurden, wie der des alten Hildebrand); während in den Liedern und Sagen unseres Volks so viele einzelne, beinahe trockene Namen, Örter und Sitten aus der ältesten Zeit festhaften. Die Märchen also sind theils durch ihre äußere Verbreitung, theils durch ihr inneres Wesen dazu bestimmt, den reinen Gedanken einer kindlichen Weltbetrachtung zu fassen, sie nähren unmittelbar, wie die Milch, mild und lieblich, oder der Honig, süß und sättigend, ohne irdische Schwere; dahingegen die Sagen schon zu einer stärkeren Speise dienen, eine einfachere, aber desto entschiedenere Farbe tragen, und mehr Ernst und Nachdenken fodern. Ueber den Vorzug beider zu streiten wäre ungeschickt; auch soll durch diese Darlegung ihrer Verschiedenheit weder ihr Gemeinschaftliches übersehen, noch geleugnet werden, daß sie in unendlichen Mischungen und Wendungen in einander greifen und sich mehr oder weniger ähnlich werden. Der Geschichte stellen sich beide, das Märchen und die Sage, gegenüber, insofern sie das sinnlich natürliche und begreifliche stets mit dem unbegreiflichen mischen, welches jene, wie sie unserer Bildung angemessen scheint, nicht mehr in der Darstellung selbst verträgt, sondern es auf ihre eigene Weise[S. viii] in der Betrachtung des Ganzen neu hervorzusuchen und zu ehren weiß. Die Kinder glauben an die Wirklichkeit der Märchen, aber auch das Volk hat noch nicht ganz aufgehört, an seine Sagen zu glauben, und sein Verstand sondert nicht viel darin; sie werden ihm aus den angegebenen Unterlagen genug bewiesen, d. h. das unleugbar nahe und sichtliche Daseyn der letzteren überwiegt noch den Zweifel über das damit verknüpfte Wunder. Diese Eingenossenschaft der Sage ist folglich gerade ihr rechtes Zeichen. Daher auch von dem, was wirkliche Geschichte heißt, (und einmal hinter einen gewissen Kreis der Gegenwart und des von jedem Geschlecht durchlebten tritt,) dem Volk eigentlich nichts zugebracht werden kann, als was sich ihm auf dem Wege der Sage vermittelt; einer in Zeit und Raum zu entrückten Begebenheit, der dieses Erforderniß abgeht, bleibt es fremd oder läßt sie bald wieder fallen. Wie unverbrüchlich sehen wir es dagegen an seinen eingeerbten und hergebrachten Sagen haften, die ihm in rechter Ferne nachrücken und sich an alle seine vertrautesten Begriffe schließen. Niemals können sie ihm langweilig werden, weil sie ihm kein eiteles Spiel, das man einmal wieder fahren läßt, sondern[S. ix] eine Nothwendigkeit scheinen, die mit ins Haus gehört, sich von selbst versteht, und nicht anders, als mit einer gewissen, zu allen rechtschaffenen Dingen nöthigen Andacht, bei dem rechten Anlaß, zur Sprache kommt. Jene stete Bewegung und dabei immerfortige Sicherheit der Volkssagen stellt sich, wenn wir es deutlich erwägen, als eine der trostreichsten und erquickendsten Gaben Gottes dar. Um alles menschlichen Sinnen ungewöhnliche, was die Natur eines Landstrichs besitzt, oder wessen ihn die Geschichte gemahnt, sammelt sich ein Duft von Sage und Lied, wie sich die Ferne des Himmels blau anläßt und zarter, feiner Staub um Obst und Blumen setzt. Aus dem Zusammenleben und Zusammenwohnen mit Felsen, Seen, Trümmern, Bäumen, Pflanzen entspringt bald eine Art von Verbindung, die sich auf die Eigenthümlichkeit jedes dieser Gegenstände gründet, und zu gewissen Stunden ihre Wunder zu vernehmen berechtigt ist. Wie mächtig das dadurch entstehende Band sey, zeigt an natürlichen Menschen jenes herzzerreißende Heimweh. Ohne diese sie begleitende Poesie müßten edele Völker vertrauern und vergehen; Sprache, Sitte und Gewohnheit würde ihnen eitel und unbedeckt dünken, ja hinter[S. x] allem, was sie besäßen, eine gewisse Einfriedigung fehlen. Auf solche Weise verstehen wir das Wesen und die Tugend der deutschen Volkssage, welche Angst und Warnung vor dem Bösen und Freude an dem Guten mit gleichen Händen austheilt. Noch geht sie an Örter und Stellen, die unsere Geschichte längst nicht mehr erreichen kann, vielmal aber fließen sie beide zusammen und untereinander; nur daß man zuweilen die an sich untrennbar gewordene Sage, wie in Strömen das aufgenommene grünere Wasser eines anderen Flusses, noch lange zu erkennen vermag.

II. Treue der Sammlung.

Das erste, was wir bei Sammlung der Sagen nicht aus den Augen gelassen haben, ist Treue und Wahrheit. Als ein Hauptstück aller Geschichte hat man diese noch stets betrachtet; wir fodern sie aber eben so gut auch für die Poesie und erkennen sie in der wahren Poesie eben so rein. Die Lüge ist falsch und bös; was aus ihr herkommt, muß es auch seyn. In den Sagen und Liedern des Volks haben wir noch keine gefunden: es läßt ihren Inhalt, wie er ist und wie es ihn weiß; dawider, daß manches abfalle in der Länge der Zeit, wie einzelne Zweige und Äste an sonst gesunden Bäumen vertrocknen,[S. xi] hat sich die Natur auch hier durch ewige und von selbst wirkende Erneuerungen sicher gestellt. Den Grund und Gang eines Gedichts überhaupt kann keine Menschenhand erdichten; mit derselben fruchtlosen Kraft würde man Sprachen, und wären es kleine Wörtchen darin, ersinnen; ein Recht oder eine Sitte alsobald neu aufbringen, oder eine unwirkliche That in die Geschichte hinstellen wollen. Gedichtet kann daher nur werden, was der Dichter mit Wahrheit in seiner Seele empfunden und erlebt hat, und wozu ihm die Sprache halb bewußt, halb unbewußt, auch die Worte offenbaren wird; woran aber die einsam dichtenden Menschen leicht, ja fast immer verstoßen, nämlich an dem richtigen Maaß aller Dinge, das ist der Volksdichtung schon von selbst eingegeben. Ueberfeine Speisen widerstehen dem Volk, und für unpoetisch muß es gelten, weil es sich seiner stillen Poesie glücklicherweise gar nicht bewußt wird; die ungenügsamen Gebildeten haben dafür nicht blos die wirkliche Geschichte, sondern auch das gleich unverletzliche Gut der Sage mit Unwahrheiten zu vermengen, zu überfüllen und überbieten getrachtet. Dennoch ist der Reiz der unbeugsamen Wahrheit unendlich stärker und dauernder, als alle Gespinnste,[S. xii] weil er nirgends Blößen gibt und die rechte Kühnheit hat. In diesen Volkssagen steckt auch eine so rege Gewalt der Ueberraschung, vor welcher die überspannteste Kraft der aus sich blos schöpfenden Einbildung zuletzt immer zu Schanden wird und bei einer Vergleichung beider würde sich ein Unterschied dargeben, wie zwischen einer geradezu ersonnenen Pflanze und einer neu aufgefundenen wirklichen, bisher von den Naturforschern noch unbeobachteten, welche die seltsamsten Ränder, Blüten und Staubfäden gleich aus ihrem Innern zu rechtfertigen weiß oder in ihnen plötzlich etwas bestätiget, was schon in andern Gewächsen wahrgenommen worden ist. Ähnliche Vergleichungen bieten die einzelnen Sagen untereinander, so wie mit solchen, die uns alte Schriftsteller aufbewahrt haben, in Ueberfluß dar. Darum darf ihr Innerstes bis ins kleinste nicht verletzt und darum müssen Sache und Thatumstände lügenlos gesammelt werden. An die Worte war sich, so viel thunlich, zu halten, nicht an ihnen zu kleben.

III. Mannichfaltigkeit der Sammlung.

Das zweite, eigentlich schon im ersten mitbegriffene Hauptstück, worauf es bei einer Sammlung von Volkssagen anzukommen scheint, bestehet darin, daß man auch ihre Mannichfaltigkeit[S. xiii] und Eigenthümlichkeit sich recht gewähren lasse. Denn darauf eben beruhet ihre Tiefe und Breite, und daraus allein wird ihre Natur zu erforschen seyn. Im Epos, Volkslied und der ganzen Sprache zeigt sich das Gleiche wieder; bald haben jene den ganzen Satz miteinander gemein, bald einzelne Zeilen, Redensarten, Ausdrücke; bald hebt, bald schließt es anders und bahnt sich nur neue Mittel und Uebergänge. Die Ähnlichkeit mag noch so groß seyn, keins wird dem andern gleich; hier ist es voll und ausgewachsen, dort stehet es ärmer und dürftiger. Allein diese Armuth, weil sie schuldfrei, hat in der Besonderheit fast jedesmal ihre Vergütung und wird eine Armuthseligkeit. Sehen wir die Sprache näher an, so stuft sie sich ewig und unendlich in unermeßlichen Folgen und Reihen ab, indem sie uns ausgegangene neben fortblühenden Wurzeln, zusammengesetzte und vereinfachte Wörter und solche, die sich neu bestimmen oder irgend einem verwandten Sinn gemäß weiter ausweichen, zeigt; ja es kann diese Beweglichkeit bis in den Ton und Fall der Silben und die einzelnen Laute verfolgt werden. Welches unter dem Verschiedenen nun das Bessere sey und mehr zur Sache gehöre, das ist kaum zu sagen, wo nicht ganz unmöglich[S. xiv] und sündlich, sofern wir nicht vergessen wollen, daß der Grund, woraus sie alle zusammen entsprungen, die göttliche Quelle an Maas unerhört, an Ausstrahlung unendlich selber war. Und, weil das Sonnenlicht über Groß und Klein scheint, und jedem hilft, so weit es seyn soll, bestehen Stärke und Schwäche, Keime, Knospen, Trümmer und Verfall neben und durcheinander. Darum thut es nichts, daß man in unserm Buch Ähnlichkeiten und Wiederholungen finden wird; denn die Ansicht, daß das verschiedene Unvollständige aus einem Vollständigen sich aufgelöst, ist uns höchst verwerflich vorgekommen, weil jenes Vollkommene nichts irdisches seyn könnte, sondern Gott selber, in den alles zurückfließt, seyn müßte. Hätten wir also dieser ähnlichen Sagen nicht geschont, so wäre auch ihre Besonderheit und ihr Leben nicht zu retten gewesen. Noch viel weniger haben wir arme Sagen reich machen mögen, weder aus einer Zusammenfügung mehrerer kleinen, wobei zur Noth der Stoff geblieben, Zuschnitt und Färbung aber verloren gegangen wäre, noch gar durch unerlaubte, fremde Zuthaten, die mit nichts zu beschönigen sind und denen der unerforschliche Gedanke des Ganzen, aus dem jene Bruchstücke[S. xv] übrig waren, nothwendig fremd seyn mußte. Ein Lesebuch soll unsere Sammlung gar nicht werden, in dem Sinn, daß man alles, was sie enthält, hinter einander auszulesen hätte. Jedwede Sage stehet vielmehr geschlossen für sich da, und hat mit der vorausgehenden und nachfolgenden eigentlich nichts zu thun; wer sich darunter aussucht, wird sich schon begnügen und vergnügen. Uebrigens braucht, so sehr wir uns bemühten, alles lebendig verschiedene zu behüten, kaum erinnert zu werden, daß die bloße Ergänzung einer und derselben Sage aus mehrern Erzählungen, das heißt, die Beseitigung aller nichts bedeutenden Abweichungen, einem ziemlich untrüglichen critischen Gefühl, das sich von selbst einfindet, überlassen worden ist.

IV. Anordnung der Sammlung.

Auch bei Anordnung der einzelnen Sagen haben wir am liebsten der Spur der Natur folgen wollen, die nirgends steife und offenliegende Grenzen absteckt. In der Poesie gibt es nur einige allgemeine Abtheilungen, alle andern sind unrecht und zwängen, allein selbst jene großen haben noch ihre Berührung und greifen in einander über. Der Unterschied zwischen Geschichte, Sage und Märchen gehört nun offenbar zu den[S. xvi] erlaubten und nicht zu versäumenden; dennoch gibt es Puncte, wo nicht zu bestimmen ist, welches von dreien vorliege, wie z. B. Frau Holla in den Sagen und Märchen auftritt, oder sich ein sagenhafter Umstand auch einmal geschichtlich zugetragen haben kann. In den Sagen selbst ist nur noch ein Unterschied, nach dem eine äußerliche Sammlung zu fragen hätte, anerkannt worden; der nämlich, wonach wir die mehr geschichtlich gebundenen von den mehr örtlich gebundenen trennen und jene für den zweiten Theil des Werks zurücklegen. Die Ortssagen aber hätten wiederum nach den Gegenden, Zeiten oder dem Inhalt abgetheilt werden mögen. Eine örtliche Anordnung würde allerdings gewisse landschaftliche Sagen-Reihen gebildet und dadurch hin und wieder auf den Zug, den manche Art Sagen genommen, gewiesen haben. Allein es ist klar, daß man sich dabey am wenigsten an die heutigen Theilungen Deutschlands, denen zufolge z. B. Meissen: Sachsen, ein großer Theil des wahren Sachsens aber Hannover genannt, im kleinen, einzelnen noch viel mehr untereinander gemengt wird, hätte halten dürfen. War also eine andere Eintheilung, nicht nach Gebirgen und Flüssen, sondern nach der eigentlichen Richtung und[S. xvii] Lage der deutschen Völkerstämme, unbekümmert um unsere politischen Grenzen, aufzustellen; so ist hierzu so wenig Sicheres und Gutes vorgearbeitet, daß gerade eine sorgsamere Prüfung der aus gleichem Grund verschmähten und versäumten Mundarten und Sagen des Volks erst muß dazu den Weg bahnen helfen. Was folglich aus der Untersuchung derselben künftig einmal mitherausgehen dürfte, kann vorläufig jetzo noch gar nicht ihre Einrichtung bestimmen. Ferner, im allgemeinen einigen Sagen vor den andern höheres Alter zuzuschreiben, möchte großen Schwierigkeiten unterworfen und meistens nur ein mißverständlicher Ausdruck seyn, weil sie sich unaufhörlich wiedergebären. Die Zwerg- und Hühnensagen haben einen gewissen heidnischen Anstrich voraus, aber in den so häufigen von den Teufelsbauten brauchte man blos das Wort Teufel mit Thurst oder Riese zu tauschen, oder ein andermal bei dem Weibernamen Jette sich nur der alten Jöten (Hühnen) gleich zu erinnern, um auch solchen Erzählungen ein Ansehen zu leihen, das also noch in andern Dingen außer den Namen liegt. Die Sagen von Hexen und Gespenstern könnte man in sofern die neusten nennen, als sie sich am öftersten erneuern, auch[S. xviii] örtlich betrachtet am lockersten stehen; inzwischen sind sie im Grund vielmehr nur die unvertilglichsten, wegen ihrer stetigen Beziehung auf den Menschen und seine Handlungen, worin aber kein Beweis ihrer Neuheit liegt. Es bewiese lediglich, daß sie auch alle andere überdauern werden, weil die abergläubische Neigung unseres Gemüths mehr Gutes und Böses von Hexen und Zauberern erwartet, als von Zwergen und Riesen; weshalb merkwürdigerweise gerade jene Sagen sich beinahe allein noch aus dem Volk Eingang unter die Gebildeten machen. Diese Beispiele zeigen hinlänglich, wie unthunlich es gewesen wäre, nach dergleichen Rücksichten einzelne Sagen chronologisch zu ordnen, zudem fast in jeder die verschiedensten Elemente lebendig in einander verwachsen sind, welche demnächst erst eine fortschreitende Untersuchung, die nicht einmal bei der Scheidung einzelner Sagen stehen bleiben darf, sondern selbst aus diesen wiederum Kleineres heraussuchen muß, in das wahre Licht setzen könnte. Letzterer Grund entscheidet endlich auch ganz gegen eine Anordnung nach dem Inhalt, indem man z. B. alle Zwergsagen oder die von versunkenen Gegenden u. s. w. unter eigene Abschnitte faßte. Offenbar würden blos die wenigsten[S. xix] einen einzigen dieser Gegenstände befassen, da vielmehr in jeder mannichfaltige Verwandtschaften und Berührungen mit andern anschlagen. Daher uns bei weitem diejenige Anreihung der Sagen am natürlichsten und vortheilhaftesten geschienen hat, welche, überall mit nöthiger Freiheit und ohne viel herumzusuchen, unvermerkt auf einige solcher geheim und seltsam waltenden Uebergänge führt. Dieses ist auch der nothwendig noch überall lückenhaften Beschaffenheit der Sammlung angemessen. Häufig wird man also in der folgenden eine deutliche oder leise Anspielung auf die vorhergehende Sage finden; äußerlich ähnliche stehen oft beisammen, oft hören sie auf, um bei verschiedenem Anlaß anderswo im Buch von neuem anzuheben. Unbedenklich hätten also noch viele andere Ordnungen derselben Erzählungen, die wir hier mittheilen, in sofern man weitere Beziehungen berücksichtigen wollte, versucht werden können, alle aber würden doch nur geringe Beispiele der unerschöpflichen Triebe geben, nach denen sich Sage aus Sage und Zug aus Zug in dem Wachsthum der Natur gestaltet.

[S. xx]

V. Erklärende Anmerkungen.

Einen Anhang von Anmerkungen, wie wir zu den beiden Bänden der Kinder- und Hausmärchen geliefert, haben wir dieses mal völlig weggelassen, weil uns der Raum zu sehr beschränkt hätte und erst durch die äußere Beendigung unserer Sammlung eine Menge von Beziehungen bequem und erleichtert werden wird. Eine vollständige Abhandlung der deutschen Sagenpoesie, so viel sie in unsern Kräften steht, bleibt also einer eigenen Schrift vorbehalten, worin wir umfassende Uebersichten des Ganzen nicht blos in jenen dreien Eintheilungen nach Ort, Zeit und Inhalt, sondern noch in anderen versuchen wollen.

VI. Quellen der Sammlung.

Diese Sammlung hatten wir nun schon vor etwa zehn Jahren angelegt, (man sehe Zeitung für Einsiedler oder Trösteinsamkeit. Heidelberg 1808. Nr. 19 u. 20.) seitdem unablässig gesorgt, um für sie sowohl schriftliche Quellen in manchen allmälig selten werdenden Büchern des 16. und 17. J.H. fleißig zu nutzen und auszuziehen, als auch vor allen Dingen mündliche, lebendige Erzählungen zu erlangen. Unter den geschriebenen Quellen waren uns die Arbeiten des Johannes Prätorius weit die bedeutendsten. Er schrieb[S. xxi] in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und verband mit geschmackloser aber scharfsichtiger Gelehrsamkeit Sinn für Sage und Aberglauben, der ihn antrieb, beide unmittelbar aus dem bürgerlichen Leben selbst zu schöpfen und ohne welchen, was er gewiß nicht ahnte, seine zahlreichen Schriften der Nachwelt unwerth und unfruchtbar scheinen würden. Ihm dankt sie zumal die Kenntniß und Beziehung mannichfacher Sagen, welche den Lauf der Saale entlang und an den Ufern der Elbe, bis wo sich jene in diese ausmündet, im Magdeburgischen und in der Altmark bei dem Volke gehn.

Den Prätorius haben spätere, oft ohne ihn zu nennen, ausgeschrieben, selten durch eigene mündliche Zusammlung sich ein gleiches Verdienst zu erwerben gewußt. In den langen Zeitraum zwischen ihm und der Otmarischen Sammlung (1800) fällt kein einzig Buch von Belang für deutsche Sagen, abgesehn von bloßen Einzelnheiten. Indessen hatten kurz davor Musäus und Frau Naubert in ihren Verarbeitungen einiger ächten Grundsagen aus Schriften, so wie theilweise aus mündlicher Ueberlieferung, die Neigung darauf hingezogen, wenigstens hingewiesen. In Absicht auf Treue und Frische verdient Otmar’s[S. xxii] Sammlung der Harzsagen so viel Lob, daß dieses den Tadel der hin und wieder aufgesetzten unnöthigen Bräme und Stilverzierung zudeckt. Viele sind aber auch selbst den Worten nach untadelhaft und man darf ihnen trauen. Seitdem hat sich die Sache zwar immer mehr geregt und ist auch zuweilen wirklich gefördert, im Ganzen jedoch nichts Bedeutendes gesammelt worden, außer ganz neuerlich (1815.) ein Dutzend Schweizersagen von Wyß. Ihr Herausgeber hat sie geschickt und gewandt in größere Gedichte versponnen; wir erkennen neben dem Talent, was er darin bewiesen, doch eine Trübung trefflicher einfacher Poesie, die keines Behelfs bedarf und welche wir unserm Sinn gemäß aus der Einkleidung wieder in die nackende Wahrheit einzulösen getrachtet haben, darin auch durch die zugefügt gewesenen Anmerkungen besonders erleichtert waren. Dieses, so wie daß wir aus der Otmarischen Sammlung etwa eben so viel, oder einige mehr aufgenommen, war für unsern Zweck und den uns seinethalben vorschwebenden Grad von Vollständigkeit unentbehrlich; theils hatten wir manche noch aus anderen Quellen zu vergleichen, zu berichtigen und in den einfachen Stil zurückzuführen. Es sind außerdem noch zwei andere neue[S. xxiii] Sammlungen deutscher Volkssagen anzuführen, von Büsching (1812.) und Gottschalk (1814.), deren die erste sich auch auf auswärtige Sagen, sodann einheimische Märchen, Legenden und Lieder, selbst Vermuthungen über Sagen, wie Spangenbergs, mit erstreckt, also ein sehr ausgedehntes, unbestimmtes Feld hat. Beide zusammen verdanken mündlicher Quelle nicht über zwölf bisher ungekannte deutsche Sagen, welche wir indessen aufgenommen haben würden, wenn nicht jede dieser Sammlungen selbst noch im Gang wäre und eigene Fortsetzungen versprochen hätte. Wir haben ihnen also nichts davon angerührt, übrigens, wo wir dieselben schriftlichen Sagen längst schon aus denselben oder verschiedenen Quellen ausgeschrieben hatten, unsre Auszüge darum nicht hintanlegen wollen; denn nach aufrichtiger Ueberlegung fanden wir, daß wir umsichtiger und reiflicher gesammelt hatten. Beide geben auch vermischt mit den örtlichen Sagen die geschichtlichen, deren wir mehrere Hunderte für den nächsten Theil aufbehalten. Wir denken keine fremde Arbeit zu irren oder zu stören, sondern wünschen ihnen glücklichen Fortgang, der gottschalkischen insbesondere mehr Critik zur Ausscheidung des Verblümten und der Falschmünze. Die[S. xxiv] dobeneckische Abhandlung endlich von dem Volksglauben des Mittelalters (1815.) breitet sich theils über ganz Europa, theils schränkt sie sich wieder auf das sogenannt Abergläubische und sonst in anderer Absicht zu ihrem Schaden ein; man kann sagen: sie ist eine mehr sinnvolle als reife, durchgearbeitete Ansicht der Volkspoesie und eigentlich Sammlung blos nebenbei, weshalb wir auch einige Auszüge aus Prätorius, wo wir zusammentrafen, nicht ausgelassen haben; sie wird inzwischen dem Studium dieser Dichtungen zur Erregung und Empfehlung gereichen. Ausdrücklich ist hier noch zu bemerken, daß wir vorsätzlich die vielfachen Sagen von Rübezahl, die sich füglich zu einer besonderen Sammlung eignen, so wie mehrere Rheinsagen auf die erhaltene Nachricht: Voigt wolle solche zu Frankfurt in diesem Jahr erscheinen lassen, zurücklegen.

VII. Zweck und Wunsch.

Wir empfehlen unser Buch den Liebhabern deutscher Poesie, Geschichte und Sprache, und hoffen, es werde ihnen allen, schon als lautere deutsche Kost, willkommen seyn, im festen Glauben, daß nichts mehr auferbaue und größere Freude bei sich habe, als das Vaterländische. Ja, eine bedeutungslos sich anlassende Entdeckung[S. xxv] und Bemühung in unserer einheimischen Wissenschaft kann leicht am Ende mehr Frucht bringen, als die blendendste Bekanntwerdung und Anbauung des Fremden, weil alles Eingebrachte zugleich auch doch etwas Unsicheres an sich trägt, sich gern versteigt und nicht so warm zu umfassen ist. Es schien uns nunmehr Zeit hervorzutreten und unsere Sammlung zu dem Grad von Vollständigkeit und Mannichfaltigkeit gediehen zu seyn, der ihre unvermeidlichen Mängel hinreichend entschuldigen könne und in unsern Lesern das Vertrauen erwecke, daß und in wiefern wir ihre Beihilfe zur Vervollkommnung des Werkes brauchen und nicht mißbrauchen werden. Aller Anfang ist schwer, wir fühlen, daß uns eine große Menge von deutschen Sagen gänzlich fehlt, und daß ein Theil der hier gegebenen genauer und besser noch aus dem Mund des Volks zu gewinnen ist; manches in Reisebeschreibungen des vorigen Jahrhunderts zerstreute mag gleichfalls mangeln. Die Erfahrung beweist, daß auf Briefe und Schreiben um zu sammelnde Beiträge wenig oder nichts erfolge, bevor durch ein Muster von Sammlung selbst deutlich geworden seyn kann, auf welche verachtete und scheinlose Dinge es hierbei ankommt. Aber das Geschäft des Sammelns,[S. xxvi] sobald es einer ernstlich thun will, verlohnt sich bald der Mühe und das Finden reicht noch am nächsten an jene unschuldige Lust der Kindheit, wann sie in Moos und Gebüsch ein brütendes Vöglein auf seinem Nest überrascht; es ist auch hier bei den Sagen ein leises Aufheben der Blätter und behutsames Wegbiegen der Zweige, um das Volk nicht zu stören und um verstohlen in die seltsam, aber bescheiden in sich geschmiegte, nach Laub, Wiesengras und frischgefallenem Regen riechende Natur blicken zu können. Für jede Mittheilung in diesem Sinn werden wir dankbar seyn und danken hiermit öffentlich unserm Bruder Ferdinand Grimm und unsern Freunden August von Haxthausen und Carove, daß sie uns schon fleißig unterstützt haben. Cassel, am 14. März 1816.

[S. xxvii]

Inhalt.

1.
Die drei Bergleute im Kuttenberg
2.
Der Berg-Geist
3.
Der Berg-Mönch im Harz
4.
Frau Hollen-Teich
5.
Frau Holla zieht umher
6.
Frau Hollen Bad
7.
Frau Holla und der treue Eckart
8.
Frau Holla und der Bauer
9.
Die Springwurzel
10.
Fräulein von Boyneburg
11.
Der Pielberg
12.
Die Schloß-Jungfrau
13.
Die Schlangen-Jungfrau
14.
Das schwere Kind
15.
Der Weinkeller bei Salurn
16.
Das Hünen-Spiel
17.
Das Riesen-Spielzeug
18.
Riese Einheer
19.
Riesen-Säulen
20.
Der Köterberg
21.
Geroldseck
22.
Kaiser Karl zu Nürnberg
23.
Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser
24.
Der Birnbaum auf dem Walserfeld
25.
Der verzauberte König zu Schildheiß
26.
Kaiser Carl V. Auszug
27.
Der Unterberg
28.
Kaiser Karl im Unterberg
29.
Der Scherfenberger und der Zwerg
30.
Das stille Volk zu Plesse
31.
Des kleinen Volks Hochzeit-Fest
[S. xxviii]
32.
Steinverwandelte Zwerge
33.
Zwerg-Berge
34.
Zwerge leihen Brot
35.
Der Graf von Hoia
36.
Zwerge ausgetrieben
37.
Die Wichtlein
38.
Beschwörung der Bergmännlein
39.
Die Bergmännlein beim Tanz
40.
Das Keller-Männlein
41.
Die Ahnfrau von Ranzau
42.
Herrmann von Rosenberg
43.
Die osenberger Zwerge
44.
Das Erdmännlein und der Schäferjung
45.
Der einkehrende Zwerg
46.
Zeitelmoos
47.
Das Moosweibchen
48.
Der wilde Jäger jagt die Moosleute
49.
Der Wassermann
50.
Die wilden Frauen im Unterberge
51.
Tanz mit dem Wassermann
52.
Der Wassermann und der Bauer
53.
Der Wassermann aus der Fleischerbank
54.
Der Schwimmer
55.
Bruder Nickel
56.
Nixen-Brunnen
57.
Magdeburger Nixenn
58.
Der Dönges-See
59.
Mummel-See
60.
Die Elbjungfer und das Saalweiblein
61.
Wasser-Recht
62.
Das ertrunkene Kind
63.
Schlitz-Oehrchen
64.
Die Wasser-Nixe und der Mühlknappe
65.
Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant
66.
Des Nixes Beine
67.
Die Magd bei dem Nix
68.
Die Frau von Alvensleben
[S. xxix]
69.
Die Frau von Hahn und der Nix
70.
Das Streichmaaß, der Ring und Becher
71.
Der Kobold
72.
Der Bauer mit seinem Kobold
73.
Der Kobold in der Mühle
74.
Hütchen
75.
Hinzelmann
76.
Klopfer
77.
Stiefel
78.
Ekerken
79.
Nacht-Geist zu Kendenich
80.
Der Alp
81.
Der Wechselbalg
82.
Die Wechselbälge im Wasser
83.
Der Alraun
84.
Spiritus familiaris
85.
Das Vogelnest
86.
Der Brutpfennig
87.
Wechselkind mit Ruthen gestrichen
88.
Schauen auf Kinder
89.
Die Roggen-Muhme
90.
Die zwei unterirdischen Weiber
91.
König Grünewald
92.
Blümelis-Alp
93.
Die Lilie
94.
Johann von Passau
95.
Das Hündlein von Bretta
96.
Das Dorf am Meer
97.
Die verschütteten Silbergruben
98.
Der Fundgrübner
99.
Ein gespenstiger Reuter
100.
Der falsche Eid
101.
Zwölf ungerechte Richter
102.
Die heiligen Quellen
103.
Der quillende Brunnen
104.
Hunger-Quelle
105.
Der Lieben-Bach
[S. xxx]
106.
Der Helfenstein
107.
Die Wiege aus dem Bäumchen
108.
Hessenthal
109.
Reinstein
110.
Der stillstehende Fluß
111.
Arendsee
112.
Der Ochsenberg
113.
Die Moor-Jungfern
114.
Andreas-Nacht
115.
Der Liebhaber zum Essen eingeladen
116.
Die Christnacht
117.
Das Hemdabwerfen
118.
Krystall-Schauen
119.
Zauber-Kräuter kochen
120.
Der Salzknecht in Pommern
121.
Jungfer Eli
122.
Die weiße Frau
123.
Taube zeigt einen Schatz
124.
Taube hält den Feind ab
125.
Der Glockenguß zu Breslau
126.
Der Glockenguß zu Attendorn
127.
Die Müllerin
128.
Johann Hübner
129.
Eppela Gaila
130.
Der Blumenstein
131.
Seeburger See
132.
Der Burgsee und Burgwall
133.
Der heil. Niclas und der Dieb
134.
Riesensteine
135.
Spuren im Steine
136.
Der Riesen-Finger
137.
Riesen aus dem Unterberge
138.
Der Jetten-Bühel zu Heidelberg
139.
Riese Haym
140.
Die tropfende Rippe
141.
Jungfrau-Sprung
142.
Der Stierenbach
[S. xxxi]
143.
Die Männer im Zottenberg
144.
Verkündigung des Verderbens
145.
Das Männlein auf dem Rücken
146.
Gottschee
147.
Die Zwerge auf dem Baum
148.
Die Zwerge auf dem Felsstein
149.
Die Füße der Zwerge
150.
Die wilden Geister
151.
Die Heilingszwerge
152.
Abzug des Zwergvolks über die Brücke
153.
Der Zug der Zwerge über den Berg
154.
Die Zwerge bei Dardesheim
155.
Schmidt Riechert
156.
Grinken-Schmidt
157.
Die Hirtenjungen
158.
Die Nußkerne
159.
Der soester Schatz
160.
Das quellende Silber
161.
Goldsand auf dem Unterberg
162.
Goldkohlen
163.
Der Brunnen zu Steinau
164.
Die fünf Kreuze
165.
Der Schwerttanz zu Weissenstein
166.
Der Steintisch zu Bingenheim
167.
Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof
168.
Krieg und Frieden
169.
Rodensteins Auszug
170.
Der Tannhäuser
171.
Der wilde Jäger Hackelberg
172.
Der wilde Jäger und der Schneider
173.
Der Hoselberg
174.
Des Rechenbergers Knecht
175.
Geister-Kirche
176.
Geister-Mahl
177.
Der Dachdecker
178.
Die Spinnerin am Creuz
179.
Buttermilchthurm
[S. xxxii]
180.
Der heilige Wanfried
181.
Der Hülfenberg
182.
Das Teufelsloch zu Goslar
183.
Die Teufelsmühle
184.
Der Herrgottstritt
185.
Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt
186.
Der Wolf und der Tannenzapf
187.
Der Teufel von Ach
188.
Die Teufelsmauer
189.
Des Teufels Tanzplatz
190.
Die Teufelskanzel
191.
Das Teufelsohrkissen
192.
Der Teufelsfelsen
193.
Teufelsmauer
194.
Teufelsgitter
195.
Teufelsmühle
196.
Teufelskirche
197.
Teufelsstein bei Reichenbach
198.
Teufelsstein bei Cöln
199.
Süntelstein zu Osnabrück
200.
Der Lügenstein
201.
Die Felsenbrücke
202.
Das Teufelsbad bei Dassel
203.
Der Thurm zu Schartfeld
204.
Der Dom zu Cöln
205.
Des Teufels Hut
206.
Des Teufels Brand
207.
Die Teufels-Hufeisen
208.
Der Teufel führt die Braut fort
209.
Das Glücksrad
210.
Der Teufel als Fürsprecher
211.
Traum vom Schatz auf der Brücke
212.
Der Kessel mit dem Schatz
213.
Der Wärwolf
214.
Der Wärwolf-Stein
215.
Die Wärwölfe ziehen aus
216.
Der Drache fährt aus
[S. xxxiii]
217.
Winkelried und der Lindwurm
218.
Der Lindwurm am Brunnen
219.
Das Drachenloch
220.
Schlangenkönigin
221.
Die Jungfrau im Oselberg
222.
Der Krötenstuhl
223.
Die Wiesenjungfrau
224.
Das Niesen im Wasser
225.
Die arme Seele
226.
Die verfluchte Jungfer
227.
Das Fräulein vom Staufenberg
228.
Der Jungferstein
229.
Das steinerne Brautbett
230.
Zum Stehen verwünscht
231.
Die Bauern zu Kolbeck
232.
Der heilige Sonntag
233.
Frau Hutt
234.
Der Kindelsberg
235.
Die Semmel-Schuhe
236.
Der Erdfall bei Hochstädt
237.
Die Brot-Schuhe
238.
Das taube Korn
239.
Der Frauensand
240.
Brot zu Stein geworden
241.
Der Binger Mäusethurm
242.
Das Bubenried
243.
Kindelbrück
244.
Die Kinder zu Hameln
245.
Der Rattenfänger
246.
Der Schlangenfänger
247.
Das Mäuselein
248.
Der ausgehende Rauch
249.
Die Katze aus dem Weidenbaum
250.
Wetter und Hagel machen
251.
Der Hexen-Tanz
252.
Die Weinreben und Nasen
253.
Fest hängen
[S. xxxiv]
254.
Das Noth-Hemd
255.
Fest gemacht
256.
Der sichere Schuß
257.
Der herumziehende Jäger
258.
Doppelte Gestalt
259.
Gespenst als Eheweib
260.
Tod des Erstgebornen
261.
Der Knabe zu Colmar
262.
Tod des Domherrn zu Merseburg
263.
Die Lilie im Kloster zu Corvei
264.
Rebundus im Dom zu Lübeck
265.
Glocke läutet von selbst
266.
Todes-Gespenst
267.
Frau Berta oder die weiße Frau
268.
Die wilde Berta kommt
269.
Der Türst, das Posterli und die Sträggele
270.
Der Nachtjäger und die Rüttelweiber
271.
Der Mann mit dem Schlackhut
272.
Der graue Hockelmann
273.
Chimmeke in Pommern
274.
Der Krischer
275.
Die überschiffenden Mönche
276.
Der Irrwisch
277.
Der feurige Wagen
278.
Der Räderberg
279.
Die Lichter auf Hellebarden
280.
Das Wafeln
281.
Weberndes Flammen-Schloß
282.
Der Feuerberg
283.
Der feurige Mann
284.
Die verwünschten Landmesser
285.
Der verrückte Gränzstein
286.
Der Gränzstreit
287.
Der Gränzlauf
288.
Die Alpschlacht
289.
Der Stein bei Wenthusen
290.
Die altenberger Kirche
[S. xxxv]
291.
Der König im lauenburger Berg
292.
Der Schwanberg
293.
Der Robbedisser Brunnen
294.
Bamberger Wage
295.
Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern
296.
Der Hirt auf dem Kiffhäuser
297.
Die drei Telle
298.
Das Bergmännchen
299.
Die Zirbelnüsse
300.
Das Paradies der Thiere
301.
Der Gemsjäger
302.
Die Zwerglöcher
303.
Der Zwerg und die Wunderblume
304.
Der Nix an der Kelle
305.
Schwarzach
306.
Die drei Jungfern aus dem See
307.
Der todte Bräutigam
308.
Der ewige Jäger
309.
Hans Jagenteufel
310.
Des Hackelnberg Traum
311.
Die Tut-Osel
312.
Die schwarzen Reuter und das Handpferd
313.
Der getreu Eckhart
314.
Das Fräulein vom Willberg
315.
Der Schäfer und der Alte aus dem Berg
316.
Jungfrau Ilse
317.
Die Heiden-Jungfrau zu Glatz
318.
Der Roßtrapp und der Cretpfuhl
319.
Der Mägdesprung
320.
Der Jungfernsprung
321.
Der Harrassprung
322.
Der Riese Hidde
323.
Das ilefelder Nadelöhr
324.
Die Riesen zu Lichtenberg
325.
Das Hühnenblut
326.
Es rauscht im Hühnen-Grab
327.
Todte aus den Gräbern wehren dem Feind
[S. xxxvi]
328.
Hans Heilings Felsen
329.
Die Jungfrau mit dem Bart
330.
Die weiße Jungfrau zu Schwanau
331.
Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See
332.
Der Krämer und die Maus
333.
Die drei Schatzgräber
334.
Einladung vor Gottes Gericht
335.
Gäste vom Galgen
336.
Teufels-Brücke
337.
Die zwölf Johanneße
338.
Teufels-Graben
339.
Der Kreuzliberg
340.
Die Pferde aus dem Bodenloch
341.
Zusammenkunft der Todten
342.
Das weissagende Vöglein
343.
Der ewige Jud auf dem Matterhorn
344.
Der Kessel mit Butter
345.
Trauer-Weide
346.
Das Christus-Bild zu Wittenberg
347.
Das Muttergottes-Bild am Felsen
348.
Gnadenbild aus dem Lerchenstock zu Waldrast
349.
Ochsen zeigen die heilige Stätte
350.
Notburga
351.
Mauerkalk mit Wein gelöscht
352.
Der Judenstein
353.
Das von den Juden getödtete Mägdlein
354.
Die vier Hufeisen
355.
Der Altar zu Seefeld
356.
Der Sterbensstein
357.
Sündliche Liebe
358.
Der schweidnitzer Rathsmann
359.
Regenbogen über Verurtheilten
360.
Gott weint mit dem Unschuldigen
361.
Gottes Speise
362.
Die drei Alten

[S. 1]

1.
Die drei Bergleute im Kuttenberg.

Mündlich in Hessen.

In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute lange Jahre und verdienten damit für Frau und Kind das Brot ehrlich. Wann sie Morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr Gebätbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Öhl versehen, drittens ihr Bischen Brot, das reichte auch nur auf einen Tag. Ehe sie die Arbeit anhuben, thaten sie ihr Gebät zu Gott, daß er sie in dem Berge bewahren mögte und darnach fingen sie getrost und fleißig an zu arbeiten. Es trug sich zu, als sie einen Tag gearbeitet hatten und es bald Abend war, daß der Berg vornen einfiel und der Eingang verschüttet wurde. Da meinten sie begraben zu seyn und sprachen: “ach Gott! wir armen Bergleute, wir müssen nun Hungers sterben! wir haben nur einen Tag Brot zu essen und einen Tag Öhl auf dem Licht!” Nun befahlen sie sich Gott und dachten bald zu sterben, doch wollten sie nicht müßig seyn, so lange sie noch Kräfte hätten, arbeiteten fort und fort und bäteten. Also geschah es, daß ihr Licht sieben Jahr brennte und ihr kleines Bischen Brot, von dem sie tagtäglich[S. 2] aßen, ward auch nicht all, sondern blieb eben so groß und sie meinten, die sieben Jahre wären nur ein Tag. Doch da sie sich nicht ihr Haar schneiden und den Bart abnehmen konnten, waren diese ellen-lang gewachsen. Die Weiber hielten unterdessen ihre Männer für todt, meinten sie würden sie nimmermehr wiedersehen und dachten daran, andere zu heirathen.

Nun geschah es, daß einer von den dreien unter der Erde, so recht aus Herzensgrund, wünschte: “ach! könnt ich noch einmal das Tageslicht sehen, so wollt’ ich gerne sterben!” Der Zweite sprach: “ach! könnt ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tische sitzen und essen, so wollt’ ich gerne sterben!” Da sprach auch der Dritte: “ach! könnt ich nur noch ein Jahr friedlich und vergnügt mit meiner Frau leben, so wollt’ ich gerne sterben!” Wie sie das gesprochen hatten, so krachte der Berg gewaltig und übermächtig und sprang von einander, da ging der erste hin zu dem Ritz und schaute hinauf und sah den blauen Himmel, und wie er sich am Tageslicht gefreut, sank er augenblicklich todt nieder. Der Berg aber that sich immer mehr von einander, also daß der Riß größer ward, da arbeiteten die beiden andern fort, hackten sich Treppen, krochen hinauf und kamen endlich heraus. Sie gingen nun fort in ihr Dorf und in ihre Häuser und suchten ihre Weiber, aber die wollten sie nicht mehr kennen. Sie sprachen: “habt ihr denn keine Männer gehabt?” “Ja, antworteten jene, aber die sind schon sieben Jahre todt und liegen im Kuttenberg[S. 3] begraben!” Der Zweite sprach zu seiner Frau: “ich bin dein Mann,” aber sie wollt’ es nicht glauben, weil er den ellenlangen Bart hatte und ganz unkenntlich war. Da sagte er: “hol mir das Bartmesser, das oben in dem Wandschrank liegen wird und ein Stückchen Seife dazu.” Nun nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich, und als er fertig war, sah sie, daß es ihr Mann war. Sie freute sich herzlich, holte Essen und Trinken so gut sie es hatte, deckte den Tisch und sie setzten sich zusammen hin und aßen vergnügt mit einander. Wie aber der Mann satt war und eben den letzten Bissen Brot gegessen hatte, da fiel er um und war todt. Der dritte Bergmann wohnte ein ganzes Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammen, als es herum war, zu derselben Stunde aber, wo er aus dem Berg gekommen war, fiel er und seine Frau mit ihm todt hin. Also hatte Gott ihre Wünsche ihrer Frömmigkeit wegen erfüllt.

2.
Der Berg-Geist.

Prätor Weltbeschreibung I. 110. 127. 128.
Bräuner’s Curiosit. 203. 206.
G. Agricola de animalib. subterr.
Mündliche Erzählung.

Der Berg-Geist, Meister Hämmerling, gemeiniglich Berg-Mönch genannt, zeigt sich zuweilen[S. 4] in der Tiefe, gewöhnlich als ein Riese in einer schwarzen Mönchs-Kutte. In einem Bergwerk der Graubündner Alpen erschien er oft und war besonders am Freitage geschäfftig, das ausgegrabene Erz aus einem Eimer in den andern zu schütten; der Eigenthümer des Bergwerks durfte sich das nicht verdrießen lassen, wurde aber auch niemals von ihm beleidigt. Dagegen als einmal ein Arbeiter, zornig über dies vergebliche Handthieren, den Geist schalt und verfluchte, faßte ihn dieser mit so großer Gewalt, daß er zwar nicht starb, aber das Antlitz sich ihm umkehrte. Im Annaberg, in der Höhle, welche der Rosenkranz heißt, hat er zwölf Bergleute, während der Arbeit, angehaucht, wovon sie todt liegen geblieben sind, und die Grube ist, obgleich silberreich, nicht ferner angebaut worden. Hier hat er sich in Gestalt eines Rosses mit langem Hals gezeigt, furchtbar blickende Augen auf der Stirne. Zu Schneeberg ist er aber als ein schwarzer Mönch in der St. Georgen-Grube erschienen und hat einen Bergknappen ergriffen, von der Erde aufgehoben und oben in die Grube, die vorzeiten gar silberreich war, so hart niedergesetzt, daß ihm seine Glieder verletzt waren. Am Harz hat er einmal einen bösen Steiger, der die Bergleute quälte, bestraft. Denn als dieser zu Tage fuhr stellte er sich, ihm unsichtbar, über die Grube und als er empor kam, drückte ihm der Geist mit den Knien den Kopf zusammen.

[S. 5]

3.
Der Berg-Mönch im Harz.

Mündlich, am Harz.

Zwei Bergleute arbeiteten immer gemeinschaftlich. Einmal als sie anfuhren und vor Ort kamen, sahen sie an ihrem Geleucht, daß sie nicht genug Öhl zu einer Schicht auf den Lampen hatten. “Was fangen wir da an?” sprachen sie mit einander, “geht uns das Öhl aus, so daß wir im Dunkeln sollen zu Tag fahren, sind wir gewiß unglücklich, da der Schacht schon gefährlich ist. Fahren wir aber jetzt gleich aus, um von Haus Öhl zu holen, so straft uns der Steiger und das mit Lust, denn er ist uns nicht gut.” Wie sie also besorgt standen, sahen sie ganz fern in der Strecke ein Licht, das ihnen entgegen kam. Anfangs freuten sie sich, als es aber näher kam, erschraken sie gewaltig, denn ein ungeheurer, riesen-großer, Mann ging, ganz gebückt, in der Strecke herauf. Er hatte eine große Kappe auf dem Kopf und war auch sonst wie ein Mönch angethan, in der Hand aber trug er ein mächtiges Gruben-Licht. Als er bis zu den beiden, die in Angst da still standen, geschritten war, richtete er sich auf und sprach: “Fürchtet euch nicht, ich will euch kein Leids anthun, vielmehr Gutes”, nahm ihr Geleucht und schüttete Öhl von seiner Lampe darauf. Dann aber griff er ihr Gezäh und arbeitete ihnen in einer Stunde mehr, als sie selbst in der ganzen Woche[S. 6] bei allem Fleiß herausgearbeitet hätten. Nun sprach er: “sagts keinem Menschen je, daß ihr mich gesehen habt” und schlug zuletzt mit der Faust links an die Seitenwand; sie that sich aus einander und die Bergleute erblickten eine lange Strecke, ganz von Gold und Silber schimmernd. Und weil der unerwartete Glanz ihre Augen blendete, so wendeten sie sich ab, als sie aber wieder hinschauten, war alles verschwunden. Hätten sie ihre Bilhacke (Hacke mit einem Beil) oder sonst irgend nur einen Theil ihres Gezähs hineingeworfen, wäre die Strecke offen geblieben und ihnen viel Reichthum und Ehre zugekommen; aber so war es vorbei, wie sie die Augen davon abgewendet.

Doch blieb ihnen auf ihrem Geleucht das Öhl des Berg-Geistes, das nicht abnahm und darum noch immer ein großer Vortheil war. Aber nach Jahren, als sie einmal am Sonnabend mit ihren guten Freunden im Wirthshaus zechten und sich lustig machten, erzählten sie die ganze Geschichte, und Mondtags Morgen, als sie anfuhren, war kein Öhl mehr auf der Lampe und sie mußten nun jedesmal wieder, wie die andern, frisch aufschütten.

4.
Frau Hollen Teich.

Schaub Beschr. des Meißners. Cassel 1799. 8. p. 12-14.
Münchhausen Abh. über den Meißner in Hinsicht auf myth. Alterthum. Hess. Denkwürdigk. II. 161-202.

Auf dem Hessischen Gebirg Meißner weisen mancherlei Dinge schon mit ihren bloßen Namen das Alterthum[S. 7] aus, wie die Teufelslöcher, der Schlachtrasen, und sonderlich der Frau Hollenteich. Dieser an der Ecke einer Moorwiese gelegen hat gegenwärtig nur 40-50 Fuß Durchmesser; die ganze Wiese ist mit einem halb untergegangenem Steindamm eingefaßt und nicht selten sind auf ihr Pferde versunken.

Von dieser Holle erzählt das Volk vielerlei, gutes und böses. Weiber, die zu ihr in den Brunnen steigen, macht sie gesund und fruchtbar; die neugebornen Kinder stammen aus ihrem Brunnen und sie trägt sie daraus hervor. Blumen, Obst, Kuchen, das sie unten im Teiche hat und was in ihrem unvergleichlichen Garten wächst, theilt sie denen aus, die ihr begegnen und zu gefallen wissen. Sie ist sehr ordentlich und hält auf guten Haushalt; wann es bei den Menschen schneit, klopft sie ihre Betten aus, davon die Flocken in der Luft fliegen. Faule Spinnerinnen straft sie, indem sie ihnen den Rocken besudelt, das Garn wirrt, oder den Flachs anzündet; Jungfrauen hingegen, die fleißig abspinnen, schenkt sie Spindeln und spinnt selber für sie über Nacht, daß die Spuhlen des Morgens voll sind. Faulenzerinnen zieht sie die Bettdecken ab und legt sie nackend aufs Steinpflaster; Fleißige, die schon frühmorgens Wasser zur Küche tragen in reingescheuerten Eimern, finden Silbergroschen darin. Gern zieht sie Kinder in ihren Teich, die guten macht sie zu Glückskindern, die bösen zu Wechselbälgen. Jährlich geht sie im Land um und verleiht den Äckern Fruchtbarkeit, aber auch erschreckt sie die Leute, wenn[S. 8] sie durch den Wald fährt, an der Spitze des wütenden Heers. Bald zeigt sie sich als eine schöne weiße Frau in oder auf der Mitte des Teichs, bald ist sie unsichtbar und man hört blos aus der Tiefe ein Glockengeläut und finsteres Rauschen.

5.
Frau Holla zieht umher.

Prätor. Weihnachtsfratzen prop. 54.

In der Weihnacht fängt Frau Holla an herumzuziehen, da legen die Mägde ihren Spinnrocken aufs neue an, winden viel Werk oder Flachs darum und lassen ihn über Nacht stehen. Sieht das nun Frau Holla, so freut sie sich und sagt:

so manches Haar,
so manches gutes Jahr.

Diesen Umgang hält sie bis zum großen Neujahr, d. h. den Heiligen drei Königstag, wo sie wieder umkehren muß nach ihrem Horselberg; trifft sie dann unterwegens Flachs auf dem Rocken, zürnt sie und spricht:

so manches Haar,
so manches böses Jahr.

Daher reißen Feier-Abends vorher alle Mägde sorgfältig von ihren Rocken ab, was sie nicht abgesponnen haben, damit nichts dran bleibe und ihnen übel ausschlage.[S. 9] Noch besser ists aber, wenn es ihnen gelingt, alles angelegte Werk vorher im Abspinnen herunter zu bringen.

6.
Frau Hollen Bad.

Zeiller’s Sendschreiben II. 533. S. 695.
Prätor. Weltbeschr. I. 476.

Am Meißner in Hessen liegt ein großer Pfuhl oder See, mehrentheils trüb von Wasser, den man Frau Hollen Bad nennt. Nach alter Leute Erzählung wird Frau Holle zuweilen badend um die Mittagsstunde darin gesehen und verschwindet nachher. Berg und Moore in der ganzen Umgegend sind voll von Geistern und Reisende oder Jäger oft von ihnen verführt oder beschädiget worden.

7.
Frau Holla und der treue Eckart.

Prätor. Weihnachtsfratzen propos. 55.
Falkenstein thüring. Chronik I. 167.

In Thüringen liegt ein Dorf Namens Schwarza, da zog Weihnachten Frau Holla vorüber und vorn im Haufen ging der treue Eckart und warnte die begegneten Leute aus dem Wege zu weichen, daß ihnen kein Leid widerfahre. Ein Paar Bauerknaben hatten gerade Bier in der Schenke geholt, das sie nach Haus[S. 10] tragen wollten, als der Zug erschien, dem sie zusahen. Die Gespenster nahmen aber die ganze breite Straße ein, da wichen die Dorfjungen mit ihren Kannen abseits in eine Ecke; bald nahten sich unterschiedene Weiber aus der Rotte, nahmen die Kannen und tranken. Die Knaben schwiegen aus Furcht stille, wußten doch nicht, wie sie ihnen zu Haus thun sollten, wenn sie mit leeren Krügen kommen würden. Endlich trat der treue Eckart herbei und sagte: “das rieth euch Gott, daß ihr kein Wörtchen gesprochen habt, sonst wären euch euere Hälse umgedreht worden; gehet nun flugs heim und sagt keinem Menschen etwas von der Geschichte, so werden eure Kannen immer voll Bier seyn und wird ihnen nie gebrechen.” Dieses thaten die Knaben und es war so, die Kannen wurden niemals leer, und drei Tage nahmen sie das Wort in acht. Endlich aber konnten sies nicht länger bergen, sondern erzählten aus Vorwitz ihren Eltern den Verlauf der Sache, da war es aus und die Krüglein versiegten. Andere sagen, es sey dies nicht eben zu Weihnacht geschehen, sondern auf eine andre Zeit.

8.
Frau Holla und der Bauer.

Prätor. Weihnachtfr. prop. 56.

Frau Holla zog einmal aus, begegnete ihr ein Bauer mit der Axt. Da redete sie ihn mit den Worten[S. 11] an, daß er ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen sollte. Der Taglöhner that, wie sie ihm hieß und als die Arbeit verrichtet war, sprach sie: raff die Späne auf und nimm sie zum Trinkgeld mit; drauf fuhr sie ihres Weges. Dem Manne kamen die Späne vergeblich und unnütz vor, darum ließ er sie meistentheils liegen, blos ein Stück oder drei nahm er für die Langeweile mit. Wie er nach Hause kam und in den Sack griff, waren die Späne eitel Gold, alsbald kehrte er um, noch die andern zu holen, die er liegen gelassen; so sehr er suchte, so war es doch zu spät und nichts mehr vorhanden.

9.
Die Springwurzel.

Mündlich auf dem Köterberg von einem Schäfer.
vgl. Altdeutsche Wälder II. 95.

Vorzeiten hütete ein Schäfersmann friedlich auf dem Köterberg, da stand, als er sich einmal umwendete, ein prächtiges Königs-Fräulein vor ihm und sprach: “nimm die Spring-Wurzel und folge mir nach.” Die Spring-Wurzel erhält man dadurch, daß man einem Grünspecht (Elster oder Wiedehopf) sein Nest mit einem Holz zukeilt; der Vogel, wie er das bemerkt, fliegt alsbald fort und weiß die wunderbare Wurzel zu finden, die ein Mensch noch immer vergeblich gesucht[S. 12] hat. Er bringt sie im Schnabel und will sein Nest damit wieder öffnen, denn hält er sie vor den Holzkeil, so springt er heraus, wie vom stärksten Schlag getrieben. Hat man sich versteckt und macht nun, wie er heran kommt, einen großen Lärm, so läßt er sie erschreckt fallen (man kann aber auch nur ein weißes oder rothes Tuch unter das Nest breiten, so wirft er sie darauf, sobald er sie gebraucht hat.) Eine solche Springwurzel besaß der Hirt, ließ nun seine Thiere herumtreiben und folgte dem Fräulein. Sie führte ihn bei einer Höhle in den Berg hinein, kamen sie zu einer Thüre oder einem verschlossenen Gang, so mußte er seine Wurzel vorhalten und alsbald sprang sie krachend auf. Sie gingen immer fort, bis sie etwa in die Mitte des Bergs gelangten, da saßen noch zwei Jungfrauen und spannen emsig; der Böse war auch da, aber ohne Macht und unten an den Tisch, vor dem die beiden saßen, festgebunden. Ringsum war in Körben Gold und leuchtende Edelsteine aufgehäuft und die Königstochter sprach zu dem Schäfer, der da stand und die Schätze anlusterte: “nimm dir, so viel du willst.” Ohne Zaudern griff er hinein und füllte seine Taschen, so viel sie halten konnten und wie er, also reich beladen, wieder hinaus wollte, sprach sie: “aber vergiß das Beste nicht!” Er meinte nicht anders, als das wären die Schätze und glaubte sich gar wohl versorgt zu haben, aber es war das Spring-Wort[1].[S. 13] Wie er nun hinaustrat, ohne die Wurzel, die er auf den Tisch gelegt, schlug das Thor mit Schallen hinter ihm zu, hart an die Ferse, doch ohne weitern Schaden, wiewohl er leicht sein Leben hätte einbüßen können. Die großen Reichthümer brachte er glücklich nach Haus, aber den Eingang konnte er nicht wieder finden.

[1] Der erzählende Schäfer brauchte ganz gleichbedeutend die Spring-Wurzel und das Spring-Wort wie im Gefühl von der alten Verwandschaft beider Ausdrücke.

10.
Fräulein von Boyneburg.

Mündlich, aus Hessen.

Auf eine Zeit lebten auf der Boyneburg drei Fräulein zusammen. Der jüngsten träumte in einer Nacht, es sey in Gottes Rath beschlossen, daß eine von ihnen im Wetter sollte erschlagen werden. Morgens sagte sie ihren Schwestern den Traum und als es Mittag war, stiegen schon Wolken auf, die immer größer und schwärzer wurden, also daß Abends ein schweres Gewitter am Himmel hinzog und ihn bald ganz zudeckte und der Donner immer näher herbei kam. Als nun das Feuer von allen Seiten herabfiel, sagte die älteste: “ich will Gottes Willen gehorchen, denn mir ist der Tod bestimmt”, ließ sich einen Stuhl hinaustragen, saß draußen einen Tag und eine Nacht und erwartete, daß der[S. 14] Blitz sie träfe. Aber es traf sie keiner; da stieg am zweiten Tage die zweite herab und sprach: “ich will Gottes Willen gehorchen, denn mir ist der Tod bestimmt”; und saß den zweiten Tag und die zweite Nacht, die Blitze versehrten sie auch nicht, aber das Wetter wollte nicht fortziehen. Da sprach die dritte am dritten Tage: “nun seh ich Gottes Willen: daß ich sterben soll”, da ließ sie den Pfarrer holen, der ihr das Abendmahl reichen mußte, dann machte sie auch ihr Testament und stiftete, daß an ihrem Todestage die ganze Gemeinde gespeist und beschenkt werden sollte. Nachdem das geschehen war, ging sie getrost hinunter und setzte sich nieder und nach wenigen Augenblicken fuhr auch ein Blitz auf sie herab und tödtete sie.

Hernach als das Schloß nicht mehr bewohnt war, ist sie oft als ein guter Geist gesehen worden. Ein armer Schäfer, der all sein Hab und Gut verloren hatte und dem am andern Tage sein letztes sollte ausgepfändet werden, weidete an der Boyneburg, da sah er im Sonnenschein an der Schloßthüre eine schneeweiße Jungfrau sitzen. Sie hatte ein weißes Tuch ausgebreitet, darauf lagen Knotten, die sollten in der Sonne aufklinken. Der Schäfer verwunderte sich, an dem einsamen Ort eine Jungfrau zu finden, trat zu ihr hin und sprach: “ei was schöne Knotten!” nahm ein paar in die Hand, besah sie und legte sie wieder hin. Sie sah ihn freundlich und doch traurig an, antwortete aber nichts, da ward dem Schäfer angst, daß[S. 15] er fort ging, ohne sich umzusehen und die Heerde nach Haus trieb. Es waren ihm aber ein paar Knotten, als er darin gestanden, neben in die Schuhe gefallen, die drückten ihn auf dem Heimweg, da setzte er sich, zog den Schuh ab und wollte sie herauswerfen, wie er hineingriff, so fielen ihm fünf oder sechs Goldkörner in die Hand. Der Schäfer eilte zur Boyneburg zurück, aber die weiße Jungfrau war sammt den Knotten verschwunden; doch konnte er sich mit dem Golde schuldenfrei machen und seinen Haushalt wieder einrichten.

Viele Schätze sollen in der Burg noch verborgen liegen. Ein Mann war glücklich und sah in der Mauer ein Schubfach; als er es aufzog, war es ganz voll Gold. Eine Wittwe hatte nur eine Kuh und Ziege und weil an der Boyneburg schöne Heiternesseln wachsen, wollte sie davon zum Futter abschneiden, wie sie aber eben nach einem Strauch packte, glitt sie aus und fiel tief hinab. Sie schrie und rief nach Hilfe, es war aber niemand mehr in der einsamen Gegend, bis Abends ihre Kinder, denen Angst geworden war, herbei kamen und ihre Stimme hörten. Sie zogen sie an Stricken herauf und nun erzählte sie ihnen, tief da unten sey sie vor ein Gitter gefallen, dahinter habe sie einen Tisch gesehen, der mit Reichthümern und Silberzeug ganz beladen gewesen.

11.
Der Piel-Berg.

Prätorius Glücks-Topf S. 506.

Bei Annaberg in Meissen, liegt vor der Stadt ein hoher Berg, der Piel-Berg genannt, darauf soll vor Zeiten eine schöne Jungfrau verbannt und verwünscht seyn, die sich noch öfters um Mittag, weshalb sich dann niemand dort darf sehen lassen, in köstlicher Gestalt, mit prächtigen, gelben, hinter sich geschlagenen Haaren zeigt.

12.
Die Schloß-Jungfrau.

Falkenstein thüring. Chronik I. 172.

Auf dem Schloßberg unweit Ordruf in Thüringen soll sich manchmal eine Jungfrau sehen lassen, welche ein großes Gebund Schlüssel anhängen hat. Sie kommt dann allezeit um zwölf Uhr Mittags vom Berg herab und geht nach dem unten im Thal befindlichen Hierlings- oder Hörlings-Brunn und badet sich in demselben, worauf sie wiederum den Berg hinaufsteigt. Einige wollen sie genau gesehen und betrachtet haben.

[S. 17]

13.
Die Schlangen-Jungfrau.

Prätor. Weltbeschr. I. 661-663.
Seyfried in medulla. p. 477. 478.
Kornemann mons Veneris c. 34. p. 189-192.

Um das Jahr 1520 war einer zu Basel im Schweizerlande mit Namen Leonhard, sonst gemeinlich Lienimann genannt, eines Schneiders Sohn, ein alberner und einfältiger Mensch, und dem dazu das Reden, weil er stammerte, übel abging. Dieser war in das Schlauf-Gewölbe oder den Gang, welcher zu Augst über Basel unter der Erde her sich erstreckt, ein- und darin viel weiter, als jemals einem Menschen möglich gewesen, fortgegangen und hinein gekommen und hat von wunderbarlichen Händeln und Geschichten zu reden wissen. Denn er erzählt und es gibt noch Leute, die es aus seinem Munde gehört haben, er habe ein geweihtes Wachslicht genommen und angezündet und sey mit diesem in die Höhle eingegangen. Da hätte er erstlich durch eine eiserne Pforte und darnach aus einem Gewölbe in das andere, endlich auch durch etliche gar schöne und luftige grüne Gärten gehen müssen. In der Mitte aber stünde ein herrlich und wohlgebautes Schloß oder Fürstenhaus, darin wäre eine gar schöne Jungfrau mit menschlichem Leibe bis zum Nabel, die trüge auf ihrem Haupt eine Krone von Gold und ihre Haare hätte sie zu Felde geschlagen; unten vom Nabel[S. 18] an wäre sie aber eine gräuliche Schlange. Von derselben Jungfrau wäre er bei der Hand zu einem eisernen Kasten geführt worden, auf welchem zwei schwarze bellende Hunde gelegen, also daß sich niemand dem Kasten nähern dürfen, sie aber hätte ihm die Hunde gestillt und im Zaum gehalten, und er ohne alle Hinderung hinzugehen können. Darnach hätte sie einen Bund Schlüssel, den sie am Hals getragen, abgenommen, den Kasten aufgeschlossen, silberne und andere Münzen heraus geholt. Davon ihm dann die Jungfrau nicht wenig aus sonderlicher Mildigkeit geschenkt, welche er mit sich aus der Schluft gebracht; wie er denn auch selbige vorgezeigt und sehen lassen. Auch habe die Jungfrau zu ihm gesprochen, sie sey von königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber also in ein Ungeheuer verwünscht und verflucht, und könne durch nichts erlöst werden, als wenn sie von einem Jüngling, dessen Keuschheit rein und unverletzt wäre, dreimal geküßt werde; dann würde sie ihre vorige Gestalt wieder erlangen. Ihrem Erlöser wolle sie dafür den ganzen Schatz, der an dem Orte verborgen gehalten würde, geben und überantworten. Er erzählte weiter, daß er die Jungfrau bereits zweimal geküßt, da sie denn alle beide Mal, vor großer Freude der unverhofften Erlösung, mit so gräulichen Gebärden sich erzeigt, daß er sich gefürchtet und nicht anders gemeint, sie würde ihn lebendig zerreißen; daher er zum drittenmal sie zu küssen nicht gewagt, sondern weggegangen wäre. Hernach hat es sich begeben, daß ihn etliche in ein Schand-Haus mitgenommen,[S. 19] wo er mit einem leichtsinnigen Weibe gesündigt. Also vom Laster befleckt, hat er nie wieder den Eingang zu der Schlauf-Höhle finden können; welches er zum öftern mit Weinen beklagt.

14.
Das schwere Kind.

Bräuner’s Curiosit. 274.

Im Jahr 1686. am achten Juni erblickten zwei Edelleute auf dem Wege nach Chur in der Schweiz an einem Busch ein kleines Kind liegen, das in Linnen eingewickelt war. Der eine hatte Mitleiden, hieß seinen Diener absteigen und das Kind aufheben, damit man es ins nächste Dorf mitnehmen und Sorge für es tragen könnte. Als dieser abgestiegen war, das Kind angefaßt hatte und aufheben wollte, war er es nicht vermögend. Die zwei Edelleute verwunderten sich hierüber und befahlen dem andern Diener, auch abzusitzen und zu helfen. Aber beide mit gesammter Hand waren nicht so mächtig, es nur von der Stelle zu rücken. Nachdem sie es lange versucht, hin und her gehoben und gezogen, hat das Kind anfangen zu sprechen und gesagt: “laßet mich liegen, denn ihr könnt mich doch nicht von der Erde wegbringen. Das aber will ich euch sagen, daß dies ein köstliches und fruchtbares Jahr seyn wird, aber wenig Menschen werden es erleben.” Sobald es diese Worte ausgeredet hatte, verschwand es. Die beiden[S. 20] Edelleute legten nebst ihren Dienern ihre Aussage bey dem Rath zu Chur nieder.

15.
Der alte Weinkeller bei Salurn.

Nachr. von Geistern. Frankf. 1737. S. 66-73.

Auf dem Rathhause des tyroler Fleckens Salurn, an der Etsch, werden zwei alte Flaschen vorgezeigt und davon erzählt: Im Jahr 1688. ging Christoph Patzeber von St. Michael nach Salurn in Verrichtungen und wie er bei den Trümmern der alten salurner Burg vorüberkam, wandelte ihn Lust an, das Gemäuer näher zu betrachten. Er sah sich im obern Theil um und fand ungefähr eine unterirdische Treppe, welche aber ganz hell schien, so daß er hinabstieg, und in einen ansehnlichen Keller gelangte, zu dessen beiden Seiten er große Fässer liegen sah. Der Sonnenstrahl fiel durch die Ritzen, er konnte deutlich achtzehn Gefäße zählen, deren jedes ihm däuchte funfzig Irten zu halten; an denen die vorn standen, fehlte weder Hahn noch Krahn und als der Bürger vorwitzig umdrehte, sah er mit Verwunderung einen Wein, köstlich wie Oel, fließen. Er kostete das Getränk und fand es von solchem herrlichen Geschmack, als er Zeitlebens nicht über die Zunge gebracht hatte. Gern hätte er für Weib und Kind davon mitgenommen, wenn ihm ein Geschirr zu Handen gewesen wäre; die gemeine Sage fiel ihm ein von diesem[S. 21] Schloß, das schon manchen Menschen unschuldigerweise reich gemacht haben sollte, und er sann hin und her, ob er nicht durch diesen Fund glücklich werden möchte. Er schlug daher den Weg nach der Stadt ein, vollbrachte sein Geschäft und kaufte sich zwei große irdene Flaschen nebst Trichter und verfügte sich noch vor Sonnenuntergang in das alte Schloß, wo er alles gerade so wiederfand, als das erstemal. Ungesäumt füllte er seine beiden Flaschen mit Wein, welche etwa zwanzig Maaß fassen konnten, hierauf wollte er den Keller verlassen. Aber im Umdrehen sah er plötzlich an der Treppe, also daß sie ihm den Gang sperrten, drei alte Männer an einem kleinen Tische sitzen, vor ihnen lag eine schwarze mit Kreide beschriebene Tafel. Der Bürger erschrak heftig, hätte gern allen Wein im Stich gelassen, hub an inbrünstig zu beten und die Kellerherrn um Verzeihung zu bitten. Da sprach einer aus den dreien, welcher einen langen Bart, eine Ledermütze auf dem Haupt und einen schwarzen Rock anhatte: komm so oft du willt, so sollst du allzeit erhalten, was dir und den deinen vonnöthen ist. Hierauf verschwand das ganze Gesicht. Patzeber konnte frei und ungehindert fortgehen und gelangte glücklich heim zu seinem Weibe, dem er alles erzählte, was ihm begegnet war. Anfangs verabscheute die Frau diesen Wein, als sie aber sah, wie ohne Schaden sich ihr Hauswirth daran labte, versuchte sie ihn auch und gab allen ihren Hausgenossen dessen zu trinken. Als nun der Vorrath all wurde, nahm er getrost die zwei irdenen Krüge, ging wieder[S. 22] in den Keller und füllte von neuem und das geschah etlichemal ein ganzes Jahr durch; dieser Trunk, der einer kaiserlichen Tafel wohl gestanden hätte, kostete ihn keinen Heller. Einmal aber besuchten ihn drei Nachbaren, denen er von seinem Gnadentrunk zubrachte, und die ihn so trefflich fanden, daß sie Verdacht schöpften und argwohnten, er sey auf unrechtem Wege dazu gekommen. Weil sie ihm ohnedeß feind waren, gingen sie aufs Rathhaus und verklagten ihn, der Bürger erschien und verhehlte nicht, wie er zu dem Wein gelangt war, obgleich er innerlich dachte, daß er nun den letzten geholt haben würde. Der Rath ließ von dem Wein vor Gericht bringen und befand einstimmig, daß dergleichen im Lande nirgends anzutreffen wäre. Also mußten sie zwar den Mann nach abgelegtem Eid heim entlassen, gaben ihm aber auf, mit seinen Flaschen nochmals den vorigen Weg zu unternehmen. Er machte sich auch dahin, aber weder Treppe noch Keller war dort zu spüren und er empfing unsichtbare Schläge, die ihn betäubt und halbtodt zu Boden streckten. Als er so lange Zeit lag, bedäuchte ihn den vorigen Keller, aber fern in einer Tiefe, zu erblicken, die drei Männer saßen wieder da und kreideten still und schweigend bei einer hellen Lampe auf dem Tisch, als hätten sie eine wichtige Rechnung zu schließen; zuletzt wischten sie alle Ziffern aus und zogen ein Creuz über die ganze Tafel, welche sie hernach bei Seite stellten. Einer stand auf, öffnete drei Schlösser an einer eisernen Thür und man hörte Geld klingen. Auf[S. 23] einer anderen Treppe kam dann dieser alte Mann heraus zu dem auf der Erde liegenden Bürger, zählte ihm 30 Thaler in den Hut, ließ aber nicht den geringsten Laut von sich hören. Hiermit verschwand das Gesicht und die salurner Uhr aus der Ferne schlug eilf. Der Bürger raffte sich auf und kroch aus den Mauern, auf der Höhe sah er einen ganzen Leichenzug mit Lichtern vorbeiwallen und deutete das auf seinen eigenen Tod. Inzwischen kam er nach und nach auf die Landstraße und wartete auf Leute, die ihn nach Haus schleppten. Darauf berichtete er dem Rath den ganzen Verlauf und die 30 alten Thaler bewiesen deutlich, daß sie ihm von keiner oberirdischen Hand waren gegeben worden. Man sandte des folgenden Tags acht beherzte Männer aus zu der Stelle, die gleichwohl nicht die mindeste Spuren entdeckten, außer in einer Ecke der Trümmer die beiden irdenen Flaschen liegen fanden und zum Wahrzeichen mitbrachten. Der Patzeber starb zehen Tage darauf und mußte die Weinzeche mit seinem Leben zahlen; das gemachte große Creuz hatte die Zahl der zehn Tage vielleicht vorbedeutet.

16.
Hünen-Spiel.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.

Bei Höxter liegen der Brunsberg und Wiltberg, auf welchen die Sachsen im Kampf mit Carl dem Großen[S. 24] sollen ihre Burgen gehabt haben. Nach der Sage des Volks wohnten dort ehedem Hünen, die so groß waren, daß sie sich Morgens aus ihren Fenstern grüßend die Hände herüber und hinüber reichten. Sie warfen sich auch, als Ballspiel, Kugeln zu und ließen sie hin und her fliegen. Einmal fiel eine solche Kugel mitten ins Thal herab und schlug ein gewaltiges Loch in den Erdboden, das man noch heute sieht.

17.
Das Riesen-Spielzeug.

Mündlich von einem Förster.

Im Elsaß auf der Burg Nideck, die an einem hohen Berg bei einem Wasserfall liegt, waren die Ritter vorzeiten große Riesen. Einmal ging das Riesen-Fräulein herab ins Thal, wollte sehen, wie es da unten wäre und kam bis fast nach Haslach auf ein vor dem Wald gelegenes Ackerfeld, das gerade von den Bauern bestellt ward. Es blieb vor Verwunderung stehen und schaute den Pflug, die Pferde und Leute an, das ihr alles etwas neues war. “Ei, sprach sie, und ging herzu, das nehm ich mir mit.” Da kniete sie nieder zur Erde, spreitete ihre Schürze aus, strich mit der Hand über das Feld, fing alles zusammen und thats hinein. Nun lief sie ganz vergnügt nach Haus, den Felsen hinaufspringend, wo der Berg so jäh ist,[S. 25] daß ein Mensch mühsam klettern muß, da that sie einen Schritt und war droben.

Der Ritter saß gerad am Tisch, als sie eintrat. “Ei, mein Kind, sprach er, was bringst du da, die Freude schaut dir ja aus den Augen heraus.” Sie machte geschwind ihre Schürze auf und ließ ihn hineinblicken. “Was hast du so Zappeliches darin?” “Ei Vater, gar zu artiges Spielding! so was schönes hab ich mein Lebtag noch nicht gehabt.” Darauf nahm sie eins nach dem andern heraus und stellte es auf den Tisch: den Pflug, die Bauern mit ihren Pferden; lief herum, schaute es an, lachte und schlug vor Freude in die Hände, wie sich das kleine Wesen darauf hin und her bewegte. Der Vater aber sprach: “Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was schönes angestiftet! Geh nur gleich und trags wieder hinab ins Thal.” Das Fräulein weinte, es half aber nichts. “Mir ist der Bauer kein Spielzeug, sagt der Ritter ernsthaftig, ich leids nicht, daß du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trags an den nämlichen Platz, wo du’s genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsen-Nest nichts zu leben.”

18.
Riese Einheer.

Aventin Bair. Chronik. Frankf. 1570. S. 285 b.

Zu Zeiten Carls des Großen lebt ein Ries’ und Recke, hieß Einheer, war ein Schwab, bürtig aus[S. 26] Thurgau, jetzund Schweitz, der wuthe (wadete) über alle Wasser, dorft (braucht) über keine Brücke gehen, zoge sein Pferd bei dem Schwanz hernach, sagt allzeit: “nun Gesell, du mußt auch hernach!” Dieser reiset auch in diesen Kaiser-Carls-Kriegen wider die Winden (Wenden) und Haunen (Hunnen); er mähet die Leut, gleich wie das Gras mit einer Sensen, alle nieder, hängt sie an den Spieß, trugs über die Achseln wie Hasen und Füchs, und da er wieder heim kam und ihn seine gute Gesellen und Nachbarn fragten, was er ausgerichtet hättet? wie es ihm im Kriege gegangen wäre? sagt er aus Unmuth und Zorn: “was soll ich viel von diesen Fröschlein sagen! ich trug ihr sieben oder acht am Spieß über die Achsel, weiß nicht, was sie quacken, ist der Mühe nicht werth, daß der Kaiser so viel Volks wider solche Kröten und Würmlein zusammenbracht, ich wollts viel leichter zu wegen gebracht haben!” — Diesen Riesen nennt man Einheer, daß (weil) er sich in Kriegen schier einem Heer vergleicht und also viel ausrichtet. Es flohen ihm die Feinde, Winden und Haunen, meinten, es wär der leidige Teufel.

19.
Riesen-Säulen.

Winkelmann’s hessische Chronik. S. 32.
Melissantes in Orograph. bei Malchen-Berg.

Bei Miltenberg oder Kleinen-Haubach auf einem hohen Gebürg im Walde sind neun gewaltige, große,[S. 27] steinerne Säulen zu sehen und daran die Handgriffe, wie sie von den Riesen im Arbeiten herumgedreht worden, damit eine Brücke über den Main zu bauen; solches haben die alten Leute je nach und nach ihren Kindern erzählt, auch daß in dieser Gegend vor Zeiten viele Riesen sich aufgehalten.

20.
Der Köterberg.

Mündlich von einem darauf hütenden Schäfer.

Der Köterberg, (an der Gränze des Paderbornschen, Lippeschen und Corveischen) war sonst der Götzenberg genannt, weil die Götter der Heiden da angebätet wurden. Er ist innen voll Gold und Schätze, die einen armen Mann wohl reich machen könnten, wenn er dazu gelangte. Auf der nördlichen Seite sind Höhlen, da fand einmal ein Schäfer den Eingang und die Thüre zu den Schätzen, aber wie er eingehen wollte, in demselben Augenblick kam ein ganz blutiger, entsetzlicher Mann übers Feld daher gelaufen und erschreckte und verscheuchte ihn. Südlich auf einem waldbewachsenen Hügel am Fuße des Berges stand die Harzburg, wovon die Mauern noch zu sehen und noch vor kurzem Schlüssel gefunden sind. Darin wohnten Hünen und gegenüber, auf dem zwei Stunden fernen Zierenberg, stand eine andere Hünenburg. Da warfen die Riesen sich oft Hämmer herüber und hinüber.

[S. 28]

21.
Geroldseck.

Philand. v. Sittewald Gesichte. Straßb. 1665. S. 32. 33.

Geroldseck, ein altes Schloß im Wasgau, von dem man vor Jahren her viel Abentheuer erzählen hören: daß nämlich die uralten deutschen Helden, die Könige Ariovist, Herman, Witechind, der hürnen Siegfried und viele andere in demselben Schlosse zu gewisser Zeit des Jahrs gesehen würden; welche, wann die Deutschen in den höchsten Nöthen und am Untergang seyn würden, wieder da heraus und mit etlichen alten deutschen Völkern denselben zu Hilf erscheinen sollten.

22.
Kaiser Karl zu Nürnberg.

Melissantes Orogr. Francof. 1715. p. 533.
vgl. Struve hist. polit. Archiv I. p. 14.

Die Sage geht, daß Karl der Große sich zu Nürnberg auf der Burg in den tiefen Brunnen verflucht habe und daselbst aufhalte. Sein Bart ist durch den Steintisch gewachsen, vor welchem er sitzt.

[S. 29]

23.
Friedrich Rothbart auf dem Kyfhäuser.

Agricola Sprüchwort 710.
Melissantes Orogr. v. Kyffhausen.
Tenzel monatl. Unterr. 1689. S. 719. 720.
Prätorius Alectryomantia p. 69.
Dessen Weltbeschr. I. 306. 307.

Von diesem Kaiser gehen viele Sagen im Schwange. Er soll noch nicht todt seyn, sondern bis zum jüngsten Tage leben, auch kein rechter Kaiser nach ihm mehr aufgekommen. Bis dahin sitzt er verholen in dem Berg Kyfhausen und wann er hervorkommt, wird er seinen Schild hängen an einen dürren Baum, davon wird der Baum grünen und eine beßre Zeit werden. Zuweilen redet er mit den Leuten, die in den Berg kommen, zuweilen läßt er sich auswärts sehen. Gewöhnlich sitzt er auf der Bank an dem runden steinernen Tisch, hält den Kopf in der Hand und schläft, mit dem Haupt nickt er stetig und zwinkert mit den Augen. Der Bart ist ihm groß gewachsen, nach einigen durch den steinernen Tisch, nach andern um den Tisch herum, dergestalt daß er dreimal um die Rundung reichen muß, bis zu seinem Aufwachen, jetzt aber geht er erst zweimal darum.

Ein Bauer, der 1669 aus dem Dorf Reblingen Korn nach Nordhausen fahren wollte, wurde von einem kleinen Männchen in den Berg geführt, mußte sein Korn ausschütten und sich dafür die Säcke mit Gold[S. 30] füllen. Dieser sah nun den Kaiser sitzen, aber ganz unbeweglich.

Auch einen Schäfer führte ein Zwerg hinein, da stand der Kaiser auf und fragte: fliegen die Raben noch um den Berg? Und auf die Bejahung des Schäfers rief er: nun muß ich noch hundert Jahre länger schlafen.

24.
Der Birnbaum auf dem Walserfeld.

Brixener Volksbuch vom Untersberg S. 38. 39.

Bei Salzburg auf dem sogenannten Walserfeld soll dermaleinst eine schreckliche Schlacht geschehen, wo alles hinzulaufen und ein so furchtbares Blutbad seyn wird, daß den Streitenden das Blut vom Fußboden in die Schuh rinnt. Da werden die bösen von den guten Menschen erschlagen werden. Auf diesem Walserfeld steht ein ausgedorrter Birnbaum zum Angedenken dieser letzten Schlacht; schon dreimal wurde er umgehauen, aber seine Wurzel schlug immer aus, daß er wiederum anfing zu grünen und ein vollkommner Baum ward. Viele Jahre bleibt er noch dürr stehen, wann er aber zu grünen anhebt, wird die gräuliche Schlacht bald eintreten und wann er Früchte trägt, wird sie anheben. Dann wird der Baierfürst seinen Wappenschild daran aufhängen und niemand wissen, was es zu bedeuten hat.

[S. 31]

25.
Der verzauberte König zu Schildheiß.

Volksbuch vom Ritter Eginhard. S. 42 ff.

Das alte Schloß Schildheiß, in einer wüsten Wald- und Berggegend von Deutschböhmen sollte aufs neue gebaut und wiederhergestellt werden. Als die Werkmeister und Bauleute die Trümmer und Grundfesten untersuchten, fanden sie Gänge, Keller und Gewölbe unter der Erden in großer Menge, mehr als sie gedacht, in einem Gewölbe saß ein gewaltiger König im Sessel, glänzend und schimmernd von Edelgestein und ihm zur Rechten stund unbeweglich eine holdselige Jungfrau, die hielt dem König das Haupt, gleich als ruhete es drinnen. Als sie nun vorwitzig und beutegierig näher traten, wandelte sich die Jungfrau in eine Schlange, die Feuer spie, so daß alle weichen mußten. Sie berichteten aber ihrem Herrn von der Begebenheit, welcher alsbald vor das bezeichnete Gewölbe ging und die Jungfrau bitterlich seufzen hörte. Nachher trat er mit seinem Hund in die Höhle, in der sich Feuer und Rauch erzeigte, so daß der Ritter etwas zurückwich und seinen Hund der vorausgelaufen war, für verloren hielt. Das Feuer verlosch und wie er sich von neuem näherte, sah er daß die Jungfrau seinen Hund unbeschädigt im Arme hielt und eine Schrift an der Wand, die ihm Verderben drohte. Sein Muth trieb ihn aber nachher dennoch an, das Abentheuer zu wagen und er wurde von den Flammen verschlungen.

[S. 32]

26.
Kaiser Carl V. Auszug.

Mündlich, aus Hessen.

Zwischen Gudensberg und Besse in Hessen liegt der Odenberg, in welchem Kaiser Carl der Fünfte mit seinem ganzen Heer versunken ist. Ehe ein Krieg ausbricht, thut sich der Berg auf, Kaiser Carl kommt hervor, stößt in sein Hüft-Horn und zieht nun mit seinem ganzen Heer aus in einen andern Berg.

27.
Der Unterberg.

Sagen der Vorzeit oder ausführliche Beschreibung von dem berühmten salzburgischen Untersberg oder Wunderberg, wie solche Lazarus Gitschner vor seinem Tode geoffenbart. Brixen 1782. Volksbuch.
Franz Sartori Naturwunder des östreich. Kaiserthums. Wien 1807. I. Nro. 7.

Der Unterberg oder Wunderberg liegt eine kleine deutsche Meile von der Stadt Salzburg an dem grundlosen Moos, wo vor Zeiten die Hauptstadt Helfenburg soll gestanden haben. Er ist im Innern ganz ausgehöhlt, mit Palästen, Kirchen, Klöstern, Gärten, Gold- und Silber-Quellen versehen. Kleine Männlein bewahren die Schätze und wanderten sonst oft um Mitternacht in die Stadt Salzburg, in der Domkirche daselbst Gottesdienst zu halten.

[S. 33]

28.
Kaiser Karl im Unterberg.

Brixener Volksbuch von 1782. S. 28. 29.

In dem Wunderberg sitzt außer andern fürstlichen und vornehmen Herrn auch Kaiser Karl, mit goldner Krone auf dem Haupt und seinen Scepter in der Hand. Auf dem großen Welserfeld wurde er verzückt und hat noch ganz seine Gestalt behalten, wie er sie auf der zeitlichen Welt gehabt. Sein Bart ist grau und lang gewachsen und bedeckt ihm das goldne Bruststück seiner Kleidung ganz und gar. An Fest- und Ehrentagen wird der Bart auf zwei Theile getheilt, einer liegt auf der rechten Seite, der andere auf der linken, mit einem kostbaren Perlenband umwunden. Der Kaiser hat ein scharfes und tiefsinniges Angesicht und erzeigt sich freundlich und gemeinschaftlich gegen alle Untergebenen, die da mit ihm auf einer schönen Wiese hin und her gehen. Warum er sich da aufhält und was seines Thuns ist, weiß niemand und steht bei den Geheimnissen Gottes.

Franz Sartori erzählt, daß Kaiser Karl der Fünfte, nach andern aber Friedrich an einem Tisch sitzt, um den sein Bart schon mehr denn zweimal herumgewachsen ist. So wie der Bart zum drittenmal die letzte Ecke desselben erreicht haben wird, tritt dieser Welt letzte Zeit ein. Der Antichrist erscheint, auf den Feldern von Wals kommt es zur Schlacht, die Engelposaunen ertönen und der jüngste Tag ist angebrochen.

[S. 34]

29.
Der Scherfenberger und der Zwerg.

Aus Ottokar von Horneck. Cap. 573-80. S. 539 a.–544 a.

Mainhard, Graf von Tirol, der auf Befehl des Kaisers Rudolf von Habsburg Steier und Kärnthen erobert hatte und zum Herzoge von Kärnthen ernannt war, lebte mit dem Grafen Ulrich von Heunburg in Fehde. Zu diesem schlug sich auch Wilhelm von Scherfenberg, treulos und undankbar gegen Mainhard. Hernach in dem Kampfe ward er vermißt und Conrad von Aufenstein, der für Mainhard gestritten hatte, suchte ihn auf.

Sie fanden aber den Scherfenberger im Sande liegen von einem Speer durchstochen und hatte er da sieben Wunden, doch nur eine Pein. Der Aufensteiner fragte ihn, ob er der Herr Wilhelm wäre. “Ja, und seyd Ihrs, der Aufensteiner, so stehet hernieder zu mir.” Da sprach der Scherfenberger mit krankem Munde: “nehmt dieses Fingerlein; derweil es in eurer Gewalt ist, zerrinnet Euch Reichthum und weltliche Ehre nimmermehr;” damit reichte er es ihm von der Hand. Indem kam auch Heinrich der Told geritten und hörte, daß es der Scherfenberger war, der da lag. “So ist es der, sprach er, welcher seine Treue an meinem Herrn gebrochen, das rächt nun Gott an ihm in dieser Stund.” Ein Knecht mußte den todtwunden auf ein Pferd legen, aber er starb darauf. Da machte der Told, daß man ihn wieder herab legte, wo er vorher[S. 35] gelegen war. Darnach ward der Scherfenberger beklagt von Männern und Weibern; mit dem Ring aber, den er dem Aufensteiner gegeben, war es auf folgende Weise zugegangen.

Eines Tages sah der Scherfenberger von seiner Burg auf dem Feld eine seltsame Augenweide. Auf vier langen vergüldeten Stangen trugen vier Zwerge einen Himmel von klarem und edlem Tuche. Darunter ritt ein Zwerg, eine goldne Krone auf dem Häuptlein, und in allen Gebärden als ein König. Sattel und Zaum des Pferdes war mit Gold beschlagen, Edelsteine lagen darin und so war auch alles Gewand beschaffen. Der Scherfenberger stand und sah es an, endlich ritt er hin und nahm seinen Hut ab. Der Zwerg gab ihm guten Morgen und sprach: “Wilhelm, Gott grüß Euch!” “Woher kennt Ihr mich?” antwortete der Scherfenberger. “Laß dir nicht leid seyn, sprach der Zwerg, daß du mir bekannt bist und ich deinen Namen nenne; ich suche deine Mannheit und deine Treue, von der mir so viel gesagt ist. Ein gewaltiger König ist mein Genosse um ein großes Land, darum führen wir Krieg und er will mirs mit List angewinnen. Ueber sechs Wochen ist ein Kampf zwischen uns gesprochen, mein Feind aber ist mir zu groß, da haben alle meine Freunde mir gerathen, dich zu gewinnen. Willst du dich des Kampfes unterwinden, so will ich dich also stark machen, daß, ob er einen Riesen brächte, dirs doch gelingen soll. Wisse, guter Held, ich bewahre dich mit einem Gürtel, der dir zwanzig Männer Stärke[S. 36] gibt.” Der Scherfenberger antwortete: “weil du mir so wohl traust und auf meine Mannheit dich verläßt, so will ich zu deinem Dienste seyn, wie es auch mit mir gehen wird, es soll alles gewagt werden.” Der Zwerg sprach: “fürchte dich nicht, Herr Wilhelm, als wäre ich ungeheuer, nein, mir wohnt christlicher Glaube an die Dreifaltigkeit bei und daß Gott von einer Jungfrau menschlich geboren wurde.” Darüber ward der Scherfenberger froh und versprach, wo nicht Tod oder Krankheit ihn abhalte, daß er zu rechter Stunde kommen wollte. “So kommt mit Roß, Rüstung und einem Knaben an diese Stätte hier, sagt aber niemanden etwas davon, auch Euerm Weibe nicht, sonst ist das Ding verloren.” Da beschwur der Scherfenberger alles. “Sieh hin, sprach nun das Gezwerg, dies Fingerlein soll unserer Rede Zeuge seyn; du sollst es mit Freuden besitzen, denn lebtest du tausend Jahre, so lang du es hast, zerrinnet dir dein Gut nimmermehr. Darum sey hohen Muthes und halt deine Treue an mir.” Damit ging es über die Heide und der Scherfenberger sah ihm nach, bis es in den Berg verschwand.

