The Project Gutenberg eBook of Unter den Wilden: Entdeckungen und Abenteuer This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Unter den Wilden: Entdeckungen und Abenteuer Author: Adolf Heilborn Release date: October 6, 2014 [eBook #47070] Language: German Credits: Produced by Peter Becker, Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK UNTER DEN WILDEN: ENTDECKUNGEN UND ABENTEUER *** Produced by Peter Becker, Norbert H. Langkau and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net +------------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Gesperrter Text ist als _gesperrt_ markiert. | | Eine Liste der Korrekturen befindet sich am Ende des Texts. | +------------------------------------------------------------------+ Unter den Wilden: Entdeckungen und Abenteuer Von Dr. Adolf Heilborn Mit 5 bunten Beilagen und 36 Textbildern von _Erich Sturtevant_ BONGS JUGENDBÜCHEREI VERLAG VON RICH. BONG IN BERLIN Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Copyright 1921 by Verlag von Rich. Bong in Berlin. Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. Inhalt Seite Vorwort 5 Die Entdeckung und Eroberung von Tahiti. Von Kapitän _Samuel Wallis_ 9 Ein Südsee-Idyll. Von Kapitän _James Cook_ 57 Kapitän Cooks Ermordung auf den Sandwichinseln. Von Kapitän _James King_ 133 Eine Unglücksreise nach der Nordwestküste Amerikas. Von Kapitän _John Meares_ 205 Reise nach Guinea und Gründung von Groß-Friedrichsburg. Von Major _Otto Friedrich v. d. Groeben_ 245 Geschichtliches und Geographisches zu den Berichten der Entdecker 287 Vorwort In jedem gesunden Kinde steckt ein gut Stück Robinsonsehnsucht. Sie ist der letzte, kulturgezähmte Rest uralter Wanderlust, uralten Abenteuerdranges der Menschheit. Wie wir uns immer wieder in Pfeil und Bogen uralte Waffen verfertigen, im Spiele Hütten bauen oder Höhlen als Schlupfwinkel wählen, wie es uns immer wieder zum Tiere zieht, es zu liebkosen und uns gefügig zu machen, so überfällt uns eines Tages quälende Robinsonsehnsucht, und mit blanken Augen und roten Wangen verschlingen wir dann alles, was sie zu stillen uns verheißt. Unsterblicher Robinson, unsterblicher Lederstrumpf, roter Freibeuter, Peter Simpel und wie ihr euch sonst noch nennt, die ihr alle etwas von einem Don Quichotte habt und Väter einer so langen und manchmal auch recht langweiligen Reihe von Nachtretern geworden seid ... wie jedes echte Kind hab ich euch immer von neuem gelesen, bis ich euch fast auswendig konnte, und bis ich eines Tages in meines lieben Vaters Bücherschrank auf andre Helden und andre Abenteuer traf, Helden von Fleisch und Blut, wirkliche Menschen, nicht nur am Schreibtisch erdachte Gestalten, und Abenteuer, die wirklich erlebt, in Not und Tod, nicht nur zur Spannung naiver Leser ersonnen. Da standen in großmächtigen, altertümlichen Lederbänden mit roten und schwarzen Schildern auf dem goldgepreßten, dicken Rücken die Entdeckungsreisen des Kapitän Cook, sechs stattliche Bände, daneben die Reisen von Wallis, von Byron, von Carteret, von Meares, Portlock ... Reisen und Abenteuer in der Südsee, an den unwirtlichen Küsten Nordamerikas, unter braunen, nackten Wilden und Indianern. Ein Buch immer spannender als das andere, immer schöner, immer seltsamer. Was waren das für unvergeßliche Stunden des Lesens und Träumens. Das blaue Südmeer lag vor meinen Blicken, von weißer Brandung umgischt tauchten Koralleninseln daraus empor, mit rauschenden Palmenhainen voll seltsam bunter Vögel. Von Eiland zu Eiland zogen in flinken Kanus mit Mattensegeln die braunen Kanaken und kämpften in Panzern und Helmen mit Haifischzahnspeeren und sangen melodisch und sprangen zur Trommel ... Sie sind Zauberer, diese großen Entdecker, voran, allen weit voran James Cook, der einem ganzen Zeitalter den Stempel seines Naturempfindens aufprägte. Eine Weltanschauung ward aus diesen Entdeckungsfahrten geboren, eine Naturphilosophie, die in Seumes Worten »Seht, wir Wilden sind doch beßre Menschen« gipfelte, die in Rousseaus Werken ihr »Zurück zur Natur« predigte. Auch unsre Zeit, durch soviel Blut und Grauen gegangen, hat diese Sehnsucht wieder, hat nach all der Übersättigung mit raffinierter Kultur diesen gesunden Hunger nach natürlicheren Verhältnissen. Darum gerade wird ihr die Kost, die hier geboten, besonders munden, werden diese uns überlieferten Erzählungen der Entdecker wie ein erfrischender Trunk nach ermüdender Wanderung wirken. Zumal die Jugend wird sie, des bin ich gewiß, mit Jubel begrüßen: ist doch der Robinson und all das andre in ihnen gleichsam beschlossen. Aus diesen Reisen und Abenteuern sind jene ersonnenen Geschichten ja erst geboren. Aber nicht nur dem angenehmen Zeitvertreib müßiger Stunden vermögen sie zu dienen: es läßt sich aus ihnen auch unendlich viel lernen -- nicht nur Erd- und Völkerkunde, auch Kulturgeschichte. Kein Geringerer als Schiller schrieb unter ihrem Eindruck die weithin weisenden Worte: »Die Entdeckungen, welche unsere europäischen Seefahrer in fernen Meeren und auf entlegenen Küsten gemacht haben, geben uns ein ebenso lehrreiches als unterhaltendes Schauspiel. Sie zeigen uns Völkerschaften, die auf den mannigfaltigsten Stufen der Bildung um uns herum gelagert sind, wie Kinder verschiedenen Alters um einen Erwachsenen herumstehen und durch ihr Beispiel ihm in Erinnerung bringen, was er selbst vormals gewesen, und wovon er ausgegangen ist. Eine weise Hand scheint uns diese rohen Völkerstämme bis auf den Zeitpunkt aufgespart zu haben, wo wir in unserer eigenen Kultur weit genug würden fortgeschritten sein, um von dieser Entdeckung eine nützliche Anwendung auf uns selbst zu machen und den verlorenen Anfang unseres Geschlechts aus diesem Spiegel wiederherzustellen.« Ich möchte mir wohl wünschen, daß meine jungen Leser bei wiederholter Lektüre auch auf solche Dinge ein wenig achtgäben. In noch frischem Erinnern aus doch schon so fernen Jugendtagen habe ich gemeint, den Erzählungen jenen eigenen Reiz, jenen Schmetterlingsflügelstaub belassen zu sollen, der in der bisweilen etwas altmodischen Sprache der zeitgenössischen Übersetzer liegt -- u. a. eines Georg Forster, dessen »Ansichten vom Niederrhein« mit Recht ja noch heute als klassische Prosa gelten -- und nur nach heutigem Sprachgebrauch völlig Veraltetes geändert. Und freilich das köstlich barocke Deutsch Groebens, dessen »Guineische Reisebeschreibung« vor rund 20 Jahren wieder entdeckt zu haben ich mich rühmen darf, habe ich wohl oder übel in die Sprache unsrer Tage übertragen müssen; aber auch so dürfte dieses in seiner humorvollen Eigenart einzig dastehende Reisewerk der Wirkung gewiß sein. Gestrichen habe ich nur weniges, das, was mir für den erwünschten Leserkreis zu langweilig oder sonstwie ungeeignet erschien: astronomische, nautische Berechnungen und dgl. Ich will mir schließlich noch wünschen, daß meine jungen Leser an dem von Sturtevants Künstlerhand dem Buche beigegebenen Bilderschmuck so viel Freude haben, wie ich sie empfinde. Der Künstler hat mit bewunderungswürdigem Geschick hier malerische Wirkung mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu paaren verstanden. Alle Völkertypen, alle Gerätschaften sind nach Originalaufnahmen und Gegenständen des Berliner Völkerkundemuseums und meiner eigenen Sammlungen gezeichnet, und so dürfte dieser Bilderschmuck in seiner Art etwas Besonderes darstellen. Dr. _Adolf Heilborn_. [Illustration] [Illustration] Die Entdeckung und Eroberung von Tahiti Von Kapitän _Samuel Wallis_ Am 18. Juni 1767, etwa 2 Uhr nachmittags, -- wir waren kaum eine halbe Stunde lang unter Segel -- entdeckten wir ein sehr hohes Land im Westsüdwesten. Da das Wetter trübe war und wir zugleich heftige Windstöße auszustehen hatten, ließ ich den »Delphin« beilegen und gedachte, die Nacht über, oder wenigstens bis der Nebel sich zerteilen würde, zu treiben. Um 2 Uhr des Morgens wurde es ganz klar, und wir gingen daher wieder unter Segel. Bei Tagesanbruch sahen wir das Land in einer Entfernung von ungefähr fünf Seemeilen weit vor uns und steuerten gerade darauf hin; als wir uns um 8 Uhr ihm näherten, mußten wir des einsetzenden Nebels wegen wieder beilegen. Endlich zerteilte er sich wieder, und wir wunderten uns nicht wenig, als wir uns von einigen hundert Kanus umringt sahen, die sich uns unbemerkt genähert hatten. Sie waren von verschiedener Größe und faßten bald mehr, bald weniger Leute, eines bis zu zehn Mann. Auf allen mochten meiner Schätzung nach nicht weniger als 800 Mann beisammen sein. Nachdem sie sich dem Schiffe bis auf einen Pistolenschuß genähert hatten, hielten sie stille, betrachteten und bestaunten uns und besprachen sich untereinander. Mittlerweile zeigten wir ihnen allerlei Spielsachen und luden sie ein, an Bord zu kommen. Es währte nicht lange, so vereinigten sie sich und hielten eine Art Versammlung, um unter sich eins zu werden, was zu tun sei; endlich ruderten sie um unser Schiff herum und machten uns Freundschaftskundgebungen. Einer von ihnen hielt den Zweig einer Banane empor und beehrte uns mit einer Anrede, die ungefähr eine viertel Stunde dauerte, und bei deren Schluß er den Zweig ins Meer warf. Wir fuhren noch immer fort, sie einzuladen, zu uns an Bord zu kommen. Endlich ließ sich ein ansehnlicher, starker, munterer junger Mann dazu bewegen. Er kam an der Besanleiter am Hinterdeck herauf und sprang von der hohen Bordwand auf das über dem Verdeck ausgespannte Segeltuch herab. Wir winkten ihm, daß er auf das Verdeck herabkommen möchte, und reichten ihm einige Kleinigkeiten hinauf. Er sah vergnügt aus, wollte aber nichts annehmen, bis einige von seinen Landsleuten, die sich ganz nahe an das Schiff gewagt hatten, nach dem Herleiern vieler Worte etliche Bananenzweige uns an Bord zuwarfen. Als er dies sah, nahm er unsere Geschenke an, und gleich nachher kamen einige andere dieser Eingeborenen, der eine von hier, der andere von dort her ins Schiff; denn keiner von ihnen wußte den rechten Zugang. Einer von den Insulanern, die eben an Bord gekommen waren, stand auf der linken Seite des Verdecks nahe am Gange, als es einer von unsern Ziegen plötzlich einfiel, ihn von hinten mit ihren Hörnern gegen die Hüften zu stoßen. Er erschrak über diesen Stoß, wandte sich eilfertig um und sah die Ziege auf ihren Hinterfüßen aufgerichtet und in Bereitschaft stehen, ihm noch eins zu versetzen. Der Anblick dieses Tieres, das von allen, die er je gesehen, ganz verschieden sein mochte, jagte ihm einen solchen Schreck ein, daß er augenblicklich über Bord sprang, und alle seine Landsleute, die diesen Vorgang mitangesehen hatten, folgten ihm mit größter Eile nach. Doch währte es nicht lange, so erholten sie sich wieder von ihrer Bestürzung und kehrten an Bord zurück. [Illustration: Einer der Eingeborenen hielt den Zweig einer Banane empor.] Nachdem ich sie ein wenig an den Anblick unsrer Ziegen und Schafe gewöhnt hatte, zeigte ich ihnen unsre Schweine und unser Federvieh. Sie deuteten mir durch Zeichen an, daß sie solche Tiere wie diese selbst hätten. Ich teilte hierauf Nägel und Kleinigkeiten unter sie aus und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, sie möchten gehen und uns einige von ihren Schweinen samt etwas Federvieh und Früchten an Bord bringen; es schien aber, als ob sie meine Aufforderung nicht verstehen könnten. Sie lauerten dagegen fleißig auf jede Gelegenheit, irgend etwas zu stehlen, was ihnen eben in die Hand kam. Wir ertappten sie aber gewöhnlich über der Tat. Endlich kam einer von den Schiffsunteroffizieren, der von ungefähr einen neubetreßten Hut auf dem Kopfe hatte, an die Stelle, wo sie standen, und fing an, sich mit einem von ihnen durch Zeichen zu verständigen. Während er sich also unterhielt, kam ein Eingeborener, riß ihm von hinten her plötzlich den Hut vom Kopfe, sprang damit über das Heckbord in die See und schwamm davon. Weil wir nun an der Stelle, wo wir eben lagen, keinen rechten Ankergrund hatten, steuerten wir längs der Küste hin und schickten zu gleicher Zeit die Boote aus, näher an die Küste heranzufühlen. Die Insulaner versuchten es, in ihren Kanus dem Schiffe zu folgen; da sie aber keine Segel aufzuspannen hatten, blieben sie weit zurück und ruderten daher bald wieder nach der Küste zu. Das Land bietet den anmutigsten und romantischsten Anblick, der sich erdenken läßt. Gegen die See hin ist es flach und mit Fruchtbäumen von allerlei Arten, insbesondere mit Kokospalmen bewachsen; dazwischen liegen die Häuser der Eingeborenen, die bloß aus einem Dache auf Pfählen bestehen und von weitem einer langen Scheune nicht unähnlich sind. Innerhalb des Eilandes und ungefähr drei Kilometer weit von der See hört das flache Land auf und grenzt an hohe Berge, die mit Gehölz bewachsen sind, und von deren obersten, sehr steilen Gipfeln große Wasserfälle sich mit lautem Getöse ins Meer herabstürzen. Hier sahen wir keine Sandbänke, dagegen war die Insel mit einer Reihe von Felsen umgeben, zwischen denen jedoch oft die Einfahrt möglich ist. [Illustration: Der Anblick dieses Tieres jagte ihnen Schrecken ein.] Um 3 Uhr befanden wir uns einem großen Meerbusen gegenüber, und da wir deshalb Ankergrund vermuteten, legten wir bei. Die Boote wurden auch gleich zur Prüfung abgeschickt. Während ihrer Beschäftigung sah ich, wie eine große Anzahl von Kanus sich um sie her versammelte. Ich befürchtete, daß die Insulaner willens sein möchten, unsere Leute anzugreifen. Da ich nun gern allem Unheil vorbeugen wollte, so gab ich den Booten ein Zeichen, an Bord zurückzukommen, und feuerte, um den Eingeborenen ein wenig Ehrfurcht einzuflößen, zu gleicher Zeit eine neunpfündige Kugel über ihre Köpfe hinweg. Das Boot ruderte nun dem Schiffe zu. Der Donner des Neunpfünders hatte zwar die Insulaner erschreckt, doch ließen sie sich dadurch nicht abhalten, unseren Booten nachzurudern, und als sie diese nach dem Schiff zurückkehren sahen, suchten sie, einem von ihnen den Weg abzuschneiden. Da aber dieses Boot schneller segeln konnte, als die Kanus ruderten, ließ es die es umschwärmenden Eingeborenen bald hinter sich zurück. Inzwischen lauerten ihm verschiedene andere, die mit Insulanern gefüllt waren, unterwegs auf und warfen mit Steinen nach der Mannschaft, wodurch auch wirklich einige Bootsleute verwundet wurden. Der Offizier im Boot feuerte hierauf eine mit Schrot geladene Flinte auf den Mann, der den ersten Stein geworfen hatte, und verwundete ihn an der Schulter. Sobald die übrigen Kanuinsassen die Verwundung ihres Kameraden sahen, sprangen sie ins Meer, und die anderen Eingeborenen ruderten äußerst bestürzt und erschrocken hinweg. Nachdem unsere Boote wieder am Schiffe beigelegt hatten, ließ ich sie an Bord nehmen, und gerade wollten wir wieder weitersegeln, als wir ein großes Kanu uns nachsetzen sahen. Da ich vermutete, daß sich in ihm vielleicht irgendeiner von den Anführern dieser Leute oder sonst jemand befinden könnte, der abgeschickt wäre, um mir eine Botschaft vom Oberhaupte zu bringen, hielt ich für gut, es zu erwarten. Es segelte sehr schnell und war bald an dem Schiffe, wir konnten aber unter allen Insassen keinen unterscheiden, der etwas mehr als der andere vorgestellt hätte. Jedoch stand endlich einer von ihnen auf, hielt eine Anrede, die ungefähr 5 Minuten dauerte, und warf alsdann einen Bananenzweig an Bord. Dies hielten wir für ein Friedenszeichen und erwiderten es, indem wir einen von den Zweigen, die von den vorigen Insulanern im Schiff zurückgelassen waren, dem Redner über Bord reichten. Mit diesem und einigen Kleinigkeiten, die wir ihm nachher schenkten, schien er sehr vergnügt zu sein und ruderte bald darauf mit seinem Kanu wieder weg. Die Offiziere, die mit den Booten ausgeschickt worden waren, berichteten mir, daß sie hart an der Klippenreihe gelotet und hier ebenso tiefes Wasser wie an den andern Inseln gefunden hätten. Da ich aber auf der Seite der Insel war, die gegen den Wind hin lag, so konnte ich mit einiger Wahrscheinlichkeit erwarten, daß ich Ankergrund finden würde, wenn ich _unter_ dem Winde hinsegelte. Ich steuerte also in dieser Richtung, fand aber, daß am südlichen Ende eine Menge Klippen sehr weit in See hinausliefen; ich faßte also den Wind näher und fuhr die ganze Nacht über fort, gegen den Wind zu steuern, um auf solche Weise längs der Ostseite der Insel hinlaufen zu können. Um 5 Uhr morgens gingen wir wieder unter Segel. Eine merkwürdige Spitze, die einem Zuckerhute ähnlich sah, lag in Nordnordosten. Wir waren in dieser Lage ungefähr zwei Seemeilen weit vom Lande; dieses hatte hier ein sehr anmutiges Äußere und war mit Häusern der Eingeborenen weithin besät. Nahe an der Küste sahen wir verschiedene große Kanus unter Segel, sie steuerten aber nicht auf uns zu. Um Mittag waren wir zwei bis drei Kilometer von der Insel entfernt. Wir setzten unsern Lauf immer längs der Küste fort, bald kamen wir ihr auf eine halbe Seemeile nahe, bald hielten wir uns vier bis fünf Meilen von ihr entfernt, nirgends aber hatten wir bisher Ankergrund gefunden. Um 6 Uhr abends befanden wir uns einem schönen Flusse gegenüber, und da die Küste hier ein besseres Aussehen hatte, als an irgendeiner andern Stelle, beschloß ich, die ganze Nacht hindurch auf und ab zu steuern und am Morgen zu versuchen, Grund zu finden. Sobald es finster war, sahen wir sehr viele Lichter längs der ganzen Küste. Bei Tagesanbruch schickten wir die Boote zur Prüfung aus, und bald nachher gaben sie uns durch Zeichen zu verstehen, daß sie einen 35 Meter tiefen Ankergrund gefunden hätten. Dies verursachte eine allgemeine und unbeschreiblich große Freude; wir liefen augenblicklich gegen den Strand hin und kamen in 30 Meter auf einem reinen Sandgrunde vor Anker. Wir lagen ungefähr eine Seemeile weit von der Küste und einem schönen Flusse gegenüber. Sobald wir das Schiff gesichert hatten, schickte ich die Boote aus, um längs der Küste hin zu fahren und zugleich die Stelle, an der wir die Flußmündung sahen, in Augenschein zu nehmen. Um diese Zeit kam eine beträchtliche Anzahl von Kanus vom Lande her ans Schiff; sie brachten Schweine, Federvieh und Früchte in großer Menge mit sich und überließen uns alles gegen kleine Spielsachen und Nägel. Wir bemerkten, daß, sobald unsre Boote gegen die Küste hinruderten, die Kanus, von denen die meisten doppelt und sehr groß waren, ihnen nachsegelten. Solange sie noch in der Nähe unsres Schiffes waren, blieben die Kanus in achtungsvoller Entfernung; sobald aber die Boote von uns weg gegen die Küste liefen, wurden die Wilden kühner, und endlich rannten gar drei von ihren größten Kanus gegen eins von unsern Booten, stießen dessen Verdeck ein und rissen seine Ausleger hinweg. Die Insulaner machten sogar Miene, mit Keulen und Rudern unser Boot zu entern. Da meine Leute derart sehr ins Gedränge kamen, sahen sie sich genötigt, Feuer zu geben. Einer von den Angreifern wurde durch die Salve getötet, ein anderer schwer verwundet. Beide fielen gleich, wie sie getroffen waren, über Bord; augenblicklich sprangen ihnen alle ihre Landsleute, die in demselben Kanu gesessen waren, in die See nach, die andern beiden Kanus aber zogen sich zurück, so daß unsere Boote von nun an ungehindert weitersegelten. Sobald die in See gesprungenen Eingeborenen sahen, daß unsere Boote sich entfernten, ohne ihnen weiter Schaden zu tun, schwammen sie ihrem Kanu nach, schwangen sich hinein und hoben ihre verwundeten Landsleute an Bord. Sie stellten sie aufrecht in das Kanu, um zu sehen, ob sie stehen könnten; da aber die armen Verwundeten sich nicht aufrecht halten konnten, versuchten sie zu sitzen. Einer von ihnen war stark genug dazu und wurde in dieser Lage unterstützt; als sie jedoch hernach den andern völlig tot fanden, legten sie seinen Leichnam der Länge nach ausgestreckt in das Boot. Hierauf ruderten einige Kanus ans Land, kehrten aber wieder an das Schiff zurück, um mit uns zu handeln. Man sah also wohl, daß sie aus unserm Betragen unsre Friedfertigkeit erkannt hatten, und daß sie nichts zu befürchten hätten, solange sie uns ehrlich nahten, und sie mußten sich auch wohl bewußt sein, daß sie alle Schuld an dem Vorgefallenen einzig sich allein beizumessen hatten. [Illustration: Nahe an der Küste sahen wir verschiedene große Kanus unter Segel.] Die Boote beschäftigten sich indessen bis Mittag vor der Küste und kamen alsdann mit dem Berichte zurück, daß der Grund sehr rein sei, daß die Küste ungefähr eine viertel Meile von der See weit etwa 9 Meter tief sei, daß aber an dem Orte, wo wir den Fluß gesehen hatten, sehr hohe Brandung an den Strand schlage. Die Offiziere sagten mir, daß es an der Küste von Eingeborenen wimmle, und daß viele von ihnen an das Boot geschwommen wären und ihnen einige Früchte und auch etwas frisches Wasser gebracht hätten; dieses Wasser hatten sie in Bambusgefäßen aufbewahrt. Unsere Leute berichteten auch, die Insulaner hätten sie recht bestürmt, mit ihnen an Land zu gehen. Des Nachmittags schickte ich die Boote wiederum an Land. Ich gab ihnen etliche kleine Fäßchen mit, die oben gefüllt werden und einen Handgriff haben, an dem man sie trägt. Ich befahl ihnen, sie sollten sich Mühe geben, ein wenig frisches Wasser zu bekommen, weil wir bereits damals anfingen, Wassermangel zu leiden. Unterdessen blieben noch immer viele Kanus um unser Schiff herum, weiter ließ ich sie jedoch nicht kommen; denn die Insulaner hatten mich schon so oft und so vielfältig betrogen und bestohlen, daß ich mir vornahm, zunächst keinen mehr an Bord zu lassen. Um 5 Uhr nachmittags kehrten die Boote zurück, sie brachten aber nicht mehr als zwei Fäßchen Wassers mit. Diese beiden Fässer hatten die Eingeborenen für sie gefüllt, für ihre Mühe aber hatten sie sich ohne weiteres mit den übrigen Gefäßen bezahlt gemacht. Unsere Leute wollten sich nicht an Land wagen, damit das Boot nicht unbesetzt bliebe; sie ließen indes vom Boote aus kein Mittel unversucht, um die Insulaner zu bewegen, die Wassergefäße wieder zurückzugeben. Doch da war alle Mühe umsonst. Die Eingeborenen legten ihrerseits unseren Leuten dringend ans Herz, zu landen; diese folgten jedoch dem Gebote der Klugheit und lehnten ab. Als unsere Boote wegruderten, befanden sich ihrer Aussage nach viele Tausende von Eingeborenen beiderlei Geschlechts und eine große Anzahl Kinder am Strande. Am folgenden Morgen schickte ich die Boote von neuem an Land, Wasser zu holen. Ich ließ sie Nägel, Beile und mehr dergleichen Dinge mitnehmen, durch die sie meiner Ansicht nach die Freundschaft der Eingeborenen am leichtesten erlangen könnten. Mittlerweile kam vom Lande her eine große Anzahl von Kanus an das Schiff; die Leute brachten uns Brotfrucht, Bananen, eine Frucht, die einem Apfel ähnlich sah, aber ungleich wohlschmeckender war als dieser, auch Federvieh und Schweine. Alle diese Eßwaren überließen sie uns gegen einige Glasperlen, für Nägel, Messer und dergleichen mehr, und wir bekamen gleich dieses Mal Schweinefleisch genug, daß unsere ganze Schiffsmannschaft zwei Tage lang damit gespeist werden konnte und jeder Mann ein Pfund davon bekam. Als die Boote zurückkamen, brachten sie uns nur einige wenige Kalebassen Wassers mit; mehr hatten sie nicht bekommen können, weil die Anzahl der Leute auf dem Strande so groß war, daß sie es nicht wagen wollten, an Land zu gehen. Die Eingeborenen suchten alles hervor, um unsere Leute zum Landen zu reizen: sie brachten Früchte und Lebensmittel allerlei Art, legten diese am Strande nieder und luden unsere Leute durch Zeichen ein, ihnen diese Vorräte verzehren zu helfen. Nichtsdestoweniger blieben diese fest; sie zeigten von ihrem Boote aus den Insulanern die Wasserfäßchen und forderten sie auf, die gestern verlorengegangenen wieder zurückzubringen. Dagegen blieben die Eingeborenen ebenfalls taub; unsere Leute lichteten also ihre Anker, sondierten in der ganzen Gegend herum, um zu sehen, ob das Schiff nicht näher gegen die Küste landen könnte, daß es die Wasserholer hätte beschützen können, und hätten sich in diesem Falle nicht gescheut, der ganzen Insel zum Trotz an Land zu gehen. Als sie mit dieser Untersuchung fertig waren und sich alsdann vom Ufer entfernten, warfen die Weiber mit Äpfeln und Bananen hinter ihnen drein, lachten sie tüchtig aus und ließen alle ersinnlichen Merkmale von Verachtung und Hohn gegen sie blicken. Meine Leute meldeten mir, daß 400 Meter weit von der Küste der Grund sandig und das Wasser 7 Meter tief sei, daß es noch einige Kabeltaulängen weiter vom Strande 9 Meter Tiefe gäbe, und daß also das Schiff an einer dieser beiden Stellen gut vor Anker liegen könnte. Der Wind blies hier gerade längs der Küste und verursachte eine hohe Brandung sowohl gegen das Schiff als gegen den Strand hin. Den folgenden Morgen lichteten wir also bei Tagesanbruch wiederum die Anker, in der Absicht, den »Delphin« nahe an der Wasserstelle festzulegen. Als wir aber zu diesem Zweck weiter gegen den Wind hinsegelten, entdeckten