Als er nach Haus kam, war das Essen bereit und jedermann fragte, wo er gewesen wäre, er aber sagte nichts, doch konnt er von Stund an nicht mehr so fröhlich gebaren wie sonst. Er ließ sein Roß besorgen, sein Panzerhemd bessern, schickte nach dem Beichtiger, that heimlich lautere Beichte und nahm darnach mit Andacht des Herren Leib. Die Frau suchte von dem[S. 37] Beichtiger die Wahrheit an den Sachen zu erfahren, aber der wies sie ernstlich ab. Da beschickte sie vier ihrer besten Freunde, die führten den Priester in eine Kammer, setzten ihm das Messer an den Hals und drohten ihm auf den Tod, bis er sagte, was er gehört hatte.

Als die Frau es nun erfahren, ließ sie die nächsten Freunde des Scherfenberger kommen, die mußten ihn heimlich nehmen und um seinen Vorsatz fragen. Als er aber nichts entdecken wollte, sagten sie ihm vor den Mund, daß sie alles wüßten, und als er es an ihren Reden sah, da bekannte er allererst die Wahrheit. Nun begannen sie seinen Vorsatz zu schwächen und baten ihn höchlich, daß er von der Fahrt ablasse. Er aber wollt seine Treue nicht brechen und sprach, wo er das thue, nehme er fürder an allem Gut ab. Sein Weib aber tröstete ihn und ließ nicht nach, bis sie ihn mit großer Bitte überredete, da zu bleiben; doch war er unfroh.

Darauf über ein halbes Jahr ritt er eines Tages zu seiner Feste Landstrotz hinter den seinigen zu allerletzt. Da kam der Zwerg neben zu ihm und sprach: “wer Eure Mannheit rühmt, der hat gelogen! wie habt Ihr mich hintergangen und verrathen! Ihr habt an mir verdient Gottes und guter Weiber Haß. Auch sollt Ihr wissen, daß Ihr in Zukunft sieglos seyd und wäre das gute Ringlein nicht, daß ich Euch leider gegeben habe, Ihr müßtet mit Weib und Kind in Armuth leben.” Da griff der Zwerg ihm an die Hand[S. 38] und wollts ihm abzucken, aber der Scherfenberger zog die Hand zurück und steckte sie in die Brust; dann ritt er von ihm über das Feld fort. Die vor ihm waren, die hatten alle nichts gesehen.

30.
Das stille Volk zu Plesse.

Joh. Letzner plessisches Stammbuch.
Wunderbare Begebenheiten eines göttingischen Studenten auf dem alten Schlosse Plesse. 1744. S. 15 ff.

Auf dem hessischen Bergschloß Plesse sind im Felsen mancherlei Quellen, Brunnen, Schluchten und Höhlen, wo der Sage nach Zwerge wohnen und hausen sollen, die man das stille Volk nennt. Sie sind schweigsam und gutthätig, dienen den Menschen gern, die ihnen gefallen. Geschieht ihnen ein Leid an, so lassen sie ihren Zorn doch nicht am Menschen aus, sondern rächen sich am Vieh, das sie plagen. Eigentlich hat dies unterirdische Geschlecht keine Gemeinschaft mit den Menschen und treibt inwendig sein Wesen, da hat es Stuben und Gemächer voll Gold und Edelgestein. Steht ihm ja etwas oben auf dem Erdboden zu verrichten, so wird das Geschäft nicht am Tage, sondern bei der Nacht vorgenommen. Dieses Bergvolk ist von Fleisch und Bein, wie andere Menschen, zeugt Kinder und stirbt; allein es hat die Gabe, sich unsichtbar zu machen und durch Fels und Mauer eben so leicht zu gehen, als wir durch die Luft. Zuweilen erscheinen[S. 39] sie den Menschen, führen sie mit in die Kluft und beschenken sie, wenn sie ihnen gefallen, mit kostbaren Sachen. Der Haupteingang ist beim tiefen Brunnen; das nahgelegene Wirthshaus heißt: zum Rauschenwasser.

31.
Des kleinen Volks Hochzeit-Fest.

Mündlich, aus Sachsen.

Das kleine Volk auf der Eilenburg in Sachsen wollte einmal Hochzeit halten und zog daher in der Nacht durch das Schlüsselloch und die Fenster-Ritzen in den Saal und sie sprangen hinab auf den glatten Fußboden, wie Erbsen auf die Tenne geschüttet werden. Davon erwachte der alte Graf, der im hohen Himmel-Bette in dem Saal schlief und verwunderte sich über die vielen kleinen Gesellen. Da trat einer von ihnen, geschmückt wie ein Herold, zu ihm heran und lud ihn in ziemenden Worten gar höflich ein, an ihrem Fest Theil zu nehmen. “Doch um eins bitten wir, setzte er hinzu, ihr allein sollt zugegen seyn, keins von euerm Hof-Gesinde darf sich unterstehen, das Fest mit anzuschauen, auch nicht mit einem einzigen Blick.” Der alte Graf antwortete freundlich: “weil ihr mich im Schlaf gestört, so will ich auch mit euch seyn.” Nun ward ihm ein kleines Weiblein zugeführt, kleine Lampenträger stellten sich auf und eine Heimchen-Musik hob an. Der Graf hatte Mühe, das Weiblein beim[S. 40] Tanz nicht zu verlieren, das ihm so leicht daher sprang und endlich so im Wirbel umdrehte, daß er kaum zu Athem kommen konnte. Mitten in dem lustigen Tanz aber stand auf einmal alles still, die Musik hörte auf und der ganze Haufe eilte nach den Thürspalten, Maus-Löchern und wo sonst ein Schlupf-Winkel war. Das Brautpaar aber, die Herolde und Tänzer schauten aufwärts nach einer Öffnung, die sich oben in der Decke des Saals befand und entdeckten dort das Gesicht der alten Gräfin, welche vorwitzig nach der lustigen Wirthschaft herabschaute. Darauf neigten sie sich vor dem Grafen und derselbe, der ihn eingeladen, trat wieder hervor und dankte ihm für die erzeigte Gastfreundschaft. “Weil aber, sagte er dann, unsere Freude und unsere Hochzeit also ist gestört worden, daß noch ein anderes menschliches Auge darauf geblickt, so soll fortan euer Geschlecht nie mehr als sieben Eilenburgs zählen.” Darauf drängten sie nach einander schnell hinaus, bald war es still und der alte Graf wieder allein im finstern Saal. Die Verwünschung ist bis auf gegenwärtige Zeit eingetroffen und immer einer von den sechs lebenden Rittern von Eilenburg gestorben, ehe der siebente geboren war.

32.
Steinverwandelte Zwerge.

Spieß Vorrede zum Hans Heiling.

In Böhmen nicht weit von Elnbogen liegt in einem rauhen aber schönen Thal, durch welches sich die Egger[S. 41] bis beinahe ans Karlsbad in mancherlei Krümmungen durchwindet, die berühmte Zwergenhöhle. Die Bewohner der benachbarten Dörfer und Städte erzählen davon folgendes. Diese Felsen wurden in alten Zeiten von kleinen Berg-Zwergen bewohnt, die im Stillen da ihr Wesen trieben. Sie thaten niemanden etwas zu Leid, vielmehr halfen sie ihren Nachbarn in Noth und Trübsal. Lange Zeit wurden sie von einem gewaltigen Geister-Banner beherrscht, einmal aber, als sie eben eine Hochzeit feiern wollten und darum zu ihrer Kirche ausgezogen waren, gerieth er in heftigen Zorn und verwandelte sie in Stein oder vielmehr, da sie unvertilgbare Geister waren, bannte er sie hinein. Die Reihe dieser Felsen heißt noch jetzt: die verwünschte Zwergen-Hochzeit und man sieht sie in verschiedenen Gestalten auf den Bergspitzen stehen. In der Mitte eines der Felsen zeigt man das Bild eines Zwergs, welcher, als die übrigen dem Bann entfliehen wollten, zu lange im Gemach verweilte, und, indem er aus dem Fenster nach Hilfe umherblickte, in Stein verwandelt wurde.

Auch zeigt man auf dem Rathhause zu Elnbogen noch jetzt die verbannten ruchlosen und goldgeizigen Burggrafen in einem Klumpen klingenden Metall. Der Sage nach soll niemand, der mit einer Todsünde befleckt ist, diesen Klumpen in die Höhe heben können.

[S. 42]

33.
Zwerg-Berge.

Agricola Sprüchw. Bl. 171 b.

Zu Achen ist nicht weit von der Stadt ein Berg, dessen Bewohner zu ihren Hochzeiten von den Städtern Kessel, eherne Töpfe, Schüssel und Bratspieß entlehnen, hernachmals richtig wiederbringen. Ähnliche Zwergberge stehen in der Gegend von Jena und in der Grafschaft Hohenstein.

34.
Zwerge leihen Brot.

Joh. Wolfgang Rentsch Beschreibung merkwürdiger Sachen und Antiquit. des Fürstenthums Baireuth.

Der Pfarrer Hedler zu Selbitz und Marlsreuth erzählte im Jahr 1684. folgendes. Zwischen den zweien genannten Orten liegt im Wald eine Öffnung, die insgemein das Zwergenloch genannt wird, weil ehedessen und vor mehr als hundert Jahren daselbst Zwerge unter der Erde gewohnet, die von gewissen Einwohnern in Naila, die nothdürftige Nahrung zugetragen erhalten haben.

Albert Steffel siebenzig Jahr alt und im Jahr 1680. gestorben, und Hans Kohmann drei und sechzig Jahr alt und 1679. gestorben, zwei ehrliche, glaubhafte Männer haben etlichemal ausgesagt, Kohmanns Großvater habe einst auf seinem bei diesem Loch gelegenen Acker geackert[S. 43] und sein Weib ihm frischgebackenes Brot zum Frühstück aufs Feld gebracht und in ein Tüchlein gebunden am Rain hingelegt. Bald sey ein Zwerg-Weiblein gegangen kommen und habe den Ackermann um sein Brot angesprochen: “ihr Brot sey eben auch im Backofen, aber ihre hungrige Kinder könnten nicht darauf warten und sie wolle es ihnen Mittags von dem ihrigen wieder erstatten.” Der Großvater habe eingewilligt, auf den Mittag sey sie wieder gekommen, habe ein sehr weißes Tüchlein gebreitet und darauf einen noch warmen Laib gelegt, neben vieler Danksagung und Bitte, er möge ohne Scheu des Brots essen und das Tuch wolle sie schon wieder abholen. Das sey auch geschehen, dann habe sie zu ihm gesagt, es würden jetzt so viel Hammerwerke errichtet, daß sie, dadurch beunruhigt, wohl weichen und den geliebten Sitz verlassen müßte. Auch vertriebe sie das Schwören und große Fluchen der Leute, wie auch die Entheiligung des Sonntags, indem die Bauern vor der Kirche ihr Feld zu beschauen gingen, welches ganz sündlich wäre.

Vor kurzem haben sich an einem Sonntag mehrere Bauernknechte mit angezündeten Spänen in das Loch begeben, inwendig einen schon verfallenen sehr niedrigen Gang gefunden; endlich einen weiten, fleißig in den Felsen gearbeiteten Platz, viereckig, höher als Manns hoch, auf jeder Seite viel kleine Thürlein. Darüber ist ihnen ein Grausen angekommen und sind herausgegangen, ohne die Kämmerlein zu besehen.

[S. 44]

35.
Der Graf von Hoia.

Hammelmann oldenb. Chronik. 21. 22.
Tenzel monatl. Unterr. 1609. S. 525.
Prätorius Glückstopf 489. 490. u. Weltbeschr. I. 95.
Bräuner’s Curiosit. 622-624.

Es ist einmal einem Grafen zur Hoia ein kleines Männlein in der Nacht erschienen und wie sich der Graf entsetzte, hat es zu ihm gesagt, er sollte sich nicht erschrecken, es hätte ein Wort an ihm zu werben und zu bitten, er wolle ihm das nicht abschlagen. Der Graf antwortete, wenn es ihm zu thun möglich und ihm und den seinen unbeschwerlich wäre, so wollte er es gern thun. Da sprach das Männlein: “es wollen die folgende Nacht etliche zu dir auf dein Haus kommen und Ablager halten, denen wollest du Küche und Saal so lange leihen und deinen Dienern gebieten, daß sie sich schlafen legen und keiner nach ihrem Thun und Treiben sehe, auch keiner darum wisse, ohne du allein. Man wird sich dafür dankbarlich erzeigen, du und dein Geschlecht sollens zu genießen haben, es soll auch in dem allergeringsten weder dir noch den deinen Leid geschehen.” Solches hat der Graf eingewilliget. Also sind sie folgende Nacht, gleich als mit einem reisigen Zug, die Brücke hinauf ins Haus gezogen, allesammt kleine Leute, wie man die Bergmännlein zu beschreiben pflegt. Sie haben in der Küche gekocht, zugehauen und aufgegeben und hat sich nicht anders ansehen lassen, als wenn eine große Mahlzeit angerichtet[S. 45] würde. Darnach fast gegen Morgen, wie sie wiederum scheiden wollen, ist das kleine Männlein abermal zum Grafen gekommen, und hat ihm neben Danksagung gereicht ein Schwert, ein Salamander-Laken und einen güldenen Ring, in welchem ein rother Löwe oben eingemacht; mit Anzeigung, diese drei Stücke sollte er und seine Nachkömmlinge wohl verwahren und so lange sie dieselben bei einander hätten, würde es einig und wohl in der Grafschaft zustehen; sobald sie aber von einander kommen würden, sollte es ein Zeichen seyn, daß der Grafschaft nichts Gutes vorhanden wäre: und ist der rothe Löwe auch allzeit darnach, wann einer vom Stamm sterben sollte, erblichen.

Es sind aber zu den Zeiten, da Graf Jobst und seine Brüder unmündig waren und Franz von Halle Statthalter im Land, die beiden Stücke, als das Schwert und Salamander-Laken weggenommen, der Ring aber ist bei der Herrschaft geblieben, bis an ihr Ende. Wohin er aber seit der Zeit gekommen, weiß man nicht.

36.
Zwerge ausgetrieben.

Christ. Lehmann Erzgebürg. Schauplatz c. 2. S. 187. 188.

Im Erzgebürge wurden die Zwerge durch Errichtung der Hämmer und Pochwerke vertrieben. Sie beklagten sich schwer darüber, äußerten jedoch, sie wollten[S. 46] wiederkommen, wenn die Hämmer abgingen. Unter dem Berg Sion vor Quedlinburg ist vorzeiten ein Zwergenloch gewesen und die Zwerge haben oft den Einwohnern zu ihren Hochzeiten viel Zinnwerk und dergleichen gern vorgeliehen.

37.
Die Wichtlein.

Prätor. Weltbeschr. I. 129-132.
Bräuner’s Curiosit. 205-209.
G. Agricola de re metallica.
Valvassor Ehre von Crain I. 417.

Die Wichtlein oder Bergmännlein erscheinen gewöhnlich wie die Zwerge, nur etwa dreiviertel Ehle groß. Sie haben die Gestalt eines alten Mannes mit einem langen Bart, sind bekleidet wie Bergleute mit einer weißen Hauptkappe am Hemd und einem Leder hinten, haben Laterne, Schlägel und Hammer. Sie thun den Arbeitern kein Leid, denn wenn sie bisweilen auch mit kleinen Steinen werfen, so fügen sie ihnen doch selten Schaden zu, es sey denn daß sie mit Spotten und Fluchen erzürnt und scheltig gemacht werden. Sie lassen sich vornehmlich in den Gängen sehen, welche Erz geben oder wo gute Hoffnung dazu ist. Daher erschrecken die Bergleute nicht vor ihnen, sondern halten es für eine gute Anzeige, wenn sie erscheinen und sind desto fröhlicher und fleißiger. Sie schweifen in den Gruben und Schachten herum und[S. 47] scheinen gar gewaltig zu arbeiten, aber in Wahrheit thun sie nichts. Bald ists, als durchgrüben sie einen Gang oder eine Ader, bald, als faßten sie das Gegrabene in den Eimer, bald, als arbeiteten sie an der Rolle und wollten etwas hinauf ziehen, aber sie necken nur die Bergleute damit und machen sie irre. Bisweilen rufen sie, wenn man hinkommt, ist niemand da.

Am Kuttenberg in Böhmen hat man sie oft in großer Anzahl aus den Gruben heraus und hinein ziehen gesehen. Wenn kein Bergknappe drunten, besonders wenn groß Unglück oder Schaden vorstand (sie klopfen dem Bergmann dreimal den Tod an), hat man die Wichtlein hören scharren, graben, stoßen, stampfen und andere Bergarbeiten mehr vorstellen. Bisweilen auch, nach gewisser Maße, wie die Schmiede auf dem Ambos pflegen, das Eisen umkehren und mit Hämmern schmieden. Eben in diesem Bergwerke hörte man sie vielmals klopfen, hämmern und picken, als ob drei oder vier Schmiede etwas stießen; daher sie auch von den Böhmen Haus-Schmiedlein genannt wurden. In Idria stellen ihnen die Bergleute täglich ein Töpflein mit Speise an einen besondern Ort. Auch kaufen sie jährlich zu gewissen Zeiten ein rothes Röcklein, der Länge nach einem Knaben gerecht, und machen ihnen ein Geschenk damit. Unterlassen sie es, so werden die Kleinen zornig und ungnädig.

[S. 48]

38.
Beschwörung der Bergmännlein.

Prätorius im Glückstopf. S. 177.

Zu Nürnberg ist einer gewesen, mit Namen Paul Creuz, der eine wunderbare Beschwörung gebraucht hat. In einen gewissen Plan hat er ein neues Tischlein gesetzt, ein weißes Tuch darauf gedeckt, zwei Milchschüßlein drauf gesetzt, ferner: zwei Honigschüßlein, zwei Tellerchen und neun Messerchen. Weiter hat er eine schwarze Henne genommen und sie über einer Kohlpfanne zerrissen, so daß das Blut in das Essen hineingetropft ist. Hernach hat er davon ein Stück gegen Morgen, das andere gegen Abend geworfen und seine Beschwörung begonnen. Wie dies geschehen, ist er hinter einen grünen Baum gelaufen und hat gesehen, daß zwei Bergmännlein sich aus der Erde hervor gefunden, zu Tisch gesetzt, und bei dem kostbaren Rauchwerke, das auch vorhanden gewesen, gleichsam gegessen. Nun hat er ihnen Fragen vorgelegt, worauf sie geantwortet; ja, wenn er das oft gethan, sind die kleinen Geschöpfe so vertraut geworden, daß sie auch zu ihm ins Haus zu Gast gekommen. Hat er nicht recht aufgewartet, so sind sie entweder nicht erschienen oder doch bald wieder verschwunden. Er hat auch endlich ihren König zu Wege gebracht, der dann allein gekommen in einem rothen scharlachen Mäntlein, darunter er ein Buch gehabt, das er auf den Tisch geworfen und seinem Banner erlaubt hat, so viel und so lange er[S. 49] wollte drinnen zu lesen. Davon hat sich der Mensch große Weisheit und Geheimnisse eingebildet.

39.
Das Bergmännlein beim Tanz.

Brixener Volksbuch.

Es zeigten alte Leute mit Wahrhaftigkeit an, daß vor etlichen Jahren zu Glaß im Dorf, eine Stunde von dem Wunderberg und eine Stunde von der Stadt Salzburg, Hochzeit gehalten wurde, zu welcher gegen Abend ein Bergmännlein aus dem Wunderberge gekommen. Es ermahnte alle Gäste, in Ehren fröhlich und lustig zu seyn und verlangte, mit tanzen zu dürfen; das ihm auch nicht verweigert wurde. Also machte es mit einer und der andern ehrbaren Jungfrau allzeit drei Tänze und zwar mit besonderer Zierlichkeit, so daß die Hochzeitgäst mit Verwunderung und Freude zuschauten. Nach dem Tanz bedankte es sich und schenkte einem jeden der Brautleute drei Geldstücke von einer unbekannten Geldmünze, deren jedes man zu vier Kreuzer im Werthe hielt und ermahnte sie dabei, in Frieden und Eintracht zu hausen, christlich zu leben und bei einem frommen Wandel ihre Kinder zum Guten zu erziehen. Diese Münze sollten sie zu ihrem Geld legen und stets seiner gedenken, so würden sie selten in Noth kommen; sie sollten aber dabei nicht hoffährtig werden, sondern mit ihrem Ueberfluß ihren Nachbarn helfen.

[S. 50]

Dieses Bergmännlein blieb bei ihnen bis zur Nachtzeit und nahm von jedermann Trank und Speiß, die man ihm darreichte, aber nur etwas weniges. Alsdann bedankte es sich und begehrte einen Hochzeitmann, der es über den Fluß Salzach gegen den Berg zu schiffen sollte. Bei der Hochzeit war ein Schiffmann, Namens Johann Ständl, der machte sich eilfertig auf und sie gingen mit einander zur Ueberfahrt. Während derselben begehrte der Schiffmann seinen Lohn: das Bergmännlein gab ihm in Demuth drei Pfennige. Diesen schlechten Lohn verschmähte der Fährmann sehr, aber das Männlein gab ihm zur Antwort, er sollte sich das nicht verdrießen lassen, sondern die drei Pfennige wohl behalten, so würde er an seiner Habschaft nicht Mangel leiden, wo er anders dem Uebermuth Einhalt thue. Zugleich gab es dem Fährmann ein kleines Steinlein, mit den Worten: “wenn du dieses an den Hals hängst, so wirst du in dem Wasser nicht zu Grunde gehen können.” Und dieß bewährte sich noch in demselben Jahre. Zuletzt ermahnte es ihn zu einem frommen und demüthigen Lebenswandel und ging schnell von dannen.

40.
Das Keller-Männlein.

Prätorius Weltbeschr. I. 172. 173. und nochmals 319. 320.

Im Jahr 1665. trug sich zu Lützen folgendes zu: in einem Haus lief ein klein Männlein aus dem Keller[S. 51] hervor und sprengte vor dem Haus Wasser aus einer Kelte oder goß sie aus. Lief darauf wieder stillschweigends nach dem Keller, aber die Magd, die zugegen war, fürchtete sich, fiel auf ihre Knie und betete einen Psalm. Da fiel das Männlein zugleich mit ihr nieder, betete so lange als die Magd. Bald darauf kam Feuersbrunst im Städtlein aus und wurden mehrere neuerbaute Häuser in Asche gelegt, selbes Haus aber blieb unverletzt übrig. Auch soll nach solchem Begebniß das Männchen noch einmal erschienen seyn und gesprengt haben, allein es erfolgte an selbigem Orte nichts darauf.

41.
Die Ahnfrau von Ranzau.

Seyfried in medulla p. 481. Nr. 10.
vgl. Prätor. Weltbeschr. I. 104. 105.

In dem hollsteinischen adlichen Geschlecht der von Ranzau gehet die Sage: eines mals sey die Großmutter des Hauses bei Nachtzeit von der Seite ihres Gemahls durch ein kleines Männlein, so ein Laternlein getragen, erweckt worden. Das Männlein führte sie aus dem Schloß in einen hohlen Berg zu einem kreißenden Weib. Selbiger legte sie auf Begehren die rechte Hand auf das Haupt, worauf das Weibchen alsbald genas. Der Führer aber führte die Ahnfrau wieder zurück ins Schloß und gab ihr ein Stück Gold zur Gabe mit dem Bedeuten, daraus dreierlei machen[S. 52] zu lassen: funfzig Rechenpfennige, einen Hering und eine Spille, nach der Zahl ihrer dreien Kinder, zweier Söhne und einer Tochter; — auch mit der Warnung: diese Sachen wohl zu verwahren, ansonst ihr Geschlecht in Abnahme fallen werde.


Vollständiger und genauer ist diese Sage in einer französischen Novellensammlung enthalten, die zu Brüssel 1711. unter dem Titel: l’amant oisif herauskam und steht daselbst in der vorletzten Erzählung p. 405-411. la comtesse de Falinsperk (? Falkenberg), nouvelle allemande, folgendes Inhalts:

Die neuvermählte Gräfin, welche aus einem dänischen Geschlecht abstammte, ruhte an ihres Gemahles Seite, als ein Rauschen geschah: die Bettvorhänge wurden aufgezogen und sie sah ein wunderbar schönes Fräuchen, nur ellnbogengroß mit einem Licht vor ihr stehen. Dieses Fräuchen hub an zu reden: “fürchte dich nicht, ich thue dir kein Leid an, sondern bringe dir Glück, wenn du mir die Hülfe leistest, die mir Noth thut. Steh auf und folge mir, wohin ich dich leiten werde, hüte dich etwas zu essen von dem, was dir geboten wird, nimm auch kein ander Geschenk an, außer das was ich dir reichen will und das kannst du sicher behalten.”

Hierauf ging die Gräfin mit und der Weg führte unter die Erde. Sie kamen in ein Gemach, das flimmerte von Gold und Edelstein und war erfüllt mit lauter kleinen Männern und Weibern. Nicht lange,[S. 53] so erschien ihr König und führte die Gräfin an ein Bett, wo die Königin in Geburtsschmerzen lag, mit dem Ersuchen ihr beizustehn. Die Gräfin benahm sich aufs beste und die Königin wurde glücklich eines Söhnleins entbunden. Da entstand große Freude unter den Gästen, sie führten die Gräfin zu einem Tisch voll der köstlichsten Speisen und drangen in sie zu essen. Allein sie rührte nichts an, eben so wenig nahm sie von den Edelsteinen, die in goldnen Schalen standen. Endlich wurde sie von der ersten Führerin wieder fortgeführt und in ihr Bett zurückgebracht.

Da sprach das Bergfräuchen: “du hast unserm Reich einen großen Dienst erwiesen, der soll dir gelohnt werden. Hier hast du drei hölzerne Stäbe, die leg unter dein Kopfkissen und morgen früh werden sie in Gold verwandelt seyn. Daraus laß machen: aus dem ersten einen Hering, aus dem zweiten Rechenpfennige, aus dem dritten eine Spindel und offenbare die ganze Geschichte niemanden auf der Welt, außer deinem Gemahl. Ihr werdet zusammen drei Kinder zeugen, die die drei Zweige eures Hauses seyn werden. Wer den Hering bekommt, wird viel Kriegsglück haben, er und seine Nachkommen; wer die Pfennige, wird mit seinen Kindern hohe Staatsämter bekleiden; wer die Kunkel, wird mit zahlreicher Nachkommenschaft gesegnet seyn.”

Nach diesen Worten entfernte sich die Bergfrau, die Gräfin schlief ein und als sie aufwachte, erzählte sie ihrem Gemahl die Begebenheit, wie einen Traum.[S. 54] Der Graf spottete sie aus, allein als sie unter das Kopfkissen griff, lagen da drei Goldstangen; beide erstaunten und verfuhren genau damit, wie ihnen geheißen war.

Die Weißagung traf völlig ein und die verschiedenen Zweige des Hauses verwahrten sorgfältig diese Schätze. Einige, die sie verloren, sind verloschen. Die vom Zweig der Pfennige erzählen: einmal habe der König von Dänemark einem unter ihnen einen solchen Pfennig abgefordert und in dem Augenblick wie ihn der König empfangen, habe der, so ihn vorher getragen, in seinen Eingeweiden heftigen Schmerz gespürt.

42.
Herrmann von Rosenberg.

Unterred. vom Reich der Geister I. 223.

Als Herrmann von Rosenberg sein Beilager hielt, erschienen die Nacht darauf viele Erdgeister, kaum zwei Spannen lang, hatten ihre Musik bei sich und suchten um Erlaubniß nach, die Hochzeit eines ihrer Brautpaare ebenfalls hier begehen zu dürfen; sie gaben sich für still und friedlich aus. Auf erhaltene Verwilligung begingen sie nun ihr Fest.

[S. 55]

43.
Die osenberger Zwerge.

Winkelmann Beschr. des oldenb. Horns Bl. 15.
Happel (eines geborenen Hessen) rel. cur. II. 525.

Als Winkelmann im J. 1653. aus unserm Hessenlande nach Oldenburg reiste und über den Osenberg kommend in dem Dorf Bümmerstett von der Nacht übereilt wurde, erzählte ihm ein hundertjähriger Krugwirth, daß bei seines Großvaters Zeiten das Haus treffliche Nahrung gehabt, anjetzo wäre es aber schlecht. Wenn der Großvater gebrauet, wären Erdmännlein vom Osenberg gekommen, hätten das Bier ganz warm aus der Bütte abgehohlt und mit einem Geld bezahlt, das zwar unbekannt, aber von gutem Silber gewesen. Einsmal hätte ein altes Männlein im Sommer bei großer Wärme Bier hohlen wollen und vor Durst alsogleich getrunken, aber zu viel, daß es davon eingeschlafen. Hernach beim Aufwachen, wie es sah, daß es sich so verspätet hatte, hub das alte kleine Männlein an bitterlich zu weinen: “nun wird mich mein Großvater des langen Außenbleibens wegen schlagen.” In dieser Noth lief es auf und davon, vergaß seinen Bierkrug mitzunehmen und kam seitdem nimmer wieder. Den hinterlassenen Krug hätte sein (des Wirthes) Vater und er selbst auf seine ausgesteuerte Tochter erhalten und so lang der Krug im Haus gewesen, die Wirthschaft vollauf Nahrung gehabt. Als er aber vor kurzem zerbrochen worden, wäre das Glück gleichsam mit zerbrochen und alles krebsgängig.

[S. 56]

44.
Das Erdmännlein und der Schäferjung.

Prätor. Weltbeschr. I. 122.

Im Jahr 1664. hütete unfern Dresden ein Junge die Heerde des Dorfs. Auf einmal sah er einen Stein neben sich, von mäßiger Größe, sich von selbst in die Höhe heben und etliche Sprünge thun. Verstaunt trat er näher zu und besah den Stein, endlich hob er ihn auf. Und indem er ihn aufnahm, hüpfte ein jung Erdmännchen aus der Erde, stellte sich kurz hin vor den Schäferjungen und sprach: “ich war dahin verbannt, du hast mich erlöst und ich will dir dienen; gib mir Arbeit, daß ich etwas zu thun habe.” Bestürzt antwortete der Junge: “nun gut, du sollst mir helfen Schafe hüten.” Das verrichtete das Männchen sorgsam bis der Abend kam. Da fing es an und sagte: “ich will mit dir gehen, wo du hingehst.” Der Junge versetzte aber sogleich: “in mein Haus kann ich dich nicht gut mitnehmen, ich habe einen Stiefvater und noch andre Geschwister mehr, der Vater würde mich übel schlagen, wollte ich ihm noch jemand zubringen, der ihm das Haus kleiner machte.” “Ja du hast mich nun einmal angenommen, sprach der Geist, willst du mich selber nicht, mußt du mir anderswo Herberg schaffen.” Da wies ihn der Junge ins Nachbars Haus, der keine Kinder hatte. Bei diesem kehrte nun das Erdmännchen richtig ein und konnte es der Nachbar nicht wieder los werden.

[S. 57]

45.
Der einkehrende Zwerg.

Volkssage des berner Oberlandes, s. Wyß Volkssagen Bern 1815. S. 62-79. vgl. 315. und Alpenrosen 1813. S. 210-227.

Vom Dörflein Ralligen am Thunersee und von Schillingsdorf, einem durch Bergfall verschütteten Ort des Grindelwaldthals, vermuthlich von andern Orten mehr, wird erzählt: bei Sturm und Regen kam ein wandernder Zwerg durch das Dörflein, ging von Hütte zu Hütte und pochte regentriefend an die Thüren der Leute, aber niemand erbarmte sich und wollte ihm öffnen, ja sie höhnten ihn noch aus dazu. Am Rand des Dorfes wohnten zwei fromme Armen, Mann und Frau, da schlich das Zwerglein müd und matt an seinem Stab einher, klopfte dreimal bescheidentlich ans Fensterchen, der alte Hirt that ihm sogleich auf und bot gern und willig dem Gaste das wenige dar, was sein Haus vermochte. Die alte Frau trug Brot auf, Milch und Käs, ein Paar Tropfen Milch schlürfte das Zwerglein und aß Brosamen von Brot und Käse. “Ich bins eben nicht gewohnt, sprach es, so derbe Kost zu speisen, aber ich dank euch von Herzen und Gott lohns; nun ich geruht habe, will ich meinen Fuß weiter setzen.” “Ei bewahre, rief die Frau, in der Nacht in das Wetter hinaus, nehmt doch mit einem Bettlein vorlieb.” Aber das Zwerglein schüttelte und lächelte: “droben auf der Fluh hab ich allerhand zu schaffen und darf nicht länger ausbleiben, morgen sollt ihr mein schon gedenken.” Damit nahms Abschied und die Alten legten sich zur Ruhe. Der anbrechende Tag aber weckte[S. 58] sie mit Unwetter und Sturm, Blitze fuhren am rothen Himmel und Ströme Wassers ergossen sich. Da riß oben am Joch der Fluh ein gewaltiger Fels los und rollte zum Dorf herunter, mitsammt Bäumen, Steinen und Erde. Menschen und Vieh, alles was Athem hatte im Dorf, wurden begraben, schon war die Woge gedrungen bis an die Hütte der beiden Alten; zitternd und bebend traten sie vor ihre Thüre hinaus. Da sahen sie mitten im Strom ein großes Felsenstück nahen, oben drauf hüpfte lustig das Zwerglein, als wenn es ritte, ruderte mit einem mächtigen Fichtenstamm und der Fels staute das Wasser und wehrte es von der Hütte ab, daß sie unverletzt stand und die Hausleute außer Gefahr. Aber das Zwerglein schwoll immer größer und höher, ward zu einem ungeheuern Riesen und zerfloß in Luft, während jene auf gebogenen Knien beteten und Gott für ihre Errettung dankten.

46.
Zeitelmoos.

Beschreibung des Fichtelbergs. Lpz. 1716. S. 90.

Auf dem Fichtelberg, zwischen Wunsiedel und Weißenstadt, liegt ein großer Wald, Zeitelmoos genannt und daran ein großer Teich; in dieser Gegend hausen viele Zwerge und Berggeister. Ein Mann ritt einmal bei später Abendzeit durch den Wald und sah zwei Kinder bei einander sitzen, ermahnte sie auch, nach Haus zu gehen und nicht länger zu säumen. Aber diese fingen an überlaut zu lachen. Der Mann ritt fort und eine Strecke weiter traf er dieselben Kinder wieder an, welche wieder lachten.

[S. 59]

47.
Das Moosweibchen.

Prätorius Weltbeschr. I. 691. 692. aus dem Munde einer alten Frau zu Saalfeld.

Ein Bauer aus der Gegend von Saalfeld mit Namen Hans Krepel hatte ums Jahr 1635. Holz auf der Heide gehauen und zwar Nachmittags; da trat ein klein Moosweibchen herzu und sagte zu ihm: “Vater, wenn ihr hernach aufhöret und Feierabend macht, haut doch beim Umfällen des letzten Baums ja drei Creuze in den Stamm, es wird euch gut seyn.” Nach diesen Worten ging es weg. Der Bauer, ein grober und roher Kerl, dachte, zu was hilft mir die Quackelei und was kehr ich mich an ein solch Gespenste, unterließ also das Einhauen der drei Creuze und ging Abends nach Haus. Den folgenden Tag um die nämliche Zeit kehrte er wieder in den Wald, um weiter zu hauen; trat ihn wieder das Moosweibchen an und sprach: “ach ihr Mann, was habt ihr gestern die drei Creuze nicht eingehauen? es sollte euch und mir geholfen haben, denn uns jagt der wilde Jäger Nachmittags und Nachts ohn Unterlaß und tödtet uns jämmerlich, haben auch anders keinen Frieden vor ihm, wenn wir uns nicht auf solche behauene Baumstämme setzen können, davon darf er uns nicht bringen, sondern wir sind sicher.” Der Bauer sprach: “hoho, was sollten dabei die Creuze helfen; dir zu Gefallen mach ich noch keine dahin.” Hierauf aber fiel das Moosweibchen den Bauer an und[S. 60] drückte ihn dergestalt, daß er, obgleich stark von Natur, krank und elend wurde. Seit der Zeit folgte er der empfangenen Lehre besser, unterließ das Creuzeinhauen niemals und es begegnete ihm nichts widerliches mehr.

48.
Der wilde Jäger jagt die Moosleute.

Prätorius Weltbeschr. I. 693. 694. aus mündlichen Sagen im saalfeldischen.

Auf der Heide oder im Holz an dunkeln Örtern, auch in unterirdischen Löchern, hausen Männlein und Weiblein und liegen auf grünem Moos, auch sind sie um und um mit Moos bekleidet. Die Sache ist so bekannt, daß Handwerker und Drechsler sie nachbilden und feilbieten. Diesen Moosleuten stellt aber sonderlich der wilde Jäger nach, der in der Gegend zum öftern umzieht und man hört vielmal die Einwohner zu einander sprechen: nun der wilde Jäger hat sich ja nächsten wieder zujagt, daß es immer knisterte und knasterte!

Einmal war ein Bauer aus Arntschgereute nah bei Saalfeld aufs Gebirg gegangen zu holzen, da jagte der wilde Jäger, unsichtbar, aber so, daß er den Schall und das Hundegebell hörte. Flugs gab dem Bauer sein Vorwitz ein, er wolle mithelfen jagen, hub an zu schreien, wie Jäger thun, verrichtete daneben[S. 61] sein Tagewerk und ging dann heim. Frühmorgens den andern Tag als er in seinen Pferdestall gehen wollte, da war vor der Thür ein Viertel eines grünen Moosweibchens aufgehängt, gleichsam als ein Theil oder Lohn der Jagd. Erschrocken lief der Bauer nach Wirbach zum Edelmann von Watzdorf und erzählte die Sache, der rieth ihm, um seiner Wohlfahrt willen, ja das Fleisch nicht anzurühren, sonst würde ihn der Jäger hernach drum anfechten, sondern sollte es ja hangen lassen. Dieß that er denn auch und das Wildbret kam eben so unvermerkt wieder fort, wie es hingekommen war; auch blieb der Bauer ohne Anfechtung.

49.
Der Wassermann.

Prätorius Weltbeschr. I. 480-482. aus mündlicher Sage.

Gegen das Jahr 1630. erzählte in der Pfarrei zu Breulieb, eine halbe Meile von Saalfeld, in Gegenwart des Priesters eine alte Wehmutter folgendes, was ihrer Mutter, ebenfals Kinderfrau daselbst, begegnet sey.

Diese letzte wurde einer Nacht gerufen, schnell sich anzuziehen und zu kreissenden Frauen mitzukommen. Es war finster, doch machte sie sich auf und fand unten einen Mann warten, zu dem sagte sie: er möchte nur verziehen, bis sie sich eine Leuchte genommen, dann wollte sie nachfolgen; er aber drang auf Eile,[S. 62] den Weg würde er schon ohne Licht zeigen und sie sollten nicht irren. Ja er verband ihr noch dazu die Augen, daß die Frau erschrak und schreien wollte, allein der Mann sprach ihr Trost ein: Leid werde ihr gar nicht widerfahren, sondern sie könne furchtlos mitgehen. Also gingen sie miteinander; die Frau merkte darauf, daß er mit einer Ruthe ins Wasser schlug, und sie immer tiefer hinunter gingen, bis sie in eine Stube kamen. In der Stube war niemand als die Schwangere. Der Gefährte that ihr nunmehr das Band von den Augen, führte sie vors Bett und ging, nachdem er sie seiner Frauen anbefohlen, selber hinaus. Hierauf half sie das Kindlein zur Welt befördern, brachte die Kindbetterin zu Bett, badete das Kindlein und verrichtete alle nothwendige Sachen dabei. Aus heimlicher Dankbarkeit warnungsweise hob die Wöchnerin an zur Wehemutter zu sprechen: “ich bin sowohl als ihr ein Christenmensch und entführt worden von einem Wassermann, der mich ausgetauscht hat. Wenn ich nun ein Kind zur Welt bringe, frißt er mirs allemal den dritten Tag; kommet nur am dritten Tag zu eurem Teich, da werdet ihr Wasser in Blut verwandelt sehen. Wenn mein Mann jetzt hereinkommt und euch Geld bietet, so nehmet ja nicht mehr Geld von ihm, als ihr sonst zu kriegen pflegt, sonst dreht er euch den Hals um, nehmt euch ja in Acht.” Indem kam der Mann, zornig und bös aussehend, hinein, sah um sich und befand, daß alles hübsch aufgelaufen, lobete darum die Wehemutter. Hernach[S. 63] warf er einen großen Haufen Geld auf den Tisch, mit den Worten: “davon nehmt euch, so viel ihr wollt.” Sie aber, gescheidt, antwortete etlichemal: “ich gehre von euch nichts mehr, denn von andern, welches dann ein geringes Geld gewesen, und gebt ihr mir das, hab ich gnug dran; oder ist euch auch das zu viel, verlange ich gar nichts, außer daß ihr mich nach Haus bringet.” Er hub an: “das hieß dich Gott sprechen.” Zahlte ihr so viel Geld und geleitete sie richtig nach Haus. An den Teich zu gehen wagte sich aber den bestimmten Tag die Wehefrau nicht, aus Furcht.

50.
Die wilden Frauen im Unterberge.

Brixener Volksbuch.

Die Grödicher Einwohner und Bauersleute zeigten an, daß zu diesen Zeiten (um das Jahr 1753.) vielmals die wilden Frauen aus dem Wunderberge zu den Knaben und Mägdlein, die zunächst dem Loche innerhalb Glanegg das Waidvieh hüteten, herausgekommen und ihnen Brot zu essen gegeben.

Mehrmals kamen die wilden Frauen zu der Ährenschneidung. Sie kamen früh Morgens herab und Abends, da die andern Leute Feier-Abend genommen, gingen sie, ohne die Abend-Mahlzeit mitzuessen, wiederum in den Wunderberg hinein.

Einstens geschah auch nächst diesem Berge, daß[S. 64] ein kleiner Knab auf einem Pferde saß, das sein Vater zum Umackern eingespannt hatte. Da kamen auch die wilden Frauen aus dem Berge hervor und wollten diesen Knaben mit Gewalt hinweg nehmen. Der Vater aber, dem die Geheimnisse und Begebenheiten dieses Berges schon bekannt waren, eilte den Frauen ohne Furcht zu und nahm ihnen den Knaben ab, mit den Worten: “was erfrecht ihr euch, so oft herauszugehen und mir jetzt sogar meinen Buben wegzunehmen? was wollt ihr mit ihm machen?” Die wilden Frauen antworteten: “er wird bei uns bessere Pflege haben und ihm besser bei uns gehen, als zu Haus; der Knabe wäre uns sehr lieb, es wird ihm kein Leid widerfahren.” Allein der Vater ließ seinen Knaben nicht aus den Händen und die wilden Frauen gingen bitterlich weinend von dannen.

Abermals kamen die wilden Frauen aus dem Wunderberge nächst der Kugel-Mühle oder Kugelstadt genannt, so bei diesem Berge schön auf der Anhöhe liegt und nahmen einen Knaben mit sich fort, der das Waidvieh hütete. Diesen Knaben, den jedermann wohl kannte, sahen die Holzknechte erst über ein Jahr in einem grünen Kleid auf einem Stock dieses Bergs sitzen. Den folgenden Tag nahmen sie seine Eltern mit sich, Willens, ihn am Berge aufzusuchen, aber sie gingen alle umsonst, der Knabe kam nicht mehr zum Vorschein.

Mehrmals hat es sich begeben, daß eine wilde Frau aus dem Wunderberg gegen das Dorf Anif ging,[S. 65] welches eine gute halbe Stunde vom Berg entlegen ist. Alldort machte sie sich in die Erde Löcher und Lagerstätte. Sie hatte ein ungemein langes und schönes Haar, das ihr beinahe bis zu den Fußsohlen hinabreichte. Ein Bauersmann aus dem Dorfe sah diese Frau öfter ab- und zugehen und verliebte sich in sie, hauptsächlich wegen der Schönheit ihrer Haare. Er konnte sich nicht erwehren zu ihr zu gehen, betrachtete sie mit Wohlgefallen und legte sich endlich in seiner Einfalt ohne Scheu zu ihr in ihre Lagerstätte. Es sagte eins zum andern nichts, viel weniger, daß sie etwas ungebührliches getrieben. In der zweiten Nacht aber fragte die wilde Frau den Bauern, ob er nicht selbst eine Frau hätte? Der Bauer aber verläugnete seine Ehefrau und sprach nein. Diese aber machte sich viel Gedanken, wo ihr Mann Abends hingehe und Nachts schlafen möge. Sie spähete ihm daher nach und traf ihn auf dem Feld schlafend bei der wilden Frau. “O behüte Gott, sprach sie zur wilden Frau, deine schönen Haare! was thut ihr da miteinander?” Mit diesen Worten wich das Bauersweib von ihnen und der Bauer erschrak sehr hierüber. Aber die wilde Frau hielt dem Bauern seine treulose Verläugnung vor und sprach zu ihm: “hätte deine Frau bösen Haß und Ärger gegen mich zu erkennen gegeben, so würdest du jetzt unglücklich seyn und nicht mehr von dieser Stelle kommen; aber weil deine Frau nicht bös war, so liebe sie fortan und hause mit ihr getreu und untersteh dich nicht mehr daher zu kommen, denn es[S. 66] steht geschrieben: ‘ein jeder lebe getreu mit seinem getrauten Weibe’, obgleich die Kraft dieses Gebots einst in große Abnahme kommen wird und damit aller zeitlicher Wohlstand der Eheleute. Nimm diesen Schuh voll Geld von mir, geh hin und sieh dich nicht mehr um.”

51.
Tanz mit dem Wassermann.

Valvassor Ehre von Crain. B. 11. u. B. 15. Cap. 19.

Zu Laibach hat in dem gleich-benannten Fluß ein Wasser-Geist gewohnt, den man den Nix oder Wassermann hieß. Er hat sich sowohl bei Nacht den Fischern und Schiffleuten als bei Tag andern gezeigt, daß jedermann zu erzählen wußte, wie er aus dem Wasser hervorgestiegen sey und in menschlicher Gestalt sich habe sehen lassen. Im Jahr 1547. am ersten Sonntag im Julius kam nach alter Sitte zu Laibach auf dem alten Markt bei dem Brunnen, der durch eine dabeistehende schöne Linde lustig beschattet war, die ganze Nachbarschaft zusammen. Sie verzehrten in freundlicher und nachbarlicher Vertraulichkeit bei klingendem Spiel ihr Mahl und huben darauf mit dem Tanze an. Nach einer Weil trat ein schöngestalter, wohlgekleideter Jüngling herzu, gleich als wollte er an dem Reigen Theil nehmen. Er grüßte die ganze Versammlung höflich und bot jedem Anwesenden freundlich die Hand, welche aber ganz weich und eiskalt war[S. 67] und bei der Berührung jedem ein seltsames Grauen erregte. Hernach zog er ein wohlaufgeschmücktes und schöngebildetes, aber frisches und freches Mägdlein, von leichtfertigem Wandel, das Ursula Schäferin hieß, zum Tanze auf, die sich in seine Weise auch meisterlich zu fügen und in alle lustige Possen zu schicken wußte. Nachdem sie eine Zeit lang miteinander wild getanzt, schweiften sie von dem Platz, der den Reigen zu umschränken pflegte, immer weiter aus, von jenem Lindenbaum nach dem Sitticher Hofe zu, daran vorbei, bis zu der Laibach, wo er in Gegenwart vieler Schiffleute mit ihr hineinsprang und beide vor ihren Augen verschwanden.

Der Lindenbaum stand bis ins Jahr 1638. wo er Alters halben umgehauen werden mußte.

52.
Der Wassermann und der Bauer.

Mündlich, aus Deutschböhmen.

Der Wassermann schaut wie ein andrer Mensch, nur daß, wenn er den Mund bleckt, man ihm seine grüne Zähne sieht. Auch trägt er grünen Hut. Er zeigt sich den Mädchen, wenn sie am Teich vorübergehen, mißt Band aus und wirfts ihnen zu.

Einmal lebte er in guter Nachbarschaft mit einem Bauer, der unweit des Sees wohnte, besuchte ihn manchmal und bat endlich, daß der Bauer ihn ebenfalls[S. 68] unten in seinem Gehäus besuchen möchte. Der Bauer thats und ging mit. Da war unten im Wasser alles wie in einem prächtigen Palast auf Erden, Zimmer, Säle und Kammern voll mancherlei Reichthum und Zierrath. Der Wassermann führte den Gast aller Enden umher und wies ihm jedes, endlich gelangten sie in ein kleines Stübchen, wo viel neue Töpfe umgekehrt, die Öffnung bodenwärts, standen. Der Bauer fragte: was das doch wäre? “Das sind die Seelen der Ertrunkenen, die hebe ich unter den Töpfen auf und halte sie damit fest, daß sie nicht entwischen können.” Der Bauer schwieg still und kam hernach wieder heraus ans Land. Das Ding mit den Seelen wurmte ihm aber lange Zeit und er paßte dem Wassermann auf, daß er einmal ausgegangen seyn würde. Als das geschah, hatte der Bauer den rechten Weg hinunter sich wohl gemerkt, stieg in das Wasserhaus und fand auch jenes Stübchen glücklich wieder; da war er her, stülpte alle Töpfe um, einen nach dem andern, alsbald stiegen die Seelen der ertrunkenen Menschen hinauf in die Höhe aus dem Wasser und wurden wieder erlöst.

53.
Der Wassermann an der Fleischerbank.

Mündlich, aus Deutschböhmen.

Der Wassermann kam auch wöchentlich in die Stadt zur Fleischerbank, sich da einzukaufen, und wie wohl[S. 69] seine Kleidung etwas anders war, als der übrigen Menschen, ließ ihn doch jeder gewähren und dachte sich weiter nichts besonders dabei. Allein er bezahlte immer nur mit alten durchlöcherten Groschen. Daran merkte ihn zuletzt ein Fleischer und sprach: “wart, den will ich zeichnen, daß er nicht wieder kommt.” Jetzt, wie der Wassermann wiederkam und Fleisch kaufen wollte, ersahs der Metzger und ritzte ihn flugs mit dem Messer in den ausgestreckten Finger, worin er das Geld hinreichte, so daß sein Blut floß. Seit der Zeit ist der Wassermann ganz weggeblieben.

54.
Der Schwimmer.

Bräuner’s Curiosit. S. 37.

In Meissen hat es sich zugetragen, daß etliche Beckers-Knechte am Pfingst-Fest unter der Predigt hinaus gegangen sind und oberhalb der Ziegel-Scheune, gleich dem Baumgarten gegenüber, in der Elbe gebadet. Einer unter ihnen, der sich auf seine Fertigkeit im Schwimmen verlassen, hat zu seinen Gesellen gesagt, wofern sie ihm einen Thaler aufsetzten, wollte er dreimal nach einander, unausgeruht, dies Wasser hin und her beschwimmen. Den zwei andern kam das unglaublich vor, und sie willigten ein. Nachdem der verwegene Mensch es zweimal vollbracht und nun zum drittenmal nach dem Sieben-Eichen-Schloß zu hinüber[S. 70] schwimmen wollte, da sprang ein großer Fisch, wie ein Lachs, vor ihm in die Höhe und schlug ihn mit sich ins Wasser hinab, also daß er ertrinken mußte. Man hat ihn noch selbiges Tages gesucht und oberhalb der Brücke gefunden: am ganzen Leibe waren gezwickte Mäler, von Blut unterlaufen, zu sehen und man konnte gar leicht die Narben erkennen, die ihm der Nix oder Wassergeist gemacht.

55.
Bruder Nickel.

Cluver germ. antiq. lib. 3. c. 27.
Prätor. Weltbeschr. I. 487. 488.
vgl. Micrälius B. 1. S. 16. Zöllner’s Reise 259.

Auf der Insel Rügen liegt in einem dichten Walde ein tiefer See, fischreich, aber trüb von Wasser, und kann man nicht wohl darauf fischen. Doch aber unterstandens vor langen Jahren etliche Fischer und hatten ihren Kahn schon auf den See gebracht. Den andern Tag hohlten sie zu Haus ihre Netze, als sie wiederkehrten, war das Schiffel oder der Kahn verschwunden; da schaute der eine Fischer um und sah das Fahrzeug oben auf einem hohen Buchbaum stehen, deswegen schrie er: “wer Teufel hat mir den Kahn auf den Baum gebracht?” Da antwortete aus der Nähe eine Stimme, aber man sah niemand, und sprach: “das haben nicht alle Teufel, sondern ich mit meinem Bruder Nickel gethan!”

[S. 71]

56.
Nixen-Brunnen

Kornmann mons Veneris Cap. 43. p. 215.
Wormius monim. danica lib. I. p. 17. 18.
Hornung cista medica p. 191.

Nicht weit von Kirchhain in Hessen liegt ein sehr tiefer See, welcher der Nixen-Bronn heißt, und oftmals erscheinen die Nixen, an dessen Gestad sich zu ersonnen. Die Mühle daran heißt gleichfalls die Nixen-Mühle. Auch zu Marburg soll 1615. in der Lahn bei der Elisabether Mühle ein Wassernix gesehen worden seyn.

57.
Magdeburger Nixen.

Prätor. Weltbeschr. I. 497. 498.

Zu Magdeburg an einer Stelle der Elbe ließ sich oft die Nixe sehen, zog die überschwimmenden Leute hinab und ersäufte sie. Kurz vor der Zerstörung der Stadt durch Tilly schwomm ein hurtiger Schwimmer um ein Stück Geld hinüber, als er aber herüber wollte und an den Ort gerieth, wurde er festgehalten und hinuntergerissen. Niemand konnte ihn retten und zuletzt schwomm sein Leichnam ans Ufer. Zuweilen soll sich das Meerwunder am hellen Tag und bei scheinender Sonne zeigen, sich ans Ufer setzen, oder auf die Äste anstehender Bäume und wie schöne Jungfrauen lange, goldgelbe Haare kämmen. Wenn aber Leute nahen, hüpft es ins Wasser. Einmal, weil das Brunnenwasser hart zu kochen ist, das Elbwasser aber weit[S. 72] und mühseelig in die Stadt getragen werden muß, wollte die Bürgerschaft eine Wasserleitung bauen lassen. Man fing an, große Pfähle in den Fluß zu schlagen, konnte aber bald nicht weit vorrücken. Denn man sah einen nackenden Mann in der Flut stehen, der mit Macht alle eingesetzte Pfähle ausriß und zerstreute, so daß man den vorgenommenen Bau wieder einstellen mußte.

58.
Der Dönges-See.

Mündlich, aus Hessen.

Bei dem Dorfe Dönges in Hessen liegt der Dönges- oder Haut-See, der an einem gewissen Tage im Jahr ganz blutroth wird. Davon gibt es folgende Sage. Einmal war im Dorfe Dönges Kirmes und dazu kamen auch zwei fremde, unbekannte, aber schöne Jungfrauen, die mit den Bauersburschen tanzten und sich lustig machten, aber Nachts zwölf Uhr verschwunden waren, während doch Kirmes Tag und Nacht fortdauert. Indeß waren sie am andern Tag wieder da und ein Bursche, dem es lieb gewesen, wenn sie immer geblieben wären, nahm einer von ihnen während des Tanzes die Handschuhe weg. Sie tanzten nun wieder mit, bis Mitternacht herannahete, da wollten sie fort und die eine ging und suchte nach ihren Handschuhen in allen Ecken. Da sie solche nirgends finden konnte, ward sie[S. 73] ängstlich, als es aber während des Suchens zwölf Uhr schlug, so liefen sie beide in größter Angst fort, gerade nach dem See und stürzten sich hinein. Am andern Tag war der See blutroth und wird es an selbigem noch jedesmal im Jahr. An den zurückgebliebenen Handschuhen waren oben kleine Kronen zu sehen.

Es wird auch erzählt, daß in einer Nacht zwei Reiter vor das Haus einer Kinderfrau kamen, sie weckten und sie mitgehen hießen. Als sie sich weigerte, brauchten sie Gewalt, banden sie aufs Pferd und jagten mit ihr fort zum Dönges-See, wo sie ihrer Königin in Kindes-Nöthen Beistand leisten sollte. Sie sah viel wundersame Dinge, große Schätze und Reichthümer, mußte aber schwören, keinem Menschen je etwas davon zu sagen. Nachdem sie einen ganzen Tag unten geblieben war, ward sie, reichlich beschenkt, in der Nacht wieder heraufgebracht. Nach vielen Jahren erkrankte sie und konnte nicht sterben, bis sie dem Pfarrer alles entdeckt hatte.

59.
Mummel-See.

Simplicissimus B. 5. Cap. 10.

Im Schwarzwald, nicht weit von Baden, liegt ein See, auf einem hohen Berg, aber unergründlich. Wenn man ungerad, Erbsen, Steinlein, oder was anders, in ein Tuch bindet und hinein hängt, so verändert[S. 74] es sich in gerad, und also, wenn man gerad hinein hängt, in ungerad. So man einen oder mehr Steine hinunterwirft, trübt sich der heiterste Himmel und ein Ungewitter entsteht, mit Schloßen und Sturmwinden.

Da einst etliche Hirten ihr Vieh bei dem See gehütet, so ist ein brauner Stier daraus gestiegen, sich zu den übrigen Rindern gesellend, alsbald aber ein Männlein nachgekommen, denselben zurückzutreiben, auch da er nicht gehorchen wollen, hat es ihn verwünscht, bis er mitgegangen.

Ein Bauer ist zur Winterszeit über den hartgefrorenen See mit seinen Ochsen und einigen Baumstämmen ohne Schaden gefahren, sein nachlaufendes Hündlein aber ertrunken, nachdem das Eis unter ihm gebrochen.

Ein Schütz hat im Vorübergehn ein Waldmännlein darauf sitzen sehen, den Schoos voll Geld und damit spielend; als er darauf Feuer geben wollen, so hat es sich niedergetaucht und bald gerufen: wenn er es gebeten, so hätte es ihn leicht reich gemacht, so aber er und seine Nachkommen in Armuth verbleiben müßten.

Eines Males ist ein Männlein auf späten Abend zu einem Bauern auf dessen Hof gekommen, mit der Bitte um Nachtherberg. Der Bauer, in Ermangelung von Betten, bot ihm die Stubenbank oder den Heuschober an, allein es bat sich aus, in der Hanfräpen zu schlafen. “Meinethalben, hat der Bauer geantwortet, wenn dir damit gedienet ist, magst du wohl gar im[S. 75] Weiher oder Brunnentrog schlafen.” Auf diese Verwilligung hat es sich gleich zwischen die Binsen und das Wasser eingegraben, als ob es Heu wäre, sich darin zu wärmen. Frühmorgens ist es herausgekommen, ganz mit trockenen Kleidern, und als der Bauer sein Erstaunen über den wundersamen Gast bezeiget, hat es erwiedert: ja, es könne wohl seyn, daß seines gleichen nicht in etlich hundert Jahren hier übernachtet. Von solchen Reden ist es mit dem Bauer so weit ins Gespräch kommen, daß es solchem vertraut, es sey ein Wassermännlein, welches sein Gemahel verloren und in dem Mummelsee suchen wolle, mit der Bitte, ihm den Weg zu zeigen. Unterweges erzählte es noch viel wunderliche Sachen, wie es schon in viel Seen sein Weib gesucht und nicht gefunden, wie es auch in solchen Seen beschaffen sey. Als sie zum Mummelsee gekommen, hat es sich untergelassen, doch zuvor den Bauer zu verweilen gebeten, so lange, bis zu seiner Wiederkunft, oder bis es ihm ein Wahrzeichen senden werde. Wie er nun ungefähr ein Paar Stunden bei dem See aufgewartet, so ist der Stecken, den das Männlein gehabt, sammt ein paar Handvoll Bluts mitten im See durch das Wasser heraufgekommen und etliche Schuh hoch in die Luft gesprungen, dabei der Bauer wohl abnehmen können, daß solches das verheißene Wahrzeichen gewesen.

Ein Herzog zu Wirtemberg ließ ein Floß bauen, und damit auf den See fahren, dessen Tiefe zu ergründen. Als aber die Messer schon neun Zwirnnetz[S. 76] hinuntergelassen und immer noch keinen Boden gefunden hatten, so fing das Floß gegen die Natur des Holzes zu sinken an, also daß sie von ihrem Vorhaben ablassen und auf ihre Rettung bedacht seyn mußten. Vom Floß sind noch Stücke am Ufer zu sehen.

60.
Die Elbjungfer und das Saalweiblein.

Mündlich aus Magdeburg.
desgl. Prätorius Weltbeschr. I. 482. 483. aus Saalfeld und Halle.
Bräuner’s Curiositäten, aus Leipzig. S. 33. 34.

Zu Magdeburg weiß man von der schönen Elbjungfer, die zuweilen aus dem Fluß heraufkam, um an dem Fleischermarkt einzukaufen. Sie trug sich bürgerlich, aber sehr reinlich und sauber, hatte einen Korb in der Hand und war von sittsamer Geberde. Man konnte sie in nichts von andern Mädchen unterscheiden, außer wer genau acht gab und es wußte, der eine Zipfel ihrer schloßen-weißen Schürze war immer naß, zum Zeichen ihrer Abkunft aus dem Fluß. Ein junger Fleischergesell verliebte sich in sie und ging ihr nach, bis er wußte, woher sie kam und wohin sie zurückkehrte, endlich stieg er mit ins Wasser hinab. Einem Fischer, der den Geliebten beistand und oben am Ufer wartete, hatte sie gesagt, wenn ein hölzerner Teller mit einem Apfel aus dem Strom hervorkomme, seys gut, sonst aber nicht. Bald aber schoß ein rother Strahl herauf, zum Beweis, daß den Verwandten der Elbjungfer[S. 77] der Bräutigam mißfallen und sie ihn getödtet. Es gibt aber hiervon auch abweichende andere Erzählungen, nach welchen die Braut hinabgestiegen und der Jüngling am Ufer sitzen geblieben war, um ihren Bescheid abzuwarten. Sie wollte unten bei ihren Eltern um die Erlaubniß zur Heirath bitten, oder die Sache erst ihren Brüdern sagen; statt aller Antwort erschien oben ein Blutflecken; sie hatten sie selbst ermordet. —

Aus der Saale kamen auch zuweilen die Nixfrauen in die Stadt Saalfeld und kauften Fleisch auf der Bank. Man unterschied sie allein an den großen und gräßlichen Augen und an dem triefenden Schweif ihrer Röcke unten. Sie sollen vertauschte Menschenkinder seyn, statt deren die Nixen ihre Wechselbälge oben gelassen haben. Zu Halle vor dem Thore liegt gleichfalls ein rund Wasser, der Nixteich genannt, aus dem die Weiber kommen in die Stadt, ihre Nothdurft zu kaufen, und ebenmäßig an ihren nassen Kleidersäumen zu erkennen sind. Sonst haben sie Kleider, Sprache, Geld, wie wir andern auch.

Unweit Leipzig ist ein Nixweiblein oft auf der Straße gesehen worden. Es ist unter andern Bauersweibern auf den Wochenmarkt mit einem Tragkorbe gegangen, Lebensmittel einzukaufen. Eben so ging es auch wieder zurück, redete aber mit niemanden ein einziges Wort; grüßte und dankte auch keinem auf der Straße, aber, wo es etwas einkaufte, wußte es so genau, wie andere Weiber, zu dingen und zu handeln. Einmal gingen ihr zweie auf dem Fuß nach und sahen[S. 78] wie sie an einem kleinen Wasser ihren Tragkorb niedersetzte, der im Augenblick mit dem Weiblein verschwunden war. In der Kleidung war zwischen ihr und andern kein Unterschied, außer daß ihre Unterkleider zwei Hände breit naß waren.

61.
Wasser-Recht.

Bräuner’s Curiositäten S. 31.
Schönfeld de spectris. Marburgi. 1685. p. 19.
Mündlich.

Bei Leipzig, wo die Elster in die Pleisse fällt, pflegt im Sommer das junge Volk zu baden, aber das Wasser hat da einen betrüglichen Lauf, zuweilen Untiefen, zuweilen Sandbänke, besonders an einem Ort, welcher das Studentenbad genannt wird. Davon, wie von andern Flüssen, ist gemeine Sage, daß es alle Jahr einen Menschen haben müsse, wie auch fast jeden Sommer ein Mensch darin ertrinkt und wird davon geglaubt, daß die Wasser-Nixe einen hinunter ziehe.

Man erzählt, daß die Nixen vorher auf dem Wasser zu tanzen pflegen, wann einer ertrinken wird.

Kindern, die baden wollen und am Ufer stehen, rufen die Eltern in Hessen warnend zu: “der Nöcken (Nix) mögte dich hineinziehen!” Folgenden Kinderreim hat man:

Nix in der Grube,
du bist ein böser Bube,
wasch dir deine Beinchen
mit rothen Ziegelsteinchen!

[S. 79]

62.
Das ertrunkene Kind.

Wilh. Meister. III. 501.
Nationalzeitung der Deutschen. 1796. S. 74.

Man pflegt vielerlei von den Wassern zu erzählen und daß der See oder der Fluß alle Jahre ein unschuldiges Kind haben müsse; aber er leide keinen todten Leichnam und werfe ihn früh oder spät ans Ufer aus, ja sogar das letzte Knöchelchen, wenn es zu Grunde gesunken sey, müsse wieder hervor. Einmal war einer Mutter ihr Kind im See ertrunken, sie rief Gott und seine Heiligen an, ihr nur wenigstens die Gebeine zum Begräbniß zu gönnen. Der nächste Sturm brachte den Schädel, der folgende den Rumpf ans Ufer, und nachdem alles beisammen war, faßte die Mutter sämmtliche Beinlein in ein Tuch und trug sie zur Kirche. Aber, o Wunder! als sie in den Tempel trat, wurde das Bündel immer schwerer, und endlich, als sie es auf die Stufen des Altars legte, fing das Kind zu schreien an und machte sich zu jedermanns Erstaunen aus dem Tuche los. Nur fehlte ein Knöchelchen des kleinen Fingers an der rechten Hand, welches aber die Mutter nachher noch sorgfältig aufsuchte und fand. Dies Knöchelchen wurde in der Kirche unter andern Reliquien zum Gedächtniß aufgehoben. — Die Schiffer und Fischerleute bei Cüstrin in der Neumark reden ebenfalls von einem den Oderstrom beherrschenden unbekannten Wesen, das jährlich sein bestimmtes Opfer[S. 80] haben müsse. Wem nun dies Schicksal zugedacht sey, für den werde der Wassertod unvermeidlich. Die Halloren zu Halle fürchten besonders den Johannestag.

63.
Schlitz-öhrchen.

Jäger Briefe über die hohe Rhön. 1803. Th. 3. S. 12.

Leute, die unter Mellrichstadt über das Flüßchen Streu gehen, werden durch einen Wassergeist, Schlitz-öhrchen genannt, in den Fluß getaucht und oftmals ersäuft.

64.
Die Wasser-Nixe und der Mühlknappe.

Prätorius im Glückstopf. S. 505. 506. aus mündlicher Sage.

Zwei Mühlknappen gehen an einem Fluß; als der eine ungefähr übers Wasser sieht, erblickt er eine Nixe darauf sitzend und ihre Haare kämmend. Er faßt seine Büchse und legt an, sie zu schießen, aber die Nixe springt in den Fluß, winkt mit den Fingern und verschwindet darauf. Das alles war so geschwind und unvermerkt vorgegangen, daß der andere Knappe, der voran gewandert, nichts davon gesehen und erfahren, bis es ihm sein Gefährte bald erzählte. Drauf hat es sich begeben, daß dieser Gefährte am dritten Tage ertrank, wie er sich hat baden wollen.

[S. 81]

65.
Vor den Nixen hilft Dosten und Dorant.

Prätorius Weltbeschr. I. 106-108. 531-535.
Aehnlich in Bräuner’s Curiositäten. 34-36.

Eine hallische Wehmutter erzählte, daß folgendes ihrer Lehrmeisterin begegnet: diese wurde Nachts zum Thor, welches offen stand, von einem Manne hinaus an die Saale geführt. Unterwegs bedräute sie der Mann, kein Wort zu sagen und ja nicht zu mucksen, sonst drehte er ihr bald den Hals um, übrigens sollte sie nur getrost seyn. Sie gedachte an Gott, der würde sie behüten und ergab sich drein, denn sie ginge in ihrem Beruf. An der Saale nun that sich das Wasser auf und weiter hinunter auch das Erdreich, sie stiegen allmälig hinab, da war ein schöner Pallast, worin ein niedliches Weiblein lag. Der half die Wehmutter in Kindsnöthen, unterdessen ging der Mann wieder hinaus. Nach glücklicher Verrichtung ihres Amts, redete mitleidend das Weibchen: “ach liebe Frau, nun jammert mich, daß ihr hier bleiben müßt, bis an den jüngsten Tag, nehmt euch wohl in Acht; mein Mann wird euch jetzt eine ganze Mulde voll Ducaten vorsetzen, nehmt nicht mehr, als euch auch andre Leute zu geben pflegen für eure Mühwaltung. Weiter, wenn ihr zur Stube hinauskommt und unterwegs seyd, greifet flugs an die Erde, da werdet ihr Dosten[2] und[S. 82] Dorant[3] erfassen, solches haltet fest und lassets aus der Hand nicht fahren. Dann werdet ihr wieder auf freien Fuß kommen und zu eurer Stelle gerathen.” Kaum hatte sie ausgeredet, als der Nix, gelbkraus von Haar und bläulich von Augen, in die Stube trat; er hatte eine große Mulde voll Gold und setzte sie in dem schönen hellen Zimmer der Wehfrau vor, sprechend: “sieh da, nimm so viel du willt.” Darauf nahm sie einen Goldgülden. Der Nix verzog sein Gesicht und machte grausame Augen, und sprach: “das hast du nicht von dir selber, sondern mit eines Weibes Kalbe gepflügt, die soll schon dafür leiden! und nun komm und geh mit mir.” Drauf war sie aufgestanden und er führte sie hinaus; da bückte sie sich flugs und griff in ihre Hand Dosten und Dorant. Der Führer sagte dazu: “das heißt dich Gott sprechen und das hast du auch von meinem Weibe gelernt. Nun geh nur hin, wo du herkommen bist.” Hierauf war sie aus dem Fluß ans Ufer gewesen, ging zur Stadt ein, deren Thore noch offen standen, und erreichte glücklich ihr Haus.

Eine andere Hebamme, bürtig aus Eschätz bei Querfurt, erzählte nachstehendes: in ihrer Heimath war der Ehmann ausgegangen und hatte seine Frau als Kindbetterin zu Haus lassen müssen. Um Mitternacht kam der Nix vors Haus, nahm die Sprache ihres Mannes an und rief zum Gartenfenster hinein: sie[S. 83] solle schnell herauskommen, er habe ihr etwas sonderlichs zu weisen. Dies schien der Frau wunderlich und sie antwortete: “komm du doch herein, aufzustehen mitten in der Nacht schickt sich für mich nicht. Du weißt ja wo der Schlüssel liegt, draußen im Loch über der Hausthür.” “Das weiß ich wohl, du mußt aber herausgehen” und plagte sie so lang mit Worten, daß sie sich zuletzt aufmachte und in den Garten trat. Das Gespenst ging aber vor ihr her und immer tiefer hinab; sie folgte nach, bis zu einem Wasser unweit des Hauses fließend, mittlerweile sprach der Nix:

heb auf dein Gewand
daß du nicht fallst in Dosten und Dorant

welche Kräuter eben viel im Garten wuchsen. Indem aber erblickte sie das Wasser und fiel mit Fleiß ins Kräutich hinein, augenblicklich verschwand der Nix und konnte ihr nichts mehr an- noch ab-gehaben. Nach Mitternacht kehrte der Ehmann heim, fand Thür und Stube offen, die Kindermutter nicht im Bett, hub an erbärmlich zu rufen, bis er leise ihre Stimme im Garten vernahm und er sie aus dem Kraut wieder ins Zimmer brachte. Die Wehemütter halten deshalb gar viel auf diese Kräuter und legen sie allenthalben in Betten, Wiegen, Keller, tragen es an sich und lassen andere es bei sich stecken. Die leipziger Krautweiber führen es häufig feil zu Markte.

Einmal soll auch ein Weib um Mittag in den Keller gegangen seyn, Bier abzulassen. Da fing ein Gespenst drinnen an und sprach:

[S. 84]

hättestu bei dir nicht Dosten
wollt ich dir das Bier helfen kosten.

und man hört diesen Reim noch in andern Geschichten wiederkehren.

[2] Origanum vulg. Wohlgemuth.

[3] Marrubium vulg. Helfkraut, Gotteshülf.

66.
Des Nixes Beine.

Prätorius Weltbeschr. I. 533.

Eine Wehmutter bürtig von Eschätz, eine halbe Meile von Querfurt, erzählte: zu Mitternacht sey in Merseburg ein Weib vor ein Balbiershaus gekommen, der nahe am Wasser gewohnet und haben dem Fenster hineingeschrien: die Wehemutter solle doch herausgehen, welches sie anfänglich nicht thun wollen. Endlich sey der Balbier mitgegangen, habe ein Licht bei sich gehabt und flugs nach des befürchteten Nixes Beinen gesehen. Darauf es sich niedergeduckt. Wie solches der Balbier gemerkt, da hat er es greulich ausgescholten und gehen heißen, darauf es verschwunden.

67.
Die Magd bei dem Nix.

Prätorius Weltbeschr. I. 498. 499.

Folgendes hat sich auf einem Dorf bei Leipzig zugetragen: eine Dienstmagd kam unter das Wasser und diente drei Jahre lang bei dem Nix. Sie hatte es an einem guten Leben und allen Willen, ausgenommen,[S. 85] daß all ihr Essen ungesalzen war. Dies nahm sie auch zur Ursache, wieder wegzuziehen. Allein sie sagte noch weiter: “nach dieser Zeit habe ich nicht über sieben Jahre zu leben, davon bleiben mir jetzo noch dreie.” Sonst war sie immer traurig und simpel. Prätorius hörte die Geschichte im Jahr 1664.

68.
Die Frau von Alvensleben.

Tenzel monatl. Unterr. 1689. S. 525.
Hammelmann oldenb. Chronik.
Der vielförmige Hinzelmann. S. 313-316.
Prätorius Weltbeschr. I. S. 95. 101-104. u. Glückstopf S. 488. aus mündlichen Sagen und aus:
Cyriak Edinus poematischen Büchern, die er vom Geschlecht der Alvensleben 1581. in 4to. herausgegeben.

Vor etlichen hundert Jahren lebte zu Calbe in dem Werder aus dem alvenslebischen Geschlecht eine betagte, gottesfürchtige, den Leuten gnädige und zu dienen bereitsame Edelfrau; sie stand vornämlich den Bürgersweibern bei in schweren Kindsnöthen und wurde in solchen Fällen von jedermänniglich begehrt und hochgeehret. Nun ereignete sich aber folgendes: zu nächtlichen Zeiten kam eine Magd vor das Schloß, klopfte an und rief ängstlich: sie möge ihr doch nicht zuwider seyn lassen, wo möglich alsobald aufzustehen und mit hinaus vor die Stadt zu folgen, wo eine schwangere Frau in Kindesnoth liege, weil die äußerste Stunde und Gefahr da sey und ihre Frau ihrem[S. 86] Leibe gar keinen Rath wisse. Die Adelfrau sprach: “es ist gleich mitten in der Nacht, alle Stadtthore sind gesperrt, wie wollen wir hinauskommen?” Die Magd antwortete: das Thor sey schon im voraus geöffnet, sie solle nur fortmachen, (doch sich hüten, wie einige hinzusetzen, an dem Ort, wo sie hingeführt werden würde, nichts zu essen noch zu trinken, auch das ihr angebotene nicht anzurühren). Darauf stand die adliche Frau aus dem Bett, zog sich an, kam herunter und ging mit der Magd fort, welche angeklopft hatte; das Thor fand sie aufgethan und wie sie weiter ins Feld kamen, war da ein schöner Gang, der mitten in einen Berg führte. Der Berg stand aufgesperrt und ob sie wohl sah, das Ding wäre unklar, beschloß sie doch unerschrocken weiter zu gehen, bis sie endlich vor ein kleines Weiblein gelangte, das auf dem Bette lag in großen Geburtswehen. Die adliche Frau aber reichte ihr Hülfe (nach einigen brauchte sie nur die Hand ihr auf den Leib zu legen) und glücklich wurde ein Kindlein zum Tageslicht geboren. Nach geförderter Sache sehnte sie sich wieder aus dem Berg heimzugehen, nahm von der Kindbetterin Abschied (ohne etwas von den Speisen und Getränken, die ihr geboten waren, berührt zu haben) und die vorige Magd gesellte sich ihr aufs neue zu und brachte sie unverletzt nach dem Schlosse zurück. Vor dem Thorweg aber stand die Magd still, bedankte sich höchlich in ihrer Frauen Namen und zog einen güldenen Ring vom Finger herab, den verehrte sie der adlichen Frau mit[S. 87] den Worten: “nehmet dies theure Pfand wohl in acht und lasset es nicht von euch noch von euerm Geschlecht kommen; die von Alvensleben werden blühen, so lange sie diesen Ring besitzen, kommt er ihnen dermaleins ab, so muß der ganze Stamm erlöschen.” Hiermit verschwand die Magd.

Dieser Ring soll noch heutigestages richtig und eigentlich bei dem Hause verwahrt werden und zu guter Sicherheit in Lübek hinterlegt seyn. Andere aber behaupten, er sey bei der Theilung in zwei Linien mit Fleiß entzwei getheilt Worden. Noch andere: die eine Hälfte sey zerschmolzen, seitdem gehe es dem einen Stamm übel, die andere Hälfte liege bei dem andern Stamme zu Zichtow. Auch wird erzählt: die hülfreiche Frau war ein Ehweib, als sie drauf den folgenden Morgen ihrem Ehherrn die Geschichte erzählt, die ihr Nachts begegnet, habe er ihrs nicht wollen glauben, bis sie gesprochen: “ei wollt ihr mir nicht glauben, so holt nur die Schlüssel zu jener Stube vom Tische her, darinnen wird der Ring noch liegen.” Es befand sich so ganz richtig. Es ist ein wunderliches um die Geschenke, die Menschen von den Geistern empfangen haben.

69.
Die Frau von Hahn und der Nix.

Prätorius Weltbeschr. I. 100. 101.

Eine vornehme Frau von Adel aus dem Geschlechte der von Hahn wurde einstmal durch einer Wassernixe[S. 88] Zofe abgerufen und genöthigt, mit unter den Fluß zur Wehmutter zu gehen. Das Wasser theilte sich von einander und sie geriethen auf einem lustigen Weg tief ins Erdreich hinein, wo sie einem kleinen Weiblein in Kindesschmerzen hülfreiche Hand leistete. Nachdem alles glücklich verrichtet und die Frau von Hahn wegfertig war, willens nach Haus zu eilen, kam ein kleiner Wassermann herein, langte ihr ein Geschirr voll Asche und sagte: sie solle für ihre Mühe herausnehmen, so viel ihr beliebe. Sie aber weigerte sich und nahm nichts; da sprach der Nix: “das heißt dich Gott sprechen, sonst hätte ich dich wollen umbringen.” Darauf ging sie fort und wurde von der vorigen Zofe rücklings nach Haus gebracht. Wie sie beide da waren, zog die Magd drei Stücke Goldes hervor, verehrte sie der adlichen Frau und ermahnte: diesen Schatz wohl zu verwahren und nicht abhändig kommen zu lassen, sonst werde ihr Haus ganz durch Armuth verderben, im andern Fall aber Hülle und Fülle in allen Sachen haben. Drauf ging die Zofe weg und die drei Stücke wurden unter die drei Söhne ausgetheilt; noch heute blühen zwei Stämme des Hauses, die ihren Schatz sorgsam aufheben; das dritte Stück hingegen soll neulich von einer Frau verwahrlost worden seyn, drüber sie armselig in Prag verstarb und ihre Linie eine Endschaft genommen hat.

[S. 89]

70.
Das Streichmaß, der Ring und Becher.

Memoires du marechal de Bassompierre († 1646.) Cologne 1666. Vol. I. p. 4-6.

Im Herzogthum Lothringen, als es noch lange zu Deutschland gehörte, herrschte zwischen Nanzig und Luenstadt (Luneville) der letzte Graf von Orgewiler. Er hatte keine Schwertmagen mehr und vertheilte auf dem Todbette seine Länder unter seine drei Töchter und Schwiegersöhne. Die älteste Tochter hatte Simons von Bestein, die mittlere Herr von Crouy und die jüngste ein deutscher Rheingraf geheurathet. Außer den Herrschaften theilte er noch seinen Erben drei Geschenke aus, der ältesten Tochter einen Streichlöffel (Streichmaas), der mittleren einen Trinkbecher und der dritten einen Kleinodring, mit der Vermahnung, daß sie und ihre Nachkömmlinge diese Stücke sorgfältig aufheben sollten, so würden ihre Häuser beständig glücklich seyn.

Die Sage, wie der Graf diese Stücke bekommen, erzählt der Marschall von Bassompierre (Bassenstein), Urenkel des Simons, selbst: der Graf war vermählt, hatte aber noch eine geheime Liebschaft mit einer wunderbaren schönen Frau, die wöchentlich alle Mondtage in ein Sommerhaus des Gartens zu ihm kam. Lange blieb dieser Handel seiner Gemahlin verborgen, wann er sich entfernte, bildete er ihr ein, daß er des Nachts im Wald auf den Anstand ginge. Aber nach ein Paar[S. 90] Jahren schöpfte die Gräfin Verdacht und trachtete die rechte Wahrheit zu erfahren. Eines Sommermorgens frühe schlich sie ihm nach und kam in die Sommerlaube. Da sah sie ihren Gemahl schlafen in Armen eines wunderschönen Frauenbilds, weil sie aber beide so sanfte schliefen, wollte sie sie nicht wecken, sondern nahm ihren Schleier vom Haupt und breitete ihn über der Schlafenden Füße. Als die schöne Buhlerin erwachte und des Schleiers innen ward, that sie einen hellen Schrei, hub an jämmerlich zu klagen und sagte: “hinführo, mein Liebster, sehen wir uns nimmermehr wieder, nun muß ich hundert Meilen weit weg und abgesondert von dir bleiben.” Damit verließ sie den Grafen, verehrte ihm aber vorher noch obgemeldte drei Gaben für seine drei Töchter, die möchten sie niemals abhanden kommen lassen.

Das Haus Bassenstein hatte lange Zeit durch aus der Stadt Spinal (Epinal) einen Fruchtzins zu ziehen, wozu dieser Maaslöffel (cuilliere de la mesure) stets gebraucht wurde.

71.
Der Kobold.

Unterredungen vom Reich der Geister I. 503.
Prätorius Weltbeschr. I. 315-320.
Luther’s Tisch-Reden S. 103.

An einigen Orten hat fast jeder Bauer, Weib, Söhne und Töchter, einen Kobold, der allerlei Haus-Arbeit[S. 91] verrichtet, in der Küche Wasser trägt, Holz haut, Bier holt, kocht, im Stall die Pferde striegelt, den Stall mistet und dergleichen. Wo er ist, nimmt das Vieh zu und alles gedeiht und gelingt. Noch heute sagt man sprüchwörtlich von einer Magd, der die Arbeit recht rasch von der Hand geht: “sie hat den Kobold.” Wer ihn aber erzürnt mag sich vorsehen.

Sie machen, eh sie in die Häuser einziehen wollen, erst eine Probe. Bei Nachtzeit nämlich schleppen sie Säge-Späne ins Haus, in die Milchgefäße aber bringen sie Koth von unterschiedenem Vieh. Wenn nun der Hausvater genau achtet, daß die Späne nicht zerstreut, der Koth in den Gefäßen gelassen und daraus die Milch genossen wird, so bleibt der Kobold im Haus, so lange nur noch einer von den Hausbewohnern am Leben ist.

Hat die Köchin einen Kobold zu ihrem heimlichen Gehülfen angenommen, so muß sie täglich um eine gewisse Zeit und an einem besondern Ort im Haus ihm sein zubereitetes Schüsselchen voll gutes Essen hinsetzen und ihren Weg wieder gehen. Thut sie das, so kann sie faullenzen, am Abend früh zu Bette gehen und wird dennoch ihre Arbeit früh Morgens beschickt finden. Vergißt sie das einmal, so muß sie in Zukunft nicht nur ihre Arbeit selbst wieder thun, sondern sie hat nun auch eine unglückliche Hand, indem sie sich im heißen Wasser verbrennt, Töpfe und Geschirr zerbricht, das Essen umschüttet, also daß sie von ihrer Herrschaft nothwendig ausgescholten wird. Darüber[S. 92] hat man den Kobold öfters lachen und kichern gehört.

Verändert sich auch das Gesinde, so bleibt er doch, ja die abziehende Magd muß ihn ihrer Nachfolgerin anempfehlen, damit diese sein auch warte. Will diese nicht, so hat sie beständiges Unglück, bis sie wieder abgeht.

Man glaubt, sie seyen rechte Menschen, in Gestalt kleiner Kinder, mit einem bunten Röcklein. Darzu etliche setzen, daß sie theils Messer im Rücken hätten, theils noch anders und gar gräulich gestaltet wären, je nachdem sie so und so, mit diesem oder jenem Instrument vorzeiten umgebracht wären, denn sie halten sie für die Seelen der vorweilen im Hause Ermordeten.

Zuweilen ist die Magd lüstern, ihr Knechtchen, Kurd Chimgen oder Heinzchen, wie sie den Kobold nennen, zu sehen und wenn sie nicht nachläßt, nennt der Geist den Ort, wo sie ihn sehen solle, heißt sie aber zugleich einen Eimer kalt Wasser mitbringen. Da begibt sichs dann, daß sie ihn etwa auf dem Boden auf einem Kißchen nackt liegen sieht, und ein großes Schlacht-Messer ihm im Rücken steckt. Manche ist so sehr erschrocken, daß sie ohnmächtig niedergefallen, worauf der Kobold alsbald aufsprang und sie mit dem kalten Wasser über und über begoß, damit sie wieder zu sich selbst kam. Darnach ist ihr die Lust vergangen, den Kobold zu sehen.

[S. 93]

72.
Der Bauer mit seinem Kobold.

Tenzel monatl. Unterred. Jan. 1689. S. 145.

Ein Bauer war seines Kobolds ganz überdrüssig geworden, weil er allerlei Unfug anrichtete, doch mogte er es anfangen, wie er immer wollte, so konnte er ihn nicht wieder los werden. Zuletzt ward er Raths, die Scheune anzustecken, wo der Kobold seinen Sitz hatte und ihn zu verbrennen. Deswegen führte er erst all sein Stroh heraus und bei dem letzten Karrn zündete er die Scheune an, nachdem er den Geist wohl versperrt hatte. Wie sie nun schon in voller Glut stand, sah sich der Bauer von ungefähr um, siehe, da saß der Kobold hinten auf dem Karrn und sprach: “es war Zeit, daß wir herauskamen! es war Zeit, daß wir herauskamen!” Mußte also wieder umkehren und den Kobold behalten.

73.
Der Kobold in der Mühle.

Valvassor Ehre von Crain B. 3. Cap. 28. I. 420-421.
Aus mündlicher Erzählung.

Es machten einmal zwei Studenten von Rinteln eine Fußreise. Sie gedachten in einem Dorfe zu übernachten, weil aber ein heftiger Regen fiel und die Finsterniß so sehr überhand nahm, daß sie nicht weiter konnten, gingen sie zu einer in der Nähe liegenden[S. 94] Mühle, klopften und baten um Nacht-Herberge. Der Müller wollte anfangs nicht hören, endlich gab er ihren inständigen Bitten nach, öffnete die Thüre und führte sie in eine Stube. Sie waren beide hungrig und durstig und da auf dem Tisch eine Schüssel mit Speise und eine Kanne mit Bier stand, baten sie den Müller darum und waren bereitwillig, es zu bezahlen. Der Müller aber schlugs ab, selbst nicht ein Stück Brot wollt er ihnen geben und nur die harte Bank zum Ruh-Bett vergönnen. “Die Speise und der Trank, sprach er, gehört dem Haus-Geist, ist euch das Leben lieb, so laßt beides unberührt, sonst aber habt ihr kein Leid zu befürchten, lärmts in der Nacht vielleicht, so bleibt nur still liegen und schlafen.” Mit diesen Worten ging er hinaus und schloß die Thüre hinter sich zu.

Die zwei Studenten legten sich zum Schlafe nieder, aber etwa nach einer Stunde griff den einen der Hunger so übermächtig an, daß er sich aufrichtete und die Schüssel suchte. Der andere, ein Magister, warnte ihn, er sollte dem Teufel lassen, was dem Teufel gewidmet wäre, aber er antwortete: “ich habe ein besser Recht dazu als der Teufel,” setzte sich an den Tisch und aß nach Herzenslust, so daß wenig von dem Gemüse übrig blieb. Darnach faßte er die Bierkanne, that einen guten, pommerschen Zug und nachdem er also seine Begierde etwas gestillt, legte er sich wieder zu seinem Gesellen. Doch als ihn über eine Weile der Durst aufs neue plagte, stand er noch einmal[S. 95] auf und that einen zweiten so herzhaften Zug, daß er dem Haus-Geist nur die Neige hinterließ. Nachdem er sichs also selbst gesegnet und wohl bekommen geheißen, legte er sich und schlief ein.

Es blieb alles ruhig bis zu Mitternacht, aber kaum war die herum, so kam der Kobold mit großem Lärm hereingefahren, wovon beide mit Schrecken erwachten. Er brauste ein paar Mal in der Stube auf und ab, dann setzte er sich, als wollte er seine Mahlzeit halten, zu dem Tisch und sie hörten deutlich, wie er die Schüssel herbeirückte. Gleich drauf setzte er sie, als wär er ärgerlich, hart nieder, ergriff die Kanne und drückte den Deckel auf, ließ ihn aber gleich wieder ungestüm zuklappen. Nun begann er seine Arbeit, wischte den Tisch, darnach die Tisch-Füße sorgfältig ab und kehrte dann, wie mit einem Besen, den Boden fleißig ab. Als das geschehen war, ging er noch einmal zur Schüssel und Kanne zurück, ob es jetzt vielleicht besser damit stehe, stieß aber beides wieder zornig hin. Darauf fuhr er in seiner Arbeit fort, kam zu den Bänken, wusch, scheuerte, rieb sie, unten und oben; als er zu der Stelle gelangte, wo die beiden Studenten lagen, zog er vorüber und nahm das übrige Stück unter ihren Füßen in die Arbeit. Wie er zu Ende war, fing er an der Bank oben zum zweitenmal an und überging auch zum zweitenmal die Gäste. Zum drittenmal aber, als er an sie kam, strich er dem einen, der nichts genossen hatte, über die Haare und den ganzen Leib, ohne ihm im geringsten weh zu thun.[S. 96] Den andern aber packte er an den Füßen, riß ihn von der Bank herab, zog ihn ein paarmal auf dem Erdboden herum, bis er ihn endlich liegen ließ und hinter den Ofen lief, wo er ihn laut auslachte. Der Student kroch zu der Bank zurück, aber nach einer Viertelstunde begann der Kobold seine Arbeit von neuem: kehrte, säuberte, wischte. Die beiden lagen da, in Angst zitternd, den einen fühlte er, als er an ihn kam, ganz lind an, aber den andern warf er wieder zur Erde und ließ hinter dem Ofen ein grobes und spottendes Lachen hören.

Die Studenten wollten nun nicht mehr auf der Bank liegen, standen auf und erhuben vor der verschlossenen Thüre ein lautes Geschrei, aber es hörte niemand darauf. Sie beschlossen endlich, sich auf den platten Boden hart nebeneinander zu legen, aber der Kobold ließ sie nicht ruhen. Er begann sein Spiel zum drittenmal, kam und zog den schuldigen herum und lachte ihn aus. Dieser war zuletzt wüthend geworden, zog seinen Degen, stach und hieb in die Ecke, wo das Gelächter her schallte, und forderte den Kobold mit Drohworten auf, hervor zu kommen. Dann setzte er sich mit seiner Waffe auf die Bank, zu erwarten, was weiter geschehen würde, aber der Lärm hörte auf und alles blieb ruhig.

Der Müller verwies ihnen am Morgen, daß sie seiner Ermahnung nicht nachgelebt und die Speise nicht unangerührt gelassen; es hätte ihnen leicht das Leben kosten können.