wir vom Mastkorbe aus über das Land hinweg einen Meerbusen, der ungefähr 6-8 Kilometer weit unter dem Winde von uns liegen mochte. Wir steuerten sogleich darauf zu und schickten die Boote mit dem Senkblei voran. Um 9 Uhr gaben die Boote das Zeichen, daß sie in einer Tiefe von 21 Meter Grund gefunden hätten; diese Gegend war von einer Reihe von Klippen umgeben, um die wir herumlaufen mußten, ehe wir an den Ort hinsteuern konnten, wo die Boote lagen. Als wir nicht mehr weit von ihnen und gleichsam mitten zwischen beiden waren, stieß das Schiff auf Grund. Das Vorderteil saß unbeweglich fest, das Hinterteil hingegen war frei; wir warfen augenblicklich das Senkblei aus und fanden, daß die Tiefe des Wassers auf den Klippen oder auf der Untiefe von 31 auf 6 Meter abnahm. Wir beschlugen also in größter Eile alle Segel und warfen alles alte Geräte, das damals an Bord war, in die See. Zu gleicher Zeit setzten wir das lange Boot auf Wasser, legten den Strom- und den kleinen Anker mit allem dazugehörigen Tauwerk hinein und ließen das Boot über die Untiefe hinauslaufen. Hier sollte die Mannschaft die Anker fallen lassen, und wenn diese nur Grund gefaßt hätten, hoffte ich, der »Delphin« würde mit Hilfe der Schiffswinde von den Klippen abgebracht werden können. Allein zum Unglück fand sich über die Untiefe hinaus kein Grund. Unser Zustand war in dieser Lage ziemlich gefährlich zu nennen. Das Schiff schlug noch immer sehr heftig gegen die Felsen, und wir waren von vielen hundert Kanus umringt, die alle vollbesetzt waren. Ihrer Menge ungeachtet versuchten sie indessen doch nicht, sich an Bord zu wagen, sondern es schien, als wollten sie ruhig unser Scheitern erwarten. Eine ganze Stunde lang brachten wir in dieser Gefahr voller Schreck und Angst zu, ohne daß wir zur Befreiung des Schiffs viel unternehmen konnten. Endlich erhob sich zum Glück ein günstiger Wind vom Lande her, und durch dessen Beihilfe kam das Vorderteil des Schiffes wieder los. Nun ließen wir sogleich alle Segel fallen, und es währte auch nicht lange, so geriet das Schiff in Bewegung, und in kurzer Zeit befanden wir uns wieder in tieferem Wasser. Darauf entfernten wir uns schleunigst von dieser gefährlichen Stelle und schickten die Boote unter dem Winde hin, um die Untiefe gehörig untersuchen zu lassen. Sie fanden, daß der Klippenzug sich ungefähr anderthalb Kilometer weit gen Westen in die See erstreckte, und daß zwischen Land und Klippenzug ein sehr guter Hafen lag. Der Bootsmann ließ also eines unsrer Boote am Ende der Klippen stillegen und einen Anker nebst kleinen Kabeltauen und eine tüchtige Wache an Bord des langen Bootes bringen, um es gegen alle Angriffe der Insulaner verteidigen zu können. Nachdem er damit fertig war, kam er selbst an Bord zurück und führte das Schiff um die Reihe von Klippen herum in den Hafen, wo wir um 12 Uhr in 30 Meter Tiefe auf einem guten Grunde von schwarzem Sand endlich vor Anker kamen. Bei genauer Untersuchung fand sich, daß an der Stelle, wo das Schiff auf die Klippen geraten war, sich eine Reihe schroffer Korallenfelsen erhob, und daß das Wasser innerhalb dieser Riffe sehr ungleich von 10 zu 3½ Meter tief war. Zu unserm Unglück lag diese Stelle gerade zwischen den beiden Booten, die wir vorausgeschickt hatten, um uns die Hafeneinfahrt zu weisen. Die Leute in den Booten vermuteten indessen nicht, daß zwischen ihren Standplätzen eine solche Gefahr drohen könne; denn das eine Boot gegen den Wind hin befand sich in einer Tiefe von 21 und das andere unter dem Wind in einer Tiefe von 16 Meter Wasser. Kaum waren wir von diesen Felsenklippen losgekommen, als der Wind stärker zu wehen anfing, und obgleich er sich bald wieder legte, ging doch die Brandung so hoch und brach sich so ungestüm am Felsen, daß, wenn das Schiff eine halbe Stunde länger darauf festsitzen geblieben wäre, es unvermeidlich hätte zerschellen müssen. Wir untersuchten nun den Kiel, konnten aber keinen andern Schaden daran entdecken, als daß ein kleines Stück am Vorderteil des Steuerruders fehlte und vermutlich abgebrochen sein mußte. Es schien nicht, als ob wir ein Leck bekommen hätten. Unsere Boote büßten auf der Klippenreihe ihre kleinen Anker ein; da wir indessen hoffen durften, daß das Schiff selbst keinen Schaden gelitten hätte, ließen wir uns diesen Verlust nicht sehr zu Herzen gehen. Sobald der »Delphin« gehörig gesichert war, ließ ich alle unsere Boote bewaffnen und bemannen und schickte sie mit dem Bootsmann aus, um den oberen Teil des Meerbusens zu untersuchen, damit wir, wenn wir dort einen guten Ankerplatz fänden, das Schiff vermittels seiner Anker- und Kabeltaue innerhalb des Klippenzuges weiter hinaufziehen und alsdann sicher vor Anker legen könnten. Auf dem Klippenzuge lag eine große Anzahl von Kanus, und die Küste wimmelte von Leuten. Das Wetter war endlich wieder sehr angenehm geworden. Um 4 Uhr nachmittags kam der Bootsmann mit dem Berichte zurück, daß es in dieser Gegend überall guten Ankergrund gäbe. Ich entschloß mich daher, am folgenden Morgen den »Delphin« die Bucht hinaufziehen zu lassen, und teilte unterdessen die Mannschaft in vier Wachen, wovon allezeit eine unter Gewehr bleiben mußte. Die Kanonen ließ ich alle laden und Pulver auf die Zündlöcher streuen; in die Boote ließ ich Musketen bringen und befestigen und befahl dem Rest der Mannschaft, der nicht auf Wache war, daß sich ein jeder auf dem angewiesenen Platze einfinden sollte, sobald es befohlen würde. Längs der Küste schwärmte eine große Anzahl von Kanus umher; einige von ihnen waren sehr groß und stark bemannt, andere, die viel kleiner waren, kamen mit Schweinen, Federvieh und Früchten beladen zu uns ans Schiff. Wir handelten ihnen diese Lebensmittel immer dergestalt ab, daß wir und sie mit dem Handel zufrieden sein konnten. Bei Sonnenuntergang ruderten alle Kanus an Land zurück. Am folgenden Morgen um 6 Uhr fingen wir an, das Schiff in den Hafen hinaufzuziehen, und bald darauf stellte sich eine große Menge von Kanus am Heck des »Delphins« ein. Da ich sah, daß sie Schweine, Federvieh und Früchte an Bord hatten, befahl ich den Offizieren, diese Vorräte gegen Messer, Nägel, Glasperlen und andere Kleinigkeiten einzutauschen, und ordnete zu gleicher Zeit an, daß außer den hierzu ernannten Personen niemand im ganzen Schiff sich auf den Handel einlassen dürfe. Um 8 Uhr hatte sich die Anzahl der Kanus sehr vermehrt, und die zuletzt herangekommenen waren große Kanus mit 12-15 Mann Besatzung. Ich sah zu meinem größten Mißvergnügen, daß sie eher zum Krieg als zum Handel ausgerüstet waren, indem sie fast nichts als runde Kieselsteine an Bord hatten. Da mein erster Leutnant noch immer sehr krank war, so ließ ich Leutnant Fourneaux holen und trug ihm auf, die zur vierten Wache beorderten Matrosen beständig unter Gewehr zu halten, indessen ich durch den Rest der Mannschaft das Schiff in den Hafen weiter hinaufziehen lassen würde. Mittlerweile kamen von der Küste her unaufhörlich neue Kanus heran, die eine ganz andere Art von Ladung an Bord hatten, nämlich eine Anzahl von Frauen. Unterdessen zogen sich die mit Kieselsteinen bewaffneten Kanus immer näher um unser Schiff zusammen; einige der Insassen sangen mit rauher Stimme, andere bliesen auf großen Muscheln, andere auf Flöten. Es währte nicht lange, so gab ein auf einer Art von Traghimmel auf einem der größten Doppelkanus sitzender Mann ein Zeichen, daß er neben unserm Schiff anlegen wolle. Ich ließ meine Einwilligung erkennen, und als er hierauf dicht an das Schiff kam, reichte er einem von unsern Matrosen ein Bündel von roten und gelben Federn und verlangte durch Zeichen, ich solle das Geschenk annehmen. Ich nahm es auch unter vielen Freundschaftsbezeigungen zu mir und hieß sogleich einige Kleinigkeiten herbeibringen, um ihm diese anzubieten. Allein zu meiner großen Verwunderung hatte er sich während dieser Zeit schon wieder vom Schiffe entfernt und warf den Zweig eines Kokosbaumes in die Luft. Dies war, wie ich sogleich erfuhr, das Zeichen zum Angriff; denn auf allen Kanus erhob sich plötzlich ein allgemeines Jauchzen. Sie ruderten schnell gegen das Schiff an und ließen von allen Seiten her einen Hagel von Steinen hineinprasseln. Da sie uns auf solche Weise förmlich angegriffen hatten und nichts als unsere Waffen uns gegen eine solche Menge schützen konnte, befahl ich der Wache zu feuern. Zwei von den auf Verdeck befindlichen Kanonen, die ich mit Kugeln hatte laden lassen, wurden ebenfalls fast zu gleicher Zeit abgefeuert, und die Eingeborenen gerieten dadurch in nicht geringe Bestürzung. Doch in einigen Minuten hatten sie sich wieder erholt und griffen uns zum zweiten Male an. Mittlerweile hatte sich ein jeder von uns auf seinem angewiesenen Platze eingefunden; ich befahl zudem, daß die großen Kanonen abgefeuert und einige davon stets auf einen gewissen Punkt an der Küste gerichtet werden sollten, wo eine große Menge von Kanus noch immer frische Mannschaft einnahm und in der größten Geschwindigkeit gegen das Schiff heransegelte. Als das schwere Geschütz anfing zu spielen, waren gewiß nicht weniger als 300 Kanus, die zusammen wohl an 2000 Mann an Bord haben mochten, um den »Delphin«. Viele Tausende waren noch an der Küste, und eine Menge anderer Kanus kam außerdem von allen Seiten auf uns los. Das Feuer trieb endlich die Kanus, die nahe dem Schiff hielten, hinweg und schreckte auch die andern ab, näher zu kommen. Sobald ich sah, daß sie sich zurückzogen und die andern sich ruhig verhielten, ließ ich augenblicklich das Feuern einstellen in der Hoffnung, daß sie jetzt hinlänglich überzeugt wären, wie sehr wir ihnen überlegen, und daß sie daher das Gefecht nicht weiter fortsetzen würden. Hierin irrte ich mich aber zum Unglück; eine große Anzahl von Kanus, die zerstreut worden waren, stießen wieder zusammen, lagen eine kleine Zeit über stille und beobachteten das Schiff in einer Entfernung von ungefähr einer viertel Meile, steckten alsdann weiße Wimpel auf, ruderten gegen das Hinterteil des Schiffes zu und fingen wie zuvor an, aus beträchtlicher Entfernung mit großer Stärke und Geschicklichkeit Steine hineinzuschleudern. Jeder von diesen Steinen wog ungefähr zwei Pfund, und viele von unseren Leuten an Bord wurden durch sie verwundet; ohne Zweifel hätten wir noch mehr Schaden gelitten, wenn nicht ein Segeltuch zum Schutz gegen die Sonne über das ganze Verdeck aufgespannt und die Hängematten mitten im Schiff in Netzen wären aufgehängt gewesen. Zu gleicher Zeit näherten sich verschiedene, stark bemannte Kanus dem Bug des Schiffes, vermutlich weil sie bemerkt hatten, daß von diesem Teile noch kein Schuß war abgefeuert worden. Ich ließ daher einige Kanonen nach vorn bringen, genau richten und auf diese Kanus feuern. Zu gleicher Zeit ließ ich zwei Kanonen am Hinterteil herausführen und diese hauptsächlich auf die Angreifenden richten. Unter den Kanus, die gegen den Bug angriffen, befand sich eines, das irgendeinen von ihren Anführern an Bord haben mußte, weil von diesem Kanu aus das Zeichen gegeben worden war, auf das sich die andern zurückgezogen hatten. Es traf sich, daß ein von den andern Kanonen abgefeuerter Schuß eben dieses Kanu so genau traf, daß er es mitten durchriß. Sobald die übrigen dies sahen, hielten sie nicht länger stand, sondern zerstreuten sich so geschwind, daß binnen einer halben Stunde kein einziges Kanu mehr zu sehen war. Das Volk, das sich vorher an den Strand begeben hatte, floh ebenfalls in größter Eile über das Gebirge. Da wir nun keine begründete Besorgnis mehr zu haben brauchten, von neuem gehindert zu werden, zogen wir das Schiff vollends in den Hafen hinein, und um Mittag befanden wir uns kaum mehr eine halbe Seemeile weit von dem oberen Teile des Meerbusens, nicht ganz zwei Kabeltaulängen von einem schönen Flusse und ungefähr 90 Meter weit von der verborgenen Klippenreihe. Wir hatten auf diesem Fleck 16 Meter Wassertiefe, hart an der Küste waren es 9 Meter, so daß wir hier Anker werfen konnten. Wir brachten auch die 8 Kanonen, die ich vordem in den Schiffsraum hatte hinabschaffen lassen, wieder hinauf und an ihre Plätze. Sobald das geschehen war, schickte ich die Boote aus, daß sie ringsherum sondieren sollten, befahl ihnen auch, daß, wenn sich jemand von den Eingeborenen an der Küste sollte blicken lassen, sie so gut wie möglich die Gegend daselbst untersuchen möchten, um festzustellen, ob wir etwa einen neuen Angriff von den Eingeborenen zu befürchten hätten. Der ganze Nachmittag und ein Teil des folgenden Morgens wurden mit diesen Arbeiten zugebracht. Um Mittag kam der Bootsmann mit einer ungefähren Karte des Meerbusens zurück. Er meldete mir, daß sich kein Kanu habe blicken lassen und daß die Landung überall bequem zu bewerkstelligen sei. Kurz nachdem mir der Bootsmann diesen Bericht abgestattet hatte, ließ ich alle unsere Boote bemannen und bewaffnen und schickte damit Herrn Fourneaux nebst einer Abteilung Seesoldaten mit dem Auftrag ab, dem Ankerplatz des Schiffes gegenüber zu landen und unter der Bedeckung der Boote und des »Delphins« an einem vorteilhaften Punkt Stellung zu beziehen. [Illustration: Als er ans Land stieg, kroch er auf Händen und Füßen heran.] Um 2 Uhr landeten die Boote ohne den geringsten Widerstand. Herr Fourneaux richtete alsbald einen Mast auf, ließ den Wimpel flattern, ein Stück Rasen umgraben und nahm damit von der Insel im Namen Seiner Majestät Besitz, zu deren Ehren er sie »König Georgs des Dritten Insel« nannte. Hierauf ging er an den Fluß und kostete das Wasser, das er von vortrefflichem Geschmack fand; er ließ also etwas davon schöpfen, goß ein wenig Rum dazu, und seine Leute tranken eine Runde auf die Gesundheit Seiner Majestät. An dem Flusse, der 12 Meter breit und so seicht war, daß man hindurchwaten konnte, erblickte er jenseits zwei alte Männer, die, sobald sie sich entdeckt sahen, eine flehende Stellung annahmen und dabei sehr bestürzt und erschrocken zu sein schienen. Herr Fourneaux winkte ihnen, daß sie über den Fluß kommen sollten, was auch der eine tat. Als er diesseits ans Land stieg, kroch er auf Händen und Füßen zu Herrn Fourneaux heran. Dieser hob ihn aber sogleich auf und zeigte ihm, als er zitternd dastand, einige der ins Schiff geworfenen Steine, wobei er ihm zu verstehen gab, daß wir unsrerseits den Eingeborenen keinen Schaden tun würden, wenn sie nicht selbst versuchten, uns anzugreifen. Er ließ zwei von den Wasserfässern füllen, um zu zeigen, daß wir Wasser verlangten, und wies ihm einige Beile und andere Dinge, zum Zeichen, daß wir Lebensmittel dagegen eintauschen wollten. Während dieser pantomimischen Unterredung faßte der alte Mann wieder einigen Mut, und Herr Fourneaux schenkte ihm zur Bestätigung seiner Freundschaft ein Beil, etliche Nägel, Glasperlen und andere Kleinigkeiten. Hierauf stieg er mit seinen Leuten wieder in die Boote und ließ den Wimpel wehend am Strande zurück. Sobald die Boote vom Lande abgestoßen waren, ging der Greis zu dem Wimpel hin und tanzte eine geraume Zeit lang um ihn herum; dann entfernte er sich, kam aber bald nachher mit einigen grünen Zweigen zurück, die er hinwarf, um sich alsbald zum zweiten Male hinwegzubegeben. Doch währte es nicht lange, so kam er in Begleitung von zwölf andern wieder zum Vorschein; alle nahmen eine demütige Haltung ein und näherten sich langsam und ehrfurchtsvoll dem Wimpel. Weil er aber zufällig im Winde stark flatterte, als sie ihm nahe kamen, flohen sie in größter Bestürzung. Nachdem sie eine kleine Zeitlang von ferne gestanden, gingen sie plötzlich davon und brachten dann zwei lebendige Schweine zurück, die sie am Fuße des Wimpelmastes niederlegten. Endlich faßten sie Mut und fingen an zu tanzen. Als diese Zeremonie beendet war, brachten sie die Schweine an den Strand hinab, stießen ein Kanu ins Wasser und legten die Schweine hinein. Der Greis, der einen langen weißen Bart hatte, setzte sich sodann ganz allein zu diesen Tieren und brachte sie ans Schiff. Als er neben dem »Delphin« anlegte, reichte er uns einige grüne Bananenblätter nacheinander herein und sprach bei jedem in einem feierlichen, langsamen Tone ein paar Worte. Nachdem er endlich damit fertig war und auch die Schweine hereingereicht hatte, drehte er sich um und wies auf das Land. Ich befahl, ihm einige Geschenke zu geben, die er aber nicht annahm. Kurz darauf stieß er sein Kanu vom Schiffe ab und fuhr ans Land zurück. Bald nachdem es finster geworden war, hörten wir das Lärmen vieler Trommeln, großer Muscheltrompeten und anderer Blasinstrumente. Wir sahen auch eine Menge Lichter längs der ganzen Küste sich bewegen. Um 6 Uhr des Morgens, als wir keinen von den Eingeborenen an der Küste erblickten, dagegen aber den Wimpel entfernt sahen -- den die Insulaner vermutlich, wie in der Fabel die Frösche ihren königlichen Klotz, hatten verachten lernen --, befahl ich dem Leutnant, eine Wache mit an Land zu nehmen und, wenn alles ruhig wäre, es uns zu melden, damit wir mit der Füllung unserer Wasserfässer beginnen könnten. Bald darauf ließ er mir zu meiner Freude melden, daß er bereits eine Anzahl von Wasserfässern habe an Land bringen lassen; um 3 Uhr hatten wir schon 4 Tonnen voll an Bord. Während unsere Leute mit dem Füllen beschäftigt waren, erschienen einige von den Eingeborenen am jenseitigen Ufer unter Anführung des Greises, den der Offizier am Tage vorher gesehen hatte. Bald kam der alte Mann herüber und brachte einige Früchte und etwas Federvieh mit, das uns dann an Bord geschickt wurde. Ich war um diese Zeit schon seit ungefähr 14 Tagen sehr krank und befand mich eben damals so schwach, daß ich kaum herumkriechen konnte. Da ich nun nicht selbst an Land gehen konnte, gebrauchte ich mein Fernglas, um vom Schiffe aus zu sehen, was an Land vorging. Um 9 Uhr kam eine Menge von Eingeborenen über den Berg marschiert, der ungefähr eine Meile weit von dem Strome ab liegen mochte. Zu gleicher Zeit entdeckte ich eine große Anzahl von Kanus, die um die westliche Landspitze herumliefen und längs der Küste sich näherten. Ich blickte hierauf nach der Wasserstelle und bemerkte dahinter, wo die Aussicht freilag, eine zahlreiche Schar von Eingeborenen, die unter den Gebüschen hinschlichen. Zugleich entdeckte ich eine unzählbare Menge Wilder, die in den Wäldern gegen die Wasserstelle anrückten, und noch mehrere Kanus, die sehr schnell um die andere Landspitze der Bucht gegen Osten herkamen. Ich erschrak über diese Anstalten und fertigte sogleich ein Boot ab, um dem Offizier am Lande hinterbringen zu lassen, was ich gesehen hatte, und ihm zu befehlen, augenblicklich mit seiner Mannschaft wieder an Bord zurückzukommen, ja, im Notfall die Fässer zurückzulassen. Jedoch er hatte bereits die ihm drohende Gefahr selbst entdeckt und war ungeheißen an Bord seines Bootes gegangen, noch ehe meine Botschaft ihn erreichte. Sobald er inne ward, daß die Eingeborenen sich den Schatten des Waldes zunutze machten, um heimlich gegen ihn heranzuschleichen, schickte er sogleich den Greis an sie ab und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß sie in einer gewissen Entfernung bleiben sollten, und daß er nichts als Wasser verlange. Als sie merkten, daß sie entdeckt waren, fingen sie an, zu rufen, und rückten noch geschwinder gegen ihn an. Der Offizier zog sich augenblicklich mit seiner Mannschaft in die Boote zurück. Während seines Rückzuges waren die Eingeborenen über den Fluß gegangen und hatten unter lautem Freudengeschrei Besitz von den Wasserfässern genommen. Ihre Kanus fuhren nun aufs schnellste längs der Küste zum Wasserplatze, und alles Volk lief ebendahin. Eine Menge von Frauen und Kindern aber rannte auf einen Berg, von wo aus sie den Meerbusen und den Strand übersehen konnten, und ließ sich hier nieder. Sobald die Kanus von beiden Landspitzen der Bucht her in die Gegend kamen, wo unser Schiff vor Anker lag, stießen sie an Land und nahmen noch immer mehr Leute auf, die große Säcke trugen. Diese waren, wie sich später herausstellte, mit Steinen gefüllt. Nunmehr näherten sich alle Kanus unserem Schiffe. Ich durfte also wohl nicht mehr länger daran zweifeln, daß die Eingeborenen ihr Kriegsglück in einem neuen Angriff zu versuchen trachteten. Da nun meiner Meinung nach das sicherste Mittel zur Verminderung des Unheils war, den Kampf möglichst kurz zu gestalten, beschloß ich, ein für alle Male den Feindseligkeiten ein entschiedenes Ende zu machen. Ich befahl daher meinen Leuten, die alle die ihnen angewiesenen Plätze eingenommen hatten, zunächst auf die Kanus zu feuern, welche schon in hellen Haufen auf dem Plan erschienen. Dies geschah auch augenblicklich mit solchem Nachdruck, daß alle Kanus im Westen der Bucht in voller Hast an den Strand eilten, während die im Osten alsbald um die Klippenreihe herumruderten, um sich der Wirkung unserer Kanonen zu entziehen. Darauf richtete ich das Feuer nach verschiedenen Gegenden des Waldes, so daß die Eingeborenen bald daraus vertrieben wurden und den Berg hinaufrannten, wo die Frauen und Kinder sich niedergesetzt hatten, um der Schlacht zuzusehen. Auf diesem Berge befanden sich nunmehr viele Tausende, die sich hier für vollkommen sicher hielten. Um sie aber vom Gegenteil zu überzeugen, befahl ich, vier Schüsse gegen sie abzufeuern. Ich dachte, wenn die Eingeborenen unsere Kugeln ungleich weiter fliegen sähen, als sie erwarteten, würden sie befürchten, wir könnten so weit schießen, wie wir überhaupt nur wollten. Zwei von den Kugeln fielen hart an einem Baume nieder, unter dem eine große Menge versammelt saß, und jagten dieser einen solchen Schrecken ein, daß nach 2 Minuten keine Seele mehr zu sehen war. Als ich nun die Küste völlig gesäubert hatte, bemannte und bewaffnete ich die Boote, schickte unter großer Bedeckung meine Zimmerleute mit ihren Äxten ab und befahl ihnen, alle zurückgelassenen Kanus zu zerstören. Noch vor Mittag war diese Arbeit vollendet, und mehr als 50 Kanus, von denen viele wohl gegen 20 Meter lang, 1 Meter breit und zu je zweien durch Balken miteinander verbunden waren, lagen zerstückt am Strande. Man fand in ihnen nichts als Steine und Schleudern, nur an Bord zweier viel kleinerer Kanus waren einige wenige Früchte, etwas Federvieh und einige Schweine. Um 2 Uhr nachmittags kamen gegen zehn Eingeborene aus dem Walde hervor mit grünen Zweigen in den Händen, die sie am Strande in die Erde steckten; alsdann gingen sie wieder fort. Bald nachher brachten sie Schweine, denen sie die Füße festgebunden hatten. Hierauf holten sie aus dem Walde etliche Bündel von dem Zeuge, dessen sie sich zur Kleidung bedienen, und das dem chinesischen Papier einigermaßen ähnlich sieht, legten diese gleichfalls am Strande nieder und riefen uns zu, daß wir alle Sachen abholen möchten. Da wir ungefähr 3 Kabeltaulängen von der Küste entfernt lagen, konnten wir nicht genau erkennen, woraus dieses Sühneopfer im einzelnen bestand. Daß es Schweine und auch ein ganzer Ballen von ihrem heimischen Zeuge sein mochte, errieten wir. Als wir aber auch andere Tiere, mit ihren Vorderfüßen über dem Nacken gebunden, verschiedene Male aufstehen und eine kleine Strecke auf den Hinterfüßen fortlaufen sahen, hielten wir sie für seltsame, uns unbekannte Wesen und waren daher sehr neugierig, sie näher zu betrachten. Ein Boot wurde also schnell an Land geschickt, wo natürlich die Verwunderung sich bald löste: es waren nämlich Hunde. Unsere Leute fanden außer den Hunden und dem Zeuge neun tüchtige Schweine. Diese wurden an Bord gebracht, die Hunde dagegen ließ man los, auch das Zeug blieb am Lande liegen. Für die Schweine legten unsere Leute einige Beile, Nägel und andere Dinge auf dieselbe Stelle hin und winkten einigen von den Eingeborenen, die sich sehen ließen, daß sie unsre Gegengaben nebst ihrem Zeuge abholen und behalten sollten. Bald nachdem das Boot am Schiff wieder angelegt hatte, brachten die Insulaner noch zwei Schweine und machten uns Zeichen, diese zu holen. Das Boot kehrte demnach an Land zurück und brachte die beiden Schweine mit, ließ das Zeug jedoch wieder unbeachtet liegen, obwohl uns die Eingeborenen zur Mitnahme aufforderten. Unsere Leute berichteten mir, daß die Wilden von all den Sachen, die ich für sie auf den Strand hatte hinlegen lassen, nichts angerührt hätten; einer von uns war der Meinung, daß sie die Geschenke deswegen nicht nehmen mochten, weil wir auch das Zeug abgewiesen hätten, weshalb ich befahl, nunmehr auch dieses zu holen. Der Ausgang bewies die Richtigkeit dieser Meinung. Denn sobald das Boot das Zeug eingeladen hatte, kamen die Insulaner herab und trugen alles, was ich ihnen geschickt hatte, unter den größten Freudekundgebungen mit sich in den Wald fort. Unsere Leute liefen hierauf an der Küste bis zu dem Ort hin, wo es frisches Wasser gab. Hier füllten sie alle unsere Wasserfässer, die fast 6 Tonnen hielten, und brachten diese zum Schiff. Wir fanden, daß die Fässer, während sie im Besitz der Eingeborenen gewesen