[S. 97]

74.
Hütchen.

Mündliche Erzählungen.
Der vielförmige Hinzelmann 39-50.
Erasm. Francisci höll. Proteus. 792-798.
Prätor. Weltbeschr. I. 324. 325.
Joh. Weier de praestig. daemon. c. 22. deutsche Uebers. 64-66.
Happel relat. curios. 4. 246.
Stiftische Fehde, Leibnitz SS. RR. brunsvic. II. 791. III. 183. 258 b.
Volks-Sagen. Eisenach. I. 127-170. IV. 209-237.

An dem Hofe des Bischof Bernhard von Hildesheim hielt sich ein Geist auf, der sich vor jedermann in einem Bauernkleide unter dem Schein der Freundlichkeit und Frömmigkeit sehen ließ: auf dem Haupt trug er einen kleinen Filz-Hut, wovon man ihm den Namen Hütchen, auf Niedersächsisch Hödeken gegeben hatte. Er wollte die Leute gern überreden, daß es ihm viel mehr um ihren Vortheil, als ihren Schaden zu thun wäre, daher warnte er bald den einen vor Unglück, bald war er dem andern in einem Vorhaben behilflich. Es schien, als trüge er Lust und Freude an der Menschen Gemeinschaft, redete mit jedermann, fragte und antwortete gar gesprächig und freundlich.

Zu dieser Zeit wohnte auf dem Schlosse Winzenburg ein Graf Namens Hermann, welcher das Amt als eine eigene Grafschaft besaß. Einer seiner Diener hatte eine schöne Frau, auf die er ein lüsternes Auge warf und die er mit seiner Leidenschaft verfolgte, aber[S. 98] sie gab ihm wenig Gehör. Da sann er endlich auf schlechte Mittel und als ihr Mann einmal an einen weit entlegenen Ort verreist war, raubte er ihr mit Gewalt, was sie ihm freiwillig versagte. Sie mußte das Unrecht verschweigen, so lang ihr Mann abwesend war, bei seiner Rückkehr aber eröffnete sie es ihm mit großem Schmerz und wehmüthigen Gebärden. Der Edelmann glaubte, dieser Schandflecken könne nur mit dem Blute des Thäters abgewaschen werden, und da er die Freiheit hatte, wie ihm beliebte, in des Grafen Gemach zu gehen, so nahm er die Zeit wahr, wo dieser noch mit seiner Gemahlin zur Ruhe lag, trat hinein, hielt ihm die begangene That mit harten Worten vor und als er merkte, daß jener sich aufmachen und zur Gegenwehr anschicken mögte, faßte er sein Schwert und erstach ihn im Bette an der Seite der Gräfin. Diese entrüstete sich aufs allerheftigste, schalt den Thäter gewaltig und da sie gerade schwangeres Leibes war, sprach sie dräuend: “derjenige, den ich unter dem Gürtel trage, soll diesen Mord an dir und den Deinigen rächen, daß die ganze Nachwelt daran ein Beispiel nehmen wird.” Der Edelmann, als er die Worte hörte, kehrte wieder um und durchstach die Gräfin wie ihren Herrn.

Graf Hermann von Winzenburg war der letzte seines Stammes und demnach mit seinem und der schwangern Gräfin Tod das Land ohne Herrn. Da trat Hütchen in selbiger Morgenstunde, in welcher die That geschehen war, vor das Bett des schlafenden Bischofs[S. 99] Bernhard, weckte ihn und sprach: “steh auf, Glatzkopf, und führe dein Volk zusammen! die Grafschaft Winzenburg ist durch die Ermordung ihres Herrn ledig und verlassen, du kannst sie mit leichter Mühe unter deine Bothmäßigkeit bringen.” Der Bischof stand auf, brachte sein Kriegs-Volk eilig zusammen, und besetzte und überzog damit die Grafschaft, so daß er sie, mit Einwilligung des Kaisers, auf ewig dem Stift Hildesheim einverleibte.

Die mündliche Sage erzählt noch eine andere, wahrscheinlich frühere Geschichte. Ein Graf von Winzenburg hatte zwei Söhne, die in Unfrieden lebten; um einen Streit wegen der Erbschaft abzuwenden, war mit dem Bischof zu Hildesheim festgemacht, daß derjenige mit der Grafschaft belehnt werden solle, welcher zuerst nach des Vaters Tod sich darum bei dem Bischof melden würde. Als nun der Graf starb, setzte sich der ältste Sohn gleich auf sein Pferd und ritt fort zum Bischof, der jüngste aber hatte kein Pferd und wußte nicht, wie er sich helfen sollte. Da trat Hütchen zu ihm und sprach: “ich will dir beistehen, schreib einen Brief an den Bischof und melde dich darin um Belehnung, er soll eher dort seyn, als dein Bruder auf seinem jagenden Pferd.” Da schrieb er ihm den Brief und Hütchen nahm und trug ihn auf einem Wege, der über Gebürge und Wälder geradausging, nach Hildesheim, und war in einer halben Stunde schon da, lange eh der älteste herbeigeeilt kam und gewann also dem jüngsten das Land. Dieser Pfad ist[S. 100] schwer zu finden und heißt noch immer Hütchens Renn-Pfad.

Hütchen erschien an dem Hofe des Bischof gar oft und hat ihn, ungefragt, vor mancherlei Gefahr gewarnt. Großen Herrn offenbarte es die Zukunft. Bisweilen zeigte es sich, wenn es sprach, bisweilen redete es unsichtbar. Es hatte den großen Hut aber immer so tief in den Kopf gedrückt, daß man niemals sein Gesicht sehen konnte. Die Wächter der Stadt hat es fleißig in Acht genommen, daß sie nicht schliefen, sondern hurtig wachen mußten. Niemand fügte es etwas Leid zu, es wäre denn am ersten beschimpft worden; wer seiner aber spottete, dem vergaß es solches nicht, sondern bewies ihm wiederum einen Schimpf. Gemeinlich ging es den Köchen und Köchinnen zur Hand, schwatzte auch vielmal mit ihnen in der Küche. Eine Mulde im Keller war seine Schlafstätte und es hatte ein Loch, wo es in die Erde gekrochen ist. Als man nun seiner gar gewohnt worden und sich niemand weiter vor ihm gefürchtet hat, begann ein Küchenjunge es zu spotten und höhnen, mit Lästerworten zu hudeln und so oft er nur vermogte, mit Dreck aus der Küche auf es loszuwerfen oder es mit Spül-Wasser zu begießen. Das verdroß Hütchen sehr, weshalb es den Küchenmeister bat, den Jungen abzustrafen, damit er solche Büberei unterwegen ließe, oder er selbst müßte die Schmach an ihm rächen. Der Küchenmeister lachte ihn aus und sprach: “bist du ein Geist und fürchtest dich vor dem kleinen Knaben!” Darauf antwortete[S. 101] Hütchen: “weil du auf meine Bitten den Buben nicht abstrafen willst, will ich nach wenig Tagen dir zeigen, wie ich mich vor ihm fürchte;” und ging damit im Zorn weg. Nicht lange darauf saß der Junge nach dem Abendessen allein in der Küche und war vor Müdigkeit eingeschlafen; da kam der Geist, erwürgte ihn und zerhackte ihn in kleine Stücke. Dann warf er selbige vollends in einen großen Kessel und setzte ihn ans Feuer. Als der Küchenmeister kam und in dem Kessel Menschen-Glieder kochen sah, auch aus den übrigen Umständen merkte, daß der Geist ein fremdes Gericht zurichten wolle, fing er an, ihn greulich zu schelten und zu fluchen. Hütchen, darüber noch heftiger erbittert, kam und zerdrückte über alle Braten, die für den Bischof und dessen Hofleute am Spieße zum Feuer gebracht waren, abscheuliche Kröten, also daß sie von Gift und Blut träufelten. Und weil ihn der Koch deßwegen wiederum schmähete und schändete, stieß er ihn, als er einstens aus dem Thore gehen wollte, von der Brücke, die ziemlich hoch war, in den Graben. Weil man auch in Sorgen stand, er mögte des Bischofs Hof und andere Häuser anzünden, mußten alle Hüter auf den Mauern, sowohl der Stadt, als des Schlosses, fleißig wachen. Aus dieser und andern Ursachen suchte der Bischof Bernhard seiner los zu werden und zwang ihn endlich auch durch Beschwörung, zu weichen.

Sonst beging der Geist noch unterschiedliche, abentheuerliche Streiche, welche doch selten jemand schadeten.[S. 102] In Hildesheim war ein Mann, der ein leichtfertiges Weib hatte, als er nun verreisen wollte, sprach er zu Hütchen: “mein guter Gesell, gib ein wenig Achtung auf mein Weib, dieweil ich aus bin, und siehe zu, daß alles recht zugeht.” Hütchen that es und wie das Weib, nach der Abreise des Mannes, ihre Buhler kommen ließ und sich mit ihnen lustig machen wollte, stellte sich der Geist allzeit ins Mittel, verjagte sie durch Schreckgestalten oder wenn einer sich ins Bett gelegt, warf er unsichtbarer Weise ihn so unsauber heraus, daß ihm die Rippen krachten. So ging es einem nach dem andern, wie sie das leichtfertige Weib in die Kammer führte, so daß keiner ihr nahen durfte. Endlich, als der Mann wieder nach Hause kam, lief ihm der ehrbare Hüter voller Freuden entgegen und sprach: “deine Wiederkunft ist mir trefflich lieb, damit ich der Unruhe und Mühe, die du mir aufgeladen hast, einmal abkomme.” Der Mann fragte: “wer bist du denn?” Er antwortete: “ich bin Hütchen, dem du bei deiner Abreise dein Weib in seine Hut anbefohlen. Dir zu gefallen habe ich sie diesmal gehütet und vor dem Ehebruch bewahret, wiewohl mit großer und unablässiger Mühe. Allein ich bitte, du wollest sie meiner Hut nicht mehr untergeben, denn ich will lieber der Schweine in ganz Sachsen als eines einigen solchen Weibes Hut auf mich nehmen und Gewährschaft vor sie leisten, so vielerlei List und Ränke hat sie erdacht, mich zu hintergehen.”

Zu einer Zeit befand sich zu Hildesheim ein Geistlicher,[S. 103] welcher sehr wenig gelernt hatte. Diesen traf die Reihe, daß er zu einer Kirchenversammlung von der übrigen Geistlichkeit sollte verschickt werden, aber er fürchtete sich, daß er in einer so ansehnlichen Versammlung durch seine Unwissenheit Schimpf einlegen mögte. Hütchen half ihm aus der Noth und gab ihm einen Ring, der von Lorbeer-Laub und andern Dingen zusammen geflochten war und machte dadurch diesen Gesandten dermaßen gelehrt und auf eine gewisse Zeit beredt, daß sich auf der Kirchenversammlung jedermann über ihn verwunderte und ihn zu den berühmtesten Rednern zählte.

Einem armen Nagelschmiede zu Hildesheim ließ Hütchen ein Stück Eisen zurück, woraus goldene Nägel geschmiedet werden konnten und dessen Tochter eine Rolle Spitzen, von der man immer abmessen konnte, ohne daß sie sich verminderte.

75.
Hinzelmann.

Aus dem Buche: der vielförmige Hinzelmann oder umständliche und merkwürdige Erzählung von einem Geist, der sich auf dem Hause Hudemühlen und hernach zu Estrup im Lande Lüneburg unter vielfältigen Gestalten und verwunderlicher Veränderung — sehen lassen. 379 S. in 12. Von dem Pfarrer Feldmann zu Eickelohe zuerst abgefaßt.

Auf dem alten Schlosse Hudemühlen, das im Lüneburgischen nicht weit von der Aller liegt und von dem nur noch Mauern stehen, hat sich lange Zeit ein[S. 104] wunderlicher Haus-Geist aufgehalten. Zuerst ließ er sich im Jahr 1584 hören, indem er durch bloßes Poltern und Lärmen sich zu erkennen gab. Darnach fing er an bei hellem Tag mit dem Gesinde zu reden, welches sich vor der Stimme, die sich hören ließ, ohne daß jemand zu sehen war, erschreckte, nach und nach aber daran gewöhnte und nicht mehr darauf achtete. Endlich ward er ganz muthig und hub an vor dem Haus-Herrn selbst zu reden und führte Mittags und Abends während der Mahlzeit mit den Anwesenden, fremden und einheimischen, allerhand Gespräche. Als sich nun die Furcht verlor, ward er gar freundlich und zutraulich, sang, lachte und trieb allerlei Kurzweil so lang ihn niemand bös machte; dabei war seine Stimme zart, wie die eines Knaben oder einer Jungfrau. Als er gefragt wurde, woher er sey und was er an diesem Ort zu schaffen habe, sagte er, daß er aus dem böhmischen Gebürg gekommen wäre und im Böhmer-Walde seine Gesellschaft hätte, die wolle ihn nicht leiden; daher sey er nun gezwungen, sich so lang zu entfernen und bei guten Leuten Zuflucht zu suchen, bis seine Sachen wieder besser ständen. Sein Name sey Hinzelmann, doch werde er auch Lüring genannt; er habe eine Frau, die heiße Hille Bingels. Wann die Zeit gekommen, wolle er sich in seiner wahren Gestalt sehen lassen, jetzt aber wäre es ihm nicht gelegen. Uebrigens wäre er ein guter und ehrlicher Geselle, wie einer.

Der Haus-Herr, als er sah, daß sich der Geist[S. 105] je mehr und mehr zu ihm that, empfand ein Grauen und wußte nicht, wie er ihn los werden sollte. Auf Anrathen seiner Freunde entschloß er sich endlich, sein Schloß auf eine Zeit zu verlassen und nach Hannover zu ziehen. Auf dem Weg bemerkte man eine weiße Feder, die neben dem Wagen herflog, wußte aber nicht, was sie zu bedeuten habe. Als der Edelmann zu Hannover angelangt war, vermißte er eine goldene Kette von Werth, die er um den Hals getragen hatte, und warf Verdacht auf das Gesinde des Haus-Wirths; dieser aber nahm sich seiner Leute an und verlangte Genugthuung für die ehrenrührige Anklage. Der Edelmann, der nichts beweisen konnte, saß unmuthig in seinem Zimmer und überlegte, wie er sich aus diesem verdrießlichen Handel ziehen könnte, als er auf einmal neben sich Hinzelmanns Stimme hörte, der zu ihm sprach: “warum bist du so traurig? ist dir etwas widerwärtiges begegnet, so entdecke mir’s, ich weiß dir vielleicht Hülfe. Soll ich auf etwas rathen, so sage ich, du bist wegen einer verlorenen Kette verdrießlich.” “Was machst du hier? antwortete der erschrockene Edelmann, warum bist du mir gefolgt? weißt du von der Kette?” Hinzelmann sagte: “freilich bin ich dir gefolgt und habe dir auf der Reise Gesellschaft geleistet und war allzeit gegenwärtig. Hast du mich nicht gesehen? ich war die weiße Feder, die neben deinem Wagen flog. Wo die Kette ist, will ich dir sagen: such nur unter dem Haupt-Kissen in deinem Bett, da wird sie liegen.” Als sie sich da gefunden[S. 106] hatte, ward dem Edelmann der Geist noch ängstlicher und lästiger und er redete ihn heftig an, warum er ihn durch die Kette mit dem Hauswirth in Streit gebracht, da er doch seinetwegen schon die Heimath verlassen. Hinzelmann antwortete: “was weichst du vor mir? ich kann dir ja allenthalben leichtlich folgen und seyn, wo du bist! Es ist besser, daß du in dein Eigenthum zurückkehrst und meinetwegen nicht daraus entweichst. Du siehst wohl, wenn ich wollte, könnte ich das deinige all hinwegnehmen, aber darauf steht mein Sinn nicht.” Der Edelmann besann sich darauf und faßte den Entschluß zurückzugehen und dem Geist, im Vertrauen auf Gott, keinen Fuß breit zu weichen.

Zu Hudemühlen zeigte sich Hinzelmann nun gar zuthätig und fleißig in allerhand Arbeit. In der Küche handthierte er Nachts und wenn die Köchin Abends nach der Mahlzeit Schüssel und Teller unabgewaschen durch einander in einen Haufen hinsetzte, so waren sie Morgens wohl gesäubert, glänzend wie Spiegel, in guter Ordnung hingestellt. Daher sie sich auf ihn verlassen und gleich Abends nach der Mahlzeit ohne Sorgen zu Ruhe legen konnte. Auch verlor sich niemals etwas in der Küche, oder war ja etwas verlegt, so wußte es Hinzelmann gleich in der verborgnen Ecke, wo es steckte, wieder zu finden und gab es seinem Herrn in die Hände. Hatte man fremde Gäste zu erwarten, so ließ sich der Geist sonderlich hören und sein Arbeiten dauerte die ganze Nacht: da scheuerte er die Kessel, wusch die Schüsseln, säuberte Eimer und Zuber.[S. 107] Die Köchin war ihm dafür dankbar, that nicht nur, was er begehrte, sondern bereitete ihm freiwillig seine süße Milch zum Frühstück. Auch übernahm der Geist die Aufsicht über die andern Knechte und Mägde, gab Achtung, was ihre Verrichtung war, und bei der Arbeit ermahnte er sie mit guten Worten fleißig zu seyn. Wenn sich aber jemand daran nicht kehrte, ergriff er auch wohl den Stock und gab ihm damit die Lehre. Die Mägde warnte er oft vor dem Unwillen ihrer Frau und erinnerte sie an irgend eine Arbeit, die sie nun anfangen sollten. Eben so geschäfftig zeigte sich der Geist auch im Stalle: er wartete der Pferde, striegelte sie fleißig, daß sie glatt anzusehen waren wie ein Aal, auch nahmen sie sichtbarlich zu, wie in keiner Zeit, also daß sich jedermann darüber verwunderte.

Seine Kammer war im obersten Stockwerk zur rechten Seite und sein Hausgeräthe bestand aus drei Stücken. Erstlich aus einem Sessel oder Lehnstuhl, den er selbst von Stroh in allerhand Farben gar kunstreich geflochten, voll zierlicher Figuren und Kreuze, die nicht ohne Verwunderung anzusehen waren. Zweitens aus einem kleinen runden Tisch, der auf sein vielfältiges Bitten verfertigt und dahin gesetzt war. Drittens aus einer zubereiteten Bettstatt, die er gleichfalls verlangt hatte. Man hat nie ein Merkmal gefunden, daß ein Mensch darin geruht, nur fand man ein kleines Grüblein, als ob eine Katze da gelegen. Auch mußte ihm das Gesinde, besonders die Köchin, täglich eine Schüssel voll süßer Milch mit Brocken von Weißbrot[S. 108] zubereiten und auf sein Tischlein stellen, welche hernach rein ausgegessen war. Zuweilen fand er sich an der Tafel des Hausherrn ein, wo ihm an einer besonderen Stelle Stuhl und Teller gesetzt werden mußte. Wer vorlegte, gab ihm die Speise auf seinen Teller und ward das vergessen, so gerieth der Haus-Geist in Zorn. Das vorgelegte verschwand und ein gefülltes Glas Wein war eine Weile weg und wurde dann leer wieder an seine Stelle gesetzt. Doch fand man die Speisen hernach unter den Bänken oder in einem Winkel des Zimmers liegen.

In der Gesellschaft junger Leute war Hinzelmann lustig, sang und machte Reime, einer der gewöhnlichsten war:

Ortgieß läßt du mick hier gan,
Glücke sallst du han;
Wultu mick aver verdrieven
Unglück warst du kriegen.

wiewohl er auch die Lieder und Sprüche anderer wiederholte zur Kurzweil oder um sie damit aufzuziehen. Als der Pfarrer Feldmann einmal auf Hudemühlen zu Gast geladen war und vor die Thüre kam, hörte er oben im Saal jemand singen, jauchzen und viel Wesens treiben, weshalb er dachte, es wären Abends vorher Fremde angekommen, die oben ihre Zimmer hätten und sich also lustig bezeigten. Er sagte darum zu dem Hofmeier, der auf dem Platz stand und Holz gehackt hatte: “Johann, was habt ihr droben vor Gäste?” Der Hofmeier antwortete: “niemand fremdes,[S. 109] es ist unser Hinzelmann, der sich so lustig stellt, es wird sonst kein lebendiger Mensch im Saal seyn.” Als der Pfarrer nun in den Saal hinaufstieg, sang ihm Hinzelmann entgegen:

“mien Duhme (Daumen), mien Duhme,
mien Ellboeg sind twey!”

Der Pfarrer verwunderte sich über diesen ungewöhnlichen Gesang und sprach zu Hinzelmann: “was soll das für eine Musik seyn, damit du nun aufgezogen kommst?” “Ei, antwortete der Geist, das Liedlein hab ich von euch gelernt, denn ihr habt es oft gesungen und ich hab es noch vor etlichen Tagen, als ihr an einem gewissen Ort zur Kindtauf waret, von euch gehört.”

Hinzelmann neckte gern, ohne aber jemand Schaden dabei zu thun. Knechte und Arbeits-Leute, wenn sie Abends beim Trank saßen, brachte er in Handgemeng und sah ihnen dann mit Lust zu. Wenn ihnen der Kopf ein wenig warm geworden war und es ließ einer etwa unter den Tisch etwas fallen und bückte sich darnach, so gab er ihm rückwärts eine gute Ohrfeige, seinen Nachbar aber zwickte er ins Bein. Da geriethen die beiden an einander, erst mit Worten, dann mit Werken und nun mischten sich die andern hinein, so daß jeder seine Schläge austheilte und erhielt und am andern Morgen die blauen Augen und geschwollenen Gesichter als Wahrzeichen überall zu sehen waren. Daran ergötzte sich Hinzelmann von Herzen und erzählte hernach, wie er es angefangen,[S. 110] um sie hintereinander zu bringen. Doch wußte er es immer so zu stellen, daß niemand am Leben oder an der Gesundheit Schaden litt. Auf dem fürstlichen Schlosse zu Ahlden wohnte zu der Zeit Otto Aschen von Mandelslohe, Drost und braunschweigischer Rath; diesem spielte Hinzelmann auch zuweilen einen Possen. Als einmal Gäste bei ihm waren, stiftete er einen Zank, so daß sie zornig auffuhren und nach ihren Degen greifen wollten. Keiner aber konnte den seinigen finden und sie mußten es bei ein paar Quer-Hieben mit der dicken Faust bewenden lassen. Dieses Streichs hat sich Hinzelmann gar sehr gefreut und mit vielem Lachen erzählt, daß er Urheber des Zanks gewesen, vorher aber alles tödliche Gewehr versteckt und bei Seite gebracht. Er habe dann zugeschaut, wie ihm sein Anschlag so wohl gelungen wäre, daß sie sich weidlich herum geschmissen.

Zu einer Zeit war ein Edelmann zu Hudemühlen eingetroffen, welcher sich erbot, den Haus-Geist auszutreiben. Als er ihn nun in einem Gemach merkte, dessen Thüren und Fenster überall fest geschlossen waren, ließ er erst diese Kammer, so wie das ganze Haus, mit bewaffneten Leuten besetzen und ging darauf selbst, von einigen begleitet, mit gezogenem Degen hinein. Sie sahen nichts, fingen aber an links und rechts nach allen Seiten zu hauen und zu stechen in der Meinung, den Hinzelmann, wo er nur einen Leib habe, damit gewißlich zu erreichen und zu tödten; indessen fühlten sie nicht, daß ihre Klingen etwas anders, als die[S. 111] leere Luft durchschnitten. Wie sie glaubten, ihre Arbeit vollbracht zu haben und müd von dem vielen Fechten hinausgehen wollten, sahen sie, als sie die Thüre des Gemachs öffneten, eine Gestalt gleich einem schwarzen Marder hinausspringen und hörten die Worte: “ei! ei! wie fein habt ihr mich doch ertappt!” Hernach hat sich Hinzelmann über diese Beleidigung bitterlich beschwert und gesagt: er würde leicht Gelegenheit haben sich zu rächen, wenn er nicht den beiden Fräulein im Hause Verdruß ersparen wollte. Als dieser Edelmann nicht lang darauf in eine leere Kammer des Hauses ging, erblickte er auf einer wüsten Bettstatt eine zusammengeringelte große Schlange liegen, die sogleich verschwand, aber er hörte die Worte des Geistes: “bald hättest du mich erwischt!”

Ein anderer Edelmann hatte viel von Hinzelmann erzählen gehört und war begierig, selbst etwas von ihm zu erfahren. Als er nun nach Hudemühlen kam, ward sein Wunsch erfüllt und der Geist ließ sich in dem Zimmer aus einem Winkel bei einem großen Schrank hören, wo etliche leere Wein-Krüge mit langen Hälsen hingesetzt waren. Weil nun die Stimme zart und fein war und ein wenig heiser, gleich als spräche sie aus einem hohlen Gefäße, so meinte der Edelmann, er sitze vielleicht in einem dieser Krüge, lief hinzu, faßte sie und wollte sie zustopfen, um auf diese Weise den Geist zu erhaschen. Als er damit umging, fing Hinzelmann an überlaut zu lachen und sprach: “hätte ich nicht vorlängst von andern Leuten gehört, daß du ein Narr[S. 112] wärst, so könnte ichs nun selbst mit ansehen, weil du meinst, ich säße in den leeren Krügen und deckst sie mit der Hand zu, als hättest du mich gefangen. Ich achte dich nicht der Mühe werth, sonst wollt ich dich schon witzigen, daß du eine Zeit lang meiner gedenken solltest. Aber ein wenig gebadet wirst du doch bald werden.” Damit schwieg er und ließ sich nicht wieder hören, so lange der Edelmann da war; ob dieser hernach wirklich ins Wasser gefallen, wird nicht gemeldet, doch ists zu vermuthen.

Es kam auch ein Teufels-Banner, ihn auszujagen. Als dieser mit seinen Zauber-Worten die Beschwörung anhub, war Hinzelmann zuerst still und ließ nichts von sich hören, aber wie jener nun die kräftigsten Sprüche gegen ihn ablesen wollte, riß er ihm das Buch aus den Händen, zerstückelte es, daß die Blätter in dem Zimmer herum flogen, packte den Banner dann selbst und drückte und kratzte ihn, daß er voll Angst fortlief. Auch hierüber beklagte er sich und sprach: “ich bin ein Christ, wie ein anderer Mensch und hoffe selig zu werden.” Als er gefragt wurde, ob er die Kobolde und Polter-Geister kenne, antwortete er: “was gehen mich diese an? das sind Teufels-Gespenster, zu welchen ich nicht gehöre. Von mir hat sich niemand Böses, vielmehr alles Gute zu versehen. Laßt mich unangefochten, so werdet ihr überall Glück spüren: das Vieh wird gedeihen, die Güter in Aufnahme kommen und alles wohl von Statten gehen.”

[S. 113]

Laster und Untugenden waren ihm zuwider: einen von den Haus-Genossen strafte er wegen seiner Kargheit oft mit harten Worten und sagte den übrigen, daß er ihn um seines Geizes willen gar nicht leiden könnte. Einem andern verwies er seine Hoffahrt, die er von Herzen hasse. Als einmal zu ihm gesagt wurde, wenn er ein guter Christ seyn wolle, so müßte er Gott anrufen und die Gebäte der Christen sprechen, fing er an das Vater unser zu sagen und sprach es bis zur sechsten Bitte, die Worte “erlöse uns von dem Bösen,” murmelte er nur leise. Er sagte auch den christlichen Glauben her, aber zerrissen und stammelnd. Denn als er zu den Worten gelangte: “ich glaube eine Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben,” brachte er sie mit heiserer und undeutlicher Stimme hervor, also daß man ihn nicht recht hören und verstehen konnte. Der Prediger zu Eickelohe, weiland Hr. Marquard Feldmann, berichtet, daß sein Vater um die Zeit der Pfingsten auf Hudemühlen zu Gast gebeten worden; da habe Hinzelmann den schönen Gesang: “nun bitten wir den heiligen Geist” wie eine Jungfrau oder ein junger Knabe mit sehr hoher und nicht unangenehmer Stimme bis ganz zu Ende gesungen. Ja, nicht allein diesen, sondern viele andere geistliche Gesänge, habe er auf Verlangen angestimmt, besonders wenn ihn diejenigen darum begrüßt, die er für seine Freunde gehalten und mit welchen er vertraulich gewesen.

Darum ward der Geist gewaltig bös, wenn man[S. 114] ihn nicht ehrlich und nicht als einen Christen behandelte. Einmal reiste ein Edelmann aus dem Geschlecht von Mandelsloh nach Hudemühlen. Er stand wegen seiner Gelehrsamkeit in großem Ansehen, war Domherr bei dem Stift Verden und Gesandter bei dem Kurfürst von Brandenburg und dem Könige von Dänemark. Als er nun von dem Haus-Geist hörte, und daß er als ein Christ wollte angesehen seyn, sprach er, er könnte nicht glauben, daß es gut mit ihm stehe, er müsse ihn vielmehr für den bösen Feind und den Teufel halten, denn Menschen solcher Art und Gestalt habe Gott nicht erschaffen, die Engel aber lobten Gott ihren Herrn und schirmten und schützten die Menschen; damit stimme das Poltern und Toben und die abentheuerlichen Händel des Geistes nicht überein. Hinzelmann, der während seiner Anwesenheit sich noch nicht hatte hören lassen, machte ein Geräusch und sprach: “was sagst du, Barthold? (also hieß der Edelmann) bin ich der böse Feind? Ich rathe dir, sage nicht zu viel, oder ich werde dir ein anderes zeigen und dir weisen, daß du ein andermal ein besseres Urtheil von mir fällen sollst.” Der Herr entsetzte sich, als er, ohne jemand zu sehen, eine Stimme sprechen hörte, brach die Rede ab und wollte nichts mehr von ihm hören, sondern ihn in seinen Würden lassen. Zu einer andern Zeit kam ein Edelmann, welcher bei Tisch, als er den Stuhl und den Teller für Hinzelmann sah, ihm nicht zutrinken wollte. Darüber beschwerte sich der Geist und sprach: “ich bin ein so ehrlicher und guter[S. 115] Gesell als dieser: warum trinkt er mich vorüber?” Darauf antwortete der Edelmann: “weiche von hinnen und trinke mit deinen höllischen Gesellen, hier hast du nichts zu schaffen!” Als Hinzelmann das hörte, ward er so heftig erbittert, daß er ihn bei dem Schnall-Riemen packte, damit er nach damaliger Sitte seinen Mantel unter dem Halse zugeschnallt hatte, nieder zur Erde zog und also würgte und drückte, daß allen Anwesenden angst wurde, er mögte ihn umbringen und jener, nachdem der Geist von ihm abgelassen, sich erst nach einigen Stunden wieder erholen konnte. Wiederum reiste einmal ein guter Freund des Hausherrn bei Hudemühlen vorbei, trug aber Bedenken wegen des Haus-Geistes, von dessen Schalkheit ihm vieles war erzählt worden, einzukehren und schickte seinen Diener, um zu melden, daß er nicht einsprechen könne. Der Haus-Herr ließ ihn inständig bitten, bei ihm die Mittags-Mahlzeit zu nehmen, aber der Fremde entschuldigte sich höflich damit, daß er sich nicht aufhalten dürfte; doch setzte er hinzu, es errege ihm zu großen Schrecken, mit einem Teufels-Gespenst an einem Tisch zu sitzen, zu essen und zu trinken. Bei dieser Unterredung draußen hatte sich Hinzelmann auch eingefunden, denn man hörte, nachdem sich der Fremde also geweigert, die Worte: “warte, mein guter Geselle, die Rede soll dir schon bezahlt werden!” Als nun der Reisende fortfuhr und auf die Brücke kam, welche über die Meisse geht, stiegen die Pferde mit den vordern Füßen in die Höhe, verwickelten sich ins Geschirr,[S. 116] daß wenig fehlte, so wäre er mit Roß und Wagen ins Wasser gestürzt. Wie alles wieder zurecht gebracht war und der Wagen einen Schuß weit gefahren, wurde er zwischen Eickelohe und Hudemühlen auf ebener Erde in dem Sand umgekehrt, doch ohne daß die darin Sitzenden weiteren Schaden nahmen.

Wie Hinzelmann gern in Gesellschaft und unter Leuten war, so hielt er sich doch am liebsten bei den Frauen auf und war mit ihnen gar freundlich und umgänglich. Auf Hudemühlen waren zwei Fräulein, Anna und Katharine, welchen er besonders zugethan war, ihnen klagte er sein Leid, wenn er war erzürnt worden und führte sonst allerhand Gespräche mit ihnen. Wenn sie über Land reisten, wollte er sie nicht verlassen und begleitete sie in Gestalt einer weißen Feder allenthalben. Legten sie sich Nachts schlafen, so ruhte er unten zu ihren Füßen auf dem Deckbett und man sah am Morgen eine kleine Grube, als ob ein Hündlein da gelegen hätte. Beide Fräulein verheiratheten sich nicht, denn Hinzelmann schreckte alle Freier ab. Manchmal kam es so weit, daß eben die Verlobung sollte gehalten werden, aber der Geist wußte es doch immer wieder rückgängig zu machen. Den einen, wenn er bei dem Fräulein seine Worte vortragen wollte, machte er ganz irre und verwirrt, daß er nicht wußte, was er sagen wollte. Bei dem andern erregte er solche Angst, daß er zitterte und bebte. Gemeinlich aber machte er an die gegenüber stehende weiße Wand eine Schrift mit großen goldenen Buchstaben ihnen vor[S. 117] die Augen: “nimm Jungfer Anne und laß mir Jungfer Katharine.” Kam aber einer und wollte sich bei Fräulein Anne beliebt machen und um sie werben, so veränderte sich auf einmal die goldene Schrift und lautete umgekehrt: “nimm Jungfer Katharine und laß mir Jungfer Anne.” Wenn sich jemand nicht daran kehrte und bei seinem Vorsatz blieb, und etwa im Hause übernachtete, quälte er ihn so und narrte ihn im Dunkeln mit Poltern, Werfen und Toben, daß er sich aller Heiraths-Gedanken entschlug und froh war, wenn er mit heiler Haut davon kam. Etliche hat er, wenn sie auf dem Rückweg waren, mit den Pferden über und über geworfen, daß sie Hals und Bein zu brechen meinten und nicht wußten, wie ihnen geschehen. Also blieben die zwei Fräulein unverheirathet, erreichten ein hohes Alter und starben beide innerhalb acht Tagen.

Einmal hatte eine dieser Fräulein von Hudemühlen einen Knecht nach Rethem geschickt, dies und jenes einzukaufen. Während dessen Abwesenheit fing der Geist in dem Gemache der Fräulein plötzlich an wie ein Storch zu klappern und sprach dann: “Jungfer Anne, heut magst du deine Sachen im Mühlen-Graben wieder suchen!” Sie wußte nicht, was das heißen sollte, bald aber trat der Knecht ein und erzählte, daß er auf dem Heimritt unterwegs einen Storch nicht weit von sich sitzen gesehen, auf den er aus langer Weile geschossen. Es habe auch nicht anders geschienen, als ob er ihn getroffen, der Storch aber wäre[S. 118] dennoch sitzen geblieben und, nachdem er angefangen laut zu klappern, endlich fortgeflogen. Nun zeigte sich, daß Hinzelmann das gewußt, bald aber traf auch seine Weißagung ein. Der Knecht, einigermaßen berauscht, wollte sein von Schweiß und Staub bedecktes Pferd rein baden und ritt es in das vor dem Schloß liegende Mühlen-Wasser, verfehlte aber in der Trunkenheit des rechten Orts, gerieth in einen tiefen Abgrund und, da er sich nicht auf dem Pferd erhalten konnte, fiel er hinab und ertrank. Die geholten Sachen hatte er noch nicht abgelegt, daher sie sammt dem Leichnam aus dem Wasser mußten herausgesucht werden.

Auch andern hat Hinzelmann die Zukunft voraus gesagt und sie gewarnt. Es kam ein Oberster nach Hudemühlen, der bei dem König Christian III. von Dänemark in besonderm Ansehen stand und in den Kriegen mit der Stadt Lübeck tapfere Dienste geleistet hatte. Dieser war ein guter Schütze und großer Liebhaber der Jagd, also daß er manche Stunde damit zubrachte, in dem umliegenden Gehölze den Hirschen und wilden Sauen nachzustellen. Als er sich eben wieder zu einer Jagd bereitete, kam Hinzelmann und sprach: “Thomas, (das war sein Name) ich warne dich, daß du im Schießen dich vorsiehst, sonst hast du in kurzem ein Unglück.” Der Oberst achtete nicht darauf und meinte, das hätte nichts zu bedeuten. Wenige Tage hernach, als er auf ein Reh losbrannte, zersprang die Büchse von dem Schuß und schlug ihm[S. 119] den Daumen aus der linken Hand. Wie es geschehen war, fand sich gleich Hinzelmann bei ihm und sprach: “sieh, nun hast du’s, wovor ich dich gewarnt: hättest du dich diese Zeit über des Schießens enthalten, der Unfall wäre dir nicht begegnet.”

Es war ein andermal ein Herr von Falkenberg, auch ein Kriegsmann, zum Besuch auf Hudemühlen angelangt. Da er ein frisches und fröhliches Herz hatte, fing er an, den Hinzelmann zu necken und allerhand kurzweilige Reden zu gebrauchen. Dies wollte dem Geist in die Länge nicht gefallen, sondern er begann sich unwillig zu gebährden und fuhr endlich mit den Worten heraus: “Falkenberg, du machst dich jetzt trefflich lustig über mich, aber komm nur hin vor Magdeburg, da wird man dir die Kappe ausbürsten, daß du deiner Spott-Reden vergessen wirst.” Der Edelmann erschrak, glaubte daß mehr hinter diesen Worten stecke, brach die Unterredung mit Hinzelmann ab und zog bald darauf fort. Nicht lange nachher begann die Belagerung von Magdeburg unter dem Churfürst Moriz; wobei auch dieser Herr von Falkenberg unter einem vornehmen deutschen Fürsten zugegen war. Die Belagerten wehrten sich tapfer und gaben Tag und Nacht mit Doppel-Haken und anderm Geschütz Feuer und es traf sich, daß diesem Falkenberg von einer Falkonett-Kugel das Kinn ganz hinweggeschossen wurde und er drei Tage darauf, nach den größten Schmerzen an dieser Wunde starb.

Ein Mann aus Hudemühlen war einmal sammt[S. 120] andern Arbeits-Leuten und Knechten im Feld und mähte Korn, ohne an etwas unglückliches zu denken. Da kam Hinzelmann zu ihm auf den Acker und rief: “lauf! lauf in aller Eile nach Haus, und hilf deinem jüngsten Söhnlein, das ist eben jetzt mit dem Gesicht ins Feuer gefallen und hat sich sehr verbrennt.” Der Mann legte erschrocken seine Sense nieder und eilte heim, zu sehen, ob Hinzelmann die Wahrheit geredet. Kaum aber war er über die Thürschwelle geschritten, als man ihm schon entgegen lief und das Unglück erzählte, wie er denn auch sein Kind über das ganze Gesicht elendiglich verbrannt sah. Es hatte sich auf einen kleinen Stuhl bei das Feuer gesetzt, wo ein Kessel überhing. Als es nun mit einem Löffel hineinlangen wollte und sich mit dem Stuhl vorwärts überbog, fiel es mit dem Gesicht mitten ins Feuer. Indeß, weil die Mutter in der Nähe war, lief sie herzu und riß es aus den Flammen wieder heraus, also daß es zwar etwas verbrannt war, doch aber dem Tode noch entrissen ward. Merkwürdig ist, daß fast in demselben Augenblick, wo das Unglück geschehen, der Geist es auch schon dem Vater im Felde verkündigte und ihn zur Rettung aufmahnte.

Wen der Geist nicht leiden konnte, den plagte er oder strafte ihn für seine Untugenden. Den Schreiber zu Hudemühlen beschuldigte er gar zu großer Hoffahrt, ward ihm darum gehässig und that ihm Tag und Nacht mancherlei Drangsal an. Einsmals erzählte er ganz fröhlich, er habe dem hochmüthigen Schreiber eine[S. 121] rechtschaffene Ohrfeige gegeben. Als man den Schreiber darum fragte, und ob der Geist bei ihm gewesen, antwortete er: “ja mehr als zu viel ist er bei mir gewesen, er hat mich diese Nacht gequält, daß ich vor ihm nicht zu bleiben wußte.” Er hatte aber eine Liebschaft mit dem Kammer-Mädchen, und als er sich nun einmal Nachts bei ihr zu einem vertraulichen Gespräch eingefunden und sie in größter Lust beisammen saßen und meinten, daß niemand als die vier Wände sie sehen könnte, kam der arglistige Geist, trieb sie aus einander und stöberte den guten Schreiber unsanft zur Thüre hinaus, ja er faßte überdem einen Besenstiel und setzte ihm nach, der über Hals und Kopf nach seiner Kammer eilte und seine Liebe ganz vergaß. Hinzelmann soll ein Spott-Lied auf den unglücklichen Liebhaber gemacht, solches zur Kurzweil oft gesungen und den Durchreisenden unter Lachen vorgesagt haben.

Es war jemand zu Hudemühlen plötzlich gegen Abend von heftigem Magenweh angefallen und eine Magd in den Keller geschickt, einen Trunk Wein zu holen, darin der Kranke die Arznei nehmen sollte. Als nun die Magd vor dem Fasse saß und eben den Wein zapfen wollte, fand sich Hinzelmann neben ihr und sprach: “du wirst dich erinnern, daß du mich vor einigen Tagen gescholten und geschmäht hast, dafür sollst du diese Nacht zur Strafe im Keller sitzen. Mit dem Kranken hat es ohnehin keine Noth, in einer halben Stunde wird all sein Weh vorüber seyn und der Wein, den du ihm brächtest, würde ihm eher schaden, als[S. 122] nützen. Bleib nur hier sitzen, bis der Keller wieder aufgemacht wird.” Der Kranke wartete lang, als der Wein nicht kam, ward eine andere hinabgeschickt, aber sie fand den Keller außen mit einem Häng-Schloß fest verwahrt, und die Magd darin sitzen, die ihr erzählte, daß Hinzelmann sie also eingesperrt habe. Man wollte zwar den Keller öffnen und die Magd heraushaben, aber es war kein Schlüssel zu dem Schloß aufzufinden, so fleißig auch gesucht ward. Folgenden Morgen war der Keller offen und Schloß und Schlüssel lagen vor der Thüre, so daß die Magd wieder herausgehen konnte. Bei dem Kranken hatten, wie der Geist gesagt, nach einer halben Stunde sich alle Schmerzen verloren.

Dem Haus-Herrn zu Hudemühlen hat sich der Geist niemals gezeigt, wenn er ihn bat, er mögte sich, wo er wie ein Mensch gestaltet sey, vor ihm sehen lassen, antwortete er, die Zeit wäre noch nicht gekommen, er solle warten, bis es ihm anständig sey. Als der Herr in einer Nacht schlaflos im Bette lag, merkte er ein Geräusch an der einen Seite der Kammer und vermuthete, es müßte der Geist gegenwärtig seyn. Er sprach demnach: “Hinzelmann, bist du da, so antworte mir.” “Ja ich bin es, erwiederte er, was willst du?” Da eben vom Mondschein die Kammer ziemlich erhellt war, däuchte den Herrn, als ob an dem Orte, wo der Schall herkam, der Schatten einer Kindes-Gestalt zu sehen wäre. Als er nun merkte, daß sich der Geist ganz freundlich und vertraulich anstellte, ließ er[S. 123] sich mit ihm in ein Gespräch ein und sprach endlich: “laß dich doch einmal von mir sehen und anfühlen.” Hinzelmann aber wollte nicht. “So reich mir wenigstens deine Hand, damit ich erkennen kann, ob du Fleisch und Bein hast, wie ein Mensch.” “Nein, sprach Hinzelmann, ich traue dir nicht, du bist ein Schalk, du mögtest mich ergreifen und hernach nicht wieder gehen lassen.” Nach langem Anhalten aber und als er ihm bei Treu und Glauben versprochen, ihn nicht zu halten, sondern alsobald wieder gehen zu lassen, sagte er: “siehe da ist meine Hand!” Wie nun der Herr darnach griff, däuchte ihn, als wenn er die Finger einer kleinen Kinder-Hand fühlte; der Geist aber zog sie gar geschwind wieder zurück. Der Herr begehrte ferner, er sollte ihn nun sein Angesicht fühlen lassen, worin er endlich willigte und wie jener darnach tastete, kam es ihm vor, als ob er gleichsam an Zähne oder an ein fleischloses Todten-Gerippe rührte; das Gesicht aber zog sich ebenfalls im Augenblick zurück, also daß er seine eigentliche Gestalt nicht wahrnehmen konnte; nur bemerkte er, daß es, wie die Hand, kalt und ohne menschliche Lebens-Wärme war.

Die Köchin, welche mit ihm gar vertraulich war, meinte, sie dürfte ihn wohl um etwas bitten, wo es ein anderer unterlassen müßte und als ihr nun die Lust kam, den Hinzelmann, den sie täglich reden hörte, mit Essen und Trinken versorgte, leiblich zu sehen, bat sie ihn inständig, ihr das zu gewähren. Er aber wollte nicht und sagte, dazu wäre jetzt noch nicht die[S. 124] Gelegenheit, nach Ablauf gewisser Zeit wollte er sich von jedermann sehen lassen. Aber durch diese Weigerung ward ihre Lust nur noch heftiger erregt und sie lag ihm je mehr und mehr an, ihr die Bitte nicht zu versagen. Er sagte, sie würde den Vorwitz bereuen, wenn er ihrer Bitte nachgeben wollte, als dies aber nichts fruchtete und sie gar nicht abstehen wollte, sprach er endlich: “Morgen vor Aufgang der Sonne komm in den Keller und trag in jeder Hand einen Eimer voll Wasser, so soll dir deine Bitte gewährt werden.” Die Magd fragte: “wozu soll das Wasser?” “Das wirst du erfahren, antwortete der Geist, ohne das würde dir mein Anblick schädlich seyn.” Am andern Morgen war die Köchin in aller Frühe bereit, nahm in jede Hand einen Eimer mit Wasser und ging in den Keller hinab. Sie sah sich darin um ohne etwas zu erblicken, als sie aber die Augen auf die Erde warf, ward sie vor sich eine Mulde gewahr, worin ein nacktes Kind, der Größe nach etwa von dreien Jahren, lag: in seinem Herzen steckten zwei Messer kreuzweis übereinander und sein ganzer Leib war mit Blut beflossen. Von diesem Anblick erschrak die Magd dermaßen, daß ihr alle Sinne vergingen und sie ohnmächtig zur Erde fiel. Alsbald nahm der Geist das Wasser, das sie mitgebracht und goß es ihr über den Kopf aus, wodurch sie wieder zu sich selber kam. Sie sah sich nach der Mulde um, aber es war alles verschwunden und sie hörte nur Hinzelmanns Stimme, der zu ihr sprach: “siehst du nun, wie nützlich das Wasser[S. 125] dir gewesen, war solches nicht bei der Hand, so wärst du hier im Keller gestorben. Ich hoffe, nun wird deine heiße Begierde, mich zu sehen, abgekühlt seyn.” Er hat hernach die Köchin oft mit diesem Streich geneckt und ihn Fremden mit vielem Lachen erzählt.

Der Prediger Feldmann von Eickelohe schreibt in einem Brief vom 14. December 1597, Hinzelmann habe eine kleine Hand, gleich der eines Knaben oder einer Jungfrau, öfters sehen lassen, sonst aber hätte man nichts von ihm erblicken können.

Unschuldigen, spielenden Kindern hat er sich immer gezeigt. Der Pfarrer Feldmann wußte sich zu besinnen, daß, als er 14 bis 15 Jahr alt gewesen und sich nicht sonderlich um ihn bekümmert, er den Geist in Gestalt eines kleinen Knaben die Treppe gar geschwind hinaufsteigen gesehen. Wenn sich Kinder um das Haus Hudemühlen versammelten und mit einander spielten, fand er sich unter ihnen ein und spielte mit in der Gestalt eines kleinen schönen Kindes, also daß alle anderen Kinder ihn deutlich sahen und hernach daheim ihren Eltern erzählten, wie, wenn sie im Spiel begriffen wären, ein fremdes Kindlein zu ihnen käme und mit ihnen Kurzweil treibe. Dies bekräftigte eine Magd, die einmal in ein Gemach getreten, wo vier oder sechs Kinder mit einander gespielt; unter diesen hat sie ein unbekanntes Knäblein gesehen von schönem Angesicht mit gelben, über die Schulter hängenden, krausen Haaren, in einen rothen Sammt-Rock gekleidet, welches, wie sie es recht betrachten wollte, aus dem Haufen[S. 126] sich verlor und verschwand. Auch von einem Narren, der sich dort aufhielt und Claus hieß, hat sich Hinzelmann sehen lassen und allerhand Kurzweil mit ihm getrieben. Wenn man den Narren nirgends finden konnte und hernach befragte, wo er so lange gewesen, antwortete er: “ich war bei dem kleinen Männlein und habe mit ihm gespielt.” Fragte man weiter, wie groß das Männlein gewesen, zeigte er mit der Hand eine Größe, wie etwa eines Kindes von vier Jahren.

Als die Zeit kam, wo der Haus-Geist wieder fortziehen wollte, ging er zu dem Herrn und sprach: “siehe, da will ich dir etwas verehren, das nimm wohl in acht und gedenk meiner dabei.” Damit überreichte er ihm erstlich ein keines Kreuz (es ist ungewiß nach des Verfassers Worten, ob aus Seide oder Saiten) gar artig geflochten. Es war eines Fingers lang, inwendig hohl und gab, wenn man es schüttelte, einen Klang von sich. Zweitens einen Stroh-Hut, den er gleichfalls selbst verfertigt hatte und worin, gar künstlich, Gestalten und Bilder durch das bunte Stroh zu sehen waren. Drittens einen ledernen Handschuh mit Perlen besetzt, die wunderbare Figuren bildeten. Dann fügte der Geist die Weißagung hinzu: “so lange diese Stücke unzertheilt bei deinem Hause in guter Verwahrung bleiben, wird das ganze Geschlecht blühen und ihr Glück immer höher steigen. Werden diese Geschenke aber zergliedert, verloren oder verschleudert, so wird euer Geschlecht abnehmen und sinken.” Und als er wahrnahm, daß der Herr keinen sonderlichen Werth[S. 127] auf die Geschenke zu legen schien, sprach er weiter: “ich fürchte, daß du diese Dinge nicht viel achtest und sie abhanden kommen lässest, darum will ich dir rathen, daß du sie deinen beiden Schwestern Anne und Katharine aufzuheben übergibst, die besser dafür sorgen werden.” Darauf gab der Haus-Herr diese Geschenke seinen Schwestern, welche sie annahmen und in guter Verwahrung hielten und nur aus sonderlicher Freundschaft jemand zeigten. Nach ihrem Tode fielen sie auf den Bruder zurück, der sie zu sich nahm und bei dem sie, so lang er lebte, blieben. Dem Pfarrer Feldmann hat er sie bei einer vertraulichen Unterredung auf seine Bitte gezeigt. Als dieser Herr auch starb, kamen sie auf dessen einzige Tochter Adelheid, an L. v. H. verheirathet, mit andern Erbschafts-Sachen und blieben eine Zeitlang in ihrem Besitz. Wo diese Geschenke des Haus-Geistes hernach hingekommen, hat sich der Sohn des Pfarrers Feldmann vielfach erkundigt und erfahren, daß der Strohhut dem Kaiser Ferdinand II. sey verehrt worden, der ihn für etwas gar wunderbares geachtet. Der lederne Handschuh war noch zu seiner Zeit in Verwahrung eines Edelmanns. Er war kurz und reichte genau nur über die Hand, oben über der Hand ist mit Perlen eine Schnecke gestickt. Wohin das kleine Kreuz gekommen, blieb unbekannt.

Der Geist schied freiwillig, nachdem er vier Jahr zu Hudemühlen sich aufgehalten, vom Jahr 1584 bis 1588. Ehe er von dannen gezogen, hat er noch gesagt, er werde einmal wiederkommen, wenn das Geschlecht,[S. 128] in Abnahme gerathe, und dann werde es aufs neue wieder blühen und aufsteigen.

76.
Klopfer.

Fränkische Sage. Reizenstein. Leipz. 1778. I. 76.

Im Schloß zu Flügelau hauste ein guter Geist, der den Mädchen alles zu Gefallen that; sie durften nur sagen: “Klopfer hols!” so wars da. Er trug Briefe weg, wiegte die Kinder und brach das Obst. Aber wie man einmal von ihm haben wollte, er sollte sich sehen lassen, und nicht nachließ, bis ers that, fuhr er feurig durch den Rauchfang hinaus und das ganze Schloß brannte ab, das noch nicht wieder aufgebaut ist. Es ist kurze Zeit vor dem Schwedenkriege geschehn.

77.
Stiefel.

Mündlich.

In dem Schlosse Calenberg hauste ein kleiner Geist Namens Stiefel. Er war einmal an einem Bein beschädigt worden und trug seitdem einen großen Stiefel, der ihm das ganze Bein bedeckte, weil er fürchtete, es mögte ihm ausgerissen werden.

[S. 129]

78.
Ekerken.

Weier von der Zauberei. VI. 15.

Bei dem Dorf Elten, eine halbe Meile von Emmerich im Herzogthum Cleve, war ein Geist, den die gemeinen Leute Ekerken (Eichhörnchen) zu nennen pflegten. Es sprang auf der Landstraße umher und neckte und plagte die Reisenden auf alle Weise. Etliche schlug es, andere warf er von den Pferden ab, anderen kehrte er Karrn und Wagen unterst zu oberst. Man sah aber mit Augen von ihm nichts, als eine menschlich gestaltete Hand.

79.
Nacht-Geist zu Kendenich.

Mündlich, aus Cöln.

Auf dem alten Rittersitz Kendenich, etwa zwei Stunden von Cöln am Rhein, ist ein mooriger, von Schilf und Erlensträuchen dicht bewachsener Sumpf. Dort sitzt eine Nonne verborgen und keiner mag am Abend an ihr vorübergehen, dem sie nicht auf den Rücken zu springen sucht. Wen sie erreicht, der muß sie tragen, und sie treibt und jagt ihn durch die ganze Nacht, bis er ohnmächtig zur Erde stürzt.

[S. 130]

80.
Der Alp.

Mündliche Erzählungen.
Prätorius Weltbeschr. I. 1-40. II. 160-162.
Bräuner’s Curiositäten 126-137.

Wenn gleich vor den Alpen Fenster und Thüre verschlossen werden, so können sie durch die kleinsten Löcher doch hereinkommen, welche sie mit sonderlicher Lust aufsuchen. Man kann in der Stille der Nacht das Geräusch hören, welches sie dabei in der Wand machen. Steht man nun geschwind auf und verstopft das Loch, so müssen sie bleiben, können auch nicht von dannen, selbst wenn Thür und Thor geöffnet würden. Man muß ihnen hierauf das Versprechen abnehmen, daß sie diesen Ort niemals beunruhigen wollen, bevor man sie in Freiheit setzt. Sie haben bei solchen Gelegenheiten erbärmlich geklagt, wie sie zu Haus ihre Kinderchen hätten, die verschmachten müßten, so sie nicht los kämen.

Der Trud oder Alp kommt oft weit her bei seinen nächtlichen Besuchen. Einsmals sind Hirten mitten in der Nacht im Felde gewesen und haben nicht weit von einem Wasser ihrer Herden gewartet. Da kommt ein Alp, steigt in den Kahn, löst ihn vom Ufer ab und rudert mit einer selbst mitgebrachten Schwinge hinüber, steigt alsdann aus, befestiget den Kahn jenseits und verfolgt seinen Weg. Nach einer Weile kehrt er zurück[S. 131] und rudert eben so herüber. Die Hirten aber, nachdem sie solchem mehrere Nächte zugesehen und es geschehen lassen, bereden sich, diesen Kahn wegzunehmen. Wie nun der Alp wiederkommt, so hebt er an kläglich zu winseln und droht den Hirten, den Kahn gleich herüber zu schaffen, wenn sie Frieden haben wollten; welches sie auch thun müssen.

Jemand, um den Alp abzuhalten, legte eine Hechel auf den Leib, aber der Alp drehte sie gleich um und drückte ihm die Spitzen in den Leib. Ein besseres Mittel ist es, die Schuhe vor dem Bette umzukehren, also daß die Hacken das Spannbett am nächsten bei sich haben. Wenn er drückt und man kann den Daumen in die Hand bringen, so muß er weichen. Nachts reitet er oft die Pferde, so daß man ihnen Morgens anmerkt, wie sie abgemattet sind. Mit Pferdeköpfen kann er auch vertrieben werden. Wer vor dem Schlafengehen seinen Stuhl nicht versetzt, den reitet der Mahr des Nachts. Gern machen sie den Leuten Weichsel-Zöpfe (Schrötleins-Zöpfe, Mahren-Flechten), indem sie das Haar saugen und verflechten. Wenn die Muhme ein Kind windelt, muß sie ein Kreuz machen und einen Zipfel aufschlagen, sonst windelt es der Alp noch einmal.

Sagt man zu dem drückenden Alp:

Trud komm Morgen,
so will ich borgen!

weicht er alsbald und kommt am andern Morgen in Gestalt eines Menschen, etwas zu borgen. Oder ruft[S. 132] man ihm nach: “komm Morgen und trink mit mir,” so muß derjenige kommen, der ihn gesandt hat.

Nach Prätorius stoßen seine Augenbraunen in gleichen Linien zusammen, andere erzählen, daß Leute, denen die Augenbraunen auf der Stirne zusammengewachsen sind, andern, wenn sie Zorn oder Haß auf sie haben, den Alp mit bloßen Gedanken zuschicken können. Er kommt dann aus den Augenbraunen, sieht aus wie ein kleiner weißer Schmetterling und setzt sich auf die Brust des andern Schlafenden.

81.
Der Wechselbalg.

Bräuner’s Curiositäten S. 6. 7.
Prätor. Weltbeschr. I. 363. 364.

Zu Heßloch, bei Odernheim im Gau gelegen, hat sichs zugetragen, daß der Kellner eines geistlichen Herrn mit der Köchin wie seiner Ehefrau gelebt, nur daß er sich nicht durfte öffentlich einsegnen lassen. Sie zeugten ein Kind miteinander, aber das wollte nicht wachsen und zunehmen, sondern es schrie Tag und Nacht und verlangte immer zu essen. Endlich hat sich die Frau berathen und wollte es gen Neuhausen auf die Cyriaks-Wiese tragen und wiegen lassen und aus dem Cyriaks-Brunnen ihm zu trinken geben, so mögte es besser mit ihm werden. Denn es war damals Glauben, ein Kind müsse dann nach neun Tagen sich zum[S. 133] Leben oder Tod verändern[4]. Wie nun die Frau bei Westhofen in den Klauer kommt mit dem Kind auf dem Rücken, welches ihr so schwer geworden, daß sie keucht und der Schweis ihr übers Angesicht lauft, begegnet ihr ein fahrender Schüler, der redet sie an: “ei Frau, was tragt ihr da für ein wüstes Geschöpf, es wäre kein Wunder, wenn es euch den Hals eindrückte.” Sie antwortete, es wäre ihr liebes Kind, das wollte nicht gedeihen und zunehmen, daher es zu Neuhausen sollte gewogen werden. Er aber sprach: “das ist nicht euer Kind, es ist der Teufel[5], werft ihn in den Bach!” Als sie aber nicht wollte, sondern beharrte, es wäre ihr Kind und es küßte, sprach er weiter: “euer Kind stehet daheim in der Stuben-Kammer hinter der Arke in einer neuen Wiege, werfet diesen Unhold in den Bach!” da hat sie es mit Weinen und Jammern gethan. Alsobald ist ein Geheul und Gemurmel unter der Brücke, auf der sie stand, gehört worden, gleich wie von Wölfen und Bären. Und als die Mutter heimgekommen, hat sie ihr Kindlein frisch und gesund und lachend in einer neuen Wiege gefunden.

[4] Ein Wechselbalg wird gewöhnlich nicht älter als sieben Jahre; nach andern jedoch sollen sie 18-19 Jahre leben.

[5] Denn der Teufel nimmt die rechten Kinder aus der Wiege, führt sie fort und legt seine dafür hinein. Daher der Name: Wechselbalg.

[S. 134]

82.
Die Wechselbälge im Wasser.

Kirchhof’s Wendunmuth V. 314. Nr. 258.
Bräuner’s Curiositäten 9.
Hildebrand Entdeckung der Zauberei S. 109.
Fischart im wilden Teufels Heer.
Luther’s Tisch-Reden 105b. 106a.

Bei Halberstadt hatte ein Bauer einen Kielkropf, der seine Mutter und fünf Muhmen ausgesogen, dabei unmäßig gegessen hatte (denn sie essen mehr, als zehn andere Kinder), und sich so angestellt, daß sie seiner gar müd geworden. Es ward ihm der Rath gegeben, er solle das Kind zur Wallfahrt gen Heckelstadt zur Jungfrau Maria geloben und daselbst wiegen lassen. Diesem Rath folgte der gute Bauer, setzte es in einen Rückkorb und trug es hin. Wie er aber über ein Wasser geht und auf der Brücke ist, rufts unten im Wasser: “Kielkropf! Kielkropf!” Da antwortet das Kind in dem Korbe, das niemals zuvor ein Wort geredet hatte: “ho! ho!” Dessen war der Bauer ungewohnt und sehr erschrocken. Darauf fragte der Teufel im Wasser ferner: “wo willt du hin?” Der Kielkropf oben antwortete: “ick well gen Heckelstadt to unser leven Fruggen:

mik laten wigen
dat ick möge gedigen” (gedeihen).

Wie der Bauer hörte, daß der Wechselbalg ordentlich reden konnte, ward er zornig und warf ihn sammt dem Korb ins Wasser. Da sind die zwei Teufel zusammengefahren,[S. 135] haben geschrien: “ho! ho! ha!” mit einander gespielt und sich überworfen und sind darnach verschwunden.

83.
Der Alraun.

Simplicissimi Galgen-Männlein. Im dritten Theil.
Israel Fronschmidt vom Galgen-Männlein.
Rollenhagen’s Indian. Reisen. Magdeb. 1605. S. 271. 272.
Bräuner’s Curiosit. S. 226-235.
Prätorius Weltbeschr. II. 215. 216. Weihnachtsfr. 155. 156.
Harsdörfer’s Mordgeschichten Nr. 45. S. 151.
Chr. Gotfr. Roth diss. de imagunculis Germanor. magicis, quas Alraunas vocant. Helmst. 1737. 8.

Es ist Sage, daß, wenn ein Erb-Dieb, dem das Stehlen durch Herkunft aus einem Diebs-Geschlecht angeboren ist, oder dessen Mutter, als sie mit ihm schwanger ging, gestolen, wenigstens groß Gelüsten dazu gehabt, (nach andern, wenn er zwar ein unschuldiger Mensch, in der Tortur aber sich für einen Dieb bekennet) und der ein reiner Jüngling ist, gehenkt wird und das Wasser läßt (aut sperma in terram effundit), so wächst an dem Ort der Alraun oder das Galgen-Männlein. Oben hat er breite Blätter und gelbe Blumen. Bei der Ausgrabung desselben ist große Gefahr, denn wenn er herausgerissen wird, ächzt, heult und schreit er so entsetzlich, daß der, welcher ihn ausgräbt, alsbald sterben muß. Um ihn daher zu erlangen, muß man am Freitag vor Sonnen-Aufgang,[S. 136] nachdem man die Ohren mit Baumwolle, Wachs oder Pech wohl verstopft, mit einem ganz schwarzen Hund, der keinen andern Flecken am Leib haben darf, hinausgehen, drei Kreuze über den Alraun machen und die Erde rings herum abgraben, so daß die Wurzel nur noch mit kleinen Fasern in der Erde stecken bleibt. Darnach muß man sie mit einer Schnur dem Hund an den Schwanz binden, ihm ein Stück Brot zeigen und eilig davon laufen. Der Hund, nach dem Brot gierig, folgt und zieht die Wurzel heraus, fällt aber, von ihrem ächzenden Geschrei getroffen, alsbald todt hin. Hierauf nimmt man sie auf, wäscht sie mit rothem Wein sauber ab, wickelt sie in weiß und rothes Seiden-Zeug, legt sie in ein Kästlein, badet sie alle Freitag und gibt ihr alle Neumond ein neues weißes Hemdlein. Fragt man nun den Alraun, so antwortet er und offenbart zukünftige und heimliche Dinge zu Wohlfahrt und Gedeihen. Der Besitzer hat von nun an keine Feinde, kann nicht arm werden und hat er keine Kinder, so kommt Eheseegen. Ein Stück Geld, das man ihm Nachts zulegt, findet man am Morgen doppelt; will man lang seines Dienstes genießen und sicher gehen, damit er nicht abstehe oder sterbe, so überlade man ihn nicht, ein halben Thaler mag man kühnlich alle Nacht ihm zulegen, das höchste ist ein Ducaten, doch nicht immer, sondern nur selten.

Wenn der Besitzer des Galgen-Männleins stirbt, so erbt es der jüngste Sohn, muß aber dem Vater ein Stück Brot und ein Stück Geld in den Sarg legen[S. 137] und mit begraben lassen. Stirbt der Erbe vor dem Vater, so fällt es dem ältesten Sohn anheim, aber der jüngste muß eben so schon mit Brot und Geld begraben werden.

84.
Spiritus familiaris.

Trutz Simplex Leben der Landstörzerin Courage. Cap. 18. u. 23.
Der Leipziger Avanturieur. Frkft. u. Lpz. 1756. Th. 2. S. 38-42.

Er wird gemeinlich in einem wohlverschlossenen Gläslein aufbewahrt, sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer ihn kauft, in dessen Tasche bleibt er, er mag das Fläschlein hinlegen, wohin er will, immer kehrt es von selbst zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Krieg fest wie Stahl und Eisen, also daß sein Besitzer immer den Sieg hat, auch behütet er vor Haft und Gefängniß. Man braucht ihn nicht zu pflegen, zu baden und kleiden, wie ein Galgen-Männlein.

Wer ihn aber behält, bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle, darum sucht ihn der Besitzer wieder zu verkaufen. Er läßt sich aber nicht anders verkaufen, als immer wohlfeiler, damit ihm einer bleibe, der ihn nämlich mit der geringsten Münze eingekauft hat.

Ein Soldat, der ihn für eine Krone gekauft und den gefährlichen Geist kennen lernte, warf ihn seinem[S. 138] vorigen Besitzer vor die Füße und eilte fort; als er zu Haus ankam, fand er ihn wieder in seiner Tasche. Nicht besser ging es ihm, als er ihn in die Donau warf.

Ein Augsburgischer Roßtäuscher und Fuhrmann zog in eine berühmte deutsche Stadt ein. Der Weg hatte seine Thiere sehr mitgenommen, im Thor fiel ihm ein Pferd, im Gasthaus das zweite und binnen wenig Tagen die übrigen sechs. Er wußte sich nicht zu helfen, ging in der Stadt umher und klagte den Leuten mit Thränen seine Noth. Nun begab sichs, daß ein anderer Fuhrmann ihm begegnete, dem er sein Unglück erzählte. Dieser sprach: “seyd ohne Sorgen, ich will euch ein Mittel vorschlagen, dessen ihr mir danken sollt.” Der Roßtäuscher meinte, das wären leere Worte. “Nein, nein, Gesell, euch soll geholfen werden. Geht in jenes Haus und fraget nach einer Gesellschaft, die er ihm nannte, der erzählt euern Unfall und bittet um Hilfe.” Der Roßtäuscher folgte dem Rath, ging in das Haus und fragte einen Knaben, der da war, nach der Gesellschaft. Er mußte auf Antwort warten, endlich kam der Knabe wieder und öffnete ihm ein Zimmer, in welchem etliche alte Männer an einer runden Tafel saßen. Sie redeten ihn mit Namen an und sagten: “dir sind acht Pferde gefallen, darüber bist du niedergeschlagen und nun kommst du, auf Anrathen eines deiner Gesellen, zu uns, um Hilfe zu suchen: du sollst erlangen, was du begehrst.” Er mußte sich an einen Neben-Tisch setzen[S. 139] und nach Verlauf weniger Minuten überreichten sie ihm ein Schächtelein mit den Worten: “dies trage bei dir und du wirst von Stund an reich werden, aber hüte dich, daß du die Schachtel, wo du nicht wieder arm werden willst, niemals öffnest.” Der Roßtäuscher fragte, was er für dieses Schächtelein zu zahlen habe, aber die Männer wollten nichts dafür; nur mußte er seinen Namen in ein großes Buch schreiben, wobei ihm die Hand geführt ward. Der Roßtäuscher ging heim, kaum aber war er aus dem Haus getreten, so fand er einen ledernen Sack mit dreihundert Ducaten, womit er sich neue Pferde kaufte. Ehe er die Stadt verließ, fand er in dem Stalle, wo die neuen Pferde standen, noch einen großen Topf mit alten Thalern. Kam er sonst wohin und setzte das Schächtlein auf die Erde, so zeigte sich da, wo Geld verloren oder vorzeiten vergraben war, ein hervordringendes Licht, also daß er es leicht heben konnte. Auf diese Weise erhielt er ohne Diebstal und Mord große Schätze zusammen.

Als die Frau des Roßtäuschers von ihm vernahm, wie es zuging, erschrack sie und sprach: “du hast etwas böses empfangen, Gott will nicht, daß der Mensch durch solch verbotene Dinge reich werde, sondern hat gesagt, im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Ich bitte dich um deiner Seeligkeit willen, daß du wieder nach der Stadt zurückreisest und der Gesellschaft deine Schachtel zustellst.” Der Mann, von diesen Worten bewogen, entschloß sich und sendete einen Knecht mit dem Schächtelein hin, um es[S. 140] zurückzuliefern, aber der Knecht brachte es wieder mit der Nachricht zurück, daß diese Gesellschaft nicht mehr zu finden sey, auch niemand wisse, wo sie sich gegenwärtig aufhalte. Hierauf gab die Frau genau Acht, wo ihr Mann das Schächtlein hinsetze und bemerkte, daß er es in einem besonders von ihm gemachten Täschchen in dem Bund seiner Beinkleider verwahre. In einer Nacht stand sie auf, zog es hervor und öffnete es: da flog eine schwarze sumsende Fliege heraus und nahm ihren Weg durch das Fenster hin. Sie machte den Deckel wieder darauf und steckte es an seinen Ort, unbesorgt, wie es ablaufen würde. Allein von Stund an verwandelte sich all das vorige Glück in das empfindlichste Unglück. Die Pferde fielen um oder wurden gestolen. Das Korn auf dem Boden verdarb, das Haus brannte zu dreienmalen ab und der eingesammelte Reichthum verschwand zusehends. Der Mann gerieth in Schulden und ward ganz arm, so daß er in Verzweiflung erst seine Frau mit einem Messer tödtete, dann sich selbst eine Kugel durch den Kopf schoß.

85.
Das Vogelnest.

Michaeler Vorrede zum Iwein. Wien 1786. S. 54.
Simplicissimus Springinsfeld cap. 23.

Noch jetzt herrscht in mehrern Gegenden der Glaube, daß es gewisse Vogelnester (auch Zwissel- und Zeisselnestlein[S. 141] genannt) gebe, die, selbst gewöhnlich unsichtbar, jeden, der sie bei sich trägt, unsichtbar machen. Um sie nun zu finden, muß man sie zufällig in einem Spiegel oder Wasser erblicken. Vermuthlich hängt die Sage mit dem Namen einer Gattung des Zweiblatts, bifoglio, zusammen, die in fast allen europäischen Sprachen Vogelnest heißt und etwas alraunhaft zu seyn scheint. Den näheren Verlauf ergibt der angeführte Roman des 17. J.H. am deutlichsten, gewiß aus volksmäßiger Quelle:

Unter solchem Gespräch sah ich am Schatten oder Gegenschein eines Baums im Wasser etwas auf der Zwickgabel liegen, das ich gleichwohl auf dem Baum selbst nicht sehen konnte, solches wies ich meinem Weib Wunderswegen. Als sie solches betrachtet und die Zwickgabel gemerkt, darauf es lag, kletterte sie auf den Baum und holets herunter, was wir im Wasser gesehen hatten. Ich sah ihr gar eben zu und wurde gewahr, daß sie in demselben Augenblick verschwand, als sie das Ding, dessen Schatten (Abbild) wir im Wasser erblickt, in die Hand genommen hatte; allein ich sah noch wohl ihre Gestalt im Wasser, wie sie nämlich den Baum wieder abkletterte und ein kleines Vogelnest in der Hand hielt, das sie vom Zwickast herunter genommen. Ich fragte sie: was sie für ein Vogelnest hätte? Sie hingegen fragte mich: ob ich sie denn sähe? Ich antwortete: “auf dem Baum selbst sehe ich dich nicht, aber wohl deine Gestalt im Wasser.” “Es ist gut, sagte sie, wenn ich herunterkomme, wirst[S. 142] du sehen, was ich habe.” Es kam mir gar verwunderlich vor, daß ich mein Weib sollte reden hören, die ich doch nicht sah, und noch seltsamer, daß ich ihren Schatten an der Sonne wandeln sah und sie selbst nicht. Und da sie sich besser zu mir in den Schatten näherte, so daß sie selbst keinen Schatten mehr warf, weil sie sich nunmehr außerhalb dem Sonnenschein im Schatten befand, konnte ich gar nichts mehr von ihr merken, außer, daß ich ein kleines Geräusch vernahm, welches sie beides mit ihrem Fußtritt und ihrer Kleidung machte, welches mir vorkam, als ob ein Gespenst um mich her gewesen wäre; sie setzte sich zu mir und gab mir das Nest in die Hand, sobald ich dasselbige empfangen, sah ich sie wiederum, hingegen sie aber mich nicht; solches probirten wir oft mit einander und befanden jedesmal, daß dasjenige, so das Nest in Händen hatte, ganz unsichtbar war. Drauf wickelte sie das Nestlein in ein Nasentüchel, damit der Stein, oder das Kraut oder Wurzel, welches sich im Nest befand und solche Wirkung in sich hatte, nicht herausfallen sollte und etwan verloren würde, und nachdem sie solches neben sich gelegt, sahen wir einander wiederum, wie zuvor, ehe sie auf den Baum gestiegen; das Nestnastüchel sahen wir nicht, konnten es aber an demjenigen Ort wohl fühlen, wohin sie es geleget hatte.

[S. 143]

86.
Der Brutpfenning.

Happel relat. curios. I. 522.

Der Brutpfenning oder Heckegroschen soll auf folgende heillose Weise erlangt werden: die sich dem Teufel verbinden wollen, gehen auf Weihnachts-Abend, so es beginnet zu dunkeln, nach einem Scheideweg unter dem offenbaren Himmel. Mitten auf diesem Flecken legen sie dreißig Pfenninge oder auch Groschen, Thaler, in einem runden Ring der Reihe nach neben einander hin und heben an, die Stücke vorwärts und rückwärts zu zählen. Dies Zählen muß gerade geschehen in der Zeit, wenn man zur Messe läutet. In dem Zählen nun sucht der höllische Geist durch allerhand schreckliche Gesichter von glühenden Ofen, seltsamen Wagen und hauptlosen Menschen irre zu machen, denn wenn der Zählende im geringsten wankt und stolpert, wird ihm der Hals umgedreht. Wofern er aber richtig vor- und nachgezählt, so wirft der Teufel zu den dreißig Stücken das ein und dreißigste in gleicher Münze hin. Dieser ein und dreißigste Pfenning hat die Eigenschaft, daß er alle und jede Nacht einen gleichen ausbrütet.

Eine Bäuerin zu Pantschdorf bei Wittenberg, die einen solchen Brutpfenning hatte, wurde auf diese Art als Hexe kund gemacht: sie mußte einmal nothwendig ausgehen und hieß die Magd, die Milch von der gemelkten Kuh (eh sie die andern melkte) alsbald sieden, auf weiß Brot in einer dastehenden Schüssel gießen[S. 144] und in eine gewisse Kiste setzen, welche sie ihr zeigte. Die Dienstmagd vergaß das entweder oder dachte, es wäre gleichviel, ob sie die Milch vor oder nach dem Melken der anderen Kühe aufkochte, und that also erst ihre ganze Arbeit. Nachher nahm sie die siedende Milch vom Feuer und in der einen Hand den Topf haltend, mit der andern im Begriff, die bezeichnete Kiste zu öffnen, sah sie in dieser ein pechschwarz Kalb sitzen, das den Mund aufsperrte. Vor Schrecken goß sie die gesottene Milch in seinen Rachen und in selbem Augenblick floh das Kalb davon und steckte das ganze Haus in Brand. Die Frau wurde eingezogen und bekannte; ihren Brutpfenning haben die Bauern noch lange Zeit in der gemeinen Cassa aufbewahret.

87.
Wechselkind mit Ruthen gestrichen.

Prätorius Weltbeschr. I. 365. 366.

Im Jahr 1580. hat sich folgende wahrhaftige Geschichte begeben: nahe bei Breslau wohnet ein nahmhaftiger Edelmann, der hat im Sommer viel Heu und Grummet aufzumachen, dazu ihm seine Unterthanen fröhnen müssen. Unter diesen ward auch berufen eine Kindbetterin, so kaum acht Tage im Kindbett gelegen. Wie sie nun siehet, daß es der Junker haben wollte und sie sich nicht weigern kann, nimmt sie ihr Kind mit ihr hinaus, legt es auf ein Häuflein Gras, geht[S. 145] von ihm und wartet dem Heumachen ab. Als sie ein gute Weile gearbeitet, und ihr Kindlein zu säugen gehet, siehet sie es an, schreiet heftig und schlägt die Hände überm Kopf zusammen, und klaget männiglich, dies sey nicht ihr Kind, weil es geizig ihr die Milch entziehe und so unmenschlich heule, das sie an ihrem Kinde nicht gewohnt sey. Wie dem allen, so behielt sie es etlich Tag über, das hielt sich so ungebührlich, daß die gute Frau gar nahe zu Grund gerichtet wäre. Solches klaget sie dem Junker, der sagt zu ihr: “Frau, wenn es euch bedünket, daß dies nicht euer Kind, so thut eins und tragt es auf die Wiese, da ihr das vorige Kind hingeleget habt, und streichet es mit der Ruthe heftig, so werdet ihr Wunder sehen.”

Die Frau folget dem Junker, ging hinaus und strich das Wechselkind mit der Ruthe, daß es sehr geschrien hat; da brachte der Teufel ihr gestolen Kind und sprach: “da hasts!” und mit dem nahm er sein Kind hinweg.

Diese Geschicht ist lautbar und beiden Jung und Alten in derselbigen Gegend um und in Breslau landkündig.

88.
Das Schauen auf die Kinder.

Prätorius Weltbeschr. I. 124.

Ein glaubwürdiger Bürger aus Leipzig erzählte: als sein erstes Kind schon etliche Wochen alt gewesen,[S. 146] habe man es zu drei unterschiedlichen Nächten in der Wiege aufgedeckt und in der Quer liegend gefunden, da doch die Wiege hart vor dem Wochenbette der Mutter gestanden. Der Vater nahm sich also vor, in der vierten Nacht aufzubleiben und auf sein Kind gute Acht zu haben. Er harrte eine lange Weile und wachte stetig bis nach Mitternacht, da war dem Kinde noch nichts begegnet, deswegen, weil er es selber betrachtet und angeschauet hatte. Aber indem fielen ihm die Augen ein wenig zu und als die Mutter kurz darauf erwachte und sich umsah, war das Kind wieder in die Quer gezogen und das Deckbett von der Wiege mitten über ihr Bett geworfen, da sie es sonsten nur immer aufzuschlagen und zu Füßen des Kinds in der Wiege zu legen pflegen, nach allgemeinem Gebrauche. Denke einer in so geschwinder Eile, daß sich alle verwundern mußten. Aber weiter hatte das Ungethüm keine Macht zum Kinde gehabt.

89.
Die Roggen-Muhme.

Tharsander (G.W. Wegner) Schauplatz I. 433. 434.
Prätorius Weltbeschr. I. 125. 126.

In der Mark Brandenburg geht unter den Landleuten eine Sage von der Roggen-Muhme, die im Kornfeld stecke, weshalb die Kinder sich hineinzugehen fürchten.

[S. 147]

Im Jahr 1662 erzählte auch die saalfelder Frau dem Prätorius: ein dortiger Edelmann habe eine Sechswöchnerin von seinen Unterthanen gezwungen, zur Erntezeit Garben zu binden. Die Frau nahm ihr junges, säugendes Kindlein mit auf den Acker und legte es, um die Arbeit zu fördern, zu Boden. Ueber eine Weile sah der Edelmann, welcher zugegen war, ein Erdweib mit einem Kinde kommen und es um das der Bäuerin tauschen. Dieses falsche Kind hob an zu schreien, die Bäuerin eilte herzu, es zu stillen, aber der Edelmann wehrte ihr und hieß sie zurückbleiben, er wolle ihr schon sagen, wanns Zeit wäre. Die Frau meinte, er thäte so der fleißigeren Arbeit wegen und fügte sich mit großem Kummer. Das Kind schrie unterdessen unaufhörlich fort, da kam die Roggen-Mutter von neuem, nahm das weinende Kind zu sich und legte das gestohlene wieder hin. Nachdem alles das der Edelmann mit angesehen, rief er der Bäuerin und hieß sie nach Hause gehen. Seit der Zeit nahm er sich vor, nun und nimmermehr eine Kindbetterin zu Diensten zu zwingen.

90.
Die zwei unterirdischen Weiber.

Prätorius Weltbeschr. I. 123. 124.

Folgende Begebenheit hat Prätorius von einem Studenten erfahren, dessen Mutter gesagt hatte, sie sey zu Dessau geschehen.

[S. 148]

Nachdem eine Frau ein Kind zur Welt gebracht, hat sie es bei sich gelegt und ist noch vor dessen Taufe in einen tiefen Schlaf verfallen. Zur Mitternacht sind zwei unterirdische Weiber gekommen, haben Feuer auf dem Hausheerde gemacht, einen Kessel voll Wasser übergesetzet, ihr mitgebrachtes Kind darin gebadet und abgewaschen, solches hernach in die Stube getragen und mit dem andern schlafenden Kind ausgetauschet. Hierauf sind sie damit weggegangen, bei dem nächsten Berg aber um das Kind in Streit gerathen, darüber es eine der andern zugeworfen und gleichsam damit geballet haben, bis das Kind darüber geschrien und die Magd im Hause erwachet. Als sie der Frauen Kind angeblickt und die Verwechselung gemerkt, ist sie vors Haus gelaufen und hat die Weiber noch also mit dem gestohlenen Kind handthieren gefunden, darauf sie hinzugetreten und hat mit gefangen, sobald sie aber das Kind in ihre Arme bekommen, ist sie eilends nach Haus gelaufen und hat die Wechselbutte vor die Thür geleget, welche darauf die Bergfrauen wieder zu sich genommen.

91.
König Grünewald.

Hess. Denkwürdigk. IV. 2, 295-297. vom Prof. Schwarz aus der Sage alter Leute aufgenommen.

Auf dem Christenberg in Oberhessen wohnte vor Alters ein König und stand da sein Schloß. Und er[S. 149] hatte auch eine einzige Tochter, auf die er gar viel hielt und die wunderbare Gaben besaß. Nun kam einmal sein Feind, ein König, der hieß Grünewald und belagerte ihn in seinem Schlosse, und als die Belagerung lange dauerte, so sprach dem König im Schlosse seine Tochter immer noch Muth ein. Das währte bis zum Maientag. Da sah auf einmal die Tochter, wie der Tag anbrach, das feindliche Heer herangezogen kommen mit grünen Bäumen. Da wurde es ihr angst und bang, denn sie wußte, daß alles verloren war und sagte ihrem Vater:

Vater gebt euch gefangen,
der grüne Wald kommt gegangen!

Darauf schickte sie ihr Vater ins Lager König Grünewalds, bei dem sie ausmachte, daß sie selbst freien Abzug haben sollte und noch dazu mitnehmen dürfte, was sie auf einen Esel packen könnte. Da nahm sie ihren eigenen Vater, packte ihn drauf sammt ihren besten Schätzen und zog nun fort. Und als sie eine gute Strecke in einem fortgegangen waren, sprach die Königstochter: “hier wollemer ruhen!” Daher hat ein Dorf den Namen, das dort liegt (Wollmar, eine Stunde vom Christenberg, in der Ebene). Bald zogen sie weiter durch Wildnisse hin ins Gebirg, bis sie endlich einen Flecken fanden; da sagte die Königstochter: “hier hat’s Feld!” und da blieben sie und bauten ein Schloß und nannten es Hatsfeld. Dort sind noch bis auf den heutigen Tag die Ueberbleibsel und die Stadt dabei hat auch von der Burg den Namen.[S. 150] (Hatzfeld, ein Städtchen an der Eder, im Gebirg, gegen vier Stunden vom Christenberge westlich).

92.
Blümelis-Alp.

Scheuchzer Naturgesch. der Schweiz. Zürich 1746. II. 83.
Wyß Volkssagen. Bern 1815. aus mündl. Ueberlieferung.

Mehr als eine Gegend der Schweiz erzählt die Sage von einer jetzt in Eis und Felstrümmern überschütteten, vor alten Zeiten aber beblümten, herrlichen und fruchtbaren Alpe. Zumal im Berner Oberland wird sie von den Klariden (einem Gebirg) berichtet:

Ehmals war hier die Alpweide reichlich und herrlich, das Vieh gedieh über alle Maaßen, jede Kuh wurde des Tages dreimal gemolken und jedesmal gab sie zwei Eimer Milch, den Eimer von dritthalb Maas. Dazumal lebte am Berg ein reicher, wohlhabender Hirte, und hob an, stolz zu werden und die alte einfache Sitte des Lands zu verhöhnen. Seine Hütte ließ er sich stattlicher einrichten und buhlte mit Cathrine, einer schönen Magd, und im Uebermuth baute er eine Treppe ins Haus aus seinen Käsen und die Käse legte er aus mit Butter und wusch die Tritte sauber mit Milch. Ueber diese Treppe gingen Cathrine, seine Liebste, und Brändel, seine Kuh, und Rhyn, sein Hund, aus und ein.

Seine fromme Mutter wußte aber nichts von dem[S. 151] Frevel und eines Sonntags im Sommer wollte sie die Senne ihres Sohns besuchen. Vom Weg ermüdet ruhte sie oben aus und bat um einen Labetrunk. Da verleitete den Hirten die Dirne, daß er ein Milchfaß nahm, saure Milch hineinthat und Sand darauf streute, das reichte er seiner Mutter. Die Mutter aber, erstaunt über die ruchlose That, ging rasch den Berg hinab und unten wandte sie sich, stand still und verfluchte die Gottlosen, daß sie Gott strafen mögte.

Plötzlich erhob sich ein Sturm und ein Gewitter verheerte die gesegneten Fluren. Senne und Hütte wurden verschüttet, Menschen und Thiere verdarben. Des Hirten Geist, sammt seinem Hausgesinde, sind verdammt, so lange, bis sie wieder erlöst worden, auf dem Gebirg umzugehen, “ich und min Hund Rhyn, und mi Chuh Brandli und mine Kathry, müssen ewig uf Klaride syn!” Die Erlösung hangt aber daran, daß ein Senner auf Charfreitag die Kuh, deren Euter Dornen umgeben, stillschweigend ausmelke. Weil aber die Kuh, der stechenden Dörner wegen, wild ist und nicht still hält, so ist das eine schwere Sache. Einmal hatte einer schon den halben Eimer vollgemolken, als ihm plötzlich ein Mann auf die Schulter klopfte und fragte: “schäumts auch wacker?” Der Melker aber vergaß sich und antwortete: “o ja!” da war alles vorbei und Brändlein, die Kuh, verschwand aus seinen Augen.

[S. 152]

93.
Die Lilie.

Aug. Lercheimer Bedenken von der Zauberei. Bl. 14. u. 15.

Im Land zu H. war ein Edelmann, A. v. Th. genannt, der konnte Köpfe abhauen und wieder aufsetzen. Er hatte bei sich beschlossen, hinfort des teuflischen, gefährlichen Dings müßig zu gehen, eh er einmal darüber in ein Unglück geriethe, wie dann doch geschahe. Bei einer Gasterei ließ er sich von guten Gesellen überreden, diese Ergötzlichkeit ihnen noch einmal zu guter Letzt zu zeigen. Nur wollte, wie leicht zu erachten, niemand gern seinen Kopf dazu leihen; letztlich ließ sich der Haus-Knecht dazu brauchen, doch mit dem gewissen Geding, daß ihm sein Kopf wieder fest gemacht würde. Nun hieb ihm der Edelmann den Kopf ab, aber das Wieder-Aufsetzen wollte nicht gehen. Da sprach er zu den Gästen: “es ist einer unter euch, der mich verhindert, den will ich vermahnt haben und gewarnt, daß er es nicht thue.” Darauf versuchte ers abermal, konnte aber nichts ausrichten. Da vermahnte und dräute er zum andernmal, ihn unverhindert zu lassen. Da das auch nicht half und er beim drittenmal den Kopf nicht wieder aufsetzen konnte, ließ er auf dem Tisch eine Lilie wachsen, der hieb er das Haupt und die Blume oben ab. Alsbald fiel einer von den Gästen hinter sich von der Bank und war ihm der Kopf ab. Nun setzte er dem Haus-Knecht[S. 153] den seinen wieder auf und flohe aus dem Lande, bis die Sache vertragen ward und er Verzeihung erhielt.

94.
Johann von Passau.

Luther’s Tisch-Reden. 105.
Prätorius Weltbeschr. I. 357. 358.
Wendunmuth. V. 312. Nr. 256.

Doctor Martinus Luther erzählt: ein Edelmann hatte ein schön jung Weib gehabt, die war ihm gestorben, und auch begraben worden. Nicht lange darnach, da liegt der Herr und der Knecht in einer Kammer beieinander, da kommt des Nachts die verstorbene Frau und lehnet sich über des Herren Bette, gleich als redete sie mit ihm. Da nun der Knecht sah, daß solches zweimal nach einander geschah, fraget er den Junkherrn, was es doch sey, daß alle Nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern vor sein Bett komme, da saget er nein, er schlafe die ganze Nacht aus, und sehe nichts. Als es nun wieder Nacht ward, gibt der Junker auch acht drauf und wachet im Bette, da kömmt die Frau wieder vor das Bett, der Junker fraget: wer sie sey und was sie wolle? Sie antwortet: sie sey seine Hausfrau. Er spricht: “bist du doch gestorben und begraben!” Da antwortet sie: “ja, ich habe deines Fluchens halben und um deiner Sünden willen sterben müssen, willst du mich aber wieder zu dir haben, so will ich wieder deine Hausfrau werden.” Er spricht: “ja, wenns nur seyn könnte;” aber sie bedingt aus[S. 154] und vermahnet ihn, er müsse nicht fluchen, wie er denn einen sonderlichen Fluch an ihm gehabt hatte, denn sonst würde sie bald wieder sterben; dieses sagt ihr der Mann zu, da blieb die verstorbene Frau bei ihm, regierte im Haus, schlief bei ihm, aß und trank mit ihm und zeugete Kinder.

Nun begibt sichs, daß einmal der Edelmann Gäste kriegt und nach gehaltener Mahlzeit auf den Abend das Weib einen Pfefferkuchen zum Obst aus einem Kasten holen soll und bleibet lange außen. Da wird der Mann scheltig und fluchet den gewöhnlichen Fluch, da verschwindet die Frau von Stund an und war mit ihr aus. Da sie nun nicht wieder kommt, gehen sie hinauf in die Kammer, zu sehen, wo die Frau bliebe. Da liegt ihr Rock, den sie angehabt, halb mit den Ermeln in dem Kasten, das ander Theil aber heraußen, wie sich das Weib hatte in den Kasten gebücket, und war das Weib verschwunden und sider der Zeit nicht gesehen worden.

95.
Das Hündlein von Bretta.

Mündlich.

In der Rheinpfalz, besonders im Kraichgau, geht unter den Leuten das Sprichwort um, wenn von übel belohnter Treue die Rede ist: “es geschieht dir, wie dem Hündchen zu Bretten.” Die Volkssage davon muß schon alt seyn und namentlich spielt auch Fischart an zwei verschiedenen Stellen darauf an.