waren, keinen Schaden erlitten hatten, büßten aber einige lederne Eimer und Schläuche ein, die mit den Fässern zugleich in ihre Gewalt geraten und nicht wieder zurückgegeben worden waren. Am folgenden Morgen schickte ich die Boote mit einer Wache an Land, um noch mehr Fässer mit Wasser füllen zu lassen; bald nachdem die Mannschaft gelandet war, erschien ebenderselbe Greis, der am ersten Tage über den Fluß zu ihnen gekommen war, wiederum am jenseitigen Ufer und hielt von da aus eine lange Rede an unsere Leute, nach deren Beendigung er endlich zu uns herüberkam. Als er nahe genug war, zeigte ihm der Offizier die Steine, die wie Kanonenkugeln am Strande aufgehäuft und seit unsrer ersten Landung dahin gebracht worden waren; er wies ihm auch einige Säcke voller Steine, die man in den auf meinen Befehl zerstörten Kanus gefunden hatte. Er gab sich Mühe, dem alten Manne begreiflich zu machen, daß seine Landsleute der angreifende Teil gewesen wären, und daß wir nur aus Notwehr ihnen hätten schaden müssen. Der Greis schien zu begreifen, was der Offizier sagen wollte, über die Frage des Angriffs aber nicht gleicher Meinung mit ihm zu sein. Er hielt indessen sogleich eine Rede an das Volk, wies mit großer Rührung auf die Steine, Schleudern und Säcke, und bisweilen waren seine Blicke, Stimme und Gebärden drohend und aufs höchste erregt. Doch nach und nach legte sich der Sturm seiner Leidenschaften wieder, und der Offizier, der es herzlich bedauerte, daß er von der ganzen Rede nicht ein Wort hatte verstehen können, bestrebte sich, ihn durch Beihilfe aller nur möglichen Zeichen zu bereden, daß wir in Freundschaft mit ihnen zu leben und von Herzen gern alle Beweise unserer guten Gesinnung zu geben wünschten. Zur Bestätigung dessen reichte er ihm die Hand, umarmte ihn und schenkte ihm einige Kleinigkeiten, die er sich selbst aussuchen durfte. Der Offizier konnte außerdem dem Greise verständlich machen, daß wir Lebensmittel einzuhandeln wünschten, daß die Eingeborenen aber nicht in zu großer Zahl kommen und auf der einen Seite des Flusses, wie wir auf der andern bleiben sollten. Hierauf ging der Greis sichtlich befriedigt hinweg, und noch vor Mittag kam ein ordentlicher Handel zustande, vermittels dessen wir Schweine, Federvieh und Früchte genug bekamen, daß das gesamte Schiffsvolk, ob krank oder gesund, reichlich und so viel von diesen Lebensmitteln erhielt, als es nur verzehren konnte. Als die Angelegenheit nun glücklicherweise so gut beigelegt war, schickte ich den Schiffsarzt mit dem zweiten Leutnant ab, das Land in Augenschein zu nehmen, um irgendwo einen bequemen Platz auszusuchen, wo ich für die Kranken Landwohnungen aufschlagen könnte. Als sie zurückkamen, meldeten sie, daß die ganze Insel, soweit sie sie gesehen und untersucht hätten, hierzu überall gleich bequem und gesund sei. Wenn es aber zudem auf Sicherheit ankäme, so könnten sie nur die Wasserstelle empfehlen, weil allda die Kranken sowohl vom Schiffe als von der Wache her geschützt wären. Man würde sie zugleich an diesem Orte leicht beaufsichtigen können, daß sich keiner von ihnen allzu tief ins Land hineinwagte; man würde sie endlich von dort auch leicht zu den Mahlzeiten rufen können. Ich schickte daher die Kranken nebst den Leuten, die Wasser holen sollten, zur Wasserstelle und übertrug dem Waffenoffizier das Kommando über die Bedeckungsmannschaften. Um die Kranken gegen Sonne und Regen zu schützen, wurde ein Zelt aufgeschlagen, und ich ließ den Schiffsarzt mit an Land gehen, damit er über ihr Wohlbefinden wachen und die nötigen Maßnahmen treffen könnte. Als das Zelt aufgeschlagen war und er die Kranken ziemlich versorgt hatte, nahm der Arzt eine Flinte unter den Arm und ging ein wenig spazieren. Unterwegs traf es sich, daß eine wilde Ente über seinem Kopfe dahinflog, er schoß also nach ihr und traf sie so gut, daß sie mitten unter eine Gruppe der Eingeborenen jenseits des Flusses tot niederfiel. Das jagte den Wilden einen solchen Schrecken ein, daß sie im ersten Augenblick alle davonliefen. Erst nach einer ganzen Strecke blieben sie wieder stehen. Er winkte ihnen nunmehr zu, sie sollten ihm die Ente herüberbringen. Einer von ihnen traute sich vor, kam über den Fluß und legte blaß und zitternd das Tier zu seinen Füßen nieder. In ebendiesem Augenblick flogen noch verschiedene andere Enten von ungefähr an dem Schützen vorbei. Er schoß also wieder und traf glücklicherweise noch drei davon. Dieser Vorfall flößte den Eingeborenen eine solche Furcht vor der Feuerwaffe ein, daß sie, wenn man ihnen eine Flinte wies, sofort wie eine Herde Schafe davonliefen. Da ich mir im voraus vorstellen konnte, daß zwischen denjenigen von unseren Leuten, die am Lande waren, und den Eingeborenen ein Schleichhandel nicht ausbleiben würde, und daß, wenn man sie in dieser Sache nach ihrem Gutdünken ungestört handeln ließe, nichts als Unheil und Zwistigkeiten daraus entstehen würden, befahl ich, daß aller Handel zwischen beiden Parteien durch die Hände des Waffenoffiziers gehen und von ihm ganz allein betrieben werden solle. Ich trug ihm auf, ernstlich darauf zu achten, daß unsere Leute den Insulanern kein Unrecht täten, weder durch Gewalt noch durch Betrug; er solle sich ferner auf alle Weise bestreben, den alten Mann, der sich uns hilfreich erwiesen, zum Freunde zu behalten. Der Offizier entledigte sich dieses Auftrags mit großer Gewissenhaftigkeit. Wir hatten dem erwähnten Greise vieles zu verdanken. Durch seine Vorsicht brachte er unsere Leute dahin, daß sie gegen die Insulaner beständig auf ihrer Hut waren, und wenn er sah, daß der eine oder der andere vom Zeltort sich entfernte, geleitete er ihn jedesmal wieder dahin zurück. Die Eingeborenen stahlen zwar bisweilen etwas, doch durch die bloße Furcht vor einer Flinte, die in Wahrheit nie ernstlich gebraucht wurde, konnte der Waffenoffizier die Rückgabe der entwendeten Gegenstände erzwingen. Eines Tages schlich sich ein Kerl unbemerkt über den Fluß und stahl ein Beil. Sobald der Waffenoffizier den Verlust bemerkte, gab er dem Greise zu verstehen, was vorgefallen war, und tat, als ob er sich mit allen seinen Leuten fertigmachen wolle, um in den Wald zu marschieren und dem Diebe nachzusetzen. Allein, der Greis gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er sich diese Mühe sparen könne. Er ging sofort allein in den Wald und brachte auch bald darauf das Beil wieder. Alsdann drang der Waffenoffizier darauf, auch den Dieb in seine Hände zu bekommen; zwar ließ sich der alte Mann offenbar nur schwer dazu bewegen, tat es aber endlich doch. Als der Kerl herbeigebracht wurde, erkannte ihn der Offizier sofort als einen von denen wieder, die uns schon mehrmals bestohlen hatten, und schickte ihn daher gefangen an Bord. Ich war nicht gesonnen, das Verbrechen anders als durch die bloße Furcht vor Bestrafung zu ahnden, setzte den Dieb daher nach vielen Bitten und Fürbitten wiederum in Freiheit und schickte ihn an Land. Ob die Eingeborenen über seine glückliche Rückkehr mehr erstaunt oder erfreut waren, ist schwer zu entscheiden. Soviel aber ist gewiß, sie empfingen ihn mit Frohlocken und führten ihn in die Wälder mit sich fort. Den folgenden Tag kam unser wieder in Freiheit gesetzter Gefangener freiwillig zurück und brachte dem Waffenoffizier einen beträchtlichen Vorrat an Brotfrucht und ein gebratenes Schwein, vermutlich um den Offizier wieder mit sich auszusöhnen. Um diese Zeit beschäftigten sich meine Leute an Bord, das Oberdeck des Schiffes zu kalfatern und neu zu streichen, wickelten das Takelwerk auseinander und brachten es in Ordnung, räumten auch das Magazin auf. Kurz, ein jeder tat in seiner Art, was notwendig war. Unterdessen hatte meine Krankheit, die eine Art Gallenkolik war, sich so sehr verschlimmert, daß ich an diesem Tage bettlägerig wurde. Das ganze Kommando fiel also an den ersten Offizier. Diesem gab ich seine Verhaltungsmaßregeln und ermahnte ihn, auf die Landmannschaft ganz besonders achtzugeben. Ich ordnete auch an, daß man dem Schiffsvolk Früchte und frische Lebensmittel reichen sollte, solange dergleichen nur zu bekommen wäre, und daß nach Sonnenuntergang die Boote niemals vom Schiffe abwesend sein dürften. Eines Nachmittags kam der Waffenoffizier mit einer Frau an Bord; sie war von großer Statur, mochte ungefähr 45 Jahre alt sein und hatte außer einer angenehmen Gesichtsbildung einen wirklich majestätischen Anstand. Er sagte mir, sie sei erst kürzlich in diese Gegend des Landes gekommen, und da er beobachtet hätte, daß die andern Eingeborenen viel Ehrfurcht vor ihr bezeigten, habe er ihr einige Geschenke gemacht. Um diese zu erwidern, habe sie ihn in ihre Wohnung eingeladen, die ungefähr zwei Kilometer talaufwärts liege, und dort habe sie ihm einige recht große Schweine geschenkt. Nachher sei sie mit ihm nach der Wasserstelle zurückgegangen und habe Verlangen bezeigt, mit an Bord des Schiffes zu gehen. Er habe es für ratsam gehalten, ihr Verlangen zu erfüllen, und habe sie begleitet. Sie schien gleich beim Betreten des Schiffes ganz ohne Mißtrauen und Furcht, überhaupt ganz ungezwungen zu sein, und die ganze Zeit über, die sie an Bord bei uns war, betrug sie sich mit einer ungekünstelten Freimütigkeit, die man bei allen Personen zu bemerken pflegt, die sich ihrer Vorzüge bewußt und zu herrschen gewohnt sind. Ich gab ihr einen großen blauen Mantel, der ihr von den Schultern bis auf die Füße hinabreichte, hing ihr diesen um und band ihn mit Bändern fest. Auch gab ich ihr einen Spiegel, Glasperlen und viele andre Sachen mehr. Alles nahm sie auf die würdigste Art an und bezeigte ihr Wohlgefallen darüber. Sie bemerkte, daß ich krank gewesen war, und wies aufs Land. Ich deutete mir das so aus, als ob sie meinte, ich solle dahin gehen, um meine Gesundheit wieder vollkommen herzustellen, und gab ihr also durch Zeichen zu verstehen, daß ich den anderen Morgen ihren Rat befolgen wolle. Als sie sich endlich anschickte, wieder zurückzukehren, befahl ich dem Waffenoffizier, sie zu geleiten. Nachdem er sie an Land gebracht hatte, begleitete er sie ganz nach ihrer Wohnung und beschrieb mir diese nachher als sehr groß und wohlgebaut. Er sagte, sie habe viele Leibwachen und Bediente in diesem Hause, und in einiger Entfernung noch ein anderes Gebäude, welches von einer Art Gitterwerk umgeben sei. Den folgenden Morgen ging ich also zum ersten Male an Land, und meine Fürstin oder vielmehr Königin -- denn ihrem Ansehen nach schien sie einen solchen Rang zu haben -- kam bald nachher mit einer zahlreichen Begleitung zu mir. Da sie bemerkte, daß ich von meiner Krankheit noch sehr schwächlich war, befahl sie ihren Leuten, mich auf ihre Arme zu nehmen und nicht nur über den Fluß, sondern auch den ganzen Weg bis an ihr Haus zu tragen. Weil sie beobachtete, daß einige meiner Begleiter, insbesondere der erste Leutnant und der Schiffszahlmeister, ebenfalls krank gewesen waren, ließ sie auch diese auf die gleiche Art tragen. Ich hatte, als ich an Land ging, eine Leibwache mitgenommen, und diese folgte uns bei diesem Aufzuge nach. Unterwegs drängte sich eine sehr große Volksmenge um uns herum, sobald aber die Herrscherin mit ihrer Hand einen Wink gab, wichen die Eingeborenen zurück und machten vor uns Platz, ohne daß sie auch nur ein Wort gesprochen hätte. [Illustration: Der Schiffsarzt nahm die Perücke vom Kopfe.] Als wir uns ihrem Hause näherten, kam uns eine große Zahl Leute beiderlei Geschlechts entgegen. Sie stellte mir alle Leute vor und gab mir zu verstehen, daß dies alles Anverwandte von ihr wären. Hierauf faßte sie meine Hand und reichte sie der ganzen Verwandtschaft zum Küssen dar. Endlich betraten wir das Haus, das etwa 100 Meter lang und 12 Meter breit war. Es bestand aus einem mit Palmzweigen bedeckten Dache und ruhte auf Pfosten, deren sich auf jeder Seite 39 und in der Mitte 14 befanden. Bis an die oberste Dachspitze gerechnet, war das Gebäude innen etwa 10 Meter hoch, die Pfosten aber, auf denen das Dach am Rande ruhte, waren nur etwa 4 Meter hoch. Unterhalb des Daches waren die Seiten alle frei und offen. Sobald wir das Innere des Hauses betreten hatten, nötigte die Königin uns zum Niedersitzen und rief sogleich vier junge Mädchen. Als diese herbeikamen, ließ sie sich von ihnen helfen, mir Schuhe, Strümpfe und den Rock auszuziehen, sodann befahl sie ihnen, mir die Haut mit ihren Händen ganz leicht zu massieren. Das gleiche ließ sie mit dem kranken Schiffszahlmeister und dem ersten Offizier vornehmen. Während diese Kur an uns vorgenommen wurde, suchte sich der Schiffsarzt, der sich auf dem Gange hierher sehr erhitzt hatte, ein wenig abzukühlen, und nahm in dieser Absicht seine Perücke vom Kopfe. Einer von den Eingeborenen bemerkte das und gab seinem Staunen durch einen lauten Schrei Ausdruck. Das lenkte die Aufmerksamkeit aller übrigen so sehr auf den guten Chirurgus, daß in einem Augenblick aller Augen auf das Wunderding geheftet und mit einem Male alle Verrichtungen unterbrochen waren. Die ganze Versammlung stand einige Zeit über in sprachlosem Erstaunen ganz unbeweglich da. Sie hätten sich wahrhaftig nicht erstaunter anstellen können, wenn sie gesehen hätten, daß unser Landsmann sich alle Glieder vom Leibe geschraubt hätte. Endlich gingen die jungen Mädchen, die uns massierten, wiederum an ihre Arbeit, und als sie diese ungefähr eine halbe Stunde lang fortgesetzt hatten, kleideten sie uns wieder an. Man kann sich indessen leicht vorstellen, wie ungeschickt sie sich dabei benahmen. Indessen bekam sowohl mir als dem Leutnant und dem Schiffszahlmeister die Massage sehr wohl. Bald darauf ließ unsere gütige Wohltäterin einige Ballen von landesüblichem Rindenzeug herbeibringen und kleidete mich nebst meiner ganzen Gesellschaft mit diesem Zeuge nach der Mode ihres Landes. Anfangs verbat ich mir diese Gunstbezeigung. Weil ich indessen nicht gerne den Eindruck erwecken wollte, als ob mir das nicht gefiele, was in bester Absicht mit mir geschah, ließ ich mich endlich nach ihrem Willen kleiden. Als wir weggingen, befahl sie, daß ein sehr großes und tüchtiges Mutterschwein zum Boot hinabgebracht werden sollte, und sie selbst begleitete uns in Person dahin. Sie hatte ihren Landsleuten geheißen, mich wie auf dem Herwege auf den Armen zu tragen. Da ich aber jetzt lieber gehen wollte, so bot sie mir den Arm, und sooft wir an eine Wasserpfütze oder eine morastige Stelle kamen, hob sie selbst mich hinüber und das offenbar mit ebenso geringer Mühe, als es in gesunden Tagen mich würde gekostet haben, ein Kind hinüberzuheben. Am folgenden Morgen schickte ich ihr durch den Waffenoffizier sechs Beile, sechs Sicheln und noch verschiedene andere Dinge. Bei seiner Zurückkunft meldete mir der Offizier, daß er sie bei der Mahlzeit angetroffen, und daß sie in ihrem großen Hause eine erstaunliche Anzahl von Leuten, die seiner Schätzung nach sich auf mindestens 1000 Personen belaufen mußte, mit einem Gastmahl bewirtet habe. Die Speisen wurden bei dieser Gelegenheit alle von den Bedienten, die sie zubereitet hatten, aufgetragen. Das Fleisch war in Kokosnußschalen gefüllt. Diese waren in hölzerne Tröge gesetzt, die unseren Fleischermulden einigermaßen ähnlich sahen, und die Regentin teilte diese Speisen eigenhändig an die Gäste aus, die im Hause rundherum in Reihen saßen. Als sie mit der Austeilung der Gerichte fertig war, setzte sie sich selbst auf einem etwas erhöhten Sitze nieder; zwei Mädchen stellten sich alsdann zu ihren beiden Seiten auf und reichten ihr die Speisen so zu, daß sie nur den Mund aufzumachen brauchte, um sie zu genießen. Sobald sie des Waffenoffiziers ansichtig wurde, ließ sie ihm auch gleich eine Mahlzeit auftragen. Er konnte nicht eigentlich sagen, was es war, das er aß; er hielt es für kleingehacktes Hühnerfleisch mit daruntergeschnittenen Äpfeln, in Salzwasser zurechtgemacht. Es war alles sehr schmackhaft zubereitet. Die Königin nahm die Geschenke, die ich ihr schickte, mit großem Vergnügen an. Als wir auf solche Art mit ihr in ein gutes Einvernehmen gekommen waren, fanden wir, daß weit mehr Lebensmittel aller Art als zuvor auf den Markt gebracht wurden. Allein, obgleich alle Tage Federvieh und Schweine genug ankamen, mußten wir diese Dinge doch teurer bezahlen als im Anfang. Eines Tages erblickte der Waffenoffizier, der noch immer des Handels wegen am Lande blieb, eine alte Frau jenseits des Flusses, die bitterlich weinte. Sobald sie merkte, daß sie seine Aufmerksamkeit erregt hätte, schickte sie einen Jüngling, der mit ihr gekommen war, mit einem Bananenzweige in der Hand über den Fluß zu ihm hinüber. Als der junge Mensch vor ihm stand, hielt er eine lange Rede und legte alsdann seinen Zweig zu des Waffenoffiziers Füßen nieder. Darauf ging er zurück, die alte Frau selbst zu holen, während ein anderer Mann zwei große gemästete Schweine herbeibrachte. Die Frau sah unsere Leute einen nach dem andern an und brach abermals in Tränen aus. Als der Jüngling, der sie über den Fluß gebracht hatte, das Mitleid und Erstaunen des Offiziers sah, hielt er eine zweite große Rede, die länger als die vorhergehende war, nach deren Ende man aber die Ursache, warum die Frau so jämmerlich weinte, ebensowenig wußte als vorher. Endlich gab sie zu verstehen, daß ihr Mann und drei von ihren Söhnen beim Angriff auf das Schiff umgekommen wären. Während dieser Erklärung wurde sie von ihrem Kummer so ergriffen, daß sie zuletzt nicht mehr reden konnte und ohnmächtig niedersank; die zwei Jünglinge, die sie in ihren Armen hielten, schienen ähnlich bewegt zu sein. Vermutlich waren es zwei andere ihrer Söhne oder doch nahe Blutsverwandte. Der Waffenoffizier tat alles, was nur möglich war, um ihre Betrübnis zu lindern. Sobald sie nur einigermaßen wieder getröstet war, befahl sie, daß man ihm die beiden Schweine bringen solle, und reichte ihm die Hand zum Zeichen ihrer Freundschaft, sie wollte aber nichts dagegen annehmen, obwohl er ihr den zehnfachen Marktpreis dafür geboten hatte. Am folgenden Morgen schickte ich den zweiten Leutnant mit allen Booten und 60 Mann nach Westen, um das Land in Augenschein zu nehmen und festzustellen, was man von dorther etwa bekommen könne. Um Mittag kam er zurück, er war diese Zeit über ungefähr 6 Kilometer weit längs der Küste hinmarschiert. Er fand das Land sehr anmutig und bevölkert und auch mit Federvieh, Schweinen, Früchten und Pflanzen reich gesegnet. Die Einwohner taten ihm nichts zuleide, schienen aber auch nicht geneigt zu sein, ihm irgend etwas von ihren Waren zu verkaufen, nicht einmal Früchte, die unsere Leute am liebsten eingehandelt hätten. Doch überließen sie ihm zuletzt einige Kokosnüsse und Bananen und verkauften ihm schließlich auch einiges Federvieh und 9 Schweine. Der Leutnant war der Meinung, man könne die Eingeborenen dort mit der Zeit schon dahin bringen, daß sie aus freien Stücken mit uns Handel trieben. Allein, diese Gegend lag zu weit vom Schiffe entfernt, so daß man jedesmal eine größere Bedeckungsmannschaft hätte mitgeben müssen. Er sah eine große Anzahl geräumiger Kanus, die die Einwohner auf den Strand gezogen hatten, und andere, an denen noch gebaut wurde. Er fand, daß alle ihre Werkzeuge aus Steinen, aus Muschelschalen und Knochen verfertigt waren, und schloß daraus, daß sie ganz und gar kein Metall besäßen. Auch fand er keine anderen vierfüßigen Tiere als Schweine und Hunde, desgleichen keine irdenen Gefäße. Alle ihre Speisen mußten daher gebacken oder gebraten werden. Weil sie also keinerlei Kochgeschirr hatten, konnten sie auch Wasser nicht sieden machen. Als die Königin eines Morgens mit uns an Bord des Schiffes frühstückte, sah einer von ihren Begleitern, der ein angesehener Mann war und einer von denen, die wir für Priester hielten, daß der Schiffsarzt den Hahn an einer Teemaschine umdrehte und auf diese Weise eine Teekanne, die auf der Tafel stand, mit Wasser füllte. Nachdem er das mit großer Neugierde und Aufmerksamkeit mitangesehen hatte, ging er, um die Sache selbst zu untersuchen, näher hin, drehte den Hahn um und fing das Wasser mit der Hand auf. Man kann sich vorstellen, wie sehr er sich verbrannte! Kaum war das geschehen, so fing er voller Schrecken ganz rasend an zu schreien und sprang vor Schmerz mit den lächerlichsten Gebärden in der Kajüte umher. Die anderen Eingeborenen konnten gar nicht begreifen, was ihm fehle. Sie staunten ihn daher mit Verwunderung an und ließen das äußerste Entsetzen blicken. Indessen legte ihm der Schiffsarzt, der unschuldigerweise die Ursache dieses ganzen Unfalls gewesen war, ein kühlendes Mittel auf; es währte aber doch eine ganze Zeit, bis der arme Schelm Linderung bekam. Die Königin war jetzt verschiedene Tage über abwesend gewesen. Die Eingeborenen gaben uns indessen durch Zeichen zu verstehen, daß wir demnächst einen Besuch von ihr zu erwarten hätten. Am folgenden Morgen kam sie auch wirklich an den Strand hinab, und bald darauf brachte eine große Menge von Leuten, die wir bisher noch nie gesehen hatten, Lebensmittel aller Art zu Markte, so daß der Marktoffizier uns diesen Tag 14 Schweine und einen großen Vorrat von Früchten an Bord schaffen konnte. Am Nachmittag des folgenden Tages kam die Königin selbst an Bord und brachte uns zwei große Schweine zum Geschenk mit. Sie ließ sich niemals zu einem Tauschhandel mit uns herab. Als sie am Abend an Land zurückkehrte, gab ich ihr den Bootsmann zur Begleitung und händigte ihm Geschenke für sie ein, die er ihr überreichen sollte. Sobald sie gelandet waren, nahm sie ihn bei der Hand, hielt eine lange Rede an das Volk, das sich rings um sie her versammelte, und führte ihn hierauf nach ihrem Hause. Dort kleidete sie ihn so, wie sie ehemals auch mit mir getan hatte, nach dortiger Landesart in Rindenzeug. Des Tages darauf schickte sie uns einen weit beträchtlicheren Vorrat von Lebensmitteln, als wir je zuvor an einem Tage an Bord bekommen hatten, nämlich 48 große und kleine Schweine, 4 Dutzend Stück Federvieh und eine fast unzählige Menge von Brotfrüchten, Bananen, Äpfeln und Kokosnüssen. Ein paar Tage später kam die Königin abermals an Bord und brachte verschiedene große Schweine zum Geschenke mit, für die sie wie gewöhnlich kein Entgelt annehmen wollte. Als sie im Begriff war, das Schiff zu verlassen, bezeigte sie ein lebhaftes Verlangen, ich möchte mit ihr an Land gehen. Ich willigte ein und nahm verschiedene von meinen Offizieren mit mir. Als wir in ihrem Hause ankamen, ließ sie uns insgesamt niedersitzen, nahm meinen Hut ab und steckte einen Busch von bunten Federn daran, wie ihn in diesem Lande meines Wissens niemand trug als sie selbst. Sie band auch um meinen und meiner Begleiter Hüte eine Schnur von geflochtenem Haar und gab uns zu verstehen, daß sowohl das Haar als die Arbeit daran von ihr selbst sei. Sie beschenkte uns ferner mit einigen sehr künstlich geflochtenen Matten. Am Abend begleitete sie uns bis an den Strand zurück, und als wir in unser Boot einstiegen, ließ sie ein großes, schönes Schwein nebst einer großen Menge von Früchten an Bord bringen. Als wir hierauf Abschied von ihr nahmen, deutete ich ihr durch Zeichen an, daß ich die Insel binnen 7 Tagen verlassen wolle. Sie verstand mich sogleich und antwortete mir, es sei ihr Wunsch, ich solle wenigstens noch 3 Wochen lang bleiben; ich könnte ja indessen eine kleine Reise ins Innere machen, mich einige Tage dort aufhalten und von dort aus eine Menge von Schweinen und Federvieh an den Strand herabschaffen lassen und hernach wegsegeln. Ich gab ihr dagegen wiederum zu verstehen, daß ich unwiderruflich in 7 Tagen abreisen müsse. Hierauf weinte sie so herzbewegend, daß es uns Mühe und Klugheit kostete, sie wieder zu beruhigen. Am folgenden Morgen schickte der Marktoffizier nicht weniger als 20 Schweine und einen großen Vorrat von Früchten an Bord. Unser Verdeck war nunmehr ganz mit Schweinen und Federvieh angefüllt. Wir schlachteten nur die kleinsten davon, um die andern als Vorrat für die weitere Reise aufzubewahren. Wir fanden aber bald zu unserem großen Verdrusse, daß sowohl das Federvieh als auch die Schweine nicht leicht etwas anderes als die hiesigen Landesfrüchte fressen wollten; das nötigte uns, sie geschwinder nacheinander abzuschlachten, als wir sonst zu tun willens waren. Indessen glückte es uns doch, einen Eber und ein Mutterschwein lebendig nach England zu bringen. Zwei Tage danach schickte ich dem alten Manne, der unserm Waffenoffizier beim Handel so große Dienste geleistet hatte, noch einen eisernen Topf, etliche Beile, Sicheln und ein Stück Tuch. Der Königin übersandte ich zwei Truthähne, drei chinesische Fasanen, zwei Gänse, eine trächtige Katze, etwas Porzellan, einige Spiegel, gläserne Flaschen, Hemden, Nadeln, Zwirn, Tuch, Bänder, Erbsen, kleine weiße Bohnen und ungefähr 16 verschiedene Arten von Gartenpflanzensamen, nebst einer Schaufel und einer großen Menge kurzer Eisenwaren, wie Messer, Scheren, Sicheln und dergleichen. Wir