[S. 155]

In dem Städtchen Bretten lebte vorzeiten ein Mann, welcher ein treues und zu mancherlei Dienst abgerichtetes Hündlein hatte, das pflegte er auszuschicken, gab ihm einen Korb ins Maul, worin ein beschriebener Zettel mit dem nöthigen Gelde lag, und so langte es Fleisch und Bratwurst beim Metzger, ohne je einen Bissen davon anzurühren. Einmal aber sandte es sein Herr, der evangelisch war, an einem Freitag zu einem Metzger, der catholisch war und streng auf die Fasten hielt. Als nun der Metzger auf dem Zettel eine Wurst bestellt fand, hielt er das Hündlein fest, haute ihm den Schwanz ab und legte den in den Korb mit den Worten: “da hast du Fleisch!” Das Hündlein aber, beschimpft und verwundet, trug den Korb treulich über die Gasse nach Haus, legte sich nieder und verstarb. Die ganze Stadt trauerte und das Bild eines Hündleins ohne Schwanz wurde in Stein ausgehauen übers Stadtthor gesetzt.

Andere erzählen so: es habe seinem armen Herrn Fleisch und Würste gestohlen zugetragen, bis es endlich ein Fleischer ertappt und mit dem Verlust des Schwanzes gestraft.

96.
Das Dorf am Meer.

Mündlich, aus Holstein.

Eine Heilige ging am Strand, sah nur zum Himmel und bätete, da kamen die Bewohner des Dorfs[S. 156] Sonntags Nachmittag, ein jeder geputzt in seidenen Kleidern, seinen Schatz im Arm, und spotteten ihrer Frömmigkeit. Sie achtete nicht darauf und bat Gott, daß er ihnen diese Sünde nicht zurechnen wolle. Am andern Morgen aber kamen zwei Ochsen und wühlten mit ihren Hörnern in einem nahgelegenen großen Sandberg bis es Abend war; und in der Nacht kam ein mächtiger Sturmwind und wehte den ganzen aufgelockerten Sandberg über das Dorf hin, so daß es ganz zugedeckt wurde und alles darin, was Athem hatte, verdarb. Wenn die Leute aus benachbarten Dörfern herbeikamen und das verschüttete aufgraben wollten, so war immer, was sie Tags über gearbeitet, Nachts wieder zugeweht. Das dauert bis auf den heutigen Tag.

97.
Die verschütteten Silber-Gruben.

Mündlich, am Harz.

Die reichsten Silberbergwerke am Harz waren die schon seit langen Jahren eingegangenen beiden Gruben: der große Johann und der goldene Altar (bei Andreasberg?). Davon geht folgende Sage. Vorzeiten, als die Gruben noch bebaut wurden, war ein Steiger darüber gesetzt, der hatte einmal, als der Gewinn groß war, ein paar reiche Stufen bei Seite gelegt, um, wenn der Bau schlechter und ärmer seyn würde, damit das fehlende zu ersetzen und immer gleichen Gewinn hervorzubringen. Was er also in guter Absicht gethan,[S. 157] das ward von andern, die es bemerkt hatten, als ein Verbrechen angeklagt, und er zum Tode verurtheilt. Als er nun niederkniete und ihm das Haupt sollte abgeschlagen werden, da betheuerte und beschwur er nochmals seine Unschuld und sprach: “so gewiß bin ich unschuldig, als mein Blut sich in Milch verwandeln und der Bau der Grube aufhören wird; wann in dem gräflichen Haus, dem diese beiden Bergwerke zugehören, ein Sohn geboren wird mit Glas-Augen und mit Reh-Füßen, und er bleibt am Leben, so wird der Bau wieder beginnen, stirbt er aber nach seiner Geburt, so bleiben sie auf ewig verschüttet.” Als der Scharfrichter den Hieb gethan und das Haupt herabfiel, da sprangen zwei Milchströme statt des Bluts schneeweiß aus dem Rumpf in die Höhe und bezeugten seine Unschuld. Auch die beiden Gruben gingen alsbald ein. Nicht lange nachher ward ein junger Graf mit Glas-Augen und Reh-Füßen geboren, aber er starb gleich nach der Geburt und die Silberbergwerke sind nicht wieder aufgethan, sondern bis auf diesen Tag verschüttet.

98.
Die Fundgrübner.

Happel relat. curios. I. 758-760.

Die reichsten Berggänge pflegen von armen und geringen Grübnern entdeckt zu werden, darüber es mancherlei Sagen hat. In dem böhmischen Bergwerk auf[S. 158] der Eule war ein Bergmann, des Namens der rothe Leu, so reich geworden, daß er König Wenzel zu Gast lud, ihm eine Tonne Goldes schenkte, und dem König Carl hundert geharnischte Reuter ausrüstete. Dieser rothe Leu hatte anfangs sein ganzes Vermögen zugesetzt und schon sein Weib ihren Schleier (ihr eingebrachtes) verkaufen müssen. Eines Tags stieß sich die Frau von ungefähr blutrünstig in die Ferse an einem großen Knauer. Der Mann wollte ihn wegstufen und traf auf gediegenes Gold, wodurch er plötzlich reich wurde. Aber Stolz und Hochmuth kamen über ihn, in seinem Hause mußte alles seiden, silbern und golden seyn und das Weib sprach: es wäre Gott unmöglich, daß sie wieder arm werden sollten. Nach und nach wurde der rothe Leu bettelarm und starb auf dem Misthaufen.

Im salzburger Werk zu Gastein und Rauriß lebte ein mächtiger Fundgrübner, genannt der alte Weitmoser. In der Stunde, wo er seinen Schuldnern entlaufen wollte und schon in der Thür stand, wurde ihm reicher Ausbruch und Handstein entgegen gebracht. Die hielten Gold und Silber, wurden mit Macht geschüttet und gaben ihm und anderen bald große Reichthümer. Und da ihm auf seinem Sterbebette schöne Handsteine neuerdings aus der Grube getragen wurden, sagte er doch: “der rechte und schönste Gang ist Jesus mein Herr und Heiland, auf dem will ich bald eingehen ins ewige Leben.”

[S. 159]

99.
Ein gespenstiger Reuter.

H. Speidel in notabil. polit. f. 397.
Prätorius im Glückstopf. S. 173. 174.
Happel relat. curios. III. 521.

Ein unbekannter Mann hat sich gegen das Ende des 17. Jahrhunderts bei einem Grafen von Roggendorf zum Bereiter angegeben und wurde, nach geleisteter Probe, zu Diensten angenommen und ihm eine ehrliche Bestallung gemacht. Es begab sich aber, daß einer von Adel bei Hof anlangte und mit diesem Bereiter an die Tafel gesetzt wurde. Der Fremde ersah ihn mit Erstaunen, war traurig und wollte keine Speise zu sich nehmen, ob ihm wohl der Graf deßwegen freundlichst zugesprochen. Nachdem nun die Tafel aufgehoben war und der Graf den Fremden nochmals nach der Ursache seines Trauerns befragte, erzählte er, daß dieser Bereiter kein natürlicher Mensch, sondern vor Ostende ihm an der Seite erschossen sey, auch von ihm, dem Erzähler, selbst zu Grabe begleitet worden. Er gab auch alle Umstände an: des Todten Vaterland, Namen, Alter und das traf alles mit dem, was der Bereiter von sich selbst gesagt, ein, so daß der Graf daran nicht zweifeln konnte. Er nahm daher Ursach, diesem Gespenst Urlaub zu geben mit Vorwenden, daß seine Einkünfte geringert und er seine Hofhaltung einzuziehen gesonnen. Der Bereiter sagte, daß ihn zwar der Gast verschwätzt, weil aber der[S. 160] Graf nicht Ursache hätte ihn abzuschaffen, und er ihm getreue Dienste geleistet und noch leisten wolle, bitte er ihn ferner an dem Hofe zu erdulden. Der Graf aber beharrte auf dem einmal gegebenen Urlaub. Deßwegen begehrte der Bereiter kein Geld, wie bedingt war, sondern ein Pferd und Narren-Kleid mit silbernen Schellen, welches ihm der Graf gerne geben ließ und noch mehr wollte reichen lassen, das der Bereiter anzunehmen verweigerte.

Es fügte sich aber, daß der Graf nach Ungarn verreiste und bei Raab, auf der Schütt, diesen Bereiter mit vielen Kuppel-Pferden in dem Narren-Kleid antraf, welcher seinen alten Herrn, wie er ihn erblickte, mit großen Freuden begrüßte und ein Pferd zu verehren anbot. Der Graf bedankt sich und will es nicht nehmen, als der Bereiter aber einen Diener ersieht, den er sonst am Hof wohl gekannt, gibt er diesem das Pferd. Der Diener setzt sich mit Freuden drauf, hat es aber kaum bestiegen, so springt das Pferd in die Höh und läßt ihn halb todt auf die Erde fallen. Zugleich ist der Roßtäuscher mit seiner ganzen Kuppel verschwunden.

100.
Der falsche Eid.

M. Schneider Titius contin. L. 11. sect. 2. cap. 3. p. 416.

Im Odenwald beim Kloster Schönau liegt ein Ort, genannt zum falschen Eid. Da hat auf eine Zeit[S. 161] ein Bauer geschworen, der Acker gehöre sein, alsbald öffnete sich der Erdboden unter seinen Füßen und er versank, daß nichts übrig blieb, als sein Stab und zwei Schuhe. Davon hat die Stelle den Namen erhalten.

Sonst weiß man auch von Meineidigen, daß ihnen die aufgerichten Finger erstarren und nicht mehr gebogen werden mögen, oder daß sie verschwarzen; auch daß sie nach dem Tod der Leute zum Grab herauswachsen.

101.
Zwölf ungerechte Richter.

Zeilleri epist. 58.
Hilscher Zungen-Sünde. S. 455.

Nah bei westphälisch Minden liegt ein Grund, davon wird erzählt, zwölf Richter hätten den Boden einem zugesprochen, dem er nicht gehörig, darüber sich die Erde aufgethan und sie bis an die Knie alsbald verschluckt; wie dessen noch Wahrzeichen vorhanden sind.

102.
Die heiligen Quellen.

Morgenblatt. 1808. Nr. 247. S. 987.

Das schweizer Landvolk redet noch von den heiligen Quellen, die im Rütli plötzlich entsprungen, als[S. 162] da der große Eidschwur geschah, und wie einem der Schwörenden, der den Bund verrathen, sogleich Feuer zu Mund und Nase ausgefahren sey, auch sein Haus von selbst angefangen habe zu brennen.

103.
Der quillende Brunnen.

Happel relat. curios. V. 43. aus Mich. Piccard, orat. acad. 4.

An einem Berge in Franken quillet ein Brunnen, wobei ein vornehmes adliches Geschlecht sein Stammhaus hat. Das ganze Jahr über hat er schönes, lauteres, überflüssiges Wasser, das nicht eher aufhöret, als wenn jemand aus demselbigen Geschlecht soll sterben. Alsdann vertrocknet er so gar, daß man auch fast kein Zeichen oder Spur mehr findet, es sey jemals ein Brunn daselbst gewesen. Als zur Zeit ein alter Herr des gedachten adlichen Stammes in fremden Landen tödlich niederlag, und bereits achtzigjährig seinen baldigen Tod muthmaßte, fertigte er in seine Heimath einen Boten ab, der sich erkundigen sollte: ob der Brunn vertrockne? Bei der Ankunft des Boten war das Wasser versiegt, allein man gebot ihm ernstlich, es dem alten Herrn zu verschweigen, vielmehr zu sagen: der Brunn befinde sich noch richtig und voll Wassers; damit ihm keine traurige Gedanken erweckt würden. Da lachte der Alte und strafte sich selbst, daß er von dem Brunnen abergläubisch zu wissen[S. 163] gesuchet, was im Wohlgefallen Gottes stände, schickte sich zu einem seeligen Abschied an. Plötzlich aber wurde es besser mit seiner Krankheit und nicht lange, so kam er dieses Lagers völlig wieder auf. Damit der Brunnen nicht vergebens versiegte und ihm seine seit langen Jahren eingetroffene Bedeutung bestünde, trug es sich zu, daß des Geschlechts ein Junger von Adel von einem untreuen Pferde abgeworfen, gleich zu der nämlichen Zeit Todes verfuhr.

104.
Hunger-Quelle.

Dreyhaupt Hall. Chronik. I. 1106.
vgl. Stalder Schweiz. Idiot. v. Hunger-Brunnen.

Zu Halle auf dem Markt an dem rothen Thurm ist ein Quell-Brunnen, der an der Mitternacht-Seite zu Tag ausfließet und für eine Hunger-Quelle ausgegeben wird, indem aus dessen starkem oder schwachem Ueberlaufen der gemeine Mann Theurung oder wohlfeile Zeit weißagt.

105.
Der Liebenbach.

Mündlich, aus Hessen.

Die Stadt Spangenberg in Hessen erhält ihr Trinkwasser durch einen Bach, welcher die gute Quelle des gegenüber liegenden Bergs herbeileitet. Von der Entstehung[S. 164] dieses Bachs wird folgendes erzählt. Ein Jüngling und ein Mädchen in der Stadt liebten sich herzlich, aber die Eltern wollten lange nicht zu ihrer Verheirathung einwilligen. Endlich gaben sie nach, unter der Bedingung, daß die Hochzeit erst dann solle gefeiert werden, wenn die zwei Liebenden die gute, frische Quelle von dem gegenüber liegenden Berge ganz allein herüber geleitet hätten: dadurch würde die Stadt Trinkwasser erhalten, woran sie bisher Mangel gelitten. Da fingen beide an, den Bach zu graben und arbeiteten ohn Unterlaß. So haben sie vierzig Jahre gegraben, als sie aber fertig waren, starben sie beide in demselben Augenblick.

106.
Der Helfenstein.

Grundmann Geschichtschule. Görliz. 1677. S. 779-782.

Eine Meile von Trautenau in Böhmen, auf dem Riesenberg, liegt der Helfenstein, ein hoher Fels, auf dem sonst ein Raubschloß gestanden, nachher aber versunken ist und weiß niemand, wo die Menschen, die darin lebten, hingekommen sind. Im Jahr 1614 war, viertelwegs davon, zu Maeschendorf, eine junge Magd, die ging nicht weit von diesem Fels Vieh hüten und hatte noch mehr Kinder bei sich. Zu diesen sprach sie: “kommt, laßt uns hin zum Helfenstein, ob wir ihn vielleicht offen finden und das große Weinfaß sehen.” Da sie hingehen, ist der Felsen offen und eine Eisenthür[S. 165] aufgethan, daran ein Schloß mit vielen Schlüsseln hängt. Aus Neugierde treten sie näher und endlich hinein. Es ist ein ziemlich weites Vorgemach, aber hinten wieder eine Thür. Sie gehen durch, in dem zweiten Gemach liegt allerhand Hausrath, besonders ein groß zehneimerig Faß Wein, davon waren die meisten Tauben abgefallen, allein es hatte sich eine Fingersdicke Haut angesetzt, so daß der Wein nicht herauslaufen konnte. Als sie es alle vier mit Händen angriffen, schlotterte es und gab nach, wie ein Ei mit weichen Schalen. Indem sie nun solches betrachten, kommt ein wohlgeputzter Herr aus einer schönen Stube, rothen Federbusch auf dem Hut, in der Hand eine große zinnerne Kanne, Wein zu holen. Beim Thür-Aufmachen hatten sie gesehen, daß es in der Stube lustig hergehet, an zwei Tischen schöne Manns- und Weibsbilder, haben Musik und sind fröhlig. Der aber den Wein zapft, heißt sie willkommen und in die Stube gehen. Sie erschrecken und wünschen sich weit davon, doch spricht die eine, sie wären zu unsauber und nicht angeschickt, zu so wohlgeputzten Leuten zu gehen. Er bietet ihnen dennoch Trinken an und reicht die Kanne. Wie sie sich entschuldigt, heißt er sie warten, bis er für sie eine andere Kanne geholt. Als er nun weg ist, spricht die Älteste: “laßt uns hinausgehen, es möchte nicht gut werden; man sagt, die Leute seyen in den Bergen hie verfallen.” Da gehen sie eilends heraus, hinter sich hören sie nach wenig Schritten ein Knallen und Fallen, daß sie heftig erschrecken.

[S. 166]

Nach einer Stunde sagt die Älteste wieder: “laßt uns noch einmal hin und sehen, was das gewesen ist, das so gekracht hat.” Die andern wollten nicht, da aber die Große so kühn war, allein hinzugehen, folgten die andern nach. Sie sehen aber weder Eingang noch eiserne Thür, der Fels war fest zu. Wie sie das Vieh eingetrieben, erzählen sie alles den Eltern, diese berichten es dem Verwalter; allein der Fels blieb zu, so oft man ihn auch in Augenschein genommen.

107.
Die Wiege aus dem Bäumchen.

Wiener Litter. Zeitung. 1813. Sept. 277.
vgl. Gottschalk Ritterburgen. II. 103-105. aus Gaheis Wanderungen um Wien. 1803.

Bei Baden in Oesterreich stehen die Trümmer des alten Bergschlosses Rauheneck. In diesen soll ein großer Schatz verborgen liegen, den aber nur der heben kann, der als Kind in einer Wiege geschaukelt seyn wird, die aus dem Holz des Baumes gezimmert worden ist, der jetzt nur erst als ein schwaches Reiß aus der Mauer des hohen Thurmes zu Rauheneck sprießt. Verdorrt das Bäumchen oder wird es abgehauen, so muß die Hebung des Schatzes warten, bis es von neuem ausschlägt und wieder wächst.

[S. 167]

108.
Hessenthal.

Münchhausen im Freymüthigen. 1806. Nr. 47. S. 186.

Die alte Burg Schellenpyrmont liegt nun in Trümmern, da soll der Sage nach vormals Thusneldens Sitz gewesen seyn. Thusnelde hatte einen Vogel, der reden konnte. Eines Tags kam er aus dem Hessenthal, einem Waldgrunde am Burgberg, herauf und schrie in einem fort:

“Hessenthal blank, Hessenthal blank!”

damit die in dies Thal schon vorgedrungenen Römer in ihren blanken Rüstungen anzudeuten, und die Deutschen gewannen nun Zeit, sich gegen den Ueberfall des Feindes zu rüsten.

109.
Reinstein.

Happel relat. curios. III. 784.

Unter der uralten Burg Reinstein unweit Blankenburg am Harz liegt ein großes Felsenloch, angefüllt mit allerhand kleinen Steinen, wie man sie sonst nicht auf Gebürgen, sondern blos in Ebenen findet. Wenn jemand von solchen Steinen viel oder wenig nimmt, führt, oder trägt, so kommen sie doch wieder an denselben Ort, da sie sind weggenommen worden, so daß die Höhle immer voll von Steinen bleibt.[S. 168] Es soll aber noch keinem gefrommt haben, dergleichen Steine wegzubringen. Auf dem Fels, sonderlich um die Gegend der Höhle, hört man zur Mittagsstunde oft Schellen läuten, zuweilen auch ein Gehämmer wie von vielen Schmieden.

110.
Der stillstehende Fluß.

Winkelmann Beschr. von Hessen. S. 59.

Von der Fulde heißt es, so oft ein Fürst aus dem Lande Hessen, sonderlich ein regierender Herr oder dessen Gemahlin bald sterben soll, daß sie wider ihren natürlichen Lauf ganz still stehe und gleichsam der Strom seine Trauer zu erkennen gebe. Man hält das für eine sichere Todesanzeige und haben es die Einwohner mehrmals beobachtet.

111.
Arendsee.

Prätorius Weltbeschr. I. 97. aus mündlicher Sage.

Von dem Arendsee in der Altmark wird folgendes erzählt: an der Stelle, wo jetzt der See und der Ort dieses Namens liegt, stand vor Alters ein großes Schloß. Dieses ging urplötzlich unter und nicht mehr kam davon, als ein Mann und ein Weib. Wie die beiden nun fortgingen, sah sich das Weib ungefähr um und[S. 169] ward der schleunigen Veränderung innen. Verwundert brach sie in die Worte aus: “Arend see!” (Arend sieh! denn jenes war ihres Mannes Name) und darum gab man nachher dem Städtlein die Benennung, das an dem See auferbaut wurde. In diesem See ragt der feinste, weiße Streusand hervor und wann die Sonne hell scheint, soll man (wie auch beim See Brok neben dem Ossenberg) noch alle Mauern und Gebäude des versunkenen Schlosses sehen. Einige haben einmal vorgehabt, das Wasser zu gründen, und ein Seil eingelassen; wie sie das herauszogen, fand sich ein Zettel dran mit dem Gebote: lasset ab von euerem Unternehmen, sonst wird euerm Orte widerfahren, was diesem geschehen ist.

112.
Der Ochsenberg.

Prätorius Weltbeschr. I. 96. aus mündlicher Erzählung seiner Mutter, die in der Gegend gebürtig war.

In der alten Mark, nicht weit vom zertrümmerten Schloß Alvensleben, liegt ein großes, wacker lustiges, Dorf, mit Namen Ursleben. Einen Büchsenschuß hinter dem Dorf stehet ein großer See, genannt Brock (Bruch), an dessen Stätte war vor alten Zeiten ein schönes Schloß, das hernach unterging und seitdem war das große Wasser aufgekommen. Nämlich es sollen alle Leute drinnen versunken seyn, ausgenommen[S. 170] eine einzige Edeljungfer, die ein Traum kurz vorher warnete. Als nun das Vieh und die Hühner sonderlich traurige Zeichen eines bevorstehenden großen Unglücks laut werden ließen, setzte sich diese Jungfrau auf einen Ochsen und ritt davon. Mit genauer Noth erreichte sie einen dabei gelegenen Hügel, hinter ihr drein sank das Schloß zusammen, und wie sie auf dem Ochsen sitzend sich vom Hügel umsah, war das Gewässer überall aufgestiegen. Davon heißt der Hügel noch Ossenberg bis auf den heutigen Tag.

113.
Die Moor-Jungfern.

Jäger Briefe über die hohe Rhön. I. 144. II. 36-39.

Auf der Rhöne ist ein Sumpf, genannt das rothe Moor. Nach der Volkssage stand daselbst vorzeiten ein Dorf, Namens Poppenrode, das ist nunmehr versunken. Auf der Moorfläche bei Nacht schweben Lichtchen, das sind Moor-Jungfern. An einem andern Ort ebendaselbst liegt auch das schwarze Moor, schon in alten Urkunden so genannt, und die Sage weiß auch hier von einem versunkenen Dorf, von welchem noch ein Pflaster übrig ist, Namens: die steinerne Brücke.

[S. 171]

114.
Andreas-Nacht.

Mündlich.
Erasm. Francisci höll. Proteus.
Bräuner’s Curiositäten S. 91-93.
Goldschmid’s höll. Morpheus. Hamb. 1698. S. 173. 174.

Es ist Glaube, daß ein Mädchen in der Andreas-Nacht, Thomas-Nacht, Christ-Nacht und Neujahrs-Nacht seinen zukünftigen Liebsten einladen und sehen kann. Es muß einen Tisch für zwei decken, es dürfen aber keine Gabeln dabei seyn. Was der Liebhaber beim Weggehen zurückläßt, muß sorgfältig aufgehoben werden, er kommt dann zu derjenigen, die es besitzt und liebt sie heftig. Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht kommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von übermenschlicher Gewalt gelitten und er des Zaubers sich bewußt wird, wodurch großes Unglück entsteht.

Ein schönes Mädchen in Östreich begehrte einmal um Mitternacht, unter den nöthigen Gebräuchen, seinen Liebsten zu sehen, worauf ein Schuster mit einem Dolche daher trat, ihr denselben zuwarf und schnell wieder verschwand. Sie hob den nach ihr geworfenen Dolch auf und schloß ihn in eine Truhe. Bald kam der Schuster und hielt um sie an. Etliche Jahre nach ihrer Verheirathung ging sie einstmals Sonntags, als die Vesper vorbei war, zu ihrer Truhe, etwas hervorzusuchen, das sie folgenden Tag zur Arbeit vornehmen[S. 172] wollte. Als sie die Truhe geöffnet, kommt ihr Mann zu ihr und will hineinschauen; sie hält ihn ab, aber er stößt sie mit Gewalt weg, sieht in die Truhe und erblickt seinen verlornen Dolch. Alsbald ergreift er ihn und begehrt kurz zu wissen, wie sie solchen bekommen, weil er ihn zu einer gewissen Zeit verloren hätte. Sie weiß in der Bestürzung und Angst sich auf keine Ausrede zu besinnen, sondern bekennt frei, es sey derselbe Dolch, den er ihr in jener Nacht hinterlassen, wo sie ihn zu sehen begehrt. Da ergrimmte der Mann und sprach mit einem fürchterlichen Fluch: “Hur! so bist du die Dirne, die mich in jener Nacht so unmenschlich geängstiget hat!” und stößt ihr damit den Dolch mitten durchs Herz.

Diese Sage wird an verschiedenen Orten von andern Menschen erzählt. Mündlich: von einem Jäger, der seinen Hirschfänger zurückläßt; in dem ersten Wochenbett schickt ihn die Frau über ihren Kasten, Weißzeug zu holen und denkt nicht, daß dort das Zauber-Geräth liegt, das er findet und womit er sie tödtet.

115.
Der Liebhaber zum Essen eingeladen.

Prätorius Weihnachtsfratzen. prop. 53.
Bräuner’s Curiositäten. 97.
Valvassor Ehre von Crain. II. 479.

Zu Saalfeld in Thüringen war eine Schösserin (Steuereinnehmerin), die sich heimlich in ihren Schreiber[S. 173] verliebte. Durch Zauberei aber wollte sie ihn gewinnen, ließ ein frisches Brot backen und steckte mitten in der heiligen Christnacht kreuzweise zwei Messer hinein, indem sie etliche Worte dazu murmelte. Darauf kam der Schreiber aus dem Schlafe ganz nackigt zur Stube hereingesprungen, setzte sich nieder am Tisch und sah sie scharf an. Sie stand auf und lief davon, da zog er beide Messer aus dem Brot und warf sie hinter ihr drein und hätte sie bald sehr verletzet. Hernach ging er wieder zurück; eine Muhme, die in der Stube zugegen war, erschrack so heftig, daß sie etliche Wochen krank niederliegen mußte. Der Schreiber soll den folgenden Tag zu den Hausleuten gesagt haben: er möchte nur gern wissen, welche Frau ihn verwichene Nacht so geängstet habe; er wäre so abgemattet, daß er es kaum sagen könne, denn er hätte sollen mit fortkommen und sich nicht gnugsam erwehren können; er hätte auch bäten mögen, was er gewollt, so wäre er getrieben worden.

Dieselbe alte Frau, die diese Geschichte erzählte, fügte hinzu: auch zu Coburg haben einmal einige Edeljungfrauen von neunerlei Essen etwas aufgehoben und um Mitternacht aufgestellt und sich dabei zu Tische gesetzt. Darauf kamen ihre Liebsten alle, jeder brachte ein Messer mit und wollten sich zu ihnen niederlassen. Darüber entsetzten sich die Jungfrauen und flohen; einer aber nahm das Messer und warf hinterher; sie schaute um, blickte ihn an und hob das Messer auf. Ein andermal soll statt des eingeladenen Buhlen der[S. 174] leibhaftige Tod in die Stube gekommen seyn und sein Stundenglas bei einer niedergesetzt haben, die denn auch das Jahr über verstarb.

In Schlesien haben sich drei Hof-Fräulein in einer heiligen Nacht an einen gedeckten Tisch gesetzt und ihre zukünftige Liebhaber erwartet, deren jedem ein Teller hingestellt war. Sie sind auch auf diese Einladung erschienen, aber nur zweie, die sich zu zwei Jungfrauen gesetzt; der dritte ist ausgeblieben. Als nun die verlassene darüber traurig und ungeduldig geworden, endlich nach langem vergeblichem Warten aufgestanden und sich ans Fenster gestellt, hat sie gegenüber einen Sarg erblickt, darin eine Jungfrau gelegen, ihr ganz gleich gestaltet, worüber sie erkrankte und bald darauf starb. Nach einer mündlichen Erzählung kommt die Todtenlade in die Stube, sie geht darauf zu, die Bretter thun sich auf und sie fällt todt hinein.

116.
Die Christnacht.

Prätorius Weihnachtsfratzen Nr. 60. 61. 64.

Abergläubische Mägde, um Träume von ihren Liebsten zu bekommen, kaufen frühe des Tags vor dem heiligen Abend um einen Pfennig Semmel und zwar das letzte Stößchen, das auf einem Ende zu ist. Weiter schneiden sie ein bischen Rinde unten ab, binden es unter den rechten Arm und gehen fleißig den[S. 175] ganzen Tag damit herum. Hernach beim Schlafengehen legen sie es unter den Kopf in der Christnacht und sprechen dabei:

“jetzt hab ich mich gelegt und Brot bei mir,
wenn doch nun mein Feinslieb käme und äße mit mir!”

Darüber soll es geschehen, daß zur Mitternacht von solcher Semmelrinde etwas genagt wird, und daran kann man frühmorgens erkennen, daß der Liebste sie das Jahr über heirathen werde. Ist aber das Brot unverletzt gelassen, so haben sie schlechte Hoffnung. Also soll es sich begeben haben (1657 zu Leipzig), daß da ihrer zwei beieinander in einem Bette schliefen, die eine hatte solches Brot unter sich liegen, die andere nicht. Diese hörte Nachts ein Knarren und Nagen, fürchtete sich und rüttelte ihre Gespielin, die aber in festem Schlaf lag und nichts gewahr wurde, bis sie aus den Träumereien erwachte. Als sie nun Morgens das Brot besichtigten, war ein Creuz hineingefressen. Das Weibsbild soll bald darauf einen Soldaten zum Mann bekommen haben.

Die alte saalfelder Frau erzählte, daß andere ein Gefäß mit Wasser nehmen und es mit einem gewissen kleinen Maaß in ein ander Gefäß messen. Sie thun dies aber etlichemal und sehen zu, ob sie in den wiederhohlten Bemessungen mehr Wasser antreffen, als zuerst. Daraus schließen sie, daß sie das folgende Jahr über zunehmen werden an Haab und Gütern. Befinden sie einerlei Maaß, so glauben sie, daß ihr Schicksal stillstehe, und sie weder Glück[S. 176] noch Unglück haben werden. Ist aber zuletzt weniger Wasser, so entnehmen sie, daß ihr gutes Wohlergehn und Gedeihen zurückgehe. Der saalfelder Frau war das mittelste einmal zu Händen gekommen.

Andere nehmen einen Erbschlüssel und einen Knäul Zwirn, binden den Zwirn fest an den Schlüssel und bewinden das Knäul, damit es nicht weiter ablaufe, als sie es vorher haben laufen lassen. Sie lassen es aber bei ein Ellen oder sechs los; dann stecken sie dies Gebäumel zum Fenster aus und bewegen es von einer Seite zur andern an den äußerlichen Wänden und sprechen dabei: “horch! horch!” so sollen sie von der Seite und Gegend oder dem Orte her eine Stimme vernehmen, dahin sie werden zu freien und zu wohnen kommen. Andere greifen zur Thüre hinaus und haben, wenn sie die Hand hereinziehen, einige Haare von ihrem zukünftigen Liebsten darin.

117.
Das Hemdabwerfen.

Prätorius Weihnachtsfratzen. Nr. 62.

Zu Coburg saßen am Weihnachtabend mehrere Mädchen zusammen, waren neugierig und wollten ihre künftige Liebhaber erkündigen. Nun hatten sie Tags vorher neunerlei Holz geschnitten und als die Mitternacht kam, machten sie ein Feuer im Gemach und die erste zog ihre Kleider ab, warf ihr Hemd vor die[S. 177] Stubenthüre hinaus und sprach bei dem Feuer sitzend:

“hier sitz ich splitterfasenackt und bloß,
wenn doch mein Liebster käme
und würfe mir mein Hemde in den Schooß!”

Hernach wurde ihr das Hemd wieder hereingeworfen und sie merkte auf das Gesicht dessen, der es that; dies kam mit dem überein, der sie nachdem freite. Die andern Mädchen kleideten sich auch aus, allein sie fehlten darin, daß sie ihre Hemder zusammen in einen Klump gewickelt hinauswarfen. Da konnten sich die Geister nicht finden, sondern huben an zu lärmen und zu poltern, dermaßen, daß den Mädchen grausete. Flugs gossen sie ihr Feuer aus und krochen zu Bette bis frühe, da lagen ihre Hemder vor der Thüre in viel tausend kleine Fetzen zerrissen.

118.
Krystall-Schauen.

Joh. Rüst Zeitverkürzung. S. 255 ff.
Erasm. Francisci Sitten-Spiegel. Bl. 64 ff.
Bräuner’s Curiositäten S. 72-80.

Eine schöne und adliche Jungfrau und ein edler Jüngling trugen heftige Liebe zu einander, sie aber konnte von ihren Stief-Eltern die Erlaubniß zur Verheirathung nicht erlangen, worüber sie beide in großer Trauer lebten. Nun begab sich, daß ein altes Weib, welches Zutritt im Hause hatte, zu der Jungfrau kam, sie tröstete und sprach: der, den sie liebe, werde ihr[S. 178] gewiß noch zu Theil werden. Die Jungfrau, die das gern hörte, fragte, wie sie das wissen könne? “Ei, Fräulein,” sprach die Alte, “ich habe die Gnade von Gott, zukünftige Dinge vorher zu entdecken, darum kann mir dieses so wenig, als viel anderes, verborgen seyn. Euch allen Zweifel zu benehmen, will ich euch, wie es damit gehen wird, in einem Krystall so klärlich weisen, daß ihr meine Kunst loben sollt. Aber wir müssen eine Zeit dazu wählen, wo eure Eltern nicht daheim sind; dann sollt ihr Wunder sehen.”

Die Jungfrau wartete, bis ihre Eltern auf ein Landgut gefahren waren und ging dann zu dem Lehrer ihres Bruders, dem Johann Rüst, der hernach als Dichter berühmt geworden, vertraute ihm ihr Vorhaben und bat ihn gar sehr, mit zu gehen und dabei zu seyn, wenn sie in den Krystall schaue. Dieser suchte ihr einen solchen Vorwitz als sündlich auszureden, der Ursache zu großem Unglück werden könne; aber es war vergeblich, sie blieb bei ihrem Sinn, so daß er sich endlich auf ihr inständiges Bitten bewegen ließ, sie zu begleiten. Als sie in die Kammer traten, war das alte Weib beschäfftigt, ihre Geräthschaften aus einem kleinen Korbe herauszuziehen, sah aber ungern, daß dieser Rüst die Jungfrau begleitete und sagte, sie könne ihm an den Augen absehen, daß er von ihrer Kunst nicht viel halte. Hierauf hub sie an und breitete ein blau seiden Tüchlein, darein wunderliche Bilder von Drachen, Schlangen und anderm Gethier eingenäht waren, über die Tafel, setzte auf dieses Tuch[S. 179] eine grüne gläserne Schale, legte darein ein anderes goldfarbenes Seiden-Tuch und setzte endlich auf dieses eine ziemlich große krystallene Kugel, welche sie aber mit einem weißen Tuche wieder deckte. Dann begann sie, unter wunderlichen Gebährden, etwas bei sich selbst zu murmeln und nachdem das geendigt war, nahm sie mit großer Ehrerbietung die Kugel, rief die Jungfrau und ihren Begleiter zu sich ans Fenster und hieß sie hineinschauen.

Anfangs sahen sie nichts, nun aber trat in dem Krystall die Braut hervor in überaus köstlicher Kleidung; eben so prächtig angethan, als wäre heut ihr Hochzeittag. So herrlich sie erschien, so sah sie doch betrübt und traurig aus, ja ihr Antlitz hatte eine solche Todten-Farbe, daß man sie ohne Mitleid nicht betrachten konnte. Die Jungfrau schaute ihr Bild mit Schrecken an, der aber bald noch größer ward, als gerade gegenüber ihr Liebster hervorkam, mit so grausamen und gräßlichen Gesichtszügen, der sonst ein so freundlicher Mensch war, daß man hätte erzittern mögen. Er trug, wie einer der von einer Reise kommt, Stiefel und Sporn und hatte einen grauen Mantel mit goldnen Knöpfen um. Er holte daraus zwei neublinkende Pistolen hervor und, indem er in jede Hand eine faßte, richtete er die eine auf sein Herz, die andere setzte er der Jungfrau an die Stirne. Die Zuschauer wußten vor Angst weder aus noch ein, sahen aber, wie er die eine Pistole, die er an die Stirne seiner Liebsten gesetzt, losdrückte, wobei sie einen dumpfen,[S. 180] fernen Schall vernahmen. Nun geriethen sie in solches Grausen, daß sie sich nicht bewegen konnten, bis sie endlich zitternd und mit schwankenden Tritten zur Kammer hinausgelangten und sich etwas wieder erholten.

Dem alten Weib, welches nicht gedacht, daß die Sache also ablaufen würde, war selbst nicht ganz wohl zu Muth; es eilte daher über Hals und Kopf hinaus und ließ sich so bald nicht wieder sehen. Bei der Jungfrau konnte der Schrecken die Liebe nicht auslöschen, aber die Stief-Eltern beharrten auch bei dem Entschluß, ihre Einwilligung zu verweigern. Ja, sie brachten es endlich durch Drohen und Zwang dahin, daß sie sich mit einem vornehmen Hofbeamten in der Nachbarschaft verloben mußte: daraus erwuchs der Jungfrau erst das rechte Herzeleid, denn sie verbrachte nun ihre Zeit in nichts als Seufzen und Weinen, und ihr Liebster wurde fast in die äußerste Verzweifelung gerissen.

Inzwischen ward die Hochzeit angesetzt und, da einige fürstliche Personen zugegen seyn sollten, um so viel herrlicher zugerichtet. Als der Tag kam, wo die Braut im größten Gepränge sollte abgeholt werden, schickte dazu die Fürstin ihren mit sechs Pferden bespannten Leibwagen sammt einigen Hof-Dienern und Reutern; an welchen Zug sich die vornehmsten Anverwandte und Freunde der Braut anschlossen und also in stattlicher Ordnung auszogen. Dieses alles hatte der erste Liebhaber ausgekundschaftet und war als ein Verzweifelter entschlossen, dem andern seine Liebste lebendig[S. 181] nicht zu überlassen. Er hatte zu dem Ende ein paar gute Pistolen gekauft und wollte mit der einen die Braut, mit der andern hernach sich selbst tödten. Zu dem Ort der Ausführung war ein etwa zehn bis zwölf Schritte von dem Thor gelegenes Haus, bei welchem die Braut vorbei mußte, von ihm ausersehen. Als nun der ganze prächtige Zug von Wagen und Reutern, den eine große Menge Volks begleitete, daher kam, schoß er mit der einen Pistole in den Braut-Wagen hinein. Allein der Schuß geschah ein wenig zu früh, also daß die Braut unversehrt blieb, einer andern Edelfrau aber, die im Schlag saß, ihr etwas hoher Kopf-Putz herabgeschossen ward. Da diese in Ohnmacht sank und jedermann herbei eilte, hatte der Thäter Zeit, durch das Haus zur Hinterthür hinaus zu entfliehen und, indem er über ein ziemlich breites Wasser glücklich sprang, sich zu retten. Sobald die Erschrockene wieder zu sich selbst gebracht war, setzte sich der Zug aufs neue in Bewegung und die Hochzeit wurde mit der größten Pracht gefeiert. Doch die Braut hatte dabei ein trauriges Herz, welche nun der Krystall-Schauung nachdachte und sich den Erfolg davon zu Gemüthe zog. Auch war ihre Ehe unglücklich, denn ihr Mann war ein harter und böser Mensch, der das tugendhafte und holdselige Fräulein, ungeachtet ihm ein liebes Kind geboren ward, auf das grausamste behandelte.

[S. 182]

119.
Zauber-Kräuter kochen.

Bräuner’s Curiositäten S. 58-61. aus mündlicher Erzählung.

Im Jahr 1672 hat sich zu Erfurt begeben, daß die Magd eines Schreiners und ein Färbers-Gesell, die in einem Hause gedient, einen Liebeshandel mit einander angefangen, welcher in Leichtfertigkeit einige Zeit gedauert. Hernach ward der Gesell dessen überdrüssig, wanderte weiter und ging in Langensalza bei einem Meister in Arbeit. Die Magd aber konnte die Liebesgedanken nicht los werden und wollte ihren Buhlen durchaus wieder haben. Am heiligen Pfingst-Tage, da alle Haus-Genossen, der Lehr-Jung ausgenommen, in der Kirche waren, that sie gewisse Kräuter in einen Topf, setzte ihn zum Feuer und sobald solche zu sieden kamen, hat auch ihr Buhle zugegen seyn müssen. Nun trug sich zu, daß, als der Topf beim Feuer stand und brodelte, der Lehr-Junge, unwissend, was darin ist, ihn näher zur Glut rückt und seine Pfanne mit Leim an dessen Stelle setzt. Sobald jener Topf mit den Kräutern näher zu der Feuer-Hitze gekommen, hat sich etliche mal darin eine Stimme vernehmen lassen und gesprochen: “komm, komm, Hansel, komm! komm, komm, Hansel, komm!” Indem aber der Bube seinen Leim umrührt, fällt es hinter ihm nieder wie ein Sack und als er sich umschaut, sieht er einen jungen Kerl daliegen, der nichts als ein Hemd am Leibe hat, worüber er ein jämmerlich[S. 183] Geschrei anhebt. Die Magd kam gelaufen, auch andere im Haus wohnende Leute, zu sehen, warum der Bube so heftig geschrien, und fanden den guten Gesellen als einen aus tiefem Schlaf erwachten Menschen also im Hemde liegen. Indessen ermunterte er sich etwas und erzählte auf Befragen, es wäre ein großes schwarzes Thier, ganz zottigt, wie ein Bock gestaltet, zu ihm vor sein Bett gekommen und habe ihn also geängstigt, daß es ihn alsbald auf seine Hörner gefaßt und zum großen Fenster mit ihm hinausgefahren. Wie ihm weiter geschehen, wisse er nicht, auch habe er nichts sonderliches empfunden, nun aber befinde er sich so weit weg, denn gegen acht Uhr habe er noch zu Langensalza im Bett gelegen und jetzt wäre es zu Erfurt kaum halber neun. Er könne nicht anders glauben, als daß die Catharine, seine vorige Liebste, dieses zu Wege gebracht, indem sie bei seiner Abreise zu ihm gesprochen, wenn er nicht bald wieder zu ihr käme, wollte sie ihn auf dem Bock holen lassen. Die Magd hat, nachdem man ihr gedroht, sie als eine Hexe der Obrigkeit zu überantworten, anfangen herzlich zu weinen und gestanden, daß ein altes Weib, dessen Namen sie auch nannte, sie dazu überredet und ihr Kräuter gegeben, mit der Unterweisung: wenn sie die sachte würde kochen lassen, müsse ihr Buhle erscheinen, er sey auch so weit er immer wolle.

[S. 184]

120.
Der Salz-Knecht in Pommern.

Bräuner’s Curiosit. S. 67. 68.

In Pommern hatte ein Salz-Knecht ein altes Weib, das eine Zauberin war, bei dem er nicht gerne bliebe und darum einsmals vorgab, er wolle nach Hessen, in seine Heimath, wandern, allda seine Freunde zu besuchen. Weil sie aber besorgte, er würde nicht wiederkommen, wollte sie ihn nicht weglassen, nichtsdestoweniger reiste er fort. Wie er nun etliche Tage zurückgelegt, kommt hinter ihm auf dem Weg ein schwarzer Bock, schlupft ihm zwischen die Beine, erhebt und führt ihn wieder zurück und zwar, nicht über die Landwege, sondern geradezu durch dick und dünn, durch Feld und Wald, über Wasser und Land, und setzt ihn in wenig Stunden vor dem Thor nieder, in Angst, Zittern, Schweiß und Ohnmacht. Das Weib aber heißt ihn mit höhnischen Worten willkommen und spricht: “schau! bist du wieder da? so soll man dich lehren daheim bleiben!” Hierauf that sie ihm andere Kleider an und gab ihm zu essen, daß er wieder zu sich selbst käme.

121.
Jungfer Eli.

Mündlich, aus dem Münsterland.

Vor hundert und mehr Jahren lebte in dem münsterischen Stift Frekenhorst eine Abtissin, eine sehr fromme[S. 185] Frau, bei dieser diente eine Haushälterin, Jungfer Eli genannt, die war bös und geitzig und wenn arme Leute kamen, ein Allmosen zu bitten, trieb sie sie mit einer Peitsche fort und band die kleine Glocke vor der Thüre fest, daß die Armen nicht läuten konnten. Endlich ward Jungfer Eli todtkrank, man rief den Pfarrer, sie zum Tode vorzubereiten und als der durch der Abtissin Baumgarten ging, sah er Jungfer Eli in ihrem grünen Hütchen mit weißen Federn auf dem Apfelbaum sitzen, wie er aber ins Haus kam, lag sie auch wieder in ihrem Bette und war böse und gottlos, wie immer, wollte nichts von Besserung hören, sondern drehte sich um nach der Wand, wenn ihr der Pfarrer zureden wollte und so verschied sie. Sobald sie die Augen schloß, zersprang die Glocke und bald darauf fing sie an, in der Abtei zu spuken. Als eines Tags die Mägde in der Küche saßen und Vizebohnen schnitten, fuhr sie mit Gebraus zwischen ihnen her, gerade wie sie sonst leibte und lebte und rief: “schniet ju nich in de Finger, schniet ju nich in de Finger!” und gingen die Mägde zur Milch, so saß Jungfer Eli auf dem Stege und wollte sie nicht vorbeilassen, wenn sie aber riefen: “in Gottes Namen gah wi derher” mußte sie weichen und dann lief sie hinterher, zeigte ihnen eine schöne Torte und sprach: “Tart! Tart!” wollten sie die nun nicht nehmen, so warf sie die Torte mit höllischem Gelächter auf die Erde und da wars ein Kuhfladen. Auch die Knechte sahen sie, wenn sie Holz haueten, da flog sie immer[S. 186] von einem Baumzweig im Wald zum andern. Nachts polterte sie im Hause herum, warf Töpfe und Schüsseln durcheinander und störte die Leute aus dem Schlaf. Endlich erschien sie auch der Abtissin selbst auf dem Wege nach Warendorf, hielt die Pferde an und wollte in den Wagen hinein, die Abtissin aber sprach: “ich hab nichts zu schaffen mit dir, hast du Uebel gethan, so ists nicht mein Wille gewesen,” Jungfer Eli wollte sich aber nicht abweisen lassen. Da warf die Abtissin einen Handschuh aus dem Wagen und befahl ihr, den wieder aufzuheben und während sie sich bückte, trieb die Abtissin den Fuhrmann an und sprach: “fahr zu, so schnell du kannst und wenn auch die Pferde drüber zu Grunde gehen.” So jagte der Fuhrmann und sie kamen glücklich nach Warendorf. Die Abtissin endlich, des vielen Lärmens überdrüssig, berief alle Geistliche der ganzen Gegend, die sollten Jungfer Eli verbannen. Die Geistlichen versammelten sich auf dem Herren-Chor und fingen an, das Gespenst zu citiren, allein sie wollte nicht erscheinen und eine Stimme rief: “he kickt, he kickt!” Da sprach die Geistlichkeit: “hier muß jemand in der Kirche verborgen seyn, der zulauscht;” suchten und fanden einen kleinen Knaben, der sich aus Neugierde drin versteckt hatte. Sobald der Knabe hinausgejagt war, erschien Jungfer Eli und ward in die Davert verbannt. Die Davert ist aber ein Wald im Münsterschen, wo Geister umgehen und wohin alle Gespenster verwiesen werden. Alle Jahr einmal fährt nun noch, wie die Sage geht, Jungfer[S. 187] Eli über die Abtei zu Freckenhorst mit schrecklichem Gebraus und schlägt einige Fensterscheiben ein oder dergleichen und alle vier Hochzeiten kommt sie wieder einen Hahnenschritt näher.

122.
Die weiße Frau.

Schotus Magia univers. p. 339.
Bekker’s bezauberte Welt. I. 289.

Die schloßweiße Frau erscheint in Wäldern und auf Wiesen, bisweilen kommt sie in Pferdeställe mit brennenden Wachskerzen, kämmt und putzt die Pferde und Wachstropfen fallen auf die Mähnen der Pferde. Sie soll, wann sie ausgehet, hell sehen, in ihrer Wohnung aber blind seyn.

123.
Taube zeigt einen Schatz.

Aus Ottokar von Horneck. S. 197 a. Cap. 225.

Als Herzog Heinrich von Breslau die Stadt Crakau erobert hatte, ging er in das Münster daselbst, kniete als ein frommer Mann vor dem Altar unserer Frauen nieder und dankte ihr, daß sie ihm Gnade erzeigt und sein Leid in Freud gewendet hätte. Und als er aufgestanden war, erblickte er eine Taube, sah ihrem Flug nach und bemerkte, wie sie sich über einem[S. 188] Pfeiler auf das Gesims eines Bogen setzte. Dann nahm er wahr, wie sie mit dem Schnabel in die Mauer pickte und mit den Füßen Mörtel und Stein hinter sich schob. Bald darauf lag unten ein Goldstück, das herabgefallen war. Der Herzog nahm es auf und sprach: “das hat die Taube herausgestochen, deß sollte leicht noch mehr da seyn.” Alsbald ließ er eine Leiter holen und schickte nach einem Maurer, der sollt sehen, was sich oben fände. Der Maurer stieg hinauf, nahm den Meißel in die Hand und bei dem ersten Schlag in die Wand entdeckte er, daß da ein großer Schatz von Gold lag. Da rief er: “Herr, gebt mir einen guten Lohn, hier liegt des glänzenden Goldes unmaßen viel.” Der Herzog ließ die Mauer aufbrechen und den Hort herabnehmen, den Gott ihm gab. Als man es wog, waren es fünfzig tausend Mark.

124.
Taube hält den Feind ab.

Mündlich, aus Höxter.

Im dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt Höxter oder Huxar im Corvei’schen von den kaiserlichen Soldaten eingeschlossen und konnte nicht eingenommen werden; endlich kam der Befehl, sie sollte mit schwerem Geschütz geängstigt und gezwungen werden. Wie nun bei einbrechender Nacht der Fähndrich die erste Kanone losbrennen wollte, flog eine Taube und pickte[S. 189] ihm auf die Hand, so daß er das Zündloch verfehlte. Da sprach er: “es ist Gottes Willen, daß ich nicht schießen soll” und ließ ab. In der Nacht kamen die Schweden und die Kaiserlichen mußten abziehen; so war die Stadt diesmal gerettet.

125.
Der Glockenguß zu Breslau.

Ungarischer Simplicissim. 1683. S. 43. 44.

Als die Glocke zu S. Maria Magdalena in Breslau gegossen werden sollte und alles dazu fast fertig war, ging der Gießer zuvor zum Essen, verbot aber dem Lehrjungen bei Leib und Leben, den Hahn am Schmelzkessel anzurühren. Der Lehrjung aber war vorwitzig und neugierig, wie das glühende Metall doch aussehen möge und indem er so den Krahn bewegte und anregte, fuhr er ihm wider Willen ganz heraus und das Metall rann und rann in die zubereitete Form. Höchst bestürzt weiß sich der arme Jung gar nicht zu helfen, endlich wagt ers doch und geht weinend in die Stube und bekennt seinem Meister, den er um Gotteswillen um Verzeihung bittet. Der Meister aber wird vom Zorn ergriffen, zieht das Schwert und ersticht den Jungen auf der Stelle. Dann eilt er hinaus, will sehen, was noch vom Werk zu retten sey und räumt nach der Verkühlung ab. Als er abgeräumt hatte, siehe, so war die ganze Glocke trefflich[S. 190] wohl ausgegossen und ohne Fehl; voll Freuden kehrte der Meister in die Stube zurück und sah nun erst, was für Uebels er gethan hatte. Der Lehrjung war verblichen, der Meister wurde eingezogen und von den Richtern zum Schwert verurtheilt. Immittelst war auch die Glocke aufgezogen worden, da bat der Glockengießer flehentlich: ob sie nicht noch geläutet werden dürfte, er möchte ihren Resonanz auch wohl hören, da er sie doch zugerichtet hätte, wenn er die Ehr vor seinem letzten End von den Herren haben könnte. Die Obrigkeit ließ ihm willfahren und seit der Zeit wird mit dieser Glocke allen armen Sündern, wenn sie vom Rathhaus herunterkommen, geläutet. Die Glocke ist so schwer, daß wenn man funfzig Schläge gezogen hat, sie andere funfzig von selbst gehet.

126.
Der Glockenguß zu Attendorn.

Simplicissimus, Rathstübel cap. 8.

Zu Attendorn, einem cölnischen Städtchen in Westphalen, wohnte bei Menschengedenken eine Wittwe, die ihren Sohn nach Holland schickte, dort die Handlung zu lernen. Dieser stellte sich so wohl an, daß er alle Jahr seiner Mutter von dem Erwerb schicken konnte. Einmal sandte er ihr eine Platte von purem Gold, aber schwarz angestrichen, neben andern Waaren. Die Mutter, von dem Werth des Geschenks unberichtet,[S. 191] stellte die Platte unter eine Bank in ihrem Laden, allwo sie stehen blieb, bis ein Glockengießer ins Land kam, bei welchem die Attendorner eine Glocke gießen und das Metall dazu von der Bürgerschaft erbetteln zu lassen beschlossen. Die, so das Erz sammelten, bekamen allerhand zerbrochene eherne Häfen, und als sie vor dieser Wittib Thür kamen, gab sie ihnen ihres Sohnes Gold, weil sie es nicht kannte und sonst kein zerbrochen Geschirr hatte.

Der Glockengießer, so nach Arensberg verreist war, um auch dort einige Glocken zu verfertigen, hatte einen Gesellen zu Attendorn hinterlassen, mit Befehl, die Form zu fertigen und alle sonstige Anstalten zu treffen, doch den Guß einzuhalten, bis zu seiner Ankunft. Als aber der Meister nicht kam und der Gesell selbst gern eine Probe thun wollte, so fuhr er mit dem Guß fort und verfertigte den Attendornern eine von Gestalt und Klang so angenehme Glocke, daß sie ihm solche bei seinem Abschied (denn er wollte zu seinem Meister nach Arensberg, ihm die Zeitung von der glücklichen Verrichtung zu bringen) so lang nachläuten wollten, als er sie hören könnte. Ueber das folgten ihm etliche nach, mit Kannen in den Händen und sprachen ihm mit dem Trunk zu. Als er nun in solcher Ehr und Fröhlichkeit bis auf die steinerne Brücke (zwischen Attendorn und dem fürstenbergischen Schloß Schnellenberg) gelanget, begegnet ihm sein Meister, welcher alsobald mit den Worten: “was hast du gethan, du Bestia!” ihm eine Kugel durch den Kopf[S. 192] jagte. Zu den Geleitsleuten aber sprach er: “der Kerl hat die Glocke gegossen, wie ein anderer Schelm, er wäre erbietig, solche umzugießen und der Stadt ein ander Werk zu machen.” Ritte darauf hinein und wiederholte seine Reden, als ob er den Handel gar wohl ausgerichtet. Aber er wurde wegen der Mordthat ergriffen und gefragt, was ihn doch dazu bewogen, da sie mit der Arbeit des Gesellen doch vollkommen zufrieden gewesen? Endlich bekannte er, wie er an dem Klang abgenommen, daß eine gute Masse Gold bei der Glocke wäre, so er nicht dazu kommen lassen, sondern weggezwackt haben wollte, dafern sein Gesell befohlnermaßen mit dem Guß seine Ankunft abgewartet, weswegen er ihm den Rest gegeben.

Hierauf wurde dem Glockenmeister der Kopf abgeschlagen, dem Gesell aber auf der Brücke, wo er sein End genommen, ein eisern Kreuz zum ewigen Gedächtniß aufgerichtet. Unterdessen konnte niemand ersinnen, woher das Gold zu der Glocke gekommen, bis der Wittib Sohn mit Freuden und großem Reichthum beladen nach Haus kehrte und vergeblich betrauerte, daß sein Gold zween um das Leben gebracht, einen unschuldig und einen schuldig, gleichwohl hat er dieses Gold nicht wieder verlangt, weil ihn Gott anderwärts reichlich gesegnet.

Längst hernach hat das Wetter in den Kirchthurm geschlagen und wie sonst alles verzehret, außer dem Gemäuer, auch die Glocke geschmelzt. Worauf in der Asche Erz gefunden worden, welches an Gehalt den[S. 193] Goldgülden gleich gewesen, woraus derselbige Thurm wieder hergestellt und mit Blei gedeckt worden.

127.
Die Müllerin.

Mündlich, aus Oestreich und nach einem fliegenden Blatt.

Zwischen Ems und Wels in Oestreich auf einer einsamen Mühle lebte ein Müller, der war an einem Sonntag Morgen, nach üblicher Weise, mit allen seinen Knechten in die Kirche gegangen und nur seine Frau, die ihre Niederkunft bald erwartete, daheim geblieben. Als die Müllerin so allein saß, kam die Hebamme, gleichsam zum Besuch, zu sehen, wie es mit ihr stehe. Die Müllerin war ihr freundlich, trug etwas auf und sie setzten sich zusammen an den Tisch. Während sie aßen, ließ die Hebamme das Messer fallen und sprach: “hebt mir einmal das Messer auf!” “Ei! antwortete die Müllerin, ihr redet wunderlich, ihr wißt doch, daß mir das Bücken saurer wird, als euch,” doch ließ sie’s hingehen, hob das Messer auf, reichte es ihr, und wie sie es reichte, noch im Bücken, faßte die Hebamme das Messer in die Faust, zückte und sprach: “nun gebt mir euer Geld, das baar bei euch liegt, oder ich stech euch die kalte Klinge in die Brust!” Die Müllerin erschrack, faßte sich aber und sagte: “kommt mit mir hinüber in die Kammer, da liegt im Schrank, was wir haben, und nehmts.” Die[S. 194] Hebamme folgte ihr, nahm das Geld aus dem Schrank und, weil es ihrer Habsucht nicht genug war, suchte sie noch weiter in andern Gefächern. Diesen Augenblick benutzte die Müllerin, trat schnell hinaus und schloß die Thüre fest zu, und da vor den Fenstern starke eiserne Gitter standen, so war die Hebamme in der Kammer eingefangen. Nun rief die Frau ihr siebenjähriges Söhnlein und sprach: “eil dich und lauf zum Vater in die Kirche, ich bät ihn, eilends mit seinen Knechten heimzukommen, ich wär in großer Gefahr.” Das Kind lief fort, aber nicht weit von der Mühle traf es auf den Mann der Hebamme, der verabredetermaßen kam, den Raub fortzutragen. Als er das Kind sah, faßte er’s und riß es mit sich zur Mühle zurück. Die Müllerin, die, ihren Mann erwartend, am Fenster stand, sah ihn kommen, verschloß alsbald die Hausthüre und schob alle Riegel vor. Als der Mann heran war, rief er, sie sollte ihm die Thüre öffnen und, da sie es nicht that, stieß er wüthend dagegen und hoffte sie einzutreten. Die Müllerin schrie nun mit allen Kräften zu einem Fenster hinaus nach Hülfe, aber, weil die Mühle zu fern, auch mit Gebüsch umwachsen lag, ward sie von niemand gehört. Indeß wich die Thüre den Stößen des Mannes nicht und da er sah, in welche Gefahr er und seine Frau gerathe, wenn er sich so lang aufhalte, bis der Müller aus der Kirche komme, zog er sein Messer und rief der Müllerin: “wo ihr nicht gleich öffnet, so stech ich das Kind vor euern Augen nieder und zünde die Mühle euch über[S. 195] dem Kopf an;” faßte auch das Kind, daß es laut zu schreien anfing. Da eilte die Müllerin und wollte die Thüre öffnen, aber wie sie davor stand, ging ihr der Gedanken durchs Herz, daß der Mörder sie nur herauslocken wolle, um sie selbst und mit ihr das Kind in ihrem Leibe zu tödten, so daß sie ein paar Augenblicke schwankte. Der Mann zauderte nicht, stach dem Knaben das Messer in die Brust, lief dann um die Mühle und suchte einen Eingang. Da fiel der Müllerin, die von dem allem nichts wußte, ein, sie wollte die Räder in Bewegung setzen, vielleicht lockte das am Sonntag ungewöhnliche Klappern Menschen zu ihrer Hülfe herbei. Der Mörder aber wollte gerade durch das stehende Rad in die Mühle sich eindrängen, hatte eben den Fuß auf eine Speiche gesetzt und wär ohne Zweifel hineingeschlüpft, als in dem nämlichen Augenblick, nach Gottes wundervoller Schickung, das losgelassene Rad anhub sich zu drehen, ihn hinunterschlug und jämmerlich zermalmte.

Bald darauf kam der Müller mit seinen Knechten heim. Als er die Kammer aufschloß, worin die Hebamme gefangen war, lag sie todt auf der Erde und war vor Angst und Schrecken vom Schlag gerührt.

128.
Johann Hübner.

Stilling’s Leben. I. 51-54.

Auf dem Geissenberge in Westphalen stehen noch die Mauern von einer Burg, da vor Alters Räuber[S. 196] gewohnt. Sie gingen Nachts in’s Land umher, stahlen den Leuten das Vieh und trieben es dort in den Hof, wo ein großer Stall war und darnach verkauften sie’s weit weg an fremde Leute. der letzte Räuber, der hier gewohnt hat, hieß Johann Hübner. Er hatte eiserne Kleider an und war stärker als alle andere Männer im ganzen Land. Er hatte nur ein Auge und einen großen krausen Bart und Haare. Am Tage saß er mit seinen Knechten in einer Ecke, wo man noch das zerbrochene Fenster sieht, da tranken sie zusammen. Johann Hübner sah mit dem einen Auge sehr weit durchs ganze Land umher; wenn er dann einen Reuter sah, da rief er: “heloh! da reitet ein Reuter! ein schönes Roß! Heloh!” Dann zogen sie hinaus, gaben acht, wann er kam, nahmen ihm das Roß und schlugen ihn todt. Nun war ein Fürst von Dillenburg, der schwarze Christian genannt, ein sehr starker Mann, der hörte viel von den Räubereien des Johann Hübners, denn die Bauern kamen immer und klagten über ihn. Dieser schwarze Christian hatte einen klugen Knecht, der hieß Hanns Flick, den schickte er über Land, dem Johann Hübner aufzupassen. Der Fürst aber lag hinten im Giller und hielt sich da mit seinen Reutern verborgen, dahin brachten ihm auch die Bauern Brot und Butter und Käse. Hanns Flick aber kannte den Johann Hübner nicht, streifte im Land umher und fragte ihn aus. Endlich kam er an eine Schmiede, wo Pferde beschlagen wurden, da stunden viele Wagenräder an der Wand, die auch beschlagen[S. 197] werden sollten. Auf dieselben hatte sich ein Mann mit dem Rücken gelehnt, der hatte nur ein Auge und ein eisernes Wams an. Hanns Flick ging zu ihm und sagte: “Gott grüß dich, eiserner Wams-Mann mit einem Auge! heißest du nicht Johann Hübner vom Geissenberg?” Der Mann antwortete: “Johann Hübner vom Geissenberg liegt auf dem Rad.” Hanns Flick verstunde das Rad auf dem Gerichtsplatz und sagte: “war das kürzlich?” “Ja, sprach der Mann, erst heut.” Hanns Flick glaubte doch nicht recht und blieb bei der Schmiede und gab auf den Mann acht, der auf dem Rade lag. Der Mann sagte dem Schmied ins Ohr, er sollte ihm sein Pferd verkehrt beschlagen, so daß das vorderste Ende des Hufeisens hinten käme. Der Schmied that es und Johann Hübner ritt weg. Wie er aufsaß, sagte er dem Hanns Flick: “Gott grüß dich, braver Kerl, sage deinem Herrn, er solle mir Fäuste schicken, aber keine Leute, die hinter den Ohren lausen.” Hanns Flick blieb stehen und sah, wo er übers Feld in den Wald ritt, lief ihm nach, um zu sehen, wo er bliebe. Er wollte seiner Spur nachgehen, aber Johann Hübner ritt hin und her, die Kreuz und Queer und Hanns Flick wurde bald in den Fußtapfen des Pferdes irre, denn wo jener hingeritten war, da gingen die Fußtapfen zurück. Also verlor er ihn bald und wußte nicht, wo er geblieben war. Endlich aber ertappte er ihn doch, wie er Nachts bei Mondenschein mit seinen Knechten auf der Heide im Wald lag und geraubt Vieh hütete. Da eilte er und sagte[S. 198] es dem Fürsten Christian, der ritt in der Stille mit seinen Kerlen unten durch den Wald und sie hatten den Pferden Moos unter die Füße gebunden. So kamen sie nah herbei, sprangen auf ihn zu und kämpften miteinander. Der schwarze Christian und Johann Hübner schlugen sich auf die eisernen Hüte und Wämser, daß es klang, endlich aber blieb Johann Hübner todt und der Fürst zog in das Schloß auf dem Geissenberg. Den Johann Hübner begruben sie in einer Ecke, der Fürst legte viel Holz um den großen Thurm und sie untergruben ihn auch. Am Abend, als im Dorfe die Kühe gemolken wurden, fiel der Thurm um und das ganze Land zitterte von dem Fall. Man sieht noch die Steine den Berg hinunter liegen. Der Johann Hübner erscheint oft um Mitternacht, mit seinem einen Auge sitzt er auf einem schwarzen Pferd und reitet um den Wall herum.

129.
Eppela Gaila.

Fischart im Garg. (springen) über Eppelins Heuwagen.
Rentsch Antiquitäten des Burggrafthums oberhalb Gebirg, aus einer ihm 1684 vom Pfarrer Meyer zu Muggendorf mitgetheilten Nachricht.
Beschreibung des Fichtelbergs. Lpz. 1716. S. 149.
Edward Brown sonderbare Reisen S. 67.
E.M. Arndt Bruchst. einer Reise von Baireuth nach Wien im Sommer 1798. Leipz. 1801. 8. S. 27. 28. 96.
Eppelein von Gailingen, ein Schauspiel von Hansing. Leipz. 1795. 8.

Vor nicht lang sangen die nürnberger Gassenbuben noch diesen alten Reim:

[S. 199]

Eppela Gaila von Dramaus
reit allzeit zum vierzehnt aus;

und:

Da reit der Nürnberger Feind aus
Eppela Gaila von Dramaus.

In alten Zeiten wohnte im Baireuthischen bei Drameysel (einem kleinen, nach Muggendorf eingepfarrten Dörfchen) Eppelin von Gailing, ein kühner Ritter, der raubte und heerte dort herum und sonderlich aufgesessen war er den Nürnbergern, denen schadete er, wo er mochte. Er verstand aber das Zaubern und zumal so hatt’ er ein Rößlein, das konnte wohl reiten und traben, damit setzte er in hohen Sprüngen über Felsen und Risse und sprengte es über den Fluß Wiesent, ohne das Wasser zu rühren, und über Heuwagen auf der Wiese ritt er, daß seines Rosses Huf kein Hälmlein verletzte. Zu Gailenreuth lag sein Hauptsitz, aber rings herum hatte er noch andere seiner Burgen und im Nu wie der Wind flog er von einer zur andern. Von einer Bergseite war er flugs an der gegenüber stehenden und ritt oftmals nach Sanct Lorenz in Muggendorf. Zu Nürnberg hielten ihn weder Burgmauern auf, noch der breite Stadtgraben und viel ander Abentheuer hat er ausgeübt. Endlich aber fingen ihn die Nürnberger und zu Neumarkt ward er mit seinen Helfershelfern an den Galgen gehängt. In der nürnberger Burg stehen noch seine Waffen zur Schau und an der Mauer ist noch die Spur vom Huf seines Pferdes zu sehen, die sich eingedrückt hatte, als er darüber sprang.

[S. 200]

130.
Der Blumenstein.

Kurhess. Magazin 1804. Nr. 30.

Als auf dem Blumenstein bei Rotenburg in Hessen noch Ritter lebten, wettete eines Abends ein junges, muthiges Bauernmädchen in dem benachbarten Dorf Höhnebach, daß es um Mitternacht bei Mondschein hinaus auf die furchtbare Burg gehen und ein Ziegelstück herabholen wollte. Sie wagte auch den Gang, holte das Wahrzeichen und wollte eben wieder zurückgehen, als ihr ein Hufschlag in der stillen Nacht entgegenklang. Schnell sprang sie unter die Zugbrücke und kaum stand sie darunter, so kam auch schon der Ritter herein und hatte eine schöne Jungfrau vor sich, die er geraubt und deren köstliche Kleidungsstücke er hinten aufgepackt hatte. Indem er über die Brücke ritt, fiel ein Bündel davon herab, den hob das Bauernmädchen auf und eilte schnell damit fort. Kaum aber hatte sie die Hälfte des Spisses, eines Berges, der zwischen Höhnebach und dem Blumenstein liegt, erstiegen, so hörte sie, wie der Ritter schon wieder über die Zugbrücke ausritt und wahrscheinlich den verlorenen Bündel suchen wollte. Da blieb ihr nichts übrig, als den Weg zu verlassen und sich in den dicken Wald zu verbergen, bis er vorüber war. Und so rettete es seine Beute und brachte das Wahrzeichen glücklich nach Haus.

[S. 201]

131.
Seeburger See.

Neues hanöv. Magazin 1807. St. 13. u. St. 40.

Zwei kleine Stunden von Göttingen liegt der seeburger See. Er vermindert sich jährlich, ist jetzt 30-40 Fuß tief und von einer guten halben Stunde Umkreis. In der Gegend sind noch mehr Erdfälle und gefährliche Tiefen, die auf das Daseyn eines unterirdischen Flusses vermuthen lassen. Die Fischer erzählen folgende Sage.

In alten Zeiten stand da, wo jetzt der See ist, eine stolze Burg, auf welcher ein Graf, Namens Isang, wohnte, der ein wildes und gottloses Leben führte. Einmal brach er durch die heiligen Mauern des Klosters Lindau, raubte eine Nonne und zwang sie, ihm zu Willen zu seyn. Kaum war die Sünde geschehen, so entdeckte sich, daß diejenige, die er in Schande gebracht, seine bis dahin ihm verborgen gebliebene Schwester war. Zwar erschrack er und schickte sie mit reicher Buße ins Kloster zurück, aber sein Herz bekehrte sich doch nicht zu Gott, sondern er begann aufs neue nach seinen Lüsten zu leben. Nun geschah es, daß er einmal seinen Diener zum Fischmeister schickte, einen Aal zu holen, der Fischmeister aber dafür eine silber-weiße Schlange gab. Der Graf, der etwas von der Thier-Sprache verstand, war damit gar wohl zufrieden, denn er wußte, daß, wer von einer solchen Schlange esse, zu allen Geheimnissen[S. 202] jener Sprache gelange. Er hieß sie zubereiten, verbot aber dem Diener bei Lebensstrafe, nichts davon zu genießen. Darauf aß er so viel, als er vermogte, aber ein weniges blieb übrig und wurde auf der Schüssel wieder hinausgetragen; da konnte der vom Verbot gereizte Diener seiner Lust nicht widerstehen und aß es. Dem Grafen aber fielen nach dem Genuß alsbald alle je begangenen Sünden und Frevel aufs Herz und standen so hell vor ihm, daß die Gedanken sich nicht davon abwenden konnten und er vor Angst sich nicht zu lassen wußte. “Mir ist so heiß, sprach er, als wenn ich die Hölle angeblasen hätte!” Er ging hinab in den Garten, da trat ihm ein Bote entgegen und sprach: “eben ist eure Schwester an den Folgen der Sünde, zu der ihr sie gezwungen habt, gestorben.” Der Graf wendete sich in seiner Angst nach dem Schloßhof zurück, aber da ging alles Gethier, das darin war: die Hühner, Enten, Gänse, auf und ab und sprachen untereinander von seinem ruchlosen Leben und entsetzlichen Frevel, den er all vollbracht, und die Sperlinge und die Tauben auf dem Dache mengten sich in das Gespräch und riefen Antwort herab. “Nun aber, sagten sie, haben die Sünden ihr volles Maas und das Ende ist gekommen: in kurzer Stunde werden die prächtigen Thürme umfallen und die ganze Burg wird versunken seyn.” Eben als der Hahn gewaltig auf dem Dache krähte, trat der Diener, der von der Schlange gegessen hatte, herzu und der Graf, der ihn versuchen wollte, fragte: “was ruft der Hahn?” Der Diener,[S. 203] der in der Angst sich vergaß und es wohl verstand, antwortete: “er ruft: eil! eil! eh die Sonne untergeht, willst du dein Leben retten, eil! eil! aber zieh allein!” “O du Verräther, sprach der Graf, so hast du doch von der Schlange gegessen, packe zusammen, was du hast, wir wollen entfliehen.” Der Diener lief hastig ins Schloß, aber der Graf sattelte sich selbst sein Pferd und schon war er aufgesessen und wollte hinaus, als der Diener zurückkam, leichen-blaß und athemlos ihm in die Zügel fiel und flehentlich bat, ihn mitzunehmen. Der Graf schaute auf und als er sah, wie die letzte Sonnen-Röthe an den Spitzen der Berge glühte und hörte, wie der Hahn laut kreischte: “eil! eil! eh die Sonne untergeht, aber zieh allein!” da nahm er sein Schwert, zerspaltete ihm den Kopf und sprengte über die Zugbrücke hinaus. Er ritt auf eine kleine Anhöhe bei dem Städtchen Gieboldehausen, da schaute er sich um, und als er die Thurmspitzen seines Schlosses noch im Abendroth glänzen sah, däuchte ihm alles ein Traum und eine Betäubung seiner Sinne. Plötzlich aber fing die Erde an, unter seinen Füßen zu zittern, erschrocken ritt er weiter und als er zum zweitenmal sich umschaute, waren Wall, Mauern und Thürme verschwunden und an des Schlosses Stelle ein großer See.

Nach dieser wundervollen Errettung bekehrte sich der Graf und büßte seine Sünden im Kloster Gieboldehausen, welchem er seine übrigen reichen Besitzungen schenkte. Nach seiner Verordnung werden noch jetzt[S. 204] reuigen Sündern an einem gewissen Tage Seelenmessen gelesen. In dem Dorfe Berenshausen stiftete er den Chor und die Altarstühle, worüber sogar noch ein Schenkungs-Brief da seyn soll. Auch werden noch jetzt aus dem See behauene Quadern und Eichenbohlen herausgeholt; vor einiger Zeit sogar zwei silberne Töpfe mit erhabenen Kränzen in getriebener Arbeit, von denen der Wirth in Seeburg einen gekauft hat.

132.
Der Burgsee und Burgwall.

Kosegarten Rhapsodien. II. 110.

In der Stubniz auf der pommerschen Insel Rügen liegt ein mächtiger Erdwall, von hohen Buchen bewachsen und einen langrunden Kreis umschließend, in dessen Mitte mancherlei Baumwurzeln und Steine verstreut liegen. Hart neben dem östlichen Rande des Walles fließt in einem runden und tiefen Kessel ein See, der schwarze See, oder Burgsee genannt. Jener Wall heißt der Burgwall. Nach der Landsage soll in diesem Wall vor alten Zeiten der Teufel angebetet und zu seinem Dienst eine Jungfrau unterhalten worden seyn. Wann er der Jungfrau überdrüssig wurde, so führten sie seine Priester zu dem schwarzen See und ersäuften sie darin.

[S. 205]

133.
Der heil. Niclas und der Dieb.

Prätorius Weltbeschr. I. 200. 201. aus
Michael Saxe alphab. hist. p. 383.

Zu Greifswald in Pommern stund in einer Kirche St. Niclasen Bild. Eines Nachts brach ein Dieb ein, wollte den Gotteskasten berauben und rief den Heiligen an: “o heiliger Niclaus, ist das Geld mein oder dein? komm, laß uns wettlaufen darum, wer zuerst zum Gotteskasten kommt, soll gewonnen haben.” Hub damit zu laufen an, aber das Bild lief auch und überlief den Dieb zum drittenmal; der antwortete und sprach: “mein heil. Niclaus, du hasts redlicher gewonnen, aber das Geld ist dir doch nicht nutz, bist von Holz und bedarfst keines; ich wills nehmen und guten Muth dabei haben.” — Bald darauf geschah, daß dieser Räuber starb und begraben wurde, da kamen die Teufel aus der Hölle, holten den Leib aus dem Grab, warfen ihn bei den beraubten Gotteskasten und hängten ihn zuletzt vor der Stadt an eine Windmühle auf. Diese Windmühle soll nachher immer links umgelaufen seyn.

134.
Riesensteine.

Prätorius Weltbeschr. I. 591-593.

Man findet hin und wieder greuliche Steine, worin die Male von Händen und Füßen eingedrückt sind[S. 206] und wovon die Sage ist, dieses rühre von Riesen her, die sich vor Alters damit geworfen, oder darauf gestanden. Ein solcher Stein liegt zu Leipzig beim Kuhthurm am Wege und die Spur einer großen Hand mit sechs Fingern steht daraufgedruckt. Ein anderer großer Stein ist auf dem Wege von Leipzig nach dem Dorf Hohentiegel zu finden, dem Dorfe näher als der Stadt, darauf man ein Schmarre sieht, als wäre sie mit einem Schlachtschwerte eingehauen.

Als Salzwedel vor uralters hart belagert wurde von einem grausamen Feind, der sie doch nicht einbekommen mochte, weil Engel auf der Stadtmauer hin und hergegangen, die Pfeile auffingen und die Stadt behüteten; da erbitterte der Feldherr und wie im Lager ein großer Stein vor ihm lag, zog er sein Schlachtschwert und sprach: “soll ich die Stadt nicht gewinnen, so gebe Gott, daß ich in diesen Stein haue, wie in einen Butterweck.” Als er nun hieb, gab der Stein nach, als ob er ganz weich wäre. Dieser Stein wurde dem Prätorius an derselben Stelle im Jahr 1649 gezeigt, auf dem Wege zwischen Salzwedel und Tielsen, und er betastete ihn und sah mit eigenen Augen die tiefe Spalte, die er durch die Mitte hatte.

135.
Spuren im Stein.

Mündlich, aus Hessen.

Bei der Mindner Glashütte ist ein Wald, der heißt der Geismar-Wald, da hat vor dem dreißigjährigen[S. 207] Krieg eine Stadt Namens Geismar gestanden. Daneben ist ein anderer Berg, welcher der Todtenberg heißt und dabei ist eine Schlacht vorgefallen. Der Feldherr war anfänglich geschlagen, hatte sich in den Geismar-Wald zurückgezogen, saß da auf einem Stein und dachte nach, was zu thun am besten wäre. Da kam einer seiner Hauptleute und wollte ihn bereden, die Schlacht von neuem anzufangen und den Feind muthig anzugreifen, wo er jetzt noch siege, sey alles gerettet. Der Feldherr aber antwortete: “nein, ich kann so wenig siegen, als dieser Stein, auf dem ich sitze, weich werden kann!” Mit diesen Worten stand er auf, aber seine Beine und selbst die Hand, womit er sich beim Aufstehen auf den Stein gestützt, waren darin eingedrückt. Wie er das Wunder sah, ließ er zur Schlacht blasen, griff den Feind mit frischer Tapferkeit an und siegte. Noch heut zu Tag steht der Stein und man sieht die Spuren darin ausgedrückt.

136.
Der Riesen-Finger.

vgl. Taschenbuch für Freundschaft und Liebe 1815. S. 279-281.

Am Strand der Saale, besonders aber in der Nähe von Jena, lebte ein wilder und böser Riese; auf den Bergen hielt er seine Mahlzeit und auf dem Landgrafenberg heißt noch ein Stück der Löffel, weil er da seinen Löffel fallen ließ. Er war auch gegen[S. 208] seine Mutter gottlos und wenn sie ihm Vorwürfe über sein wüstes Leben machte, so schalt er sie und schmähte und ging nur noch ärger mit den Menschen um, die er Zwerge hieß. Einmal, als sie ihn wieder ermahnte, ward er so wüthend, daß er mit den Fäusten nach ihr schlug. Aber bei diesem Gräuel verfinsterte sich der Tag zu schwarzer Nacht, ein Sturm zog daher und der Donner krachte so fürchterlich, daß der Riese niederstürzte. Alsbald fielen die Berge über ihn her und bedeckten ihn, aber zur Strafe wuchs der kleine Finger ihm aus dem Grabe heraus. Dieser Finger aber ist ein langer schmaler Thurm auf dem Hausberg, den man jetzt den Fuchsthurm heißt.

137.
Riesen aus dem Unterberge.

Brixener Volksbuch.

Alte Männer aus dem Dorfe Feldkirchen, zwei Stunden von Salzburg, haben im Jahr 1645 erzählt, als sie noch unschuldige Buben gewesen, hätten sie aus dem Wunderberge Riesen herabgehen gesehen, die sich an die nächst dieses Berges stehende Grödicher Pfarrkirche angelehnt, daselbst mit Männern und Weibern gesprochen, dieselben eines christlichen Lebens und zu guter Zucht ihrer Kinder ermahnt, damit diese einem bevorstehenden Unglück entgingen. Sodann hätten sich diese Riesen wiederum nach ihrem Wunderberg begeben.[S. 209] Die Grödicher Leute waren von den Riesen oft ermahnt, durch erbauliches Leben sich gegen verdientes Unglück zu sichern.

138.
Der Jetten-Bühel zu Heidelberg.

Freher orig. palat. I. 50.
Kaiser Schauplatz von Heidelberg S. 19. 20. u. 169. 170. und andere.

Der Hügel bei Heidelberg, auf dem jetzt das Schloß stehet, wurde sonst der Jetten-Hügel genannt und dort wohnte ein altes Weib, Namens Jetta, in einer Capelle, von der man noch Ueberreste gesehen, als der Pfalzgraf Friedrich Kurfürst geworden war und ein schönes Schloß (1544) baute, das der neue Hof hieß. Diese Jetta war wegen ihres Wahrsagens sehr berühmt, kam aber selten aus ihrer Capelle und gab denen, die sie befragten, die Antwort zum Fenster heraus, ohne daß sie sich sehen ließ. Unter andern verkündigte sie, wie sie es in seltsamen Versen vorbrachte, es wäre über ihren Hügel beschlossen, daß er in künftigen Zeiten von königlichen Männern, welche sie mit Namen nannte, sollte bewohnt, beehrt und geziert und das Thal unter demselben mit vielem Volk besetzt werden.

Als Jetta einst bei einem schönen Tag nach dem Brunnen ging, der sehr lustig am Fuß des Geißbergs nah am Dorf Schlürbach, eine halbe Stunde von[S. 210] Heidelberg liegt und trinken wollte, wurde sie von einem Wolf, der Junge hatte, zerrissen. Daher er noch jetzt der Wolfsbrunnen heißt. Nah dabei ist unter der Erde ein gewölbter Gang, von dem Volk das Heidenloch genannt.

139.
Riese Haym.

Matth. Holzwart Lustgart. newer deutscher Poeterei. Strasb. 1568. f. S. 164-166.
Pighius hercules prodic. 167.
vgl. Joh. Müller Schweiz. Gesch. I. 98. N. 81.

Es war vor Zeiten ein Riese, genannt Haym oder Haymon. Als nun ein giftiger Drache in der Wildniß des Innthals hauste und den Einwohnern großen Schaden that, so machte sich Haymon auf, suchte und tödtete ihn. Dafür unterwarfen sich die Bewohner des Innthals seiner Herrschaft. Darnach erwarb er noch größern Ruhm, indem er die Brücke über den Inn, daher die Stadt Innsbruck den Namen führt, fester baute, weshalb sich viel fremde Leut unter ihn begaben. Der Bischof von Chur aber taufte ihn und Haymon erbaute zu Christi Ehren das Kloster Wilten, wo er bis an sein Ende lebte und begraben liegt.

Zu Wilten ist sein Grab zu sehen, vierzehen Schuh, drei Zwergfinger lang, auf dem Grab ist seine Gestalt in Rüstung aus Holz geschnitten. Auch zeigt man in[S. 211] der Sacristei die Drachen-Zunge, sammt einem alten Kelch, worauf die Passion abgebildet ist, den man vor mehr als 1100 Jahren, wie man das Fundament des Klosters grub, in der Erde gefunden, also daß der Kelch bald nach Christi Himmelfahrt gemacht war. Neben Haymes Grab hängt eine Tafel, worauf sein Leben beschrieben steht.

140.
Die tropfende Rippe.

Wiener Litter. Zeitung. 1813. Febr. col. 191. 192.

Im Cillerkreise der Steiermark liegt ein Ort Oberburg, auf slavisch Gornigrad, in dessen Kirche hangt eine ungeheure Rippe, dergleichen kein jetzt bekanntes Landthier hat. Man weiß nicht, wann sie ausgegraben worden, die Volkssage schreibt sie einer Heidenjungfrau (slavisch: ajdowska dekliza) zu, mit der Anmerkung, daß von dieser Rippe alljährlich ein einziger Tropfen abfällt und der jüngste Tag in der Zeit komme, wo sie ganz vertröpfelt seyn wird.

141.
Jungfrau-Sprung.

Nach Abraham a St. Clara.

Unweit Grätz in Steier liegt ein Ort, insgemein die Wand genannt, daselbst ist ein hoher Berg, welcher[S. 212] den Namen Jungfrausprung schon von etlichen hundert Jahren her führt. Als nämlich auf eine Zeit ein üppiger und gottloser Gesell einem ehrbaren Bauer-Mägdlein lang und ungestüm nachstrebte und er sie zuletzt nach vielen Ausspähungen auf besagtem Berg ertappte, erschrack sie und wagte einen Sprung. Sie sprang von dem Berg über den ganzen Fluß, Mur genannt, bis auf einen andern hohen Bühel jenseits. Davon heißt der Berg Jungfrausprung.

142.
Der Stierenbach.

Scheuchzer iter alp. p. 12. u. Kupfertafel 11.
Alpenrosen. 1813. S. 28. 29.

Mitten durch das Thal der Surenalp ergießt sich der Stierenbach, der aus dem Surenersee entspringt und einer gemeinen Sage nach, die sowohl die Leute in Uri, als in Engelsberg erzählen, durch folgende Geschichte den Namen erhalten haben soll. Vor mehrern hundert Jahren lebte hier ein Alpenhirt, der in seiner Heerde ein Lamm hatte, worauf er besonders viel hielt und dem er so zugethan war, daß er darauf verfiel, es taufen zu lassen und ihm einen Christennamen beizulegen. Was geschieht? Der Himmel, um diesen Frevel zu rächen, wandelte das Lamm in ein scheußliches Gespenst, welches bei Tag und Nacht auf der fruchtbaren Alpe umherging, alle Gräser und[S. 213] Kräuter abweidete und den Strich so verheerte, daß die Engelsberger fürder kein Vieh mehr darauf halten konnten. Zu denen von Uri kam aber ungefähr ein fahrender Schüler und rieth, wie sie das Unthier zu vertreiben hätten. Nämlich sie sollten neun Jahr lang ein Stier-Kalb mit purer Milch auffüttern, das erste Jahr von einer einzigen Kuh, das zweite von der Milch zweier, das dritte dreier Kühe und so fort; nach Ablauf der neun Jahre den solchergestalt mit Milch auferzogenen Ochsen durch eine reine Jungfrau auf die Alpe führen lassen. Die Urer hofften auf guten Lohn von den Engelsbergern und nährten einen solchen Stier auf der Alpe Waldnacht, wo man noch heut zu Tag seinen Stall weist, genannt den Stiergaden. Wie nun der Stier zu seinen Jahren gekommen war, leitete ihn eine unbefleckte Jungfrau über den Felsengrat und ließ ihn da laufen. Der Stier, als er sich frei sah, ging sogleich auf das Gespenst los und fing einen Kampf mit ihm an. Der Streit war so hart und wüthig, daß der Stier zwar das Ungeheuer zuletzt überwand, aber der Schweiß von seinem Leib heruntertroff. Da stürzte er zu einem vorbeifließenden Bach und trank so viel Wasser, daß er auf der Stelle des Todes war. Davon hat der Bach seitdem den Namen Stierenbach und außerdem zeigen die Einwohner noch jetzo die Felsen und Steine vor, in denen sich die Hinterklauen des Stiers, während des heftigen Kampfes, eingedrückt haben.

[S. 214]

143.
Die Männer im Zottenberg.

Seyfried’s medulla. p. 478-481.
Nic. Henelius ab Hennenfeld in Silesiographia renovata c. 11. §. 13.
Beschreibung des Fichtelbergs. Leipz. 1716. S. 59-63.
Valvassor Ehre von Crain I. 247.

Im 16. Jahrhundert lebte in Schweidnitz ein Mann, Johannes Beer genannt. Im Jahr 1570, als er seiner Gewohnheit nach zu seiner Lust auf den nah gelegenen Zottenberg ging, bemerkte er zum erstenmal eine Oeffnung, aus der ihm beim Eingang ein gewaltiger Wind entgegenwehte. Erschrocken ging er zurück, bald darauf aber, am Sonntag Quasimodogeniti, beschloß er von neuem die Höhle zu untersuchen. Er kam in einen engen, geraden Felsengang, ging einem fernschimmernden Lichtstrahl nach und gelangte endlich zu einer beschlossenen Thüre, in der eine Glasscheibe war, die jenes wundersame Licht warf. Auf dreimaliges Anklopfen ward ihm geöffnet und er sah in der Höhle an einem runden Tisch drei lange abgemergelte Männer in altdeutscher Tracht sitzen, betrübte und zitternde. Vor ihnen lag ein schwarzsammtenes, goldbeschlagenes Buch. Hierauf redete er sie mit: “pax vobis!” an und bekam zur Antwort: “hic nulla pax!” Weiter vorschreitend rief er nochmals: “pax vobis in nomine domini!” erzitternd mit kleiner Stimme versetzten sie: “hic non pax.” Indem er vor den Tisch kam, wiederholte er: “pax vobis in nomine[S. 215] domini nostri Jesu Christi!” worauf sie verstummten und ihm jenes Buch vorlegten, welches geöffnet den Titel hatte: liber obedientiae. Auf Beer’s Frage: wer sie wären? gaben sie zur Antwort: sie kennten sich selber nicht. “Was sie hier machten?” — “Sie erwarteten in Schrecken das jüngste Gericht und den Lohn ihrer Thaten.” — “Was sie bei Leibes-Leben getrieben?” Hier zeigten sie auf einen Vorhang, hinter dem allerlei Mordgewehre hingen, Menschen-Gerippe und Hirnschädel. “Ob sie sich zu diesen bösen Werken bekennten?” — “Ja!” — “Ob es gute oder böse?” — “Böse.” — “Ob sie ihnen leid wären?” Hierauf schwiegen sie still, aber erzitterten: “sie wüßtens nicht!”

Die schlesische Chronik gedenkt eines Raubschlosses auf dem Zottenberge, dessen Ruinen noch zu sehen sind.

144.
Verkündigung des Verderbens.

Prätorius Weltbeschr. II. 38.

Als die Magdeburger im Jahr 1550 am 22. September mit dem Herzog Georg von Mecklenburg Schlacht halten sollten, ist ihnen bei ihrem Auszuge vor dem Dorf Barleben, eine Meile Wegs von der Stadt ein langer, ansehnlicher, alter Mann, der Kleidung nach einem Bauersmanne nicht unähnlich, begegnet und hat gefragt, wo sie mit dem Kriegs-Volk und der Kriegs-Rüstung[S. 216] hinausgedächten? Und da er ihres Vorhabens berichtet worden, hat er sie gleich mit aufgehobenen Händen herzlich gebäten und gewarnt, von ihrem Vorsatze abzustehen, wieder heim zu kehren, ihre Stadt in Acht zu nehmen und ja des Orts und sonderlich in dieser Zeit nichts zu beginnen, weil eben auch vor zweihundert Jahren die Magdeburger auf den St. Moriz Tag und an demselben Orte, an dem Wasser Ohra geschlagen worden; wie ein jeder, der es wüßte, in der Tafel der St. Johannes Kirche zu Magdeburg lesen könnte. Und würde ihnen, wofern sie fortführen, gewiß auch diesmal glücklicher nicht ergehen. Ob nun wohl etliche sich über das Wesen und die Rede des Mannes verwunderten, so haben doch ihrer sehr viel ihn gespottet und die Warnung höhnisch verlacht, von welchen Spöttern hernach doch keiner in der Schlacht unerschlagen oder ungefangen geblieben seyn soll. Man sagt, er sey als ein gar alter eis-grauer Mann erschienen, aber solches schönen, holdseligen, röthlichen und jungen Angesichtes, daß es zu verwundern gewesen. Und demnach es leider gefolgt, wie er geweißagt, hat man allenthalben Nachforschung nach solchem Manne gehabt, aber niemand erfahren können, der ihn zuvor oder nachher gesehen hätte.

[S. 217]

145.
Das Männlein auf dem Rücken.

Prätorius Weltbeschr. II. 584. 585.

Als im März 1669 nach Torgau hin ein Seiler seines Wegs gewandelt, hat er einen Knaben auf dem Felde angetroffen, der auf der Erde zum Spiel niedergesessen und ein Bret vor sich gehabt. Wie nun der Seiler solches im Ueberschreiten verrückt, hat das Knäblein gesprochen: “warum stoßt ihr mir mein Bret fort? mein Vater wirds euch danken!” Der Seiler geht immer weiter und nach hundert Schritten begegnet ihm ein klein Männlein, mit grauem Bart und ziemlichem Alter, von ihm begehrend, daß er es tragen möge, weil es zum Gehen ermüdet sey. Diese Anmaßung verlacht der Seiler, allein es springet auf seine Schultern, so daß er es ins nächste Dorf hocken muß. Nach zehn Tagen stirbt der Seiler. Als darüber sein Sohn kläglich jammert, kommt das kleine Bübchen zu ihm, mit dem Bericht, er solle sich zufrieden geben, es sey dem Vater sehr wohl geschehen. Weiter wolle er ihn, benebenst der Mutter, bald nachholen, denn es würde in Meißen eine schlimme Zeit erfolgen.

146.
Gottschee.

Volks-Sagen. Eisenach. 1795. 173-188.

In der unter-crainischen Stadt Gottschee wohnen Deutsche, die sich in Sprache, Tracht und Sitten sehr[S. 218] von den anderen Crainern unterscheiden. Nahe dabei liegt eine alte, denselben Namen tragende und dem Fürsten Auersperg zuhörende Burg, von der die umwohnenden Leute mancherlei Dinge erzählen. Noch jetzt wohnt ein Jägersmann mit seinen Hausleuten in dem bewohnbaren Theil der verfallenen Burg und dessen Vorfahren einem soll einmal ganz besonders mit den da hausenden Geistern folgendes begegnet seyn.

Die Frau dieses Jägers war in die Stadt hinunter gegangen, er selbst, von Schläfrigkeit befallen, hatte sich unter eine Eiche vor dem Schloß gestreckt. Plötzlich so sah er den ältesten seiner beiden Knaben, die er schlafend im Haus verlassen, auf sich zukommen, wie als wenn er geführt würde. Zwar keinen Führer erblickte er, aber das fünfjährige Kind hielt die Linke stets in der Richtung, als ob es von jemanden daran gefaßt wäre. Mit schnellen Schritten eilte es vorbei und einem jähen Abgrund zu. Erschrocken sprang der Vater auf, sein Kind zu retten Willens, faßte es rasch und mühte sich, die linke Hand von dem unsichtbaren Führer loszumachen. Mit nicht geringer Anstrengung bewerkstelligte er das zuletzt und riß die Hand des Kindes los aus einer andern, die der Jäger nicht sah, aber eiskalt zu seyn fühlte. Das Kind war übrigens unerschrocken und erzählte: wie daß ein alter Mann gekommen sey, mit langem Bart, rothen Augen, in schwarze Kleider angethan und ein ledernes Käppchen auf, habe sich freundlich angestellt und ihm viel schöne Sachen versprochen, wenn es mit[S. 219] ihm gehen wolle, darauf sey es ihm an der Hand gefolgt.

Abends desselben Tags hörte der Jäger sich bei seinem Namen rufen; als er die Thüre aufmachte, stand der nämliche Alte draußen und winkte. Der Jäger folgte und wurde an eben denselben Abgrund geleitet. Der Felsen that sich auf, sie stiegen eine Steintreppe ab. Unterwegs begegnete ihnen eine Schlange, nachher gelangten sie in eine immer heller werdende Gruft. Sieben Greise, mit kahlen Häuptern, in tiefem Schweigen saßen in einem länglichten Raume. Weiter ging der Jäger durch einen engen Gang in ein kleines Gewölbe, wo er einen kleinen Sarg stehen sah, dann in ein größeres, wo ihm der Greis 28 große Särge zeigte, in den Särgen lagen Leichname beiderlei Geschlechts. Unter den Verblichenen fand er einige bekannte Gesichter, wovon er sich jedoch nicht zu erinnern wußte, wo sie ihm vorgekommen waren. Nach diesem wurde der Jäger in einen hellerleuchteten Saal geführt, worin 38 Menschen saßen, worunter vier sehr junge Frauen, und ein Fest begingen. Allein alle waren todtenblaß und keiner sprach ein Wort. Durch eine rothe Thür führte der Alte den Jäger zu einer Reihe altfränkisch gekleideter Leute, deren verschiedene der Jäger auch zu erkennen meinte, der Greis küßte den ersten und den letzten. Nunmehr beschwor der Jäger den Führer, ihm zu sagen, wer diese alle seyen und ob ein Lebendiger ihnen die noch entbehrte Ruhe wiedergeben könne? “Lauter Bewohner dieses Schlosses[S. 220] sind es, versetzte hohlstimmig der Alte, die weitere Bewandniß kannst du aber jetzt noch nicht erfahren, sondern wirst es demnächst einmal.” Nach diesen Worten wurde der Jäger sanft hinausgeschoben und merkte, daß er in einem naßfeuchten Gewölbe war. Er fand eine alte verfallene Treppe und diese in die Höhe steigend gelangte er in einen etwas weiteren Raum, von wo aus er durch ein kleines Loch vergnügt den Himmel und die Sterne erblickte. Ein starkes Seil, woran er stieß und das Rauschen von Wasser ließ ihn muthmaßen, er befinde sich auf dem Grunde einer hinter dem Schlosse befindlichen Cisterne, von wo aus man das Wasser mittelst eines Rades hinaufwand. Allein unglücklicherweise kam niemand in drei ganzen Tagen zum Brunnen, erst am Abend des vierten ging des Jägers Frau hin, die sehr staunte, als sie in dem schweren Eimer ihren todtgeglaubten Mann herauszog.

Die Verheißung des alten Wegweisers blieb indessen unerfüllt, doch erfuhr der Jäger, daß er ihn in dem Vorgeben, diese Geister seyen die alten Schloßbewohner, nicht belogen hätte. Denn als er einige Zeit darauf in dem fürstlichen Saal die Bilder der Ahnen betrachtete, erkannte er in ihren Gesichtszügen die in der Höhle gesehenen Leute und Leichen wieder.

[S. 221]

147.
Die Zwerge auf dem Baum.

Mündlich aus dem Haslithal, in Wyß Volkssagen S. 320.

Des Sommers kam die Schaar der Zwerge häufig aus den Flühen herab ins Thal und gesellte sich entweder hülfreich oder doch zuschauend den arbeitenden Menschen, namentlich zu den Mädern im Heuer (der Heuernte). Da setzten sie sich denn wohl vergnügt auf den langen und dicken Ast eines Ahorns ins schattige Laub. Einmal aber kamen boshafte Leute und sägten bei Nacht den Ast durch, daß er blos noch schwach am Stamme hielt, und als die arglosen Geschöpfe sich am Morgen darauf niederließen, krachte der Ast vollends entzwei, die Zwerge stürzten auf den Grund, wurden ausgelacht, erzürnten sich heftig und schrien:

O wie ist der Himmel so hoch
und die Untreu’ so groß!
heut hierher und nimmermehr!

Sie hielten Wort und ließen sich im Lande niemals wiedersehen.

148.
Die Zwerge auf dem Felsstein.

Mündlich aus der Gegend von Gadmen mitgetheilt durch Wyß S. 320.

Es war der Zwerglein Gewohnheit, sich auf einen großen Felsstein zu setzen und von da den Heuern[S. 222] zuzuschauen. Aber ein Paar Schälke machten Feuer auf den Stein, ließen ihn glühend werden und fegten dann alle Kohlen hinweg. Am Morgen kam das winzige Volk und verbrannte sich jämmerlich; rief voll Zornes:

“O böse Welt, o böse Welt!”

und schrie um Rache und verschwand auf ewig.

149.
Die Füße der Zwerge.

Aus dem Mund eines bernerischen Bauern mitgetheilt in Wyß Volkssagen S. 101-118.

Vor alten Zeiten wohnten die Menschen im Thal und rings um sie in Klüften und Höhlen die Zwerge, freundlich und gut mit den Leuten, denen sie manch schwere Arbeit Nachts verrichteten; wenn nun das Landvolk frühmorgens mit Wagen und Geräthe herbeizog und erstaunte, daß alles schon gethan war, steckten die Zwerge im Gesträuch und lachten hell auf. Oftmals zürnten die Bauern, wenn sie ihr noch nicht ganz zeitiges Getreide auf dem Acker niedergeschnitten fanden, aber als bald Hagel und Gewitter hereinbrach und sie wohl sahen, daß vielleicht kein Hälmlein dem Verderben entronnen seyn würde, da dankten sie innig dem voraussichtigen Zwergvolk. Endlich aber verscherzten die Menschen durch ihren Frevel die Huld und Gunst der Zwerge, sie entflohen und seitdem hat sie[S. 223] kein Aug wieder erblickt. Die Ursache war diese: ein Hirt hatte oben am Berg einen trefflichen Kirschbaum stehen. Als die Früchte eines Sommers reiften, begab sich, daß dreimal hintereinander Nachts der Baum geleert wurde und alles Obst auf die Bänke und Hürden getragen war, wo der Hirt sonst die Kirschen aufzubewahren pflegte. Die Leute im Dorf sprachen: “das thut niemand anders, als die redlichen Zwerglein, die kommen bei Nacht in langen Mänteln mit bedeckten Füßen daher getrippelt, leise wie Vögel und schaffen den Menschen emsig ihr Tagwerk. Schon vielmal hat man sie heimlich belauscht, allein man stört sie nicht, sondern läßt sie kommen und gehen.” Durch diese Reden wurde der Hirt neugierig und hätte gern gewußt, warum die Zwerge so sorgfältig ihre Füße bärgen und ob diese anders gestaltet wären, als Menschenfüße. Da nun das nächste Jahr wieder der Sommer und die Zeit kam, daß die Zwerge heimlich die Kirschen abbrachen und in den Speicher trugen, nahm der Hirt einen Sack voll Asche und streute die rings um den Baum herum aus. Den andern Morgen mit Tagesanbruch eilte er zur Stelle hin, der Baum war richtig leer gepflückt, und er sah unten in der Asche die Spuren von vielen Gänsfüßen eingedrückt. Da lachte der Hirt und spottete, daß der Zwerge Geheimniß verrathen war. Bald aber zerbrachen und verwüsteten diese ihre Häuser und flohen tiefer in den Berg hinab, grollen dem Menschengeschlecht und versagen ihm ihre Hülfe. Jener Hirt,[S. 224] der sie verrathen hatte, wurde siech und blödsinnig fortan bis an sein Lebensende.

150.
Die wilden Geister.

Hormaier’s Geschichte Tyrols. I. 141. 142.

Unter den vicentinischen und veronesischen Deutschen wagts von der zweiten Hälfte December bis gegen das Ende der ersten Jännerhälfte selbst der kühnsten Jäger keiner, die Wildbahn zu besuchen. Sie fürchten den wilden Mann und die Waldfrau. Die Hirten treiben zu dieser Zeit das Vieh nicht, Kinder hohlen das Wasser in irdenen Gefäßen von der nächsten Quelle und die Heerden werden im Stall getränkt. Auch spinnen die Weiber der Waldfrau ein Stück Haar am Rocken und werfen es ihr ins Feuer, um sie zu versühnen. Am Vorabend des Festes wird die Hausküche und jeder Ort, wo ein Rauchfang ist oder eine Öffnung aus der Luft herabfährt, mit Asche bestreut. Dann achtet man auf die Fußtritte in der Asche und sieht an ihrer Lage, Größe und zumal daran: ob sie ein- oder ausgehen? welche gute oder böse Geister das Haus besuchen.

[S. 225]

151.
Die Heilingszwerge.

Spieß Vorrede zu seinem Hans Heiling.

Am Fluß Eger zwischen dem Hof Wildenau und dem Schlosse Aicha ragen ungeheuer große Felsen hervor, die man vor Alters den Heilingsfelsen nannte. Am Fuß derselben erblickt man eine Höhle, inwendig gewölbt, auswendig aber nur durch eine kleine Oeffnung, in die man den Leib gebückt kriechen muß, erkennbar. Diese Höhle wurde von kleinen Zwerglein bewohnt, über die zuletzt ein unbekannter alter Mann, des Namens Heiling, als Fürst geherrscht haben soll. Einmal vorzeiten ging ein Weib aus dem Dorfe Taschwitz bürtig, am Vorabend von Peter Pauli, in den Forst und wollte Beeren suchen; es wurde ihr Nacht und sie sah neben diesem Felsen ein schönes Haus stehen. Sie trat hinein und als sie die Thüre öffnete, saß ein alter Mann an einem Tische, schrieb emsig und eifrig. Die Frau bat um Herberge und wurde willig angenommen. Außer dem alten Mann war aber kein lebendes Wesen im ganzen Gemach, allein es rumorte heftig in allen Ecken, der Frau ward greulich und schauerlich und sie fragte den Alten: “wo bin ich denn eigentlich?” Der Alte versetzte: “daß er Heiling heiße, bald aber auch abreisen werde, denn zwei Drittel meiner Zwerge sind schon fort und entflohen.” Diese sonderbare Antwort machte das Weib nur noch unruhiger und sie wollte mehr fragen, allein er gebot[S. 226] ihr Stillschweigen und sagte nebenbei: “wäret ihr nicht gerade in dieser merkwürdigen Stunde gekommen, solltet ihr nimmer Herberge gefunden haben.” Die furchtsame Frau kroch demüthig in einen Winkel und schlief sanft und wie sie den Morgen mitten unter den Felssteinen erwachte, glaubte sie geträumt zu haben, denn nirgends war ein Gebäude da zu ersehen. Froh und zufrieden, daß ihr in der gefährlichen Gegend kein Leid widerfahren sey, eilte sie nach ihrem Dorfe zurück, es war alles so verändert und seltsam. Im Dorf waren die Häuser neu und anders aufgebaut, die Leute, die ihr begegneten, kannte sie nicht und wurde auch nicht von ihnen erkannt. Mit Mühe fand sie endlich die Hütte, wo sie sonst wohnte, und auch die war besser gebaut; nur dieselbe Eiche beschattete sie noch, welche einst ihr Großvater dahin gepflanzt hatte. Aber wie sie in die Stube treten wollte, ward sie von den unbekannten Bewohnern als eine Fremde vor die Thüre gewiesen und lief weinend und klagend im Dorf umher. Die Leute hielten sie für wahnwitzig und führten sie vor die Obrigkeit, wo sie verhört und ihre Sache untersucht wurde; siehe da, es fand sich in den Gedenk- und Kirchenbüchern, daß grad vor hundert Jahren an eben diesem Tag eine Frau ihres Namens, welche nach dem Forst in die Beeren gegangen, nicht wieder heimgekehrt sey und auch nicht mehr zu finden gewesen war. Es war also deutlich erwiesen, daß sie volle hundert Jahr im Felsen geschlafen hatte und die Zeit über nicht älter geworden[S. 227] war. Sie lebte nun ihre übrigen Jahre ruhig und sorgenlos aus und wurde von der ganzen Gemeinde anständig verpflegt zum Lohn für die Zauberei, die sie hatte erdulden müssen.

152.
Der Abzug des Zwergvolks über die Brücke.

Otmar’s Volkssagen.

Die kleinen Höhlen in den Felsen, welche man auf der Südseite des Harzes, sonderlich in einigen Gegenden der Grafschaft Hohenstein findet, und die größtentheils so niedrig sind, daß erwachsene Menschen nur hineinkriechen können, theils aber einen räumigen Aufenthaltsort für größere Gesellschaften darbieten, waren einst von Zwergen bewohnt und heißen nach ihnen noch jetzt Zwerglöcher. Zwischen Walkenried und Neuhof in der Grafschaft Hohenstein hatten einst die Zwerge zwei Königreiche. Ein Bewohner jener Gegend merkte einmal, daß seine Feldfrüchte alle Nächte beraubt wurden, ohne daß er den Thäter entdecken konnte. Endlich ging er auf den Rath einer weisen Frau bei einbrechender Nacht an seinem Erbsenfelde auf und ab und schlug mit einem dünnen Stabe über dasselbe in die bloße Luft hinein. Es dauerte nicht lange, so standen einige Zwerge leibhaftig vor ihm. Er hatte ihnen die unsichtbar machenden Nebelkappen abgeschlagen. Zitternd fielen die Zwerge vor ihm nieder und[S. 228] bekannten: daß ihr Volk es sey, welches die Felder der Landesbewohner beraubte, wozu aber die äußerste Noth sie zwänge. Die Nachricht von den eingefangenen Zwergen brachte die ganze Gegend in Bewegung. Das Zwergvolk sandte endlich Abgeordnete und bot Lösung für sich und die gefangenen Brüder, und wollte dann auf immer das Land verlassen. Doch die Art des Abzuges erregte neuen Streit. Die Landeseinwohner wollten die Zwerge nicht mit ihren gesammelten und versteckten Schätzen abziehen lassen und das Zwergvolk wollte bei seinem Abzuge nicht gesehen seyn. Endlich kam man dahin überein, daß die Zwerge über eine schmale Brücke bei Neuhof ziehen, und daß jeder von ihnen in ein dorthin gestelltes Gefäß einen bestimmten Theil seines Vermögens, als Abzugszoll werfen sollte, ohne daß einer der Landesbewohner zugegen wäre. Dies geschah. Doch einige Neugierige hatten sich unter die Brücke gesteckt, um den Zug der Zwerge wenigstens zu hören. Und so hörten sie denn viele Stunden lang das Getrappel der kleinen Menschen; es war ihnen als wenn eine sehr große Heerde Schaafe über die Brücke ging. — Seit dieser letzten großen Auswanderung des Zwergvolks lassen sich nur selten einzelne Zwerge sehen. Doch zu den Zeiten der Elterväter stahlen zuweilen einige in den Berghöhlen zurückgebliebene aus den Häusern der Landesbewohner kleine kaum geborene Kinder, die sie mit Wechselbälgen vertauschten.

[S. 229]

153.
Der Zug der Zwerge über den Berg.

Otmar’s Volkssagen.

Auch auf der Nordseite des Harzes wohnten einst viele tausend Zwerge oder Kröpel, in den Felsklüften und den noch vorhandenen Zwerglöchern. Bei Seehausen, einem magdeburgischen Städtchen, zeigt man ebenfalls solche Kröppellöcher. Aber nur selten erschienen sie den Landesbewohnern in sichtbarer Gestalt, gewöhnlich wandelten sie, durch ihre Nebelkappen geschützt, ungesehen und ganz unbemerkt unter ihnen umher. Manche dieser Zwerge waren gutartig und den Landesbewohnern unter gewissen Umständen sehr behülflich; bei Hochzeiten und Kindtaufen borgten sie mancherlei Tischgeräthe aus den Höhlen der Zwerge. Nur durfte sie niemand zum Zorn reizen, sonst wurden sie tückisch und bösartig und thaten dem, der sie beleidigte, allen möglichen Schaden an. In dem Thal zwischen Blankenburg und Quedlinburg bemerkte einmal ein Becker, daß ihm immer einige der gebackenen Brote fehlten und doch war der Dieb nicht zu entdecken. Dieser beständig fortdauernde geheime Diebstahl machte, daß der Mann allmählig verarmte. Endlich kam er auf den Verdacht, die Zwerge könnten an seinem Unheil Schuld seyn. Er schlug also mit einem Geflechte von schwanken Reisern so lange um sich her, bis er die Nebelkappen einiger Zwerge traf, die sich nun nicht mehr verbergen konnten. Es wurde Lärm. Man ertappte[S. 230] bald noch mehrere Zwerge auf Diebereien und nöthigte endlich den ganzen Ueberrest des Zwergvolkes auszuwandern. Um aber die Landeseinwohner einigermaßen für das gestohlene zu entschädigen und zugleich die Zahl der Auswandernden überrechnen zu können, wurde auf dem jetzt sogenannten Kirchberg bei dem Dorfe Thale, wo sonst Wendhausen lag, ein groß Gefäß hingestellt, worin jeder Zwerg ein Stück Geld werfen mußte. Dieses Faß fand sich nach dem Abzuge der Zwerge ganz mit alten Münzen angefüllt. So groß war ihre Zahl. Das Zwergvolk zog über Wahrnstedt (unweit Quedlinburg) immer nach Morgen zu. Seit dieser Zeit sind die Zwerge aus der Gegend verschwunden. Selten ließ sich seitdem hier und da ein einzelner sehen.

154.
Die Zwerge bei Dardesheim.

Otmar.

Dardesheim ist ein Städtchen zwischen Halberstadt und Braunschweig. Dicht an seiner nordöstlichen Seite fließt ein Quell des schönsten Wassers, welcher der Smansborn (Leßmannsborn) heißt und aus einem Berge quillt, in dem vormals die Zwerge wohnten. Wenn die ehmaligen Einwohner der Gegend ein Feierkleid oder zu einer Hochzeit ein seltenes Geräthe brauchten, so gingen sie vor diesen Zwergberg, klopften[S. 231] dreimal an und sagten mit deutlicher, vernehmlicher Stimme ihr Anliegen, und

frühmorgens eh die Sonn aufgeht,
schon alles vor dem Berge steht.

Die Zwerge fanden sich hinlänglich belohnt, wenn ihnen etwas von den festlichen Speisen vor den Berg hingesetzt wurde. Nachher allmälig störten Streitigkeiten das gute Vernehmen des Zwergvolks und der Landeseinwohner. Anfangs auf kurze Zeit, aber endlich wanderten die Zwerge aus, weil ihnen die Neckworte und Spöttereien vieler Bauern unerträglich waren, so wie der Undank für erwiesene Gefälligkeiten. Seit der Zeit sieht und hört man keine Zwerge mehr.

155.
Schmidt Riechert.

Otmar.

Den dardesheimer Zwergberg zieht auf der östlichen Seite ein Stück Acker hinan. Dieses Feld hatte einst ein Schmidt, Namens Riechert, mit Erbsen bestellt. Er bemerkte, als sie am wohlschmeckendsten waren, daß sie häufig ausgepflückt wurden. Um dem Erbsendieb aufzulauern, baute sich Riechert ein Hüttchen auf seinen Acker und wachte Tags und Nachts dabei; bei Tage entdeckte er keine Veränderung, aber alle Morgen sah er, daß seines Wachens unerachtet über Nacht das Feld bestohlen war. Voll Verdruß[S. 232] über seine mißlungene Mühe, beschloß er, die noch übrigen Erbsen auf dem Acker auszudreschen. Mit Tagesanbruch begann Schmidt Riechert seine Arbeit. Aber noch hatte er nicht die Hälfte der Erbsen ausgedroschen, so hörte er ein klägliches Schreien, und beim Nachsuchen fand er auf der Erde unter den Erbsen einen der Zwerge, dem er mit seinem Dreschflegel den Schädel eingeschlagen hatte, und der nun sichtbar wurde, weil ihm seine Nebelkappe verloren gegangen war. Der Zwerg floh eilends in den Berg zurück.

156.
Grinken-Schmidt.

Mündlich, im Münsterland.

In den Detterberge, drei Stunden von Mönster, do wuhrnde vor ollen Tieden en wilden Man, de hedde Grinken-Schmidt, un de lag in en deip Lok unner de Erde, dat is nu ganz met Greß un Strüker bewassen; men man kann doch noch seihn, wo et west is. In düt Lok hadde he sine Schmiede, un he mock so eislike-rohre Saken, de duerden ewig, un sine Schlörter konn kien Mensk orpen kriegen sonner Schlürtel. An de Kerkendöhr to Nienberge sall auk en Schlott von em sien, do sind de Deiwe all vör west, men se könnt et nich to Schande maken. Wenn der denn ne Hochtied was, queimen de Bueren un lenden von Grienken en Spitt, do mosten se em en Broden vör[S. 233] gierwen. Kam auk es en Buer vör dat Lok un sede: “Grinken-Schmidt, giff mi en Spitt” — “krigst kien Spitt, giff mi en Broden” — “krigst kinen Broden, holt dien Spitt.” Do word Grienken so hellig aße der to, un reep: “wahr du, dat ik kienen Broden nierme.” De Buer gonk den Berg enbilink no sin Hues, do lag sien beste Perd in en Stall un een Been was em utrierten, dat was Grinken-Schmidt sien Broden.


wuhrnde, nierme, utrierten: wohnte, nehme, ausgerissen. eislike-rohr: sehr rar. sunner: ohne. Spitt: Spieß. Broden: Braten. so hellig aße der to: so böse als möglich. enbilink: entlang.

157.
Die Hirtenjungen.

Spieß Vorrede zum Hans Heiling.

Am Johannistag kamen zwei Hirtenknaben, indem sie den jungen Vögeln nachstellten, in die Gegend des Heilingsfelsen und erblickten unten an demselben eine kleine Thüre offenstehen. Die Neugierde trieb sie hinein; in der Ecke standen zwei große Truhen, eine geöffnet, die andere verschlossen. In der offnen lag ein großer Haufen Geld, sie griffen hastig danach und füllten ihre Brotsäcklein voll. Drauf kams ihnen greulich; sie eilten nach der Thüre, glücklich trat der erste durch. Als aber der zweite folgte, knarrten die[S. 234] Angel fürchterlich, er machte einen jähen großen Sprung nach der Schwelle, die Thüre fuhr schnell zu und riß ihm noch den hölzernen Absatz seines linken Schuhes ab. So kam er noch heil davon und sie brachten das Geld ihren erfreuten Eltern heim.

158.
Die Nußkerne.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.

Zwei junge Bursche, der Peter und Knipping zu Wehren im Corvei’schen, wollten Vogelnester suchen, der Peter aber, weil er erstaunend faul war, nachdem er ein wenig umgeschaut, legte sich unter einen Baum und schlief ein. Auf einmal wars ihm, als packte ihn einer an den Ohren, so daß er aufwachte und herumsah, aber niemand erblickte. Also legte er den Kopf wieder und schlief aufs neue ein. Da kams zum zweitenmal und packte ihn an den Ohren, als er aber niemand gewahr werden konnte, schlief er zum drittenmal ein. Aber zum drittenmal ward er wieder gezupft, da war er das Ding müde, stand auf und wollte sich einen andern Ort suchen, wo er in Ruhe liegen könnte. Auf einmal aber sah er vor sich das Fräulein von Willberg gehen, das knackte Nüsse entzwei und steckte die Schalen in die Tasche und warf die Kerne auf die Erde. Als die Nüsse zu Ende gingen, war sie verschwunden. Der Peter aber war immer[S. 235] hinter ihr hergegangen, hatte die Nüsse aufgelesen und gegessen. Darauf kehrte er um, suchte den Knipping und erzählte ihm alles, was er gesehen hatte. Da gingen sie nach Haus, holten noch andere zur Hilfe und fingen an, da, wo das Fräulein verschwunden war, zu graben und kamen auf eine alte Küche, darin noch altes Kochgeräth stand, endlich in einen Keller mit Tonnen voll Geld. Sie nahmen so viel, als sie tragen konnten und wollten den andern Tag wieder kommen, aber alles war fort und sie konnten die Stätte gar nicht wieder finden, sie mochten suchen, wie sie wollten. Der Peter baute sich von seinem Geld ein Haus, darin er noch lebt.

159.
Der soester Schatz.

Simplicissimus Buch III. cap. 13.

Im dreißigjährigen Krieg befand sich unweit der Stadt Soest in Westphalen ein altes Gemäuer, von dem die Sage ging, daß darin eine eiserne Truhe voll Geldes wäre, welche ein schwarzer Hund hütete, sammt einer verfluchten Jungfrau. Nach der Erzählung der Großeltern werde einstens ein fremder Edelmann ins Land kommen, die Jungfrau erlösen und mit einem feurigen Schlüssel den Kasten eröffnen. Mehrere fahrende Schüler und Teufelsbanner hätten sich bei Mannsgedenken dahin begeben, um zu graben, wären aber[S. 236] so seltsam empfangen und abgewiesen worden, daß es seithero niemand weiter gelüstet; besonders nach ihrer Eröffnung, daß der Schatz keinem zu Theil werden könne, der nur ein einziges mal Weibermilch getrunken. Vor kurzer Zeit noch wäre ein Mägdlein aus ihrem Dorf nebst etlichen Geisen an den Ort zu weiden gewesen, und, als deren eine sich in das Gemäuer verlaufen, nachgefolgt. Da sey eine Jungfrau inwendig im Hof gewesen und habe es angeredet: was es da zu schaffen? auch nach erhaltenem Bescheid, auf ein Körblein Kirschen weisend, weiter gesagt: “so gehe und nimm dort von dem, was du vor dir siehest, mit sammt deiner Gais, komm aber nicht wieder, noch sieh dich um, damit dir nichts Arges beschehe!” Darauf habe das erschrockene Kind sieben Kirschen ertappet und sey in Angst aus der Mauer gekommen; die Kirschen seyen aber sogleich zu Geld geworden.

160.
Das quellende Silber.

Happel relat. curios. III. 529.

Im Februar des Jahrs 1605. unter dem Herzog Heinrich Julius von Braunschweig trug sich zu, daß eine Meile Wegs von Quedlinburg, zum Thal genannt, ein armer Bauer seine Tochter in den nächsten Busch schickte, Brenn-Holz aufzulesen Das Mädchen nahm dazu einen Trag-Korb und einen Hand-Korb[S. 237] mit und als es beide angefüllt hatte und nach Haus gehen wollte, trat ein weißgekleidetes Männlein zu ihm hin und fragte: “was trägst du da?” “Aufgelesenes Holz, antwortete das Mädchen, zum Heizen und Kochen.” “Schütte das Holz aus, sprach weiter das Männlein, nimm deine Körbe und folge mir; ich will dir etwas zeigen, das besser und nützlicher ist, als das Holz.” Nahm es dabei an der Hand, führte es zurück an einen Hügel und zeigte ihm einen Platz, etwa zweier gewöhnlichen Tische breit, ein schön lauter Silber von kleiner und großer Münze von mäßiger Dicke, darauf ein Bild, wie eine Maria gestaltet und rings herum ein Gepräge von uralter Schrift. Als dieses Silber in großer Menge gleichsam aus der Erde hervorquoll, entsetzte sich das Mägdlein davor und wich zurück; wollte auch nicht seinen Hand-Korb von Holz ausschütten. Hierauf thats das weiße Männlein selbst, füllte ihn mit dem Geld und gab ihn dem Mägdlein und sprach: “das wird dir besser seyn, als Holz.” Es nahm ihn voll Bestürzung und als das Männlein begehrte, es sollte auch seinen Trag-Korb ausschütten und Silber hinein fassen, wehrte es ab und sprach: “es müsse auch Holz mit heim bringen, denn es wären kleine Kinder daheim, die müßten eine warme Stube haben und dann müßte auch Holz zum Kochen da seyn.” Damit war das Männlein zufrieden und sprach: “nun so ziehe damit hin” und verschwand darauf.

Das Mädchen brachte den Korb voll Silber nach Haus und erzählte, was ihm begegnet war. Nun[S. 238] liefen die Bauern haufenweis mit Hacken und anderm Geräth in das Wäldchen und wollten sich ihren Theil vom Schatz auch holen, aber niemand konnte den Ort finden, wo das Silber hervorgequollen war.

Der Fürst von Braunschweig hat sich von dem geprägten Silber ein Pfund holen lassen, so wie sich auch ein Bürger aus Halberstadt, N. Everkan, eins gelöst.

161.
Goldsand auf dem Unterberg.

Brixener Volksbuch.

Im Jahr 1753. ging ein ganz mittelloser, beim Hofwirth zu St. Zeno stehender Dienstknecht, Namens Paul Mayr, auf den Berg. Als er unweit dem Brunnenthal fast die halbe Höhe erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Sand lag. Weil er schon so manches gehört hatte und nicht zweifelte, daß es Goldsand wäre, füllte er sich alle Taschen damit und wollte voll Freude nach Haus gehen; aber in dem Augenblick stand ein fremder Mann vor seinem Angesicht und sprach: “was tragst du da?” Der Knecht wußte vor Schrecken und Furcht nichts zu antworten, aber der fremde Mann ergriff ihn, leerte ihm die Taschen aus und sprach: “jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, sondern einen andern und sofern du dich hier wieder sehen läßt, wirst du nicht mehr lebend davon kommen.” Der gute Knecht ging[S. 239] heim, aber das Gold reizte ihn also, daß er beschloß, den Sand noch einmal zu suchen, und einen guten Gesellen mitnahm. Es war aber alles umsonst und dieser Ort ließ sich nimmermehr finden.

Ein andermal verspätete sich ein Holzmeister auf dem Berge und mußte in einer Höhle die Nacht zubringen. Anderen Tages kam er zu einer Steinklippe, aus welcher ein glänzend schwerer Goldsand herabrieselte. Weil er aber kein Geschirr bei sich hatte, ging er ein ander Mal hinauf und setzte das Krüglein unter. Und als er mit dem angefüllten Krüglein hinweg ging, sah er unweit dieses Orts eine Thüre sich öffnen, durch die er schaute, und da kam es ihm natürlich vor, als sehe er in den Berg hinein und darin eine besondere Welt mit einem Tageslicht, wie wir es haben. Die Thüre blieb aber kaum eine Minute lang offen; wie sie zuschlug, hallte es in den Berg hinein, wie in ein großes Weinfaß. Dieses Krüglein hat er sich allzeit angefüllt nach Haus tragen können, nach seinem Tode aber ist an dem Gold kein Seegen gewesen. Jene Thüre hat in folgender Zeit niemand wieder gesehen.

162.
Gold-Kohlen.

Brixener Volksbuch.

Im Jahr 1753 ging von Salzburg eine Kräutel-Brockerin auf den Wunderberg; als sie eine Zeit lang[S. 240] auf demselben herumgegangen war, kam sie zu einer Steinwand, da lagen Brocken, grau und schwarz, als wie Kohlen. Sie nahm davon etliche zu sich und als sie nach Haus gekommen, merkte sie, daß in solchen klares Gold vermischt war. Sie kehrte alsbald wieder zurück auf den Berg, mehr davon zu holen, konnte aber alles Suchens ungeachtet den Ort nicht mehr finden.

163.
Der Brunnen zu Steinau.

Bange thüring. Chronik. Bl. 105.

Im Jahr 1271. waren dem Abt Berold zu Fulda seine eignen Unterthanen feind und verschworen sich wider sein Leben. Als er einmal in der St. Jacobs Capelle Messe las, überfielen ihn die Herrn von Steinau, von Eberstein, Albrecht von Brandau, Ebert von Spala, und Ritter Conrad und erschlugen ihn. Bald hernach wurden diese Räuber selbdreißig, mit zwanzig Pferden, zu Hasselstein auf dem Kirchenraub betrappt, mit dem Schwert hingerichtet und ihre Wohnungen zerbrochen. Dieser That halben haben die Herrn von Steinau in ihrem Wappen hernachmals drei Räder mit drei Scheermessern führen müssen und an der Stätte, da sie das Verbündniß über den Abt gemacht, nämlich bei Steinau (an der Straße im Hanauischen) an einem Brunnen auf einem Rasen wächst noch zur Zeit kein Gras.

[S. 241]

164.
Die fünf Kreuze.

Mündlich, aus Höxter.

Vor dem Klausthor in Höxter, welches nach Pyrmont führt, gleich linker Hand stehen an dem Wege fünf alte Steine, welche die fünf Kreuze heißen, vermuthlich weil es versunkene Kreuze sind. Nun geht die Sage, es seyen fünf Hühnen dabei erschlagen worden; nach andern fünf Grafen von Reischach; wieder nach andern sind fünf Bürger von Tilly im dreißigjährigen Krieg aufgehängt worden.

165.
Der Schwerttanz zu Weißenstein.

Winkelmann hess. Chronik S. 375. aus dem Mund alter Leute.

Unfern Marburg liegt ein Dorf Wehre und dabei ein spitzer Berg, auf dem vor alten Zeiten eine Raubburg gestanden haben soll, genannt der Weißenstein, und Trümmer davon sind noch übrig. Aus diesem Schloß wurde den Umliegenden großer Schaden zugefügt, allein man konnte den Räubern nicht beikommen, wegen der Feste der Mauer und Höhe des Bergs. Endlich verfielen die Bauern aus Wehre auf eine List. Sie versahen sich heimlich mit allerhand Wehr und Waffen, gingen zum Schloß hinauf und gaben den[S. 242] Edelleuten vor, daß sie ihnen einen Schwerttanz[6] bringen wollten. Unter diesem Schein wurden sie eingelassen; da entblößten sie ihre Waffen und hieben das Raubvolk tapfer nieder, bis sich die Edelleute auf Gnaden ergaben und von den Bauern sammt der Burg ihrem Landesfürsten überliefert wurden.

[6] Die Sitte des hessischen Schwerttanzes, sammt dem Lied der Schwerttänzer wird anderswo mitgetheilt werden.

166.
Der Steintisch zu Bingenheim.

Winkelmann Beschr. von Hessen S. 184. aus dem Mund des dauernheimer Pastors Draud.

In dem hessischen Ort Bingenheim in der Wetterau wurden ehmals vor dem Rathhaus unter der Linde jährlich drei Zentgerichte gehalten, wozu sich viel vornehmer Adel, der in der fuldischen Mark angesessen war, leiblich einfand. Unter der Linde stand ein steinerner Tisch, von dem erzählt wurde: er sey aus dem hohen Berg, einem gegen Staden hin gelegenen Walde, dahin gebracht worden. In diesem Walde hätten früherhin wilde Leute gehaust, deren Handgriffe man noch in den Steinen sähe und von denen sich noch drei ausgehöhlte Steinsitze vorfänden. Im Jahr 1604. bei Sommerszeit habe man in gedachtem Wald an hellem Tag drei Leute in weißer Gestalt umwandern sehen.

[S. 243]

167.
Der lange Mann in der Mordgasse zu Hof.

Widmann in der Höfer Chronik.

Vor diesem Sterben (der Pest zu Hof im Jahr 1519.) hat sich bei Nacht ein großer, schwarzer, langer Mann in der Mordgasse sehen lassen, welcher mit seinen ausgebreiteten Schenkeln die zwei Seiten der Gassen betreten und mit dem Kopf hoch über die Häuser gereicht hat; welchen meine Ahnfrau Walburg Widmännin, da sie einen Abend durch gedachte Gasse gehen müssen, selbst gesehen, daß er den einen Fuß bei der Einfurt des Wirthshauses, den andern gegenüber auf der andern Seite bei dem großen Haus gehabt. Als sie aber vor Schrecken nicht gewußt, ob sie zurück oder fortgehen sollen, hat sie es in Gottes Namen gewagt, ein Kreuz vor sich gemacht, und ist mitten durch die Gasse und also zwischen seinen Beinen hindurch gegangen, weil sie ohne das besorgen müssen, solch Gespenst mögte ihr nacheilen. Da sie kaum hindurch gekommen, schlägt das Gespenst seine beiden Beine hinter ihr so hart zusammen, daß sich ein solch groß Geprassel erhebet, als wann die Häuser der ganzen Mordgasse einfielen. Es folgte darauf die große Pest und fing das Sterben in der Mordgasse am ersten an.

[S. 244]

168.
Krieg und Frieden.

Gottfr. Schulz Chronik. S. 542.
Bräuner’s Curiositäten S. 279.
Prätorius Weltbeschr. I. 665.

Im Jahr 1644. am achtzehnten August zog Kurfürst Johann Georg der Erste an der Stadt Chemnitz vorbei. Da fingen seine Leute in dem Gehölz der Gegend ein wildes Weiblein, das nur eine Elle groß, sonst aber recht menschlich gestaltet war. Angesicht, Hände und Füße waren glatt, aber der übrige Leib rauch. Es fing an zu reden und sagte: “ich verkündige und bringe den Frieden im Lande.” Der Kurfürst befahl, man sollte es wieder frei gehen lassen, weil vor etwa fünf und zwanzig Jahren auch ein Männlein von gleicher Gestalt gefangen worden, welches den Unfrieden und Krieg verkündiget.

169.
Rodensteins Auszug.

Mündlich.
vgl. Zeitung f. die eleg. Welt. 1811. Nr. 126.
und Reichsanzeiger 1806. Nr. 129. 160. 198. 206.

Nah an dem zum gräflich erbachischen Amt Reichenberg gehörigen Dorf Oberkainsbach, umweit dem Odenwald, liegen auf einem Berge die Trümmer des alten Schlosses Schnellerts; gegenüber eine Stunde davon,[S. 245] in der rodsteiner Mark, lebten ehemals die Herrn von Rodenstein, deren männlicher Stamm erloschen ist. Noch sind die Ruinen ihres alten Raubschlosses zu sehen.

Der letzte Besitzer desselben hat sich besonders durch seine Macht, durch die Menge seiner Knechte und des erlangten Reichthums berühmt gemacht; von ihm geht folgende Sage. Wenn ein Krieg bevorsteht, so zieht er von seinem gewöhnlichen Aufenthalts-Ort Schnellerts bei grauender Nacht aus, begleitet von seinem Hausgesind und schmetternden Trompeten. Er zieht durch Hecken und Gesträuche, durch die Hofraithe und Scheune Simon Daum’s zu Oberkainsbach bis nach dem Rodenstein, flüchtet gleichsam als wolle er das seinige in Sicherheit bringen. Man hat das Knarren der Wagen und ein ho! ho! Schreien, die Pferde anzutreiben, ja selbst die einzelnen Worte gehört, die einherziehendem Kriegsvolk vom Anführer zugerufen werden und womit ihm befohlen wird. Zeigen sich Hoffnungen zum Frieden, dann kehrt er in gleichem Zuge vom Rodenstein nach dem Schnellerts zurück, doch in ruhiger Stille und man kann dann gewiß seyn, daß der Frieden wirklich abgeschlossen wird[7]. Ehe Napoleon[S. 246] im Frühjahr 1815. landete, war bestimmt die Sage, der Rodensteiner sey wieder in die Kriegburg ausgezogen.

[7] Bei dem erbachischen Amt Reichenberg zu Reichelsheim hat man viele Personen deshalb abgehört; die Protokolle fangen mit dem Jahr 1742 an und endigen mit 1764. Im Juli 1792 war ein Auszug. Im Jahr 1816 erneuern sich in der Rheingegend ähnliche Gerüchte und Aussagen. Einige nennen statt des Rodensteiners den Lindenschmied, von dem das bekannte Volkslied anhebt: “es ist noch nicht lang, daß es geschah, daß man den Lindenschmied reiten sah auf seinem hohen Rosse, er ritt den Rheinstrom auf und ab, er hats gar wohl genossen.” Andere sagen, daß Schnellert aus seiner Burg nach dem Rodenstein auszöge, um seinen geschwornen Todfeind, den Rodensteiner, auch noch als Geist zu befehden.

170.
Der Tannhäuser.

Nach dem alten Volkslied in Prätorius Blocksberg. Lpzg. 1668. S. 19-25.
Agricola Sprichwort 667. p. m. 322 b.

Der edle Tannhäuser, ein deutscher Ritter, hatte viele Länder durchfahren und war auch in Frau Venus Berg zu den schönen Frauen gerathen, das große Wunder zu schauen. Und als er eine Weile darin gehaust hatte, fröhlich und guter Dinge, trieb ihn endlich sein Gewissen, wieder herauszugehen in die Welt und begehrte Urlaub. Frau Venus aber bot alles auf, um ihn wanken zu machen: sie wolle ihm eine ihrer Gespielen geben zum ehlichen Weibe und er möge gedenken an ihren rothen Mund, der lache zu allen Stunden. Tannhäuser antwortete: kein ander Weib gehre er, als die er sich in den Sinn genommen, wolle nicht ewig in der Hölle brennen und gleichgültig sey ihm ihr rother Mund, könne nicht länger bleiben,[S. 247] denn sein Leben wäre krank geworden. Und da wollte ihn die Teufelin in ihr Kämmerlein locken, der Minne zu pflegen, allein der edle Ritter schalt sie laut und rief die himmlische Jungfrau an, daß sie ihn scheiden lassen mußte. Reuevoll zog er die Straße nach Rom zu Papst Urban, dem wollte er alle seine Sünde beichten, damit ihm Buße aufgelegt würde und seine Seele gerettet wäre. Wie er aber beichtete, daß er auch ein ganzes Jahr bei Frauen Venus im Berg gewesen, da sprach der Papst: “wann dieser dürre Stecken grünen wird, den ich in der Hand halte, sollen dir deine Sünden verziehen seyn, und nicht anders.” Der Tannhäuser sagte: “und hätte ich nur noch ein Jahr leben sollen auf Erden, so wollte ich solche Reu und Buße gethan haben, daß sich Gott erbarmt hätte;” und vor Jammer und Leid, daß ihn der Papst verdammte, zog er wieder fort aus der Stadt und von neuem in den teuflischen Berg, ewig und immerdar drinnen zu wohnen. Frau Venus aber hieß ihn willkommen, wie man einen langabwesenden Buhlen empfängt; danach wohl auf den dritten Tag hub der Stecken an zu grünen und der Papst sandte Botschaft in alle Land, sich zu erkundigen, wohin der edle Tannhäuser gekommen wäre. Es war aber nun zu spät, er saß im Berg und hatte sich sein Lieb erkoren, daselbst muß er nun sitzen, bis zum jüngsten Tag, wo ihn Gott vielleicht anderswohin weisen wird. Und kein Priester soll einem sündigen Menschen Mißtrost geben, sondern verzeihen, wenn er sich anbietet zu Buß und Reue.

[S. 248]

171.
Der wilde Jäger Hackelberg.

Hans Kirchhof im Wendunmuth. IV. Nr. 283. S. 342. 343.

Vorzeiten soll im Braunschweiger Land ein Jägermeister gewesen seyn, Hackelberg genannt, welcher zum Waidwerk und Jagen solch große Lust getragen, daß, da er jetzt an seinem Todbett lag, und vom Jagen so ungern abgeschieden, er von Gott soll begehrt und gebeten haben (ohnzweifellich aus Ursach seines christlichen und gottseeligen Lebens halber, so er bisher geführt), daß er für sein Theil Himmelreich bis zum jüngsten Tag am Sölling mögt jagen. Auch deßwegen in ermeldte Wildniß und Wald sich zu begraben befohlen, wie geschehen. Und wird ihm sein gottloser, ja teuflischer Wunsch verhängt, denn vielmal wird ein gräulich und erschrecklich Hornblasen und Hundsgebell die Nacht gehört: jetzt hie, ein andermal anderswo in dieser Wildniß, wie mich diejenigen, die solch Gefährd auch selbst angehört, berichtet. Zudem soll es gewiß seyn, daß, wenn man Nachts ein solch Jagen vermerkt und am folgenden Tag gejagd wird, einer ein Arm, Bein, wo nicht den Hals gar bricht, oder sonst ein Unglück sich zuträgt.

Ich bin selbst (ist mir recht im Jahr 1558), als ich von Einbeck übern Sölling nach Ußlar geritten und mich verirrte, auf des Hackelbergers Grab ungefähr gestoßen. War ein Platz, wie eine Wiese, doch von unartigem Gewächs und Schilf in der Wildniß, etwas[S. 249] länger denn breit, mehr denn ein Acker zu achten; darauf kein Baum sonst stund wie um die Ende. Der Platz kehrte sich mit der Länge nach Aufgang der Sonne, unten am Ende lag die Zwerch, ein erhabener rother (ich halt Wacken-) Stein, bei acht oder neun Schuhen lang und fünfe, wie mich däuchte, breit. Er war aber nicht, wie ein anderer Stein, gegen Osten, sondern mit dem einen Vorhaupt gegen Süden, mit dem andern gegen Norden gekehret.

Man sagte mir, es vermögte niemand dieses Grab aus Vorwitz oder mit Fleiß, wie hoch er sich deß unterstünde, zu finden, käme aber jemand ungefähr, lägen etliche gräuliche schwarze Hunde daneben. Solches Gespensts und Wusts ward ich aber im geringsten nicht gewahr, sonst hatte ich wenig Haare meines Haupts, die nicht empor stiegen.

172.
Der wilde Jäger und der Schneider.

Mündlich, aus Münster.

Ein Schneider saß einmal auf seinem Tische am Fenster und arbeitete, da fuhr der wilde Jäger mit seinen Hunden über das Haus her und das war ein Lärmen und Bellen, als wenn die Welt verginge. Man sagt sonst den Schneidern nach, sie seyen furchtsam, aber dieser war es nicht, denn er spottete des wilden Jägers und schrie: “huhu, huhu, kliffklaff, kliffklaff!”[S. 250] und hetzte die Hunde noch mehr an; da kam aber ein Pferdefuß ins Fenster hereingefahren und schlug den Schneider vom Tische herab, daß er wie todt niederfiel. Als er wieder zur Besinnung kam, hörte er eine fürchterliche Stimme:

wust du met mi jagen,
dan sost du auk met mi knagen!

ich weiß gewiß, er wird nie wieder den wilden Jäger geneckt haben.

173.
Der Hoselberg[8].

Bange thüring. Chronik fol. 57.
Kornmann mons Veneris Cap. 74. p. 374.
Seyfried medulla p. 482.
vgl. Agricola Sprüchwort 301.

Im Lande zu Thüringen nicht fern von Eisenach liegt ein Berg, genannt der Höselberg, worin der Teufel haust und zu dem die Hexen wallfahrten. Zuweilen erschallt jämmerliches Heulen und Schreien her daraus, das die Teufel und armen Seelen ausstoßen; im Jahr 1398. am hellen Tage erhoben sich bei Eisenach drei große Feuer, brannten eine Zeitlang in der Luft, thaten sich zusammen und wieder von einander und fuhren endlich alle drei in diesen Berg. Fuhrleute,[S. 251] die ein andermal mit Wein vorbeigefahren kamen, lockte der böse Feind mit einem Gesicht hinein und wies ihnen etliche bekannte Leute, die bereits in der höllischen Flamme saßen.

Die Sage erzählt: einmal habe ein König von Engelland mit seiner Gemahlin, Namens Reinschweig, gelebt, die er aus einem geringen Stand, blos ihrer Tugend willen, zur Königin erhoben. Als nun der König gestorben war, den sie aus der Maßen lieb hatte, wollte sie ihrer Treu an ihm nicht vergessen, sondern gab Almosen und betete für die Erlösung seiner Seele. Da war gesagt, daß ihr Herr sein Fegfeuer zu Thüringen im Höselberg hätte, also zog die fromme Königin nach Deutschland und baute sich unten am Berg eine Capelle, um zu beten, und rings umher entstand ein Dorf. Da erschienen ihr die bösen Geister, und sie nannte den Ort Satansstedt, woraus man nach und nach Sattelstedt gemacht hat.

[8] Man findet gleichbedeutig: Horsel- Hursel- Hosel- Oselberg. Die eigentliche Ableitung von Ursel, Usel (favilla) liegt nahe.

174.
Des Rechenbergers Knecht.

Agricola im Sprüchw. 301. Bl. 172.
Kirchhof’s Wendunmuth V. Nr. 247-249. S. 304. 305.
Luther’s Tisch-Reden. 106.

Es sagte im Jahr 1520. Herr Hans von Rechenberg in Beiseyn Sebastians Schlick und anderer viel ehrlicher und rechtlicher Leute, wie seinem Vater und ihm ein Knecht zur Zeit, da König Matthias in Ungarn[S. 252] gegen den Türken gestritten, treulich und wohl gedienet hätte viel Jahr, also daß sie nie einen bessern Knecht gehabt. Auf eine Zeit aber ward ihm Botschaft an einen großen Herrn auszurichten vertrauet und da Herr Hans meinte, der Knecht wäre längst hinweg, ging er von ohngefähr in den Stall, da fand er den Knecht auf der Streu bei den Pferden liegen und schlafen, ward zornig und sprach, wie das käme? Der Knecht stand auf und zog einen Brief aus dem Busen, sagte: “da ist die Antwort.” Nun war der Weg ferne und unmöglich einem Menschen, daß er da sollte gewesen seyn. Dabei ward der Knecht erkannt, daß es ein Geist gewesen wäre. Bald nach diesem wurde er auf eine Zeit bedrängt von den Feinden, da hob der Knecht an: “Herr, erschrecket nicht, gebt eilends die Flucht, ich aber will zurückreiten und Kundschaft von den Feinden nehmen.” Der Knecht kam wieder, klingelte und klapperte feindlich in seinen vollgepfropften Taschen. “Was hast du da?” sprach der Herr. “Ich hab allen ihren Pferden die Eisen abgebrochen und weggenommen, die bring ich hier.” Damit schüttete er die Hufeisen aus und die Feinde konnten Herrn Hansen nicht verfolgen.

Herr Hans von Rechenberg sagte auch: der Knecht wäre zuletzt wegkommen, niemand wüßte wohin, nachdem man ihn erkannt hätte.

Kirchhof, welcher von einem andern Edelmann, der sich aus dem Stegreif ernährt, die Sage erzählt, hat noch folgende Züge. Einmal ritt sein Herr fort[S. 253] und befahl ihm ein Pferd, das ihm sehr lieb war: er sollt dessen fleißig warten. Als der Junker weg war, führte der Knecht das Pferd auf einen hohen Thurm, höher denn zehn Stufen; wie aber der Herr wieder kam, vernahm und kannte es ihn im Hineinreiten, steckte den Kopf oben im Thurm zum Fenster hinaus und fing an zu schreien, daß er sich gar sehr verwunderte und es mit Stricken und Seilen mußte vom Thurm herablassen.

Auf eine andere Zeit lag der Edelmann um eines Todschlags willen gefangen und rief den Knecht an, daß er ihm hülfe. Sprach der Knecht: “obschon es schwer ist, will ichs doch thun, doch müßt ihr nicht viel mit den Händen vor mir flattern und Schirmstreich brauchen.” Damit meinte er ein Kreuz vor sich machen und sich segnen. Der Edelmann sprach, er sollte nur fortfahren, er wollte sich damit recht halten. Was geschah? Er nahm ihn mit Ketten und Fesseln, führte ihn in der Luft daher; wie sich aber der Edelmann in der Höhe fürchtet und schwindelt und rief: “hilf Gott! hilf! wo bin ich!” ließ er ihn herunter in einen Pfuhl fallen, kam heim und zeigte es der Frau an, daß sie ihn holen und heilen ließ, wie sie that.

[S. 254]

175.
Geister-Kirche.

Widmann’s Höfer Chronik.
Mündliche Erzählungen aus dem Paderbörnischen.

Um das Jahr 1516 hat sich eine wunderbare, doch wahrhaftige Geschichte in St. Lorenz Kirche und auf desselben Kirchhof zugetragen. Als eine andächtige, alte, fromme Frau, ihrer Gewohnheit nach, einsmals früh Morgens vor Tag hinaus gen St. Lorenz in die Engelmesse gehen wollen, in der Meinung, es sey die rechte Zeit, kommt sie um Mitternacht vor das obere Thor, findet es offen und geht also hinaus in die Kirche, wo sie dann einen alten, unbekannten Pfaffen die Messe vor dem Altar verrichten sieht. Viele Leut, mehrers Theils unbekannte, sitzen hin und wieder in den Stühlen zu beiden Seiten, eines Theils ohne Köpf, auch unter denselben etliche, die unlängst verstorben waren und die sie in ihrem Leben wohl gekannt hatte.

Das Weib setzt sich mit großer Furcht und Schrecken in der Stühle einen und, weil sie nichts denn verstorbene Leute, bekannte und unbekannte, siehet, vermeint, es wären der Verstorbenen Seelen; weiß auch nicht, ob sie wieder aus der Kirche gehen oder drinnen bleiben soll, weil sie viel zu früh kommen wär, und Haut und Haar ihr zu Berge steigen. Da geht eine aus dem Haufen, welche bei Leben, wie sie meinte, ihre Gevatterin gewesen und vor dreien Wochen gestorben[S. 255] war, ohne Zweifel ein guter Engel Gottes, hin zu ihr, zupfet sie bei der Kursen (Mantel), beutet ihr einen guten Morgen und spricht: “ei! liebe Gevatterin, behüt uns der allmächtige Gott, wie kommt ihr daher? Ich bitte euch um Gottes und seiner lieben Mutter willen, habt eben acht auf, wann der Priester wandelt oder segnet, so laufet, wie ihr laufen könnt und sehet euch nur nicht um, es kostet euch sonst euer Leben.” Darauf sie, als der Priester wandeln will, aus der Kirche geeilet, so sehr sie gekonnt, und hat hinter ihr ein gewaltig Prasseln, als wann die ganze Kirche einfiele, gehöret, ist ihr auch alles Gespenst aus der Kirche nachgelaufen und hat sie noch auf dem Kirchhof erwischt, ihr auch die Kursen (wie die Weiber damals trugen) vom Hals gerissen, welche sie dann hinter sich gelassen und ist sie also unversehret davon kommen und entronnen. Da sie nun wiederum zum obern Thor kommt und herein in die Stadt gehen will, findet sie es noch verschlossen, dann es etwa um ein Uhr nach Mitternacht gewesen: mußt derowegen wohl bei dreien Stunden in einem Haus verharren bis das Thor geöffnet wird und kann hieraus vermerken, daß kein guter Geist ihr zuvor durch das Thor geholfen habe und daß die Schweine, die sie anfangs vor dem Thor gesehen und gehört, gleich als wenn es Zeit wäre, das Vieh auszutreiben, nichts anders, dann der leidige Teufel gewesen. Doch, weil es ein beherztes Weib ohne das gewesen und sie dem Unglück entgangen, hat sie sich des Dings nicht mehr[S. 256] angenommen, sondern ist zu Haus gegangen und am Leben unbeschädigt blieben, obwohl sie wegen des eingenommenen Schreckens zwei Tag zu Bett hat liegen müssen. Denselben Morgen aber, da ihr solches zu Handen gestoßen, hat sie, als es nun Tag worden, auf den Kirchhof hinausgeschicket und nach ihrer Kursen, ob dieselbe noch vorhanden, umsehen und suchen lassen; da ist dieselbe zu kleinen Stücklein zerrissen gefunden worden, also daß auf jedem Grabe ein kleines Flecklein gelegen, darob sich die Leut, die haufenweis derohalben hinaus auf den Kirchhof liefen, nicht wenig wunderten.

Diese Geschichte ist unsern Eltern sehr wohl bekannt gewesen, da man nicht allein hie in der Stadt, sondern auch auf dem Land in den benachbarten Orten und Flecken davon zu sagen gewußt, wie dann noch heutiges Tags Leute gefunden werden, die es vor der Zeit von ihren Eltern gehört und vernommen haben. —

Nach mündlichen Erzählungen hat es sich in der Nacht vor dem Aller-Seelen-Tag zugetragen, an welchem die Kirche feierlich das Gedächtniß der abgeschiedenen Seelen begeht. Als die Messe zu Ende ist, verschwindet plötzlich alles Volk aus der Kirche, so voll sie vorher war, und sie wird ganz leer und finster. Sie sucht ängstlich den Weg zur Kirchthüre und wie sie heraustritt, schlägt die Glocke im Thurm ein Uhr und die Thüre fährt mit solcher Gewalt gleich hinter ihr zu, daß ihr schwarzer Regenmantel eingeklemmt wird. Sie läßt ihn, eilt fort und als sie am Morgen[S. 257] kommt, ihn zu holen, ist er zerrissen und auf jedem Grabhügel liegt ein Stücklein davon.

176.
Geister-Mahl.

Bräuner’s Curiositäten S. 336-340.
Erasm. Francisci höll. Proteus. S. 426.

Als König Friedrich der Dritte von Dänemark eine öffentliche Zusammenkunft nach Flensburg ausgeschrieben, trug sich zu, daß ein dazu herbeigereister Edelmann, weil er spät am Abend anlangte, in dem Gasthaus keinen Platz finden konnte. Der Wirth sagte ihm, alle Zimmer wären besetzt, bis auf ein einziges großes, darin aber die Nacht zuzubringen wolle er ihm selbst nicht anrathen, weil es nicht geheuer und Geister darin ihr Wesen trieben. Der Edelmann gab seinen unerschrockenen Muth lächelnd zu erkennen und sagte, er fürchte keine Gespenster und begehre nur ein Licht, damit er, was sich etwa zeige, besser sehen könne. Der Wirth brachte ihm das Licht, welches der Edelmann auf den Tisch setzte und sich mit wachenden Augen versichern wollte, daß Geister nicht zu sehen wären. Die Nacht war noch nicht halb herum, als es anfing, im Zimmer hier und dort sich zu regen und rühren und bald ein Rascheln über das andere sich hören ließ. Er hatte anfangs Muth, sich wider den anschauernden Schrecken fest zu halten, bald aber,[S. 258] als das Geräusch immer wuchs, ward die Furcht Meister, so daß er zu zittern anfing, er mogte widerstreben, wie er wollte. Nach diesem Vorspiel von Getöse und Getümmel kam durch ein Kamin, welches im Zimmer war, das Bein eines Menschen herabgefallen, bald auch ein Arm, dann Leib, Brust und alle Glieder, zuletzt, wie nichts mehr fehlte, der Kopf. Alsbald setzten sich die Theile nach ihrer Ordnung zusammen und ein ganz menschlicher Leib, einem Hof-Diener ähnlich, hob sich auf. Jetzt fielen immer mehr und mehr Glieder herab, die sich schnell zu menschlicher Gestalt vereinigten, bis endlich die Thüre des Zimmers aufging und der helle Haufen eines völligen königlichen Hofstaats eintrat.

Der Edelmann, der bisher wie erstarrt am Tisch gestanden, als er sah, daß der Zug sich näherte, eilte zitternd in einen Winkel des Zimmers; zur Thür hinaus konnte er vor dem Zuge nicht.

Er sah nun, wie mit ganz unglaublicher Behendigkeit die Geister eine Tafel deckten; alsbald köstliche Gerichte herbeitrugen und silberne und goldene Becher aufsetzten. Wie das geschehen war, kam einer zu ihm gegangen und begehrte, er solle sich als ein Gast und Fremdling zu ihnen mit an die Tafel setzen und mit ihrer Bewirthung vorlieb nehmen. Als er sich weigerte, ward ihm ein großer silberner Becher dargereicht, daraus Bescheid zu thun. Der Edelmann, der vor Bestürzung sich nicht zu fassen wußte, nahm den Becher und es schien auch, als würde man ihn sonst dazu[S. 259] nöthigen, aber als er ihn ansetzte, kam ihn ein so innerliches, Mark und Bein durchdringendes Grausen an, daß er Gott um Schutz und Schirm laut anrief. Kaum hatte er das Gebät gesprochen, so war in einem Augenblick alle Pracht, Lärm und das ganze glänzende Mahl mit den herrlich scheinenden stolzen Geistern verschwunden.

Indessen blieb der silberne Becher in seiner Hand, und wenn auch alle Speisen verschwunden waren, blieb doch das silberne Geschirr auf der Tafel stehen, auch das eine Licht, das der Wirth ihm gebracht. Der Edelmann freute sich und glaubte, das alles sey ihm gewonnenes Eigenthum, allein der Wirth that Einspruch, bis es dem König zu Ohren kam, welcher erklärte, daß das Silber ihm heimgefallen wäre und es zu seinen Handen nehmen ließ. Woher es gekommen, hat man nicht erfahren können, indem auch nicht, wie gewöhnlich, Wappen und Namen eingegraben war.

177.
Der Dachdecker.

Mündlich.

Ein junger Dachdecker sollte sein Meisterstück machen und auf der Spitze eines glücklich fertigen Thurms die Rede halten. Mitten im Spruch aber fing er an zu stocken und rief plötzlich seinem unten unter vielem Volk stehenden Vater zu: “Vater, die Dörfer, Berge[S. 260] und Wälder dort, die kommen zu mir her!” Da fiel der Vater sogleich nieder auf die Knie und betete für die Seele seines Sohns und ermahnte die Leute, ein gleiches zu thun. Bald auch stürzte der Sohn todt herab. — Es soll auch nach ihren Rechten dem Vater zukommen, wenn der Sohn das erstemal vor ihm aufsteigt und anfängt irr zu reden, ihn gleich zu fassen und selbst herabzuwerfen, damit er im Sturz nicht selbst mit gerissen wird.

178.
Die Spinnerin am Creuz.

Mündlich, in Oestreich.

Dicht bei Wien, wenn man die Vorstadt Landstraße hinausgeht, stehet ein steinernes, gut gearbeitetes Heiligenbild, unbedenklich über zwei Jahrhunderte alt. Davon geht die Sage: eine arme Frau habe zu Gottes Ehren dieses Heilthum wollen aufrichten lassen, und also so lang gesponnen, bis sie für ihren Verdienst nach und nach das zum Bau nöthige Geld zusammengebracht.

179.
Buttermilchthurm.

Fricke’s Kupferwerk von Marienburg, nach mündl. Sagen.

Vom Buttermilchthurm zu Marienburg in Preußen wird erzählt, einstmal habe der Deutschmeister auf einem[S. 261] nahgelegenen Dorfe etwas Buttermilch für sich fordern lassen. Allein die Bauern spotteten seines Boten und sandten Tags drauf zwei Männer in die Burg, die brachten ein ganzes Faß voll Buttermilch getragen. Erzürnt sperrte der Deutschmeister die beiden Bauern in einen Thurm und zwang sie, so lang drin zu bleiben, bis sie die Milch sämmtlich aus dem Faß gegessen hätten. Seitdem hat der Burgthurm den Namen.

Andere aber berichten folgendes: Die Einwohner eines benachbarten Dorfs mußten bis zu dem Bauplatz einen Weg mit Mariengroschen legen und so viel Buttermilch herbeischaffen, als zur Bereitung des Kalks, statt Wassers, nöthig war und mit diesem Mörtel wurde hernach der Thurm aufgemauert.

180.
Der heilige Winfried.

Hess. Denkwürdigk. II. 3. 4.

Als der heil. Winfried, genannt Bonifacius, die Hessen bekehren wollte, kam er auf einen Berg, wo ein heidnisches Gotteshaus stand, das ließ er umreißen und die erste christliche Kirche bauen. Seitdem heißt der Berg Christenberg, (vier Stunden von Marburg) und zweihundert Schritte von der Kirche weisen die Leute noch heutigestags einen Fußtritt im Stein, der von Bonifacius herrührt, als er vor heiligem Eifer[S. 262] auf den Boden stampfte. Wie er nach Thüringen kam, ließ er zu Großvargula eine Kirche bauen, die er selbst einweihen sollte. Da steckte er seinen dürren Stab in die Erde, trat in die Kirche und las die Messe; nach vollbrachtem Gottesdienst hatte der Stab gegrünt und Sprossen getrieben.

181.
Der Hülfenberg.

Mündlich in Hessen, vergl. Sagittarius thür. Heidenthum S. 165. 166.

Eine Stunde von Wanfried liegt der Hülfenberg, auf diesen Berg befahl der heilige Bonifaz eine Capelle zu bauen. Unter dem Bauen kam nun oft ein Mann gegangen, der fragte: was es denn geben sollte? Die Zimmerleute antworteten immer: “ei, eine Scheuer solls geben.” Da ging er wieder seiner Wege. Zuletzt aber wurde die Kirche immer mehr fertig und der Altar aufgebaut und das Creuz glücklich gesteckt. Wie nun der böse Feind wiederkam und das alles sehen mußte, ergrimmte er und fuhr aus, oben durch den Giebel; und das Loch, das er da gemacht, ist noch bis den heutigen Tag zu sehen und kann nimmer zugebaut werden. Auch ist er inwendig in den Berg gefahren und suchte die Kirche zu zertrümmern, es war aber eitel und vergebens. Das Loch, worin er verschwand, nennt man das Stuffensloch, (wie den ganzen Berg auch Stuffensberg) und es soll zu[S. 263] Zeiten daraus dampfen und Nebel aufsteigen. Von dieser Capelle wird weiter erzählt: sie sey einer Heiligen geweiht, rühre ein Kranker deren Gewand an, so genese er zur Stunde. Diese Heilige aber wäre vordem eine wunderschöne Prinzessin gewesen, in die sich ihr eigener Vater verliebt. In der Noth hätte sie aber zu Gott im Himmel um Beistand gebätet, da wäre ihr plötzlich ein Bart gewachsen und ihre irdische Schönheit zu Ende gegangen.

182.
Das Teufelsloch zu Goslar.

Müchler Spiele müß. Stunden. 1810. Th. 4.

In der Kirchenmauer zu Goslar sieht man einen Spalt und erzählt davon so: Der Bischof von Hildesheim und der Abt von Fuld hatten einmal einen heftigen Rangstreit, jeder wollte in der Kirche neben dem Kaiser sitzen und der Bischof behauptete den ersten Weihnachtstag die Ehrenstelle. Da bestellte der Abt heimlich bewaffnete Männer in die Kirche, die sollten ihn den morgenden Tag mit Gewalt in Besitz seines Rechtes setzen. Dem Bischof wurde das aber verkundschaftet und ordnete sich auch gewappnete Männer hin. Tags drauf erneuerten sie den Rangstreit, erst mit Worten, dann mit der That, die gewaffneten Ritter traten hervor und fochten; die Kirche glich einer Wahlstätte, das Blut floß stromweise zur Kirche hinaus[S. 264] auf den Gottesacker. Drei Tage dauerte der Streit und während des Kampfes stieß der Teufel ein Loch in die Wand und stellte sich den Kämpfern dar. Er entflammte sie zum Zorn und von den gefallenen Helden hohlte er manche Seele ab. So lang der Kampf währte, blieb der Teufel auch da, hernach verschwand er wieder, als nichts mehr für ihn zu thun war. Man versuchte hernachmals, das Loch in der Kirche wieder zuzumauern und das gelang bis auf den letzten Stein; sobald man diesen einsetzte, fiel alles wieder ein und das Loch stand ganz offen da. Man besprach und besprengte es vergebens mit Weihwasser, endlich wandte man sich an den Herzog von Braunschweig und erbat sich dessen Baumeister. Diese Baumeister mauerten eine schwarze Katze mit ein und beim Einsetzen des letzten Steins bedienten sie sich der Worte: “willst du nicht sitzen in Gottes Namen, so sitz ins Teufels Namen!” Dieses wirkte und der Teufel verhielt sich ruhig, blos bekam in der folgenden Nacht die Mauer eine Ritze, die noch zu sehen ist bis auf den heutigen Tag.

Nach Aug. Lercheimer von der Zauberei, sollen der Bischof und Abt darüber gestritten haben, wer dem Erzbischof von Mainz zunächst sitzen dürfe. Nachdem der Streit gestillet war, habe man in der Messe ausgesungen: “hunc diem gloriosum fecisti.” Da fiel der Teufel unterm Gewölb mit grober, lauter Stimme ein und sang: “hunc diem bellicosum ego feci.”

[S. 265]

183.
Die Teufelsmühle.

Otmar S. 189-194.
Quedlinburger Sammlung.

Auf dem Gipfel des Rammberges liegen theils zerstreute, theils geschichtete Granitblöcke, welche man des Teufels Mühle heißt. Ein Müller hatte sich am Abhang des Bergs eine Windmühle erbaut, der es aber zuweilen an Wind fehlte. Da wünschte er sich oft eine, die oben auf dem Berggipfel stünde und beständig im Gang bliebe. Menschenhänden war sie aber unmöglich zu erbauen. Weil der Müller keine Ruh darüber hatte, erschien ihm der Teufel und sie dingten lange mit einander. Endlich verschrieb ihm der Müller seine Seele gegen dreißig Jahre langes Leben und eine tadelfreie Mühle von sechs Gängen, auf dem Gipfel des Rammbergs, die aber in der nächstfolgenden Nacht vor Hahnenschrei fix und fertig gebaut seyn müßte. Der Teufel hielt sein Wort und hohlte nach Mitternacht den Müller ab, daß er die fertige Mühle besichtigen und übernehmen wolle. Der Müller fand alles in vollkommner Ordnung und war zitternd bereit, sie zu übernehmen, als er eben noch entdeckte, daß einer von den unentbehrlichen Steinen fehlte. Der Teufel gestand den Mangel und wollte ihn augenblicklich ersetzen. Und schon schwebte er durch die Lüfte mit dem Stein, da krähte der Hahn auf der untern Mühle. Wüthend faßte der böse Feind das Gebäude, riß Flügel, Räder und Wellen herab und streute[S. 266] sie weit umher. Dann schleuderte er auch die Felsen, daß sie den Rammberg bedeckten. Nur ein kleiner Theil der Grundlage blieb stehen zum Angedenken seiner Mühle.

184.
Der Herrgottstritt.

Würtenbergisch. Lang’s Taschenbuch für 1800. S. 129-136.
Prätorius Weltbeschr. II. 599.
Zeiller II. epist. 60.
Seyfried’s medulla. p. 429.
vgl. Sattler Topographie Würtembergs.

Auf einem Felsen des Alb bei Heuberg, in einem anmuthigen, von der Rems durchflossenen Thal, liegen Trümmer der Burg Rosenstein, und unlängst sah man da Spur eines schönen menschlichen Fußes im Stein, den aber die Regierung mit Pulver hat versprengen lassen, weil Aberglauben damit getrieben wurde. Gegenüber auf dem Scheulberg[9] stehet die ähnliche Spur eines Tritts landeinwärts, wie die auf dem Rosenstein auswärts. Gegenüber im Walde ist die Capelle der wunderthätigen Maria vom Beißwang[10]. Links eine Kluft, geheißen Teufelsklinge, aus der bei anhaltendem Regen trübes Wasser fließt; hinterm Schloß ein gehöhlter Felsen, Namens Scheuer.

[S. 267]

Vor grauer Zeit zeigte von diesem Berge herab der Versucher Christo die schöne Gegend und bot sie ihm an, wenn er vor ihm kniebeugen wollte. Alsbald befahl Christus der Herr ihm, zu entweichen und der Satan stürzte den Berg hinab. Allein er wurde verflucht, tausend Jahre in Ketten und Banden in der Teufelsklinge zu liegen und das trübe Wasser, das noch daraus strömt, sind seine teuflischen Thränen. Christus that aber einen mächtigen Schritt übers Gebirg und wo er seine Füße hingesetzt, drückten sich die Spuren ein[11].

Später lang darauf bauten die Herrn von Rosenstein hier eine Burg und waren Raubritter, welche das Raubgut in der Scheuer bargen. Einmal gab ihnen der Teufel ein, daß sie die Waldcapelle stürmen möchten. Kaum aber waren sie mit dem Kirchengut heimgekehrt, als sich ein ungeheurer Sturm hob und das ganze Raubnest zertrümmerte. Indem hörte man den Teufel laut lachen.

[9] Bey Seyfried: Schawelberg. Jenes der linke, dieses der rechte Fuß.

[10] Gestiftet von Friedrich mit dem Biß in der Wange.

[11] Zeiller erzählt abweichend: Christus auf der Flucht vor den Juden habe die Merkzeichen eingedrückt. Die Leute holen sich allda Augenwasser.

185.
Die Sachsenhäuser Brücke zu Frankfurt.

Mündlich, aus Frankfurt.

In der Mitte der Sachsenhäuser Brücke sind zwei Bogen oben zum Theil nur mit Holz zugelegt, damit[S. 268] dies in Kriegszeiten weggenommen und die Verbindung leicht, ohne etwas zu sprengen, gehemmt werden kann. Davon gibt es folgende Sage.

Der Baumeister hatte sich verbindlich gemacht, die Brücke bis zu einer bestimmten Zeit zu vollenden. Als diese herannahte, sah er, daß es unmöglich war, und, wie nur noch zwei Tage übrig waren, rief er in der Angst den Teufel an und bat um seinen Beistand. Der Teufel erschien und erbot sich, die Brücke in der letzten Nacht fertig zu bauen, wenn ihm der Baumeister dafür das erste lebendige Wesen, das darüber ging, überliefern wollte. Der Vertrag wurde geschlossen und der Teufel baute in der letzten Nacht, ohne daß ein Menschenauge in der Finsterniß sehen konnte, wie es zuging, die Brücke ganz richtig fertig. Als nun der erste Morgen anbrach, kam der Baumeister und trieb einen Hahn über die Brücke vor sich her und überlieferte ihn dem Teufel. Dieser aber hatte eine menschliche Seele gewollt und wie er sich also betrogen sah, packte er zornig den Hahn, zerriß ihn und warf ihn durch die Brücke, wovon die zwei Löcher entstanden sind, die bis auf den heutigen Tag nicht können zugemauert werden, weil alles in der Nacht wieder zusammenfällt, was Tags daran gearbeitet ist. Ein goldner Hahn auf einer Eisenstange steht aber noch jetzt zum Wahrzeichen auf der Brücke.

[S. 269]

186.
Der Wolf und der Tannenzapf.

Mündlich.

Zu Achen im Dom zeigt man an dem einen Flügel des ehernen Kirchenthors einen Spalt und das Bild eines Wolfs nebst einem Tannenzapfen, beide gleichfalls aus Erz gegossen. Die Sage davon lautet: vor Zeiten, als man diese Kirche zu bauen angefangen, habe man mitten im Werk einhalten müssen aus Mangel an Geld. Nachdem nun die Trümmer eine Weile so dagestanden, sey der Teufel zu den Rathsherrn gekommen, mit dem Erbieten, das benöthigte Geld zu geben unter der Bedingung, daß die erste Seele, die bei der Einweihung der Kirche in die Thüre hineinträte, sein eigen würde. Der Rath habe lang gezaudert, endlich doch eingewilligt und versprochen, den Inhalt der Bedingung geheim zu halten. Darauf sey mit dem Höllengeld das Gotteshaus herrlich ausgebaut, immittelst aber auch das Geheimniß ruchtbar geworden. Niemand wollte also die Kirche zuerst betreten und man sann endlich eine List aus. Man fing einen Wolf im Wald, trug ihn zum Hauptthor der Kirche und an dem Festtag, als die Glocken zu läuten anhuben, ließ man ihn los und hineinlaufen. Wie ein Sturmwind fuhr der Teufel hinterdrein und erwischte das, was ihm nach dem Vertrag gehörte. Als er aber merkte, daß er betrogen war und man ihm eine bloße Wolfsseele geliefert hatte, erzürnte er[S. 270] und warf das eherne Thor so gewaltig zu, daß der eine Flügel sprang und den Spalt bis auf den heutigen Tag behalten hat. Zum Andenken goß man den Wolf und seine Seele, die dem Tannenzapf ähnlich seyn soll. — Andere erzählen es von einer sündhaften Frau, die man für das Wohl der ganzen Stadt dem Teufel geopfert habe und erklären die Frucht durch eine Artischocke, welche der Frauen arme Seele bedeuten soll.

187.
Der Teufel von Ach.

Agricola Sprichw. 301.
Schottel Grammat. S. 1134.

Zu Achen steht ein großer Thurm in der Stadtmauer, genannt Ponellenthurm, darin sich der Teufel mit viel Wunders-Geschrei, Glockenklingen und anderm Unfug oftmals sehen und hören läßt, und ist die Sage, er sey hinein verbannt und da muß er bleiben, bis an den jüngsten Tag. Darum, wenn man daselbst von unmöglichen Dingen redet, so sagt man: “ja es wird geschehen, wann der Teufel von Ach kommt,” das ist, nimmermehr.

188.
Die Teufelsmauer.

Döderlin de antiqq. in Nordgavia romanis p. 29.

Von der nordgauer Pfahlhecke erzählten die Bauern um Oberndorf und Otmannsfeld: der Teufel habe[S. 271] von Gott dem Herrn einen Theil der Erde gefordert und dieser insoweit dreingewilligt: dasjenige Stück Lands, das er vor Hahnenkrat mit Mauer umschlossen habe, solle ihm zufallen. Der böse Feind habe sich stracks ans Werk gemacht, doch eh er die letzte Hand angelegt und den Schlußstein aufgesetzt, der Hahn gekrähet. Vor Zorn nun, daß das Geding und seine Hoffnung zunicht geworden, sey er ungestüm über das ganze Werk hergefallen und habe alle Steine übern Haufen geworfen. Noch jetzt spuke es auf dieser Teufelsmauer.

189.
Des Teufels Tanzplatz.

Otmar S. 175-178.

Auf dem nördlichen Harz, zwischen Blankenburg und Quedlinburg, siehet man südwärts vom Dorfe Thale eine Felsenfläche, die das Volk: des Teufels Tanzplatz nennt und nicht weit davon Trümmer einer alten Mauer, denen gegenüber nordwärts vom Dorfe sich ein großes Felsenriff erhebt. Jene Trümmer und dieses Riff nennt das Volk: Teufelsmauer. Der Teufel stritt lange mit dem lieben Gott um die Herrschaft der Erde. Endlich wurde eine Theilung des damals bewohnten Landes verabredet. Die Felsen, wo jetzt der Tanzplatz ist, sollten die Grenze scheiden und der Teufel erbaute unter lautem Jubeltanz seine Mauer. Aber bald erhub der Nimmersatte neuen Zank, der damit[S. 272] endigte, daß ihm noch das am Fuße jenes Felsens belegene Thal zugegeben wurde. Darauf thürmte er noch eine zweite Teufelsmauer.

190.
Die Teufelscanzel.

Homilien des Teufels. Frankf. 1800.

Unweit Baden steht eine Felsenreihe. Die Leute nennen sie Teufelscanzel und behaupten, der böse Feind habe einsmals darauf geprediget.

191.
Das Teufelsohrkissen.

Morgenblatt. 1811. Nr. 208. S. 830.

Am Fuße des Schlosses Bentheim stehen einige sonderbare, glatte Felsen. Einer derselben, oben flach, wie ein aufrechtstehender runder Pfühl, wird Teufelsohrkissen genannt, weil der Teufel einmal drauf geschlafen habe. Die Spuren seines Ohrs drückten sich in den Stein und sind noch sichtbar darauf.

192.
Der Teufelsfelsen.

Beschreibung des Fichtelbergs. Leipz. 1716. S. 128. 129.

Die Fichtelberger erzählen: es habe der Satan den Herrn Christus auf den Cößeinfelsen geführt und ihm[S. 273] die Reiche der Welt gezeigt, auch alle zu schenken verheißen, wenn er ihn anbeten wolle, außer die Dörfer N. und R. nicht, welche sein Leibgeding. —

Die Einwohner dieser Dörfer sind rauh und mißgestalt; die Gegend dabei ist unfreundlich und heißt Türkei und Tartarei bei einigen Leuten.

193.
Teufelsmauer.

Arndt’s Reise von Baireuth nach Wien. Leipz. 1801. S. 169. 170.

Diese Teufelsmauer lauft an der Donau hinter Mölk nach Wien zu. Einst wollte der Teufel die Donau zumauern, aber die Steine entglitten ihm immer, wenn er sie zusammenfügen wollte.

194.
Teufelsgitter.

Mündlich.

Zu Wismar in der Marienkirche um den Taufstein herum geht ein überkünstliches Gitter, das sollte ein Schmidt bauen. Als er sich aber dran zerarbeitete und es nicht konnte zustand bringen, brach er unmuthig aus: “ich wollte, daß es der Teufel fertig machen müßte!” Auf diesen Wunsch kam der Teufel und baute das Gegitter fertig.

[S. 274]

195.
Teufelsmühle.

Tradit. Corbeienses p. 559.
Jäger Briefe über die hohe Rhön. II. 51.

Im Wolfenbüttelischen zwischen Pestorf und Grave an der Weser liegt eine Mühle, die der Teufel, der Volkssage nach, gebaut und durch ein Felsenwasser das Rad in Trieb gesetzt. Eine Teufelsmühle liegt auch auf der Rhöne.

196.
Teufelskirche.

Jäger Briefe über die hohe Rhön. II. 49.
Melissantes Bergschlösser S. 181.

Auf der Rhöne stehen oben Basaltfelsen gethürmt. Der Teufel, als man im Thal eine Kirche bauen wollte, zürnte und trug alle Bausteine hin auf den Berg, wo er sie nebeneinander aufstellte und kein Mensch sie wieder heruntertragen konnte.

Man erzählt, da wo der Teufel seinen Stein einmal hingelegt habe, könne man ihn nicht wegbringen, denn so oft man ihn auch wegnehme, lege der Teufel einen andern oder denselben wieder eben dahin.

197.
Teufelsstein bei Reichenbach.

Winkelmann’s hessische Chronik S. 34.

Nicht weit von Reichenbach, dem hohen Steine gegenüber, in einem Walde liegt der Teufelsstein. Er[S. 275] sieht aus, als wären etliche hundert Karrn Steine kunstreich zusammengeschüttet, indem sich wunderbarlich Gemächer, Keller und Kammern von selbst gebildet, in welchen bei schweren und langen Kriegen die Bewohner der Gegend mit ihrem ganzen Haushalt gewohnt. Diesen Stein soll der Teufel in einer einzigen Nacht, nach der gemeinen Sage, also gebildet haben.

198.
Teufelsstein zu Cöln.

Rhein. Antiquarius S. 725.

Zu Cöln bei der Kirche liegt ein schwerer Stein, genannt Teufelsstein, man sieht darauf noch die Kralle des bösen Feindes eingedruckt. Er warf ihn nach der Capelle der heiligen drei Könige und wollte sie niederschmettern, es ist ihm aber mißlungen.

199.
Süntelstein zu Osnabrück.

Strodtmann Idioticon S. 236.

Bei Osnabrück liegt ein uralter Stein, dreizehn Fuß aus der Erde ragend, von dem die Bauern sagen, der Teufel hätte ihn durch die Luft geführt und fallen lassen. Sie zeigen auch die Stelle daran, in welcher die Kette gesessen, woran er ihn gehalten, nennen ihn den Süntelstein.

[S. 276]

200.
Der Lügenstein.

Otmar’s Volkssagen.

Auf dem Domplatz zu Halberstadt liegt ein runder Fels von ziemlichem Umfang, den das Volk nennet den Lügenstein. Der Vater der Lügen hatte, als der tiefe Grund zu der Domkirche gelegt wurde, große Felsen hinzugetragen, weil er hoffte, hier ein Haus für sein Reich entstehen zu sehen. Aber als das Gebäude aufstieg und er merkte, daß es eine christliche Kirche werden würde, da beschloß er, es wieder zu zerstören. Mit einem ungeheuern Felsstein schwebte er herab, Gerüst und Mauer zu zerschmettern. Allein man besänftigte ihn schnell durch das Versprechen, ein Weinhaus dicht neben die Kirche zu bauen. Da wendete er den Stein, so daß er neben dem Dom auf dem geebneten Platz niederfiel. Noch sieht man daran die Höhle, die der glühende Daumen seiner Hand beim Tragen eindrückte.

201.
Die Felsenbrücke.

Mündlich, aus Oberwallis.

Ein Hirt wollte Abends spat seine Geliebte besuchen und der Weg führte ihn über die Visper, da wo sie in einer tiefen Felsenschlucht rauscht, worüber nur eine schmale Bretterbrücke hängt. Da sah er, der Chilthbube, was ihm sonst niemals widerfahren war,[S. 277] einen Haufen schwarze Kohlen mitten auf der Brücke liegen, daß sie den Weg versperrten; ihm war dabei nicht recht zu Muthe, doch faßte er sich ein Herz und that einen tüchtigen Sprung über den tiefen Abgrund von dem einen Ende glücklich bis zu dem andern. Der Teufel, der aus dem Dampf des zerstobenen Kohlenhaufens auffuhr, rief ihm nach: “das war dir gerathen, denn wärst du zurückgetreten, hätt ich dir den Hals umgedreht, und wärst du auf die Kohlen getreten, so hättest du unter ihnen versinken und in die Schlucht stürzen müssen.” Zum Glück hatte der Hirt, trotz der Gedanken an seine Geliebte, nicht unterlassen, vor dem Capellchen der Mutter Gottes hinter St. Niklas, an dem er vorbeikam, wie immer sein Ave zu beten.

202.
Das Teufelsbad bei Dassel.

Letzner Dasselische Chronik. Erfurt 1596. Buch V. c. 13. Buch VIII. c. 9.

Unweit Dassel, in einem grundlosen Meerpfuhl, welcher der bedessische oder bessoische heißt, soll eine schöne und wohlklingende Glocke liegen, die der leibhaftige Teufel aus der Kirche zum Portenhagen dahin geführt hat, und von der die alten Leute viel wunderbare Dinge erzählen. Sie ist von lauterem Golde und der böse Feind brachte sie aus Neid weg, damit sich die Menschen ihrer nicht mehr zum Gottesdienst bedienen können, weil sie besonders kräftig und heilig[S. 278] gewesen. Ein Taucher erbot sich, hinabzufahren und sie mit Stricken zu fassen, dann sollten die Leute oben getrost ziehen und ihrer Glocke wieder mächtig werden. Allein er kam unverrichteter Sachen heraus und sagte, daß unten in der Tiefe des Meerpfuhls eine grüne Wiese wäre, wo die Glocke auf einem Tisch stehe und ein schwarzer Hund dabei liege, welcher nicht gestatten wolle, sie anzurühren. Auch habe sich daneben ein Meerweib ganz erschrecklich sehen und hören lassen, die gesagt: es wäre viel zu früh, diese Glocke von dannen abzuholen. Ein achtzigjähriger Mann erzählte von diesem Teufelsbad: einen Sonnabend habe ein Bauer aus Leuthorst unfern des Pfuhls länger als Brauch gewesen, nachdem man schon zur Vesper geläutet, gepflügt, und beides Pferde und Jungen mit Fluchen und Schlägen genöthigt. Da sey ein großer, schwarzer und starker Gaul aus dem Wasser ans Land gestiegen. Der gottlose und tobende Bauer habe ihn genommen und ins Teufels Namen vor die andern Pferde gespannt, in der Meinung, nicht ehnder Feierabend zu machen, bis der Acker herumgepflüget wäre. Der Junge hub an zu weinen und wollte lieber nach Haus, aber der Bauer fuhr ihn hart an. Da soll der schwarze Gaul frisch und gewaltig die armen ausgemergelten Pferde, mitsammt Pflug, Jung und Bauer, in das grundlose Loch und Teufelsbad gezogen haben und nimmermehr von Menschen gesehen worden seyn. Wer den Teufel fordert, muß ihm auch Werk schaffen.

[S. 279]

203.
Der Thurm zu Schartfeld.

Letzner Dasselsche Chronik. Buch VI. c. 1.

Von dem Thurm auf Schartfeld berichten viel alter Leute, daß er keine Dachung leide, der Teufel darin hausen und Nachts viel Gerumpels droben seyn solle. Vorzeiten trug Kaiser Heinrich der Vierte unziemliche Liebe zu eines Herrn auf Schartfeld Ehweib, konnte lange seinen Willen nicht vollführen. Da kam er ins Kloster Pölde in der Grafschaft Lutterberg und ein Mönch machte ihm einen Anschlag. Er ließ den Herrn von Schartfeld zu sich fordern ins Kloster, und trug ihm eine weite Reise mit einer Werbung auf. Der Ritter war dem Kaiser unterthan und gehorsam. Tags darauf zog der Kaiser mit dem Mönch in weltlichen Kleidern auf die Jagd, kam insgeheim vor das Haus Schartfeld und wurde von dem Mönch bis vor der Edelfrau Kemenate geleitet. Da überfiel sie Heinrich und nöthigte sie zu seinem Willen. Da soll der Teufel die Dachung vom Thurm abgeworfen und in der Luft hinfahrend über den Mönch geschrien haben, daß er an dieser Unthat schuldiger sey, als der Kaiser. Der Mönch war seit der Zeit im Kloster stets traurig und unfroh.

[S. 280]

204.
Der Dom zu Cöln.

Mündliche Erzählungen aus der Stadt.