selbst hatten bereits während unserer Anwesenheit allerhand Arten von Gartensamen und auch etliche Erbsen an verschiedenen Orten ausgesät, und zu unserm größten Vergnügen war alles sehr schön und hoffnungsvoll aufgekeimt. Ich schickte der Königin zuletzt noch ein paar eiserne Töpfe und einige Löffel. Als Gegengabe brachte mir der Marktoffizier 18 Schweine und einige Früchte. Am Morgen des 25. Juli ging ich unter kleiner Bedeckung an Land und ließ auf einer gewissen Landspitze ein Zelt aufschlagen, um dort eine Sonnenfinsternis zu beobachten, was ich bei der Klarheit der Luft mit großer Genauigkeit tun konnte. Als ich mit meiner Beobachtung fertig war, ging ich nach dem Hause der Königin und wies ihr das Fernrohr vor, dessen ich mich soeben bedient hatte. Nachdem ich ihr zuerst den Bau gezeigt hatte, suchte ich ihr den Gebrauch deutlich zu erklären. Ich richtete es also auf verschiedene in weiter Ferne befindliche Gegenstände, die ihr wohl bekannt waren, die man aber von ihrem Hause aus mit bloßem Auge nicht erkennen konnte, und ließ sie alsdann durchsehen. Sobald sie die Dinge so nah und deutlich erblickte, sprang sie erstaunt zurück, wandte alsdann ihre Augen dahin, wohin das Fernrohr gerichtet war, stand eine Zeitlang unbeweglich stille, sah zum zweiten Male hindurch und bemühte sich von neuem, wiewohl vergebens, die eben geschauten Gegenstände mit bloßem Auge zu erkennen. Sowie sie dieselben wechselweise sah, wenn sie durch das Rohr blickte, sie bald wieder aus dem Gesichte verlor, wenn sie mit bloßen Augen hinsah, drückten ihre Mienen und Gebärden jedesmal eine Mischung von Erstaunen und Entzücken aus, die keine Sprache beschreiben kann. Endlich ließ ich das Fernrohr wegschaffen und lud sie nebst verschiedenen Standespersonen, die bei ihr waren, ein, mit mir an Bord zu gehen. Als wir mit unsern Gästen an Bord gekommen waren, befahl ich, daß eine gute Mahlzeit zu ihrer Bewirtung zubereitet werden solle. Allein die Königin wollte weder essen noch trinken. Ihre Begleiter hingegen ließen sich alles, was ihnen zum Essen vorgesetzt wurde, herzlich gut schmecken. Doch außer reinem Wasser wollten sie nichts trinken. Als die Königin wieder von Bord ging, fragte sie mich durch Zeichen, ob ich noch immer auf meinem Entschlusse beharre und die Insel zu der angesagten Zeit verlassen wolle. Als ich ihr hierauf zu verstehen gab, daß ich mich unmöglich länger aufhalten könne, zeigte sie mir durch eine Flut von Tränen, die sie eine Zeitlang ihrer Sprache beraubten, wie schmerzlich sie dieses ankäme. Sobald sich die Heftigkeit ihrer Betrübnis gelegt hatte, winkte sie mir, sie wolle morgen wieder an Bord zu mir kommen; so schieden wir voneinander. [Illustration: Ihre Mienen und Gebärden drückten Erstaunen und Entzücken aus.] Am folgenden Morgen um 10 Uhr kam die Königin ihrem Versprechen gemäß mit einem Geschenke von Schweinen und Federvieh an Bord. Wir ergänzten auch unsere Holz- und Wasservorräte und machten uns fertig, in See zu gehen. Am nächsten Tage kam eine größere Anzahl der hiesigen Eingeborenen, als wir sonst je gesehen hatten, an den Strand herab. Sie schienen aus dem inneren Teil des Landes herzustammen, auch waren viele darunter, die den ihnen erwiesenen Ehrenbezeigungen nach Standespersonen sein mußten. Um 3 Uhr des Nachmittags kam die Königin in größtem Staat und in Begleitung eines sehr zahlreichen Gefolges wiederum an den Strand herab. Sie ging mit allen ihren Leuten und dem alten Manne über den Fluß und besuchte uns noch einmal an Bord. Sie brachte auch einige sehr schöne Früchte mit sich, erneuerte mit vielem Eifer ihr Anliegen, daß ich noch 10 Tage länger hier bleiben sollte, und gab mir zu verstehen, daß sie ins Innere des Landes reisen und mir eine Menge von Schweinen, Federvieh und Früchten von dorther mitbringen wolle. Ich suchte ihr für diese Freundschaft und Güte meine Erkenntlichkeit zu bezeigen, versicherte ihr aber, daß ich unabänderlich den folgenden Morgen absegeln müsse. Sie brach hierüber wie gewöhnlich in Tränen aus, und als sie sich gefaßt hatte, erkundigte sie sich durch Zeichen, wann ich wieder zurückkäme. Ich gab mir Mühe, ihr die Zahl von 50 Tagen anzuzeigen, sie bat darauf durch Gegenzeichen, daß ich nicht länger als 30 Tage wegbleiben solle. Da ich aber gegen alle ihre Einwendungen fest immer wieder 50 andeutete, gab sie sich endlich zufrieden. Sie blieb bei uns, bis es Nacht wurde, und es kostete viele Mühe und Künste, sie endlich zur Rückkehr an Land zu bewegen. Als man ihr sagte, daß das Boot auf sie warte, warf sie sich über die Gewehrkiste hin und weinte eine Zeitlang so heftig, daß sie gar nicht wieder zu sich zu bringen war. Endlich bequemte sie sich doch und stieg, wiewohl sehr ungern, in das Boot, wohin alle ihre Begleiter und auch der alte Mann ihr nachfolgten. Mit Anbruch des 27. Juli lichteten wir die Anker, und zu gleicher Zeit schickte ich die Barke und ein anderes Boot ab, um die wenigen Wasserfässer zu füllen, die wieder leer geworden waren. Als unsre Leute sich der Küste näherten, sahen sie zu ihrem größten Erstaunen den ganzen Strand weithin mit Eingeborenen überfüllt. Weil sie es nun bei diesem Anblick nicht für ratsam fanden, sich unter eine solche Menge hineinzuwagen, so wollten sie wieder unverrichteterdinge nach dem Schiffe zurückkehren. Sobald aber die Eingeborenen am Strande dies beobachteten, kam die Königin hervor, winkte ihnen und schien die Ursache ihrer Besorgnis zu erraten; denn die Insulaner mußten sich auf ihren Befehl jenseits des Flusses begeben. Die Boote ruderten hierauf nach der Wasserstelle und füllten die Fässer. Unterdessen ließ die Königin einige Schweine und Früchte an Bord des Bootes bringen, und als unsre Leute vom Strand abstoßen wollten, wäre sie gern mit ihnen gefahren. Der Offizier wollte es ihr aber nicht gestatten, weil er Befehl bekommen hatte, keinen Eingeborenen mehr mit sich zu nehmen. Sie ließ auf diese Weigerung gleich eines ihrer doppelten Kanus in See stechen, und ihre eigenen Leute mußten sie zu uns führen. Sie kam gleich an Bord, konnte aber vor Wehmut nicht sprechen, sondern setzte sich nieder und brach in Tränen aus. Als sie ungefähr eine Stunde bei uns gewesen war, erhob sich ein günstiger Wind, wir lichteten die Anker und gingen unter Segel. Da sie nunmehr sah, daß sie in ihr Kanu zurückkehren müsse, umarmte sie uns alle auf das zärtlichste und mit vielen Tränen; ebenso ließ auch ihr ganzes Gefolge große Betrübnis über unsre Abreise wahrnehmen. Wir hatten indes kaum die Segel aufgespannt, so flaute der Wind wieder ab und die See lag still. Ich schickte also die Boote voraus, um das Schiff zu bugsieren. Sobald die Kanus, die uns eben verlassen hatten, dies sahen, kehrten sie alle zusammen zum Schiff zurück. Dasjenige, das die Königin an Bord führte, ruderte an die Waffenkammer hin. Die Leute im Raum befestigten es an der Luke, und nach Verlauf von wenigen Minuten kam die Königin an Bord, setzte sich nieder und weinte ganz untröstlich. Ich gab ihr allerhand Sachen, die ihr meines Erachtens nützlich sein konnten, und Putzwerk. Sie nahm alles stillschweigend und teilnahmslos an. Um 10 Uhr waren wir durch Unterstützung unserer Boote über die Klippenreihe hinausgekommen, und da sich nunmehr ein frischer, günstiger Wind erhob, nahmen unsere Südseefreunde und besonders die Königin noch einmal mit zärtlicher Freundschaft und so rührender Betrübnis Abschied von uns, daß ich selbst ganz bewegt wurde und mich der Tränen nicht erwehren konnte. [Illustration] [Illustration] Ein Südsee-Idyll Von Kapitän _James Cook_ Es war Montag, den 10. April 1769, als einige von unseren Leuten, die nach der Insel Tahiti, unserem Reiseziel, ausspähten, des Nachmittags um 1 Uhr meldeten, sie sähen in demjenigen Teil des Horizontes, wo die Insel der Lage nach zum Vorschein kommen mußte, Land. Es schien sehr hoch und gebirgig zu sein, und wir erkannten es allen Anzeichen nach als ebendasselbe, das Kapitän Wallis »König Georgs des Dritten Insel« genannt hatte, und das nunmehr Tahiti heißt. Eine plötzlich einsetzende Windstille hielt uns aber zurück, so daß wir am Morgen des folgenden Tages der Insel noch nicht näher waren als die Nacht zuvor. Um 7 Uhr erhob sich endlich ein frischer Wind, und um 11 Uhr waren wir Tahiti bereits so nahe gekommen, daß verschiedene Kanus gegen das Schiff liefen. Doch wollten nur wenige sich an uns heranwagen, und selbst diese wenigen wollten sich nicht bereden lassen, an Bord unserer »Endeavour« zu kommen. In jedem Kanu hatten sie junge Bananen und Zweige von einem andern Baume, den die Insulaner »E' Midho« nennen; diese waren, wie wir nachmals erfuhren, ein Sinnbild des Friedens und wurden uns als Freundschaftszeichen überbracht. Aus einem von den Kanus reichten sie uns die Insulaner an der Schiffsseite herauf und machten uns zu gleicher Zeit mit großem Eifer einige Zeichen, die uns unverständlich waren. Endlich aber errieten wir ihr Verlangen; sie wünschten nämlich, daß diese Friedenszeichen an irgendeinem Orte im Schiffe aufgesteckt werden möchten, wo man sie frei und deutlich sehen könne. Wir steckten sie daher sofort zwischen die Bordwände, worüber die Insulaner lebhaftes Vergnügen zeigten. Hierauf kauften wir ihnen ihre Waren ab, die in Kokosnüssen und allerlei andern Früchten bestanden, wie sie uns allen nach einer so langen Reise sehr willkommen waren. Wir steuerten die ganze Nacht hindurch vorsichtig näher gegen die Küste, die Meerestiefe nahm gegen die Insel hin von 30 bis zu 21 Meter ab, und um 7 Uhr morgens kamen wir mit 23 Meter Tiefe in der Matavaibucht vor Anker. Die Eingeborenen umringten sogleich unser Schiff mit ihren Kanus, brachten uns Kokosnüsse, apfelähnliche Früchte, Brotfrucht und einige kleine Fische. Sie überließen uns das alles gegen Glasperlen und andere Kleinigkeiten. Sie hatten auch ein kleines Schwein bei sich, wollten es aber gegen nichts Geringeres als ein Beil eintauschen. Wir weigerten uns daher, diesen Handel einzugehen; denn hätten wir ihnen gleich zu Anfang ein Beil für ein junges Schwein gegeben, so hätten sie uns wohl voraussichtlich nachher nie eines wohlfeiler verkaufen wollen, und das wäre uns doch auf die Dauer allzu teuer zu stehen gekommen. Die Brotfrucht wächst auf einem Baum, der ungefähr so groß ist wie eine mittelhohe Eiche. Die Blätter sind oft anderthalb Meter lang, von länglicher Gestalt, mit tiefen Krümmungen wie die Feigenblätter versehen, denen sie an Wesen und Farbe ähnlich sind; beim Auseinanderbrechen sondern sie gleich einen milchartigen Saft ab. Die Frucht hat die Größe eines Kindskopfes und beinahe dieselbe Form. Ihre Außenseite ist meistens wie bei der Trüffel netzförmig, die Haut ist nur dünn, und die Frucht hat einen Kern, der ungefähr so dick ist wie ein Messerstiel. Das Fleisch oder der eßbare Teil liegt zwischen Haut und Kern, ist schneeweiß und locker wie frischgebackenes Brot. Ehe man sie ißt, muß man sie rösten und zu diesem Zweck in drei oder vier Teile zerschneiden. Sie hat keinen ausgesprochenen Geschmack, höchstens, daß sie etwas süßlich schmeckt. [Illustration: Wir gingen in Begleitung unseres Freundes Auhaa an Land.] Unter den Eingeborenen, die zu uns an Bord kamen, befand sich auch ein ältlicher Mann, der, wie wir nachher erfuhren, Auhaa hieß, und Leutnant Gore, der mit dem Kapitän Wallis hier gewesen war, erkannte ihn augenblicklich wieder. Da ich nun wußte, daß er Wallis sehr nützlich gewesen war, nahm ich ihn nebst einigen anderen an Bord des Schiffes und war besonders bemüht, ihm soviel Freundlichkeiten als möglich zu erweisen, weil ich hoffte, er würde auch uns gute Dienste leisten. Da allem Anschein nach zu vermuten stand, daß wir uns ziemlich lange hier aufhalten würden, mußten wir notwendigerweise darauf bedacht sein, daß der Wert der Waren, die wir zum Tauschhandel mitgebracht hatten, während der Zeit unseres Hierseins nicht sank. Das wäre aber zweifellos geschehen, wenn man jedermann Freiheit gelassen hätte, die eingekauften Dinge nach persönlichem Gutdünken zu bezahlen. Weil daraus unfehlbar Verwirrungen und Streitigkeiten hätten entstehen müssen, stellte ich bestimmte Regeln für den Handel auf und befahl ihre strengste Beachtung. Sobald das Schiff gehörig gesichert war, ging ich mit den Botanikern Banks und Solander, einer Abteilung Bewaffneter und in Begleitung unseres Freundes Auhaa an Land. Beim Aussteigen aus den Booten wurden wir von einigen hundert Eingeborenen empfangen, die uns aber nur mit ihren Augen bewillkommten, weil sie es auf andere Art zu tun nicht wagten; denn sie bezeigten eine so tiefe Ehrfurcht vor uns, daß der erste, der sich näherte, beinahe auf Händen und Füßen herankroch. Es ist merkwürdig, daß das Friedenszeichen, das uns sowohl dieser Mann als auch jener im Kanu überreichte, ein grüner Zweig war, dessen sich bekanntlich schon die alten und mächtigen Völker der nördlichen Halbkugel zu ebendiesem Zwecke bedient hatten. Wir nahmen das Zeichen freudig und vergnügt an, und weil wir sahen, daß jeder von ihnen solchen Zweig in der Hand hielt, pflückte auch jeder von uns sogleich einen und trugen ihn auf dieselbe Art. Die Eingeborenen begleiteten uns unter Anführung Auhaas nach dem Platze, wo der »Delphin« zwei Jahre vorher sein Wasser eingenommen hatte. Als sie aber auf dem Wege dahin ungefähr eine halbe Meile zurückgelegt hatten, machten sie halt und reinigten den Boden von allem darauf befindlichen Rasen. Die Vornehmsten unter ihnen warfen jetzt ihre grünen Zweige auf das nackte Erdreich und winkten uns, daß wir es mit den unserigen ebenso machen sollten. Wir bezeigten sogleich unser Einverständnis und unsre Bereitwilligkeit hierzu, und um die Zeremonie noch feierlicher zu gestalten, mußten die Seesoldaten in Reih und Glied antreten und ihre Zweige niederlegen. Wir machten es hernach ebenso. Darauf marschierten wir weiter und gelangten zur alten Wasserstelle. Die guten Leutchen gaben uns zu verstehen, wir sollten diesen Platz wieder beziehen. Wir fanden aber, daß der Ort für unsre Absichten nicht besonders geeignet sei. Unterdessen hatte sich die erste Vorstellung von unsrer Überlegenheit und die daraus folgende Schüchternheit bei ihnen allmählich verloren, und sie waren inzwischen ganz vertraulich geworden. Sie gingen von der Wasserstelle weiter mit uns weg und führten uns auf einem Umweg in den Wald. Während des Marsches teilten wir Glasperlen und andere kleine Geschenke unter ihnen aus und bemerkten mit Vergnügen, daß sie sehr viel Wohlgefallen daran fanden. Der Umweg, den wir nahmen, betrug nicht weniger als 4-5 Kilometer, und diese ganze Zeit über wandelten wir in Hainen von Bäumen, die mit Kokosnüssen und Brotfrucht überladen waren und den anmutigsten Schatten gaben. Unter diesen Bäumen lagen die Wohnungen des Volkes; sie bestanden meistenteils aus einem bloßen Dache auf Pfosten ohne Seitenwände; der ganze Anblick bestätigte die phantastischen Berichte der alten Dichter von dem Fabellande Arkadien. Was wir indessen gleich anfangs zu unserm Leidwesen feststellten, war der große Mangel an Schweinen; denn auf unserem ganzen Wege sahen wir deren nur zwei, und zudem nicht ein einziges Stück Federvieh. Diejenigen Leute, die mit dem »Delphin« hier gewesen waren und die Verhältnisse kannten, sagten uns, daß sie bisher noch keine Standesperson unter den Eingeborenen bemerkt hätten. Sie vermuteten, daß die Häuptlinge des Volkes irgendwo anders sich niedergelassen hätten. Und als wir an den Platz gelangten, wo ihren Aussagen nach ehemals der Palast der Königin gestanden hatte, fanden wir auf dem Fleck überhaupt keine Spuren mehr davon. Wir entschlossen uns daher, am folgenden Morgen wieder an Land zu gehen, um zu sehen, ob wir nicht die Vornehmen in ihren neuen Wohngebieten aufsuchen könnten. Ehe wir aber am folgenden Morgen noch aus dem Schiffe kamen, waren schon verschiedene Kanus größtenteils von Westen her zu uns gekommen. Zwei waren voller Leute, die ihrer Kleidung und ihrem Betragen nach Standespersonen sein mußten. Von diesen kamen zwei an Bord, und jeder wählte sich einen Freund. Der eine, der, wie wir erfuhren, Mataha hieß, wählte Banks, der andere mich. Dieser feierliche Vorgang bestand darin, daß sie einen großen Teil ihrer Kleider auszogen und uns anlegten, wogegen wir jedem von ihnen ein Geschenk mit einem Beile und einigen Glasperlen machten. Bald nachher winkten sie uns, wir sollten mit ihnen in ihre Wohnungen kommen, und wiesen dabei nach Südwesten. Da ich nun einen bequemeren Hafen zu finden und die Gesinnungen der Eingeborenen zu erforschen wünschte, willigte ich ein. Ich ließ also zwei Boote ausheben und ging mit Banks, Dr. Solander, den Offizieren und unseren zwei Freunden an Bord der Boote, um unter Anführung der Insulaner unsere kleine Reise anzutreten. Als wir ungefähr eine Seemeile weit gerudert waren, winkten sie uns, daß wir an Land gehen sollten, und gaben uns zu verstehen, daß dieses der Ort ihres Aufenthaltes sei. Wir stiegen also an Land, und der Zulauf des Volkes war so groß, daß wir uns bald von etlichen hundert Eingeborenen umringt sahen. Man führte uns sogleich in ein Haus, das viel länger war, als wir dergleichen bisher gesehen hatten. Bei unserm Eintritt bemerkten wir einen Mann, der, wie wir nachher erfuhren, Tutaha hieß. Man breitete uns sogleich eine Matte aus und ersuchte uns, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Bald nachdem wir uns gesetzt hatten, wurden ein Hahn und eine Henne herbeigebracht, die Tutaha Herrn Banks und mir überreichte. Wir nahmen das Geschenk an, und bald darauf erfolgte noch ein anderes: ein jeder von uns bekam nämlich ein Stück Rindenzeug, das nach ihrer Gewohnheit mit etwas Wohlriechendem zubereitet war und ganz angenehm duftete. Sie selbst legten großen Wert auf diesen Umstand und gaben sich viel Mühe, uns diesen Vorzug bemerkbar zu machen. Das Stück, das Banks überreicht wurde, war fast 10 Meter lang und fast 2 Meter breit. Er erwiderte dieses Geschenk mit einem seidenen spitzenbedeckten Halstuche, das er eben damals trug, und mit einem leinenen Schnupftuch. Tutaha legte diesen Schmuck sogleich mit vergnügter und selbstgefälliger Miene an. Bald nachdem wir und Tutaha einander unsere Geschenke überreicht hatten, führten uns die Damen zu verschiedenen großen Häusern, in denen wir sehr ungeniert umherspazierten. Die Häuser waren, wie ich bereits gesagt habe, außer dem Dache allenthalben ganz offen. Wir beurlaubten uns endlich von unserm guten Freunde und nahmen unseren Weg längs der Küste hin. Als wir ungefähr ein Kilometer weit marschiert waren, begegnete uns an der Spitze einer großen Menschenmenge ein anderer Häuptling, namens Tuburai Tamaide, dem wir gleichfalls einen Friedensvertrag zu bestätigen hatten. Die Zeremonien einer solchen Bestätigung waren uns jetzt aber schon besser bekannt. Als wir demnach den Zweig, den er uns überreichte, angenommen und ihm einen anderen dagegen gegeben hatten, legten wir die Hand auf die linke Brust und sprachen das Wort »Taio« aus, das unserer Meinung nach »Freund« bedeutete. Der Anführer gab uns hierauf zu verstehen, daß, wenn uns etwas zu essen beliebe, alles dazu in Bereitschaft sei. Wir nahmen sein Anerbieten an und ließen uns eine nach tahitischer Art zubereitete Mahlzeit von Fischen, Brotfrucht, Kokosnüssen und Bananen gut schmecken. Die Tahitier essen einige von ihren Fischen roh und boten uns daher solche ebenfalls an, damit dem Gastmahle gar nichts fehle. Allein für dieses Gericht bedankten wir uns denn doch. Während dieses Besuches bezeigte eine von den Gemahlinnen unsres edlen Wirtes, die Tomio hieß, Banks die Ehre, sich dicht neben ihn auf dieselbe Matte zu setzen. Tomio war nicht mehr in der ersten Blüte ihrer Jugend; sie schien auch niemals vorzügliche Reize besessen zu haben. Vermutlich aus dieser Ursache erwies auch Banks ihr keine besondere Aufmerksamkeit, und zu noch größerer Kränkung der guten Dame ereignete es sich, daß ihm gerade ein sehr reizendes Mädchen in die Augen fiel, das unter der Menge des Volkes um die Tafel herumstand. Ohne sich also um den Rang seiner Nachbarin zu kümmern, winkte er dem hübschen Mädchen, daß sie zu ihm kommen möchte. Nachdem sie sich ein wenig dazu hatte bitten lassen, kam sie näher und setzte sich zu seiner andern Seite nieder. Nun überhäufte er sie mit Glasperlen und einigen andern Spielsachen, die ihr seiner Meinung nach gefallen mochten. Es kränkte die Prinzessin zwar einigermaßen, daß er ihrer Nebenbuhlerin den Vorzug gab; doch begegnete sie ihm deswegen nicht minder höflich als zuvor und versah ihn immer noch emsig mit Milch von Kokosnüssen und mit allen andern Leckerbissen, die sie von der Tafel herbeiholte. Diese Szene hätte voraussichtlich noch merkwürdiger und rührender werden können, wenn sie nicht plötzlich durch ein ernsthaftes Zwischenspiel wäre unterbrochen worden. Um ebendiese Zeit beschwerten sich nämlich Dr. Solander und Leutnant Monkhouse, daß ihnen ihre Taschen ausgeleert worden seien. Dr. Solander hatte ein kleines Taschenfernrohr in einem Chagrinfutterale, der Schiffsarzt Monkhouse seine Schnupftabaksdose dabei eingebüßt. Dieser Vorfall verdarb natürlich die gute Laune der Gesellschaft. Man beschwerte sich wegen des erlittenen Diebstahls bei dem Häuptlinge. Und um der Klage größeren Nachdruck zu geben, sprang Banks hurtig auf und stieß schnell den Kolben seiner Flinte auf den Boden. Diese drohende Anstalt und das Getöse, das die Büchse machte, jagte der ganzen Gesellschaft einen solchen Schrecken ein, daß alles in der äußersten Bestürzung zum Hause hinausrannte, ausgenommen der Häuptling, drei Frauen und noch zwei oder drei andere, die ihrer Kleidung nach Standespersonen zu sein schienen. Der Häuptling nahm mit aller Äußerung von Betrübnis und Bestürzung Banks bei der Hand und führte ihn zu einem großen Vorrat von Rindenzeug hin, der am anderen Ende des Hauses aufgestapelt war. Er bot ihm ein Stück nach dem anderen an und gab ihm zu verstehen, daß, wenn diese den vorgefallenen Schaden ersetzen und das Unrecht wieder gutmachen könnten, er soviel er davon beliebe oder, falls er wolle, alles mitnehmen solle. Banks legte die Stücke aber alle auf die Seite und gab ihm zu verstehen, daß er nichts verlange, als was seinen Gefährten unehrlicherweise entwendet worden sei. Hierauf ging Tuburai Tamaide in aller Eile fort, ließ seine Gemahlin Tomio, die während des ganzen Auftritts erschreckt und verwirrt an Banks' Seite geblieben war, bei ihm und gab ihm zu verstehen, er möchte noch solange warten, bis er selbst wieder zurückkäme. Banks setzte sich also nieder und unterhielt sich durch Zeichen, so gut er eben konnte, ungefähr eine halbe Stunde lang mit der Gemahlin seines Wirts. Alsdann kam dieser mit der Schnupftabaksdose und dem Futterale des Fernrohrs in der Hand zurück. Aus seinen Augen blitzte die Freude mit einer Stärke des Ausdrucks, die dieses Volk vor allen anderen auszeichnet, und vergnügt überreichte er dann die Sachen ihren Eigentümern. Als aber das Futteral geöffnet wurde, fand man es leer. Kaum ward Tuburai Tamaide dessen gewahr, so veränderte sich seine Miene augenblicklich. Er nahm Banks abermals bei der Hand, rannte, ohne ein Wort zu sagen, wiederum zum Hause hinaus und führte ihn mit schnellen Schritten längs der Küste hin. Als sie ungefähr ein Kilometer weit gegangen waren, begegnete ihnen eine Frau und gab Banks ein Stück Zeug. Er nahm es ihr in aller Eile ab und setzte damit seinen Lauf hurtig fort. Dr. Solander und Monkhouse waren den beiden gefolgt, und sie kamen nunmehr bei einem Hause an, in dem sie von einer Frauensperson empfangen wurden. Dieser gab Tuburai das Zeug und winkte den Herren, daß sie ihr einige Glasperlen geben sollten. Sobald das Zeug und die Perlen auf den Flur gelegt waren, ging die Frau fort und kehrte nach Verlauf einer halben Stunde mit dem kleinen Fernrohr zurück und und drückte ihre Freude darüber mit eben der Stärke von Empfindung aus, wie es Tuburai unlängst getan hatte. Hierauf gab sie den Herren die Glasperlen zurück und beteuerte dabei, daß sie diese nicht annehmen könne. Mit ebensoviel Eifer wurde auch Dr. Solander das Stück Zeug als Genugtuung für das ihm zugefügte Unrecht aufgedrängt, und er mußte es schlechterdings annehmen. Dagegen bestand er nun seinerseits darauf, daß die Frau ein Geschenk von Glasperlen von ihm entgegennähme. Am folgenden Morgen kamen verschiedene von den Häuptlingen, die wir den Tag vorher besucht hatten, an Bord und brachten Schweine, Brotfrüchte und andere Erfrischungen mit, für die wir ihnen Beile, Leinwand und andere Dinge gaben, je nachdem ihnen dergleichen erwünscht schien. Da ich auf meinem gestrigen Spazierwege nach Westen keinen bequemeren Hafen gefunden hatte, als derjenige war, worin wir schon geankert hatten, nahm ich mir vor, an Land zu gehen und hier einen Platz aufzusuchen, den die Schiffskanonen bestreichen könnten. Dort wollte ich dann ein kleines Fort zu unserer Sicherheit aufwerfen und die nötigen Anstalten zu unsern astronomischen Beobachtungen treffen lassen. Ich nahm also eine Abteilung meiner Leute mit und ging in Begleitung der Herren Banks, Doktor Solander und des Astronomen Green an Land. Bald waren wir uns über die Wahl des Platzes, wo die Sternwarte aufgebaut werden sollte, einig und bestimmten einen Teil des sandigen Strandes auf der nordöstlichen Spitze der Bucht hierzu, weil diese Stelle für alle unsere Zwecke recht geeignet und von allen Wohnungen der Eingeborenen entfernt lag. Als wir den Grund, den wir besetzen wollten, abgesteckt hatten, wurde ein kleines, Banks gehöriges Zelt aufgeschlagen, das zu diesem Zwecke mit an Land genommen worden war. Währenddessen hatte sich eine große Menschenmenge um uns versammelt, vermutlich jedoch nur, um der Arbeit zuzusehen; denn keiner von ihnen allen hatte irgendeine Schußwaffe bei sich. Zur Vorsicht gab ich ihnen aber dennoch zu verstehen, daß keiner innerhalb der Linie, die ich gezogen hatte, kommen dürfe, ausgenommen zwei, davon einer ein vornehmer Mann zu sein schien, und der andere Auhaa war. An diese beiden wandte ich mich nun und bemühte mich, ihnen durch Zeichen zu verstehen zu geben, daß wir den Fleck, den wir abgesteckt hatten, nur für eine gewisse Anzahl von Nächten beanspruchen und dann wieder abreisen würden. Ich kann nicht bestimmt behaupten, ob sie mich verstanden. Das Volk führte sich aber so ehrerbietig und gefällig auf, daß wir uns darüber freuten und verwunderten. Sie setzten sich ganz friedfertig außerhalb des Kreises nieder und sahen uns zu, ohne uns im geringsten zu stören, obgleich es länger als zwei Stunden dauerte, bis wir fertig waren. [Illustration: Die meisten fielen zu Boden, als wären sie selbst vom Schusse getroffen worden.] Da wir bei dem ersten Spaziergang nach unserer Landung gar kein Federvieh und nicht mehr als zwei Schweine gesehen hatten, so vermuteten wir, daß man die Tiere bei unserer Ankunft weiter landeinwärts getrieben haben möchte. Dieser Verdacht wurde dadurch noch bestätigt, daß uns Auhaa angelegentlichst bat, nicht in den Wald zu gehen. Aber gerade deswegen wollten wir es tun. Wir ließen also 13 Soldaten und einen Unteroffizier zur Bewachung des Zeltes zurück und traten in Begleitung einer großen Menge Eingeborener unsern Weg an. Als wir auf dem Marsche einen kleinen Fluß überschritten, ließen sich einige Enten sehen, und sobald Banks hinübergekommen war, schoß er auf sie und traf drei Stück. Das jagte den Eingeborenen einen solchen Schrecken ein, daß die meisten unter ihnen plötzlich zu Boden fielen, als wären sie selbst von dem Schuß getroffen worden. Doch erholten sie sich bald wieder von ihrer Bestürzung, und wir konnten unseren Marsch fortsetzen. Wir waren indessen noch nicht weit gekommen, als wir über den Knall zweier Musketen erschraken, die von niemand anders als von der Zeltwache abgefeuert sein konnten. Wir gingen gerade ziemlich zerstreut und vereinzelt, Auhaa rief uns aber augenblicklich zusammen und winkte den nachfolgenden Insulanern mit der Hand, sie sollten sich hinwegbegeben bis auf drei. Von diesen brach jeder vom nächsten Baume einen Zweig ab und überreichte ihn uns zum Zeichen des Friedens, den ihre Partei einhalten wollte, und vermutlich auch um uns zu bitten, daß wir ebenfalls Frieden halten möchten. Wir hatten leider nur zu viel Ursache, zu vermuten, daß sich etwas zugetragen hatte, und eilten deshalb so schnell als möglich zu dem Zelte zurück, von dem wir nicht mehr als ein halbes Kilometer entfernt sein konnten. Als wir bei dem Zelte ankamen, sahen wir von der ganzen Menge Insulaner, die dagewesen war, nicht einen einzigen mehr, unsre eigenen Leute aber waren vor dem Zelte versammelt. Wir erfuhren nun, daß einer der Eingeborenen einen günstigen Augenblick abgepaßt, die Schildwache unversehens überfallen und ihr die Muskete aus der Hand gerissen habe. Hierauf hatte der Führer der Wache, ein Unteroffizier, zu feuern befohlen, vielleicht weil er in der ersten Bestürzung fürchtete, daß es zu größeren Gewalttätigkeiten kommen würde, vielleicht aber auch bloß aus mutwilligem Mißbrauche seiner erst vor kurzem erlangten Kommandogewalt, vielleicht endlich aus angeborener Grausamkeit. Die Mannschaft war ebenso unbedacht oder ebenso unmenschlich als ihr Befehlshaber und feuerte augenblicklich in den dicksten Haufen der fliehenden Menge, die aus mehr als hundert Menschen bestand. Sie begnügte sich auch nicht damit, jene verjagt zu haben, sondern als sie sah, daß der Dieb nicht getroffen war, verfolgten die Soldaten ihn besonders und erschossen ihn. Wir erfuhren nachher, daß zum Glück von den andern Eingeborenen kein einziger getötet oder verwundet worden war. Als Auhaa, der uns die ganze Zeit über zur Seite geblieben war, sah, daß wir nun gänzlich verlassen waren, brachte er einige wenige der Flüchtlinge, freilich nicht ohne Mühe, wieder zusammen und stellte sie um uns her. Wir suchten unsere Leute so gut als möglich zu rechtfertigen, und bemühten uns, den Eingeborenen durch Zeichen klarzumachen, daß wir ihnen, wenn sie uns kein Unrecht täten, auch unsrerseits kein Leid zufügen würden. Nachdem wir uns derart, so gut es eben möglich war, gerechtfertigt hatten, verließen sie uns ohne das geringste Zeichen von Mißtrauen oder Rachgier. Wir brachen hierauf unsre Zelte ab und kehrten ziemlich mißvergnügt über den unglücklichen Vorfall an Bord zurück. Dort verhörten wir unsere Leute umständlicher, und sie merkten wohl, daß wir ihr Betragen keineswegs billigten. Sie wandten indessen ein, daß die Schildwache, der das Gewehr entrissen worden sei, gewalttätig angefallen und zu Boden geworfen worden sei, und daß der Mann, der die Flinte genommen hatte, nachher noch einen Stoß nach der Wache geführt habe, worauf erst der Unteroffizier Befehl zum Feuern erteilt habe. Am folgenden Morgen sah man nur wenige Eingeborene am Strande, und kein einziger kam zu uns an Bord. Das war mir Beweis genug dafür, daß unser Bestreben, die Insulaner zu beruhigen, vergeblich gewesen, und es ging uns wirklich nahe, daß selbst Auhaa, der uns bisher stets unveränderliche Ergebenheit bewiesen und sich so sehr um die Wiederherstellung des Friedens bemüht hatte, seit dem Vorfall auch nicht mehr zu uns kam. Da die Dinge nun ziemlich übel lagen, ließ ich die »Endeavour« näher an die Küste ziehen und legte sie so vor Anker, daß sie mit den Geschützen den ganzen nordöstlichen Teil der Insel und besonders den Platz bestreichen konnte, den ich zur Erbauung des Forts abgesteckt hatte. Am Abend ging ich indessen dennoch an Land, nahm jedoch außer einigen Herren unsrer Gesellschaft niemand als die zur Bemannung des Boots gehörigen Leute mit. Die Eingeborenen versammelten sich wie früher wieder um uns her, doch erschienen sie nur in geringer Zahl. Sie verhandelten uns Kokosnüsse und andere Früchte und gaben sich dabei allem Anschein nach ebenso freundlich wie zuvor. Am nächsten Vormittage statteten uns die beiden freundschaftlich gesinnten Häuptlinge, die wir im westlichen Gebiet der Insel besucht hatten, Tuburai Tamaide und Tutaha, an Bord einen Gegenbesuch ab. Sie brachten uns als Friedenszeichen nicht Zweige, sondern zwei ganze, aber junge Bananenpflanzen mit, und weil sie vermutlich über den Vorfall am Zelte Besorgnis hegten, wollten sie sich nicht eher an Bord wagen, als bis wir das Friedenssymbol angenommen hatten. Jeder von ihnen brachte noch außerdem, um sich bei uns wieder in Gunst zu setzen, Geschenke mit, die in einem Vorrat von Brotfrucht und in einem fertig zubereiteten Schwein bestanden. Letzteres war uns um so angenehmer, weil Schweine nicht immer zu haben waren. Wir gaben also jedem unserer vornehmen Freunde ein Beil und einen Nagel zum Gegengeschenk. Am Abend gingen wir an Land und schlugen ein Zelt auf, worin der Astronom und ich die Nacht zubrachten, um eine Verfinsterung des ersten Jupitertrabanten zu beobachten; weil aber das Wetter trübe war, wurde nichts aus der Beobachtung. Am 18. April ging ich bei Tagesanbruch mit so vielen Leuten, als wir im Schiffe nur entbehren konnten, an Land und fing an, das Fort erbauen zu lassen. Die einen warfen Verschanzungen auf, die anderen fällten Pfosten und Faschinen, und die Eingeborenen, die sich bald wie früher um uns her versammelt hatten, waren soweit davon entfernt, uns in unserer Arbeit zu stören, daß im Gegenteil viele von ihnen freiwilligen Beistand leisteten und die Pfosten und Faschinen aus dem Walde, wo sie gehauen worden waren, sehr dienstfertig herbeitrugen. Indessen hatten wir auch die Vorsicht walten lassen, ohne ihre Einwilligung nichts von ihrem Eigentum anzutasten, und hatten ihnen jeden Stamm, soviel wir deren zu unserm Vorhaben brauchten, ordentlich abgekauft, auch keinen Stamm gefällt, ohne daß sie uns Erlaubnis dazu gegeben hatten. Der Boden, auf dem wir unser Fort errichteten, war sandig. Wir waren also genötigt, die Schanzen durch Holz zu verstärken. Drei Seiten sollten auf diese Art befestigt werden, die vierte stieß an einen Fluß, an dessen Ufer ich die Befestigung durch Aufstellung einer gehörigen Anzahl von Wasserfässern sichern wollte. An diesem Tage ließen wir dem Schiffsvolk zum ersten Male Schweinefleisch reichen, und die Insulaner brachten uns so viele Brotfrucht und Kokosnüsse, daß wir einen Teil davon zurücksenden und durch Zeichen andeuten mußten, wir würden auf die zwei folgenden Tage keine mehr brauchen. An diesem Tage wurde alles gegen Glasperlen eingehandelt. Für eine einzige erbsengroße Perle gaben sie uns fünf bis sechs Kokosnüsse und ebenso viele Brotfrüchte. Banks' Zelt wurde noch vor der Nacht innerhalb der Festungswerke aufgeschlagen, und er schlief zum ersten Male am Lande. Ringsherum wurden Schildwachen ausgestellt, jedoch die ganze Nacht über versuchte es keiner der Insulaner, sich zu nähern. Am folgenden Morgen stattete unser Freund Tuburai Tamaide Herrn Banks im Zelt einen Besuch ab und brachte nicht nur seine Gemahlin und Familie, sondern auch das Dach eines Hauses, allerhand Bau-, Hausgeräte und Werkzeug mit. Soweit wir ihn verstehen konnten, war er willens, seine Residenz in unserer Nähe aufzuschlagen. Dieser Beweis seiner Zuneigung und Gewogenheit machte uns große Freude, und wir nahmen uns vor, seine Freundschaft möglichst zu befestigen. Bald nach seiner Ankunft nahm er Banks bei der Hand, führte ihn aus der Verschanzung hinaus und gab ihm zu verstehen, daß er mit ihm in den Wald gehen möchte. Als sie ungefähr ein Kilometer miteinander gegangen waren, langten sie bei einer Art von Wetterdach an, das der Häuptling bereits hatte erbauen lassen und zu seiner einstweiligen Wohnung bestimmt zu haben schien. Hier wickelte er ein Bündel Rindenstoff auseinander, nahm zwei Kleider, das eine aus rotem Zeuge, das andere aus sehr hübschen Matten, kleidete Banks darein und führte ihn alsdann ohne weitere Zeremonie zum Zelt zurück. Bald nachher brachten ihm seine Bedienten etwas Schweinefleisch und Brotfrucht; er machte sich über diese Gerichte her und tauchte dabei das Fleisch in Seewasser, das ihm statt der Brühe diente. Nach der Mahlzeit legte er sich auf Banks' Bett und schlief ungefähr eine Stunde lang. Des Nachmittags brachte seine Gemahlin Tomio einen schön gebildeten Jüngling von ungefähr 22 Jahren zum Zelte, beide schienen ihn als ihren Sohn zu betrachten, wir erfuhren aber nachmals, daß er es nicht war. Am Abend kehrte dieser Jüngling und eine andere Standesperson, die uns ebenfalls einen Besuch abgestattet hatte, nach Westen hin zurück. Tuburai Tamaide und seine Gemahlin hingegen verfügten sich nach ihrem im Walde gelegenen Wetterdache. Der Schiffsarzt hatte an diesem Abend einen Spaziergang gemacht und erzählte uns bei seiner Rückkehr, daß er den Leichnam des am Zelte erschossenen Mannes gefunden habe, den man -- wie er berichtete -- in Rindenzeug gewickelt und auf eine Art von Bahre gelegt hatte, die auf Pfosten ruhte und oben ein Dach trug. Bei dem Körper lagen einige Waffen und andere Dinge, die er gern genauer untersucht hätte, wenn der Leichnam nicht bereits einen so unerträglichen Geruch verbreitet hätte. Er sagte, er habe auch zwei andre »Särge« derselben Art gesehen, in deren einem die Gebeine eines menschlichen Körpers gewesen wären und sehr lange dagelegen haben mußten, weil sie ganz ausgetrocknet waren. Wir erfuhren später, daß dies auf Tahiti die gewöhnliche Art ist, die Toten zu bestatten. Man fing nunmehr an, eine Art von Markt zu halten. Der Platz war hart am Fort gelegen, und wir wurden mit allem reichlich versehen, ausgenommen Schweinefleisch, das sehr selten blieb. Tuburai Tamaide war unser beständiger Gast und ahmte unsere Gewohnheiten so eifrig nach, daß er sich sogar eines Messers und einer Gabel bediente, die er bald mit ziemlicher Geschicklichkeit handhabte. Inzwischen hatte Monkhouse durch seine Beschreibung von dem Orte, wo der erschossene Mann beigesetzt war, meine Neugier rege gemacht; ich suchte also Gelegenheit, mit einigen anderen hinzugehen und selbst den Begräbnisplatz zu besichtigen. Wir gelangten endlich an unser Ziel. Der Schuppen, unter dem der Leichnam lag, war dicht neben dem Hause, worin der Mann bei Lebzeiten gewohnt hatte, aufgebaut. Noch andere ähnliche Begräbnisstätten lagen nur 3 Meter davon ab. Der Schuppen selbst war ungefähr 4½ Meter lang, etwa 3 Meter breit und von verhältnismäßiger Höhe. Das eine Ende war ganz offen, das andere sowie die beiden Seiten waren zum Teil mit einer Art von geflochtenem Zaun umgeben. Die Bahre, auf der der Leichnam lag, war eine Art von hölzernem Kasten. Der Boden dieses Behältnisses war mit Matten belegt und ruhte auf vier Pfosten ungefähr anderthalb Meter über der Erde. Der Leichnam selbst war mit einer Matte und über dieser mit einem weißen Tuch bedeckt. Neben dem Körper lag eine hölzerne Keule, eines von ihren Kriegswerkzeugen, und zu Häupten des Toten standen 2 Kokosnußschalen, wie sie auf diesen Inseln bisweilen als Trinkgeschirre dienen. Am anderen Ende war ein Bündel grüner Blätter an einige dürre Zweige gebunden und in die Erde gesteckt. Daneben lag ein Stein, der ungefähr die Größe einer Kokosnuß haben mochte, und etwas weiter weg hatten sie eine junge Banane, deren man sich, wie geschildert, als Friedenssymbol bedient, eingesetzt; daneben lag eine steinerne Axt. Am offenen Ende des Schuppens hing eine große Menge aufgereihter Palmnüsse. Außerhalb war der Stamm einer ungefähr anderthalb Meter hohen Bananenpflanze aufrecht in den Boden gesteckt und auf dem oberen Ende eine Kokosnußschale voll frischen Wassers befestigt. An dem einen von vier Pfosten hing ein kleiner Sack, in dem wir einige Stücke gerösteter Brotfrucht fanden, die nach und nach hineingelegt sein mochten; denn einige davon waren noch frisch, andere schon älter. Ich bemerkte, daß verschiedene von den Eingeborenen uns mit einer Miene beobachteten, die zugleich Besorgnis und Feindseligkeit verriet. Als wir uns dem Leichnam näherten, sah man es ihnen an, daß sie darüber in Verlegenheit waren; auch blieben sie die ganze Zeit über, in der wir unsere Beobachtungen anstellten, in geringer Entfernung von uns stehen und schienen recht froh zu sein, als wir endlich wieder weggingen. Unser Aufenthalt am Lande wäre gar nicht unangenehm gewesen, wenn wir nur nicht unaufhörlich von den Fliegen wären gequält worden. Unter anderem hinderten sie den Maler Parkinson fast gänzlich an seiner Arbeit. Denn sie bedeckten nicht nur den Gegenstand, den er abmalen wollte, so sehr, daß man ihn nicht mehr erkennen konnte, sondern sie fraßen sogar die Farbe vom Papier ebenso geschwind weg, als er sie auftragen konnte. Wir nahmen deshalb unsere Zuflucht zu den Moskitonetzen und Fliegenbeizen; diese machten zwar der größten Beschwerlichkeit ein Ende, halfen ihr aber doch bei weitem nicht ab. Am 22. gab Tutaha uns eine Probe von der Musik dieses Landes. Vier Personen spielten auf Flöten, die nur zwei Tonlöcher hatten, und folglich mit halben Tönen nur vier Noten angeben konnten. Sie wurden wie unsere Querflöten geblasen, nur daß der Tonkünstler, anstatt sie an den Mund zu halten, mit dem einen Nasenloche hineinblies, während er das andere mit dem Daumen zuhielt. Zu diesem Instrument sangen vier andere Personen und beobachteten den Takt sehr genau; während des ganzen Konzertes wurde jedoch immer nur ein und dieselbe Melodie gespielt. Verschiedene Eingeborene brachten uns Äxte, die sie von der Mannschaft des »Delphins« bekommen hatten, und ersuchten uns, sie zu schleifen und auszubessern. Unter diesen Äxten befand sich auch eine, die uns viel Kopfzerbrechen machte, weil sie französische Arbeit zu sein schien. Nach langem Nachforschen erfuhren wir, daß nach der Abreise des »Delphin« und vor unserer Ankunft ein Schiff hier gewesen wäre. Damals vermuteten wir, daß es Spanier gewesen sein mochten; jetzt aber wissen wir, daß es die »Boudeuse« unter dem Befehl des französischen Entdeckers Bougainville gewesen war. Am 24. nahmen Banks und Dr. Solander das Land verschiedene Kilometer weit längs der Küste gegen Osten hin in Augenschein. Ungefähr 2 Kilometer weit war es flach und fruchtbar. Von da an erstreckten sich die Gebirge bis hart an die Küste. Ein wenig weiterhin liefen sie sogar ganz in die See hinaus, so daß man, um weiter fortzukommen, sie übersteigen mußte. Diese unfruchtbaren Berge reichten noch ungefähr 3 Kilometer weiter und fielen dann zu einer großen Ebene ab, übersäet mit Hütten, deren Bewohner in großem Überfluß zu leben schienen. Als unsere Spaziergänger eben den Rückweg antreten wollten, nahte sich einer von den Eingeborenen und bot ihnen Erfrischungen dar, die sie sich auch gefallen ließen. Sie fanden, daß dieser Mann zu einer Art von Menschen gehörte, die von verschiedenen Schriftstellern beschrieben worden sind und nach deren Zeugnis unter vielen Völkern zerstreut angetroffen werden. Seine Haut war blaßweiß, ganz ohne Fleischfarbe und gewissermaßen leichenfarbig. Das Haar, die Augenbrauen und der Bart waren ebenfalls weiß. Die Augen schienen mit Blut unterlaufen, er selbst schien kurzsichtig zu sein. Solche Leute nennt man Albinos. Bei ihrer Rückkehr begegnete ihnen Tuburai Tamaide mit seinen Frauen, und diese empfanden bei dem Anblick unsrer Herren solche Freude, daß sie diese in Ermangelung eines andern Ausdrucks durch Tränen zu erkennen gaben und eine Zeitlang weinten, ehe sie ihre Leidenschaft mäßigen konnten. Am Abend lieh Dr. Solander einer dieser Frauen sein Taschenmesser, bekam es aber nicht wieder, und den folgenden Morgen vermißte auch Banks das seine. Bei dieser Gelegenheit muß ich allen Ständen und beiden Geschlechtern dieses Volkes das Zeugnis ausstellen, daß sie die größten Diebe auf Erden sind. Gleich am ersten Tage, als wir hier angekommen waren, und sie also zum ersten Male an Bord kamen, waren die Vornehmsten unter ihnen schon geschäftig, alles, was sie nur bekommen konnten, aus der Kajüte zu stehlen, und ihre Untergebenen waren an anderen Stellen des Schiffs nicht weniger emsig. Sie nahmen alles, was sie einigermaßen verbergen konnten, bis sie an Land kamen, und sogar die Glasscheiben der Fenster waren nicht sicher vor ihnen; denn sie nahmen gleich das erstemal zwei davon mit sich. Außer Tutaha war Tuburai Tamaide der einzige, der dieses Lasters nicht schuldig befunden wurde. Jetzt nun, als Banks' Messer abhanden gekommen war, erschien auch Tuburais Ehrlichkeit fragwürdig, und Banks beschuldigte ihn daher, so leid es ihm auch tat, ihm das Messer entwendet zu haben. Tuburai leugnete es feierlich und blieb dabei, daß er nicht das geringste davon wisse. Banks dagegen erklärte, daß er das Messer wieder haben wolle, möchte nun er oder ein anderer es genommen haben. Das war ziemlich deutlich gesprochen und hatte die gewünschte Wirkung. Einer von den Anwesenden nämlich zog auf ein Wort des Häuptlings einen Lumpen hervor, in dem drei Messer sehr sorgfältig eingewickelt waren. Eines davon war jenes, das Dr. Solander der Frau geliehen hatte, das zweite war eines von meinen Tischmessern; wem das dritte gehören mochte, wußten wir nicht. Mit diesen Messern eilte Tuburai augenblicklich nach dem Zelte, um sie ihren Eigentümern zurückzuerstatten. Banks blieb unterdessen bei den Frauen, die sehr besorgt zu sein schienen, daß ihrem Herrn und Gebieter ein Leids geschehen möchte. Als er an unser Zelt kam, gab er das eine Messer Dr. Solander, das andere mir zurück. Zu dem dritten wollte sich der Eigentümer nicht finden lassen. Darauf fing er an, Banks' Messer in allen Ecken und in allen Winkeln zu suchen, wo er es nur jemals hatte liegen sehen. Nach einiger Zeit merkte einer von Banks' Bedienten, wonach der Insulaner suchte, und holte sogleich das Messer seines Herrn herbei, das er den Tag zuvor weggelegt hatte, und von dem er bis zum Augenblick nicht gewußt hatte, daß es vermißt werde. Als der gute Tuburai Tamaide gerechtfertigt und in seiner Unschuld erkannt war, geriet er in die äußerste Erregung, die er in Blicken und Gebärden zum Ausdruck bringen mußte: die Tränen schossen ihm in die Augen, und er machte Zeichen mit dem Messer, daß, wenn er jemals einer solchen Tat, wie man sie ihm eben habe aufbürden wollen, schuldig erfunden würde, er sich die Kehle wolle abschneiden lassen. Hierauf rannte er aus dem Fort und hin zu Banks mit einer Miene, die diesem seinen Argwohn streng verwies. Banks erfuhr bald, daß sein Bedienter das Messer an sich genommen hatte, und nun kränkte es ihn ebensosehr, dem guten Tuburai Unrecht getan zu haben, als jenem der unverdiente Vorwurf nahegegangen war. Er fühlte sich schuldig und wünschte sehr, seine Übereilung wieder gutzumachen. Doch so heftig auch die Leidenschaft des verdächtigten Häuptlings war, neigte er doch nicht zu heimlichem Grolle, und als Banks wieder ein wenig vertraulich gegen ihn getan und ihm einige Geschenke gemacht hatte, war die Beleidigung vergessen und Tuburai wieder vollkommen ausgesöhnt. Am nächsten Tage pflanzte ich sechs Drehkanonen auf das Fort und sah mit Bedauern, daß die Eingeborenen darüber in Besorgnis gerieten. Einige Fischerleute, die auf der Landspitze des Hafens wohnten, zogen weiter weg, und Auhaa gab uns durch Zeichen zu verstehen, wir würden in Zeit von vier Tagen große Kanonen abfeuern. Am 27. April speiste Tuburai mit einem seiner Freunde und mit den drei Frauen, die ihn zu begleiten pflegten, zu Mittag bei uns im Fort. Wie ich bei dieser Gelegenheit erfuhr, hießen die drei Frauen Terapo, Teirao und Omeia. Der gute Freund aber, den er mitbrachte, bewies sich bei der Mahlzeit so gefräßig, wie ich dergleichen noch nie gesehen hatte. Am Abend nahmen sie Abschied und gingen nach dem Hause, das Tuburai am äußersten Teile des Waldes hatte aufrichten lassen. Nach kaum einer Viertelstunde kam der Häuptling sehr entrüstet zurück, ergriff Banks hastig am Arme und gab ihm durch Zeichen zu verstehen, daß er ihm folgen solle. Banks tat es sogleich, und sie gelangten bald an einen Ort, wo sie den Schiffsfleischer mit einer Sichel in der Hand stehen sahen. Hier hielt Tuburai an und meldete ihm mit so unmäßiger Wut, daß man seine Zeichen kaum verstehen konnte, der Fleischer habe gedroht oder gar versucht, seiner Gattin mit der Sichel die Kehle abzuschneiden. Banks bedeutete ihm hierauf, daß, wenn er die Wahrheit seiner Anklage erweisen könnte, der Mann dafür gestraft werden solle. Das besänftigte ihn, und er gab Banks zu verstehen, wie sich die Sache zugetragen hatte. Der Verbrecher habe nämlich Lust nach einem steinernen Beile bekommen, das im Hause gelegen hätte. Dieses Beil habe er seiner Gattin für einen Nagel abkaufen wollen; da sie aber geäußert hätte, daß es ihr um keinen Preis feil sei, so habe er es weggenommen, ihr den Nagel hingeworfen und gedroht, daß er ihr die Kehle abschneiden würde, wenn sie sich etwa widersetzte. Zum Beweise dafür wurden Beil und Nagel vorgezeigt, und der Fleischer konnte dagegen so wenig zu seiner Verteidigung vorbringen, daß man keine Ursache hatte, an der Wahrheit der Beschuldigung zu zweifeln. Banks berichtete mir diesen Vorfall. Als Tuburai kurz danach mit seinen Frauen und anderen Insulanern an Bord des Schiffes war, ließ ich den Fleischer auf Verdeck rufen, die Anklage und der Beweis wurden dem Verbrecher vorgehalten, und um anderen ähnlichen Vergehen vorzubeugen, wie auch Banks' Versprechen zu erfüllen, befahl ich, daß der Kerl abgestraft werden sollte. Die Eingeborenen sahen mit ernster Aufmerksamkeit zu, wie er entkleidet und an die Wand gebunden wurde, und erwarteten stillschweigend den Ausgang. Sobald man ihm aber den ersten Streich gegeben hatte, legten sie sich ins Mittel und baten aufs angelegentlichste, daß ihm der Rest der Strafe erlassen werden möchte. Hierein konnte ich aber aus verschiedenen Gründen nicht willigen. Und als sie endlich sahen, daß sie mit ihren Fürbitten nichts erreichten, bezeugten sie ihr Mitleid durch