Als der Bau des Doms zu Cöln begann, wollte man gerade auch eine Wasserleitung ausführen. Da vermaß sich der Baumeister und sprach: “eher soll das große Münster vollendet seyn, als der geringe Wasserbau!” Das sprach er, weil er allein wußte, wo zu diesem die Quelle sprang, und er das Geheimniß niemanden, als seiner Frau entdeckt, ihr aber zugleich bei Leib und Leben geboten hatte, es wohl zu bewahren. Der Bau des Doms fing an und hatte guten Fortgang, aber die Wasserleitung konnte nicht angefangen werden, weil der Meister vergeblich die Quelle suchte. Als dessen Frau nun sah, wie er sich darüber grämte, versprach sie ihm Hilfe, ging zu der Frau des andern Baumeisters und lockte ihr durch List endlich das Geheimniß heraus, wonach die Quelle gerade unter dem Thurm des Münsters sprang; ja, jene bezeichnete selbst den Stein, der sie zudeckte. Nun war ihrem Manne geholfen; folgenden Tags ging er zu dem Stein, klopfte darauf und sogleich drang das Wasser hervor. Als der Baumeister sein Geheimniß verrathen sah und mit seinem stolzen Versprechen zu Schanden werden mußte, weil die Wasserleitung ohne Zweifel nun in kurzer Zeit zu Stande kam, verfluchte er zornig den Bau, daß er nimmermehr sollte vollendet werden, und starb darauf vor Traurigkeit. Hat[S. 281] man fortbauen wollen, so war, was an einem Tag zusammengebracht und aufgemauert stand, am andern Morgen eingefallen, und wenn es noch so gut eingefügt war und aufs festeste haftete, also daß von nun an kein einziger Stein mehr hinzugekommen ist.

Andere erzählen abweichend. Der Teufel war neidig auf das stolze und heilige Werk, das Herr Gerhard, der Baumeister, erfunden und begonnen hatte. Um doch nicht ganz leer dabei auszugehn, oder gar die Vollendung des Doms noch zu verhindern, ging er mit Herrn Gerhard die Wette ein: er wolle ehr einen Bach von Trier nach Cöln, bis an den Dom, geleitet, als Herr Gerhard seinen Bau vollendet haben; doch müsse ihm, wenn er gewänne, des Meisters Seele zugehören. Herr Gerhard war nicht säumig, aber der Teufel kann teufelsschnell arbeiten. Eines Tags stieg der Meister auf den Thurm, der schon so hoch war, als er noch heut zu Tag ist, und das erste, was er von oben herab gewahrte, waren Enten, die schnatternd von dem Bach, den der Teufel herbeigeleitet hatte, aufflogen. Da sprach der Meister in grimmem Zorn: “zwar hast du, Teufel, mich gewonnen, doch sollst du mich nicht lebendig haben!” So sprach er und stürzte sich Hals über Kopf den Thurm herunter, in Gestalt eines Hundes sprang schnell der Teufel hintennach, wie beides in Stein gehauen noch wirklich am Thurme zu schauen ist. Auch soll, wenn man sich mit dem Ohr auf die Erde legt, noch heute der Bach zu hören seyn, wie er unter dem Dome wegfließt.

[S. 282]

Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters Frau Buhlschaft treiben läßt, wodurch er vermuthlich, wie in der ersten, hinter das Baugeheimniß ihres Mannes kam.

205.
Des Teufels Hut.

vgl. Taschenbuch für Liebe und Freundschaft 1816. S. 237. 238.

Nicht weit von Altenburg bei dem Dorfe Ehrenberg liegt ein mächtiger Stein, so groß und schwer, daß ihn hundert Pferde nicht fortziehen würden. Vorzeiten trieb der Teufel sein Spiel damit, indem er ihn auf den Kopf sich legte, damit herumging und ihn als einen Hut trug. Einmal sprach er in Stolz und Hochmuth: “wer kann wie ich diesen Stein tragen? selbst der ihn erschaffen, vermags nicht und läßt ihn liegen, wo er liegt!” Da erschien Christus der Herr, nahm den Stein, steckte ihn an seinen kleinen Finger und trug ihn daran. Beschämt und gedemüthigt wich der Teufel und ließ sich nie wieder an diesem Orte erblicken. Und noch heute sieht man in dem Stein den Eindruck von des Teufels Haupt und von des Herrn Finger.

206.
Des Teufels Brand.

Erasm. Rotterodam. epist. fam. L. 27. c. 20.
Nic. Remigii daemonolatria p. 335. 336.

Es liegt ein Städtlein im Schweizerland mit Namen Schiltach, welches im Jahr 1533 am zehnten[S. 283] April plötzlich in den Grund abgebrannt ist. Man sagt, daß dieser Brand folgender Weise, wie die Bürger des Orts vor der Obrigkeit zu Freiburg angezeigt, entstanden sey. Es hat sich in einem Hause oben hören lassen, als ob jemand mit linder, lispelnder Stimme einem andern zuriefe und winkete, er solle schweigen. Der Hausherr meint, es habe sich ein Dieb verborgen, geht hinauf, findet aber niemand. Darauf hat er es wiederum von einem höheren Gemach her vernommen, er geht auch dahin und vermeint den Dieb zu greifen. Wie aber niemand vorhanden ist, hört er endlich die Stimme im Schornstein. Da denkt er, es müsse ein Teufels-Gespenst seyn und spricht den seinigen, die sich fürchten, zu, sie sollten getrost und unverzagt seyn, Gott werde sie beschirmen. Darauf bat er zwei Priester zu kommen, damit sie den Geist beschwüren. Als diese nun fragten, wer er sey, antwortete er: “der Teufel.” Als sie weiter fragten, was sein Beginnen sey, antwortete er: “ich will die Stadt in Grund verderben!” Da bedräuen sie ihn, aber der Teufel spricht: “euere Drohworte gehen mich nichts an, einer von euch ist ein liederlicher Bube; alle beide aber seyd ihr Diebe.” Bald darauf hat er ein Weib, mit welchem jener Geistliche vierzehn Jahre zusammengelebt, hinauf in die Luft geführt, oben auf einen Schornstein gesetzt, ihr einen Kessel gegeben und sie geheißen, ihn umkehren und ausschütten. Wie sie das gethan, ist der ganze Flecken vom Feuer ergriffen worden und in einer Stunde abgebrannt.

[S. 284]

207.
Die Teufels-Hufeisen.

Prätorius Weltbeschr. II. 362.
Einigermaßen ausführlicher und mit andern Umständen erzählt in Francisci lust. Schaubühne Th. I. S. 801. und in der Zungensünde S. 173-175.

Zu Schwarzenstein, eine halbe Meile von Rastenburg in Preußen, hangen zwei große Hufeisen in der Kirche, davon eine gemeine Sage ist: es war daselbst eine Krügerin (Bierwirthin), die den Leuten das Bier sehr übel zumaß, die soll der Teufel des Nachts vor die Schmiede geritten haben. Ungestüm weckte er den Schmied auf und rief: “Meister, beschlagt mir mein Pferd!” Der Schmied war nun gerade der Bierschenkin Gevatter, daher, als er sich über sie hermachte, raunte sie ihm heimlich zu: “Gevattermann, seyd doch nicht so rasch!” Der Schmied, der sie für ein Pferd angesehen, erschrack heftig, als er diese Stimme hörte, die ihm bekannt däuchte und gerieth aus Furcht in Zittern. Dadurch verschob sich der Beschlag und der Hahn krähte. Der Teufel mußte zwar das Reißaus nehmen, allein die Krügerin ist lange nachher krank geblieben. Sollte der Teufel alle Bierschenken, die da knapp messen, beschlagen lassen, würde das Eisen gar theuer werden.

[S. 285]

208.
Der Teufel führt die Braut fort.

Godelmann von Zauberern, Hexen und Unholden übers. von Nigrin. 1592. S. 9. lat. Ausg. de magis &c. Francof. 1591. p. 12-13.
Hilscher’s Zungen-Sünde. S. 200. 201.

In Sachsen hatte eine reiche Jungfrau einem schönen, aber armen Jüngling, die Ehe verheißen. Dieser, weil er sahe, was kommen würde, da sie reich und nach ihrer Art wankelmüthig war, sprach zu ihr, sie werde ihm nicht Glauben halten. Sie fing an sich zu verschwören mit diesen Worten: “wann ich einen andern denn dich nehme, so hole mich der Teufel auf der Hochzeit!” Was geschieht? Nach geringer Zeit wird sie anderes Sinnes und verspricht sich einem andern mit Verachtung des ersten Bräutigams, welcher sie ein- oder etliche Mal der Verheißung und des großen Schwurs erinnerte. Aber sie schlug alles in den Wind, verließ den ersten und hielt Hochzeit mit dem andern.

Am hochzeitlichen Tage, als die Verwandten, Freunde und Gäste fröhlich waren, ward die Braut, da ihr das Gewissen aufwachte, trauriger, als sie sonst zu seyn pflegte. Endlich kommen zwei Edelleute in das Brauthaus geritten, werden als fremde, geladene Gäste empfangen und zu Tisch geführt. Nach Essens Zeit wird dem einen von Ehren wegen, als einem Fremden, der Vorreigen mit der Braut gebracht, mit[S. 286] welcher er einen Reihen oder zwei thät und sie endlich vor ihren Eltern und Freunden mit großem Seufzen und Heulen zur Thür hinaus in die Luft führte.

Des andern Tages suchten die betrübten Eltern und Freunde die Braut, daß sie sie, wo sie etwan herabgefallen, begraben mögten. Siehe! da begegneten ihnen eben die Gesellen und brachten die Kleider und Kleinode wieder mit diesen Worten: “über diese Dinge hatten wir von Gott keine Gewalt empfangen, sondern über die Braut.”

209.
Das Glücksrad.

Grundmann Geschichtschule S. 228-230.
D. Siegfried Saccus, aus dem Munde eines der Schatzgräber selbst, zu Magdeburg.
Prätorius Wünschelruthe 88. 90.

Zwölf Landsknechte kamen aus dem ditmarser Krieg und hatten wenig vor sich gebracht. Da sie nun traurig und kleinmüthig im Land umher strichen und heut nicht wußten, was sie morgen zu beißen hatten, begegnete ihnen ein Grauröcklein, that seinen Gruß und fragte: “woher des Wegs und wohin?” Sie aber sagten: “daher aus dem Krieg und dahin, wo wir reich werden sollen, können aber den Ort nicht finden.” Das Grauröcklein sagte: “die Kunst soll euch offenbar werden, wenn ihr mir folgen wollt, begehr auch nichts dafür zu haben.” Die Landsknechte meinten:[S. 287] was es denn wäre? “Man heißt es das Glücksrad, das steht mir zu Gebot und wen ich darauf bringe, der lernt wahrsagen den Leuten und graben den Schatz aus der Erde; doch nicht anders vermag ich euch drauf zu setzen, als mit dem Beding, daß ich Macht und Gewalt habe, einen aus eurem Haufen mit mir wegzuführen.”

Sie begehrten nun zu wissen: welchen von ihnen er zu nehmen Willens sey? Der Graurock antwortete: “zu welchem ich Lust trage, das wird sich hernach zeigen, voraus weiß ichs nicht.” Drauf nahmen die Landsknechte eine lange Ueberlegung, sollten sie’s thun oder aber lassen? schlossen endlich: sterben muß der Mensch doch einmal, wie nun, so wir in Dietmarsen gefallen wären in der Schlacht, oder die Pest uns weggerafft hätte; wir wollen dies wagen, was viel leichter ist und nur einen einzigen trifft. Ergaben sich also miteinander in des Mannes Hand, mit dem Beding, daß er sie aufs Glücksrad brächte und dafür zum Lohn einen aus ihnen hinhätte, den, der ihm dazu gefiele.

Nach diesem so führte sie der Graurock hin an die Stelle, wo sein Rad stund, das war so groß, daß wie sie alle darauf kamen, jeglicher drei Klaftern weit ab vom andern saß; eins aber verbot er ihnen: daß ja keiner den andern ansähe, so lange sie auf dem Rad säßen, wer das nicht thue, dem bräche er den Hals. Als sie nun ordnungsmäßig aufgesessen, packte der Meister das Rad mit den Klauen, die er beides[S. 288] an Händen und Füßen hatte, und hub zu drehen an bis es umgedreht war, zwölf Stunden nacheinander und alle Stunden einmal. Ihnen aber däuchte, als ob unter ihnen helles Wasser sey, gleich einem Spiegel, worin sie alles sehen konnten, was sie vorhatten, gutes oder böses und wen sie von Leuten da sahen, erkannten sie und wußten ihre Namen zu nennen. Ueber ihnen aber war es wie Feuer und glühende Zapfen hingen herab.

Wie sie nun zwölf Stunden ausgehalten hatten, rückte der Glücksmeister einen feinen jungen Menschen vom Rade, der eines Burgermeisters Sohn aus Meissen war und führte ihn mitten durch die Feuerflamme mit sich hin. Die elf andern wußten nicht wie ihnen geschehen und sanken betäubt nieder in tiefen Schlaf, und als sie etliche Stunden lang unter freiem Himmel gelegen, wachten sie auf, aber ihre Kleider auf dem Leibe und ihre Hemder die waren ganz mürb geworden und zerfielen beim Angreifen, von der großen Hitze wegen, die auf dem Rad gewesen war.

Darauf erhoben sie sich und gingen jeder seines Wegs, in der Hoffnung, ihr Lebtag alles gnug und eitel Glück zu haben, waren aber nach wie vor arm und mußten das Brot vor anderer Leute Hausthüre suchen.

[S. 289]

210.
Der Teufel als Fürsprecher.

D. Mengering Soldaten-Teufel. Cap. 8. S. 153.
Hilscher Zungen-Sünde. S. 189.
Luther’s Tisch-Reden S. 113.
Prätorius Wünschelruthe 101-103.

In der Mark geschah es, daß ein Landsknecht seinem Wirth Geld aufzuheben gab und als er es wiederforderte, dieser etwas empfangen zu haben ableugnete. Da der Landsknecht darüber mit ihm uneins ward und das Haus stürmte, ließ ihn der Wirth gefänglich einziehen und wollte ihn übertäuben, damit er das Geld behielte. Er klagte daher den Landsknecht zu Haut und Haar, zu Hals und Bauch an, als einen, der ihm seinen Haus-Frieden gebrochen hätte. Da kam der Teufel zu ihm ins Gefängniß und sprach: “Morgen wird man dich vor Gericht führen und dir den Kopf abschlagen, darum daß du den Haus-Frieden gebrochen hast, willst du mein seyn mit Leib und Seel, so will ich dir davon helfen.” Aber der Landsknecht wollte nicht. Da sprach der Teufel: “so thue ihm also: wann du vor Gericht kommst und man dich hart anklagt, so beruhe darauf, daß du dem Wirth das Geld gegeben und sprich, du seyest übel beredt, man wolle dir vergönnen einen Fürsprecher zu haben, der dir das Wort rede. Alsdann will ich nicht weit stehen in einem blauen Hut mit weißer Feder und dir deine Sache führen.” Dies geschah also; aber da der Wirth hartnäckig leugnete, so sagte des Landsknechts[S. 290] Anwalt im blauen Hut: “lieber Wirth, wie magst du es doch leugnen! das Geld liegt in deinem Bette unter dem Haupt-Pfühl: Richter und Schöffen, schicket hin, so werdet ihr es befinden.” Da verschwur sich der Wirth und sprach: “hab ich das Geld empfangen, so führe mich der Teufel hinweg!” Als nun das Geld gefunden und gebracht war, sprach der im blauen Hütlein mit weißer Feder: “ich wußte wohl, ich sollte einen davon haben, entweder den Wirth oder den Gast;” drehte damit dem Wirth den Kopf um und führte ihn in der Luft davon.

211.
Traum vom Schatz auf der Brücke.

Agricola Sprichwort 623.
Der ungewissenhafte Apotheker S. 132.
Prätorius Wünschelruthe 372. 373.

Es hat auf ein Zeit einem getraumt, er solle gen Regensburg gehen auf die Brücken, da sollt er reich werden. Er ist auch hingangen und da er einen Tag oder vierzehn allda gangen hat, ist ein reicher Kaufmann zu ihm kommen, der sich wunderte, was er alle Tag auf der Brücke mache und ihn fragte: was er da suche? Dieser antwortete: “es hat mir getraumt, ich soll gen Regensburg auf die Brücke gehen, da würde ich reich werden.” “Ach, sagte der Kaufmann, was redest du von Träumen, Träume sind Schäume und Lügen; mir hat auch getraumt, daß unter jenem großen[S. 291] Baume (und zeigte ihm den Baum) ein großer Kessel mit Geld begraben sey, aber ich acht sein nicht, denn Träume sind Schäume.” Da ging der andere hin, grub unter dem Baum ein, fand einen großen Schatz, der ihn reich machte und sein Traum wurde ihm bestätigt.

Agricola fügt hinzu: “das hab ich oftmals von meinem lieben Vater gehört.” Es wird aber auch von andern Städten erzählt, wie von Lübeck (Kempen), wo einem Beckerknecht träumt, er werde einen Schatz auf der Brücke finden. Als er oft darauf hin und hergeht, redet ihn ein Bettler an und fragt nach der Ursache, und sagt hernach, ihm habe getraumt, daß auf dem Kirchhof zu Möllen unter einer Linde (zu Dordrecht unter einem Strauche) ein Schatz liege, aber er wolle den Weg nicht daran wenden. Der Beckerknecht antwortet: “ja es träumt einem oft närrisch Ding, ich will mich meines Traums begeben und euch meinen Brückenschatz vermachen;” geht aber hin und hebt den Schatz unter der Linde.

212.
Der Kessel mit dem Schatz.

Mündlich, aus Bibesheim und aus Wernigerode.

An einem Winterabend saß vor vielen Jahren der Wagnermeister Wolf zu Großbieberau im Odenwald mit Kindern und Gesinde beim Ofen und sprach von[S. 292] diesem und jenem. Da ward auf einmal ein verwunderlich Geräusch vernommen und siehe, es drückte sich unter dem Stubenofen plötzlich ein großer Kessel voll Geldes hervor. Hätte nun gleich einer stillschweigends ein wenig Brot oder einen Erdschollen darauf geworfen, dann wäre es gut gewesen; aber nein, der Böse war dabei und da mußt es wohl verkehrt gehen. Des Wagners Töchterlein hatte nie so viel Geld beisammen gesehen und rief laut: “blitz, Vater, was Geld, was Geld!” Der Vater kehrte sich nicht ans Schreien, weil er besser wußte, was hier zu thun wäre. Schnell nahm er’s Heft vom großen Naben-Bohrer und steckt es rasch durch den Kesselring. Doch es war vorbei, der Kessel versank und nur der Ring blieb zurück. Vor ungefähr zwanzig Jahren wurde der Kesselring noch gezeigt.

Zu Quedlinburg steht ein Haus, in dessen Grundtiefen sich große Goldschätze befinden sollen. Vor Jahren wohnte ein Kupferschmidt darin, dessen Frau den Lehrjungen verschiedenes Handwerksgeräth in Ordnung bringen hieß, besonders sollte er einen großen Kessel im Hintergebäude rein machen. Als am Abend der Junge mit der Arbeit zu Ende gekommen war und jetzt zum großen Kessel trat, fand er diesen bis oben gefüllt mit glänzenden Goldstücken. Vor Freude erschrocken, griff er einige Stücke heraus, eilte damit zur Meisterin und erzählte ihr, was er gesehen. Sie lief mit hin, aber noch waren beide nicht über die Schwelle der Thüre zum Hintergebäude gekommen,[S. 293] als sie ein plötzliches Krachen, Rauschen und Klingen hörten; und drinnen sahen sie noch, wie sich der große Kessel in seiner alten Fuge bewegte und dann still stand. Als sie aber hinzutraten, war er schon wieder leer und das Gold hinabgesunken.

213.
Der Wärwolf.

Mündlich in Hessen.
vgl. Bräuner’s Curiosit. S. 252. 253.
Nic. Remigii daemonolatria &c. Francof. 1598.p. 263. 264.

Ein Soldat erzählte folgende Geschichte, die seinem eigenen Großvater begegnet seyn soll. Dieser, sein Großvater, sey einmal zu Wald holzhauen gegangen, mit einem Gevatter und noch einem dritten, welchen dritten man immer im Verdacht gehabt, daß es nicht ganz richtig mit ihm gewesen; doch so hätte man nichts gewisses davon zu sagen gewußt. Nun hätten die dreie ihre Arbeit gethan und wären müde geworden, worauf dieser dritte vorgeschlagen: ob sie nicht ein bischen ausschlafen wollten. Das sey denn nun so geschehen, jeder hätte sich nieder an den Boden gelegt; er, der Großvater, aber nur so gethan, als schlief er und die Augen ein wenig aufgemacht. Da hätte der dritte erst recht um sich gesehen, ob die andern auch schliefen und als er solches geglaubt, auf einmal den Gürtel abgeworfen und wäre ein Wärwolf gewesen, doch sehe ein solcher Wärwolf nicht ganz aus, wie ein natürlicher Wolf, sondern etwas anders.[S. 294] Darauf wäre er weggelaufen zu einer nahen Wiese, wo gerade ein jung Füllen gegraset, das hätte er angefallen und gefressen mit Haut und Haar. Hernach wäre er zurückgekommen, hätte den Gürtel wieder umgethan und nun, wie vor, in menschlicher Gestalt dagelegen. Nach einer kleinen Weile, als sie alle zusammen aufgestanden, wären sie heim nach der Stadt gegangen und wie sie eben am Schlagbaum gewesen, hätte jener Dritte über Magenweh geklagt. Da hätte ihm der Großvater heimlich ins Ohr geraunt: “das will ich wohl glauben, wenn man ein Pferd mit Haut und Haar in den Leib gegessen hat;” — jener aber geantwortet: “hättest du mir das im Wald gesagt, so solltest du es jetzo nicht mehr sagen.”

Ein Weib hatte die Gestalt eines Wärwolfs angenommen und war also einem Schäfer, den sie gehaßt, in die Heerde gefallen und hatte ihm großen Schaden gethan. Der Schäfer aber verwundete den Wolf durch einen Beil-Wurf in die Hüfte, so daß er in ein Gebüsch kroch. Da ging der Schäfer ihm nach und gedachte ihn ganz zu überwältigen, aber er fand ein Weib, beschäfftigt, mit einem abgerissenen Stück ihres Kleides das aus der Wunde strömende Blut zu stillen.

Zu Lüttich wurden im Jahr 1610 zwei Zauberer hingerichtet, weil sie sich in Wärwölfe verwandelt und viel Kinder getödtet. Sie hatten einen Knaben bei sich von zwölf Jahren, welchen der Teufel zum Raben machte, wenn sie Raub zerrissen und gefressen.

[S. 295]

214.
Der Wärwolf-Stein.

Otmar S. 270-276.

Bei dem magdeburgischen Dorfe Eggenstedt, unweit Sommerschenburg und Schöningen, erhebt sich auf dem Anger nach Seehausen zu ein großer Stein, den das Volk den Wolf- oder Wärwolfs-Stein nennet. Vor langer, langer Zeit hielt sich an dem brandsleber Holze, das sonst mit dem Hackel und dem Harz zusammenhing, ein Unbekannter auf, von dem man nie erfahren hat, wer er sey, noch woher er stamme. Ueberall bekannt unter dem Namen des Alten kam er öfters ohne Aufsehen in die Dörfer, bot seine Dienste an und verrichtete sie zu der Landleute Zufriedenheit. Besonders pflegte er die Hütung der Schafe zu übernehmen. Es geschah, daß in der Heerde des Schäfers Melle zu Neindorf ein niedliches, buntes Lamm fiel; der Unbekannte bat den Schäfer dringend und ohn Ablaß, es ihm zu schenken. Der Schäfer wollt’ es nicht lassen. Am Tag der Schur brauchte Melle den Alten, der ihm dabei half; bei seiner Zurückkunft fand er zwar alles in Ordnung und die Arbeit gethan, aber weder den Alten noch das bunte Lamm. Niemand wußte geraume Zeitlang von dem Alten. Endlich stand er einmal unerwartet vor dem Melle, welcher im Kattenthal weidete und rief höhnisch: “guten Tag, Melle, dein bunt Lamm läßt dich grüßen!” Ergrimmt griff der Schäfer seinen Krummstab[S. 296] und wollte sich rächen. Da wandelte plötzlich der Unbekannte die Gestalt und sprang ihm als Wärwolf entgegen. Der Schäfer erschrack, aber seine Hunde fielen wüthend auf den Wolf, welcher entfloh; verfolgt rann er durch Wald und Thal bis in die Nähe von Eggenstadt. Die Hunde umringten ihn da und der Schäfer rief: “nun sollst du sterben!” Da stand der Alte wieder in Menschengestalt, flehte bittend um Schonung und erbot sich zu allem. Aber wüthend stürzte der Schäfer mit seinem Stock auf ihn ein, — urplötzlich stand vor ihm ein aufsprießender Dornstrauch. Auch so schonte der Rachsüchtige nicht, sondern zerhieb grausam die Zweige. Noch einmal wandelte sich der Unbekannte in einen Menschen und bat um sein Leben. Allein der hartherzige Melle blieb unerbittlich. Da suchte er als Wärwolf zu entfliehen, aber ein Streich des Melle streckte ihn todt zur Erde. Wo er fiel und beigescharrt wurde, bezeichnet ein Felsstein den Ort und heißt nach ihm auf ewige Zeiten.

215.
Die Wärwölfe ziehen aus.

Pucerus de divinatione p. 170.
Bräuner’s Curiositäten 251. 255.

In Liefland ist folgende Sage. Wann der Christ-Tag verflossen ist, so geht ein Junge, der mit einem Bein hinkt, herum und fordert alle dem Bösen ergebene, deren eine große Anzahl ist, zusammen und heißt sie nachfolgen. Zaudern etliche darunter und sind[S. 297] säumig, so ist ein anderer großer langer Mann da, der mit einer von Eisen-Drath und Kettlein geflochtenen Peitsche auf sie haut und mit Zwang forttreibt. Er soll so grausam auf die Leute peitschen, daß man nach langer Zeit Flecken und Narben auf ihrem Leib sehen kann, wovon sie viel Schmerzen empfinden.

Sobald sie anheben, ihm zu folgen, gewinnt es das Ansehen, als ob sie ihre vorige Gestalt ablegten und in Wölfe verwandelt würden. Da kommen ihrer ein paar tausende zusammen: der Führer, mit der eisernen Geissel in der Hand, geht voran. Wenn sie nun aufs Feld geführt sind, fallen sie das Vieh grausam an und zerreißen, was sie nur ergreifen können, womit sie großen Schaden thun. Doch Menschen zu verletzen, ist ihnen nicht vergönnt. Kommen sie an ein Wasser, so schlägt der Führer mit seiner Ruthe oder Geissel hinein und theilt es voneinander, so daß sie trockenes Fußes übergehen können. Sind zwölf Tage verflossen, so legen sie die Wärwolfs-Gestalt ab und werden wieder zu Menschen.

216.
Der Drache fährt aus.

Scheuchzer itinera per alpinas regiones. III. 386. 387. 396.
Valvassor Ehre von Crain III. c. 32.
Seyfried in medulla p. 629. N. 5.
vgl. Gesta rom. c. 114.

Das Alpenvolk in der Schweitz hat noch viele Sagen bewahrt von Drachen und Würmern, die vor alter[S. 298] Zeit auf dem Gebirge hausten und oftmals verheerend in die Thäler herabkamen. Noch jetzt, wenn ein ungestümer Waldstrom über die Berge stürzt, Bäume und Felsen mit sich reißt, pflegt es in einem tiefsinnigen Sprüchwort zu sagen: “es ist ein Drach ausgefahren.” Folgende Geschichte ist eine der merkwürdigsten:

Ein Binder aus Lucern ging aus, Daubenholz für seine Fässer zu suchen. Er verirrte sich in eine wüste, einsame Gegend, die Nacht brach ein und er fiel plötzlich in eine tiefe Grube, die jedoch unten schlammig war, wie in einen Brunnen hinab. Zu beiden Seiten auf dem Boden waren Eingänge in große Höhlen; als er diese genauer untersuchen wollte, stießen ihm zu seinem großen Schrecken zwei scheußliche Drachen auf. Der Mann betete eifrig, die Drachen umschlangen seinen Leib verschiedenemal, aber sie thaten ihm kein Leid. Ein Tag verstrich und mehrere, er mußte vom 6. November bis zum 10. April in Gesellschaft der Drachen harren. Er nährte sich gleich ihnen von einer salzigten Feuchtigkeit, die aus den Felsenwänden schwitzte. Als nun die Drachen witterten, daß die Winterzeit vorüber war, beschlossen sie auszufliegen. Der eine that es mit großem Rauschen und während der andere sich gleichfalls dazu bereitete, ergriff der unglückseelige Faßbinder des Drachen Schwanz, hielt fest daran und kam aus dem Brunnen mit heraus. Oben ließ er los, wurde frei und begab sich wieder in die Stadt. Zum Andenken ließ er die ganze[S. 299] Begebenheit auf einen Priesterschmuck sticken, der noch jetzt in des heil. Leodagars Kirche zu Lucern zu sehen ist. Nach den Kirchenbüchern hat sich die Geschichte im Jahr 1420 zugetragen.

217.
Winkelried und der Lindwurm.

Etterlin’s Chronik. Basel 1764. S. 12. 13.
Stumpf chron. Helvet. VII. cap. 2.
Joh. Müller Schweiz. Gesch. I. 514.
Scheuchzer l. c. p. 389. 390.

In Unterwalden beim Dorf Wyler hauste in der uralten Zeit ein scheußlicher Lindwurm, welcher alles was er ankam, Vieh und Menschen tödtete und den ganzen Strich verödete, dergestalt, daß der Ort selbst davon den Namen Ödwyler empfing. Da begab es sich, daß ein Eingeborener, Winkelried geheißen, als er einer schweren Mordthat halben landesflüchtig werden müssen, sich erbot, den Drachen anzugreifen und umzubringen, unter der Bedingung, wenn man ihn nachher wieder in seine Heimath lassen würde. Da wurden die Leute froh und erlaubten ihm wieder in das Land; er wagt’ es und überwand das Ungeheuer, indem er ihm einen Bündel Dörner in den aufgesperrten Rachen stieß. Während es nun suchte diesen auszuspeien und nicht konnte, versäumte das Thier seine Vertheidigung, und der Held nutzte die Blößen. Frohlockend warf er den Arm auf,[S. 300] womit er das bluttriefende Schwert hielt und zeigte den Einwohnern die Siegesthat, da floß das giftige Drachenblut auf den Arm und an die bloße Haut und er mußte alsbald das Leben lassen. Aber das Land war errettet und ausgesöhnt; noch heutigestags zeigt man des Thieres Wohnung im Felsen und nennt sie die Drachenhöhle.

218.
Der Lindwurm am Brunnen.

Mündlich von einem Bauer aus Oberbirbach.

Zu Frankenstein, einem alten Schlosse anderthalb Stunden weit von Darmstadt, hausten vor alten Zeiten drei Brüder zusammen, deren Grabsteine man noch heutiges Tags in der oberbirbacher Kirche siehet. Der eine der Brüder hieß Hans und er ist ausgehauen, wie er auf einem Lindwurm steht. Unten im Dorfe fließt ein Brunnen, in dem sich sowohl die Leute aus dem Dorf als aus dem Schloß ihr Wasser holen müssen; dicht neben den Brunnen hatte sich ein gräßlicher Lindwurm gelagert, und die Leute konnten nicht anders Wasser schöpfen, als dadurch, daß sie ihm täglich ein Schaf oder ein Rindvieh brachten; so lang der Drache daran fraß, durften die Einwohner zum Brunnen. Um diesen Unfug aufzuheben, beschloß Ritter Hans, den Kampf zu wagen; lange stritt er, endlich gelang es ihm, dem Wurme den Kopf abzuhauen.[S. 301] Nun wollte er auch den Rumpf des Unthiers, der noch zappelte, mit der Lanze durchstechen, da kringelte sich der spitzige Schweif um des Ritters rechtes Bein und stach ihn gerade in die Kniekehle, die einzige Stelle, welche der Panzer nicht deckte. Der ganze Wurm war giftig und Hans von Frankenstein mußte sein Leben lassen.

219.
Das Drachenloch.

Scheuchzer l. c. III. p. 383. 384.
Cysati Beschr. des IV. Waldstädtersee p. 175. aus Jac. Man. hist. Austriae.
Athanas. Kircher mund. subt. VIII. p. 94. aus Cysat.
Wagner hist. nat. Helvetiae p. 246.
Joh. Müller Schweizer-Gesch. II. 440. Not. 692.

Bei Burgdorf im Bernischen liegt eine Höhle, genannt das Drachenloch, worin man vor alten Zeiten bei Erbauung der Burg zwei ungeheure Drachen gefunden haben soll. Die Sage berichtet: Als im Jahr 712. zwei Gebrüder Syntram und Beltram (nach andern Guntram und Waltram genannt), Herzöge von Lensburg, ausgingen zu jagen, stießen sie in wilder und wüster Waldung auf einen hohlen Berg. In der Höhlung lag ein ungeheurer Drache, der das Land weit umher verödete. Als er die Menschen gewahrte, fuhr er in Sprüngen auf sie los und im Augenblick verschlang er Bertram, den jüngeren Bruder, lebendig.[S. 302] Syntram aber setzte sich kühn zur Wehr und bezwang nach heißem Kampf das wilde Gethier, in dessen gespaltenem Leib sein Bruder noch ganz lebendig lag. Zum Andenken ließen die Fürsten am Orte selbst eine Capelle der heil. Margaretha gewidmet bauen und die Geschichte abmahlen, wo sie annoch zu sehen ist.

220.
Die Schlangenkönigin.

Wyß S. 148-184.

Ein Hirtenmädchen fand oben auf dem Fels eine kranke Schlange liegen, die wollte verschmachten. Da reichte es ihr mitleidig seinen Milchkrug, die Schlange leckte begierig und kam sichtbar zu Kräften. Das Mädchen ging weg und bald drauf geschah es, daß ihr Liebhaber um sie warb, allein ihrem reichen, stolzen Vater zu arm war und spöttisch abgewiesen wurde, bis er auch einmal so viel Heerden besäße, wie der alte Hirt. Von der Zeit an hatte der alte Hirt kein Glück mehr, sondern lauter Unfall; man wollte des Nachts einen feurigen Drachen über seinen Fluren sehen und sein Gut verdarb. Der arme Jüngling war nun eben so reich und warb nochmals um seine Geliebte, die wurde ihm jetzt zu Theil. An dem Hochzeittag trat eine Schlange ins Zimmer, auf deren gewundenem Schweif eine schöne Jungfrau saß, die sprach, daß sie es wäre, der einstmal die gute Hirtin in der[S. 303] Hungersnoth ihre Milch gegeben, und aus Dankbarkeit nahm sie ihre glänzende Krone vom Haupt ab und warf sie der Braut in den Schooß. Sodann verschwand sie, aber die jungen Leute hatten großen Segen in ihrer Wirthschaft und wurden bald wohlhabend.

221.
Die Jungfrau im Oselberg.

Crusii analecta paralipom. c. 17. p. 68.

Zwischen Dinkelsbühl und Hahnkamm stand auf dem Oselberg vor alten Zeiten ein Schloß, wo eine einige Jungfrau gelebt, die ihrem Vater als Wittiber Haus hielt und den Schlüssel zu allen Gemächern in ihrer Gewalt gehabt. Endlich ist sie mit den Mauern verfallen und umkommen, und das Geschrei kam aus, daß ihr Geist um das Gemäuer schwebe und Nachts an den vier Quatembern in Gestalt einer Fräulein, die ein Schlüsselbund an der Seite trägt, erscheine. Dagegen sagen alte Bauern dieser Orte aus, von ihren Vätern gehört zu haben, diese Jungfer sey eines alten Heiden Tochter gewesen und in eine abscheuliche Schlange verwünscht worden; auch werde sie in Weise einer Schlange, mit Frauenhaupt und Brust, ein Gebund Schlüssel am Hals, zu jener Zeit gesehen.

[S. 304]

222.
Der Krötenstuhl[12].

Die Brautschau, ein Mährlein von C.F.W. Magdeburg 1796.

Auf Nothweiler, einer elsäßischen Burg im Wasgau, lebte vor alten Zeiten die schöne Tochter eines Herzogs, die aber so stolz war, daß sie keinen ihrer vielen Freier gut genug fand und viele umsonst das Leben verlieren mußten. Zur Strafe wurde sie dafür verwünscht und muß so lang auf einem öden Felsen hausen, bis sie erlöst wird. Nur einmal die Woche, nämlich den Freitag, darf sie sichtbar erscheinen, aber einmal in Gestalt einer Schlange, das zweitemal als Kröte und das drittemal als Jungfrau in ihrer natürlichen Art. Jeden Freitag wascht sie sich auf dem Felsen, der noch heutigestags der Krötenstuhl heißt, an einem Quellborn und sieht sich dabei in die Weite um, ob niemand nahe, der sie erlöse. Wer das Wagstück unternehmen will, der findet oben auf dem Krötenstuhl eine Muschel mit drei Wahrzeichen: einer Schlangenschuppe, einem Stück Krötenhaut und einer gelben Haarlocke. Diese drei Dinge bei sich tragend, muß er einen Freitag Mittag in die wüste Burg steigen, warten bis sie sich zu waschen kommt und sie drei Wochen hintereinander in jeder ihrer Erscheinungen auf den Mund küssen, ohne zu entfliehen. Wer[S. 305] das aushält, bringt sie zur Ruhe und empfängt alle ihre Schätze. Mancher hat schon die Merkzeichen gefunden und sich in die Trümmer der alten Burg gewagt, und viele sind vor Furcht und Greuel umgekommen. Einmal hatte ein kühner Bursch schon den Mund der Schlange berührt und wollte auf die andre Erscheinung warten, da ergriff ihn Entsetzen und er rannte bergab; zornig und raschelnd verfolgte sie ihn als Kröte bis auf den Krötenstuhl. Sie bleibt übrigens die Länge der Zeit hindurch wie sie war und altert nimmer. Als Schlange ist sie am gräßlichsten und nach dem Spruch des Volks “groß wie ein Wieschbaum (Heubaum), als Krott groß wie ein Bachofen und da spaucht sie Feuer.”

[12] In den gemeinen Mundarten heißt der Waldschwamm: Kröten-, oder Paddenstuhl.

223.
Die Wiesenjungfrau.

Mündlich, aus Hessen.

Ein Bube von Auerbach an der Bergstraße hütete seines Vaters Kühe auf der schmalen Thalwiese, von der man das alte Schloß sehen kann. Da schlug ihn auf einmal von hintenher eine weiche Hand sanft an den Backen, daß er sich umdrehte, und siehe, eine wunderschöne Jungfrau stand vor ihm, von Kopf zu den Füßen weiß gekleidet, und wollte eben den Mund aufthun, ihn anzureden. Aber der Bub erschrack, wie vor dem Teufel selbst, und nahm das Reißaus ins[S. 306] Dorf hinein. Weil indessen sein Vater bloß die eine Wiese hatte, mußte er die Kühe immer wieder zu derselben Weide treiben, er mochte wollen oder nicht. Es währte lange Zeit, und der Junge hatte die Erscheinung bald vergessen, da raschelte etwas in den Blättern an einem schwülen Sommertag und er sah eine kleine Schlange kriechen, die trug eine blaue Blume in ihrem Mund und fing plötzlich zu sprechen an: “hör, guter Jung, du könntest mich erlösen, wenn du diese Blume nähmest, die ich trage, und die ein Schlüssel ist zu meinem Kämmerlein droben im Schloß, da würdest du Gelds die Fülle finden.” Aber der Hirtenbub erschrack, da er sie reden hörte, und lief wieder nach Haus. Und an einem der letzten Herbsttage hütete er wieder auf der Wiese, da zeigte sie sich zum drittenmal in der Gestalt der ersten weißen Jungfrau und gab ihm wieder einen Backenstreich, bat auch flehentlich, er möchte sie doch erlösen, wozu sie ihm alle Mittel und Wege angab. All ihr Bitten war für nichts und wider nichts, denn die Furcht überwältigte den Buben, daß er sich kreuzte und segnete und wollte nichts mit dem Gespenst zu thun haben. Da hohlte die Jungfrau einen tiefen Seufzer und sprach: “weh, daß ich mein Vertrauen auf dich gesetzt habe; nun muß ich neuerdings harren und warten, bis auf der Wiese ein Kirschenbaum wachsen und aus des Kirschenbaums Holz eine Wiege gemacht seyn wird. Nur das Kind, das in der Wiege zuerst gewiegt werden wird, kann mich dereinst erlösen.” Darauf verschwand[S. 307] sie und der Bub, heißt es, sey nicht gar alt geworden; woran er gestorben, weiß man nicht.

224.
Das Niesen im Wasser.

Mündlich, aus Hessen.

An einem Brücklein, das über die Auerbach geht, hörte jemand etwas im Wasser dreimal niesen, da sprach er dreimal: “Gott helf!” und damit wurde der Geist eines Knaben erlöst, der schon dreißig Jahre auf diese Worte gelauert hatte. Oberhalb demselben Brücklein hörte, nach einer andern Erzählung, ein anderer dreimal aus dem Bach herausniesen. Zweimal sagte er: “Gott helf!” beim drittenmal aber: “der Teufel hohl dich!” Da that das Wasser einen Wall, wie wenn sich einer mit Gewalt darin umdrehte.

225.
Die arme Seele.

Mündlich, aus Paderborn.

Et sit en arme Seele unner de Brügge för Haxthusen-Hove to Paderborn, de prustet unnerwielen. Wenn nu ter sülvtigen Tiet en Wage der över färt un de Fohrmann segd nich: “Gott seegen!” so mot de Wage ümfallen. Un hät oll manig Mann Arm un Bein terbroken.

[S. 308]

226.
Die verfluchte Jungfer.

Eisenacher Volks-Sagen II. 179. 180.

Unweit Eisenach in einer Felsenhöhle zeigt sich zuweilen um die Mittagsstunde ein Fräulein, die nur dadurch erlöst werden kann, daß ihr jemand auf dreimaliges Niesen dreimal: “helf Gott!” zuruft. Sie war eine halsstarrige Tochter und wurde vorzeiten von ihrer guten Mutter im Zorn dahin verwünscht.

227.
Das Fräulein von Staufenberg.

Otmar’s Sammlung.

Auf dem Harz bei Zorge, einem braunschweigischen Dorfe, liegt der Staufenberg, ehdem mit einer Burg bebaut. Man sieht jetzo eine Klippe da, auf der ein Menschenfuß eingedrückt stehet. Diese Fußtapfe drückte einst die Tochter des alten Burgherrn in den Fels, auf dem sie oft lange stand, weil es ihr Lieblingsplätzchen war. Noch von Zeit zu Zeit zeigt sich dort das verzauberte Fräulein in ihren goldgelben, geringelten Haaren.

228.
Der Jungferstein.

Melissantes Orograph. h. v.

In Meißen, unweit der Festung Königstein, liegt ein Felsen, genannt Jungferstein, auch Pfaffenstein.[S. 309] Einst verfluchte eine Mutter ihre Tochter, welche Sonntags nicht zur Kirche, sondern in die Heidelbeeren gegangen war. Da wurde die Tochter zu Stein und ist ihr Bild gegen Mittag noch zu sehen.

Im dreißigjährigen Krieg flüchteten dahin die Leute vor den Soldaten.

229.
Das steinerne Brautbett.

Spieß Biograph. der Wahnsinn. Th. 3. u. 4. aus der Volkssage.

In Deutschböhmen thürmt sich ein Felsen, dessen Spitze in zwei Theile getheilt gleichsam ein Lager und Bett oben bildet. Davon hört man sagen: es habe sonst da ein Schloß gestanden, worin eine Edelfrau mit ihrer einzigen Tochter lebte. Diese liebte wider den Willen der Mutter einen jungen Herrn aus der Nachbarschaft und die Mutter wollte niemals leiden, daß sie ihn heirathete. Aber die Tochter übertrat das Gebot und versprach sich heimlich ihrem Liebhaber, mit der Bedingung, daß sie auf den Tod der Mutter warten und sich dann vermählen wollten. Allein die Mutter erfuhr noch vor ihrem Tode das Verlöbniß, sprach einen strengen Fluch aus und bat Gott inbrünstig, daß er ihn hören und der Tochter Brautbett in einen Stein verwandeln möge. Die Mutter starb, die ungehorsame Tochter reichte dem Bräutigam die Hand und die Hochzeit wurde mit großer Pracht auf dem Felsenschloß gefeiert. Um Mitternacht,[S. 310] wie sie in die Brautkammer gingen, hörte die Nachbarschaft ringsumher einen fürchterlichen Donner schlagen. Am Morgen war das Schloß verschwunden, kein Weg und Steg führte zum Felsen und auf dem Gipfel saß die Braut in dem steinernen Bette, welches man noch jetzt deutlich sehen und betrachten kann. Kein Mensch konnte sie erretten, und jeder der versuchen wollte, die Steile zu erklettern, stürzte herab. So mußte sie verhungern und verschmachten; ihren todten Leichnam fraßen die Raben.

230.
Zum Stehen verwünscht.

Prätorius Weltbeschr. I. 659-661.

Im Jahr Christi 1545. begab sichs zu Freiberg in Meißen, daß Lorenz Richter, ein Weber seines Handwerks, in der Wein-Gasse wohnend, seinem Sohn, einem Knaben von vierzehn Jahren, befahl, etwas eilend zu thun; der aber verweilte sich, blieb in der Stube stehen und ging nicht bald dem Worte nach. Deßwegen der Vater entrüstet wurde und im Zorn ihm fluchte: “ei stehe, daß du nimmermehr könnst fortgehen!” Auf diese Verwünschung blieb der Knabe alsbald stehen, konnte von der Stelle nicht kommen und stand so fort drei ganzer Jahre an dem Ort, also daß er tiefe Gruben in die Dielen eindrückte, und ward ihm ein Pult untergesetzt, darauf er mit Haupt und[S. 311] Armen sich lehnen und ruhen konnte. Weil aber die Stelle, wo er stand, nicht weit von der Stubenthüre und auch nahe am Ofen war, und deshalb den Leuten, welche hineinkamen, sehr hinderlich, so haben die Geistlichen der Stadt auf vorhergehendes fleißiges Gebät ihn von selbem Ort erhoben und gegenüber in den andern Winkel glücklich und ohne Schaden, wiewohl mit großer Mühe, fortgebracht. Denn wenn man ihn sonst forttragen wollen, ist er alsbald mit unsäglichen Schmerzen befallen und wie ganz rasend worden. An diesem Ort, nachdem er niedergesetzt worden, ist er ferner bis ins vierte Jahr gestanden und hat die Dielen noch tiefer durchgetreten. Man hatte nachgehends einen Umhang um ihn geschlagen, damit ihn die aus- und eingehenden nicht also sehen konnten, welches auf sein Bitten geschehen, weil er gern allein gewesen ist und vor stäter Traurigkeit nicht viel geredet. Endlich hat der gütige Gott die Strafe in etwas gemildert, so daß er das letzte halbe Jahr sitzen und sich in das Bett, das neben ihn gestellt worden, hat niederlegen können. Fragte ihn jemand, was er mache, so gab er gemeinlich zur Antwort, er leide Gottes Züchtigung wegen seiner Sünden, setze alles in dessen Willen und halte sich an das Verdienst seines Herrn Jesu Christi, worauf er hoffe selig zu werden. Er hat sonst gar elend ausgesehen, war blaß und bleich von Angesicht, am Leibe gar schmächtig und abgezehrt, im Essen und Trinken mäßig, also daß es zur Speise oft Nöthigens bedurfte. Nach Ausgang[S. 312] des siebten Jahrs ist er dieses seines betrübten Zustandes den elften September 1552 gnädig entbunden worden, indem er eines vernünftigen und natürlichen Todes in wahrer Bekenntniß und Glauben an Jesum Christum selig entschlafen. Die Fußstapfen sieht man auf heutigen Tag in obgedachter Gasse und Haus, (dessen jetziger Zeit Severin Tränkner Besitzer ist), in der obern Stube, da sich diese Geschichte begeben, die erste bei dem Ofen, die andere in der Kammer nächst dabei, weil nachgehender Zeit die Stuben unterschieden worden.

231.
Die Bauern zu Kolbeck.

Bange thüring. Chronik. Bl. 39.
Becherer thüring. Chronik S. 193. 194.
Gerstenberg bei Schminke mon. hass. I. 88. 89.
Spangenberg Brautpredigt 45.

Im Jahr 1012. war ein Bauer im Dorf Kolbeke bei Halberstadt, der hieß Albrecht, der machte in der Christnacht einen Tanz mit andern funfzehn Bauern, dieweil man Messe hielt, außen auf dem Kirchhof und waren drei Weibsbilder unter ihnen. Und da der Pfarrherr heraustrat und sie darum strafte, sprach jener: “mich heißet (man) Albrecht, so heißet dich Ruprecht; du bist drinne frölich, so laß uns hausen frölich seyn; du singst drinnen deine Leisen, so laß uns unsern Reihen singen.” Sprach der Pfarrherr: “so wolle Gott und der Herr[S. 313] S. Magnus, daß ihr ein ganz Jahr also tanzen müsset!” Das geschah, und Gott gab den Worten Kraft, so daß weder Regen noch Frost ihre Häupter berührte, noch sie Hitze, Hunger und Durst empfanden, sondern sie tanzten allum und ihre Schuhe zerschlissen auch nicht. Da lief einer (der Küster) zu und wollte seine Schwester aus dem Tanze ziehen, da folgten ihm ihre Arme. Als das Jahr vorüber war, kam der Bischof von Cöln, Heribert, und erlösete sie aus dem Bann; da starben ihrer vier sobald, die andern wurden sehr krank, und man sagt, daß sie sich in die Erde fast an den Mittel (d. h. an den Gürtel) sollen getanzt haben, und ein tiefer Graben in dem Grund ausgehöhlt wurde, der noch zu sehen ist. Der Landesherr ließ zum Zeichen so viel Steine darum setzen, als Menschen mitgetanzt hatten.

232.
Der heilige Sonntag.

Harsdörfer’s Mordgeschichten Nr. 120, 3.

Zu Kindstadt in Franken pflag eine Spinnerin des Sonntags über zu spinnen und zwang auch ihre Mägde dazu. Einsten dauchte sie miteinander, es ginge Feuer aus ihren Spinnrocken, thäte ihnen aber weiter kein Leid. Den folgenden Sonntag kam das Feuer wahrhaftig in den Rocken, wurde doch wieder gelöscht. Weil sies aber nicht achtete, ging den dritten Sonntag[S. 314] das ganze Haus an vom Flachs und verbrann die Frau mit zweien Kindern, aber durch Gottes Gnade wurde ein kleines Kind in der Wiegen erhalten, daß ihm kein Leid geschahe.

Man sagt auch, einem Bauer, der Sonntags in die Mühle ging, sein Getreid zu mahlen, sey es zu Aschen geworden, einem andern Scheuer und Korn abgebrunnen. Einer wollte auf den heiligen Tag pflügen und die Pflugschaar mit einem Eisen scheuern, das Eisen wuchs ihm an die Hand und mußte es zwei Jahr in großem Schmerz tragen, bis ihn Gott nach vielem brünstigen Gebet von der Plage erledigte.

233.
Frau Hütt.

vgl. Morgenblatt. 1811. Nr. 28.

In uralten Zeiten lebte im Tirolerland eine mächtige Riesen-Königin, Frau Hütt genannt und wohnte auf den Gebürgen über Innsbruck, die jetzt grau und kahl sind, aber damals voll Wälder, reicher Äcker und grüner Wiesen waren. Auf eine Zeit kam ihr kleiner Sohn heim, weinte und jammerte, Schlamm bedeckte ihm Gesicht und Hände, dazu sah sein Kleid schwarz aus, wie ein Köhlerkittel. Er hatte sich eine Tanne zum Stecken-Pferd abknicken wollen, weil der Baum aber am Rande eines Morastes stand, so war das Erdreich unter ihm gewichen und er bis zum[S. 315] Haupt in den Moder gesunken, doch hatte er sich noch glücklich heraus geholfen. Frau Hütt tröstete ihn, versprach ihm ein neues schönes Röcklein und rief einen Diener, der sollte weiche Brosamen nehmen und ihm damit Gesicht und Hände reinigen. Kaum aber hatte dieser angefangen mit der heiligen Gottes-Gabe also sündlich umzugehen, so zog ein schweres, schwarzes Gewitter daher, das den Himmel ganz zudeckte und ein entsetzlicher Donner schlug ein. Als es wieder sich aufgehellt, da waren die reichen Kornäcker, grünen Wiesen und Wälder und die Wohnung der Frau Hütt verschwunden und überall war nur eine Wüste mit zerstreuten Steinen, wo kein Grashalm mehr wachsen konnte, in der Mitte aber stand Frau Hütt, die Riesenkönigin, versteinert und wird so stehen bis zum jüngsten Tag.

In vielen Gegenden Tirols, besonders in der Nähe von Innsbruck, wird bösen und muthwilligen Kindern die Sage zur Warnung erzählt, wenn sie sich mit Brot werfen oder sonst Uebermuth damit treiben. “Spart eure Brosamen, heißt es, für die Armen, damit es euch nicht ergehe, wie der Frau Hütt.”

234.
Der Kindelsberg.

Stilling’s Leben. II. 24—29.

Hinter dem Geisenberg in Westphalen ragt ein hoher Berg mit dreien Köpfen hervor, davon heißt der[S. 316] mittelste noch der Kindelsberg, da stand vor alten Zeiten ein Schloß, das gleichen Namen führte, und in dem Schloß wohnten Ritter, die waren gottlose Leute. Zur Rechten hatten sie ein sehr schönes Silber-Bergwerk, davon wurden sie stockreich und von dem Reichthum wurden sie so übermüthig, daß sie sich silberne Kegel machten, und wenn sie spielten, so warfen sie diese Kegel mit silbernen Kugeln. Der Uebermuth ging aber noch weiter, denn sie bucken sich große Kuchen von Semmelmehl, wie Kutschenräder, machten mitten Löcher darein und steckten sie an die Achsen. Das war eine himmelschreiende Sünde, denn so viele Menschen hatten kein Brot zu essen. Gott ward es endlich auch müde. Eines Abends spät kam ein weißes Männchen ins Schloß und sagte an, daß sie alle binnen dreien Tagen sterben müßten und zum Wahrzeichen gab er ihnen, daß diese Nacht eine Kuh zwei Lämmer werfen würde. Das traf auch ein, aber niemand kehrte sich daran, als der jüngste Sohn, der Ritter Siegmund hieß, und eine Tochter, die eine gar schöne Jungfrau war. Diese bäteten Tag und Nacht. Die andern starben an der Pest, aber diese beiden blieben am Leben. Nun war aber auf dem Geisenberg ein junger kühner Ritter, der ritt beständig ein großes schwarzes Pferd und hieß darum der Ritter mit dem schwarzen Pferd. Er war ein gottloser Mensch, der immer raubte und mordete. Dieser Ritter gewann die schöne Jungfrau auf dem Kindelsberg lieb und wollte sie zur Ehe haben, sie schlug es ihm aber beständig[S. 317] ab, weil sie einem jungen Grafen von der Mark verlobt war, der mit ihrem Bruder in den Krieg gezogen war und dem sie treu bleiben wollte. Als aber der Graf immer nicht aus dem Krieg zurückkam und der Ritter mit dem schwarzen Pferd sehr um sie warb, so sagte sie endlich: “wenn die grüne Linde hier vor meinem Fenster wird dürr seyn, so will ich dir gewogen werden.” Der Ritter mit dem schwarzen Pferde suchte so lang in dem Lande, bis er eine dürre Linde fand, so groß wie jene grüne, und in einer Nacht bei Mondenschein grub er diese aus und setzte die dürre dafür hin. Als nun die schöne Jungfrau aufwachte, so war’s so hell vor ihrem Fenster, da lief sie hin und sah erschrocken, daß eine dürre Linde da stand. Weinend setzte sie sich unter die Linde und als der Ritter nun kam und ihr Herz verlangte, sprach sie in ihrer Noth: “ich kann dich nimmermehr lieben.” Da ward der Ritter mit dem schwarzen Pferd zornig und stach sie todt. Der Bräutigam kam noch denselben Tag zurück, machte ihr ein Grab und setzte eine Linde dabei und einen großen Stein, der noch zu sehen ist.

235.
Die Semmel-Schuhe.

Mündlich, aus Deutschböhmen.

Im Klatauer Kreis, eine Viertelstunde vom Dorf Oberkamenz, stand auf dem Hradekberg ein Schloß,[S. 318] davon noch einige Trümmer bleiben. Vor alter Zeit ließ der Burgherr eine Brücke bauen, die bis nach Stankau, welches eine Stunde Wegs weit ist, führte und die Brücke war der Weg, den sie zur Kirche gehen mußten. Dieser Burgherr hatte eine junge, hochmüthige Tochter, die war so vom Stolz besessen, daß sie Semmeln aushöhlen ließ und statt der Schuhe anzog. Als sie nun einmal auf jener Brücke mit solchen Schuhen zur Kirche ging und eben auf die letzte Stufe trat, so soll sie und das ganze Schloß versunken seyn. Ihre Fußstapfe sieht man noch jetzt in einem Stein, welcher eine Stufe dieser Brücke war, deutlich eingedruckt.

236.
Der Erdfall bei Hochstädt.

Behrens curiöser Harzwald S. 85. 86.

Im brandenburgischen Amt Klettenberg gegen den Unterharz, unfern des Dorfs Hochstädt, sieht man einen See und einen Erdfall, von dem die Einwohner folgende Sage haben: in vorigen Zeiten sey an der Stelle des Sees eine Grasweide gewesen. Da hüteten etliche Pferdejungen ihr Vieh, und als die andern sahen, daß einer unter ihnen weiß Brot aß, bekamen sie auch Lust, davon zu genießen und forderten es dem Jungen ab. Dieser wollte ihnen aber nichts mittheilen, denn er bedürfe es zur Stillung seines eigenen[S. 319] Hungers. Darüber erzürnten sie, fluchten ihren Herrn, daß sie ihnen blos gemeines schwarz-Hausbacken-Brot gäben, warfen ihr Brot frevelhaft zur Erde, tratens mit Füßen und geisseltens mit ihren Peitschen. Alsbald kam Blut aus dem Brot geflossen, da erschracken die Knechte, wußten nicht wohin sich wenden; der unschuldige aber (den, wie einige hinzufügen, ein alter unbekannter, dazu kommender Mann gewarnt haben soll) schwang sich zu Pferd und entfloh dem Verderben. Zu spät wollten die andern nachfolgen, sie konnten nicht mehr von der Stelle und plötzlich ging der ganze Platz unter. Die bösen Buben sammt ihren Pferden wurden tief in die Erde verschlungen und nichts von ihnen kam je wieder ans Tageslicht. Andere erzählen anders. Auch sollen aus dem See Pflanzen mit Blättern, wie Hufeisen, wachsen.

237.
Die Brot-Schuhe.

Mündlich, aus Deutschböhmen.

Einer Bürgersfrau war ihr junges Kind gestorben, das ihr Augapfel war, und wußte gar nicht genug, was sie ihm noch liebs und guts anthun sollte, eh es unter die Erde käme und sie’s nimmermehr sehen würde. Und wie sie’s nun im Sarg auf das beste putzte und kleidete, so däuchten ihr die Schühlein doch nicht gut genug und nahm das weißeste Mehl,[S. 320] was sie hatte, machte einen Teig und buck dem Kind welche von Brot. In diesen Schuhen wurde das Kind begraben, allein es ließ der Mutter nicht Rast noch Ruh, sondern erschien ihr jammervoll, bis sein Sarg wieder ausgegraben wurde und die Schühlein aus Brot von den Füßen genommen und andere ordentliche angezogen waren. Von da an stillte es sich.

238.
Das taube Korn.

Holländ. gemeine Sage. Grabner Reise in die Niederlande. Gotha 1792. S. 58-60.
Winsheim fries. Chronik. Bl. 147. 148.

Zu Stavoren in Friesland waren die Einwohner durch ihren Reichthum stolz und übermüthig geworden, daß sie Hausflur und Thüren mit Gold beschlagen ließen, den ärmeren Städten der Nachbarschaft zum Trotz. Von diesen wurden sie daher nicht anders genannt, als: “die verwöhnten Kinder von Stavoren.” Unter ihnen war besonders eine alte geitzhälsige Witwe, die trug einem Danzigfahrer auf, das beste was er laden könne, für ihre Rechnung mitzubringen. Der Schiffer wußte nichts bessers, als er nahm einige tausend Lasten schönes polnisch Getraid, denn zur Zeit der Abreise hatte die Frucht gar hoch gestanden in Friesland. Unterwegs aber begegnete ihm nichts wie Sturm und Unwetter und nöthigten ihn zu Bornholm überwintern, dergestalt daß wie er Frühjahrs endlich daheim[S. 321] anlangte, das Korn gänzlich im Preise gefallen war und die Witwe zornig die sämmtliche Ladung vor der Stadt in die See werfen ließ. Was geschah? An derselben Stelle that sich seit der Zeit eine mächtige Sandbank empor, geheißen der Frauensand, drauf nichts als taubes Korn (Wunderkorn, Dünenhelm, weil es die Dünen wider die See helmt [schützt], arundo arenaria) wuchs und die Sandbank lag vor dem Hafen, den sie sperrte, und der ganze Hafen ging zu Grunde. So wuchs an der Sünde der alten Frau die Buße für die ganze Stadt auf.

239.
Der Frauensand.

Mündlich aus Holland mitgetheilt.

Westlich im Südersee wachsen mitten aus dem Meer Gräser und Halme hervor an der Stelle, wo die Kirchthürme und stolzen Häuser der vormaligen Stadt Stavoren in tiefer Flut begraben liegen. Der Reichthum hatte ihre Bewohner ruchlos gemacht, und als das Maaß ihrer Uebelthaten erfüllt war, gingen sie bald zu Grunde. Fischer und Schiffer am Strand des Südersees haben die Sage von Mund zu Mund fortbewahrt.

Die vermögendste aller Insassen der Stadt Stavoren war eine sichere Jungfrau, deren Namen man nicht mehr nennt. Stolz auf ihr Geld und Gut, hart[S. 322] gegen die Menschen, strebte sie blos, ihre Schätze immer noch zu vermehren. Flüche und gotteslästerliche Reden hörte man viel aus ihrem Munde. Auch die übrigen Bürger dieser unmäßig reichen Stadt, zu deren Zeit man Amsterdam noch nicht nannte, und Rotterdam ein kleines Dorf war, hatten den Weg der Tugend verlassen.

Eines Tags rief diese Jungfrau ihren Schiffmeister und befahl ihm auszufahren und eine Ladung des edelsten und besten mitzubringen, was auf der Welt wäre. Vergebens forderte der Seemann, gewohnt an pünctliche und bestimmte Aufträge, nähere Weisung; die Jungfrau bestand zornig auf ihrem Wort und hieß ihn alsbald in die See stechen. Der Schiffmeister fuhr unschlüssig und unsicher ab, er wußte nicht, wie er dem Geheiß seiner Frau, deren bösen, strengen Sinn er wohl kannte, nachkommen möchte und überlegte hin und her, was zu thun. Endlich dachte er: ich will ihr eine Ladung des köstlichsten Weizen bringen, was ist schöners und edlers zu finden auf Erden, als dieß herrliche Korn, dessen kein Mensch entbehren kann? Also steuerte er nach Danzig, befrachtete sein Schiff mit ausgesuchtem Weizen und kehrte alsdann, immer noch unruhig und furchtsam vor dem Ausgang, wieder in seine Heimath zurück. “Wie, Schiffmeister, rief ihm die Jungfrau entgegen, du bist schon hier? ich glaubte dich an der Küste von Africa, um Gold und Elfenbein zu handeln, laß sehen, was du geladen hast.” Zögernd, denn an ihren Reden sah er schon, wie wenig[S. 323] sein Einkauf ihr behagen würde, antwortete er: “meine Frau, ich führe euch zu dem köstlichsten Weizen, der auf dem ganzen Erdreich mag gefunden werden.” “Weizen, sprach sie, so elendes Zeug bringst du mir?” — “ich dachte das wäre so elend nicht, was uns unser tägliches und gesundes Brot gibt” — “ich will dir zeigen, wie verächtlich mir deine Ladung ist; von welcher Seite ist das Schiff geladen?” — “von der rechten Seite (Stuurboordszyde),” sprach der Schiffmeister. — “Wohlan, so befehl ich dir, daß du zur Stunde die ganze Ladung auf der linken Seite (Bakboord) in die See schüttest; ich komme selbst hin und sehe, ob mein Befehl erfüllt worden.”

Der Seemann zauderte einen Befehl auszuführen, der sich so greulich an der Gabe Gottes versündigte und berief in Eile alle arme und dürftige Leute aus der Stadt an die Stelle, wo das Schiff lag, durch deren Anblick er seine Herrin zu bewegen hoffte. Sie kam und frug: “wie ist mein Befehl ausgerichtet?” Da fiel eine Schaar von Armen auf die Knie vor ihr und baten, daß sie ihnen das Korn austheilen möchte, lieber als es vom Meer verschlingen zu lassen. Aber das Herz der Jungfrau war hart wie Stein und sie erneuerte den Befehl, die ganze Ladung schleunig über Bord zu werfen. Da bezwang sich der Schiffmeister länger nicht und rief laut: “nein, diese Bosheit kann Gott nicht ungerächt lassen, wenn es wahr ist, daß der Himmel das Gute lohnt und das Böse straft; ein Tag wird kommen, wo ihr gerne die edlen[S. 324] Körner, die ihr so verspielt, eins nach dem andern auflesen möchtet, euren Hunger damit zu stillen!” “Wie, rief sie mit höllischem Gelächter, ich soll dürftig werden können? ich soll in Armuth und Brotmangel fallen? So wahr das geschieht, so wahr sollen auch meine Augen diesen Ring wieder erblicken, den ich hier in die Tiefe der See werfe.” Bei diesem Wort zog sie einen kostbaren Ring vom Finger und warf ihn in die Wellen. Die ganze Ladung des Schiffes und aller Weizen, der darauf war, wurde also in die See ausgeschüttet.

Was geschieht? Einige Tage darauf ging die Magd dieser Frauen zu Markt, kaufte einen Schelfisch und wollte ihn in der Küche zurichten; als sie ihn aufschnitt, fand sie darin einen kostbaren Ring und zeigte ihn ihrer Frauen. Wie ihn die Meisterin sah, erkannte sie ihn sogleich für ihren Ring, den sie neulich ins Meer geworfen hatte, erbleichte und fühlte die Vorboten der Strafe in ihrem Gewissen. Wie groß war aber ihr Schrecken, als in demselben Augenblick die Botschaft eintraf, ihre ganze aus Morgenland kommende Flotte wäre gestrandet! Wenige Tage darauf kam die neue Zeitung von untergegangenen Schiffen, worauf sie noch reiche Ladungen hatte. Ein anderes Schiff raubten ihr die Mohren und Türken; der Fall einiger Kaufhäuser, worin sie verwickelt war, vollendete bald ihr Unglück und kaum war ein Jahr verflossen, so erfüllte sich die schreckliche Drohung des Schiffmeisters in allen Stücken. Arm und von keinem betrauert,[S. 325] von vielen verhöhnt, sank sie je länger je mehr in Noth und Elend, hungrig bettelte sie Brot vor den Thüren und bekam oft keinen Bissen, endlich verkümmerte sie und starb verzweifelnd.

Der Weizen aber, der in das Meer geschüttet worden war, sproß und wuchs das folgende Jahr, doch trug er taube Ähren. Niemand achtete das Warnungszeichen, allein die Ruchlosheit von Stavoren nahm von Jahr zu Jahr überhand, da zog Gott der Herr seine schirmende Hand ab von der bösen Stadt. Auf eine Zeit schöpfte man Hering und Butt aus den Ziehbrunnen und in der Nacht öffnete sich die See und verschwalg mehr als drei Viertel der Stadt in rauschender Flut. Noch beinah jedes Jahr versinken einige Hütten der Insassen und es ist seit der Zeit kein Seegen und kein wohlhabender Mann in Stavoren zu finden. Noch immer wächst jährlich an derselben Stelle ein Gras aus dem Wasser, das kein Kräuterkenner kennt, das keine Blüte trägt und sonst nirgends mehr auf Erden gefunden wird. Der Halm treibt lang und hoch, die Ähre gleicht der Waizenähre, ist aber taub und ohne Körner. Die Sandbank, worauf es grünt, liegt entlangs der Stadt Stavoren und trägt keinen andern Namen als den des Frauensands.

[S. 326]

240.
Brot zu Stein geworden.

Melissantes Handb. f. Bürger u. Bauern. Fft. u. Lpg. 1744. S. 128.
Ernst Gemüthsergötzlichkeit S. 946.
Rheinischer Antiquar. S. 864.
Mündliche Sage aus Landshut.
Aus Danzig in Mart. Zeiller’s Handbuch von allerlei nützl. Sachen und Denkwürdigkeiten. Ulm 1655. S. 27.

Man hat an viel Orten, namentlich in Westphalen, die Sagen, daß zur Zeit großer Theuerung eine hartherzige Schwester ihre arme Schwester, die für sich und ihre Kindlein Brot gebeten, mit den Worten abgewiesen: “und wenn ich Brot hätte, wollte ich, daß es zu Stein würde!” — worauf sich ihr Brotvorrath alsbald in Stein verwandelt. Zu Leiden in Holland hebt man in der großen Peterskirche ein solches Steinbrot auf und zeigt es den Leuten zur Bewährung der Geschichte.

Im Jahr 1579 hatte ein dortmunder Becker in der Hungersnoth viel Korn aufgekauft und freute sich, damit recht zu wuchern. Als er aber mitten in diesem Geschäft war, ist ihm sein Brot im ganzen Hause eines Tages zu Stein worden und wie er einen Laib ergriffen und mit dem Messer aufschneiden wollen, Blut daraus geflossen. Darüber hat er sich alsbald in seiner Kammer erhängt.

In der dem heiligen Kastulus geweihten Hauptkirche zu Landshut hängt mit silberner Einfassung ein[S. 327] runder Stein in Gestalt eines Brotes, in dessen Oberfläche sich vier kleine Höhlungen befinden. Davon geht folgende Sage. Kurz vor seinem Tode kam der heil. Kastulus als ein armer Mann zu einer Wittwe in der Stadt und bat um ein Almosen. Die Frau hieß ihre Tochter, das einzige Brot, das sie noch übrig hatten, dem Dürftigen reichen. Die Tochter, die es ungern weggab, wollte vorher noch eilig einige Stücke abbrechen, aber in dem Augenblick verwandelte sich das, dem Heiligen schon eigene, Brot in Stein und man erblickt noch jetzt darin die eingedrückten Finger deutlich.

Zur Zeit einer großen Theurung ging ein armes Weib, ein Kind auf dem Arm, eins neben sich herlaufend und nach Brot laut schreiend, durch eine Straße der Stadt Danzig. Da begegnete ihr ein Mönch aus dem Kloster Oliva, den sie flehentlich um ein Bischen Brot für ihre Kinder bat. Der Mönch aber sagte: “ich habe keins.” Die Frau sprach: “ach ich sehe, daß ihr in euerm Busen Brot stecken habt.” “Ei, das ist nur ein Stein, die Hunde damit zu werfen,” antwortete der Mönch und ging fort. Nach einer Weile wollte er sein Brot holen und essen, aber er fand, daß es sich wirklich in Stein verwandelt hatte. Er erschrack, bekannte seine Sünde und gab den Stein ab, der noch jetzt in der Klosterkirche dort hängt.

[S. 328]

241.
Der binger Mäusethurm.

Bange thür. Chronik Bl. 35 b.

Zu Bingen ragt mitten aus dem Rhein ein hoher Thurm, von dem nachstehende Sage umgeht. Im Jahr 974. ward große Theuerung in Deutschland, daß die Menschen aus Noth Katzen und Hunde aßen und doch viel Leute Hungers sturben. Da war ein Bischof zu Mainz, der hieß Hatto der andere, ein Geizhals, dachte nur daran, seinen Schatz zu mehren und sah zu, wie die armen Leute auf der Gasse niederfielen und bei Haufen zu den Brotbänken liefen und das Brot nahmen mit Gewalt. Aber kein Erbarmen kam in den Bischof, sondern er sprach: “lasset alle Arme und Dürftige sammlen in einer Scheune vor der Stadt, ich will sie speisen.” Und wie sie in die Scheune gegangen waren, schloß er die Thüre zu, steckte mit Feuer an und verbrannte die Scheune sammt den armen Leuten. Als nun die Menschen unter den Flammen wimmerten und jammerten, rief Bischof Hatto: “hört, hört, wie die Mäuse pfeifen!” Allein Gott der Herr plagte ihn bald, daß die Mäuse Tag und Nacht über ihn liefen und an ihm fraßen, und vermochte sich mit aller seiner Gewalt nicht wider sie behalten und bewahren. Da wußte er endlich keinen andern Rath, als er ließ einen Thurm bei Bingen mitten in den Rhein bauen, der noch heutiges Tags zu sehen ist, und meinte sich darin zu fristen, aber die[S. 329] Mäuse schwummen durch den Strom heran, erklommen den Thurm und fraßen den Bischof lebendig auf.

242.
Das Bubenried.

Mündlich, aus dem Odenwald.

In der großbieberauer Gemarkung liegt ein Thal gegen Ueberau zu, das nennen die Leute das Bubenried und gehen nicht bei nächtlicher Weile dadurch, ohne daß ihnen die Hühnerhaut ankommt. Vor Zeiten, als Krieg und Hungersnoth im Reich war, gingen zwei Bettelbuben von Ueberau zurück, die hatten sich immer zu einander gehalten und in dem Thal pflegten sie immer ihr Almosen zu theilen. Sie hatten heute nur ein paar Blechpfennige gekriegt, aber dem einen hatte der reiche Schulz ein Armenlaibchen geschenkt, “das könne er mit seinem Gesellen theilen.” Wie nun alles andere redlich getheilt war und der Bub das Brot aus dem Schubfach zog, roch es ihm so lieblich in die Nase, daß er’s für sich allein behalten und dem andern nichts davon geben wollte. Da nahm der Friede sein Ende, sie zankten sich und von den Worten kams zum Raufen und Balgen, und als keiner den andern zwingen konnte, riß sich jeder einen Pfahl aus dem Pferch. Der böse Feind führte ihnen die Kolben und jeder Bub schlug den andern todt. Drei Nächte lang nach dem Mord regte sich kein[S. 330] Blatt und sang kein Vogel im Ried, und seitdem ists da ungeheuer und man hört die Buben wimmern und winseln.

243.
Kindelbrück.

Mündlich.

Diese thüringische Landstadt soll daher ihren Namen haben: es seyen vor Zeiten zwei kleine Kinder auf Steckenpferden auf der Brücke, die über die Wipper führt, geritten und ins Wasser gefallen.

244.
Die Kinder zu Hameln.

Sam. Erich der hamelschen Kinder Ausgang.
Kirchmayer vom unglücklichen Ausgang der hamel. Kinder. Dresd. u. Lpzg. 1702. 8.
Joh. Weier von Teufels-Gespenstern I. c. 16.
Meibom SS. RR. GG. III. p. 80.
Hondorf prompt. exempl. Tit. de educ. liberor.
Becherer thüring. Chronik S. 366. 367.
Seyfried’s medulla p. 476.
Hübner’s Geogr. III. Hamb. 1736. S. 611-613.
Verstegan decayed intelligence. London 1634. p. 85. 86.
Die hamelsche Chronik u. a. m.

Im Jahr 1284 ließ sich zu Hameln ein wunderlicher Mann sehen. Er hatte einen Rock von vielfarbigem, buntem Tuch an, weshalben er Bundting soll geheißen haben, und gab sich für einen Rattenfänger[S. 331] aus, indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und versicherten ihm einen bestimmten Lohn. Der Rattenfänger zog demnach ein Pfeifchen heraus und pfiff, da kamen alsobald die Ratten und Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn herum. Als er nun meinte, es wäre keine zurück, ging er hinaus und der ganze Haufe folgte ihm, und so führte er sie an die Weser; dort schürzte er seine Kleider und trat in das Wasser, worauf ihm alle die Thiere folgten und hineinstürzend ertranken.

Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie der versprochene Lohn und sie verweigerten ihn dem Manne unter allerlei Ausflüchten, so daß er zornig und erbittert wegging. Am 26sten Juni auf Johannis und Pauli Tag, Morgens früh sieben Uhr, nach andern zu Mittag, erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers erschrecklichen Angesichts mit einem rothen, wunderlichen Hut und ließ seine Pfeife in den Gassen hören. Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder, Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in großer Anzahl gelaufen, worunter auch die schon erwachsene Tochter des Burgermeisters war. Der ganze Schwarm folgte ihm nach und er führte sie hinaus in einen Berg, wo er mit ihnen verschwand. Dies hatte ein Kinder-Mädchen gesehen, welches mit einem Kind auf dem Arm von fern nachgezogen war, darnach umkehrte und[S. 332] das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern liefen haufenweis vor alle Thore und suchten mit betrübtem Herzen ihre Kinder; die Mütter erhoben ein jämmerliches Schreien und Weinen. Von Stund an wurden Boten zu Wasser und Land an alle Orte herumgeschickt, zu erkundigen, ob man die Kinder, oder auch nur etliche gesehen, aber alles vergeblich. Es waren im Ganzen hundert und dreißig verloren. Zwei sollen, wie einige sagen, sich verspätet und zurückgekommen seyn, wovon aber das eine blind, das andere stumm gewesen, also daß das blinde den Ort nicht hat zeigen können, aber wohl erzählen, wie sie dem Spielmann gefolgt wären; das stumme aber den Ort gewiesen, ob es gleich nichts gehört. Ein Knäblein war im Hemd mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock zu hohlen, wodurch es dem Unglück entgangen; denn als es zurückkam, waren die andern schon in der Grube eines Hügels, die noch gezeigt wird, verschwunden.

Die Straße, wodurch die Kinder zum Thor hinausgegangen, hieß noch in der Mitte des 18. J.H. (wohl noch heute) die bunge-lose (trommel-tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen, noch Saiten-Spiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik zur Kirche gebracht ward, mußten die Spiel-Leute über die Gasse hin stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden, heißt der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform sind aufgerichtet worden. Einige sagen, die[S. 333] Kinder wären in eine Höhle geführt worden und in Siebenbürgen wieder herausgekommen.

Die Bürger von Hameln haben die Begebenheit in ihr Stadtbuch einzeichnen lassen und pflegten in ihren Ausschreiben nach dem Verlust ihrer Kinder Jahr und Tag zu zählen. Nach Seyfried ist der 22ste statt des 26sten Juni im Stadtbuch angegeben. An dem Rath-Haus standen folgende Zeilen:

Im Jahr 1284 na Christi gebort
tho Hamel worden uthgevort
hundert und dreißig Kinder dasülvest geborn
dorch einen Piper under den Köppen verlorn.

Und an der neuen Pforte:

Centum ter denos cum magus ab urbe puellos duxerat ante annos CCLXXII condita porta fuit.

Im Jahr 1572 ließ der Burgermeister die Geschichte in die Kirchenfenster abbilden mit der nöthigen Ueberschrift, welche größtentheils unleserlich geworden. Auch ist eine Münze darauf geprägt.

245.
Der Rattenfänger.

Mündlich, aus Deutschböhmen.

Der Rattenfänger weiß einen gewissen Ton, pfeift er den neunmal, so ziehen ihm alle Ratten nach, wohin er sie haben will, in Teich oder Pfütze.

[S. 334]

Einmal konnte man in einem Dorf der Ratten gar nicht los werden und ließ endlich den Fänger hohlen. Der richtete nun einen Haselstock so zu, daß alle Ratten dran gebannt waren und wer den Stock ergriff, dem mußten sie nach; er wartete aber bis Sonntags und legte ihn vor die Kirchenthür. Als nun die Leute vom Gottesdienst heimkamen, ging auch ein Müller vorbei und sah gerade den hübschen Stock liegen, sprach: “das gibt mir einen feinen Spazirstock.” Also nahm er ihn zur Hand und ging dem Dorf hinaus, seiner Mühle zu. Indem so huben schon einzelne Ratten an aus ihren Ritzen und Winkeln zu laufen und sprangen querfeldein immer näher und näher, und wie mein Müller, der von nichts ahnte und den Stock immer behielt, auf die Wiese kam, liefen sie ihm aus allen Löchern nach, über Acker und Feld und liefen ihm bald zuvor, waren eher in seinem Haus als er selbst und blieben nach der Zeit bei ihm zur unausstehlichen Plage.

246.
Der Schlangenfänger.

Joh. Weier von Teufels-Gespenstern S. 95.

Zu Salzburg rühmte sich ein Zauberer, er wollte alle Schlangen, die in derselben Gegend auf eine Meil Wegs wären, in eine Grube zusammen bringen und tödten. Als er es aber versuchen wollte, kam zuletzt[S. 335] eine große, alte Schlange hervorgekrochen, welche, da er sie mit Zauber-Worten in die Grube zu zwingen wagte, aufsprang, ihn umringelte, also, daß sie wie ein Gürtel sich um seine Weiche wand, darnach in die Grube schleifte und umbrachte.

247.
Das Mäuselein.

Prätorius Weltbeschr. I. 40. 41. vgl. II. 161.

In Thüringen bei Saalfeld auf einem vornehmen Edelsitze zu Wirbach hat sich Anfangs des 17. Jahrhunderts folgendes begeben. Das Gesinde schälte Obst in der Stube, einer Magd kam der Schlaf an, sie ging von den andern weg und legte sich abseits, doch nicht weit davon, auf eine Bank nieder, um zu ruhen. Wie sie eine Weile still gelegen, kroch ihr zum offenen Maule heraus ein rothes Mäuselein. Die Leute sahen es meistentheils und zeigten es sich untereinander. Das Mäuslein lief eilig nach dem gerade geklefften Fenster, schlich hinaus und blieb eine Zeitlang aus. Dadurch wurde eine vorwitzige Zofe neugierig gemacht, so sehr es ihr die andern verboten, ging hin zu der entseelten Magd, rüttelte und schüttelte an ihr, bewegte sie auch an eine andre Stelle etwas fürder, ging dann wieder davon. Bald darnach kam das Mäuselein wieder, lief nach der vorigen bekannten Stelle, da es aus der Magd Maul gekrochen war, lief hin[S. 336] und her und wie es nicht ankommen konnte, noch sich zurecht finden, verschwand es. Die Magd aber war todt und blieb todt. Jene Vorwitzige bereute es vergebens. Im übrigen war auf demselben Hof ein Knecht vorhermals oft von der Trud gedrückt worden und konnte keinen Frieden haben, dies hörte mit dem Tod der Magd auf.

248.
Der ausgehende Rauch.

Prätorius Weltbeschr. II. 161.

Zu Hersfeld dienten zwei Mägde in einem Haus, die pflegten jeden Abend, eh sie zu Bette schlafen gingen, eine Zeitlang in der Stube stillzusitzen. Den Hausherrn nahm das endlich Wunder, er blieb daher einmal auf, verbarg sich im Zimmer und wollte die Sache ablauern. Wie die Mägde nun sich beim Tisch allein sitzen sahen, hob die eine an und sagte:

“Geist thue dich entzücken
und thue jenen Knecht drücken!”

Drauf stieg ihr und der andern Magd gleichsam ein schwarzer Rauch aus dem Halse und kroch zum Fenster hinaus; die Mägde fielen zugleich in tiefen Schlaf. Da ging der Hausvater zu der einen, rief sie mit Namen und schüttelte sie, aber vergebens, sie blieb unbeweglich. Endlich ging er davon und ließ sie, des Morgens darauf war diejenige Magd todt, die er gerüttelt hatte, die andere aber, die er nicht angerührt, blieb lebendig.

[S. 337]

249.
Die Katze aus dem Weidenbaum.

Der ungewissenhafte Apotheker S. 895.

Ein Bauernknecht von Straßleben erzählte, wie daß in ihrem Dorfe eine gewisse Magd wäre, dieselbe hätte sich zuweilen vom Tanze hinweg verloren, daß niemand gewußt, wo sie hinkommen, bis sie eine feine Weile hernach sich wieder eingefunden. Einmal beredete er sich mit andern Knechten, dieser Magd nachzugehn. Als sie nun Sonntags wieder zum Tanze kam und sich mit den Knechten erlustigte, ging sie auch wieder ab. Etliche schlichen ihr nach, sie ging das Wirthshaus hinaus aufs Feld und lief ohne Umsehen fort, einer hohlen Weide zu, in welche sie sich versteckte. Die Knechte folgten nach, begierig zu sehen, ob sie lang in der Weide verharren würde und warteten an einem Ort, wo sie wohl verborgen standen. Eine kleine Weile drauf merkten sie, daß eine Katze aus der Weide sprang und immer querfeldein nach Langendorf lief. Nun traten die Knechte näher zur Weide, da lehnte das Mensch oder vielmehr ihr Leib ganz erstarret und sie vermochten ihn weder mit Rütteln noch Schütteln zum Leben bringen. Ihnen kommt ein Grauen an, sie lassen den Leib stehen und gehen an ihren vorigen Ort. Nach einiger Zeit spüren sie, daß die Katze den ersten Weg zurückgeht, in die Weide einschlüpft, die Magd aus der Weide kriecht und nach dem Dorfe zugeht.

[S. 338]

250.
Wetter und Hagel machen.

Godelmann von Zauberern übers. von Nigrin. V. 1. S. 83.
Luther’s Tisch-Reden. 104.
Kirchhof’s Wendunmuth V. Nr. 261. S. 316.
Lercheimer S. 50 ff.

Im Jahr 1553 sind zu Berlin zwei Zauber-Weiber gefangen worden, welche sich unterstanden, Eis zu machen, die Frucht damit zu verderben. Und diese Weiber hatten ihrer Nachbarin ein Kindlein gestolen und dasselbige zerstückelt gekocht. Ist durch Gottes Schickung geschehen, daß die Mutter, ihr Kind suchend, dazu kommt und ihres verlorenen Kindes Gliederlein in ein Töpfchen gelegt siehet. Da nun die beiden Weiber gefangen und peinlich gefragt worden, haben sie gesagt, wenn ihr Geköch fortgegangen, so wäre ein großer Frost mit Eis kommen, also daß alle Frucht verderbt wäre.

Zu einer Zeit waren in einem Wirthshause zwei Zauberinnen zusammen gekommen, die hatten zwei Gelten oder Kübel mit Wasser an einen besondern Ort gesetzt und rathschlagten miteinander: ob es dem Korne oder dem Weine sollt gelten. Der Wirth, der auf einem heimlichen Winkel stand, hörte das mit an und Abends, als sich die zwei Weiber zu Bett gelegt, nahm er die Gelten und goß sie über sie hin; da ward das Wasser zu Eis, so daß beide von Stund an zu Tod froren.

[S. 339]

Eine arme Witfrau, die nicht wußte, wie sie ihre Kinder nähren sollte, ging in den Wald, Holz zu lesen und bedachte ihr Unglück. Da stand der Böse in eines Försters Gestalt und fragte: warum sie so traurig? ob ihr der Mann abgestorben? Sie antwortete: “ja.” Er sprach: “willt du mich nehmen und mir gehorsamen, will ich dir Gelds die Fülle geben.” Er überredete sie mit vielen Worten, daß sie zuletzt wich, Gott absagte und mit dem Teufel buhlte. Nach Monatsfrist kam ihr Buhler wieder und reichte ihr einen Besen zu, darauf sie ritten durch Dick und Dünn, Trocken und Naß auf den Berg zu einem Tanz. Da waren noch andre Weiber mehr, deren sie aber nur zwei kannte und die eine gab dem Spielmann zwölf Pfenning Lohn. Nach dem Tanze wurden die Hexen eins und thaten zusammen Ähren, Rebenlaub und Eichblätter, damit Korn, Trauben und Eicheln zu verderben; es gelang aber nicht recht damit, und das Hagelwetter traf nicht, was es treffen sollte, sondern fuhr nebenbei. Ihr selbst brachte sie damit ein Schaf um, darum daß es zu spät heimkam.

251.
Der Hexen-Tanz.

Nic. Remigii daemonolatria p. 109.

Eine Frau von Hembach hatte ihren kaum sechszehnjährigen Sohn Johannes mit zu der Hexen-Versammlung[S. 340] geführt und weil er hatte pfeifen lernen, verlangte sie, er sollte ihnen zu ihrem Tanze pfeifen, und damit man es besser hören könnte, auf den nächsten Baum steigen. Der Knabe gehorchte und stieg auf den Baum, indem er nun daher pfiffe und ihrem Tanz mit Fleiß zusahe, vielleicht weil ihm alles so wunderseltsam däuchte, denn da geht es auf närrische Weise zu, sprach er: “behüt, lieber Gott, woher kommt so viel närrisches und unsinniges Gesinde!” Kaum aber hatte er diese Worte ausgeredet, so fiel er vom Baum herab, verrenkte sich eine Schulter und rief, sie sollten ihm zu Hilfe kommen, aber da war niemand, ohn’ er allein.

252.
Die Wein-Reben und Nasen.

Aug. Lercheimer Bedenken von der Zauberei. Bl. 19.

An dem Hofe zu H. war ein Geselle, der seinen Gästen ein seltsam schimpflich Gaukelwerk machte. Nachdem sie gegessen hatten, begehrten sie, darum sie vornehmlich kommen waren, daß er ihnen zur Lust ein Gaukel-Spiel vorbringe. Da ließ er aus dem Tisch eine Rebe wachsen mit zeitigen Trauben, deren vor jedem eine hing: hieß jeglichen die seinige mit der Hand angreifen und halten und mit der andern das Messer auf den Stengel setzen, als wenn er sie abschneiden wollte; aber er sollte bei Leibe nicht schneiden. Darnach ging er aus der Stube, kam wieder: da saßen[S. 341] sie alle und hielten sich ein jeglicher selber bei der Nase und das Messer darauf. Hätten sie geschnitten, hätte ein jeder sich selbst die Nase verwundet.

253.
Fest hängen.

Joh. Weier von Teufels-Gespenstern S. 105.

Zu Magdeburg war zu einer Zeit ein seltsamer Zauberer, welcher in Gegenwart einer Menge Zuschauer, von denen er ein großes Geld gehoben, ein wunderkleines Rößlein, das im Ring herumtanzte, zeigte und, wenn sich das Spiel dem Ende näherte, klagte, wie er bei der undankbaren Welt so gar nichts Nutzes schaffen könnte, dieweil jedermann so karg wäre, daß er sich Bettelns kaum erwehren mögte. Deshalb wollte er von ihnen Urlaub nehmen und den allernächsten Weg gen Himmel, ob vielleicht seine Sache daselbst besser würde, fahren. Und als er diese Worte gesprochen, warf er ein Seil in die Höhe, welchem das Rößlein ohne allen Verzug stracks nachfuhre, der Zauberer erwischte es beim Wadel, seine Frau ihn bei den Füßen, die Magd die Frau bei den Kleidern, also daß sie alle, als wären sie zusammen geschmiedet, nach einander ob sich dahin fuhren. Als nun das Volk da stand, das Maul offen hatte und dieser Sache, wie wohl zu gedenken, erstaunt war, kam ohn alle Gefähr ein Bürger daher, welchem, als er fragte, was sie da[S. 342] stünden, geantwortet ward, der Gaukler wäre mit dem Rößlein in die Luft gefahren. Darauf er berichtete, er habe ihn eben zu gegen seiner Herberge gesehen daher gehn.

254.
Das Noth-Hemd.

Joh. Weier von Teufels-Gespenstern B. 8. Cap. 18.
Zedler’s Universal-Lexicon h. v.
Der ungewissenhafte Apotheker S. 650.

Das Noth-Hemd wird auf folgende Weise zubereitet. In der Christ-Nacht müssen zwei unschuldige Mägdlein, die noch nicht sieben Jahr alt sind, linnen Garn spinnen, weben und ein Hemd daraus zusammen nähen. Auf der Brust hat es zwei Häupter, eins auf der rechten Seite mit einem langen Barte und einem Helm, eins auf der linken mit einer Krone, wie sie der Teufel trägt. Zu beiden Seiten wird es mit einem Kreuze bewahrt. Das Hemd ist so lang, daß es den Menschen vom Hals an bis zum halben Leib bedeckt.