Tränen. [Illustration: Der Bootsmann erkannte die Königin sogleich wieder.] Sie waren in der Tat so wie Kinder gleich zu Tränen geneigt, wenn eine oder die andere Leidenschaft heftig in ihnen aufstieg; und ihre Tränen schienen auch wie der Kinder Tränen ebenso leicht vergossen als vergessen zu sein. Hiervon mag folgender Vorfall Zeugnis geben: Am 28. des Morgens sehr frühe, noch vor Anbruch des Tages, kam eine große Anzahl Eingeborener zum Fort, und da man unter anderen Frauen auch die Terapo außerhalb des Tores stehen sah, ging Banks hinaus und führte sie herein. Er bemerkte, daß ihr Tränen in den Augen standen, und sobald sie hereinkam, brach sie in lautes Weinen aus. Er erkundigte sich eifrig nach der Ursache ihrer Betrübnis. Allein, statt ihm zu antworten, zog sie unter ihrem Kleide einen Seehundszahn hervor und stieß sich diesen sechs- oder siebenmal so heftig in den Kopf, daß das Blut mit Gewalt herabströmte. Sie redete dabei sehr laut in einem höchst traurigen Tone einige Minuten lang fort, ohne im geringsten auf seine Fragen zu achten, die er noch dringender als zuvor wiederholte, wobei er ihr sein Mitleid immer mehr bezeugte. Die andern Insulaner hingegen plauderten und lachten die ganze Zeit über, ohne sich im geringsten an ihren Jammer zu kehren. Das kam Banks sehr seltsam vor; ihr eigenes Betragen war jedoch noch sonderbarer. Sobald das Blut zu fließen begann, sah sie mit lächelnder Miene auf und begann, einige kleine Streifen Zeug aufzulesen, die sie vorher hingeworfen hatte, um das Blut aufzufangen. Sobald sie alle aufgehoben hatte, ging sie aus dem Zelte weg und warf die Fetzen mit vieler Sorgfalt in die See, als ob sie gleichsam verhindern wollte, daß ihr Anblick die Erinnerung an den Anlaß ihrer Traurigkeit erneuern sollte. Hierauf sprang sie in den Fluß, wusch sich und kehrte dann so aufgeräumt und munter nach dem Zelte zurück, als ob ihr nicht das geringste widerfahren sei. Den ganzen Vormittag über langten beständig Kanus an, und die Zelte im Fort wimmelten von Leuten beiderlei Geschlechts, die aus verschiedenen Gegenden der Insel hergekommen waren. Da ich selbst an Bord des Schiffes zu tun hatte, ging mein Bootsmann, der die letzte Reise an Bord des »Delphin« mitgemacht hatte, an Land. Sobald er in Banks' Zelt trat, fiel ihm eine Frau auf, die sehr gelassen unter den anderen dasaß. Er hatte sie kaum recht angeblickt, so erkannte er sie wieder und behauptete, daß es dieselbe Dame sei, die man damals für die Königin der Insel gehalten habe. Sie bestätigte ihrerseits gleichfalls, daß er einer von den Fremden sei, die sie früher schon gesehen habe. Nunmehr sah alles auf diese Dame, die nach dem Zeugnis der Entdecker dieser Insel eine so große Rolle gespielt hatte. Wir erfuhren bald, daß sie Oberea hieß; sie schien ungefähr 40 Jahre alt zu sein und war von großer Statur. Ihre Haut war sehr hell, und in ihrem Blick lag etwas ungemein Geistreiches und Empfindsames. Sie schien in ihrer Jugend schön gewesen zu sein. Jetzt aber waren nur noch einige Reste dieser ehemaligen Schönheit zu sehen. Sobald man ihren Rang wußte, erbot man sich, sie an Bord des Schiffes zu bringen. Sie nahm dieses Anerbieten mit Vergnügen an und kam mit zwei Männern und verschiedenen Frauen, die insgesamt zu ihrer Familie zu gehören schienen, an Bord. Ich empfing sie mit allen den Ehren, die ihr meinem Erachten nach schmeicheln konnten, und überhäufte sie mit Geschenken, von denen dieser durchlauchtigsten Dame eine Kinderpuppe am besten zu gefallen schien. Als sie eine kleine Weile an Bord zugebracht hatte, begleitete ich sie an Land zurück. Sobald wir dort ankamen, machte sie mir ein Geschenk von einem Schweine und verschiedenen Bündeln Bananen, die sie von ihren Kanus zu unserm Boote vor uns her in einer Art von Prozession tragen ließ. Auf unserem Wege zum Fort begegneten wir dem Tutaha, der zwar nicht König war, aber damals doch mit der höchsten Gewalt bekleidet sein mußte. Es schien ihm gar nicht zu gefallen, daß wir der Oberea so viele Ehren erwiesen; und als sie vollends ihre Puppe hervorzog, wurde er so eifersüchtig, daß ich, um ihn zu versöhnen, es für ratsam hielt, auch ihm eine zu schenken. Die Männer, die uns von Zeit zu Zeit besuchten, pflegten ohne das geringste Bedenken von unseren Speisen zu essen. Die Frauen hingegen hatte man noch niemals bewegen können, einen Bissen zu kosten. Auch an diesem Tage drangen wir in sie, daß sie mit uns speisen möchten; sie lehnten es zwar wie gewöhnlich ab, verfügten sich aber nachher in das Zimmer der Bedienten und ließen sich hier die Bananen sehr wohl schmecken. Diese Seltsamkeit im Betragen des schönen Geschlechts war uns ein unauflösliches Rätsel. Am nächsten Abend stattete Banks dem Tuburai Tamaide, wie er bereits oft getan hatte, bei Licht einen Besuch ab, fand aber zu seinem Bedauern und zu seiner Befremdung, daß der Häuptling und seine ganze Familie sehr betrübt und die meisten weinend dasaßen. Banks bemühte sich vergebens, die Ursache ihrer Traurigkeit zu entdecken, und hielt sich deshalb nicht lange bei ihnen auf, sondern kehrte zum Fort zurück. Als er den Offizieren erzählte, was er gesehen habe, erinnerten sich diese, daß Auhaa ihnen vorausgesagt hatte, wir würden innerhalb von vier Tagen unser großes Geschütz abfeuern, und da von diesem Termin eben der dritte Tag zu Ende ging, erschraken sie über diesen Umstand und gerieten auf den Verdacht, daß uns von seiten der Eingeborenen vielleicht irgendein Unheil bevorstehe. Die Schildwachen im Fort wurden daher verdoppelt, und die Offiziere selber schliefen unter Waffen. Um 2 Uhr des Morgens stand Banks auf und wollte in eigener Person die Gegend untersuchen. Er ging um die Landspitze herum, fand aber alles so ruhig, daß er jeden Verdacht eines Überfalles als unbegründet fahren ließ. Doch wir hatten nunmehr noch einen andern Grund, uns sicher zu fühlen; denn unser Festungsbau war beendet. Die nördliche und südliche Seite bestanden aus einem Erdwall, der innen fast 2 Meter hoch und mit einem 3 Meter breiten und 2 Meter tiefen Graben umgeben war. Die westliche Seite, die der Bucht gegenüber lag, hatte ich mit einem Erdwall versehen lassen, der etwa 1½ Meter hoch und mit Palisaden gesichert, aber durch keinen Graben verstärkt war, weil zur Flutzeit die See bis an das Fort selbst heranspülte. An die östliche Seite, die ans Flußufer stieß, waren zwei Reihen gefüllter Wasserfässer gestellt. Und weil diese die schwächste Seite war, ließ ich zwei 4-pfündige Kanonen und 6 Drehbassen dahinbringen und diese so aufpflanzen, daß sie die zwei einzigen Zugänge aus den Wäldern her bestreichen konnten. Die Offiziere und die am Lande wohnenden Herren mit eingerechnet, bestand unsere Besatzung aus 45 Mann, die sämtlich mit Schußwaffen wohlversehen waren, und unsere Schildwachen wurden ebenso regelmäßig abgelöst, als in der wachsamsten Grenzfestung von Europa möglich gewesen wäre. Obgleich unser Verdacht sich gelegt hatte, setzten wir unsere Wachsamkeit doch den ganzen folgenden Tag über fort. Um 10 Uhr des Morgens kam Tomio mit furchtsamer und trauriger Miene zum Zelt gelaufen, nahm Banks, an den sie sich in jeder Verlegenheit und Not zu wenden pflegte, am Arm und gab ihm zu verstehen, daß Tuburai an etwas, das unsere Leute ihm gegeben hätten, sterben wolle; er möchte also unverzüglich mit ihr kommen. Banks ging mit ihr und fand seinen braunen Freund äußerst schwach und niedergeschlagen, den Kopf hatte er an einen Pfosten gelehnt. Die Leute, die um ihn herum standen, berichteten, daß er sich erbrochen habe, und brachten ein sehr sorgfältig eingewickeltes Blatt herbei, das ihrer Aussage nach etwas von dem Gift enthielte, an dessen zerstörenden Wirkungen er nun sterben müsse. Banks öffnete eiligst das Blatt und fand darin etwas Kautabak, den Tuburai sich von einigen unserer Leute ausgebeten, und den ihm diese auch unbesonnenerweise gegeben hatten. Er mußte beobachtet haben, daß sie den Tabak lange im Munde zu behalten pflegten, und da er es ihnen vermutlich gleichtun wollte, so hatte er ihn lieber ganz klein gekaut und mit dem Speichel hinuntergeschluckt. Während Banks das Blatt betrachtete und den Inhalt untersuchte, sah ihn jeder mit der erbärmlichsten Miene an, als wollte er sagen: es ist vorbei. Sobald indessen Banks die Ursache und den Zustand der Krankheit erkannt hatte, verordnete er dem Häuptling reichlich Kokosmilch, und dieses Getränk machte denn auch der Krankheit und Todesahnung bald ein Ende. Da Kapitän Wallis eines von den Beilen nach England gebracht hatte, die diese Südsee-Insulaner in Ermangelung jeglichen Metalls aus Stein verfertigen, hatte der Sekretär der Admiralität nach diesem Muster eines aus Eisen anfertigen lassen und mir auf die Reise mitgegeben, um den Eingeborenen zu zeigen, wie sehr wir sie in der Verfertigung von Werkzeugen auch nach ihrer eigenen Landesart überträfen. Dieses Beil hatte ich noch niemals vorgezeigt, weil es mir seit meinem Hiersein noch gar nicht eingefallen war. Als nun Tutaha eines Morgens an Bord kam, äußerte er große Begierde, zu sehen, was in jeder Kiste und jeder Schublade meiner Kajüte wäre. Da ich ihm nun allezeit soviel als möglich gefällig zu sein versuchte, schloß ich ihm einen Behälter nach dem anderen auf. Er bekam Lust zu vielen Dingen, die er sah, und las sie zusammen. Als er aber zuletzt die Augen auf dieses Beil warf, ergriff er es mit der größten Begierde, legte alles, was er vorher zusammengelesen hatte, weg und fragte mich, ob ich ihm dieses geben wolle. Ich willigte gern ein, und als hätte er besorgt, es möchte mich vielleicht gereuen, machte er sich vor Freude im Augenblick damit fort, ohne sich noch mehr auszubitten, wie er es sonst zu tun pflegte, wenn man ihn gleich noch so freigebig beschenkt hatte. Am Mittag des 1. Mai kam ein anderer von den Anführern, der wenige Tage vorher in Gesellschaft einiger seiner Frauen mit mir gespeist hatte, allein an Bord. Ich hatte beobachtet, daß er sich bei der Mahlzeit von seinen Frauen regelrecht füttern ließ, doch hoffte ich, daß er sich diesmal wohl dazu bequemen würde, selbst zuzulangen. Darin aber hatte ich mich geirrt. Als die Mahlzeit aufgetragen war und mein vornehmer Gast Platz genommen hatte, legte ich ihm einige Speisen vor; er aber saß unbeweglich und wollte nicht essen. Ich nötigte ihn also, zuzulangen, er blieb aber immer noch unbeweglich wie eine Bildsäule, ohne auch nur Miene zu machen, einen Bissen zu kosten. Ich glaube wahrhaftig, er wäre ohne zu essen weggegangen, wenn ich nicht die Ursache seines Betragens erraten und einen von meinen Bedienten beauftragt hätte, ihm die Bissen in den Mund zu stecken. [Illustration: Der Bediente mußte dem Häuptling die Bissen in den Mund stecken.] Am Nachmittag legten wir die Sternwarte an und nahmen den Quadranten nebst einigen anderen astronomischen Instrumenten zum ersten Male mit an Land. Den nächsten Morgen um 3 Uhr ging ich mit unserm Astronomen Green hin, den Quadranten zum Gebrauch aufzustellen. Allein zu unserer unbeschreiblichen Bestürzung war das Instrument nirgends mehr zu finden. Es war von uns in dem für mich bestimmten Zelte aufbewahrt worden, und da ich diese Nacht noch an Bord geblieben war, hatte niemand im Zelte geschlafen. Es war niemals aus dem Futteral, das fast ein halbes Meter im Quadrat hatte und mit dem Inhalt ziemlich schwer war, herausgenommen worden. Die ganze Nacht hindurch hatte eine Schildwache kaum 4 Meter weit von der Türe des Zeltes gestanden, und von den anderen Instrumenten wurde keines vermißt. Anfangs argwohnten wir, daß es vielleicht von einem oder dem anderen unserer eigenen Leute möchte gestohlen worden sein, der beim Anblick des hölzernen Kastens, ohne zu wissen, was darin sei, vielleicht gedacht haben mochte, er enthalte Nägel oder sonst etwas, das zum Handel mit den Eingeborenen tauglich sei. Es wurde also sofort dem Finder des Quadranten eine große Belohnung angeboten, weil wir ohne dies Instrument die vornehmste Aufgabe unserer Reise gar nicht durchführen konnten. Wir begnügten uns nicht damit, im Fort und in dessen Nachbarschaft nachzusuchen, sondern, da der Kasten im Falle, daß er von einem unserer eigenen Leute gestohlen worden war, nach dem Schiff zurückgebracht worden sein konnte, wurde auch an Bord eifrigst nach ihm geforscht. Allein, alle hierzu ausgeschickten Abteilungen kamen unverrichteterdinge zurück. Banks, der bei solchen Zufällen weder Mühe noch Gefahren scheute und bei den Eingeborenen mehr als irgendeiner von uns vermochte, entschloß sich daher, den Quadranten in den Wäldern zu suchen. War das Instrument von den Eingeborenen gestohlen worden, hoffte er, es an dem Orte, wo sie den Kasten geöffnet hatten, wiederzufinden, weil sie sogleich gesehen haben müßten, daß er für sie von gar keinem Nutzen sein könne. Wenn aber diese Erwartung täuschen sollte, schmeichelte er sich, das Instrument durch das Ansehen, das er bei den Häuptlingen genoß, wiedererlangen zu können. Er ging daher in Begleitung eines Schiffsunteroffiziers und Greens fort und begegnete, als er eben über den Fluß setzte, Tuburai Tamaide, der sogleich mit drei Strohhalmen auf seiner Hand die Figur eines Dreiecks darstellte. Danach war es gewiß, daß die Eingeborenen die Diebe waren, und Banks schloß aus diesem Umstande, daß sie zwar den Kasten geöffnet hatten, jedoch nicht geneigt waren, das Instrument auszuliefern. Nun war keine Zeit mehr zu verlieren. Banks gab also Tuburai Tamaide zu verstehen, daß er augenblicklich mit ihm nach dem Orte gehen müsse, wohin der Quadrant gebracht worden wäre. Der Häuptling war sogleich dazu bereit, und sie eilten miteinander in östlicher Richtung fort. Tuburai erkundigte sich in jedem Hause, an dem sie vorüberkamen, nach dem Diebe, den er genau kennen mußte, weil er ihn mit Namen nannte; die Leute sagten ihm auch überall, welchen Weg er genommen habe, und wann er vorübergekommen sei. Man hatte also von einem Orte zum andern Hoffnung, ihn einzuholen, und das machte unsern Leuten Mut, der unerträglichen Sonnenhitze zu widerstehen und weiterzudringen. Nachdem sie so, bald gehend, bald laufend, einen vom Fort etwa 4 Kilometer entfernten Berg erreicht hatten und diesen hinaufgestiegen waren, zeigte ihnen ihr Führer eine Landspitze, die noch gut 3 Kilometer entfernt lag, und gab ihnen dabei zu verstehen, daß sie das Instrument nicht eher wiederbekommen konnten, als bis sie dorthin gelangt wären. Sie hielten also eine kurze Beratung. Sie hatten keine andere Waffe als ein paar Pistolen, die Banks allezeit bei sich zu tragen pflegte. Sie waren im Begriff, einen Ort aufzusuchen, der gut 7 Kilometer vom Fort entfernt lag, und wo die Eingeborenen vielleicht nicht so gutwillig sein mochten wie in der Nähe unseres Schiffs. Sie wollten den Wilden überdies etwas abnehmen, das diese mit Lebensgefahr erbeutet hatten, und das sie allem Vermuten nach behalten wollten. Das waren Umstände, die man wohl bedenken mußte, und es war vorauszusehen, daß sie immer mehr Gefahr liefen, je tiefer sie sich auf ihrer Suche ins Land hineinwagten. Es wurde deshalb beschlossen, daß Banks und Green mit dem Häuptling weitergehen sollten. Der Unteroffizier aber sollte zu mir zurückkehren und verlangen, daß eine Abteilung Soldaten nachgeschickt werde, und mir zugleich melden, daß sie unmöglich vor Nacht wieder zurück sein könnten. Auf diese Botschaft hin machte ich mich selbst auf den Weg und nahm so viel von meinen Leuten mit, als ich nötig zu haben glaubte. Im Schiffe aber und im Fort ließ ich Befehl zurück, daß man kein Kanu aus der Bucht wegrudern lassen, jedoch auch keinen Eingeborenen gefangenhalten sollte. Mittlerweile setzten Banks und Green mit Tuburai Tamaide ihren Weg fort, und an dem Platze, den der Häuptling ihnen vom Berge aus gezeigt hatte, trafen sie einen von seinen eigenen Leuten, der ein Stück vom Quadranten in der Hand hielt. Bei diesem höchst erfreulichen Anblick machten sie halt, und im Augenblick waren sie auch schon von einer großen Menge Eingeborener umringt. Da aber einige der Wilden sich ziemlich nahe an sie herandrängten, hielt Banks es für nötig, ihnen eine von seinen Pistolen zu zeigen. Diese Warnung hatte die beabsichtigte Wirkung. Indessen wuchs die Menschenmenge mit jedem Augenblick mehr an. Banks, der sie sich nicht allzu nahe kommen lassen wollte, bezeichnete ihnen einen Kreis im Grase, den sie nicht überschreiten sollten, und sie stellten sich denn auch sehr ruhig und manierlich außerhalb der Grenze um ihn her. In der Mitte des Kreises ließ man den nunmehr herbeigeschafften Kasten nebst verschiedenen Linsen und anderen Teilen des Instruments aufstellen. Der Dieb hatte alle diese Dinge in der Eile in ein Pistolenfutteral gesteckt, das Banks als sein Eigentum erkannte, und das er bereits seit einiger Zeit samt einer Reiterpistole, die darin gewesen war, in seinem Zelte vermißt hatte. Banks forderte jetzt auch diese Waffe zurück, und sie ward ihm sofort gegeben. Der Astronom war gespannt, zu sehen, ob auch alles Zubehör vollständig zurückgegeben worden sei. Bei genauerer Untersuchung des Kastens fand er, daß das Gestell und einige andere Kleinigkeiten noch fehlten. Nach diesen wurden verschiedene Personen ausgeschickt, und die meisten der vermißten Stücke wurden zurückgebracht. Man gab ihm zugleich zu verstehen, daß der Dieb das Gestell nicht bis in diese Gegend mit sich geschleppt habe, und daß es ihm auf dem Rückwege ausgehändigt werden solle. Da nun auch Tuburai Tamaide diese Versicherung durch sein Wort bestätigte, so machten sich unsre Herren auf den Rückweg, weil das wenige, das ihnen auch jetzt noch an dem Instrumente fehlte, leicht wieder neu angefertigt werden konnte. Nachdem sie auf ihrem Rückwege ungefähr zwei Kilometer weit gekommen waren, traf ich sie, und wir freuten uns über die Wiedererlangung des Quadranten, was man bei der Wichtigkeit des Instrumentes leicht verstehen wird. Um 8 Uhr kam Banks mit Tuburai Tamaide zum Fort zurück, fand aber zu seinem großen Bedauern den Tutaha hier in Haft und sah, daß viele Eingeborene in äußerster Angst und Bestürzung sich um das Tor drängten. Er ging also eiligst hinein und erlaubte auch einigen der Eingeborenen, ihm zu folgen. Als sie hineinkamen, ereignete sich ein rührender Auftritt. Tuburai Tamaide stürzte herein und warf sich Tutaha in die Arme. In dieser zärtlichen Stellung brachen sie beide in Tränen aus und weinten um einander, ohne ein Wort sagen zu können. Die anderen Eingeborenen weinten nicht minder um ihr Oberhaupt Tutaha, weil sie gleich ihm wähnten, er solle hingerichtet werden. In dieser traurigen Verfassung blieben sie bis zu meiner Ankunft, die ungefähr eine Viertelstunde nachher erfolgte. Der Anblick befremdete und rührte mich ungemein. Tutaha war ohne meinen Befehl gefangengenommen worden; ich setzte ihn daher sogleich in Freiheit. Als ich die Sache genauer untersuchte, wurde mir berichtet, daß die Eingeborenen, als sie mich mit bewaffneter Mannschaft in den Wald hätten marschieren sehen, gefürchtet haben mußten, es geschähe in der Absicht, den soeben vorgefallenen Diebstahl, den auch sie gleich erfahren hatten, so zu ahnden, wie es die Wichtigkeit des Verlustes und die Strenge unserer Vorkehrungen besorgen ließ. Dieser Gedanke habe sie derart erschreckt, daß sie sofort angefangen hätten, die Gegend des Forts mit allen ihren Habseligkeiten zu verlassen. Leutnant Gore, dem ich während meiner Abwesenheit das Kommando an Bord der »Endeavour« übergeben und befohlen hatte, kein Kanu wegrudern zu lassen, habe ein Doppelkanu vom Lande abstoßen sehen und hierauf den Bootsmann mit einem Boote abgeschickt, um es zurückzubringen. Sobald das Boot jedoch an das Kanu herangekommen sei, wären die Insassen vor Schrecken ins Meer gesprungen, und da zum Unglück Tutaha sich unter ihnen befand, habe der Oberbootsmann diesen gefangengenommen, während er die anderen an Land schwimmen ließ. Der Wahn, daß wir ihn hinrichten würden, hatte sich Tutahas so sehr bemächtigt, daß er es sich nicht eher wollte ausreden lassen, als bis man ihn auf meinen Befehl zum Fort hinausließ. Das Volk empfing ihn, wie Kinder einen Vater unter diesen Umständen empfangen hätten; jeder drängte sich heran, ihn zu umarmen. Plötzliche Freude ist gewöhnlich freigebig, ohne daß sie sich ängstlich um das Verdienst kümmert. Bei seiner unerwarteten Rettung aus der Gefangenschaft und vor dem erwarteten Tode drang Tutaha in der ersten Freudenaufwallung darauf, daß wir ein Geschenk von zwei Schweinen annehmen sollten. Da wir uns aber bewußt waren, daß wir in dieser Sache nichts weniger als Geschenke und Gunstbezeigungen verdient hatten, so verweigerten wir wiederholt die Annahme des Geschenks. Am folgenden Morgen versahen Banks und Dr. Solander ihr gewöhnliches Amt als Marktbeauftragte. Es kamen aber fast keine Eingeborenen, und die wenigen, die sich einstellten, brachten keine Lebensmittel mit. Tutaha schickte einige von seinen Leuten, um das ihm abgenommene Kanu abzuholen, das ihm auch sofort ausgeliefert wurde. Unter andern war gestern ein der Oberea gehöriges Kanu ebenfalls angehalten worden; sie schickte also Tupia, der schon zu Zeiten der Ankunft des »Delphin« ihre Angelegenheiten zu besorgen hatte, zu uns, um festzustellen, ob irgend etwas an Bord weggenommen worden sei. Er kam zu uns ins Fort, blieb hier den ganzen Tag und schlief die folgende Nacht an Bord des Kanus. Gegen Mittag kamen einige Fischerboote den Zelten gegenüber an den Strand, wollten aber sehr wenig von ihren Erträgnissen verhandeln. An Kokosnüssen und Brotfrucht litten wir bereits empfindlichen Mangel. Banks begab sich deshalb in die Wälder und suchte durch seinen Umgang mit dem Volke uns dessen Gunst und Vertrauen wieder zu erwerben. Sie waren sehr höflich gegen ihn, beklagten sich aber über die Mißhandlung ihres Anführers, der ihrer Aussage nach geschlagen und an den Haaren gezogen worden war. Banks gab sich Mühe, sie zu überzeugen, daß man gar nicht Hand an ihn gelegt habe, was sich auch unserem besten Wissen nach so verhielt. Doch war es freilich nicht unmöglich, daß der Bootsmann eine Grausamkeit begangen hatte, die er zu bekennen sich fürchtete und schämte. Tutaha war es inzwischen, als er sich die Sache noch einmal überlegt haben mochte, selbst eingefallen, daß wir die Schweine, die er uns endlich doch aufgedrungen hatte, eigentlich schlecht um ihn verdient hätten, und er schickte deshalb einen Boten, der eine Axt und ein Hemd dafür fordern sollte. Da mir der Bote dabei aber noch sagte, daß der Häuptling nicht gesonnen sei, in den nächsten zehn Tagen sich im Fort sehen zu lassen, entschuldigte ich mich und ließ ihm melden, daß ich die Geschenke ihm nicht eher geben könne, als bis ich ihn selbst sähe. Ich dachte mir, er würde aus Ungeduld dann wohl selbst sich herbequemen, um sie abzuholen, und die erste Unterredung zwischen uns würde der Gespanntheit der gegenseitigen Beziehungen gleich ein Ende machen. Des folgenden Tages fühlten wir die unangenehme Lage, in die wir durch die Beleidigung des Volks in der Person seines Oberhauptes geraten waren, noch stärker; denn die Eingeborenen brachten so wenig zu Markt, daß es uns an den nötigen Lebensmitteln mangelte. Banks ging daher sofort in den Wald zu Tuburai Tamaide, er solle uns aus der Verlegenheit helfen; dieser ließ sich auch nach einigem Sträuben bewegen, uns fünf Körbe voll Brotfrucht zu überlassen. Ein solcher Vorrat kam uns sehr gelegen; denn es waren mehr als 120 Stück von dieser Frucht. Des Nachmittags schickte Tutaha abermals einen Boten und ließ sich Axt und Hemd ausbitten. Da wir jetzt zur Genüge erfahren hatten, daß es schlechterdings notwendig wäre, uns die Freundschaft des Oberhauptes wieder von neuem zu erwerben, weil es uns gegen seinen Willen beinahe unmöglich war, Lebensmittel zu erhalten, ließ ich ihm melden, daß Banks und ich ihm am nächsten Tag einen Besuch abstatten würden, wobei er dann das Verlangte erhalten solle. [Illustration] Am folgenden Morgen früh schickte er wieder, um mich an mein Versprechen erinnern zu lassen, und seine Leute schienen mit großer Ungeduld darauf zu warten, daß wir uns auf den Weg machen sollten. Ich ließ daher die Pinasse ausheben und ging um 10 Uhr mit Banks und Dr. Solander an Bord. Wir nahmen einen von Tutahas Leuten zu uns ins Boot, und nach etwa einer Stunde langten wir bei seiner Residenz an, die den Namen Eparre führte und ungefähr 4 Kilometer weit westwärts von den Zelten lag. Das Volk erwartete uns in so großer Menge am Strande, daß wir uns unmöglich hätten hindurchdrängen können, wenn nicht ein großer, stattlicher Mann, der etwas gleich einem Turban auf dem Kopfe hatte und einen langen weißen Stab in der Hand trug, mit welchem er ganz unbarmherzig um sich schlug, rasch Platz für uns gemacht hätte. Dieser Mann führte uns feierlich zu dem Häuptling, während das Volk ringsherum uns zujauchzte: »Taio Tutaha, Tutaha ist euer Freund!« Wir fanden ihn wie einen der alten Erzväter unter einem Baume sitzend, indes um ihn her eine Anzahl ehrwürdiger Greise stand. Er winkte uns niederzusitzen und forderte sogleich seine Axt. Ich überreichte sie ihm zugleich mit dem Hemde und fügte dem Geschenk noch ein Oberkleid von englischem Tuche bei, das nach der Mode seines Landes geschnitten und mit Zwirnband besetzt war. Er empfing es mit offensichtlicher Freude und legte das Oberkleid sogleich an, das Hemd aber überreichte er dem Manne, der bei unserer Landung uns Platz geschafft hatte. Dieser saß jetzt neben uns, und Tutaha bezeigte ihm hohe Achtung, wahrscheinlich um ihn unserer Aufmerksamkeit besonders zu empfehlen. Bald darauf kam Oberea mit andern uns bekannten Frauen hinzu und setzte sich unter uns nieder. Tutaha verließ uns verschiedene Male, kam aber jedesmal nach kurzer Abwesenheit zurück. Wir glaubten, es geschähe, um sich in seinem neuen Staate dem Volke zu zeigen; damit taten wir ihm aber unrecht, denn es geschah nur, um zu unserer Bewirtung und zur Anordnung des ganzen Festes, das er unsertwegen anstellen wollte, die nötigen Befehle zu geben. Als er das letztemal von uns wegging, hatte das Gedränge um uns dermaßen zugenommen, daß wir beinahe Gefahr liefen, erstickt zu werden; wir warteten daher sehnlichst, daß er zurückkommen und uns entlassen möchte. An seiner Statt kam ein Bote und meldete uns, daß Tutaha uns anderswo erwarte. Wir fanden ihn unter dem Wetterdach unseres eigenen Bootes sitzend, und er winkte uns, zu ihm zu kommen. Es gingen daher unser so viele, als das Boot fassen konnte, an Bord, währenddessen er Kokosnüsse und Brotfrucht herbeibringen ließ, die wir jedoch mehr ihm zu Gefallen kosteten, als daß wir gerade Lust gehabt hätten, zu essen. Bald nachher kam ein Bote, der ihm etwas meldete. Er verließ nach Empfang der Nachricht sogleich das Boot und ließ uns kurz darauf ersuchen, ihm zu folgen. Wir wurden nun zu einem großen Platze oder Hofe geführt, der mit einem ungefähr 1 Meter hohen Bambusgitter umgeben war und an die eine Seite seines Hauses stieß. Hier erwartete uns ein ganz neuartiges Fest, nämlich ein Wettringen. Am oberen Ende des Platzes saß Tutaha selbst, und verschiedene seiner vornehmsten Hofleute waren neben ihm auf beiden Seiten im Halbkreise verteilt. Das waren die Richter, deren Beifall den Sieger krönen sollte. Auch für uns waren an jenem Ende der Reihe Sitze übriggelassen worden; allein, wir wollten nicht an einen festen Platz gebunden sein und mischten uns daher lieber unter die Zuschauer. Als alles bereit war, traten 10-12 Ringer auf den Kampfplatz. Sie waren am ganzen Körper nackt, nur um den Unterleib trugen sie ein Stück Rindenzeug gewickelt. Die einleitenden Zeremonien des Kampfes bestanden darin, daß die Ringer gebückt und langsam rundherum gingen und dabei die linke Hand auf ihre rechte Brust legten, mit der flachen rechten Hand aber sich mehrfach klatschend auf den linken Oberarm schlugen. Das galt als allgemeine Herausforderung an die Kämpfer, mit denen sie sich messen wollten, oder an irgendeine Person, die sonst Lust haben mochte, einen Gang mit ihnen zu wagen. Es währte nicht lange, so folgten den ersten noch andere auf die nämliche Art in die Arena. Und alsdann forderte jeder von ihnen seinen Gegner dadurch besonders heraus, daß er die Spitzen der Finger beider geschlossenen Hände auf die Brust hielt und zu gleicher Zeit die Ellbogen schnell auf- und abwärts bewegte. Wenn der, an den diese Herausforderung gerichtet war, sie annahm, wiederholte er die Geste, machte sich alsbald zum Kampf bereit, und schon im nächsten Augenblick gerieten die Kämpfer aneinander. Allein, abgesehen von dem ersten Griffe, durch den einer den andern zu fassen suchte, kam es bei dem ganzen Kampfe bloß auf die Stärke an; denn jeder bestrebte sich, seinen Gegner zuerst am Schenkel, wenn ihm das mißlang, an der Hand, dann an den Haaren, am Hüfttuche oder, wo er ihm sonst beikommen konnte, zu packen. War dies geglückt, so rangen sie ohne die geringste Kunst oder Geschicklichkeit so lange miteinander, bis der eine von ihnen entweder, weil er den anderen auf eine vorteilhaftere Art gepackt hatte, oder weil er größere Stärke besaß, seinen Gegner auf den Rücken niederwarf. War der Kampf beendet, so teilten die Richter dem Sieger ihren Beifall in kurzen Worten mit, die sie nach einer Melodie hersangen und im Chor etliche Male wiederholten, worauf auch das Volk dem Überwinder durch ein dreimaliges Freudengeschrei Beifall rief. Hierauf wurde eine kleine Pause gemacht, und dann trat ein anderes Ringerpaar in die Arena und rang auf dieselbe Art miteinander. Wurde keiner von beiden niedergeworfen, so ließen sie einander los, nachdem der Kampf etwa eine Minute lang gedauert hatte, oder wurden durch Vermittlung ihrer Freunde getrennt, und in diesem Fall klatschte jeder von ihnen auf seinen Arm, um den Gegner oder irgendeinen anderen zu neuem Kampfe herauszufordern. Während die Kämpfer rangen, tanzte eine andere Gruppe von Männern einen Tanz, der auch etwa eine Minute dauerte. Aber keine von den beiden Gruppen achtete auf die andere, sondern jede richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf die eigene Beschäftigung. Wir stellten fest, daß der Sieger den Besiegten nie verhöhnte, und daß der Überwundene sich niemals über das Glück des Überwinders beklagte. Der Kampf geschah auf beiden Seiten mit vollkommen freundschaftlichem und offenem Gebaren, trotz der Gegenwart von wenigstens 500 Zuschauern, unter denen sich einige Frauen befanden, deren Anzahl jedoch im Vergleich zu der Zahl der Männer gering war. Es waren aber auch nur Frauen von Rang, und allem Anschein nach wohnten sie dem Kampfe nur zu unseren Ehren bei. Diese Spiele dauerten ungefähr zwei Stunden, und der Mann, der uns bei unserer Landung Platz geschaffen hatte, hielt auch bei dieser Gelegenheit die ganze Zeit über das Volk in der gehörigen Entfernung und schlug mit seinem Stocke unbarmherzig auf diejenigen los, die sich herandrängen wollten. Auf unsere Nachforschung erfuhren wir, daß er einer von den Beamten Tutahas war und hier den Dienst eines Zeremonienmeisters versah. Wem die Kampfspiele des früheren Altertums einigermaßen bekannt sind, der wird ohne Zweifel zwischen dem Wettringen der Südsee-Insulaner und den Kampfspielen der Griechen und Römer eine gewisse Ähnlichkeit bemerken. Als das Wettringen vorüber war, gab man uns zu verstehen, daß 2 Schweine und eine große Menge Brotfrucht für unsere Mittagsmahlzeit zubereitet würden, und da wir unterdessen ziemlich hungrig geworden waren, nahmen wir diese Nachricht nicht gerade mißmutig auf. Doch mußte unserem Wirt seine Freigebigkeit wieder leid geworden sein; denn anstatt uns beide Schweine auftischen zu lassen, befahl er, daß uns nur eines aufgetragen werden und in unserem Boote verspeist werden sollte. Anfangs waren wir mit dieser Anordnung durchaus zufrieden, weil wir im Boote bequemer zu speisen und dem Gedränge des Volkes nicht so sehr wie hier ausgesetzt zu sein hofften. Als wir aber an Bord kamen, sagte Tutaha, er wolle uns lieber zum Fort begleiten, und wir sollten das Schwein dorthin mitnehmen. Das war ärgerlich; denn nun mußten wir 4 Kilometer weit rudern und unterdessen unsere Mahlzeit kalt werden lassen. Wir hielten es aber doch für das ratsamste, ihm den Willen zu tun, und genossen endlich das Mahl, das er uns bereitet hatte, gemeinschaftlich mit ihm und Tuburai Tamaide, die beide reichlichen Anteil daran nahmen. Unsere Aussöhnung mit dem Häuptlinge wirkte wie ein Zaubermittel auf das Volk; denn sobald sie erfuhren, daß er bei uns an Bord sei, wurden augenblicklich Brotfrucht, Kokosnüsse und andere Lebensmittel in großen Mengen zum Fort gebracht. Die Dinge gingen nun wieder ihren gewohnten Gang; doch hielt es nach wie vor schwer, Schweinefleisch zu bekommen. Wir wollten daher versuchen, ob Schweine etwa in einer anderen Gegend der Insel zu erhalten wären, und in dieser Absicht fuhr unser Bootsmann in Begleitung Greens am 8. Mai des Morgens früh in der Pinasse etwa 20 Kilometer um die Insel nach Osten. Sie fanden zwar wirklich viele Schweine und eine Schildkröte, man wollte ihnen aber weder diese noch jene, auch nicht zu hohem Preis überlassen. Das Volk sagte überall, daß hier herum alles dem Tutaha gehöre, und daß sie ohne seine Erlaubnis nichts verkaufen dürften. Nunmehr fingen wir an, diesen Mann in der Tat für einen mächtigen Fürsten zu halten; denn sonst würde er wohl kaum eine so ausgedehnte und unumschränkte Gewalt besessen haben. Wir erfuhren nachher, daß er die Regierung über diesen Landstrich für einen minderjährigen Fürsten führte, den wir jedoch nie zu Gesicht bekamen. Als Green von der Reise zurückkam, erzählte er uns, er habe einen Baum gesehen, der so dick gewesen sei, daß er sich's kaum zu sagen getraue. Er habe nämlich nicht weniger als 53 Meter Umfang gehabt. Banks und Dr. Solander erklärten uns aber bald, wie das zugehe, und sagten, es sei eine Art von Feigenbaum, dessen Äste sich zum Boden hinabneigten, darin aufs neue Wurzel faßten und solchergestalt eine ganze Anzahl von Stämmen bildeten, die man, weil alle dicht nebeneinander stünden und sich im Aufwachsen gleichsam miteinander verbänden, leicht für einen einzigen Stamm ansehen könne. Obwohl nun die Eingeborenen unseren Markt einigermaßen wieder mit Lebensmitteln versorgten, kamen sie nicht mehr wie früher gleich bei Tagesanbruch, so daß wir schon bis um 8 Uhr genügenden Tagesvorrat eingekauft hatten, sondern zu den verschiedensten Zeiten des Tages. Banks ließ daher der Bequemlichkeit halber sein kleines Boot vor dem Tore des Forts aufstellen und bediente sich seiner hinfort als Laden. Bis dahin hatten wir Kokosnüsse und Brotfrucht immer noch gegen Glasperlen eingehandelt. Jetzt aber fing der Wert dieser Münze zu fallen an. Wir mußten daher zum ersten Male unsere Nägel zu Markt bringen. Die kleinsten unserer Nägel waren etwa 10 Zentimeter lang. Für einen dieser Nägel kauften wir 20 Kokosnüsse und ebensoviel Brotfrüchte. Die neue Münze brachte es auch zuwege, daß wir in kurzer Zeit wiederum ebenso reichlich wie zuerst mit Lebensmitteln versehen wurden. Am 9. Mai, bald nach dem Frühstück, kam Oberea zu uns auf Besuch. Es war das erstemal seit dem Verlust des Quadranten und der unglücklichen Verhaftung Tutahas, daß sie uns diese Ehre erwies. Sie wurde von ihrem Freunde Obadi und von Tupia begleitet, die uns ein Schwein und etwas Brotfrucht brachten, wogegen wir ihnen ein Beil überreichten. Wir hatten übrigens für die Neugier unserer braunen Freunde nunmehr eine neue und wichtige Anziehungskraft. Unsere Schmiede war nämlich seit einiger Zeit instand gesetzt worden, und man arbeitete fast beständig darin. Sobald die Eingeborenen sahen, was darin vorgenommen wurde, brachten sie allerhand Stücke alten Eisens herbei, die sie nach unserer Vermutung vom »Delphin« bekommen haben mußten, und wollten sich daraus gern neue Werkzeuge verfertigen lassen. Da ich nun stets bemüht war, ihnen Gefälligkeiten zu erweisen, wo es nur immer anging, wurde ihr Verlangen erfüllt, es sei denn, daß es dem Schmiede an Zeit mangelte. Als Oberea ihr Beil empfangen hatte, zeigte sie uns so viel altes Eisen, als ihrer Meinung nach zur Verfertigung eines neuen Beiles notwendig war, und bat uns, ein neues anfertigen zu lassen. Ich konnte ihr diesen Wunsch leider nicht erfüllen. Sie zog darauf eine zerbrochene Axt hervor und verlangte nun, wir sollten sie ausbessern lassen. Ich war froh, daß sie mir hierdurch Gelegenheit gab, meine Ablehnung wiedergutzumachen. Am Abend verließ uns der Besuch und nahm das Kanu, das solange an der Landspitze gelegen hatte, mit sich. [Illustration: Uatta drehte sich bedächtig dreimal herum.] Der 12. Mai, ein Freitag, ist uns durch einen Besuch merkwürdig geworden, den einige Frauen, die wir zuvor noch nie gesehen hatten, bei uns abstatteten, und den sie mit seltsamen Zeremonien begannen. Banks war am Tore des Forts in seinem Boote, um wie gewöhnlich Handel zu treiben, und hatte Tutaha, der eben diesen Morgen ihn besuchen kam, und einige andere Eingeborene bei sich. Zwischen 9 und 10 Uhr traf ein Doppelkanu am Ufer der Bucht ein, unter dessen Wetterdach ein Mann und zwei Frauen saßen. Die Eingeborenen, die bei Banks waren, winkten ihm, er solle sein Boot verlassen und den Fremden entgegengehen. Er tat es; allein, bis er das Fort verlassen hatte, waren jene schon ziemlich nahe gekommen und kaum noch 9 Meter von ihm entfernt. In diesem Augenblick hielten sie stille und winkten, daß er es ebenso machen solle. Er blieb also gleichfalls stehen. Hierauf legten sie ungefähr ein halbes Dutzend junger Bananenpflanzen und ein paar andere kleine Gewächse auf die Erde nieder. Das Volk stellte sich zwischen Banks und den Fremden auf beiden Seiten in zwei Reihen auf und bildete so eine Gasse. Nunmehr trug der Mann, der ein Bedienter zu sein schien, sechs der Bananenpflanzen eine nach der anderen zu Banks hin und sagte bei der Überreichung jedesmal ein paar Worte her. Tupia, der bei Banks stand, versah das Amt eines Zeremonienmeisters, nahm die Zweige jedesmal in Empfang und legte sie auf den Boden nieder. Als das vorüber war, brachte ein anderer Mann einen großen Ballen Rindenzeug, öffnete ihn und breitete ihn stückweise zwischen Banks und den Fremden auf dem Boden aus. Es waren 9 Stück, von denen er jedesmal 3 Stück aufeinanderlegte. Sobald er damit fertig war, trat die vorderste Frau, die die vornehmste zu sein schien und Uatta hieß, auf dieses Zeug, hob ihre Kleider an und drehte sich ganz bedächtig und gemächlich dreimal um sich selbst herum; alsdann trat sie wieder von dem Zeuge herunter. Man legte darauf 3 andere Stücke auf die ersten 3, sie wiederholte dieselbe Zeremonie und trat hierauf wieder ab. Endlich wurden die 3 letzten Stücke niedergelegt, und sie machte es zum dritten Male wie zuvor. Hierauf wurde das Zeug wieder zusammengerollt und Banks als ein Geschenk von seiten der Dame überreicht, die sodann in Begleitung ihrer Freundin näher kam und ihn küßte. Er machte ihnen beiden entsprechende Geschenke, und nachdem sie sich ungefähr eine Stunde lang aufgehalten hatten, gingen sie wieder fort. Am 13. Mai, als der Markt um 10 Uhr beendet war, ging Banks mit seiner Flinte wie gewöhnlich in die Wälder, um während der Tageshitze die Annehmlichkeit des kühlen Schattens zu genießen. Als er auf dem Rückwege war, traf er Tuburai Tamaide vor seiner damaligen Wohnung an, und als er mit ihm ein wenig plauderte, nahm ihm der Häuptling plötzlich die Büchse aus der Hand, spannte den Hahn, legte an und drückte ab. Zum Glück versagte der Schuß, und Banks nahm ihm die Büchse augenblicklich weg, indem er sich nicht wenig wunderte, woher Tuburai mit einem Schießgewehr so sicher umzugehen gelernt habe. Er verwies dem Häuptling den Streich mit harten Worten und drohte ihm, da es für uns von größter Wichtigkeit war, die Eingeborenen in der Behandlung der Feuerwaffen gänzlich unwissend zu erhalten. Der Häuptling hörte Verweis und Drohung ruhig an; allein, kaum hatte Banks den Fluß überschritten, so zog er mit seiner ganzen Familie und allem Hausgerät von dannen nach seiner Residenz Eparre. Wir erfuhren das von einigen Eingeborenen, die eben am Fort waren. Da wir nun von dem Unwillen dieses Häuptlings, der uns bei allen Schwierigkeiten sehr nützlich gewesen war, große Unannehmlichkeiten besorgen mußten, beschloß Banks, ihm unverzüglich zu folgen und ihn zu ersuchen, wieder zu uns zurückzukehren. Er reiste daher noch am selben Abend mit einem der Offiziere ab und fand Tuburai mitten unter einer Menge Volks sitzen, das sich um ihn her versammelt hatte, und dem er vermutlich erzählte, was sich zugetragen habe, und was für Folgen daraus entstehen könnten. Er selbst war ein leibhaftiges Bild des Kummers und der Niedergeschlagenheit, und die gleiche Trauer war auch auf den Gesichtern aller Umstehenden deutlich zu lesen. Als Banks und Leutnant Molineaux unter die Menge traten, äußerte eine der Frauen ihren Kummer auf die gleiche Art, wie Terapo einmal getan hatte; sie stieß sich nämlich einen Seehundszahn in den Kopf, bis dieser ganz mit Blut bedeckt war. Banks wollte keine Zeit verlieren, dieser allgemeinen Angst ein Ende zu machen. Er versicherte dem Häuptling, daß alles Vorgefallene vergessen sein sollte, daß auf seiner Seite nicht die geringste Erbitterung mehr bestünde, und daß also auch er nicht mehr das geringste zu befürchten hätte. Das flößte Tuburai bald wieder Zutrauen ein: er befahl also, ein doppeltes Kanu in Bereitschaft zu setzen, und alle kehrten noch vor dem Abendessen zum Fort zurück. Tuburai besiegelte die Aussöhnung damit, daß er und seine Gemahlin in Banks' Zelt Nachtquartier nahmen. Ihre Gegenwart war jedoch kein allvermögender Schutz; denn zwischen 11 und 12 Uhr versuchte einer der Eingeborenen, über den Wall in das Fort hineinzuklettern, ohne Zweifel in der Absicht, zu stehlen, was ihm nur in die Finger käme. Er wurde von der Schildwache entdeckt, die jedoch zum Glücke nicht feuerte, und der Dieb lief viel zu geschwind fort, als daß ihm einer unserer Leute hätte nachsetzen können. Das Eisen und die eisernen Werkzeuge, die in der Schmiede beständig verarbeitet und gebraucht wurden, waren solche Versuchung zu Diebstählen, daß keiner von den Tahitiern ihr widerstehen konnte. Am 14. und 15. bekamen wir eine neue Bestätigung dessen, was wir schon mehrere Male bemerkt hatten, nämlich, daß die Bewohner dieser Insel durchgängig von jedem unter ihren Landsleuten gegen uns ersonnenen Anschlage sogleich genaue Kenntnis bekamen. In der Nacht zwischen dem 13. und 14. wurde an der äußeren Seite des Forts eines der dort stehenden Wasserfässer gestohlen. Bereits am Morgen aber wußte jeder Eingeborene um den Diebstahl. Und dennoch schien es, als ob der Dieb die Sache niemand anvertraut habe; denn unserm Eindruck nach waren sie alle bereit, uns Nachricht zu geben, wo das Faß aufzufinden wäre, wenn sie es nur gewußt hätten. Indessen spürte doch Banks dem Fasse nach, freilich ohne es auffinden zu können. Als er zurückkam, sagte ihm Tuburai Tamaide, daß vor morgen noch ein anderes Faß würde gestohlen werden. Es ist nicht leicht zu begreifen, wie der Häuptling dieses Vorhaben erfahren haben mochte. Daß er selber keinen Anteil daran hatte, ist deswegen gewiß, weil er mit seiner Frau und Familie an dem Orte, wo die Wasserfässer standen, sein Bett aufschlug und sagte, er wolle selbst dem Diebe zum Trotze für die Sicherheit der Fässer haften. Wir wollten das aber nicht zugeben und teilten ihm mit, daß wir zur Sicherheit eine Schildwache dort aufstellen würden, die bis zum Morgengrauen wachen solle. Er schaffte hierauf sein Bett wieder in Banks' Zelt und blieb da die Nacht über mit seiner Familie; beim Weggehen von der gefährdeten Stelle hatte er die Schildwache ermahnt, ja die Augen offen zu halten. In der Nacht kam es denn auch, wie er vorausgesagt hatte. Um 12 Uhr stellte sich der Dieb richtig ein; da er aber bemerkte, daß eine Schildwache dastand, zog er diesmal ohne Beute wieder ab. Banks' Vertrauen in Tuburai Tamaide war seit dem Vorfall mit dem Messer weit größer geworden, als es vorher je gewesen war. Man entfernte daher die verlockenden Gegenstände vor dem Häuptlinge nicht mehr. So geriet er eines Tages in eine Versuchung, der weder seine Ehre, noch seine Ehrlichkeit widerstehen konnte. Die bezaubernden Reize eines Korbes mit Nägeln taten es ihm an. Diese Nägel waren weit größer als diejenigen, die man bisher zu Markte gebracht hatte, und der Korb war vielleicht aus strafbarer Nachlässigkeit in einen Zeltwinkel hingestellt worden. Tuburai hatte jederzeit freien Zutritt. Banks' Bedienter sah zufällig einen von diesen Nägeln bei Tuburai, als der Häuptling unbedachterweise den Teil seines Kleides, worunter er ihn versteckt hatte, zurückschlug. Er meldete es seinem Herrn. Banks wußte, daß weder er, noch sonst jemand Tuburai einen solchen Nagel geschenkt hatte, sah also gleich im Korbe nach und fand, daß von sieben nur noch zwei übrig waren. Hierauf sagte er, wenn auch ungern, dem Häuptling auf den Kopf zu, daß er die Nägel genommen haben müsse, und Tuburai gestand es auch sofort ein. Die Sache mußte ihn freilich sehr kränken, doch war sie auch Banks nicht weniger leid. Man verlangte nun, daß Tuburai die Nägel zurückgäbe; er redete sich aber damit aus, daß er vorgab, die Nägel seien zu Eparre. Allein, als er sah, daß es Banks ernst darum war, hielt er es für ratsam, einen unter seinem Kleide hervorzuziehen. Hierauf wurde er nach dem Fort gebracht, wo man durch Abstimmung das Urteil über ihn sprechen lassen wollte. Nach einer kurzen Beratung fanden wir es jedoch zweckmäßig, ihn mit der Strafe zu verschonen; damit es aber nicht scheinen möchte, als ob wir sein Vergehen für unbedeutend ansähen, wurde ihm verkündet, daß wir die Angelegenheit nur dann auf sich beruhen lassen wollten, wenn er die anderen vier Nägel zum Fort zurückbrächte. Er willigte in diese Bedingung, ich muß aber, so leid es mir tut, gestehen, daß er sein Wort nicht hielt. Anstatt die Nägel zurückzubringen, zog er lieber noch desselben Abends mit seiner Familie aus der Gegend weg und nahm seinen ganzen Besitz mit sich. Da mir Tutaha zu wiederholten Malen hatte melden lassen, daß er geneigt sei, wenn wir ihm einen Besuch abstatten wollten, diese Gunstbezeigung mit einem Geschenk von vier Schweinen zu erwidern, so schickte ich meinen ersten Leutnant zu ihm, um zu versuchen, ob wir die Schweine nicht wohlfeiler bekommen könnten, und ich befahl ihm, dem Häuptling alle nur erdenklichen Höflichkeiten zu erweisen. Der Offizier erfuhr, daß er von Eparre nach einem 5 Kilometer weiter westwärts gelegenen Orte Tehatta gezogen sei. Er verfügte sich also dahin und wurde sehr gut aufgenommen. Man brachte ihm sogleich ein Schwein herbei und sagte ihm, daß die anderen, die im Augenblick nicht bei der Hand wären, den folgenden Morgen geliefert werden sollten. Mein Abgesandter ließ es sich gern gefallen, die Nacht über dortzubleiben. Der Morgen kam, die Schweine aber blieben aus. Da es nun nicht ratsam war, daß der Offizier sich noch länger hier aufgehalten hätte, kehrte er mit dem einen, das er bekommen hatte, gegen Abend zu uns zurück. Am 25. ließen sich Tuburai Tamaide und seine Frau Tomio zum ersten Male wieder in unserem Zelte sehen. Er schien etwas mißvergnügt und furchtsam zu sein, hielt es aber doch nicht für nötig, unsere Freundschaft und Gunst durch Wiedererstattung der vier Nägel zu erkaufen. Banks und die anderen Herren behandelten ihn deshalb sehr kalt. So hielt er sich nicht lange bei uns auf und ging bald wieder weg. Der Schiffsarzt machte ihm am nächsten Morgen einen Besuch, in der Hoffnung, ihn zur Wiedererstattung der Nägel zu bewegen und so mit uns aussöhnen zu können, allein vergebens. Am 27. beschlossen wir, Tutaha unseren Besuch abzustatten, obgleich wir uns nicht sicher darauf verlassen durften, zur Vergeltung unserer Höflichkeit die versprochenen Schweine zu bekommen. Ich ruderte also des Morgens früh mit Banks, Dr. Solander und noch drei anderen in der Pinasse fort. Tutaha war inzwischen nach einem Ort gezogen, der ziemlich fern lag und Atahuru hieß, und da wir kaum die Hälfte des Weges dahin im Boote zurücklegen konnten, wurde es fast Abend, ehe wir ankamen. Wir fanden ihn in seinem gewöhnlichen Staate unter einem großen Baum sitzend und von einer großen Menschenmenge umgeben, wo wir ihm alsbald die Geschenke, diesmal einen Frauenunterrock von gelbem, wollenem Zeuge und andere Kleinigkeiten überreichten. Er befahl, sogleich ein Schwein zu schlachten und für unsere Abendmahlzeit zuzubereiten, und versprach, daß wir am folgenden Morgen noch mehrere bekommen sollten. Weil es uns aber nicht so sehr darum zu tun war, eine reiche Mahlzeit zu halten, als vielmehr Lebensmittel, die uns im Fort fehlten, heimzubringen, bewogen wir ihn, dem Schweine heute noch das Leben zu schenken, und wir nahmen bei der Abendmahlzeit mit den Früchten des Landes vorlieb. Es wimmelte da von Leuten, unter die sich viele Reisende, die hier nicht zu Hause waren, gemischt hatten. So war zum Beispiel Oberea mit ihrem Gefolge und noch anderen unserer Bekannten hierhergekommen, und die Menge der Anwesenden war so groß, daß die Häuser und Kanus sie nicht aufnehmen konnten. Da die Nacht jetzt hereinbrach, sahen wir uns eiligst nach Nachtquartieren um, damit es uns nicht zuguterletzt daran fehlen möchte; denn unsere Abteilung bestand aus sechs Personen. Oberea bot Banks sehr höflich einen Platz in ihrem Kanu an. Er pries sich glücklich, so gut versorgt zu sein, wünschte seinen Freunden eiligst gute Nacht und ging fort. Dem Landesbrauche gemäß legte er sich frühzeitig schlafen, und weil die Nacht sehr heiß war, zog er wie gewöhnlich seine Kleider aus. Oberea bestand darauf, diese in Verwahrung zu nehmen; denn sonst, sagte sie, würden