Wer ein solches Noth-Hemd im Krieg trägt, ist sicher vor Stich, Hieb, Schuß und anderm Zufall, daher es Kaiser und Fürsten hochhielten. Auch Gebärende ziehen es an, um schneller und leichter entbunden zu werden. Contra vero tale indusium, viro tamen mortuo ereptum, a foeminis luxuriosis quaeri ferunt, quo indutae non amplius gravescere perhibentur.

[S. 343]

255.
Fest gemacht.

Bräuner’s Curiositäten S. 365.
Luther’s Tisch-Reden S. 109.

Ein vornehmer Kriegsmann ging bei einer harten Belagerung mit zwei andern außerhalb den Laufgräben auf und ab. Von der Festung herab wurde heftig auf ihn gefeuert, er aber fuhr mit seinem Befehlshaber-Stab links und rechts umher und hieß die beiden, an ihn halten und nicht ausweichen; wovon alle Kugeln abseits fuhren und weder ihn noch die andern beiden treffen oder verwunden konnten.

Ein General, welcher in eine Stadt aus einem Treffen fliehen mußte, schüttelte die Büchsenkugeln wie Erbsen häufig aus dem Ermel, deren keine ihn hatte verletzen können.

Meister Peter, Bartscheerer zu Wittenberg, hatte einen Schwiegersohn, der Landsknecht im Krieg gewesen. Er hatte die Kunst verstanden, sich sicher und unverwundbar zu machen. Ferner hat er auch seinen Tod vorher gesehen und gesagt: “mein Schwäher solls thun.” Deßgleichen soll er denselben Tag zu seinem Weib gesagt haben: “kauf ein, du wirst heute Gäste bekommen, das ist: Zuseher.” Welches also geschahe, denn da ihn sein Schwager erstach, lief jedermann in des Bartscheerers Haus und wollt den todten Menschen sehen.

[S. 344]

256.
Der sichere Schuß.

Aug. Lercheimer Bedenken von der Zauberei Bl. 12.

Ein Büchsen-Meister, den ich gekannt, vermaß sich, er wolle alles treffen, was ihm nur innerhalb Schusses wäre, daß ers erreichen könnte, ob ers gleich nicht sähe. Der ließ sich brauchen in der Stadt W. bei der Belagerung. Davor hielt in einem Wäldlein ein vornehmer Oberster und Herr, den er nicht sahe, erbot sich, er wollte ihn erschießen; aber es ward ihm gesagt, er sollts nicht thun. Da schoß er durch den Baum, darunter er hielt auf seinem Roß und zu Morgen aß. Valvassor (Ehre von Crain I. 676.) gedenkt eines vornehmen Herrn, welcher täglich nur drei unfehlbare Schüsse hatte, damit aber konnte er, was man ihm nur nannte, sicher treffen. Ein solcher Schütz kann sich aufgeben lassen, was er schießen soll, Hirsch, Reh oder Hasen, und braucht dann nur aufs Gerathewohl die Flinte zum Fenster hinaus abzudrücken, so muß das Wild fallen.

257.
Der herumziehende Jäger.

Mündlich, aus Paderborn und Münster.

Es trug sich zu, daß in einem großen Walde der Förster, welcher die Aufsicht darüber führte, todt geschossen wurde. Der Edelmann, dem der Wald gehörte, gab einem andern den Dienst, aber dem widerfuhr[S. 345] ein gleiches und so noch einigen, die auf einander folgten, bis sich niemand mehr fand, der den gefährlichen Wald übernehmen wollte. Sobald nämlich der neue Förster hineintrat, hörte man ganz in der Ferne einen Schuß fallen, und gleich auch streckte eine mitten auf die Stirne treffende Kugel ihn nieder; es war aber keine Spur ausfindig zu machen, woher und von wem sie kam.

Gleichwohl meldete sich nach ein paar Jahren ein herumziehender Jäger wieder um den Dienst. Der Edelmann verbarg ihm nicht, was geschehen war und setzte noch ausdrücklich hinzu, so lieb es ihm wäre, den Wald wieder unter Aufsicht zu wissen, könnte er ihm doch selbst nicht zu dem gefährlichen Amte rathen. Der Jäger antwortete zuversichtlich, er wolle sich vor dem unsichtbaren Scharfschützen schon Rath schaffen und übernahm den Wald. Andern Tags, als er, von mehrern begleitet, zuerst hineingeführt wurde, hörte man, wie er eintrat, schon in der Ferne den Schuß fallen. Alsbald warf der Jäger seinen Hut in die Höhe, der dann, von einer Kugel getroffen, wieder herabfiel. “Nun,” sprach er, “ist aber die Reihe an mir,” lud seine Büchse und schoß sie mit den Worten: “die Kugel bringt die Antwort!” in die Luft. Darauf bat er seine Gefährten, mitzugehen und den Thäter zu suchen. Nach langem Herumstreifen fanden sie endlich in einer an dem gegenseitigen Ende des Waldes gelegenen Mühle den Müller todt und von der Kugel des Jägers auf die Stirne getroffen.

[S. 346]

Dieser herumziehende Jäger blieb noch einige Zeit in Diensten des Edelmanns, doch weil er das Wild festbannen und die Feldhühner aus der Tasche fliegen lassen konnte, auch in ganz unglaublicher Entfernung immer sicher traf und andere dergleichen unbegreifliche Kunststücke verstand, so bekam der Edelmann eine Art Grausen vor ihm und entließ ihn bei einem schicklichen Vorwande aus seinem Dienst.

258.
Der herumziehende Jäger.

Erasm. Francisci höll. Proteus S. 1097.
Bräuner’s Curiosit. S. 351. 352.

Ein Landfahrer kam zu einem Edelmann, der mit langwieriger Ohnmacht und Schwachheit behaftet war und sagte zu ihm: “ihr seyd verzaubert, soll ich euch das Weib vor Augen bringen, das euch das Uebel angethan?” Als der Edelmann einwilligte, sprach jener: “welches Weib morgen in euer Haus kommt, sich auf den Herd zum Feuer stellt und den Kesselhaken mit der Hand angreift und hält, die ist es, welche euch das Leid angethan.” Am andern Tag kam die Frau eines seiner Unterthanen, der neben ihm wohnte, ein ehrliches und frommes Weib und stellte sich dahin genau auf die Weise, wie der Landfahrer vorhergesagt hatte. Der Edelmann verwunderte sich gar sehr, daß eine so ehrbare, gottesfürchtige Frau, der er nicht übel wollte, so böse Dinge treiben sollte und fing an zu[S. 347] zweifeln, ob es auch recht zugehe. Er gab darum seinem Diener heimlichen Befehl, hinzulaufen und zu sehen, ob diese Nachbarin zu Hause sey oder nicht. Als dieser hinkommt, sitzt die Frau über ihrer Arbeit und hechelt Flachs. Er heißt sie zum Herrn kommen, sie spricht: “es wird sich ja nicht schicken, daß ich so staubig und ungeputzt vor den Junker trete.” Der Diener aber sagt, es habe nichts zu bedeuten, sie solle nur eilig mit ihm gehen. Sobald sie nun in des Herrn Thüre trat, verschwand die andere als ein Gespenst aus dem Saal und der Herr dankte Gott, daß er ihm in den Sinn gegeben, den Diener hinzuschicken, sonst hätte er auf des Teufels Trug vertraut und die unschuldige Frau verbrennen lassen.

259.
Gespenst als Eheweib.

Bräuner’s Curiositäten 353-355.
Erasm. Francisci höll. Proteus. 1097. 1098.

Zur Zeit des Herzogs Johann Casimir von Coburg wohnte dessen Stallmeister G. P. v. Z. zuerst in der Spital-Gasse, hierauf in dem Hause, welches nach ihm D. Frommann bezogen, dann in dem großen Hause bei der Vorstadt, die Rosenau genannt, endlich im Schloß, darüber er Schloß-Hauptmann war. Zu so vielfachem Wechsel zwang ihn ein Gespenst, welches seiner noch lebenden Ehefrau völlig gleich sah, also daß er, wenn er in die neue Wohnung kam und am[S. 348] Tisch saß, bisweilen darüber zweifelte, welches seine rechte leibhafte Frau wäre, denn es folgte ihm, wenn er gleich aus dem Hause zog, doch allenthalben nach. Als ihm eben seine Frau vorschlug, in die Wohnung, die hernach jener Doctor inne hatte, zu ziehen, dem Gespenst auszuweichen, hub es an mit lauter Stimme zu reden und sprach: “du ziehest gleich hin, wo du willst, so ziehe ich dir nach, wenn auch durch die ganze Welt.” Und das waren keine bloße Drohworte, denn nachdem der Stallmeister ausgezogen war, ist die Thüre des Hinterhauses wie mit übermäßiger Gewalt zugeschlagen worden und von der Zeit an hat sich das Gespenst nie wieder in dem verlassenen Hause sehen lassen, sondern ist in dem neubezogenen wieder erschienen.

Wie die Edelfrau Kleidung anlegte, in derselben ist auch das Gespenst erschienen, es mogte ein Feierkleid oder ein alltägliches seyn, und welche Farbe als es nur wollte; weswegen sie niemals allein in ihren Haus-Geschäften, sondern von jemand begleitet, ging. Gemeinlich ist es in der Mittagszeit zwischen elf und zwölf Uhr erschienen. Wenn ein Geistlicher da war, so kam es nicht zum Vorschein. Als einmal der Beichtvater Johann Prüscher eingeladen war und ihn beim Abschied der Edelmann mit seiner Frau und seiner Schwester an die Treppe geleitete, stieg es von unten die Treppe hinauf und faßte durch ein hölzernes Gitter des Fräuleins Schürz und verschwand, als dieses zu schreien anfing. Einsmals ist es auf der Küchen-Schwelle[S. 349] mit dem Arm gelegen und als die Köchin gefragt: “was willst du?” hat es geantwortet: “deine Frau will ich.” Sonst hat es der Edelfrau keinen Schaden zugefügt. Dem Fräulein aber, des Edelmanns Schwester, ist es gefährlich gewesen und hat ihm einmal einen solchen Streich ins Gesicht gegeben, daß die Backe davon aufgeschwollen ist und es in des Vaters Haus zurückkehren mußte. Endlich hat sich das Gespenst verloren und es ist ruhig im Hause geworden.

260.
Tod des Erstgebornen.

Mündlich.

In einem vornehmen Geschlecht hat es sich vor ein paar hundert Jahren zugetragen, daß das erste Kind, ein Söhnlein, Morgens bei der Amme im Bett todt gefunden wurde. Man verdachte sie, es absichtlich erdrückt zu haben und ob sie gleich ihre Unschuld betheuerte, so ward sie doch zum Tod verurtheilt. Als sie nun niederkniete und eben den Streich empfangen sollte, sprach sie noch einmal: “ich bin so gewiß unschuldig, als in Zukunft jedesmal der Erstgeborene dieses Geschlechts sterben wird.” Nachdem sie dieses gesprochen, flog eine weiße Taube über ihr Haupt hin; darauf ward sie gerichtet. Die Weissagung aber kam in Erfüllung und der älteste Sohn aus diesem Hause ist noch immer in früher Jugend gestorben.

[S. 350]

261.
Der Knabe zu Colmar.

Mündlich.

Bei Pfeffel in Colmar war ein Kind im Hause, das wollte nie über einen gewissen Flecken im Hausgarten gehen, auf dem seine Cameraden ruhig spielten. Diese wußten nicht warum und zogen es einmal mit Gewalt dahin; da sträubten ihm die Haare empor und kalter Schweiß brach aus seinem Leibe. Wie der Knabe von der Ohnmacht endlich zu sich kam, wurde er um die Ursache befragt, wollte lange nichts gestehen, endlich auf vieles Zureden sagte er: “es liegt an der Stelle ein Mensch begraben, dessen Hände so und so liegen, dessen Beine so und so gestellt sind (welches er alles genau beschrieb) und am Finger der einen Hand hat er einen Ring.” Man grub nach, der Platz war mit Gras bewachsen und drei Fuß unter der Erde tief fand sich ein Gerippe in der beschriebenen Lage und am benannten Finger ein Ring. Man beerdigte es ordentlich und seitdem ging der Knabe, dem man weder davon noch vom Ausgraben das mindeste gesagt, ruhig auf den Flecken. — Dies Kind hatte die Eigenschaft, daß es an dem Ort, wo Todte lagen, immer ihre ganze Gestalt in Dünsten aufsteigen sah und in allem erkannte. Der vielen schrecklichen Erscheinungen wegen härmte es sich ab und verzehrte schnell sein Leben.

[S. 351]

262.
Tod des Domherrn zu Merseburg.

Erasm. Francisci höll. Proteus 1056.

Von langer Zeit her ward in der Stiftskirche zu Merseburg drei Wochen vor dem Absterben eines jeglichen Domherrn bei der Nacht ein großer Tumult gehört, indem auf dem Stuhl dessen, welcher sterben sollte, ein solcher Schlag geschah, als ob ein starker Mann aus allen Kräften mit geschlossener Faust einen gewaltsamen Streich thäte. Sobald solches die Wächter vernommen, deren etliche sowohl bei Tag als bei Nacht in der Kirche gewacht und wegen der stattlichen Kleinodien, die darinnen vorhanden waren, die Runde gemacht, haben sie es gleich andern Tags hernach dem Capitel angezeigt. Und solches ist dem Domherrn, dessen Stuhl der Schlag getroffen, eine persönliche Vertagung gewesen, daß er in dreien Wochen an den blassen Reigen müßte.

263.
Die Lilie im Kloster zu Corvei.

Gab. Bucelin Germania sacra II. 1642.
Notitiae S. R. I. procerum III. c. 19. p. 334.
Höxar in elegiis. Paderb. 1600.
Erasm. Francisci höll. Proteus 1054. 1055.
Altdeutsche Wälder II. 185-187.

Das Kloster der Abtei zu Corvei an der Weser hat von Gott die sonderbare Gnade gehabt, daß, so[S. 352] oft einer aus den Brüdern sterben sollte, er drei Tage zuvor, ehe er verschieden, eine Vorwarnung bekommen, vermittelst einer Lilie an einem ehrenen Kranze, der im Chor hing. Denn dieselbe Lilie kam allzeit wunderbarlich herab und erschien in dem Stuhl desjenigen Bruders, dessen Lebens-Ende vorhanden war; also daß dieser dabei unfehlbar merkte und versichert war, er würde in dreien Tagen von der Welt scheiden. Dieses Wunder soll etliche hundert Jahre gewährt haben, bis ein junger Ordensbruder, als er auf diese Weise seiner herannahenden Sterbestunde ermahnt worden, solche Erinnerung verachtet und die Lilie in eines alten Geistlichen Stuhl versetzt hat: der Meinung, es würde das Sterben dem Alten besser anstehen, als dem Jungen. Wie der gute alte Bruder die Lilie erblickt, ist er darüber, als über einen Geruch des Todes, so hart erschrocken, daß er in eine Krankheit, doch gleichwohl nicht ins Grab gefallen, sondern bald wieder gesund, dagegen der junge Warnungs-Verächter am dritten Tag durch einen jählingen Tod dahin gerissen worden.

264.
Rebundus im Dom zu Lübeck.

Ph. H. Friedlieb medulla theologica.
Erasm. Francisci höll. Proteus 1057-1065. aus mündl. Sage.

Wenn in alten Zeiten ein Domherr zu Lübeck bald sterben sollte, so fand sich Morgens unter seinem[S. 353] Stuhlkissen im Chor eine weiße Rose, daher es Sitte war, daß jeder, wie er anlangte, sein Kissen gleich umwendete, zu schauen, ob diese Grabes-Verkündigung darunter liege. Es geschah, daß einer von den Domherrn, Namens Rebundus, eines Morgens diese Rose unter seinem Kissen fand, und weil sie seinen Augen mehr ein schmerzlicher Dornstachel, als eine Rose war, nahm er sie behend weg und steckte sie unter das Stuhlkissen seines nächsten Beisitzers, obgleich dieser schon darunter nachgesehen und nichts gefunden hatte. Rebundus fragte darauf, ob er nicht sein Kissen umkehren wollte? der andere entgegnete, daß er es schon gethan habe; aber Rebundus sagte weiter: er habe wohl nicht recht zugeschaut und solle noch einmal nachsehen, denn ihm bedünke, es habe etwas Weißes darunter geschimmert, als er dahin geblickt. Hierauf wendete der Domherr sein Kissen um und fand die Grab-Blume; doch sprach er zornig: das sey Betrug, denn er habe gleich Anfangs fleißig genug zugeschaut und unter seinem Sitz keine Rose gefunden. Damit schob und stieß er sie dem Rebundus wieder unter sein Kissen, dieser aber wollte sie nicht wieder sich aufdrängen lassen, also daß sie einer dem andern zuwarf und ein Streit und heftiges Gezänk zwischen ihnen entstand. Als sich das Capitel ins Mittel schlug und sie aus einander bringen, Rebundus aber durchaus nicht eingestehen wollte, daß er die Rose am ersten gehabt, sondern auf seinem unwahrhaftigen Vorgeben beharrte, hub endlich der andere, aus verbitterter Ungeduld,[S. 354] an zu wünschen: “Gott wolle geben, daß der von uns beiden, welcher Unrecht hat, statt der Rosen in Zukunft zum Zeichen werde und wann ein Domherr sterben soll, in seinem Grabe klopfen möge, bis an den jüngsten Tag!” Rebundus, der diese Verwünschung wie einen leeren Wind achtete, sprach frevellich dazu: “Amen! es sey also!”

Da nun Rebundus nicht lange darnach starb, hat es von dem an unter seinem Grabsteine, so oft eines Domherrn Ende sich nahte, entsetzlich geklopft, und es ist das Sprichwort entstanden: “Rebundus hat sich gerührt, es wird ein Domherr sterben!” Eigentlich ist es kein bloßes Klopfen, sondern es geschehen unter seinem sehr großen, langen und breiten Grabstein drei Schläge, die nicht viel gelinder krachen, als ob das Wetter einschlüge oder dreimal ein Karthaunen-Schuß geschähe. Beim dritten Schlag dringt über dem Gewölbe der Schall der Länge nach durch die ganze Kirche mit so starkem Krachen, daß man denken sollte, das Gewölbe würde ein- und die Kirche übern Haufen fallen. Es wird dann nicht blos in der Kirche, sondern auch in den umstehenden Häusern vernehmlich gehört.

Einmal hat sich Rebundus an einem Sonntage, zwischen neun und zehn Uhr mitten unter der Predigt geregt und so gewaltig angeschlagen, daß etliche Handwerksgesellen, welche eben auf dem Grabstein gestanden und die Predigt angehört, theils durch starke Erbebung des Steins, theils aus Schrecken, nicht anders[S. 355] herabgeprellt wurden, als ob sie der Donner weggeschlagen hätte. Beim dritten entsetzlichen Schlag wollte jedermann zur Kirche hinaus fliehen, in der Meinung, sie würde einstürzen, der Prediger aber ermunterte sich und rief der Gemeinde zu, da zu bleiben und sich nicht zu fürchten; es wäre nur ein Teufels-Gespenst, das den Gottesdienst stören wolle, das müsse man verachten und ihm im Glauben Trotz bieten. Nach etlichen Wochen ist des Dechants Sohn verblichen, denn Rebundus tobte auch, wenn eines Domherrn naher Verwandter bald zu Grabe kommen wird.

265.
Glocke läutet von selbst.

Erasm. Francisci höll. Proteus 1035. 1036. 1039.

In einer berühmten Reichsstadt hat im Jahr 1686 am 27sten März die sogenannte Markt-Glocke von sich selbst drei Schläge gethan, worauf bald hernach ein Herr des Raths, welcher zugleich auch Marktherr war, gestorben.

In einem Hause fing sechs oder sieben Wochen vor dem Tode des Hausherrn eine überaus helle Glocke an zu läuten und zwar zu zweien verschiedenen Malen. Da der Hausherr damals noch frisch und gesund, seine Ehefrau aber bettlägrig war, so verbot er dem Gesinde, ihr etwas davon zu sagen, besorgend, sie mögte erschrecken, von schwermüthiger Einbildung noch kränker werden und gar davon sterben.[S. 356] Aber diese Anzeigung hatte ihn selbst gemeint, denn er kam ins Grab, seine Frau aber erholte sich wieder zu völliger Gesundheit. Siebzehn Wochen nachher, als sie ihres seeligen Eheherrn Kleider und Mäntel reinigt und ausbürstet, fängt vor ihren Augen und Ohren die Tennen-Glocke an sich zu schwingen und ihren gewöhnlichen Klang zu geben. Acht Tage hernach erkrankt ihr ältester Sohn und stirbt in wenig Tagen. Als diese Wittwe sich wieder verheirathete und mit ihrem zweiten Mann etliche Kinder zeugte, sind diese, wenige Wochen nach der Geburt, gleich den Märzblumen verwelkt und begraben. Da dann jedesmal jene Glocke dreimal nach einander stark angezogen wurde, obgleich das Zimmer, darin sie gehangen, versperrt war, so daß niemand den Drath erreichen konnte.

Einige glauben, dieses Läuten (welches oft nicht von den Kranken und Sterblägrigen, sondern nur von andern gehört wird) geschehe von bösen Geistern, andere dagegen: von guten Engeln. Wiederum andere sagen, es komme von dem Schutz-Geist, welcher den Menschen warnen und erinnern wollte, daß er sich zu seinem heraneilenden Ende bereite.

266.
Todes-Gespenst.

Erasm. Francisci höll. Proteus S. 419. u. 1044.

Zu Schwatz und Innsbruck in Tirol läßt sich zur Sterbenszeit ein Gespenst sehen, bald klein, bald groß,[S. 357] wie ein Haus. Zu welchem Fenster es hinein schaut, aus demselben Hause sterben die Leute.

267.
Frau Berta oder die weiße Frau.

Joh. Jac. Rohde de celebri spectro, quod vulgo die weiße Frau nominant. Königsberg 1723. 4.
Stilling’s Theorie der Geisterkunde. S. 351-359.
Erasm. Francisci höll. Proteus. S. 59-92.
vgl. Volksmärchen der Frau Naubert. Bd. III.

Die weiße Frau erscheint in den Schlössern mehrerer fürstlichen Häuser, namentlich zu Neuhaus in Böhmen, zu Berlin, Baireuth, Darmstadt und Carlsruhe und in allen, deren Geschlechter nach und nach durch Verheirathung mit dem ihren verwandt geworden sind. Sie thut niemanden zu Leide, neigt ihr Haupt vor wem sie begegnet, spricht nichts und ihr Besuch bedeutet einen nahen Todesfall, manchmal auch etwas fröhliches, wenn sie nämlich keinen schwarzen Handschuh an hat. Sie trägt ein Schlüsselbund und eine weiße Schleierhaube. Nach einigen soll sie im Leben Perchta von Rosenberg geheißen, zu Neuhaus in Böhmen gewohnt haben und mit Johann von Lichtenstein, einem bösen, störrischen Mann, vermählt gewesen seyn. Nach ihres Gemahls Tode lebte sie in Witwenschaft zu Neuhaus und fing an zu großer Beschwerde ihrer Unterthanen, die ihr fröhnen mußten, ein Schloß zu bauen. Unter der Arbeit rief sie ihnen zu, fleißig zu seyn: “wann das Schloß zu stand seyn wird, will[S. 358] ich euch und euern Leuten einen süßen Brei vorsetzen,” denn dieser Redensart bedienten sich die Alten, wenn sie jemand zu Gast luden. Den Herbst nach Vollendung des Baus hielt sie nicht nur ihr Wort, sondern stiftete auch, daß auf ewige Zeiten hin alle Rosenberge ihren Leuten ein solches Mahl geben sollten. Dieses ist bisher fortgeschehen[13] und unterbleibt es, so erscheint sie mit zürnenden Mienen. Zuweilen soll sie in fürstliche Kinderstuben Nachts, wenn die Ammen Schlaf befällt, kommen, die Kinder wiegen und vertraulich umtragen. Einmal als eine unwissende Kinderfrau erschrocken fragte: “was hast du mit dem Kinde zu schaffen?” und sie mit Worten schalt, soll sie doch gesagt haben: “ich bin keine Fremde in diesem Haus wie du, sondern gehöre ihm zu; dieses Kind stammt von meinen Kindeskindern. Weil ihr mir aber keine Ehre erwiesen habt, will ich nicht mehr hier einkehren.”

[13] Der Brei wird aus Erbsen und Heidegrütz gekocht, auch jedesmal Fische dazu gegeben.

268.
Die wilde Berta kommt.

Crusii annal. suev. p. I. lib. XII. c. 6. p. 329.; p. II. l. VIII. c. 7. p. 266.
Flögel Gesch. des Grotesken. S. 23.
Journal von und für Deutschland. 1790. Bd. 2. S. 26 ff.

In Schwaben, Franken und Thüringen ruft man halsstarrigen Kindern zu: “schweig oder die wilde Berta[S. 359] kommt!” Andere nennen sie Bildabertha, Hildabertha, auch wohl: die eiserne Bertha. Sie erscheint als eine wilde Frau mit zottigen Haaren und besudelt dem Mädchen, das den letzten Tag im Jahre seinen Flachs nicht abspinnt, den Rocken. Viele Leute essen diesen Tag Klöße und Hering. Sonst, behaupten sie, käme die Perchta oder Prechta, schnitte ihnen den Bauch auf, nähme das erstgenossene heraus und thue Heckerling hinein. Dann nähe sie mit einer Pflugschar statt der Nadel und mit einer Röhmkette statt des Zwirns den Schnitt wieder zu.

269.
Der Türst, das Posterli und die Sträggele.

Stalder Idiot. I. 208. 209. 329. II. 405.

Wann der Sturm Nachts im Walde heult und tobt, sagt das Volk im Luzernergau: “der Türst, oder der Dürst jagt!” Im Entlebuch weiß man dagegen von dem Posterli, einer Unholdin, deren Jagd die Einwohner Donnerstag vor Weihnachten in einem großen Aufzug, mit Lärm und Geräusch, jährlich vorstellen. In der Stadt Luzern heißt die Sträggele eine Hexe, welche in der Frohnfastennacht am Mittwoch vor den heiligen Weihnachten herumspukt und die Mädchen, wenn sie ihr Tagewerk nicht gesponnen, auf mancherlei Art schert; daher auch diese Nacht die Sträggele-Nacht genannt wird.

[S. 360]

270.
Der Nachtjäger und die Rüttelweiber.

Prätorius Rübezahl II. 134-136.

Die Einwohner des Riesengebirgs hören bei nächtlichen Zeiten oft Jägerruf, Hornblasen und Geräusch von wilden Thieren; dann sagen sie: “der Nachtjäger jagt.” Kleine Kinder fürchten sich davor und werden geschweiget, wenn man ihnen zuruft: “sey still, hörest du nicht den Nachtjäger jagen?” Er jagt aber besonders die Rüttelweiber, welche kleine mit Moos bekleidete Weiblein seyn sollen, verfolgt und ängstigt sie ohn’ Unterlaß. Es sey dann, daß sie an einen Stamm eines abgehauenen Baumes gerathen, und zwar eines solchen, wozu der Hölzer (Holzbauer) “Gott waels!” (Gott walte es) gesprochen hat. Auf solchem Holz haben sie Ruhe. Sollte er aber, als er die Axt zum erstenmal an den Baum gelegt, gesagt haben: “waels Gott!” (so daß er das Wort Gott hintan gesetzt), so gibt ein solcher Stamm keinem Rüttelweibchen Ruh und Frieden, sondern es muß vor dem Nachtjäger auf stetiger Flucht seyn.

271.
Der Mann mit dem Schlackhut.

Mündlich, aus Beerfelden im Erbachischen.

Es hat vor ein Paar Jahren noch eine alte Frau eines der Zimmer des verfallenen Freyensteins bewohnt.[S. 361] Eines Abends trat zu ihr ganz unbefangen in die Stube herein ein Mann, der einen grauen Rock, einen großen Schlackhut und einen langen Bart trug. Er hing seinen Hut an den Nagel, saß, ohne sich um jemand zu bekümmern, nieder an Tisch, zog ein kurz Tabakspfeifchen aus dem Sack und rauchte. So blieb dieser Graue immer hinter seinem Tisch sitzen. Die Alte konnte seinen Abgang nicht erwarten und legte sich ins Bett. Morgens war das Gespenst geschwunden. — Des Schulzen Sohn verzählte: “den ersten Christtagmorgen, während Amt in der Kirche gehalten wurde, saß meine Frähle (Großmutter) in unsrer Stube und bätete. Als sie einmal vom Buch aufsah und gerade nach dem Schloßgarten guckte, erblickte sie oben einen Mann in grauer Kutte und einem Schlackhut stehen, der hackte von Zeit zu Zeit. So haben wir und alle Nachbarn ihn gesehen. Als die Sonne unterging, verschwand er.”

272.
Der graue Hockelmann.

Mündlich, an der Bergstraße.

Vor vielen Jahren ging einmal ein Bauer aus Auerbach Abends unten am Schloßberg vorüber. Da wurde er plötzlich von einem grauen Manne angehalten und gezwungen, ihn bis hinauf in das Schloß zu hockeln. Auf einer dunkeln Stiege des Schlosses wurde der Bauer den andern Tag gefunden, wie einer der sich übermüdet. Er starb kurze Zeit darauf.

[S. 362]

273.
Chimmeke in Pommern.

Micrälius B. III. Cap. 64.

Auf dem Schlosse Loyz soll ein Poltergeist, den die alten Pommern Chimmeke nennen, einen Küchenbuben klein gehackt und in einen irdenen Topf gesteckt haben, weil er ihm die Milch, die dem Geist in der Zeit des Aberglaubens alle Abend mußte hingesetzt werden, verzehrt hatte. Diesen Topf oder Grapen, worin Chimmeke sein Müthlein gekühlet, hat man lange Zeit vorgezeiget.

274.
Der Krischer.

Aus einem Amtsbericht in der erbacher Cämmerei.

Johann Peter Kriechbaum, Schultheiß der oberkainsbacher Zent, erzählte den 12. März 1753: im Bezirk, genannt die Spreng, halte sich ein Geist oder Gespenst auf, so allerhand Gekreisch, als wie ein Reh, Fuchs, Hirsch, Esel, Hund, Schwein und anderer Thiere, auch gleich allerhand Vögel führe, dahero es von den Leuten der Krischer geheißen werde. Es habe schon viele irre geleitet und getraue niemand, sonders die Hirten nicht, sich über Nacht in dasigen Wiesen aufzuhalten. Ihm sey neulich selbst begegnet, als er Nachts auf seine Wiese in der Spreng gegangen und[S. 363] das Wasser zum Wässern aufgewendet, da habe ein Schwein in dem Wäldchen auf der langenbrombacher Seite geschrien, als ob ihm das Messer im Hals stäcke. Das Gespenst gehe bis in den Holler Wald, wo man vor 16 Jahren Kohlen brennen lassen, über welches die Kohlenbrenner damals sehr geklagt und daß sie vielfältig von ihm geängstigt würden, indem es ihnen in Gestalt eines Esels erschienen. Ein gleiches habe der verstorbene Johann Peter Weber versichert, der in der Nacht Kohlen allda geladen, um sie auf den michelstädter Hammer zu führen. Heinrich Germann, der alte Centschultheiß, versicherte, als er einstmalen die Ochsen in seiner Sprengswiese gehütet, wäre ein Fuchs auf ihn zugelaufen gekommen, nach dem er mit der Peitsche geschlagen, worauf er augenblicks verschwunden.

275.
Die überschiffenden Mönche.

Nach Melanchthon’s Erzählung reimsweise gestellt von Georg Sabinus und abgedruckt bei Weier von der Zauberei l. c. 17.

In der Stadt Speier lebte vorzeiten ein Fischer. Als dieser einer Nacht an den Rhein kam und sein Garn ausstellen wollte, trat ein Mann auf ihn zu, der trug eine schwarze Kutte in Weise der Mönche und nachdem ihn der Fischer ehrsam gegrüßt hatte, sprach er: “ich komm ein Bote fernher und möchte[S. 364] gern über den Rhein.” “Tritt in meinen Nachen ein zu mir, antwortete der Fischer, ich will dich überfahren.” Da er nun diesen übergesetzt hatte und zurückkehrte, standen noch fünf andere Mönche am Gestade, die begehrten auch zu schiffen und der Fischer frug bescheiden: was sie doch bei so eitler Nacht reisten? “Die Noth treibt uns, versetzte einer der Mönche, die Welt ist uns feind, so nimm du dich unser an und Gottes Lohn dafür.” Der Fischer verlangte zu wissen: was sie ihm geben wollten für seine Arbeit? Sie sagten: “jetzo sind wir arm, wenn es uns wieder besser geht, sollst du unsere Dankbarkeit schon spüren.” Also stieß der Schiffer ab, wie aber der Nachen mitten auf den Rhein kam, hob sich ein fürchterlicher Sturm. Wasserwellen bedeckten das Schiff und der Fischer erblaßte. “Was ist das,” dachte er bei sich, “bei Sonnenniedergang war der Himmel klar und lauter und schön schien der Mond, woher dieses schnelle Unwetter?” Und wie er seine Hände hob, zu Gott zu beten, rief einer der Mönche: “was liegst du Gott mit Beten in den Ohren, steuere dein Schiff.” Bei den Worten riß er ihm das Ruder aus der Hand und fing an den armen Fischer zu schlagen. Halbtodt lag er im Nachen, der Tag begann zu dämmern und die schwarzen Männer verschwanden. Der Himmel war klar, wie vorher, der Schiffer ermannte sich, fuhr zurück und erreichte mit Noth seine Wohnung. Des andern Tags begegneten dieselben Mönche einem früh aus Speier reisenden Boten in einem rasselnden,[S. 365] schwarz bedeckten Wagen, der aber nur drei Räder und einen langnasigten Fuhrmann hatte. Bestürzt stand er still, ließ den Wagen vorüber und sah bald, daß er sich mit Prasseln und Flammen in die Lüfte verlor, dabei vernahm man Schwerterklingen, als ob ein Heer zusammenginge. Der Bote wandte sich, kehrte zur Stadt und zeigte alles an; man schloß aus diesem Gesicht auf Zwietracht unter den deutschen Fürsten.

276.
Der Irrwisch.

Mündlich, aus Hänlein.

An der Bergstraße zu Hänlein, auch in der Gegend von Lorsch, nennt man die Irrlichter: Heerwische; sie sollen nur in der Adventszeit erscheinen und man hat einen Spottreim auf sie: “Heerwisch, ho ho, brennst wie Haberstroh, schlag mich blitzeblo!” Vor länger als dreißig Jahren, wird erzählt, sah ein Mädchen Abends einen Heerwisch und rief ihm den Spottreim entgegen. Aber er lief auf das Mädchen gerade zu und als es floh und in das Haus zu seinen Eltern flüchtete, folgte er ihr auf der Ferse nach, trat mit ihr zugleich ins Zimmer hinein und schlug alle Leute, die darin waren, mit seinen feurigen Flügeln, daß ihnen Hören und Sehen verging.

[S. 366]

277.
Die feurigen Wagen.

Mündlich, aus dem Odenwald.

Conrad Schäfer aus Gammelsbach erzählte: “ich habe vor einigen Jahren Frucht auf der Hirschhörnerhöhe nicht weit von Freienstein, dem alten Schloß, gehütet. Nachts um zwölfe begegneten mir zwei feurige Kutschen mit gräßlichem Gerassel: jede mit vier feurigen Rossen bespannt. Der Zug kam gerade vom Freienstein. Er ist mir öfter begegnet und hat mich jedesmal gewaltig erschreckt; denn es saßen Leute in den Kutschen, denen die Flamme aus Maul und Augen schlug.”

278.
Räderberg.

Mündlich.

Ein Metzger von Nassau ging aus, zu kaufen. Auf der Landstraße stößt er bald auf eine dahin fahrende Kutsche und geht ihr nach, den Gleisen in Gedanken folgend. Mit einmal hält sie an und vor einem schönen großen Landhaus, mitten auf der Heerstraße, das er aber sonst noch niemals erblickt, so oft er auch dieses Wegs gekommen. Drei Mönche steigen aus dem Wagen und der erstaunte Metzger folgt ihnen unbemerkt in das hellerleuchtete Haus. Erst gehen sie in ein Zimmer, einem die Communion zu reichen,[S. 367] und nachher in einen Saal, wo große Gesellschaft um einen Tisch sitzt, in lautem Lärmen und Schreien ein Mahl verzehrend. Plötzlich bemerkt der Obensitzende den fremden Metzger und sogleich ist alles still und verstummt. Da steht der Oberste auf und bringt dem Metzger einen Weinbecher mit den Worten: “noch einen Tag!” Der Metzger erschauert und will nicht trinken. Bald hernach erhebt sich ein Zweiter, tritt den Metzger mit einem Becher an und spricht wieder: “noch ein Tag!” Er schlägt ihn wieder aus. Nachdem kommt ein Dritter mit dem Becher und denselben Worten: “noch ein Tag!” Nunmehr trinkt der Metzger. Aber kurz darauf nähert sich demselben ein Vierter aus der Gesellschaft, den Wein nochmals darbietend. Der Metzger erschrickt heftiglich, und als er ein Kreuz vor sich gemacht, verschwindet auf einmal die ganze Erscheinung und er befindet sich in dichter Dunkelheit. Wie endlich der Morgen anbricht, sieht sich der Metzger auf dem Räderberg, weit weg von der Landstraße, geht einen steinigten, mühsamen Weg zurück in seine Vaterstadt, entdeckt dem Pfarrer die Begebenheit und stirbt genau in drei Tagen.

Die Sage war schon lang verbreitet, daß auf jenem Berg ein Kloster gestanden, dessen Trümmer noch jetzt zu sehen sind, dessen Orden aber ausgestorben wäre.

[S. 368]

279.
Die Lichter auf Hellebarden.

Happel relat. curios. II. 771. 772.

Von dem uralten hanauischen Schloß Lichtenberg auf einem hohen Felsen im Unterelsaß, eine Stunde von Ingweiler belegen, wird erzählt: so oft sich Sturm und Ungewitter rege, daß man auf den Dächern und Knöpfen des Schlosses, ja selbst auf den Spitzen der Hellebarden viele kleine blaue Lichter erblicke. Dies hat sich seit langen Jahren also befunden und nach einigen selbst dem alten Schloß den Namen gegeben.

Zwei Bauern gingen aus dem Dorf Langenstein (nah bei Kirchhain in Oberhessen) nach Embsdorf zu, mit ihren Heugabeln auf den Schultern. Unterwegs erblickte der eine unversehens ein Lichtlein auf der Partisan seines Gefährten, der nahm sie herunter und strich lachend den Glanz mit den Fingern ab, daß er verschwand. Wie sie hundert Schritte weiter gingen, saß das Lichtlein wieder an der vorigen Stelle und wurde nochmals abgestrichen. Aber bald darauf stellte es sich zum drittenmal ein, da stieß der andere Bauer einige harte Worte aus, strich es jenem nochmals ab und darauf kam es nicht wieder. Acht Tage hernach zu derselben Stelle, wo der eine dem andern das Licht zum drittenmal abgestrichen hatte, trafen sich diese beiden Bauern, die sonst alte gute Freunde gewesen, verunwilligten sich und von den Worten zu Schlägen kommend erstach der eine den andern.

[S. 369]

280.
Das Wafeln.

Kosegarten Rhapsodien. II. 76.
Zölner’s Reise durch Pommern. 1797. I. 316. 516.

An der Ost-See glauben die Leute den Schiffbruch, das Stranden, oftmals vorherzusehen, indem solche Schiffe vorher spuckten, einige Tage oder Wochen, an dem Ort, wo sie verunglücken, bei Nachtzeit wie dunkle Luftgebilde erschienen, alle Theile des Schiffs, Rumpf, Tauwerk, Maste, Segel in bloßem Feuer vorgestellt. Dies nennen sie wafeln.

Es wafeln auch Menschen, die ertrinken, Häuser, die abbrennen werden und Orte, die untergehen. Sonntags hört man noch unter dem Wasser die Glocken versunkener Städte klingen.

281.
Weberndes Flammen-Schloß.

Der abentheuerliche Jean Rebhu. 1679. Th. II. S. 8-11.

In Tirol auf einem hohen Berg liegt ein altes Schloß, in welchem alle Nacht ein Feuer brennt; die Flamme ist so groß, daß sie über die Mauern hinausschlägt und man sie weit und breit sehen kann. Es trug sich zu, daß eine arme Frau, der es an Holz mangelte, auf diesem Schloß-Berge abgefallene Reiser zusammen suchte und endlich zu dem Schloß-Thor kam, wo sie aus Vorwitz sich umschaute und endlich[S. 370] hineintrat, nicht ohne Mühe, weil alles zerfallen und nicht leicht weiter zu kommen war. Als sie in den Hof gelangte, sah sie eine Gesellschaft von Herrn und Frauen da an einer großen Tafel sitzen und essen. Diener warteten auf, wechselten Teller, trugen Speisen auf und ab und schenkten Wein ein. Wie sie so stand, kam einer der Diener und holte sie herbei, da ward ihr ein Stück Gold in das Schürz-Tuch geworfen, worauf in einem Augenblick alles verschwunden war und die arme Frau erschreckt den Rückweg suchte. Als sie aber den Hof hinausgekommen, stand da ein Kriegsmann mit brennender Lunte, den Kopf hatte er nicht auf dem Hals sitzen, sondern hielt ihn unter dem Arme. Der hub an zu reden und verbot der Frau, keinem Menschen was sie gesehen und erfahren zu offenbaren, es würde ihr sonst übel ergehen. Die Frau kam, noch voller Angst, nach Haus, brachte das Gold mit, aber sie sagte nicht, woher sie es empfangen. Als die Obrigkeit davon hörte, ward sie vorgefordert, aber sie wollte kein Wort sich verlauten lassen und entschuldigte sich damit, daß wenn sie etwas sagte, ihr großes Uebel daraus zuwachsen würde. Nachdem man schärfer mit ihr verfuhr, entdeckte sie dennoch alles, was ihr in dem Flammen-Schloß begegnet war, haarklein. In dem Augenblick aber, wo sie ihre Aussage beendigt, war sie hinweg entrückt und niemand hat erfahren können, wo sie hingekommen ist.

Es hatte sich aber an diesem Ort ein junger Edelmann ins zweite Jahr aufgehalten, ein Ritter und[S. 371] wohlerfahren in allen Dingen. Nachdem er den Hergang dieser Sache erkündet, machte er sich tief in der Nacht mit seinem Diener zu Fuß auf den Weg nach dem Berg. Sie stiegen mit großer Mühe hinauf und wurden sechsmal von einer Stimme davon abgemahnt: sie würdens sonst mit großem Schaden erfahren müssen. Ohne aber darauf zu achten, gingen sie immer zu und gelangten endlich vor das Thor. Da stand jener Kriegsmann wieder als Schildwache und rief, wie gebräuchlich: “wer da?” Der Edelmann, ein frischer Herr, gab zur Antwort: “ich bins.” Das Gespenst fragte weiter: “wer bist du?” Der Edelmann aber gab diesmal keine Antwort, sondern hieß den Diener das Schwert herlangen. Als dieses geschehen, kam ein schwarzer Reuter aus dem Schloß geritten, gegen welchen sich der Edelmann wehren wollte; der Reuter aber schwang ihn auf sein Pferd und ritt mit ihm in den Hof hinein und der Kriegsmann jagte den Diener den Berg hinab. Der Edelmann ist nirgends zu finden gewesen.

282.
Der Feuerberg.

Mündlich, aus Wernigerode.

Einige Stunden von Halberstadt liegt ein ehemals kahler, jetzt mit hohen Tannen und Eichen bewachsener Berg, der von vielen der Feuerberg genannt wird. In seinen Tiefen soll der Teufel sein Wesen[S. 372] treiben und alles in hellen Flammen brennen. Vor alten Zeiten wohnte in der Gegend von Halberstadt ein Graf, der bös und raubgierig war und die Bewohner des Landes rings herum drückte, wo er nur konnte. Einem Schäfer war er viel Geld seit langen Jahren schuldig, jedesmal aber, wenn dieser kam und darum mahnte, gab er ihm schnöde und abweisende Antworten. Auf einmal verschwand der Graf und es hieß, er wär gestorben in fernen Landen. Der Schäfer ging betrübt zu Felde und klagte über seinen Verlust, denn die Erben und Hinterlassenen des Grafen wollten von seiner Foderung nichts wissen und jagten ihn, als er sich meldete, die Burg hinab. Da geschah es, daß, als er zu einer Zeit im Walde war, eine Gestalt zu ihm trat und sprach: “willst du deinen alten Schuldner sehen, so folge mir nach.” Der Schäfer folgte und ward durch den Wald geführt bis zu einem hohen, nackten Berg, der sich alsbald vor beiden mit Getöse öffnete, sie aufnahm und sich wieder schloß. Innen war alles ein Feuer. Der zitternde Schäfer erblickte den Grafen, sitzend auf einem Stuhle, um welchen sich, wie an den glühenden Wänden und auf dem Boden, tausend Flammen wälzten. Der Sünder schrie: “willst du Geld haben, Schäfer, so nimm dieses Tuch und bringe es den Meinigen; sage ihnen, wie du mich im Höllenfeuer sitzen gesehen, in dem ich bis in Ewigkeit leiden muß.” Hierauf riß er ein Tuch von seinem Haupt und gab es dem Schäfer und aus seinen Augen und Händen sprühten Funken.[S. 373] Der Schäfer eilte mit schwankenden Füßen, von seinem Führer geleitet, zurück, der Berg that sich wieder auf und verschloß sich hinter ihm. Mit dem Tuch ging er dann auf des Grafen Burg, zeigte es und erzählte, was er gesehen; worauf sie ihm gern sein Geld gaben.

283.
Der feurige Mann.

Bothonis chronicon brunsvic. pictur. bei Leibniz SS. RR. BB. III. 337.
Mündlich, aus dem Erbachischen.

In düssem Jare (1125) sach me einen furigen Man twischen den Borgen twen, de de heten Gelichghen (Gleichen), dat was in der rechten Middernacht. De Man gingk von einer Borch to der anderen unde brande alse ein Blase, alse ein glonich Für; düt segen de Wechters, und dede dat in dren Nechten unde nig mer.

Georg Miltenberger, im sogenannten Hoppelrain bei Kailbach Amts Freienstein wohnhaft, erzählte: “in der ersten Adventssonntagsnacht, zwischen 11 und 12 Uhr, nicht weit von meinem Hause, sah ich einen ganz in Feuer brennenden Mann. An seinem Leibe konnte man alle Rippen zählen. Er hielt seine Straße von einem Marktstein zum andern, bis er nach Mitternacht plötzlich verschwand. Viel Menschen sind durch ihn in Furcht und Schrecken gerathen, weil er durch Maul und Nase Feuer ausspie und in einer fliehenden Schnelligkeit hin und her flog, die Kreuz und die Quer.”

[S. 374]

284.
Die verwünschten Landmesser.

Mündlich, aus Meckelnburg.

Die Irrwische, welche Nachts an den Ufern und Feldrainen hin und her streifen, sollen ehdem Landmesser gewesen seyn und die Marken trüglich gemessen haben. Darum sind sie verdammt, nach ihrem Leben umzugehen und die Grenzen zu hüten.

285.
Der verrückte Grenzstein.

Erasm. Francisci höll. Proteus S. 422.

Auf dem Feld um Eger herum läßt sich nicht selten ein Gespenst in Gestalt eines Mannsbildes sehen, welches die Leute den Junker Ludwig nennen. Ehedessen soll einer dieses Namens da gelebt und die Grenz- und Marksteine des Feldes betrüglich verrückt haben. Bald nach seinem Tode fing er nun an zu wandern und hat viel Leute durch seine Begegnung erschreckt. Noch in jüngern Zeiten erfuhr das ein Mädchen aus der Stadt. Es ging einmal allein vor dem Thore und gerieth von ungefähr in die berüchtigte Gegend. An der Stätte, wo der Markstein, wie man sagt, verrückt seyn soll, wandelte ihr ein Mann entgegen, gerade so aussehend, als man ihr schon mehrmals die Erscheinung des bösen Junkers beschrieben[S. 375] hatte. Er ging auf sie an, griff ihr mit der Faust an die Brust und verschwand. In tiefster Entsetzung ging das Mädchen heim zu den Ihrigen und sprach: “ich hab mein Theil.” Da fand man ihre Brust, da wo der Geist sie angerührt hatte, schwarz geworden. Sie legte sich gleich zu Bette und verschied dritten Tags darauf.

286.
Der Grenzstreit.

Mündlich, aus Hessen.

Zu Wilmshausen, einem hessischen Dorf unweit Münden, war vormals Uneinigkeit zwischen der Gemeinde und einer benachbarten über ihre Grenze entsprungen. Man wußte sie nicht recht mehr auszumitteln. Also kam man übereins, einen Krebs zu nehmen und ihn über das streitige Ackerfeld laufen zu lassen, folgte seinen Spuren und legte die Marksteine danach. Weil er nun so wunderlich in die Kreuz und Quer lief, ist daselbst eine sonderbare Grenze mit mancherlei Ecken und Winkeln bis auf heutigen Tag.

287.
Der Grenzlauf.

Wyß a. a.O. S. 80-100. vgl. 317.

Ueber den Klußpaß und die Bergscheide hinaus vom Schächenthale weg erstreckt sich das Urner Gebiet[S. 376] am Fletschbache fort und in Glarus hinüber. Einst stritten die Urner mit den Glarnern bitter um ihre Landesgrenze, beleidigten und schädigten einander täglich. Da ward von den Biedermännern der Ausspruch gethan: zur Tag- und Nachtgleiche solle von jedem Theil frühmorgens, sobald der Hahn krähe, ein rüstiger, kundiger Felsgänger ausgesandt werden, und jedweder nach dem jenseitigen Gebiet zulaufen und da, wo sich beide Männer begegneten, die Grenzscheide festgesetzt bleiben, das kürzere Theil möge nun fallen dießeits oder jenseits. Die Leute wurden gewählt und man dachte besonders darauf, einen solchen Hahn zu halten, der sich nicht verkrähe und die Morgenstunde auf das allerfrühste ansagte. Und die Urner nahmen einen Hahn, setzten ihn in einen Korb und gaben ihm sparsam zu essen und saufen, weil sie glaubten, Hunger und Durst werde ihn früher wecken. Dagegen die Glarner fütterten und mästeten ihren Hahn, daß er freudig und hoffärtig den Morgen grüßen könne, und dachten damit am besten zu fahren. Als nun der Herbst kam und der bestimmte Tag erschien, da geschah es, daß zu Altdorf der schmachtende Hahn zuerst erkrähte, kaum wie es dämmerte, und froh brach der urner Felsenklimmer auf, der Marke zu laufend. Allein im Linthal drüben stand schon die volle Morgenröthe am Himmel, die Sterne waren verblichen und der fette Hahn schlief noch in guter Ruh. Traurig umgab ihn die ganze Gemeinde, aber es galt die Redlichkeit und keiner wagte es, ihn aufzuwecken; endlich schwang er[S. 377] die Flügel und krähte. Aber dem glarner Läufer wirds schwer seyn, dem urner den Vorsprung wieder abzugewinnen! Ängstlich sprang er, und schaute gegen das Scheideck, wehe da sah er oben am Giebel des Grats den Mann schreiten und schon bergabwärts niederkommen; aber der Glarner schwang die Fersen und wollte seinem Volke noch vom Lande retten, so viel als möglich. Und bald stießen die Männer auf einander und der von Uri rief: “hier ist die Grenze!” “Nachbar,” sprach betrübt der von Glarus, “sey gerecht und gib mir noch ein Stück von dem Weidland, das du errungen hast!” Doch der Urner wollte nicht, aber der Glarner ließ ihm nicht Ruh, bis er barmherzig wurde und sagte: “so viel will ich dir noch gewähren, als du mich an deinem Hals tragend bergan laufst.” Da faßte ihn der rechtschaffene Sennhirt von Glarus und klomm noch ein Stück Felsen hinauf, und manche Tritte gelangen ihm noch, aber plötzlich versiegte ihm der Athem und todt sank er zu Boden. Und noch heutiges Tags wird das Grenzbächlein gezeigt, bis zu welchem der einsinkende Glarner den siegreichen Urner getragen habe. In Uri war große Freude ob ihres Gewinnstes, aber auch die zu Glarus gaben ihrem Hirten die verdiente Ehre und bewahrten seine große Treue in steter Erinnerung.

[S. 378]

288.
Die Alpschlacht.

Stalder Fragmente über Entlebuch. Zürich 1797. I. S. 81-85.

Die Obwaldner und Entlebucher Hirten stritten sich um einige Weiden, aber die Obwaldner waren im Besitz und trieben ihr Vieh darauf. Weil sie etwa von ihren muthigen Gegnern einen Ueberfall besorgten, stellten sie Wächter zu ihrer Heerde. Die geschwinden und feinen Entlebucher dachten auf einen Streich; nachdem sie sich eine Zeitlang still und ruhig verhalten hatten und die treuherzigen Obwaldner wenig Böses ahnten, sondern statt Wache zu haben, sich die Langeweile mit Spielen verkürzten, schlichen kühne entlebucher Hirten auf die schlechtbewahrte Trift, banden dem Vieh ganz leise die klingenden Schellen ab und führten den Raub eilig zur Seite. Einer aus ihnen mußte zurückbleiben und so lange mit den Kühglocken läuten, bis die Räuber vor aller Gefahr sicher wären. Er thats, warf dann all den Klumpen von Schellen auf den Boden und sprang unter lautem Hohngelächter mit überflügelnden Schritten fort. Die Obwaldner horchten auf und sahen das Unglück. Sie wollten sich rächen, sammelten bald einen Haufen Volks und überfielen jählings die Entlebucher, welche sich aber darauf vorbereitet hatten. Die Obwaldner wetzten ihren Schimpf nicht aus, sondern wurden noch dazu geschlagen; das ihnen damals abgewonnene Fähnlein bewahren die Entlebucher noch heutiges Tags in ihrer Heimlichkeit (einem[S. 379] alten Thurm im Dorfe Schüpfen) und der Ort, wo das kleine Gefecht sich ereignete, wird auch diesen Augenblick noch immer die Alpschlacht genannt.

289.
Der Stein bei Wenthusen.

Quedlinburger Sammlung. S. 150. 154.

Wenthusen im Quedlinburgischen war vorzeiten ein Frauenkloster und kam nachher an die Grafen von Regenstein, nach deren Absterben an andere Herrn. Man gibt vor, es läge auf diesem Gut von Klosterzeiten her noch ein Stein, der stets unberührt und unbeschädigt liegen bleiben müßte, wo nicht dem Besitzer ein großes Unglück widerfahren sollte. Einer derselben soll ihn aus Neugierde haben wegnehmen lassen, aber dafür auf alle mögliche Art und Weise so lange gequält worden seyn, bis der Stein wieder auf seiner rechten Stelle gelegen habe.

290.
Die altenberger Kirche.

J.B. Heller’s Merkwürdigk. Thüringens. I. 59. 466.
Falkenstein thür. Chronik II. 273. Anm. b. III. 1272.

Oberhalb dem Dorfe Altenberg im Thüringer Wald liegt auf einem hohen Berg luftig zwischen Bäumen das Kirchlein des Orts, die Johannes-Kirche genannt. Wegen des beschwerlichen Wegs dahin, besonders im[S. 380] Winter bei Glatteis und wenn Leichen oder Kinder zur Taufe hinauf zu tragen waren, wollten, nach der Sage, die Altenberger die Kirche abbrechen und unten im Dorfe aufrichten, aber sie waren es nicht vermögend. Denn was sie heute abgetragen und ins Thal herabgebracht hatten, fanden sie am andern Morgen wieder an seiner Stelle in gehöriger Ordnung oben auf der Capelle, also daß sie von ihrem Vorhaben abstehen mußten.

Diese Kirche hat der heil. Bonifacius gestiftet und auf dem Berge öfters geprediget. Einmal als er es dort unter freiem Himmel that, geschah es, daß eine große Menge Raben, Dohlen und Krähen herbeigeflogen kamen und ein solches Gekrächz und Geschrei anfingen, daß die Worte des heil. Bonifacius nicht mehr konnten verstanden werden. Da bat er Gott, daß er solchen Vögeln in diese Gegend zu kommen nimmermehr erlaube. Seine Bitte wurde ihm gewährt und man hat sie hernach nie wieder an diesem Orte gesehen.

291.
Der König im lauenburger Berg.

Kornmann mons Veneris.
Seyfried’s medulla p. 482.
Valvassor Ehre von Crain I. 247.

Auf einem Berg bei der Lauenburg in Cassuben fand man 1596. eine ungeheure Kluft. Der Rath hatte zwei Missethäter doch zum Tod verurtheilt und[S. 381] schenkte ihnen unter der Bedingung das Leben, daß sie diesen Abgrund besteigen und besichtigen sollten. Als diese hinein gefahren waren, erblickten sie unten auf dem Grund einen schönen Garten, darin stand ein Baum mit lieblich-weißer Blüte; doch durften sie nicht daran rühren. Ein Kind war da, das führte sie über einen weiten Plan hin zu einem Schloß. Aus dem Schloß ertönte mancherlei Saitenspiel, wie sie eintraten, saß da ein König auf silbernem Stuhl, in der einen Hand einen goldnen Scepter, in der andern einen Brief. Das Kind mußte den Brief den beiden Missethätern überreichen.

292.
Der König im lauenburger Berg.

Agricola Sprichw. 389. 390.

Man hat gesagt bei Menschen Gezeiten her und niemand weiß, von wem es ausgekommen ist: “es soll der Schwanberg noch mitten in Schweiz liegen,” das ist ganz Deutschland wird Schweiz werden. Diese Sage ist gemein und ungeachtet.

293.
Der Robbedisser Brunn.

Letzner Dasselische Chronik. B. VIII. c. 10.

Wenn man von Dassel über die Höhe, Bier genannt, und über den Kirchberg gehen will, hat man[S. 382] zur linken Hand einen Ort Namens Robbedissen, wo ein Quellbrunn fließt. Von diesem, von dem schwarzen Grund hinter dem Gericht und der großen Pappel vor Eilenhausen haben die Leute der Gegend den festen Glauben: wann der robbedisser Brunn seine Stätte verrücke, der schwarze Grund der andern Erde gleich werde, und der große eilenhäuser Pappelbaum verdorre und vergehe, alsdann werde in der Schöffe, einem Feld zwischen Eilenhausen und Markoldendorf, eine große, blutige Schlacht gehalten werden.

294.
Bamberger Wage.

Manlii loc. comm. collect. p. 46.

Zu Bamberg, auf Kaiser Heinrichs Grab, ist die Gerechtigkeit mit einer Wagschale in der Hand eingehauen. Die Zunge der Wage steht aber nicht in der Mitte, sondern neigt etwas auf eine Seite. Es gehet hierüber ein altes Gerücht, daß, sobald das Zünglein ins Gleiche komme, die Welt untergehen werde.

295.
Kaiser Friedrich zu Kaiserslautern.

Georg Draud fürstliche Tischreden. I.
vgl. Fischart Gargantua 266 b.

Etliche wollen, daß Kaiser Friedrich, als er aus der Gefangenschaft bei den Türken befreit worden, gen Kaiserslautern gekommen und daselbst seine Wohnung[S. 383] lange Zeit gehabt. Er baute dort das Schloß, dabei einen schönen See oder Weiher, noch jetzt der Kaisersee genannt, darin soll er einmal einen großen Karpfen gefangen und ihm zum Gedächtniß einen güldenen Ring von seinem Finger an ein Ohr gehangen haben. Derselbige Fisch soll, wie man sagt, ungefangen in dem Weiher bleiben, bis auf Kaiser Friedrichs Zukunft. Auf eine Zeit, als man den Weiher gefischt, hat man zwei Karpfen gefangen, die mit güldenen Ketten um die Hälse zusammen verschlossen gewesen, welche noch bei Menschen-Gedächtniß zu Kaiserslautern an der Metzler-Pforte in Stein gehauen sind. Nicht weit vom Schloß war ein schöner Thiergarten gebauet, damit der Kaiser alle wunderbarliche Thier vom Schloß aus sehen konnte, woraus aber seit der Zeit ein Weiher und Schieß-Graben gemacht worden. Auch hängt in diesem Schloß des Kaisers Bett an vier eisernen Ketten und, als man sagt, so man das Bett zu Abend wohl gebettet, war es des Morgens wiederum zerbrochen, so daß deutlich jemand über Nacht darin gelegen zu haben schien.

Ferner: zu Kaiserslautern ist ein Felsen, darin eine große Höhle oder Loch, so wunderbarlich, daß niemand weiß, wo es Grund hat. Doch ist allenthalben das gemeine Gerücht gewesen, daß Kaiser Friedrich, der Verlorne, seine Wohnung darin haben sollte. Nun hat man einen an einem Seil hinabgelassen und oben an das Loch eine Schelle gehangen, wann er nicht weiter könne, daß er damit läute, so wolle man ihn[S. 384] wieder heraufziehen. Als er hinab gekommen, hat er den Kaiser Friedrich in einem güldenen Sessel sitzen sehen, mit einem großen Barte. Der Kaiser hat ihm zugesprochen und gesagt, er solle mit niemand hier reden, so werde ihm nichts geschehen, und solle seinem Herrn erzählen, daß er ihn hier gesehen. Darauf hat er sich weiter umgeschaut und einen schönen weiten Plan erblickt und viel Leut, die um den Kaiser standen. Endlich hat er seine Schelle geläutet, ist ohne Schaden wieder hinauf gekommen und hat seinem Herrn die Botschaft gesagt.

296.
Der Hirt auf dem Kiffhäuser.

Georg Draud fürstliche Tischreden I.

Etliche sprechen, daß bei Frankenhausen in Thüringen ein Berg liege, darin Kaiser Friedrich seine Wohnung habe und vielmal gesehen worden. Ein Schafhirt, der auf dem Berge hütete und die Sage gehört hatte, fing an auf seiner Sackpfeife zu pfeifen und als er meinte, er habe ein gutes Hofrecht gemacht, rief er überlaut: “Kaiser Friedrich, das sey dir geschenkt!” Da soll sich der Kaiser hervorgethan, dem Schäfer offenbart und zu ihm gesprochen haben: “Gott grüß dich, Männlein, wem zu Ehren hast du gepfiffen?” “Dem Kaiser Friedrich,” antwortete der Schäfer. Der Kaiser sprach weiter: “hast du das gethan, so komm mit mir, er soll dir darum lohnen.” Der Hirt sagte: “ich darf nicht von den Schafen gehen.”[S. 385] Der Kaiser aber antwortete: “folge mir nach, den Schafen soll kein Schaden geschehen.” Der Hirt folgte ihm und der Kaiser Friedrich nahm ihn bei der Hand und führte ihn nicht weit von den Schafen zu einem Loch in den Berg hinein. Sie kamen zu einer eisernen Thür, die alsbald aufging, nun zeigte sich ein schöner, großer Saal, darin waren viel Herrn und tapfre Diener, die ihm Ehre erzeigten. Nachfolgends erwiese sich der Kaiser auch freundlich gegen ihn und fragte, was er für einen Lohn begehre, daß er ihm gepfiffen? Der Hirt antwortete: “keinen.” Da sprach aber der Kaiser: “geh hin und nimm von meinem güldnen Handfaß den einen Fuß zum Lohn.” Das that der Schäfer, wie ihm befohlen ward, und wollte darauf von dannen scheiden, da zeigte ihm der Kaiser noch viel seltsame Waffen, Harnische, Schwerter und Büchsen und sprach, er sollte den Leuten sagen, daß er mit diesen Waffen das heilige Grab gewinnen werde. Hierauf ließ er den Hirt wieder hinaus geleiten, der nahm den Fuß mit, brachte ihn den andern Tag zu einem Goldschmied, der ihn für ächtes Gold anerkannte und ihm abkaufte.

297.
Die drei Telle.

Journal des Luxus und der Moden. Januar 1805. S. 38.

In der wilden Berggegend der Schweitz um den Waldstättersee ist nach dem Glauben der Leute und Hirten[S. 386] eine Felskluft, worin die drei Befreier des Landes, die drei Tellen genannt, schlafen. Sie sind mit ihrer uralten Kleidung angethan, und werden wieder auferstehen und rettend hervorgehen, wann die Zeit der Noth fürs Vaterland kommt. Aber der Zugang der Höhle ist nur für den glücklichen Finder.

Ein Hirtenjung erzählte folgendes einem Reisenden: sein Vater, eine verlaufene Ziege in den Felsenschluchten suchend, sey in diese Höhle gekommen und gleich, wie er gemerkt, daß die drei drin schlafenden Männer die drei Tellen seyen, habe auf einmal der alte eigentliche Tell sich aufgerichtet und gefragt: “welche Zeit ists auf der Welt?” und auf des Hirten erschrockene Antwort: “es ist hoch am Mittag” gesprochen: “es ist noch nicht an der Zeit, daß wir kommen,” und sey darauf wieder eingeschlafen. Der Vater, als er mit seinen Gesellen, die Telle für die Noth des Vaterlands zu wecken, nachher oft die Höhle gesucht, habe sie doch nie wieder finden können.

298.
Das Bergmännchen.

Wyß a.a.O. S. 1-12. vgl. 305. 308. aus mündl. Sage.

In der Schweitz hat es im Volk viele Erzählungen von Berggeistern, nicht blos auf dem Gebirg allein, sondern auch unten am Belp, zu Gelterfingen und Rümlingen im Bernerland. Diese Bergmänner[S. 387] sind auch Hirten, aber nicht Ziegen, Schafe und Kühe sind ihr Vieh, sondern Gemsen und aus der Gemsenmilch machen sie Käse, die so lange wieder wachsen und ganz werden, wenn man sie angeschnitten oder angebissen, bis man sie unvorsichtiger Weise völlig und auf einmal, ohne Reste zu lassen, verzehrt. Still und friedlich wohnt das Zwergvolk in den innersten Felsklüften und arbeitet emsig fort, selten erscheinen sie den Menschen, oder ihre Erscheinung bedeutet ein Leid und ein Unglück; außer wenn man sie auf den Matten tanzen sieht, welches ein gesegnetes Jahr anzeigt. Verirrte Lämmer führen sie oft den Leuten nach Haus und arme Kinder, die nach Holz gehen, finden zuweilen Näpfe mit Milch im Wald stehen, auch Körbchen mit Beeren, die ihnen die Zwerge hinstellen.

Vorzeiten pflügte einmal ein Hirt mit seinem Knechte den Acker, da sah man neben aus der Felswand dampfen und rauchen. “Da kochen und sieden die Zwerge, sprach der Knecht, und wir leiden schweren Hunger, hätten wir doch auch ein Schüsselchen voll davon.” Und wie sie das Pflugsterz umkehrten, siehe, da lag in der Furche ein weißes Laken gebreitet und darauf stand ein Teller mit frischgebackenem Kuchen und sie aßen dankbar und wurden satt. Abends beim Heimgehen war Teller und Messer verschwunden, blos das Tischtuch lag noch da, das der Bauer mit nach Haus nahm.

[S. 388]

299.
Die Zirbelnüsse.

Mündlich, aus Oberwallis.

Die Frucht der Arven oder Zirbeln, einer auf den Alpen wachsenden Gattung Tannen (Pinus cembra), hat einen röthlichen, wohl und süßschmeckenden Kern, fast wie Mandelnüsse sind. Allein man kann blos selten und mit Mühe dazu gelangen, weil die Bäume meistens einzeln über Felsenhängen und Abgründen, selten im Wald beisammen stehen. Die Bewohner geben allgemein vor: die Meisterschaft habe diesen Baum verwünscht und unfruchtbar gemacht, darum weil die Dienerschaft zur Zeit, wo sie auf dem Feld fleißig arbeiten sollen, sich damit abgegeben hätte, ihres lieblichen Geschmacks wegen diese Nüsse abzuwerfen und zu essen, worüber alle nöthige Arbeit versäumt oder schlecht gethan worden wäre.

300.
Das Paradies der Thiere.

Mündlich, aus Oberwallis im Visperthal.

Oben auf den hohen und unersteiglichen Felsen und Schneerücken des Mattenbergs soll ein gewisser Bezirk liegen, worin die schönsten Gemsen und Steinböcke, außerdem aber noch andere wunderbare und seltsame Thiere, wie im Paradies zusammen hausen und weiden. Nur alle zwanzig Jahre kann es einem Menschen[S. 389] gelingen, in diesen Ort zu kommen und wieder unter zwanzig Gemsenjägern nur einem einzigen. Sie dürfen aber kein Thier mit herunter bringen. Die Jäger wissen manches von der Herrlichkeit dieses Orts zu erzählen, auch daß daselbst in den Bäumen die Namen vieler Menschen eingeschnitten ständen, die nach und nach dort gewesen wären. Einer soll auch einmal eine prächtige Steinbockshaut mit herausgebracht haben.

301.
Der Gemsjäger.

Wyß a. a. O. S. 43-61. vgl. 312.

Ein Gemsjäger stieg auf und kam zu dem Felsgrat und immer weiter klimmend, als er je vorher gelangt war, stand plötzlich ein häßlicher Zwerg vor ihm, der sprach zornig: “warum erlegst du mir lange schon meine Gemsen und lässest mir nicht meine Heerde? jetzt sollst du’s mit deinem Blute theuer bezahlen!” Der Jäger erbleichte und wäre bald hinabgestürzt, doch faßte er sich noch und bat den Zwerg um Verzeihung, denn er habe nicht gewußt, daß ihm diese Gemsen gehörten. Der Zwerg sprach: “gut, aber laß dich hier nicht wieder blicken, so verheiß ich dir, daß du jeden siebenten Tag Morgenfrüh vor deiner Hütte ein geschlachtetes Gemsthier hangen finden sollst, aber hüte dich mir und schone die andern.” Der Zwerg verschwand und der Jäger ging nachdenklich heim und die ruhige Lebensart[S. 390] behagte ihm wenig. Am siebenten Morgen hing eine fette Gemse in den Aesten eines Baums vor seiner Hütte, davon zehrte er ganz vergnügt und die nächste Woche gings eben so und dauerte ein Paar Monate fort. Allein zuletzt verdroß den Jäger seiner Faulheit und er wollte lieber selber Gemsen jagen, möge erfolgen, was da werde, als sich den Braten zutragen lassen. Da stieg er auf und nicht lange, so erblickte er einen stolzen Leitbock, legte an und zielte. Und als ihm nirgends der böse Zwerg erschien, wollte er eben losdrücken, da war der Zwerg hinten her geschlichen und riß den Jäger am Knöchel des Fußes nieder, daß er zerschmettert in den Abgrund sank.

Andere erzählen: es habe der Zwerg dem Jäger ein Gemskäslein geschenkt, an dem er wohl sein Lebelang hätte genug haben mögen, er es aber unvorsichtig einmal aufgegessen oder ein unkundiger Gast ihm den Rest verschlungen. Aus Armuth habe er demnach wieder die Gemsjagd unternommen und sey vom Zwerg in die Fluh gestürzt worden.

302.
Die Zwerglöcher.

Behrens curiöser Harzwald S. 37. 75. 76.

Am Harz in der Grafschaft Hohenstein, sodann zwischen Elbingerode und dem Rübenland, findet man oben in den Felsenhöhlen an der Decke runde und andere[S. 391] Öffnungen, die der gemeine Mann Zwerglöcher nennt, wo die Zwerge vor Alters, vermittelst einer Leiter, ein- und ausgestiegen seyn sollen. Diese Zwerge erzeigten den Einwohnern zu Elbingerode alle Güte. Fiel eine Hochzeit in der Stadt vor, so gingen die Eltern oder Anverwandten der Verlobten nach solchen Höhlen und verlangten von den Zwergen messingne und kupferne Kessel, eherne Töpfe, zinnerne Schüssel und Teller und ander nöthiges Küchengeschirr mehr. Darauf traten sie ein wenig abwärts, und gleich hernach stellten die Zwerge die gefoderten Sachen vor den Eingang der Höhle hin. Die Leute nahmen sie sodann weg und mit nach Haus; wann aber die Hochzeit vorbei war, brachten sie alles wieder zur selben Stelle, setzten zur Dankbarkeit etwas Speise dabei.

303.
Der Zwerg und die Wunderblume.

Otmar S. 145-150.

Ein junger, armer Schäfer aus Sittendorf an der südlichen Seite des Harzes in der goldnen Aue gelegen, trieb einst am Fuß des Kyffhäusers und stieg immer trauriger den Berg hinan. Auf der Höhe fand er eine wunderschöne Blume, dergleichen er noch nie gesehen, pflückte und steckte sie an den Hut, seiner Braut ein Geschenk damit zu machen. Wie er so weiter ging, fand er oben auf der alten Burg ein Gewölbe[S. 392] offenstehen, blos der Eingang war etwas verschüttet. Er trat hinein, sah viel kleine glänzende Steine auf der Erde liegen und steckte seine Taschen ganz voll damit. Nun wollte er wieder ins Freie, als eine dumpfe Stimme erscholl: “vergiß das Beste nicht!” Er wußte aber nicht wie ihm geschah und wie er herauskam aus dem Gewölbe. Kaum sah er die Sonne und seine Heerde wieder, schlug die Thür, die er vorher gar nicht wahrgenommen, hinter ihm zu. Als der Schäfer nach seinem Hut faßte, war ihm die Blume abgefallen beim Stolpern. Urplötzlich stand ein Zwerg vor ihm: “wo hast du die Wunderblume, welche du fandest?” “Verloren,” sagte betrübt der Schäfer. “Dir war sie bestimmt,” sprach der Zwerg, “und sie ist mehr werth, denn die ganze Rothenburg.” Wie der Schäfer zu Haus in seine Taschen griff, waren die glimmernden Steine lauter Goldstücke. Die Blume ist verschwunden und wird von den Bergleuten bis auf heutigen Tag gesucht, in den Gewölben des Kyffhäusers nicht allein, sondern auch auf der Questenburg und selbst auf der Nordseite des Harzes, weil verborgene Schätze rucken.

304.
Der Nix an der Kelle.

Otmar’s Volkssagen. vgl. Behrens S. 82.

An der Kelle, einem kleinen See, unweit Werne im Hohensteinischen, wohnten sonst Nixen. Einmal[S. 393] hohlte der Nix des Nachts die Hebamme aus einem Dorfe und brachte sie unter großen Versprechungen zu der Untiefe hin, wo er mit seinem Weibe wohnte. Er führte sie hinab in das unterirdische Gemach, wo die Hebamme ihr Amt verrichtete. Der Nix belohnte sie reichlich. Eh sie aber wegging, winkte ihr die Kindbetterin und klagte heimlich mit einem Thränenstrom, daß der Nix das neugeborene Kind bald würgen würde. Und wirklich sah die Hebamme einige Minuten nachher auf der Oberfläche des Wassers einen blutrothen Strahl. Das Kind war ermordet.

305.
Schwarzach.

Badische Wochenschrift 1807. St. 17. Sp. 268. und St. 34. Sp. 543.

Von der alten Burg Schwarzach in der Pfalz hat es zweierlei Sagen. Ein Ritter lebte da vorzeiten, dessen Töchterlein, als sie am See auf der Wiese spielte, von einer großen Schlange, die aus dem Felsen kam, in den See gezogen wurde. Der Vater ging tagtäglich ans Ufer und klagte. Einmal glaubte er eine Stimme aus dem Wasser zu vernehmen und er rief laut: “gib mir ein Zeichen, mein Töchterlein!” Da schlug ein Glöcklein an. Fortan hörte er es jeden Tag schallen, und einmal lautete es heller und der Ritter vernahm die Worte: “ich lebe, mein Vater, bin aber an die Wasserwelt gebannt; lang hab ich mich gewehrt, aber der erste Trunk hat mich um die Freiheit gebracht;[S. 394] hüte dich vor diesem Trunk.” Der Vater blieb traurig stehen, da traten zwei Knaben zu und reichten ihm aus einem güldenen Becher zu trinken. Er kostete ihn kaum, so stürzte er in den See und sank unter.

Eine andre Erzählung erwähnt eines alten, blinden Ritters, der mit seinen neun Töchtern auf Schwarzach lebte. Nah dabei hauste ein Räuber im Wald, der den Töchtern lange vergeblich nachstellte. Eines Tags kam er in Pilgrimkleidern und sagte den Jungfrauen: “wenn ihr euren Vater heilen wollt, so weiß ich drunten in der kalten Klinge ein Kraut dafür, das muß gebrochen werden, eh die Sonne aufgeht.” Die Töchter baten, daß er es ihnen zeige. Als sie nun frühmorgens hinab in die kalte Klinge kamen, mordete sie der Bösewicht alle neun und begrub sie zur Stelle. Der Vater starb. Dreißig Jahre später trieb den Mörder die Reue, daß er die Todtengebeine ausgraben und in geweihte Erde legen ließ.

306.
Die drei Jungfern aus dem See.

Badische Wochenschrift 1806. St. 21. Sp. 342.

Zu Epfenbach bei Sinzheim traten seit der Leute Gedenken jeden Abend drei wunderschöne, weißgekleidete Jungfrauen in die Spinnstube des Dorfs. Sie brachten immer neue Lieder und Weisen mit, wußten hübsche Märchen und Spiele, auch ihre Rocken und Spindeln hatten etwas eignes und keine Spinnerin konnte[S. 395] so fein und behend den Faden drehen. Aber mit dem Schlag elf standen sie auf, packten ihre Rocken zusammen und ließen sich durch keine Bitte einen Augenblick länger halten. Man wußte nicht, woher sie kamen, noch wohin sie gingen; man nannte sie nur: die Jungfern aus dem See, oder die Schwestern aus dem See. Die Bursche sahen sie gern und verliebten sich in sie, zu allermeist des Schulmeisters Sohn. Der konnte nicht satt werden, sie zu hören und mit ihnen zu sprechen, und nichts that ihm leider, als daß sie jeden Abend schon so früh aufbrachen. Da verfiel er einmal auf den Gedanken und stellte die Dorfuhr eine Stunde zurück und Abends im steten Gespräch und Scherz merkte kein Mensch den Verzug der Stunde. Und als die Glocke eilf schlug, es aber schon eigentlich zwölf war, standen die drei Jungfern auf, legten die Rocken zusammen und gingen fort. Den folgenden Morgen kamen etliche Leute am See vorbei; da hörten sie wimmern und sahen drei blutige Stellen oben auf der Fläche. Seit der Zeit kamen die Schwestern nimmermehr zur Stube. Des Schulmeisters Sohn zehrte ab und starb kurz darnach.

307.
Der todte Bräutigam.

Prätorius Weltbeschr. I. 105-109.

Ein Adlicher verlobte sich zu Magdeburg mit einer schönen Fräulein. Da geschahs, daß der Bräutigam[S. 396] in die Elbe fiel, wo man ihn drei Tage suchte und nicht finden konnte. Die ganze Verwandtschaft war in tiefer Bekümmerniß, endlich kam ein Schwarzkünstler zu der Liebsten Eltern und sprach: “den ihr suchet, hat die Nixe unterm Wasser und wird ihn auch lebendig nicht loslassen, es sey dann, daß eure Tochter und ihr Liebster Leib und Seele der Nixe verschwören, oder daß eure Tochter sich flugs an seiner Statt von den Nixen das Leben nehmen lasse, oder auch, daß der Bräutigam sich der Nixe verspreche, welches er aber jetzund nicht thun will.” Die Braut wollte sich gleich für ihren Liebsten stellen, allein die Eltern bewilligten es nicht, sondern drangen in den Zauberer, daß er den Bräutigam schaffen solle, lebendig oder todt. Bald darauf fand man seinen Leichnam am Ufer liegen, ganz voll blauer Flecken. — Ein ähnliches soll sich mit dem Bräutigam einer Fräulein von Arnheim begeben haben, der auch im Wasser umgekommen war. Weil man aber die Stelle nicht wußte, brachte ein Zauberer durch seine Kunst zuwege, daß der Leichnam dreimal aus dem Wasser hervorsprang, worauf man an dem Ort suchte und den Todten im Grunde des Flusses fand.

[S. 397]

308.
Der ewige Jäger.

Nach einem Meistergesang Michael Beham’s, MS. Vatic. 312. Bl. 165. mitgetheilt in der Sammlung für altd. Lit. u. Kunst von Hagen u. a. S. 43-45.

Graf Eberhard von Würtenberg ritt eines Tages allein in den grünen Wald aus und wollte zu seiner Kurzweil jagen. Plötzlich hörte er ein starkes Brausen und Lärmen, wie wenn ein Weidmann vorüber käme; erschrack heftig und fragte, nachdem er vom Roß gestanden und auf eines Baumes Tolde getreten war, den Geist: ob er ihm schaden wolle? “Nein,” sprach die Gestalt, “ich bin gleich dir ein Mensch und stehe vor dir ganz allein, war vordem ein Herr. An dem Jagen hatte ich aber solche Lust, daß ich Gott anflehte, er möge mich jagen lassen, bis zu dem jüngsten Tag. Mein Wunsch wurde leider erhört und schon fünfthalb hundert Jahre jage ich an einem und demselben Hirsch. Mein Geschlecht und mein Adel sind aber noch niemanden offenbart worden.” Graf Eberhard sagte: “zeig mir dein Angesicht, ob ich dich etwan erkennen möge?” Da entblößte sich der Geist, sein Antlitz war kaum faustgroß, verdorrt, wie eine Rübe und gerunzelt, als ein Schwamm. Darauf ritt er dem Hirsch nach und verschwand, der Graf kehrte heim in sein Land zurück.

[S. 398]

309.
Hans Jagenteufel.

Journal von und für Deutschl. 1787. II. Nr. 27.
Prätorius Weltbeschr. II. 69-72.

Man glaubt: wer eine der Enthauptung würdige Unthat verrichte, die bei seinen Lebzeiten nicht herauskomme, der müsse nach dem Tod mit dem Kopf unterm Arm umgehen.

Im Jahr 1644. ging ein Weib aus Dresden eines Sonntags früh in einen nahen Wald, daselbst Eicheln zu lesen. In der Heide an einem Grund nicht weit von dem Orte, das verlorene Wasser genannt, hörte sie stark mit dem Jägerhorn blasen, darauf that es einen harten Fall, als ob ein Baum fiele. Das Weib erschrack und barg ihr Säcklein Eicheln ins Gestrüpf, bald darauf blies das Horn wieder und als sie umsah, erblickte sie auf einem Grauschimmel in langem grauen Rock einen Mann ohne Kopf reiten, er trug Stiefel und Sporn und hatte ein Hifthorn über dem Rücken hangen. Weil er aber ruhig vorbei ritt, faßte sie wieder Muth, las ihre Eicheln fort und kehrte Abends ungestört heim. Neun Tage später kam die Frau in gleicher Absicht in dieselbe Gegend und als sie am Försterberg niedersaß, einen Apfel zu schälen, rief hinter ihr eine Stimme: “habt ihr den Sack voll Eicheln und seyd nicht gepfändet worden?” “Nein,” sprach sie, “die Förster sind fromm und haben mir nichts gethan, Gott, biß mir Sünder gnädig!” — mit diesen Worten[S. 399] drehte sie sich um, da stand derselbe Graurock, aber ohne Pferd, wieder und hielt den Kopf mit bräunlichem, krausendem Haar unter dem Arm. Die Frau fuhr zusammen, das Gespenst aber sprach: “hieran thut ihr wohl, Gott um Vergebung eurer Sünden zu bitten, mir hats nicht so wohl werden können.” Darauf erzählte es: vor 130 Jahren habe er gelebt und wie sein Vater Hans Jagenteufel geheißen. Sein Vater habe ihn oft ermahnt, den armen Leuten nicht zu scharf zu seyn, er aber die Lehre in den Wind geschlagen und dem Saufen und Trinken obgelegen und Böses genug gethan. Darum müsse er nun als ein verdammter Geist umwandern.

310.
Des Hackelnberg Traum.

Otmar S. 249. 250.

Hans von Hackelnberg war braunschweigischer Oberjägermeister und ein gewaltiger Weidmann. Einer Nacht hatte er auf der Harzburg einen schweren Traum; es däuchte ihm, als ob er mit einem furchtbaren Eber kämpfe, der ihn nach langem Streit zuletzt besiegte. Diesen Traum konnte er gar nicht aus den Gedanken wieder los werden. Einige Zeit darnach stieß er im Vorharz wirklich auf einen Eber, dem im Traum gesehenen ähnlich. Er griff ihn an; der Kampf blieb lang unentschieden; endlich gewann Hans und streckte den Feind zu Boden nieder. Froh, als er ihn so zu[S. 400] seinen Füßen erblickte, stieß er mit dem Fuß nach den schrecklichen Hauern des Ebers und rief aus: “du sollst es mir noch nicht thun!” Aber er hatte mit solcher Gewalt gestoßen, daß der scharfe Zahn den Stiefel durchdrang und den Fuß verwundete. Erst achtete Hackelnberg der Wunde nicht und setzte die Jagd fort. Bei seiner Zurückkunft aber war der Fuß schon so geschwollen, daß der Stiefel vom Bein getrennt werden mußte. Er eilte nach Wolfenbüttel zurück; die Erschütterung des Wagens wirkte so schädlich, daß er mit genauer Mühe das Hospital zu Wülperode erreichte und bald daselbst starb. Auf seinem Grabe liegt ein Stein, der einen geharnischten Ritter auf einem Maulthier vorstellt.

311.
Die Tut-Osel.

Otmar S. 241 ff.

Mitternachts wann in Sturm und Regen der Hackelnberg “fatscht”[14] und auf dem Wagen mit Pferd und Hunden durch den Thüringerwald, den Harz und am liebsten durch den Hackel zieht, pflegt ihm eine Nachteule voranzufliegen, welche das Volk: die Tut-Osel nennt. Wanderer, denen sie aufstößt, werfen sich still auf den Bauch und lassen den wilden Jäger über sich wegfahren; und bald hören sie Hundebellen[S. 401] und den Waidruf: hu hu! — In einem fernen Kloster zu Thüringen lebte vorzeiten eine Nonne, Ursel geheißen, die störte mit ihrem heulenden Gesang noch bei Lebzeiten den Chor; daher nannte man sie Tut-Ursel. Noch ärger wurde es nach ihrem Tode, denn von elf Uhr Abends steckte sie den Kopf durch ein Loch des Kirchthurms und tutete kläglich und alle Morgen um vier Uhr stimmte sie ungerufen in den Gesang der Schwestern. Einige Tage ertrugen sie es; den dritten Morgen aber sagte eine voll Angst leise zu ihrer Nachbarin: “das ist gewiß die Ursel!” Da schwieg plötzlich aller Gesang, ihre Haare sträubten sich zu Berge und die Nonnen stürzten aus der Kirche, laut schreiend: “Tut-Ursel, Tut-Ursel!” Und keine Strafe konnte eine Nonne bewegen, die Kirche zu betreten, bis endlich ein berühmter Teufelsbanner aus einem Capucinerkloster an der Donau gehohlt wurde. Der bannte Tut-Ursel in Gestalt einer Ohreule in die Dummburg auf den Harz. Hier traf sie den Hackelnberg und fand an seinem huhu! so groß Gefallen, als er an ihrem uhu! und so ziehen sie beide zusammen auf die Luftjagd.

[14] fatschen braucht man, wenn die Füße der Pferde im zähen Koth und Moor schnalzen.

312.
Die schwarzen Reuter und das Handpferd.

Hanauer Landcalender vom Jahr 1730.
Hilscher vom wüthenden Heer. Dresden 1702. S. 31. 32.

Es soll vorzeiten der Rechenberger, ein Raub- und Diebsritter, mit seinem Knecht eines Nachts auf Beute[S. 402] ausgeritten seyn. Da begegnete ihnen ein Heer schwarzer Reuter; er wich aus, konnte sich aber nicht enthalten, den letzten im Zug, der ein schön gesattelt, leeres Handpferd führte, zu fragen: wer diese wären, die da vorübergeritten? Der Reuter versetzte: “das wütende Heer.” Drauf hielt auch der Knecht an und frug: wem doch das schöne Handpferd wäre? Dem wurde zur Antwort: “seines Herrn treustem Knecht, welcher übers Jahr todt seyn und auf diesem Pferd reiten werde.” Dieses Rechenbergers Knecht wollte sich nun bekehren und dingte sich zu einem Abt als Stallknecht. Binnen Jahresfrist wurde er mit seinem Nebenknecht uneins, der ihn erstach.

313.
Der getreu Eckhart.

Vorrede des Heldenbuchs, ganz zuletzt.
Agricola Sprichw. 667.
Hanauischer Landcalender a. a. O.

Man sagt von dem treuen Eckhart, daß er vor dem Venusberg oder Höselberg sitze und alle Leute warne, die hineingehen wollen. Johann Kennerer, Pfarrherr zu Mansfeld, seines Alters über achtzig Jahr, erzählte, daß zu Eisleben und im ganzen Lande Mansfeld das wütend Heer vorübergezogen sey, alle Jahr auf den Faßnacht Dornstag und die Leute sind zugelaufen und haben darauf gewartet; nicht anders, als sollte ein großer mächtiger Kaiser oder König vorüberziehen.[S. 403] Vor dem Haufen ist ein alter Mann hergangen mit einem weißen Stab, hat sich selbs den treuen Eckhart geheißen. Dieser Mann hat die Leute heißen aus dem Wege weichen, auch etliche Leute gar heimgehen, sie würden sonst Schaden nehmen. Nach diesem Mann haben etliche geritten, etliche gegangen und es sind Leute gesehen worden, die neulich an den Orten gestorben waren, auch der eins Theils noch lebten. Einer hat geritten auf einem Pferde mit zwein Füßen. Der ander ist auf einem Rade gebunden gelegen und das Rad ist von selbs umgelaufen. Der dritte hat einen Schenkel über die Achsel genommen und hat gleich sehr gelaufen. Ein ander hat kein Kopf gehabt und der Stück ohn Maßen. In Franken ists noch neulich geschehen und zu Heidelberg am Neckar hat mans oft im Jahr gesehen. Das wütende Heer erscheint in Einöden, in der Luft und im Finstern, mit Hundegebell, Blasen auf Waldhörnern und Brüllen wilder Thiere; auch siehet man dabei Hasen laufen und höret Schweine grunzen.

314.
Das Fräulein vom Willberg.

Mündlich, aus dem Corvei’schen.

Ein Mann aus Wehren bei Höxter ging nach der Amelungs-Mühle, Korn zu malen; auf dem Rückweg wollt er sich ein wenig am Teich im Lau ausruhen.[S. 404] Da kam ein Fräulein von dem Willberg, welcher Godelheim gegenüber liegt, herab, trat zu ihm und sprach: “bringt mir zwei Eimer voll Wasser oben auf die Stolle (Spitze) vom Willberg, dann sollt ihr gute Belohnung haben.” Er trug ihr das Wasser hinauf; oben aber sprach sie: “Morgen um diese Stunde kommt wieder und bringt den Busch Blumen mit, welchen der Schäfer vom Osterberge auf seinem Hut trägt.” Der Mann foderte den andern Tag die Blumen von dem Osterbergs-Schäfer und erhielt sie, doch erst nach vielem Bitten. Darauf ging er wieder zu der Stolle des Willbergs, da stand das Fräulein, führte ihn zu einer eisernen Thüre und sprach: “halte den Blumen-Busch vors Schloß.” Wie er das that, sprang die Thüre gleich auf und sie traten hinein; da saß in der Berghöhle ein klein Männlein vor dem Tisch, dessen Bart ganz durch den steinernen Tisch gewachsen war, ringsherum aber standen große, übermächtige Schätze. Der Schäfer legte vor Freude seinen Blumen-Busch auf den Tisch und fing an, sich die Taschen mit Gold zu füllen. Das Fräulein aber sprach zu ihm: “vergeßt das Beste nicht!” Der Mann sah sich um und glaubte, damit wäre ein großer Kronleuchter gemeint, wie er aber darnach griff, kam unter dem Tisch eine Hand hervor und schlug ihm ins Angesicht. Das Fräulein sprach nochmals: “vergeßt das Beste nicht!” Er hatte aber nichts, als die Schätze im Sinn und an den Blumen-Busch dachte er gar nicht. Als er seine Taschen gefüllt hatte, wollte er wieder fort, kaum aber[S. 405] war er zur Thüre hinaus, so schlug sie mit entsetzlichem Krachen zu. Nun wollt’ er seine Schätze ausladen, aber er hatte nichts, als Papier in der Tasche; da fiel ihm der Blumen-Busch ein und nun sah er, daß dieser das Beste gewesen und ging traurig den Berg herunter nach Haus.

315.
Der Schäfer und der Alte aus dem Berg.

Mündlich, aus Wernigerode.

Nicht weit von der Stadt Wernigerode befindet sich in einem Thale eine Vertiefung in steinigem Erdboden, welche das Weinkeller-Loch genannt wird und worin große Schätze liegen sollen. Vor vielen Jahren weidete ein armer Schäfer, ein frommer und stiller Mann, dort seine Heerde. Einmal, als es eben Abend werden wollte, trat ein greiser Mann zu ihm und sprach: “folge mir, so will ich dir Schätze zeigen, davon du dir nehmen kannst, so viel du Lust hast.” Der Schäfer überließ dem Hund die Bewachung der Heerde und folgte dem Alten. In einer kleinen Entfernung that sich plötzlich der Boden auf, sie traten beide ein und stiegen in die Tiefe, bis sie zu einem Gemach kamen, in welchem die größten Schätze von Gold und edlen Steinen aufgethürmt lagen. Der Schäfer wählte sich einen Goldklumpen und jemand, den er nicht sah, sprach zu ihm: “bringe das Gold dem[S. 406] Goldschmidt in die Stadt, der wird dich reichlich bezahlen.” Darauf leitete ihn sein Führer wieder zum Ausgang und der Schäfer that, wie ihm geheißen war und erhielt von dem Goldschmidt eine große Menge Geldes. Erfreut brachte er es seinem Vater, dieser sprach: “versuche noch einmal in die Tiefe zu steigen.” “Ja, Vater,” antwortete der Schäfer, “ich habe dort meine Handschuhe liegen lassen, wollt ihr mitgehen, so will ich sie holen.” In der Nacht machten sich beide auf, fanden die Stelle und den geöffneten Boden und gelangten zu den unterirdischen Schätzen. Es lag noch alles, wie das erstemal, auch die Handschuhe des Schäfers waren da; beide luden so viel in ihre Taschen, als sie tragen konnten und gingen dann wieder heraus, worauf sich der Eingang mit lautem Krachen hinter ihnen schloß. Die folgende Nacht wollten sie es zum drittenmal wagen, aber sie suchten lange hin und her, ohne die Stelle des Eingangs, oder auch nur eine Spur, zu entdecken. Da trat ihnen der alte Mann entgegen und sprach zum Schäfer: “hättest du deine Handschuhe nicht mitgenommen, sondern unten liegen gelassen, so würdest du auch zum drittenmal den Eingang gefunden haben, denn dreimal sollte er dir zugänglich und geöffnet seyn; nun aber ist er dir auf immer unsichtbar und verschlossen.” Geister, heißt es, können das, was in ihrer Wohnung von den irdischen Menschen zurückgelassen worden, nicht behalten und haben nicht Ruh, bis es jene wieder zu sich genommen.

[S. 407]

316.
Jungfrau Ilse.

Otmar S. 171-174.
Quedlinb. Sammlung. S. 204. 205.

Der Ilsenstein ist einer der größten Felsen des Harzgebirges, liegt auf der Nordseite in der Grafschaft Wernigerode unweit Ilsenburg am Fuß des Brockens und wird von der Ilse bespült. Ihm gegenüber ein ähnlicher Fels, dessen Schichten zu diesem passen und bei einer Erderschütterung davon getrennt zu seyn scheinen.

Bei der Sündfluth flohen zwei Geliebte dem Brocken zu, um der immer höher steigenden allgemeinen Ueberschwemmung zu entrinnen. Eh sie noch denselben erreichten und gerade auf einem andern Felsen zusammenstanden, spaltete sich solcher und wollte sie trennen. Auf der linken Seite, dem Brocken zugewandt, stand die Jungfrau; auf der rechten der Jüngling und miteinander stürzten sie umschlungen in die Fluten. Die Jungfrau hieß Ilse. Noch alle Morgen schließt sie den Ilsenstein auf, sich in der Ilse zu baden. Nur wenigen ist es vergönnt, sie zu sehen, aber wer sie kennt, preist sie. Einst fand sie frühmorgens ein Köhler, grüßte sie freundlich und folgte ihrem Winken bis vor den Fels; vor dem Fels nahm sie ihm seinen Ranzen ab, ging hinein damit und brachte ihn gefüllt zurück. Doch befahl sie dem Köhler, er sollte ihn erst in seiner Hütte öffnen. Die Schwere fiel ihm auf[S. 408] und als er auf der Ilsenbrücke war, konnt er sich nicht länger enthalten, machte den Ranzen auf und sah Eicheln und Tannäpfel. Unwillig schüttelte er sie in den Strom, sobald sie aber die Steine der Ilse berührten, vernahm er ein Klingeln und sah mit Schrecken, daß er Gold verschüttet hatte. Der nun sorgfältig aufbewahrte Ueberrest in den Ecken des Sacks machte ihn aber noch reich genug. — Nach einer andern Sage stand auf dem Ilsenstein vorzeiten eines Harzkönigs Schloß, der eine sehr schöne Tochter Namens Ilse hatte. Nah dabei hauste eine Hexe, deren Tochter über alle Maßen häßlich aussah. Eine Menge Freier warben um Ilse, aber niemand begehrte die Hexentochter, da zürnte die Hexe und wandte durch Zauber das Schloß in einen Felsen, an dessen Fuße sie eine nur der Königstochter sichtbare Thüre anbrachte. Aus dieser Thüre schreitet noch jetzo alle Morgen die verzauberte Ilse und badet sich im Flusse, der nach ihr heißt. Ist ein Mensch so glücklich und sieht sie im Bade, so führt sie ihn mit ins Schloß, bewirthet ihn köstlich und entläßt ihn reichlich beschenkt. Aber die neidische Hexe macht, daß sie nur an einigen Tagen des Jahrs im Bad sichtbar ist. Nur derjenige vermag sie zu erlösen, der mit ihr zu gleicher Zeit im Flusse badet und ihr an Schönheit und Tugend gleicht.

[S. 409]

317.
Die Heidenjungfrau zu Glatz.

Aelurius glätzische Chronik. Lpzg. 1625. 4. S. 124-128. vgl. S. 86.

Alte und junge Leute zu Glatz erzählten: in der heidnischen Zeit habe da eine gottlose, zauberhafte Jungfrau das Land beherrscht, die mit ihrem Ranzenbogen vom Schloß herab bis zur großen eisersdorfer Linde geschossen, als sie mit ihrem Bruder gewettet: wer den Pfeil am weitesten schießen könnte. Des Bruders Pfeil reichte kaum auf den halben Weg, und die Jungfrau gewann. An dieser Linde stehet die Grenze, und sie soll so alt seyn, wie der Heidenthurm zu Glatz und wenn sie gleich einmal oder das ander verdorret, so ist sie doch immer ausgewachsen und stehet noch. Auf der Linde saß einmal die Wahrsagerin und weissagte von der Stadt viel zukünftige Dinge: der Türk werde bis nach Glatz dringen, aber wenn er über die steinerne Brücke auf den Ring einziehe, eine schwere Niederlage erleiden durch die vom Schloß herab auf ihn ziehenden Christen; solches werde aber nicht geschehen, bevor ein Haufen Kraniche durch die Brotbänke geflogen. — Zum Zeichen, daß die Jungfrau ihren Bruder mit dem Bogen überschossen, setzte man auf der Meile hinter dem Graben zween spitzige Steine. Weil sie aber mit ihrem eigenen Bruder unerlaubte Liebe gepflogen, war sie vom Volk verabscheut und es wurde ihr nach dem Leben getrachtet, allein sie wußte[S. 410] durch ihre Zauberkunst und Stärke, da sie oftmals aus Kurzweile ein ganzes Hufeisen zerriß, stets zu entrinnen. Zuletzt jedoch blieb sie gefangen und in einem großen Saal, welcher bei dem Thor, dadurch man aus dem Niederschloß ins Oberschloß gehet, vermauert. Da kam sie ums Leben und zum Andenken stehet ihr Bildniß links deßelben Thors an der Mauer über den tiefen Graben in Stein ausgehauen und wird bis auf den heutigen Tag allen fremden Leuten gezeigt. Außerdem hing ihr Gemählde im grünen Schloßsaal und in der Schloßkirche an einem eisernen Nagel in der Wand schön gelbes Haar, etlichemal aufgeflochten nach der Länge. Die Leute nennen es allgemein: das Haar der Heidenjungfrau; es hanget so hoch, daß es ein großer Mann auf der Erden stehend mit der Hand erreichen kann, ungefähr drei Schritt von der Thüre weit. Sie soll in der Gestalt und Kleidung, wie sie abgemalet wird, öfters im Schlosse erscheinen, beleidiget doch niemanden, außer wer sie höhnt und spottet, oder ihre Haarflechte aus der Kirche wegzunehmen gedenkt. Zu einem Soldat, der sie verspottet, kam sie auf die Schildwache und gab ihm mit kalter Hand einen Backenstreich. Einem andern, der das Haar entwendet, erschien sie Nachts, kratzte und krengelte ihn bis nahe an den Tod, wenn er nicht schnell durch seinen Rottgesellen das Haar wieder an den alten Ort hätte tragen lassen.

[S. 411]

318.
Der Roßtrapp und der Cretpfuhl.

Behrens Harzwald S. 121. und 130.
Seyfried in medulla p. 428.
Melissantes Orograph. h. v.
Otmar S. 181-186.
Quedlinburger Samml. S. 125-128. 147. 148.

Den Roßtrapp oder die Roßtrappe nennt man einen Felsen mit einer eirunden Vertiefung, welche einige Aehnlichkeit mit dem Eindruck eines riesenmäßigen Pferdehufs hat, in dem hohen Vorgebirge des Nordharzes, hinter Thale. Davon folgende abweichende Sagen:

1) Eines Hühnenkönigs Tochter stellte vor Zeiten die Wette an, mit ihrem Pferde über den tiefen Abgrund, Creful genannt, von einem Felsen zum andern zu springen. Zweimal hatte sie es glücklich verrichtet, beim drittenmale aber schlug das Roß rückwärts über und stürzte mit ihr in die Schlucht hinab. Darin befindet sie sich immer noch. Ein Taucher hatte sie einmal einigen zu Gefallen um ein Trinkgeld so weit außer Wasser gebracht, daß man etwas von der Krone sehen konnte, die sie auf dem Haupt getragen. Als er zum drittenmal dran sollte, wagte ers anfänglich nicht, entschloß sich zuletzt doch und vermeldete dabei: “wenn aus dem Wasser ein Blutstrahl steigt, so hat mich die Jungfrau umgebracht; dann eilet alle davon, daß ihr nicht auch in Gefahr gerathet.” Wie er sagte, geschahs, ein Blutstrahl stieg auf.

[S. 412]

2) Vor Alters wohnte ein König auf den herumgelegenen alten Schlössern, der eine sehr schöne Tochter hatte. Diese wollte ein Prinz, der sich in sie verliebte, entführen und verband sich dazu mit dem Teufel, durch dessen schwarze Kunst er ein Pferd aus der Hölle bekam. So entführte er sie und beim Uebersetzen von Fels zu Felsen schlug das Roß mit dem Hufeisen dieses Wahrzeichen ein.

3) Eine Königstochter wohnte am Harz und hatte wider den Willen ihres Vaters eine geheime Liebschaft. Um sich vor seinem Zorn zu retten, floh sie, nahm die Königskrone mit und wollte sich in den Felsen bergen. Auf dem Felsen jenseits, gegenüber dem Roßtrapp, sollen noch die Radenägel ihres Fuhrwerks eingedrückt seyn. Sie wurde verfolgt und umringt. Es war keine Rettung übrig als einen Sprung ans andre Ufer zu wagen. Die Jungfrau sah das, da tanzte sie noch einmal zu guter Letzt, als wäre es ihr Hochzeittag und davon bekam der Fels den Namen Tanzplatz. Dann that sie glücklich den großen Sprung; wo ihr Roß den ersten Fuß hinsetzte, drückte sich sein Huf ein, fortan hieß dieser Fels der Roßtrapp. In der Luft war ihr aber die unschätzbare Krone vom Haupt gefallen in einen tiefen Strudel der Bode, davon das Kronenloch benannt. Da liegt sie noch auf den heutigen Tag.

4) Vor tausend und mehr Jahren, ehe noch die Raubritter die Hoymburg, Leuenburg, Steckelnburg und Winzenburg erbauten, war das Land rings um[S. 413] den Harz von Riesen bewohnt, die Heiden und Zauberer waren, Raub, Mord und Gewaltthat übten. Sechzigjährige Eichen rissen sie sammt den Wurzeln aus und fochten damit. Was sich entgegenstellte, wurde mit Keulen niedergeschlagen und die Weiber in Gefangenschaft fortgeschleppt, wo sie Tag und Nacht dienen mußten. In dem Boheimer Walde hauste dazumal ein Riese, Bodo genannt. Alles war ihm unterthan, nur Emma, die Königstochter vom Riesengebirge, die konnte er nicht zu seiner Liebe zwingen. Stärke noch List halfen ihm nichts, denn sie stand mit einem mächtigen Geiste im Bund. Einst aber ersah sie Bodo jagend auf der Schneekoppe und sattelte sogleich seinen Zelter, der meilenlange Fluren im Augenblick übersprang, er schwur, Emma zu fahen oder zu sterben. Fast hätt’ er sie erreicht, als sie ihn aber zwei Meilen weit von sich erblickte und an den Thorflügeln eines zerstörten Städtleins, welche er im Schild führte, erkannte, da schwenkte sie schnell das Roß. Und von ihren Spornen getrieben flog es über Berge, Klippen und Wälder durch Thüringen in die Gebirge des Harzes. Oft hörte sie einige Meilen hinter sich das schnaubende Roß Bodos und jagte dann den nimmermüden Zelter zu neuen Sprüngen auf. Jetzt stand ihr Roß verschnaufend auf dem furchtbaren Fels, der Teufels Tanzplatz heißt. Angstvoll blickte Emma in die Tiefe, denn mehr als tausend Fuß ging senkrecht die Felsenmauer herab zum Abgrund. Tief rauschte der Strom unten und kreiste in furchtbaren Wirbeln.[S. 414] Der entgegenstehende Fels schien noch entfernter und kaum Raum zu haben für einen Vorderfuß des Rosses. Von neuem hörte sie Bodos Roß schnauben, in der Angst rief sie die Geister ihrer Väter zu Hülfe und ohne Besinnung drückte sie ihrem Zelter die ellenlangen Spornen in die Seite. Und das Roß sprang über den Abgrund, glücklich auf die spitze Klippe und schlug seinen Huf vier Fuß tief in das harte Gestein, daß die Funken stoben. Das ist jener Roßtrapp. Die Zeit hat die Vertiefung kleiner gemacht, aber kein Regen kann sie ganz verwischen. Emma war gerettet, aber die centnerschwere goldne Königskrone fiel während des Sprungs von ihrem Haupt in die Tiefe. Bodo, in blinder Hitze nachsetzend, stürzte in den Strudel und gab dem Fluß den Namen. (Die Bode ergießt sich mit der Emme und Saale in die Elbe.) Hier als schwarzer Hund bewacht er die goldne Krone der Riesentochter, daß kein Gelddurstiger sie heraushohle. Ein Taucher wagte es einst unter großen Versprechungen. Er stieg in die Tiefe, fand die Krone und hob sie in die Höhe, daß das zahllos versammelte Volk schon die Spitzen golden schimmern sah. Aber zu schwer, entsank sie zweimal seinen Händen. Das Volk rief ihm zu, das drittemal hinabzusteigen. Er thats und ein Blutstrahl sprang hoch in die Höhe. Der Taucher kam nimmer wieder auf. Jetzo deckt tiefe Nacht und Stille den Ungrund, kein Vogel fliegt darüber. Nur um Mitternacht hört man oft in der Ferne das dumpfe Hundegeheul des Heiden. Der Strudel heißt: der[S. 415] Kreetpfuhl[15] und der Fels, wo Emma die Hülfe der Höllengeister erflehte, des Teufels Tanzplatz.

5) In Böhmen lebte vorzeiten eine Königstochter, um die ein gewaltiger Riese warb. Der König, aus Furcht seiner Macht und Stärke, sagte sie ihm zu. Weil sie aber schon einen andern Liebhaber hatte, der aus dem Stamm der Menschen war, so widersetzte sie sich dem Bräutigam und dem Befehl ihres Vaters. Aufgebracht wollte der König Gewalt brauchen und setzte die Hochzeit gleich auf den nächsten Tag. Mit weinenden Augen klagte sie das ihrem Geliebten, der zu schneller Flucht rieth und sich in der finstern Nacht einstellte, die getroffene Verabredung ins Werk zu setzen. Es hielt aber schwer zu entfliehen, die Marställe des Königs waren verschlossen und alle Stallmeister ihm treu und ergeben. Zwar stand des Riesen ungeheurer Rappe in einem für ihn eigends erbauten Stalle, wie sollte aber eine schwache Frauenhand das mehr denn zehn Ellen hohe Unthier leiten und lenken? und wie war ihm beizukommen, da es an einer gewaltig dicken Kette lag, die ihm statt Halfters diente und dazu mit einem großen Schlosse verwahrt war, dessen Schlüssel der Riese bei sich trug? Der Geliebte half aber aus, er stellte eine Leiter ans Pferd und hieß die Königstochter hinaufsteigen; dann that er einen mächtigen Schwerteshieb auf die Kette, daß sie[S. 416] von einander sprang, schwang sich selbst hinten auf und in einem Flug gings auf und davon. Die kluge Jungfrau hatte ihre Kleinode mitgenommen, dazu ihres Vaters goldne Krone aufs Haupt gesetzt. Während sie nun auf Gerathewohl forteilten, fiels dem Riesen ein, in dieser Nacht auszureiten. Der Mond schien hell und er stand auf, sein Roß zu satteln. Erstaunt sah er den Stall leer, es gab Lärm im ganzen Schlosse und als man die Königstochter aufwecken wollte, war sie auch verschwunden. Ohne sich lange zu besinnen, bestieg der Bräutigam das erste beste Pferd und jagte über Stock und Block. Ein großer Spürhund witterte den Weg, den die Verliebten genommen hatten; nahe am Harzwalde kam der Riese hinter sie. Da hatte aber auch die Jungfrau den Verfolger erblickt, wandte den Rappen flugs und sprengte waldein, bis der Abgrund, in welchem die Bode fließt, ihren Weg durchschneidet. Der Rappe stutzt einen Augenblick und die Liebenden sind in großer Gefahr. Sie blickt hinterwärts und in strengem Gallop nahet der Riese, da stößt sie muthig dem Rappen in die Rippen. Mit einem gewaltigen Sprung, der den Eindruck eines Hinterhufes im Felsen läßt, setzt er über und die Liebenden sind gerettet. Denn die Mähre des nacheilenden Riesen springt seiner Schwere wegen zu kurz und beide mit gräßlichem Geprassel fallen in den Abgrund. Auf dem jenseitigen Rand stehet die Königstochter und tanzt vor Freuden. Davon heißt die Stätte noch jetzt Tanzplatz. Doch hat sie im Taumel des Sprungs[S. 417] die Krone verloren, die in den Kessel der Bode gefallen ist. Da liegt sie noch heut zu Tag, von einem großen Hunde mit glühenden Augen bewacht. Schwimmer, die der Gewinn geblendet, haben sie mit eigner Lebensgefahr aus der Tiefe zu hohlen gesucht, aber beim Wiederkommen ausgesagt: daß es vergebens sey, der große Hund sinke immer tiefer, so wie sie ihm nahe kämen und die goldne Krone stehe nicht mehr zu erlangen.

[15] d. h. Teufelspfuhl, wie die nördlichen Harzbewohner Kreetkind ein Teufelskind nennen.

319.
Der Mägdesprung.

Quedlinburger Sammlung S. 67.
Otmar S. 195-198. vgl. S. 53.
Behrens Harzwald S. 131.
Seyfried in medulla p. 428.
Melissantes orograph. h. v.

Zwischen Ballenstedt und Harzgerode in dem Selkethal zeigt das Volk auf einen hohen, durch eine Säule ausgezeichneten Felsen, auf eine Vertiefung im Gestein, die einige Ähnlichkeit mit der Fußtapfe eines Menschen hat und 80 bis 100 Fuß weiter auf eine zweite Fußtapfe. Die Sage davon ist aber verschieden.

Eine Hühnin oder Riesentochter erging sich einst auf dem Rücken des Harzes von dem Petersberge herkommend. Als sie die Felsen erreicht hatte, die jetzt über den Hüttenwerken stehen, erblickte sie ihre Gespielin, die ihr winkte, auf der Spitze des Rammberges. Lange stand sie so zögernd, denn ihren Standort und[S. 418] den nächsten Berggipfel trennte ein breites Thal. Sie blieb hier so lange, daß sich ihre Fußtapfe ellentief in den Felsen drückte, wovon heut zu Tag noch die schwachen Spuren zu sehn sind. Ihres Zögerns lachte höhnisch ein Knecht des Menschenvolks, das diese Gegend bewohnte, und der bei Harzgerode pflügte. Die Hühnin merkte das, streckte ihre Hand aus und hob den Knecht sammt Pflug und Pferden in die Höhe, nahm alles zusammen in ihr Obergewand und sprang damit über das Thal weg und in einigen Schritten hatte sie ihre Gespielin erreicht.

Oft hört man erzählen: die Königstochter sey in ihrem Wagen gefahren kommen und habe auf das jenseitige Gebirg gewollt. Flugs that sie den Wagen nebst den Pferden in die Schürze und sprang von einem Berg nach dem andern.

Endlich werden die Fußtritte einer Bauerdirne zugeschrieben, die zu ihrem Liebhaber, einem Schäfer, jenseits den Sprung gemacht und beim Ansatz so gewaltig aufgetreten habe, daß sich ihre Spur eindrückte. Auch ein Ziegenbock scheint hierbei im Spiel gewesen zu seyn.

320.
Der Jungfernsprung.

Peschek’s Oybin bei Zittau. Leipz. 1804. S. 33. 34.

In der Lausitz unfern der böhmischen Grenze ragt ein steiler Felsen, Oybin genannt, hervor, auf dem[S. 419] man den Jungfernsprung zu zeigen und davon zu erzählen pflegt: vorzeiten sey eine Jungfrau in das jetzt zertrümmerte Bergkloster zum Besuch gekommen. Ein Bruder sollte sie herumführen und ihr die Gänge und Wunder der Felsengegend zeigen; da weckte ihre Schönheit sündhafte Lust in ihm und sträflich streckte er seine Arme nach ihr aus. Sie aber floh und flüchtete von dem Mönche verfolgt den verschlungenen Pfad entlang; plötzlich stand sie vor einer tiefen Kluft des Berges und sprang keusch und muthig in den Abgrund. Engel des Herrn faßten und trugen sie sanft ohne einigen Schaden hinab.

Andere behaupten: ein Jäger habe auf dem Oybin ein schönes Bauernmädchen wandeln sehen und sey auf sie losgeeilt. Wie ein gejagtes Reh stürzte sie durch die Felsengänge, die Schlucht öffnete sich vor ihren Augen und sie sprang unversehrt nieder bis auf den Boden.

Noch andere berichten: es habe ein rasches Mädchen mit ihren Gespielinnen gewettet, über die Kluft wegzuspringen. Im Sprung aber glischte ihr Fuß aus dem glatten Pantoffel und sie wäre zerschmettert worden, wo sie nicht glücklicherweise ihr Reifrock allenthalben geschützt und ganz sanft bis in die Tiefe hinunter gebracht hätte.

[S. 420]

321.
Der Harrassprung.

Körner’s Nachlaß 2. 71-74.

Bei Lichtenwalde im sächsischen Erzgebirge zeigt man an dem Zschopauthal eine Stelle, genannt der Harrassprung, wo vor Zeiten ein Ritter, von seinen Feinden verfolgt, die steile Felsenwand hinunter in den Abgrund geritten seyn soll. Das Roß wurde zerschmettert, aber der Held entkam glücklich auf das jenseitige Ufer.

322.
Der Riese Hidde.

Pierius Winsemius Geschiedenisse van Friesland. Franeker 1622. fol. Buch III. S. 93.

Zu Carls des Großen Zeit lebte ein Friese Namens Hidde, groß von Leib und ein starker Mann, ging ins Land Braunschweig und wurde vom Herzog zum Vogt seiner Wälder und Bäume gemacht. Als er einmal durch die Wildniß ging, stieß er auf eine Löwin mit ihren jungen Welpen im Nest, tödtete die Alte und brachte die Jungen, als Wölfe die er gefangen habe, dem Herzog an Hof. Diesem gefiel die Einfalt des Mannes, welcher keinen Unterschied machte zwischen Löwen und Wölfen und begabte ihn mit vielen Ländereien in der Gegend der Elbe. Da baute er sich ein Wohnhaus und nannte es Hiddesacker nach seinem Namen.

[S. 421]

323.
Das ilefelder Nadelöhr.

Behrens cur. Harzwald S. 126. 127.

Bei dem Kloster Ilefeld, zur linken Hand gleich bei dem Harzfahrwege, steht aus einem hohen Berg ein starker Stein hervor, der in seiner Mitte eine enge und schmale durchgehende Höhle hat. Alle Knechte aus Nordhausen und den umliegenden Örtern, wann sie das erstemal in den Harzwald hinter Ilefeld nach Brennholz fahren, müssen durch dieses Nadelöhr dreimal kriechen, mit großer Müh und Beschwerde, und werden beim Ein- und Auskriechen von ihren Cameraden dazu mit Peitschenstielen tapfer abgeschlagen. Wollen sie die Kurzweil nicht ausstehen, so müssen sie sich mit Gelde loskaufen. Die Obrigkeit hat diese Sitte schon mehrmals bei ziemlicher Strafe, aber fruchtlos verboten und der Knecht, der sich dem Brauch entziehen will, hat vor seinen Cameraden keinen Frieden und wird nicht bei ihnen gelitten. Vom Ursprung dieses Steins gibt der gemeine Mann vor: ein Hühne sey einsmals etliche Meilen Wegs gereist; als er nun hinter Ilefeld gekommen, habe er gefühlt, daß ihn etwas in dem einen Schuh drücke, ihn also ausgezogen und diesen Stein drin gefunden. Darauf habe er den Stein an den Ort, wo er noch liege, geworfen.

[S. 422]

324.
Die Riesen zu Lichtenberg.

Mündlich, aus dem Odenwald.

Der Lichtenberg ist ein Bergschloß, das man späterhin aus den uralten Trümmern wieder erneuert hat, und in allen Dörfern, die in seiner Nähe liegen, lebt noch die Sage fort, daß es hier vor alten Zeiten Riesen gegeben habe. Unter den Steinen befinden sich manche, die keine Menschenkraft den jähen Berg hinauf hätte tragen können. Ein Riese schleppte einen über achtzig Centner schweren Block auf seiner Schulter herbei, aber er zerbrach ihm unterwegs und blieb eine Stunde von Lichtenberg auf der Höhe liegen; er wird noch heut zu Tag Riesenstein genannt. Im Schloß wird ein Knochen, anderthalb Schuh im Umfang haltend und mit einem andern, einen halben Schuh dicken, einen Fuß langen Bein verwachsen, aufbewahrt; auch soll daselbst vor fünf und zwanzig Jahren noch eine ungeheure Bettlade außer den Knochen zu sehen gewesen seyn. Es wird auch wiederum erzählt, daß die Riesenfrau einmal weiter als gewöhnlich von dem Lichtenberg weggegangen sey und einen Bauer getroffen habe, der mit Ochsen seinen Acker pflügte. Das hatte sie noch nie gesehn, nahm also Bauer, Pflug und Ochsen zusammen in ihre Schürze und brachte es ihrem Mann aufs Schloß mit den Worten: “sieh einmal Mann, was ich für schöne Thierchen gefunden habe.”

[S. 423]

325.
Das Hühnenblut.

Otmar S. 267-270.

Zwischen dem magdeburgischen Städtchen Egeln und dem Dorfe Westeregeln, unweit des Hakels, findet sich in einer flachen Vertiefung rothes Wasser, welches das Volk: Hühnenblut nennet. Ein Hühne floh verfolgt von einem andern, überschritt die Elbe und als er in die Gegend kam, wo jetzo Egeln liegt, blieb er mit einem Fuße, den er nicht genug aufhob, an der Thurmspitze der alten Burg hangen, stolperte, erhielt sich noch ein Paar tausend Fuß zwischen Fall und Aufstehen, stürzte aber endlich nieder. Seine Nase traf gerade auf einen großen Feldstein bei Westeregeln mit solcher Gewalt, daß er das Nasenbein zerschmetterte und ihm ein Strom von Blut entstürzte, dessen Ueberreste noch jetzt zu sehen sind.

Nach einer zweiten Erzählung, wohnte der Hühne in der Gegend von Westeregeln. Oft machte er sich das Vergnügen, über das Dorf und seine kleinen Bewohner wegzuspringen. Bei einem Sprung aber ritzte er seine große Zehe an der Thurmspitze, die er berührte. Das Blut sprützte aus der Wunde in einem tausendfüßigen Bogen, bis in die Lache, in der sich das nieversiegende Hühnenblut sammelte.

[S. 424]

326.
Es rauscht im Hühnengrab.

Micrälius Pomm. Gesch. B. II. c. 52.

Bei Cößlin in Pommern zeigt man einen Hühnenberg, und man hat da ein großes Horn, ein großes Schwert und ungeheure Knochen ausgegraben. Auch in Vorpommern sollen vor Zeiten Riesen gewesen seyn. In der Gegend von Greifswalde ließ man 1594. solche Hühnengräber “kleuben und abschlichten,” da fanden die Steinmetzen Leiber elf und wohl sechszehn Schuh lang, und Krüge daneben. Wie sie aber an einen andern Graben, dem vorigen gleich, kamen und ihn auch versuchen wollten, soll sich ihrem Vorgeben nach ein Getümmel, als wenn etwas mit Schlüsseln um sie herrauschte und tanzte, haben vernehmen lassen. Da standen sie ab vom Stören des Grabs.

327.
Todte aus den Gräbern wehren dem Feind.

Otmar’s Samml.

Wehrstedt, ein Dorf nahe bei Halberstadt, hat nach der Sage seinen Namen davon erhalten, daß bei einem gefahrvollen Ueberfall fremder Heiden, da die Landesbewohner der Uebermacht schon unterlagen, die Todten aus den Gräbern aufstanden, diese Unholde tapfer abwehrten und so ihre Kinder retteten.

[S. 425]

328.
Hans Heilings Felsen.

Körner’s Nachlaß 2. 132-152. aus der deutschböhmischen Volkssage, vgl. 174.

An der Eger, dem Dorfe Aich gegenüber, ragen seltsame Felsen empor, die das Volk: Hans Heilings Felsen nennt und wovon es heißt: vor alten Zeiten habe ein gewisser Mann, Namens Hans Heiling, im Lande gelebt, der genug Geld und Gut besessen, aber sich jeden Freitag in sein Haus verschlossen und diesen Tag über unsichtbar geblieben sey. Dieser Heiling stand mit dem Bösen im Bunde und floh, wo er ein Kreuz sah. Einst soll er sich in ein schönes Mädchen verliebt haben, die ihm auch anfangs zugesagt, hernach aber wieder verweigert worden war. Als diese mit ihrem Bräutigam und vielen Gästen Hochzeit hielt, erschien Mitternachts zwölf Uhr Heiling plötzlich unter ihnen und rief laut: “Teufel, ich lösche dir deine Dienstzeit, wenn du mir diese vernichtest!” Der Teufel antwortete: “so bist du mein” und verwandelte alle Hochzeitleute in Felsensteine. Braut und Bräutigam stehen da, wie sie sich umarmen; die übrigen mit gefaltenen Händen. Hans Heiling stürzte vom Felsen in die Eger hinab, die ihn zischend verschlang und kein Auge hat ihn wieder gesehen. Noch jetzt zeigt man die Steinbilder, die Liebenden, den Brautvater und die Gäste; auch die Stelle, wo Heiling hinabstürzte.

[S. 426]

329.
Die Jungfrau mit dem Bart.

Prätorius Wünschelruthe S. 152-153. aus mündl. Erzählung.
vgl. Kinder- und Haus-Märchen II. 66.

Zu Salfeld mitten im Fluß steht eine Kirche, zu welcher man durch eine Treppe von der nahgelegenen Brücke eingeht, worin aber nicht mehr gepredigt wird. An dieser Kirche ist als Beiwappen oder Zeichen der Stadt in Stein ausgehauen eine gekreuzigte Nonne, vor welcher ein Mann mit einer Geige kniet, der neben sich einen Pantoffel liegen hat. Davon wird folgendes erzählt. Die Nonne war eine Königs-Tochter und lebte zu Salfeld in einem Kloster. Wegen ihrer großen Schönheit verliebte sich ein König in sie und wollte nicht nachlassen, bis sie ihn zum Gemahl nähme. Sie blieb ihrem Gelübde treu und weigerte sich beständig, als er aber immer von neuem in sie drang und sie sich seiner nicht mehr zu erwehren wußte, bat sie endlich Gott, daß er zu ihrer Rettung die Schönheit des Leibes von ihr nähme und ihr Ungestaltheit verliehe; Gott erhörte die Bitte und von Stund an wuchs ihr ein langer, häßlicher Bart. Als der König das sah, gerieth er in Wuth und ließ sie ans Kreuz schlagen.

Aber sie starb nicht gleich, sondern mußte in unbeschreiblichen Schmerzen etliche Tage am Kreuz schmachten. Da kam in dieser Zeit aus sonderlichem Mitleiden ein Spielmann, der ihr die Schmerzen lindern und die Todes-Noth versüßen wollte. Der hub an und spielte[S. 427] auf seiner Geige, so gut er vermogte, und als er nicht mehr stehen konnte vor Müdigkeit, da kniete er nieder und ließ seine tröstliche Musik ohn Unterlaß erschallen. Der heiligen Jungfrau aber gefiel das so gut, daß sie ihm zum Lohn und Angedenken einen köstlichen, mit Gold und Edelstein gestickten Pantoffel von dem einen Fuß herabfallen ließ.

330.
Die weiße Jungfrau zu Schwanau.

Joh. Müller Schweiz. Gesch. II. 3.

Die freien Schweizer brachen die Burg Schwanau auf dem lowerzer See, weil darin der böse und grausame Vogt des Kaisers wohnte. Einmal jährlich erschüttert bei nächtlicher Stille ein Donner die Trümmer und ertönt im Thurm Klaggeschrei; rings um die Mauer wird der Vogt von dem weißgekleideten Mädchen, das er entehrt hatte, verfolgt, bis er mit Geheule sich in den See stürzt. Drei Schwestern flohen vor der Vögte Lust in des Rigi Klüfte und sind nimmer wieder herausgekommen. Sanct Michels Capelle bezeichnet den Ort.

331.
Schwarzkopf und Seeburg am Mummel-See.

Erzählungen und Märchen von Gustav. Lpzg. 1804.

Der Mummel-See liegt im tiefen Murgthale rings von ehemaligen Burgen umgeben; gegen einander stehen[S. 428] die Ueberreste der ehemaligen Festen Schwarzkopf und Seeburg. Die Sage erzählt, daß jeden Tag, wann Dämmerung die Bergspitzen verhüllt, von der Seite des Seeburger Burghofes dreizehn Stück Rothwild zu einem Pförtchen herein, über den Platz, und zu dem entgegengesetzten flügellosen Burgthore hinaus eilen. Geübte Wildschützen bekamen von diesen Thieren immer eins, aber nie mehr in ihre Gewalt. Die andern Kugeln gingen fehl, oder fuhren in die Hunde. Kein Jäger schoß seit der Zeit auf ein anderes Thier, als das in diesem Zuge lief und sich durch Größe und Schönheit auszeichnete. Von diesem täglichen Zuge ist jedoch der Freitag ausgenommen, der deswegen den noch jetzt üblichen Namen Jäger-Sabbath erhielt und an welchem niemand die Seeburg betritt. Aber an diesem Tage, um die Mitternacht, wird eine andere Erscheinung gesehen. Zwölf Nonnen, in ihrer Mitte ein blutender Mann, in dessen Leib zwölf Dolche stecken, kommen durch die kleine Waldpforte in den Hof und wandeln still dem großen Burgthore zu. In diesem Augenblick erscheint aus dem Portale eine ähnliche Reihe, bestehend in zwölf ganz schwarzen Männern, aus deren Leibern Funken sprühen und überall brennende Flecken hervorlodern; sie wandeln dicht an den Nonnen und ihrem blutigen Begleiter vorüber, in ihrer Mitte aber schleicht eine weibliche Gestalt. Dieses Gesicht erklärt die Sage auf folgende Weise: in der Seeburg lebten zwölf Brüder, Raub-Grafen, und bei ihnen eine gute Schwester; auf dem Schwarzkopf aber ein[S. 429] edler Ritter mit zwölf Schwestern. Es geschah, daß die zwölf Seeburger in einer Nacht die zwölf Schwestern vom Schwarzkopf entführten, dagegen aber auch der Schwarzkopfer die einzige Schwester der zwölf Raubgrafen in seine Gewalt bekam. Beide Theile trafen in der Ebene des Murgthals auf einander und es entstand ein Kampf, in welchem die Seeburger bald die Oberhand erhielten und den Schwarzkopfer gefangen nahmen. Sie führten ihn auf die Burg und jeder von den Zwölfen stieß ihm einen Dolch vor den Augen seiner sterbenden Geliebten, ihrer Schwester, in die Brust. Bald darnach befreiten sich die zwölf geraubten Schwestern aus ihren Gemächern, suchten die zwölf Dolche aus der Brust ihres Bruders und tödteten in der Nacht sämmtliche Mord-Grafen. Sie flüchteten nach der That, wurden aber von den Knechten ereilt und getödtet. Als hierauf das Schloß durch Feuer zerstört ward, da sah man die Mauern, in welchen die Jungfrauen geschmachtet, sich öffnen, zwölf weibliche Gestalten, jede mit einem Kindlein auf dem Arm, traten hervor, schritten zu dem Mummel-See und stürzten sich in seine Fluten. Nachher hat das Wasser die zertrümmerte Burg verschlungen, in welcher Gestalt sie noch hervorragt.

Ein armer Mann, der in der Nähe des Mummel-Sees wohnte und oftmals für die Geister des Wassers gebätet hatte, verlor seine Frau durch den Tod. Abends darauf hörte er in der Kammer, wo sie auf Spänen lag, eine leise Musik ertönen. Er öffnete ein[S. 430] wenig die Thüre und schaute hinein und sah sechs Jungfrauen, die mit Lichtlein in den Händen um die Todte standen; am folgenden Abend waren es eben so viel Jünglinge, die bei der Leiche wachten und sie sehr traurig betrachteten.

332.
Der Krämer und die Maus.

Wenzel dramat. Erzählungen.

Vor langen Jahren ging ein armer Krämer durch den Böhmerwald gen Reichenau. Er war müd geworden und setzte sich, ein Stückchen Brot zu verzehren; das einzige, was er für den Hunger hatte. Während er aß, sah er zu seinen Füßen ein Mäuschen herumkriechen, das sich endlich vor ihn hinsetzte und aufschaute, als erwartete es etwas. Gutmüthig warf er ihm einige Bröcklein von seinem Brot hin, so noth es ihm selber that, die es auch gleich wegnagte. Dann gab er ihm, so lang er noch etwas hatte, immer sein kleines Theil, so daß sie ordentlich zusammen Mahlzeit hielten. Nun stand der Krämer auf, einen Trunk Wasser an einer nahen Quelle zu thun; als er wieder zurückkam, siehe, da lag ein Goldstück auf der Erde und eben kam die Maus mit einem zweiten, legte es dabei und lief fort, das dritte zu holen. Der Krämer ging nach und sah, wie sie in ein Loch lief und daraus das Gold hervorbrachte. Da nahm er seinen Stock, öffnete den Boden und fand einen großen Schatz[S. 431] von lauter alten Goldstücken. Er hob ihn heraus und sah sich dann nach dem Mäuslein um, aber das war verschwunden. Nun trug er voll Freude das Gold nach Reichenau, theilte es halb unter die Armen und ließ von der andern Hälfte eine Kirche daselbst bauen. Diese Geschichte ward zum ewigen Andenken in Stein gehauen und ist noch am heutigen Tage in der Dreieinigkeitskirche zu Reichenau in Böhmen zu sehen.

333.
Die drei Schatzgräber.

Falkenstein thüring. Chronik I. 219.

Unter der St. Dionysien Kirche, nicht weit von Erfurt, sollte ein großer Schatz liegen, welchen drei Männer miteinander zu heben sich vornahmen, nämlich ein Schmidt, ein Schneider und ein Hirt oder Schäfer. Aber der böse Geist, der den Schatz bewachte, tödtete sie alle dreie. Ihre Häupter wurden an dem Gesims der Kirche unterm Dache in Stein ausgehauen, nebst einem Hufeisen, einer Scheere und einem Schäferstock oder einer Weinmeisters-Hippe.

334.
Einladung vor Gottes Gericht.

Casp. Henneberg chronicon Prussiae. p. 254.
Prätorius Weltbeschr. I. 285-288.

Zu Leuneburg in Preußen war ein sehr behender Dieb, der einem ein Pferd stehlen konnte, wie vorsichtig[S. 432] man auch war. Nun hatte ein Dorfpfarrer ein schönes Pferd, das er dem Fischmeister zu Angerburg verkauft, aber noch nicht gewährt. Da wettete der Dieb, er wolle dieses auch stehlen und darnach aufhören; aber der Pfarrer erfuhr es und ließ es so verwahren und verschließen, daß er nicht dazu kommen konnte. Indeß ritt der Pfarrer mit dem Pferd einmal in die Stadt, da kam der Dieb auch in Bettlerskleidern mit zweien Krücken in die Herberge. Und als er merkt, daß der Pfarrer schier wollte auf seyn, macht er sich zuvor auf das Feld, wirft die Krücken auf einen Baum, legt sich darunter und erwartet den Pfarrer. Dieser kommt hernach, wohl bezecht, findet den Bettler da liegen und sagt: “Bruder, auf! auf! es kommt die Nacht herbei, geh zu Leuten, die Wölfe mögten dich zerreißen.” Der Dieb antwortet: “ach! lieber Herr, es waren böse Buben eben hier, die haben mir meine Krücken auf den Baum geworfen, nun muß ich allhier verderben und sterben, denn ohne Krücken kann ich nirgend hinkommen.” Der Pfarrer erbarmt sich seiner, springt vom Pferde, gibt es dem Schalk, am Zügel zu halten, zieht seinen Reitrock aus, legt ihn aufs Pferd und steigt dann auf den Baum, die Krücken abzugewinnen. Indessen springt der Dieb auf das Pferd, rennt davon, wirft die Bauerskleider weg und läßt den Pfarrer zu Fuß nach Hause gehen. Diesen Diebstahl erfährt der Pfleger, läßt den Dieb greifen und an den Galgen henken. Jedermann wußte nun von seiner Listigkeit und Behendigkeit zu erzählen.

[S. 433]

Einsmals ritten etliche Edelleute, wohl bezecht, an dem Galgen vorbei, redeten von des Diebs Verschlagenheit und lachten darüber. Einer von ihnen war auch ein wüster und spöttischer Mensch, der rief hinauf: “o du behender und kluger Dieb, du mußt ja viel wissen! komm auf den Donnerstag mit deinen Gesellen zu mir zu Gaste und lehre mich auch Listigkeit.” Deß lachten die andern.

Auf den Donnerstag, als der Edelmann die Nacht über getrunken hatte, lag er lang schlafend, da kommen die Diebe Glocke neun des Morgens mit ihren Ketten in den Hof, gehen zur Frau, grüßen sie und sagen, der Junker habe sie zu Gast gebeten, sie solle ihn aufwecken. Dessen erschrickt sie gar hart, geht vor des Junkers Bett und sagt: “ach! ich habe euch längst gesagt, ihr würdet mit euerm Trinken und spöttischen Reden Schande einlegen, steht auf und empfanget eure Gäste;” und erzählt, was sie in der Stube gesagt hätten.

Er erschrickt, steht auf, heißt sie willkommen und daß sie sich setzen sollten. Er läßt Essen vortragen, so viel er in Eile vermag, welches alles verschwindet. Unterdessen sagt der Edelmann zu dem Pferdedieb: “lieber, es ist deiner Behendigkeit viel gelachet worden, aber jetzund ist mirs nicht lächerlich, doch verwundert mich, wie du so behend bist gewesen, da du doch ein grober Mensch scheinest.” Der antwortet: “der Satan, wann er sieht, daß ein Mensch Gottes Wort verläßt, kann einen leicht behend machen.” Der[S. 434] Edelmann fragte andere Dinge, darauf jener antwortete, bis die Mahlzeit entschieden war. Da stunden sie auf, dankten ihm und sprachen: “so bitten wir euch auch zu Gottes himmlischem Gericht, an das Holz, da wir um unserer Missethat willen von der Welt getödtet worden: da sollt ihr mit uns aufnehmen das Gericht zeitlicher Schmach und dies soll seyn heut über vier Wochen.” Und schieden also von ihm.

Der Edelmann erschrack sehr und ward heftig betrübt. Er sagte es vielen Leuten, der eine sprach dies der andere jenes dazu. Er aber tröstete sich dessen, daß er niemanden etwas genommen und daß jener Tag auf Allerheiligen-Tag fiel, auf welchen um des Fests willen man nicht zu richten pflegt. Doch blieb er zu Hause und lud Gäste, so etwas geschähe, daß er Zeugniß hätte, er wäre nicht auskommen. Denn damals war die Rauberei im Lande, sonderlich Gregor Maternen Reiterei, aus welchen einer den Hauscomthur D. Eberhard von Emden erstochen hatte. Derhalben der Comthur Befehl bekam, wo solche Reiter und Compans zu finden wären, man sollte sie fangen und richten, ohn einige Audienz. Nun war der Mörder verkundschaftet und der Comthur eilte ihm mit den seinigen nach. Und weil jenes Edelmannes der letzte Tag war und dazu Allerheiligen-Fest, gedacht er, nun wär er frei, wollte sich einmal gegen Abend auf das lange Einsitzen etwas erlustigen und ritt ins Feld. Indessen als seiner des Comthurs Leute gewahr werden, däucht sie, es sey des Mörders Pferd und Kleid und reiten[S. 435] flugs auf ihn zu. Der Reuter stellt sich zur Wehr und ersticht einen jungen Edelmann, des Comthurs Freund und wird deshalb gefangen. Sie bringen ihn vor Leuneburg, geben einem Litthauen Geld, der hängt ihn zu seinen Gästen an den Galgen. Und wollte ihm nicht helfen, daß er sagte, er käme aus seiner Behausung erst geritten, sondern muß hören: “mit ihm fort, eh andere kommen und sich seiner annehmen, denn er will sich nur also ausreden!”

335.
Gäste vom Galgen.

Bräuner’s Curiositäten S. 296-298.

Ein Wirth einer ansehnlichen Stadt reiste mit zwei Weinhändlern aus dem Weingebürge, wo sie einen ansehnlichen Vorrath Wein eingekauft hatten, wieder heim und ihr Weg führte sie am Galgen vorbei und obwohl sie berauscht waren, sahen sie doch und bemerkten drei Gehenkte, welche schon lange Jahre gerichtet waren. Da rief einer von den zwei Weinhändlern: “du, Bären-Wirth, diese drei Gesellen, die da hängen, sind auch deine Gäste gewesen.” — “Hei! sagte der Wirth in tollem Muthe, sie können heut zu Nacht zu mir kommen und mit mir essen!” Was geschieht? Als der Wirth also trunken anlangt, vom Pferd absteigt, in seine Wohnstube geht und sich niedersetzt, kommt eine gewaltige Angst über ihn, so daß er nicht[S. 436] im Stande ist, jemand zu rufen. Indeß tritt der Hausknecht herein, ihm die Stiefel abzuziehen, da findet er seinen Herrn halb todt im Sessel liegen. Er ruft alsbald die Frau und als sie ihren Mann mit starken Sachen ein wenig wieder erquickt, fragt sie, was ihm zugestoßen sey. Darauf erzählt er ihr, im Vorbeireiten habe er die drei Gehängten zu Gast geladen und da er in seine Stube gekommen, seyen diese drei in der entsetzlichen Gestalt, wie sie am Galgen hängen, in das Zimmer getreten, hätten sich an den Tisch gesetzt und ihm immer gewinkt, daß er herbei kommen solle. Da sey endlich der Hausknecht hereingetreten, worauf die Geister alle drei verschwunden. Dieses wurde für eine bloße Einbildung des Wirths ausgegeben, weil ihm trunkener Weise eingefallen, was er im Vorbeireiten den Sündern zugerufen, aber er legte sich zu Bett und starb am dritten Tage.

336.
Teufels-Brücke.

Mündlich.

Ein Schweizer-Hirte, der öfters sein Mädchen besuchte, mußte sich immer durch die Reuß mühsam durcharbeiten, um hinüber zu gelangen, oder einen großen Umweg nehmen. Es trug sich zu, daß er einmal auf einer außerordentlichen Höhe stand und ärgerlich sprach: “ich wollte der Teufel wäre da und baute[S. 437] mir eine Brücke hinüber.” Augenblicklich stand der Teufel bei ihm und sagte: “versprichst du mir das erste Lebendige, das darüber geht, so will ich dir eine Brücke dahin bauen, auf welcher du stets hinüber und herüber kannst.” Der Hirte willigte ein; in wenig Augenblicken war die Brücke fertig, aber jener trieb eine Gemse vor sich her und ging hinten nach. Der betrogene Teufel ließ alsbald die Stücke des zerrissenen Thiers aus der Höhe herunter fallen.

337.
Die zwölf Johanneße.

Falkenstein thüring. Chronik I. 218.

Ein fränkischer König hatte zwölf Jünglinge, die wurden die deutschen Schüler genannt, und hieß jeglicher Johannes. Sie fuhren auf einer Glücksscheibe durch alle Länder und konnten binnen vier und zwanzig Stunden erfahren, was in der ganzen Welt geschehen war. Das berichteten sie dann dem Könige. Der Teufel aber ließ alle Jahre einen von der Scheibe herabfallen und nahm ihn zum Zoll. Den letzten ließ er auf den Petersberg bei Erfurt fallen, der zuvor der Berbersberg genannt war. Der König bekümmerte sich, wo doch der letzte hingekommen wäre, und als er erfuhr, daß es ein schöner Berg sey, auf den er herabgefallen, ließ er eine Capelle daselbst bauen und nannte sie Corpus Christi; setzte auch einen Einsiedler[S. 438] hinein. Es war aber damals schiffbar Wasser rings umher und nichts angebaut und an der Capelle hing eine Leuchte, darnach sich jeder richtete, bis das Wasser an der Sachsenburg abgestochen wurde.

338.
Teufels-Graben.

Mündlich.

In der Nähe des Dorfes Rappersdorf, das nicht weit von der Stadt Strehlen in Niederschlesien liegt, erblickt man in flachem Boden einen tiefen Graben, gegen einen etwas entfernten Bach laufend, welcher vom Volk der Teufels-Graben genannt wird. Ein Bauer aus Rappersdorf war sehr in Noth, weil er nicht wußte, wie er das überhand nehmende Regen-Wasser von seinen Feldern ableiten solle. Da erschien der Teufel vor ihm und sprach: “gib mir sieben Arbeiter zur Hülfe, so will ich dir noch in dieser Nacht einen Graben machen, der alles Wasser von deinen Äckern abzieht und fertig seyn soll, eh der Morgen graut.” Der Bauer willigte ein und überlieferte dem Teufel die Arbeiter mit ihren Werkzeugen. Als er am folgenden Tag hinausging, die Arbeit zu besichtigen, war zwar der große breite Graben vollendet, aber die Arbeitsleute waren verschwunden, bis man die zerrissenen Glieder dieser Unglücklichen auf den Feldern rings umher zerstreut fand.

[S. 439]

339.
Der Kreuzliberg.

Kleine Reminiscenzen und Gemählde. Zürch 1806.

Auf einer Burg in der Nähe von Baaden im Aargau lebte eine Königstochter, welche oft zu einem nah gelegenen Hügel ging, da im Schatten des Gebüsches zu ruhen. Diesen Berg aber bewohnten innen Geister und er ward einmal bei einem furchtbaren Wetter von ihnen verwüstet und zerrissen. Die Königstochter, als sie wieder hinzukam, beschloß in die geöffnete Tiefe hinabzusteigen, um sie beschauen zu können. Sie trat, als es Nacht wurde, hinein, wurde aber alsbald von wilden, entsetzlichen Gestalten ergriffen und über eine große Menge Fässer immer tiefer und weiter in den Abgrund gezogen. Folgenden Tags fand man sie auf einer Anhöhe in der Nähe des verwüsteten Bergs, die Füße in die Erde gewurzelt, die Arme in zwei Baumäste ausgewachsen und den Leib einem Steine ähnlich. Durch ein Wunderbild, das man aus dem nahen Kloster herbeibrachte, wurde sie aus diesem furchtbaren Zustande wieder erlöst und zur Burg zurückgeführt. Auf den Gipfel des Bergs setzte man ein Kreuz, und noch jetzt heißt dieser der Kreuzliberg und die Tiefe mit den Fässern des Teufels Keller.

[S. 440]

340.
Die Pferde aus dem Bodenloch.

Merssaeus (Cratepolius) catalogus episcop. Coloniens.
Greg. Horst in s. Zusätzen zu Marc. Donatus hist. medica mirab. cap. 9. p. 707.
Balth. Bebelius diss. de bis mortuis p. 9.
Rhein. Antiquarius S. 728-730.
Cölner Taschenbuch für altdeutsche Kunst 1816.

Richmuth von Adocht, eines reichen Burgermeisters zu Cöln Ehefrau, starb und wurde begraben. Der Todtengräber hatte gesehen, daß sie einen köstlichen Ring am Finger trug, die Begierde trieb ihn Nachts zu dem Grab, das er öffnete, Willens den Ring abzuziehen. Kaum aber hatte er den Sargdeckel aufgemacht, so sah er, daß der Leichnam die Hand zusammendrückte und aus dem Sarg steigen wollte. Erschrocken floh er. Die Frau wand sich aus den Grabtüchern los, trat heraus und ging gerades Schritts auf ihr Haus zu, wo sie den bekannten Hausknecht bei Namen rief, daß er schnell die Thüre öffnen sollte und erzählte ihm mit wenig Worten, was ihr widerfahren. Der Hausknecht trat zu seinem Herrn und sprach: “unsere Frau steht unten vor der Thüre und will eingelassen seyn.” “Ach, sagte der Herr, das ist unmöglich, eh das möglich wäre, eher würden meine Schimmel oben auf dem Heuboden stehen!” Kaum hatte er das Wort ausgeredet, so trappelte es auf der Treppe und dem Boden und siehe, die sechs Schimmel standen oben alle beisammen. Die Frau hatte[S. 441] nicht nachgelassen mit Klopfen, nun glaubte der Burgermeister, daß sie wirklich da wäre; mit Freuden wurde ihr aufgethan und sie wieder völlig zum Leben gebracht. Den andern Tag schauten die Pferde noch aus dem Bodenloch und man mußte ein großes Gerüste anlegen, um sie wieder lebendig und heil herabzubringen. Zum Andenken der Geschichte hat man Pferde ausgestopft, die aus diesem Haus zum Boden herausgucken. Auch ist sie in der Apostelkirche abgemahlt, wo man überdem einen langen leinenen Vorhang zeigt, den Frau Richmuth nachher mit eigner Hand gesponnen und dahin verehrt hat. Denn sie lebte noch sieben Jahre.

341.
Zusammenkunft der Todten.

Mündlich, aus Hessen.

Eine Königin war gestorben und lag in einem schwarz ausgehängten Trauersaal auf dem Prachtbette. Nachts wurde der Saal mit Wachskerzen hell erleuchtet und in einem Vorzimmer befand sich die Wache: ein Hauptmann mit neun und vierzig Mann. Gegen Mitternacht hört dieser, wie ein sechsspänniger Wagen rasch vor das Schloß fährt, geht hinab und eine in Trauer gekleidete Frau, von edlem und vornehmem Anstande, kommt ihm entgegen und bittet um die Erlaubniß, eine kurze Zeit bei der Todten verweilen zu dürfen. Er stellt ihr vor, daß er nicht die Macht[S. 442] habe, dies zu bewilligen, sie nennt aber ihren wohlbekannten Namen und sagt, als Oberhofmeisterin der Verstorbenen gebühre ihr das Recht, sie noch einmal, eh sie beerdigt werde, zu sehen. Er ist unschlüssig, aber sie dringt so lange, daß er nichts schickliches mehr einzuwenden weiß und sie hineinführt. Er selbst, nachdem er die Thüre des Saals wieder zugemacht, geht haußen auf und ab. Nach einiger Zeit bleibt er vor der Thüre stehen, horcht und blickt durchs Schlüsselloch, da sieht er, wie die todte Königin aufrecht sitzt und leise zu der Frau spricht, doch mit verschlossenen Augen und ohne eine andere Belebung der Gesichtszüge, als daß die Lippen sich ein wenig bewegen. Er heißt die Soldaten, einen nach dem andern, hineinsehen und jeder erblickt dasselbe; endlich naht er selbst wieder, da legt sich die Todte eben langsam auf das Prachtbett zurück. Gleich darnach kommt die Frau wieder heraus und wird vom Hauptmann hinab geführt; dieser fühlt, indem er sie in den Wagen hebt, daß ihre Hand eiskalt ist. Der Wagen eilt, so schnell er gekommen, wieder fort und der Hauptmann sieht, wie in der Ferne die Pferde Feuerfunken ausathmen. Am andern Morgen kommt die Nachricht, daß die Oberhofmeisterin, welche mehrere Stunden weit auf einem Landhause wohnte, um Mitternacht und gerade in der Stunde gestorben ist, wo sie bei der Todten war.

[S. 443]

342.
Das weissagende Vöglein.

Micrälius Pomm. Gesch. Buch IV. S. 159.

Im Jahr 1624. hörte man in der Luft rufen: “weh, weh über Pommerland!” Am 14. Juli ging des Leinenwebers Frau von Colbatz nach Selow, mit Namen Barbara Sellentius, daselbst Fische zu kaufen. Da sie auf dem Rückwege nach Colbatz unterwegs war, hörte sie den Steig herunter am Berge ein Geschrei von Vögeln, und wie sie besser hinankam, schallte ihr die Stimme entgegen: “höre, höre!” Sie sah mittlerweile ein klein weiß Vögelein, einer Schwalben groß, auf einer Eiche sitzend, das redete sie mit deutlichen, klaren Worten an: “sage dem Hauptmann, daß er soll dem Fürsten sagen, die Anrennung, die er kriegen wird, soll er in Güte vertragen, oder es wird über ihn ausgehen; und soll also richten, daß ers vor Gott und der Welt verantworten kann!”

343.
Der ewige Jud auf dem Matterhorn.

Mündlich, aus Oberwallis.

Der Matterberg unter dem Matterhorn ist ein hoher Gletscher des Walliserlands, auf welchem die Visper entspringt. Der Leutsage nach soll daselbst vor Zeiten eine ansehnliche Stadt gelegen haben. Durch[S. 444] diese kam einmal der laufende Jud[16] gegangen und sprach: “wenn ich zum zweitenmal hier durch wandere, werden da, wo jetzt Häuser und Gassen sind, Bäume wachsen und Steine liegen. Und wenn mich zum drittenmal der Weg daher führt, wird nichts da seyn, als Schnee und Eis.” Jetzo ist schon nichts mehr da zu sehen, als Schnee und Eis.

[16] So nennen viele Schweizer den ewigen Juden.

344.
Der Kessel mit Butter.

Mündlich, aus Oberwallis.

Unter einem Berg des Visperthales, nicht weit von Alt-Tesch, soll ein ganzes Dorf mit Kirche und Häusern vergraben liegen, und die Ursache dieses Unglücks wird so erzählt: eine Bäuerin stand vorzeiten an ihrem Heerd und hatte einen Kessel mit Anke, welche sie auslassen wollte, über dem Feuer hangen; der Kessel war gerade halb voll Sud. Da kam ein Mann des Weges vorbei und sprach sie an, daß sie ihm etwas von der Anke zu seiner Speise geben möchte. Die Frau war aber hartherzig und sagte: “ich brauch alles für mich selber und kann nichts davon verschenken.” Da wandte sich der Mann und sprach: “hättest du mir ein weniges gegeben, so wollte ich deinen Kessel so begabt haben, daß er stets bis zum[S. 445] Rand voll gewesen und nimmer leer geworden wäre.” Dieser Mann war unser Herrgott selber. Das Dorf aber war seit der Zeit verflucht und wurde von einem Bergsturz ganz überschüttet, so daß nichts mehr davon am Licht ist, als die Fläche des Kirchen-Altars, der ehdem im Ort gestanden; über den fließt nämlich jetzt das Bächlein, das vorher unter ihm hingeflossen und sich nun durch die Schlucht der Felsen windet.

345.
Trauer-Weide.

Mündlich.

Unser Herr Jesus Christus ward bei seiner Kreuzigung mit Ruthen gegeiselt, die von einem Weidenbaume genommen waren. Seit dieser Zeit senkt dieser Baum seine Zweige trauernd zur Erde und kann sie nicht mehr himmelwärts aufrichten. Das ist nun der Trauer-Weidenbaum.

346.
Das Christus-Bild zu Wittenberg.

Mündlich.

Zu Wittenberg soll sich ein Christus-Bild befinden, welches die wunderbare Eigenschaft hat, daß es immer einen Zoll größer ist, als der, welcher davor steht und es anschaut; es mag nun der größte oder der kleinste Mensch seyn.

[S. 446]

347.
Das Muttergottes-Bild am Felsen.

Mündlich, aus Oberwallis.

Im Visperthal an einer schroffen Felsenwand des Rätibergs hinter St. Niklas stehet hoch oben, den Augen kaum sichtbar, ein kleines Marienbild im Stein. Es stand sonst unten am Weg in einem jetzt leeren Capellchen, daß die vorbeigehenden Leute davor beten konnten. Einmal aber geschahs, daß ein gottloser Mensch, dessen Wünsche unerhört geblieben waren, Koth nahm und das heilige Bild damit bewarf; es weinte Thränen: als er aber den Frevel wiederholte, da eilte es fort, hoch an die Wand hinauf und wollte sich auf das Flehen der Leute nicht wieder herunter begeben. Den Fels hinanzuklimmen und es zurückzuhohlen, war ganz unmöglich; eher, dachten die Leute, könnten sie ihm oben vom Gipfel herab nahen, erstiegen den Berg und wollten einen Mann mit starken Stricken umwunden so weit hernieder schweben lassen, bis er vor das Bild käme und es in Empfang nehmen könnte. Allein im Herunterlassen wurde der Strick, woran sie ihn oben festhielten, unten zu immer dünner und dünner, ja als er eben dem Bild nah kam, so dünn wie ein Haar, daß den Menschen eine schreckliche Angst befiel und er hinaufrief: sie sollten ihn um Gotteswillen zurückziehen, sonst wär er verloren. Also zogen sie ihn wieder hinauf und die Seile erlangten zusehends die vorige Stärke. Da mußten die Leute von dem Gnadenbild abstehen und bekamen es nimmer wieder.

[S. 447]

348.
Das Gnadenbild aus dem Lerchenstock zu Waldrast.

Tyroler Sammler V. 1809. S. 251-265. aus der Volkssage und dem waldraster Protocoll.

Im Jahr 1392. sandte die große Frau im Himmel einen Engel aus nach Tyrol in die Waldrast auf dem Serlesberg. Der trat vor einen hohlen Lerchenstock und sprach zu ihm im Namen der Gottesmutter:

“du Stock sollst der Frauen im Himmel Bild fruchten!”

Das Bild wuchs nun im Stock und zwei fromme Hirtenknaben, Hänsle und Peterle aus dem Dorfe Mizens, gewahrten sein zuerst im Jahr 1407. Verwundert liefen sie hinab zu den Bauern und erzählten: “gehet auf das Gebirg, da stehet etwas wunderbarliches im hohlen Stock, wir trauten uns nicht es anzurühren.” Das heilige Bild wurde nun erkannt, mit einer Säge aus dem Stock geschnitten und einstweilen nach Matrey gebracht. Da stund es, bis daß ihm eine eigene Kirche zur Waldrast selbst gebauet wurde, dazu bediente sich U. L. F. eines armen Holzhackers Namens Lusch, gesessen zu Matrey. Als der eines Pfingsttags Nacht an seinem Bett lag und schlief, kam eine Stimme, redete zu dreienmalen und sprach: “schläfst du oder wachst du?” Und beim drittenmal erwachte er und frug: “wer bist du oder was willst du?” Die Stimme sprach: “du sollst aufbringen eine Capelle in der Ehre U. L. F. auf der Waldrast.” Da sprach der[S. 448] Holzhauer: “das will ich nit thun.” Aber die Stimme kehrte wieder zu der andern Pfingsttagnacht und redete mit ihm in der Maas als zuvor. Da sprach er: “ich bin zu arm dazu.” Da kam die Stimme zu der dritten Pfingsttagnacht abermal an sein Bett und redete als vor. Also hatte er dreier Nacht keine vor Sorgen geschlafen und antwortete der Stimme: “wie meinest du’s, daß du nicht von mir willt lassen?” Da sprach die Stimme: “du sollt es thun.” Da sprach er: “ich will sein nit thun!” Da nahm es ihn und hob ihn gerad auf in die Höhe und sagte: “du sollt es nun thun, berathe dich drum!” Da gedacht er: “o ich armer Mann, was rath ich, daß ichs recht thue?” und sprach, er wollte es thun, wo er nur die rechte Stätte wüßte. Die Stimme sprach: “im Wald ist ein grüner Fleck im Moose, da leg dich nieder und raste, so wird dir wohl kund gethan die rechte Stätte.” Der Holzhauer machte sich auf, legte sich hin auf das Moos und rastete, (davon heißt der Ort: die Rast im Walde, Waldrast.) Wie er entschlafen war, hörte er im Schlaf zwei Glöckel. Da wachte er und sah vor sich auf dem Flecken, da jetzund die Kirch stehet, eine Frau in weißen Kleideren und hätte ein Kind am Arm, deß ward ihm nur ein Blick[17]. Da gedachte er: allmächtiger Gott, da ist freilich die rechte Statt! und ging auf die Statt, da er das Bild gesehen hatte, und merkts aus, nach dem als er vermeinte eine Kirche zu[S. 449] machen, und die Glöckel klungen, bis er ausgemerkt hatte, hernach hörte er sie nicht mehr. Da sprach er: “lieber Gott, wie soll ichs verbringen? ich bin arm und habe kein Gut, da ich solchen Bau mit verbringen möge.” Da sprach wiederum die Stimme: “so geh zu frommen Leuten, die geben dir wohl alsoviel, daß du es verbringst. Und wann es beschiehet, daß man es weihen soll, da wird es stillstehen 36 Jahr, darnach wird es fürgäng und werden große Zeichen da geschehen zu ewigen Zeiten.” Und da er die Capelle anfangen wollte zu machen, ging er zu seinem Beichtvater und thät ihm das kund. Da schuf er ihn vor den Bischof Ulrich gen Brixen, da ging er zu fünfmalen gen Brixen, daß ihm der Bischof den Bau und die Capelle zu machen erlaubte. Das thät der Bischof und ist beschehen am Erchtag (Dienstag) vor S. Pancratius im Jahr 1409.

[17] d. h. er sah die Erscheinung nur einen Augenblick.

349.
Ochsen zeigen die heilige Stätte.

Kasthofen in den Alpenrosen 1813. S. 188.

Bei Matten, einem Dorfe unweit der Mündung des Fermelthals in der Schweiz, liegt ein gewaltiges zerstörtes steinernes Gebäude, davon geht folgende Sage: Vor alten Zeiten wollte die Gemeinde dem heiligen Stephan eine Kirche bauen und man ersah den Platz aus, wo das Mauerwerk steht. Aber jede Nacht wurde zum Schrecken aller wiederum zerstört, was den Tag über die fleißigen Thal-Leute aufgeführt hatten.[S. 450] Da beschloß die Gemeinde unter Gebäten die Werkzeuge des Kirchenbaus einem ins Joch gespannten Ochsenpaare aufzulegen, wo das stillstehen würde, wollten sie Gottes Finger darin erblicken und die Kirche an dem Ort aufbauen. Die Thiere gingen über den Fluß und blieben da stehen, wo nun die Kirche St. Stephan vollendet ward.

350.
Notburga.

Notburga, eine heilige Magd auf dem Schloß Rottenburg. Auf öffentl. Schaubühne vorgestellt den 17. Septbr. 1738.
Süddeutsche Miscellen 1813. März Nr. 26.
Miscellen für die neuste Weltkunde 1810. Nr. 44.

Im untern Innthale Tirols liegt das Schloß Rottenburg, auf welchem vor alten Zeiten bei einer adlichen Herrschaft eine fromme Magd diente, Notburga genannt. Sie ward mildthätig und theilte, so viel sie immer konnte, unter die Armen aus und weil die habsüchtige Herrschaft damit unzufrieden war, schlugen sie das fromme Mägdlein und jagten es endlich fort. Es begab sich zu armen Bauersleuten auf den nah gelegenen Berg Eben; Gott aber strafte die böse Frau auf Rottenburg mit einem jähen Tod. Der Mann fühlte nun das der Notburga angethane Unrecht und holte sie von dem Berge Eben wieder zu sich nach Rottenburg, wo sie ein frommes Leben führte, bis die Engel kamen und sie in den Himmel abholten. Zwei Ochsen trugen ihren Leichnam über den Innstrom und[S. 451] obgleich sein Wasser sonst wild tobt, so war er doch, als die Heilige sich näherte, ganz sanft und still. Sie wurde in der Capelle des heil. Ruprecht beigesetzt.

Am Neckar geht eine andere Sage. Noch stehen an diesem Flusse Thürme und Mauern der alten Burg Hornberg, darauf wohnte vorzeiten ein mächtiger König mit seiner schönen und frommen Tochter Notburga. Diese liebte einen Ritter und hatte sich mit ihm verlobt; er war aber ausgezogen in fremde Lande und nicht wiedergekommen. Da beweinte sie Tag und Nacht seinen Tod und schlug jeden andern Freier aus, ihr Vater aber war hartherzig und achtete wenig auf ihre Trauer. Einmal sprach er zu ihr: “bereite deinen Hochzeitschmuck, in drei Tagen kommt ein Bräutigam, den ich dir ausgewählt habe.” Notburga aber sprach in ihrem Herzen: “eh will ich fortgehen, so weit der Himmel blau ist, als ich meine Treue brechen sollte.”

In der Nacht darauf, als der Mond aufgegangen war, rief sie einen treuen Diener und sprach zu ihm: “führe mich die Waldhöhe hinüber nach der Capelle St. Michael, da will ich, verborgen vor meinem Vater, im Dienste Gottes das Leben beschließen.” Als sie auf der Höhe waren, rauschten die Blätter und ein schneeweißer Hirsch kam herzu und stand neben Notburga still. Da setzte sie sich auf seinen Rücken, hielt sich an sein Geweih und ward schnell von ihm fortgetragen. Der Diener sah, wie der Hirsch mit ihr über den Neckar leicht und sicher hinüberschwamm und drüben verschwand.

[S. 452]

Am andern Morgen, als der König seine Tochter nicht fand, ließ er sie überall suchen und schickte Boten nach allen Gegenden aus, aber sie kehrten zurück, ohne eine Spur gefunden zu haben; und der treue Diener wollte sie nicht verrathen. Aber als es Mittagszeit war, kam der weiße Hirsch auf Hornberg zu ihm und als er ihm Brot reichen wollte, neigte er seinen Kopf, damit er es ihm an das Geweih stecken mögte. Dann sprang er fort und brachte es der Notburga hinaus in die Wildniß und so kam er jeden Tag und erhielt Speise für sie; viele sahen es, aber niemand wußte, was es zu bedeuten hatte, als der treue Diener.

Endlich bemerkte der König den weißen Hirsch und zwang dem Alten das Geheimniß ab. Andern Tags zur Mittagszeit setzte er sich zu Pferd und als der Hirsch wieder die Speise zu holen kam und damit forteilte, jagte er ihm nach, durch den Fluß hindurch, bis zu einer Felsenhöhle, in welche das Thier sprang. Der König stieg ab und ging hinein, da fand er seine Tochter, mit gefaltenen Händen vor einem Kreuz kniend, und neben ihr ruhte der weiße Hirsch. Da sie vom Sonnenlicht nicht mehr berührt worden, war sie todtenblaß, also daß er vor ihrer Gestalt erschrack. Dann sprach er: “kehre mit nach Hornberg zurück;” aber sie antwortete: “ich habe Gott mein Leben gelobt und suche nichts mehr bei den Menschen.” Was er noch sonst sprach, sie war nicht zu bewegen und gab keine andere Antwort. Da gerieth er in Zorn und wollte sie wegziehen, aber sie hielt sich am Kreuz, und als er Gewalt[S. 453] brauchte, löste sich der Arm, an welchem er sie gefaßt, vom Leibe und blieb in seiner Hand. Da ergriff ihn ein Grausen, daß er fort eilte und sich nimmer wieder der Höhle zu nähern begehrte.

Als die Leute hörten, was geschehen war, verehrten sie Notburga als eine Heilige. Büßende Sünder schickte der Einsiedler bei der St. Michael-Capelle, wenn sie bei ihm Hilfe suchten, zu ihr: sie bätete mit ihnen und nahm die schwere Last von ihrem Herzen. Im Herbst, als die Blätter fielen, kamen die Engel und trugen ihre Seele in den Himmel; die Leiche hüllten sie in ein Todten-Gewand und schmückten sie, obgleich alle Blumen verwelkt waren, mit blühenden Rosen. Zwei schneeweiße Stiere, die noch kein Joch auf dem Nacken gehabt, trugen sie über den Fluß ohne die Hufe zu benetzen und die Glocken in den nahliegenden Kirchen fingen von selbst an zu läuten. So ward der Leichnam zur St. Michael-Capelle gebracht und dort begraben. In der Kirche des Dorfs Hochhausen am Neckar steht noch heute das Bild der heil. Notburga in Stein gehauen. Auch die Notburga-Höhle, gemeinlich Jungfern-Höhle geheißen, ist noch zu sehen und jedem Kind bekannt.

Nach einer andern Erzählung war es König Dagobert, der zu Mosbach Hof gehalten, welchem seine Tochter Notburga entfloh, weil er sie mit einem heidnischen Wenden vermählen wollte. Sie ward mit Kräutern und Wurzeln von einer Schlange in der Felsenhöhle ernährt, bis sie darin starb. Schweifende Irrlichter[S. 454] verriethen das verstolene Grab und die Königstochter ward erkannt. Den mit ihrer Leiche beladenen Wagen zogen zwei Stiere fort und blieben an dem Orte stehen, wo sie jetzt begraben liegt und den eine Kirche umschließt. Hier geschehen noch viele Wunder. Das Bild der Schlange befindet sich gleichfalls an dem Stein zu Hochhausen. Auf einem Altargemälde daselbst ist aber Notburga mit ihren schönen Haaren vorgestellt, wie sie zur Sättigung der väterlichen Rachgierde enthauptet wird.

351.
Mauerkalk mit Wein gelöscht.

Cuspinianus hist. Austr. ex relatione seniorum.
Aelurius glätzische Chronik. Buch II. cap. 2. p. 97.

Im Jahr 1450. wuchsen zu Oestreich so sauere Trauben, daß die meisten Bürgersleute den gekelterten Wein in die offene Straße ausschütteten, weil sie ihn seiner Herbheit halben nicht trinken mochten. Diesen Wein nannte man Reifbeißer; nach einigen, weil der Reif die Trauben verderbt, nach andern, weil der Wein die Dauben und Reife der Fässer mit seiner Schärfe gebissen hätte. Da ließ Friedrich III., römischer König, ein Gebot ausgehen, daß niemand so die Gabe Gottes vergießen solle und wer den Wein nicht trinken möge, habe ihn auf den Stephanskirchhof zu führen, da solle der Kalk im Wein gelöscht und die Kirche damit gebaut werden.

[S. 455]

Zu Glatz, gegen dem böhmischen Thor wärts, stehet ein alter Thurm, rund und ziemlich hoch; man nennet ihn Heidenthurm, weil er vor uralten Zeiten im Heidenthum erbaut worden. Er hat starke Mauern und soll der Kalk dazu mit eitel Wein zubereitet worden seyn.

352.
Der Judenstein.

Mündlich, aus Wien.
Des tirol. Adlers immergrünendes Ehrenkränzel. durch F.A. Grafen von Brandis. Botzen 1678. 4. S. 128.
Schmiedt’s heiliger Ehren-Glanz der Grafschaft Tirol. Augsburg 1732. 4. II. 154-167.

Im Jahr 1462 ist es zu Tirol im Dorfe Rinn geschehen, daß etliche Juden einen armen Bauer durch eine große Menge Geld dahin brachten, ihnen sein kleines Kind hinzugeben. Sie nahmen es mit hinaus in den Wald und marterten es dort auf einem großen Stein, seitdem der Judenstein genannt, auf die entsetzlichste Weise zu todt. Den zerstochenen Leichnam hingen sie darnach an einen unfern einer Brücke stehenden Birkenbaum. Die Mutter des Kindes arbeitete gerade im Felde, als der Mord geschah; auf einmal kamen ihr Gedanken an ihr Kind und ihr wurde, ohne daß sie wußte warum, so angst: indem fielen auch drei frische Blutstropfen nach einander auf ihre Hand. Voll Herzensbangigkeit eilte sie heim und begehrte nach ihrem Kind. Der Mann zog sie in die Kammer, gestand, was er gethan und wollte ihr nun das schöne[S. 456] Geld zeigen, das sie aus aller Armuth befreie, aber es war all in Laub verwandelt. Da ward der Vater wahnsinnig und grämte sich todt, aber die Mutter ging aus und suchte ihr Kindlein, und als sie es an dem Baume hangend gefunden, nahm sie es unter heißen Thränen herab und trug es in die Kirche nach Rinn. Noch jetzt liegt es dort und wird vom Volk als ein heiliges Kind betrachtet. Auch der Judenstein ist dorthin gebracht. Der Sage nach hieb ein Hirt den Baum ab, an dem das Kindlein gehangen, aber, als er ihn nach Haus tragen wollte, brach er ein Bein und mußte daran sterben.

353.
Das von den Juden getödtete Mägdlein.

Thomae Cantipratani bonum universale de apibus. Duaci 1627. 8. p. 303.
vgl. Gehre’s pforzheimer Chronik S. 18-24.

Im Jahr 1267. war zu Pforzheim eine alte Frau, die verkaufte den Juden aus Geitz ein unschuldiges, siebenjähriges Mädchen. Die Juden stopften ihm den Mund, daß es nicht schreien konnte, schnitten ihm die Adern auf und umwanden es, um sein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Das arme Kind starb bald unter der Marter und sie warfens in die Enz, eine Last von Steinen oben drauf. Nach wenig Tagen reckte Margrethchen ihr Händlein über dem fließenden Wasser in die Höhe; das sahen die Fischer und entsetzten sich; bald lief das Volk zusammen und auch der Markgraf[S. 457] selbst. Es gelang den Schiffern, das Kind herauszuziehen, das noch lebte, aber nachdem es Rache über seine Mörder gerufen, in den Tod verschied. Der Argwohn traf die Juden, alle wurden zusammengefodert und wie sie dem Leichnam nahten, floß aus den offenen Wunden stromweise das Blut. Die Juden und auch das alte Weib bekannten die Unthat und wurden hingerichtet. Beim Eingang der Schloßkirche zu Pforzheim, da wo man die Glockenseile zum Geläut ziehet, stehet der Sarg des Kindes mit einer Inschrift. Unter der Schifferzunft hat sich von Kind zu Kind einstimmig die Sage fortgepflanzt, daß damals der Markgraf ihren Vorfahren zur Belohnung die Wachtfreiheit, “so lang Sonne und Mond leuchten” in der Stadt Pforzheim und zugleich das Vorrecht verliehen habe, daß alle Jahre am Fastnachtsmarkt vier und zwanzig Schiffer mit Waffen und klingendem Spiel aufziehen und an diesem Tag Stadt und Markt allein bewachen sollen. Dies gilt auf den heutigen Tag.

354.
Die vier Hufeisen.

Otmar S. 115-118.

Zu Ellrich waren ehdem an der Thüre der alten Kirche vier ungeheure Hufeisen festgenagelt und wurden von allen Leuten angestaunt; seit die Kirche eingefallen ist, werden sie in des Pfarrers Wohnung aufbewahrt. Vor alten Zeiten soll Ernst Graf[S. 458] zu Klettenberg eines Sonntagmorgens nach Ellrich geritten seyn, um dort durch Trinken den ausgesetzten Ehrenpreis einer Goldkette zu gewinnen. Er erlangte auch den Dank vor vielen andern und die Kette über den Hals angethan wollte er durch das Städtlein nach Klettenberg zurückkehren. In der Vorstadt hörte er in der Niclaskirche die Vesper singen; im Taumel reitet er durch die Gemeinde bis vor den Altar; kaum betritt das Roß dessen Stufen, so fallen ihm plötzlich alle vier Hufeisen ab und es sinkt sammt seinem Reiter nieder.

355.
Der Altar zu Seefeld.

Mündlich, aus Wien.
Von dem hoch und weitberühmten Wunderzeichen, so sich mit dem Altar in Seefeld in Tirol im Jahr 1384. zugetragen. Dillingen. 1580. und Innsbr. 1603. 4.

In Tirol nicht weit von Innsbruck liegt Seefeld, eine alte Burg, wo im vierzehnten Jahrhundert Oswald Müller, ein stolzer und frecher Ritter wohnte. Dieser verging sich im Uebermuthe so weit, daß er im Jahr 1384 an einem grünen Donnerstag mit der ihm, im Angesicht des Landvolks und seiner Knechte in der Kirche gereichten Hostie nicht vorlieb nehmen wollte, sondern eine größere, wie sie die Priester sonst haben, vom Capellan für sich foderte. Kaum hatte er sie empfangen, so hub der steinharte Grund vor dem Altar an, unter seinen Füßen zu wanken. In der Angst suchte er sich mit beiden Händen am eisernen Geländer zu[S. 459] halten, aber es gab nach, als ob es von Wachs wäre, also daß sich die Fugen seiner Faust deutlich ins Eisen drückten. Ehe der Ritter ganz versank, ergriff ihn die Reue, der Priester nahm ihm die Hostie wieder aus dem Mund, welche sich, wie sie des Sünders Zunge berührt, alsbald mit Blut überzogen hatte. Bald darauf stiftete er an der Stätte ein Kloster und wurde selbst als Laie hineingenommen. Noch heute ist der Griff auf dem Eisen zu sehen und von der ganzen Geschichte ein Gemählde vorhanden.

Seine Frau, als sie von dem heimkehrenden Volk erfuhr, was sich in der Kirche zugetragen, glaubte nicht daran, sondern sprach: “das ist so wenig wahr, als aus dem dürren und verfaulten Stock da Rosen blühen können.” Aber Gott gab ein Zeichen seiner Allmacht und alsbald grünte der trockne Stock und kamen schöne Rosen, aber schneeweiße, hervor. Die Sünderin riß die Rosen ab und warf sie zu Boden, in demselben Augenblick ergriff sie der Wahnsinn und sie rannte die Berge auf und ab, bis sie andern Tags todt zur Erde sank.

356.
Der Sterbenstein.

Kleine Gemälde der Schweiz von Appenzeller. Winterthur 1810. S. 172.

In Oberhasli auf dem Weg nach Gadmen, unweit Mayringen, liegt am Kirchetbuel, einer engen Felsschlucht, durch welche vor Jahrhunderten sich die trübe Aar wälzte, ein Stein auf der Erde, in welchem[S. 460] sich eine von einer Menschenhand eingedrückte Form von mehrern Fingern zeigt. Vorzeiten, erzählt das Volk, fiel hier eine Mordthat vor; die Unglückliche suchte sich daran festzuhalten und drückte die Spuren des gewaltsamen Sterbens dem Stein ein.

357.
Sündliche Liebe.

Falkenstein thüring. Chronik I. 218. 219.

Auf dem Petersberge bei Erfurt ist ein Begräbniß von Bruder und Schwester, die auf dem etwas erhabenen Leichensteine abgebildet sind. Die Schwester war so schön, daß der Bruder, als er eine Zeitlang in der Fremde zugebracht und wiederkam, eine heftige Liebe zu ihr faßte und mit ihr sündigte. Beiden riß alsbald der Teufel das Haupt ab. Auf dem Leichensteine wurden ihre Bildnisse ausgehauen, aber die Köpfe verschwanden auch hier von den Leibern und es blieb nur der Stachel, woran sie befestiget waren. Man setzte andere von Messing darauf, aber auch diese kamen fort, ja, wenn man nur mit Kreide Gesichter darüber zeichnete, so war andern Tags alles wieder ausgelöscht.

358.
Der schweidnitzer Rathsmann.

Lucä schles. Denkwürdigk. Fft. 1689. 4. S. 920. 921.

Es lebte vorzeiten ein Rathsherr zu Schweidnitz, der mehr das Gold liebte als Gott, und eine Dohle abgerichtet[S. 461] hatte, durch eine ausgebrochene Glasscheibe des vergitterten Fensters in die seinem Hause grad gegenüber liegende Rathskämmerei einzufliegen und ihm ein Stück Geld daraus zu hohlen. Das geschah jeden Abend und sie brachte ihm eine der goldnen oder silbernen Münzen, die gerade von der Stadt Einkünften auf dem Tische lagen, mit ihrem Schnabel getragen. Die andern Rathsbedienten gewahrten endlich der Verminderung des Schatzes, beschlossen dem Dieb aufzulauern und fanden bald, daß die Dohle nach Sonnenuntergang geflogen kam und ein Goldstück wegpickte. Sie zeichneten darauf einige Stücke und legten sie hin, die von der Dohle nach und nach gleichfalls abgeholt wurden. Nun saß der ganze Rath zusammen, trug die Sache vor und schloß dahin, falls man den Dieb herausbringen würde, so sollte er oben auf den Kranz des hohen Rathhausthurms gesetzt und verurtheilt werden, entweder oben zu verhungern oder bis auf den Erdboden herabzusteigen. Unterdessen wurde in des verdächtigen Rathsherrn Wohnung geschickt und nicht nur der fliegende Bote, sondern auch die gezeichneten Goldstücke gefunden. Der Missethäter bekannte sein Verbrechen, unterwarf sich willig dem Spruch, den man, angesehen sein hohes Alter, lindern wollte, welches er nicht zugab, sondern stieg vor aller Leute Augen mit Angst und Zittern auf den Kranz des Thurms. Beim Absteigen unterwärts kam er aber bald auf ein steinern Gelender, konnte weder vor noch hinter sich und mußte stehen bleiben. Zehn Tage und Nächte stand der alte, arme Greis da zur Schau, daß es einen erbarmte, ohne Speis und Trank, bis er endlich vor großem Hunger sein eigen Fleisch von den Händen und Armen abnagte und reu- und bußfertig durch solchen grausamen, unerhörten[S. 462] Tod sein Leben endigte. Statt des Leichnams wurde in der Folge sein steinernes Bild nebst dem der Dohle auf jenes Thurmgelender gesetzt. 1642 wehte es ein Sturmwind herunter, aber der Kopf davon soll noch auf dem Rathhaus vorhanden seyn.

359.
Regenbogen über Verurtheilten.

Westenrieder’s histor. Kalender 1803.

Als im Juni 1621. zu Prag sieben und zwanzig angesehene Männer, welche in den böhmischen Aufruhr verwickelt waren, sollten hingerichtet werden, rief einer derselben, Joh. Kutnauer, Bürgerhauptmann in der Altstadt, inständig zum Himmel empor, daß ihm und seinen Mitbürgern ein Zeichen der Gnade gegeben werde, und mit so viel Vertrauen, daß er sprach, er zweifle gar nicht, ein solches zu erhalten. Als nun der Vollzug der Todesstrafen eben beginnen sollte, erschien nach einem kleinen Regen, über dem sogenannten Lorenz-Berge ein kreuzweis übereinander gehender Regenbogen, der bei einer Stunde zum Troste der Verurtheilten stehen blieb.

360.
Gott weint mit dem Unschuldigen.

Mündlich, aus Hessen.

In Hanau ward zu einer Zeit eine Frau wegen eines schweren Verbrechens angeklagt und zum Tod verurtheilt. Als sie auf den Richtplatz kam, sprach sie: “wie der Schein auch gegen mich gezeugt hat, ich bin unschuldig, so gewiß, als Gott jetzt mit mir weinen wird.” Worauf[S. 463] es von heiterem Himmel zu regnen anfing. Sie ward gerichtet, aber später kam ihre Unschuld an den Tag.

361.
Gottes Speise.

Luther’s Tisch-Reden S. 90 b. 91 a.

Nicht weit von Zwickau im Voigtlande hat sich in einem Dorf zugetragen, daß die Eltern ihren Sohn, einen jungen Knaben, in den Wald geschickt, die Ochsen, so allda an der Weide gegangen, heimzutreiben. Als aber der Knabe sich etwas gesäumt, hat ihn die Nacht überfallen, ist auch dieselbe Nacht ein großer tiefer Schnee herabgekommen, der allenthalben die Berge bedeckt hat, daß der Knabe vor dem Schnee nicht hat können aus dem Wald gelangen. Und als er auch des folgenden Tags nicht heim kommen, sind die Eltern nicht so sehr der Ochsen, als des Knaben wegen, nicht wenig bekümmert gewesen und haben doch vor dem großen Schnee nicht in den Wald dringen können. Am dritten Tag, nachdem der Schnee zum Theil abgeflossen, sind sie hinausgegangen, den Knaben zu suchen, welchen sie endlich gefunden an einem sonnigten Hügel sitzen, an dem gar kein Schnee gelegen. Der Knab, nachdem er die Eltern gesehen, hat sie angelacht und als sie ihn gefragt, warum er nicht heimgekommen? hat er geantwortet, er hätte warten wollen, bis es Abend würde; hat nicht gewußt, daß schon ein Tag vergangen war, ist ihm auch kein Leid widerfahren. Da man ihn auch gefragt, ob er etwas gegessen hätte, hat er berichtet, es sey ein Mann zu ihm kommen, der ihm Käs und Brot gegeben habe. Ist also dieser Knabe sonder Zweifel durch einen Engel Gottes gespeist und erhalten worden.

[S. 464]

362.
Die drei Alten.

Mitgetheilt von Schmidt aus Lübek, im Freimüthigen 1809. Nr. 1.

Im Herzogthum Schleswig, in der Landschaft Angeln, leben noch Leute, die sich erinnern, nachstehende Erzählung aus dem Munde des vor einiger Zeit verstorbenen, durch mehrere gelehrte Arbeiten bekannten Pastor Oest gehört zu haben; nur weiß man nicht, ob die Sache ihm selbst, oder einem benachbarten Prediger begegnet sey. Mitten im 18. Jahrhundert geschah es, daß der neue Prediger die Markung seines Kirchsprengels umritt, um sich mit seinen Verhältnissen genau bekannt zu machen. In einer entlegenen Gegend stehet ein einsamer Bauernhof, der Weg führt hart am Vorhof der Wohnung vorbei. Auf der Bank sitzt ein Greis mit schneeweißem Haar und weint bitterlich. Der Pfarrer wünscht ihm guten Abend und fragt: was ihm fehle? “Ach,” gibt der Alte Antwort, “mein Vater hat mich so geschlagen.” Befremdet bindet der Prediger sein Pferd an und tritt ins Haus, da begegnet ihm auf der Flur ein Alter, noch viel greiser als der erste, von erzürnter Gebärde und in heftiger Bewegung. Der Prediger spricht ihn freundlich an und fragt nach der Ursache des Zürnens. Der Greis spricht: “ei, der Junge hat meinen Vater fallen lassen!” Damit öffnet er die Stubenthüre, der Pfarrer verstummt vor Erstaunen und sieht einen vor Alter ganz zusammengedrückten, aber noch rührigen Greis im Lehnstuhl hinterm Ofen sitzen.


Druckfehler.

S. 71. Zeile 3. Statt Vormius mons. lies: Wormius monim.

S. 137. — 10. von unten st. behütet es l. behütet er.