sie ihm sicher gestohlen werden. Unter so gutem Schutze schlief Banks ohne alle Sorge ein. Als er aber um 11 Uhr erwachte und aufstehen wollte, suchte er seine Kleider vergeblich an dem Orte, wo er sie Oberea vor dem Schlafengehen hatte hinlegen sehen; sie waren verschwunden. Er weckte also seine Beschützerin. Diese stand augenblicklich auf und ließ, sobald er ihr seine Not geklagt hatte, Licht anzünden, traf auch in aller Eile die nötigen Vorkehrungen, um ihm wieder zu seinem Eigentum zu verhelfen. Tutaha selbst schlief dicht neben ihm in einem anderen Kanu. Der Lärm weckte ihn bald; er kam hervor und machte sich mit Oberea daran, den Dieb zu suchen. Banks selbst aber konnte nicht mit auf die Suche gehen; denn von seinem ganzen Anzug hatte man ihm fast nichts als die Beinkleider gelassen. Sein Rock, seine Pistolen, seine Weste, sein Pulverhorn und viele andere Kleinigkeiten hatte man ihm gestohlen; alles, was in den Taschen gewesen, war fort. Nach einer halben Stunde kamen seine beiden vornehmen Freunde zurück, hatten aber weder über den Verbleib seiner Kleider, noch über den Dieb das geringste erfahren können. Anfangs war ihm daher nicht wohl zumute. Seine Büchse war zwar glücklicherweise nicht gestohlen worden, aber er hatte vergessen, sie zu laden. Er wußte nicht, wo ich und Dr. Solander uns einquartiert hatten, und konnte also nötigenfalls sich nicht einmal zu uns flüchten. Er hielt es deshalb für das beste, die Leute, die um ihn herum waren, gar nicht seine Besorgnis und seinen Verdacht merken zu lassen. Vielmehr übergab er seine Flinte dem Tupia, der gleich andern von dem Lärm erwacht war und neben ihm stand, und trug ihm ernstlich auf, sich diese nicht auch noch stehlen zu lassen. Hierauf legte er sich wieder zur Ruhe nieder und bezeugte dadurch, daß er mit der Mühe, die Tutaha und Oberea angewandt hatten, um seine Sachen wiederzuerlangen, vollkommen zufrieden wäre, obgleich die Bemühungen fruchtlos geblieben waren. Man kann sich indessen ohne weiteres vorstellen, daß er unter diesen Umständen nicht gerade gut geschlafen habe. Bald nachher hörte er Musik und sah nicht weit vom Boote Lichter auf dem Lande. Es war ein Konzert, das in Tahiti wie jede öffentliche Lustbarkeit »Heiwa« heißt. Er überlegte sich, daß bei einer solchen Aufführung viele Leute zusammenkämen und es nicht unwahrscheinlich wäre, daß wir anderen uns auch dazu einstellten. Also stand er auf und eilte hin. Die Lichter und die Musik führten ihn bald zu der Hütte, worin ich mit drei anderen unserer Abteilung lag. Als er uns sein klägliches Abenteuer erzählt hatte, trösteten wir ihn, wie sich Unglückliche gewöhnlich zu trösten pflegen, indem wir ihm im geheimen anvertrauten, daß es uns nicht viel besser ergangen sei. Ich zeigte ihm, daß ich selber keine Strümpfe hatte, weil sie mir unter dem Kopfe weggestohlen worden, obwohl ich überhaupt nicht geschlafen hatte, und jeder der anderen bewies ihm durch den Augenschein, daß er seinen Rock eingebüßt hatte. So unvollständig unsere Kleidung auch war, wollten wir doch das Konzert nicht versäumen. Es wurde von 3 Trommlern, 4 Flötenbläsern und verschiedenen Sängern veranstaltet. Als es nach ungefähr einstündiger Dauer vorüber war, begaben wir uns zu unseren Ruheplätzen zurück, da sich vor Tagesanbruch kaum etwas hätte unternehmen lassen, um unsere Sachen wiederzuerlangen. Nach Landesbrauch standen wir mit Tagesanbruch auf. Der erste Mensch, den Banks erblickte, war Tupia, der mit der Flinte getreulich auf ihn wartete, und kurz darauf brachte ihm Oberea einige Rindenzeugkleider, um dem nötigsten Bedürfnis etwas abzuhelfen. In diesem seltsamen, halb englischen, halb wilden Aufzuge kam Banks zu uns. Unsere Gesellschaft war bald beieinander bis auf Dr. Solander, dessen Nachtlager uns unbekannt war, und der sich auch bei dem nächtlichen Konzerte nicht hatte sehen lassen. Bald darauf kam Tutaha zum Vorschein. Wir drangen ernstlich in ihn, daß er uns wieder zu unseren Kleidern verhelfen solle. Doch weder er, noch Oberea ließen sich zu den geringsten Maßnahmen bewegen. Wir gerieten daher auf den Argwohn, daß sie an dem Diebstahle teilhaben mochten. Um 8 Uhr kam Dr. Solander zu uns. In einem ungefähr ein Kilometer weiter entfernt gelegenen Hause hatte ihn sein Glück zu ehrlicheren Leuten geführt, bei denen er nichts eingebüßt hatte. Als wir alle Hoffnung aufgegeben hatten, unsere Kleider wiederzuerlangen -- und wir haben sie tatsächlich nicht mehr wiedergesehen --, brachten wir den ganzen Morgen damit zu, uns um die versprochenen Schweine zu bemühen. Es ging uns damit aber nicht besser als mit unserem Eigentum: wir bekamen nichts. Um 12 Uhr traten wir endlich, nicht gerade in der besten Laune, mit dem einzigen Schweine, das wir am vorhergehenden Abend vor dem Fleischer und Koch hatten retten können, unsern Rückweg zu dem Boote an. Auf unserem Wege dahin bot sich uns ein Anblick, der uns für die Beschwerlichkeiten und Verdrießlichkeiten dieser Reise einigermaßen schadlos hielt. Wir gerieten unterwegs an eine der wenigen Stellen der Insel, wo der Zugang zur Küste nicht wie anderwärts durch eine Reihe von Felsklippen versperrt war, und wo infolgedessen eine hohe Brandung an den Strand schlug. Sie war hier so heftig, wie ich sie fürchterlicher nie gesehen hatte. Kein europäisches Boot hätte darin aushalten können, und ich bin überzeugt, daß der beste europäische Schwimmer, wenn er durch einen oder den andern Zufall ihr ausgesetzt gewesen wäre, sich vor dem Ertrinken nicht hätte retten können, zumal der Strand mit Kieseln und großen Steinen bedeckt war. Dessenungeachtet schwammen mitten zwischen diesen Klippen 10 oder 12 Eingeborene zum Zeitvertreibe herum. Sooft eine Brandungswelle sich in ihrer Nähe brach, tauchten sie unter und kamen mit wunderbarer Leichtigkeit wieder jenseits der Woge empor. Das Hinterteil eines alten Kanus, das sie auf dem Strande fanden, gab ihnen Gelegenheit, diese Lustbarkeit noch weiter zu treiben und ihre Geschicklichkeit noch besser sehen zu lassen. Sie stießen es nämlich vor sich her und schwammen damit bis zur äußeren Klippenreihe hinaus. Hier sprangen zwei oder drei in das Wrack hinein, drehten das viereckige Ende der sich brechenden Woge entgegen und ließen sich mit unglaublicher Geschwindigkeit gegen die Küste und zuweilen oft bis an den Strand treiben; gewöhnlich aber brach sich die Woge über ihnen, noch ehe sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. In solchem Falle tauchten sie unter und kamen auf der anderen Seite mit dem Kanu in den Händen wieder zum Vorschein. Dies bewundernswürdige Schauspiel betrachteten wir über eine halbe Stunde lang. Die Schwimmer schienen so vertieft in ihr Spiel zu sein und so viel Vergnügen daran zu finden, daß die ganze Zeit unseres Verweilens über keiner von ihnen Lust bekam, an Land zu gehen. Hierauf setzten wir unsere Reise fort und langten erst spät abends im Fort wieder an. Eines Tages beschwerten sich einige Eingeborene, daß zwei von unseren Matrosen ihnen einige Pfeile und Bogen, sowie einige Schnüre geflochtenen Haares fortgenommen hätten. Ich untersuchte die Sache, und da ich die Anklage begründet fand, ließ ich jeden der Verbrecher mit 24 Stockstreichen bestrafen. Von den Pfeilen und Bogen der Tahitier ist bisher noch nicht die Rede gewesen. Sie brachten diese Waffen auch nur selten ins Fort mit. Heute aber stellte sich Tuburai Tamaide mit den Seinigen ein, weil ihn Leutnant Gore zu einem Wettschießen aufgefordert hatte. Der Häuptling vermutete, es käme darauf an, den Pfeil am weitesten zu schießen. Gore jedoch wettete eigentlich um den besten Treffer. Da nun Gore ebensowenig einen Ruhm darin suchte, weit zu schießen, als sich Tuburai aus der Kunst machte, ein Ziel zu treffen, kam es nicht zur Probe ihrer gegenseitigen Geschicklichkeit. Um uns jedoch seine Fähigkeit zu zeigen, schoß er einen unbefiederten Pfeil -- denn nur solche kennt man hier -- etwa 250 Meter weit. Die Art zu schießen ist auf Tahiti befremdend: der Schütze kniet nämlich nieder und läßt in dem Augenblick, da er den Pfeil abgeschossen hat, den Bogen fallen. [Illustration: Sooft eine Welle sich in ihrer Nähe brach, tauchten sie unter.] Banks begegnete einmal auf seinem Morgenspaziergang einer Gruppe von Eingeborenen, die auf sein Befragen zur Antwort gaben, sie seien herumziehende Musikanten, die zur Nacht da und da einkehrten. Wir begaben uns also zu dem bezeichneten Nachtquartier. Die Bande bestand aus 2 Flötenspielern und 3 Trommelschlägern, die von einer Menge Volks umgeben waren. Die Trommelschläger begleiteten die Musik auch mit ihren Stimmen, und zu unserm größten Erstaunen bemerkten wir, daß _wir_ den Stoff für ihre Lieder abgaben. Wir hatten nicht vermutet, daß wir unter den wilden Bewohnern dieser entlegenen Südsee-Insel einen Stand antreffen würden, der in jenen Ländern, wo Kunst und Wissenschaft am schönsten geblüht haben, ehemals so berühmt und geehrt war -- nämlich Barden oder Minnesänger. Diese Musikanten waren tahitische Barden. Ihr Lied war unstudiert und wurde aus dem Stegreif mit Musik begleitet. Sie wanderten beständig von einem Ort zum andern, und die Hausherren und andere Zuhörer beschenkten sie für ihren Vortrag mit allerhand Dingen, deren sie bedurften. Es fehlte nicht viel, so hätte uns in den nächsten Tagen ein besonderer Vorfall trotz unsrer größten Vorsicht in einen neuen Streit mit den Insulanern verwickelt. Ich hatte das Boot mit einem Offizier an Land geschickt, um von dort Ballast für das Schiff zu holen. Weil nun der Offizier nicht sogleich Steine fand, die dazu taugten, fing er an eine Mauer niederzureißen, die um einen Beerdigungsplatz gezogen war. Die Eingeborenen widersetzten sich jedoch mit Gewalt, und ein Bote kam zu den Zelten, mir dies zu melden. Banks eilte augenblicklich zum Tatort und legte die Streitigkeit gütlich bei, indem er das Bootsvolk zum Flusse schickte wo es Steine genug gab, die man auflesen konnte, ohne die Eingeborenen im geringsten zu beleidigen. Es ist sehr merkwürdig, daß die Südsee-Insulaner viel empfindlicher waren für eine Beleidigung der Toten, als wenn man ihnen selbst, den Lebenden, ein Unrecht tat. Das war die einzige Veranlassung, die sie ihre Furcht vor uns überwinden und zu den Waffen greifen ließ; und das einzige Mal, da sie sich wirklich unterstanden, Hand an einen unserer Leute anzulegen, hatte eine ähnliche Ursache. Monkhouse, der Schiffsarzt, pflückte nämlich eines Tages eine Blüte von einem Baume, der in einem ihrer Friedhöfe stand. Ein Eingeborener, der ihn vermutlich mit Unwillen und sehr genau beobachtet hatte, lief plötzlich von hinten auf ihn zu und schlug ihn. Monkhouse erwischte den Täter; weil diesem aber augenblicklich zwei andere Eingeborene zu Hilfe eilten und den Schiffsarzt bei den Haaren packten, war er genötigt, seinen Mann fahren zu lassen. Sobald die anderen diesen wieder in Freiheit sahen, liefen auch sie davon, ohne weitere Gewalttätigkeiten zu verüben. Am Abend des 19. bekam ich Besuch von Oberea. Es befremdete uns aber nicht wenig, daß sie uns die gestohlenen Sachen nicht mitbrachte, obgleich sie doch wohl wußte, daß wir sie für die Hehlerin hielten. Als sie nun für sich und ihre Begleiter um ein Nachtlager in Banks' Zelt bat, wurde ihr das abgeschlagen. Da auch sonst niemand von uns Miene machte, sie zu beherbergen, ging sie mit offensichtlichem Verdrusse weg und übernachtete in ihrem Kanu. In der Frühe des folgenden Morgens kehrte sie mit ihrem Kanu und allem, was darinnen war, zum Fort zurück und gab sich so mit einer gewissen zuversichtlichen Größe des Geistes, die unsere Bewunderung und Erstaunen erregte, völlig in unsere Gewalt. Um uns noch geneigter zur Aussöhnung zu machen, schenkte sie uns ein Schwein und mancherlei andere Sachen, worunter auch ein Hund war. Wir hatten kurz vorher erfahren, daß die Insulaner Hundefleisch für einen großen Leckerbissen hielten und dem Schweinefleisch vorzogen. Es kam uns daher die Lust an, dieses Fleisch zu kosten, und das Geschenk Obereas verschaffte uns gute Gelegenheit dazu. Wir übergaben also den Hund, der sehr fett war, Tupia, und er übernahm das doppelte Amt eines Fleischers und Kochs. Um das Tier zu töten, hielt er ihm mit beiden Händen Maul und Nase fest zu; es dauerte aber über eine Viertelstunde, ehe der Hund tot war. Währenddessen war ein Loch in die Erde gegraben worden, das ungefähr einen Fuß tief sein mochte; man zündete ein Feuer darin an und legte einige kleine Steine schichtweise zwischen das Holz, um sie recht durchzuheizen. Hierauf wurde der Hund über das Feuer gehalten und so das Haar abgesengt. Jetzt schabte ihn einer der Wilden mit einer Muschel so rein ab, daß man hätte glauben können, er sei in heißem Wasser gebrüht worden. Man zerschnitt ihn dann mit derselben Muschel, nahm die Eingeweide heraus, spülte sie in der See und tat sie nachher nebst dem aufgefangenen Blut des Tieres in Kokosnußschalen. Sobald das Erdloch heiß genug war, wurden die Feuerbrände daraus entfernt, und man machte von den durchwärmten Steinen, die jedoch nicht so heiß waren, daß sie etwas versengten, eine Unterlage und bestreute diese mit frischem Laube. Alsdann legte man den Hund und die Eingeweide auf die Blätter, bedeckte ihn mit anderem Laube und dem Rest der heißen Steine und schüttete endlich das Loch mit Erde zu. In weniger als vier Stunden wurde die Grube wieder geöffnet und der Hund herausgenommen. Er war auf diese Art vortrefflich gebraten und nach unserem einstimmigen Urteil ein sehr leckeres Gericht. Die Hunde, die man hier zum Schlachten aufzieht, bekommen kein Fleisch, sondern nur Brotfrucht, Kokosnüsse, Yamswurzeln und ähnliche Pflanzennahrung zu fressen. Alles Fleisch und alle Fische, die die Eingeborenen essen, werden auf die beschriebene Art gebacken. Am 26. Juni reiste ich in Begleitung Banks in der Pinasse ab, um die Insel zu umschiffen, und wir kamen am nächsten Tage zu der schmalen Landenge, die beide Teile der Insel miteinander verbindet. Auf Anraten unseres tahitischen Führers, der uns sagte, daß hier das Land gut und fruchtbar sei, landeten wir. Der Häuptling des Gebietes, Matiabo, kam bald an den Strand zu uns herab, schien aber nicht das geringste von uns, noch vom Handel zu wissen, den wir trieben. Seine Untertanen hingegen brachten uns einen reichlichen Vorrat an Kokosnüssen und ungefähr 20 Brotfrüchte. Die Brotfrucht mußten wir teuer bezahlen; ein junges Schwein aber, das uns der Häuptling selbst verkaufte, bekamen wir um so billiger, nämlich für eine Glasflasche, die dem gnädigen Herrn besser gefiel als alle anderen Angebote. Er hatte übrigens eine Gans und einen Truthahn im Besitz, die vom »Delphin« auf der Insel zurückgelassen worden waren. Die Insulaner hatten ihre besondere Freude an diesen Tieren; beide waren erstaunlich feist und so zahm geworden, daß sie den Eingeborenen allenthalben nachliefen. In einem langen Hause hier sahen wir etwas uns ganz Neues. Fünfzehn menschliche Unterkiefer waren nämlich an einem Ende des Gebäudes auf einem halbrunden Brett befestigt und schienen ganz frisch zu sein. Was das erstaunlichste war: es fehlte kein einziger Zahn. Ein so seltsamer Anblick machte uns sehr neugierig; wir erkundigten uns also da und dort nach der Bedeutung dieser Kiefer, konnten aber keine Erklärung erhalten, weil das Volk uns nicht verstehen konnte oder verstehen wollte. Als wir von hier aus weiterfahren wollten, bat Matiabo um Erlaubnis, uns begleiten zu dürfen. Wir waren sehr erfreut darüber; denn der Häuptling konnte uns sehr nützlich sein, indem er uns über verschiedene Untiefen hinwegleitete. Wir ruderten längs der Küste hin. Als wir aber ungefähr zwei Drittel der für diesen Tag vorbestimmten Strecke zurückgelegt hatten, entschlossen wir uns, die Nacht am Lande zuzubringen. Nicht weit vom Strande sahen wir ein großes Haus, und Matiabo sagte uns, es gehöre einem seiner Freunde. Der Wirt empfing uns sehr freundschaftlich und befahl seinen Leuten, uns unsere Lebensmittel, mit denen wir gerade sehr gut versorgt waren, zubereiten zu helfen. Als man damit fertig war, speisten wir sehr gesellig und vertraut miteinander. Nach dem Essen erkundigten wir uns nach unserem Nachtlager; es ward uns dazu ein besonderer Teil des Hauses angewiesen. Wir ließen also unsere Überröcke holen, und Banks fing an, sich seiner Gewohnheit nach auszukleiden. Da ihn aber der kürzliche Verlust seiner Kleider vorsichtig gemacht hatte, so behielt er diese jetzt nicht mehr bei sich, sondern schickte sie an Bord des Bootes und gedachte, sich auf seinem Lager mit einheimischem Rindenzeug zu begnügen. Als Matiabo sah, daß wir uns unsere Überröcke bringen ließen, gab er vor, daß auch er einen nötig habe. Weil er sich nun sehr ordentlich aufgeführt und uns wirklich gute Dienste geleistet hatte, ließ man auch für ihn einen holen. Wir legten uns dann nieder, vermißten aber bald unsern Gesellschafter Matiabo; doch argwöhnten wir noch nichts Übles, sondern glaubten, er sei vielleicht zum Baden gegangen, wie es ja die Tahitier vor dem Schlafengehen stets tun. Es währte indessen nicht lange, so verriet uns ein anderer Eingeborener, Matiabo habe sich mit dem Überrock davongemacht. Der Häuptling aber hatte unser Vertrauen schon so sehr gewonnen, daß wir der Nachricht von seiner Flucht anfänglich keinen Glauben beimaßen. Da uns sein Entweichen bald darauf aber auch von unserem Führer Tuahan bestätigt wurde, sahen wir, daß wir betrogen waren und keine Zeit zu verlieren hatten, wenn wir das Kleidungsstück wiederbekommen wollten. Weil wir nun keine Aussicht hatten, den Dieb ohne Beihilfe der Leute, die um uns waren, zu erreichen, sprang Banks auf, erzählte den Vorfall und verlangte, daß sie uns den Rock wiederbringen sollten. Er zeigte ihnen zur Bekräftigung seines Verlangens eine seiner Pistolen, die er immer bei sich zu tragen pflegte, worauf die ganze Gesellschaft erschrocken auseinanderstob und, anstatt uns den Dieb suchen zu helfen, zum Haus hinausfloh. Wir konnten aber noch einen der Leute erhaschen und nahmen ihm das Versprechen ab, uns bei der Verfolgung zu unterstützen. Ich eilte daher mit Banks fort. Obgleich wir beständig liefen, war der Schrecken doch noch mit schnelleren Schritten uns vorausgeeilt; denn nach Verlauf von ungefähr 10 Minuten begegnete uns ein Mann, der den Überrock zurückbrachte und dabei sagte, der Dieb habe ihn bestürzt von sich geworfen. Da wir die Sache selbst wieder hatten, hielten wir es nicht der Mühe für wert, dem Täter nachzusetzen, und so entkam er. Bei unserer Rückkehr fanden wir keine Seele mehr im Hause, obgleich vorher wohl 200-300 Eingeborene sich darin angesammelt hatten. Sobald man indessen erfuhr, daß wir niemandem als nur Matiabo zürnten, kam unser Wirt mit seiner Gattin und vielen anderen wieder zurück, um den Rest der Nacht bei uns zu bleiben. Allein, es sollten uns noch mehr Unruhe und Schrecken hier beschieden sein: um 5 Uhr weckte uns nämlich die Schildwache mit der Meldung, das Boot sei gestohlen. Sie hatte es ihrer Aussage nach noch ungefähr eine halbe Stunde vorher vor Anker nicht über 50 Meter weit vom Strande gesehen. Da sie aber nicht lange nachher Ruderschläge gehört hatte, sah sie wieder nach und entdeckte, daß es weg war. Auf diesen Bericht hin standen wir in höchster Besorgnis auf und liefen zum Strand hinab. Der Morgen war heiter und sternenhell: wir konnten sehr weit sehen, aber keine Spur vom Boote entdecken. Es stand daher sehr mißlich um uns, und wir hatten Ursache genug zur äußersten Bestürzung und den schlimmsten Ahnungen. Da es völlig windstill war, konnten wir nicht annehmen, die Pinasse habe sich von ihrem Anker losgerissen, mußten vielmehr mit Recht vermuten, daß die Wilden das Boot überfallen, das Bootsvolk getötet und die Beute weggeführt hätten. Der Unsern waren nicht mehr als vier. Wir hatten nur eine Flinte und ein paar Taschenpistolen, zudem außer der Ladung keine Vorräte an Pulver und Blei. In dieser Angst und Not mußten wir ziemlich lange zubringen und alle Augenblicke erwarten, daß die Insulaner sich ihren Vorteil über uns zunutze machen würden. Endlich sahen wir zu unserer großen Freude das Boot zurückkehren. Es war durch die Ebbe von seinem Anker weggetrieben worden, ein Umstand, an den wir in der Bestürzung und Verwirrung gar nicht gedacht hatten. Sobald das Boot wieder eingetroffen war, frühstückten wir und eilten, diesen Ort zu verlassen, aus Furcht, es möchte uns hier noch Übleres begegnen. Nach einiger Zeit bemerkten wir am Lande etwas Sonderbares: die Gestalt eines Mannes, aus Ruten ziemlich unförmig geflochten, sonst aber nicht übel geformt, über 7 Meter hoch, aber etwas zu dick geraten. Das Flechtwerk bildete eigentlich nur das Skelett des Ganzen, die äußere Seite war mit Federn bekleidet, die an den Stellen, wo sie Haut darstellen sollten, weiß, an den Teilen aber, die die Eingeborenen zu bemalen oder zu färben pflegen, ebenso wie auch auf dem Kopfe, wo die Haare angedeutet sein sollten, schwarz waren. An dem Kopfe hatte die Figur vier Buckel, hervorragende Beulen, drei vorne, eine hinten; wir würden diese nicht treffender als mit Hörnern bezeichnet haben, die Tahitier aber nannten sie »Tate Ete«, d. h. kleine Männchen. Das Standbild selbst hießen sie »Manioe« und sagten, es sei das einzige in seiner Art auf der ganzen Insel. Sie gaben sich auch Mühe, uns zu erklären, welche Bedeutung und welchen Zweck es hätte. Wir hatten aber damals noch nicht genug von ihrer Sprache gelernt, um ihre Auslegung völlig zu verstehen. Jedoch erfuhren wir so viel, daß es eine Darstellung des Manioe, eines ihrer Götter zweiten Ranges, sein solle. Bald waren wir nicht mehr weit von dem Gebiete Paparra entfernt, das unseren Freunden Oamo und Oberea gehörte, und wo wir unser Nachtlager aufzuschlagen gedachten. In dieser Absicht gingen wir eine Stunde vor Sonnenuntergang an Land, fanden aber, daß sie beide ihre Wohnungen verlassen hatten, um uns ihrerseits in der Bucht von Matavai einen Besuch abzustatten. Wir legten auf diese Abwesenheit kein Gewicht, sondern nahmen unser Nachtquartier im Hause der Oberea, das zwar klein war aber einen sehr behaglichen Eindruck machte. Ihr Vater wohnte zu dieser Zeit allein darin und empfing uns sehr freundlich. Als wir uns etwas eingerichtet hatten, wollten wir die Zeit vor Anbruch der Nacht noch zu einem Spaziergang ausnützen. Wir schlugen den Weg zu einer Landspitze ein, auf der wir von weitem eine Art von Bäumchen gesehen hatten, die hier »Etoa« genannt und gewöhnlich nur an solchen Orten gepflanzt werden, wo die Eingeborenen ihre Toten begraben. Dergleichen Begräbnisplätze, an denen zugleich der Gottesdienst verrichtet wird, heißen bei ihnen Marai. Als wir dort ankamen, staunten wir über ein ungeheures Gebäude, das, wie man uns sagte, das »Marai« (Mausoleum) des Oamo und der Oberea und zugleich das größte Meisterstück tahitischer Baukunst sei. Es war aus Stein in pyramidenförmiger Gestalt erbaut und ruhte auf einer länglich-rechteckigen Basis von etwa 80 Meter Länge und 25 Meter Breite. Die Bauart glich einigermaßen den kleinen pyramidenförmigen Anhöhen, auf die wir in England bisweilen die Pfeiler für Sonnenuhren aufstellen, und die wir an jeder Seite mit einer Anzahl von Stufen versehen zu lassen pflegen. Bei diesen Gebäuden waren jedoch die Seitenstufen breiter als jene an den Enden, so daß das Gebäude nach oben zu sich wie zu einem Giebeldach verjüngte. Wir zählten elf solcher Stufen, und jede war über einen Meter hoch, so daß also die Höhe des Ganzen fast 13 Meter betrug. Jede Stufe bestand aus einer Reihe weißer Korallensteine, die recht regelmäßig und viereckig behauen und geglättet waren. Das Fundament war aus Felsenstücken gesetzt, die gleichfalls viereckig zugehauen und zum Teil ganz ansehnlich waren; denn eines davon war nicht weniger als über ein Meter lang und fast ein halbes Meter breit. Ein solches Gebäude von einem Volke ausgeführt zu sehen, das gar kein Eisenwerkzeug zum Behauen und keinen Mörtel zur Verbindung der Steine kannte, setzte uns in nicht geringes Erstaunen. Da wir in der ganzen Gegend keinen Steinbruch sahen, mußten die Quadern aus großer Entfernung dahin geschafft worden sein, alles mit der unsäglichsten Mühe. Denn sie kennen kein Mittel, etwas von einer Stelle zur anderen zu bringen, als Menschenhände. Auch konnten sie die Korallensteine nicht anders als aus dem Wasser heraufgeholt haben, wo man sie in beträchtlicher Tiefe häufig finden kann. Sowohl die Felsblöcke wie die Korallensteine konnten nur mit steinernen Werkzeugen behauen, und das mußte eine unglaublich schwierige Arbeit gewesen sein. Das Glätten hingegen konnten sie vermittels des scharfen Korallensandes, den man am Strande findet, weit leichter bewerkstelligt haben. Mitten auf der Spitze des Baues stand ein aus Holz geschnitzter Vogel, und bei ihm lag eine aus Stein gehauene Fischfigur, die aber zerbrochen war. Die ganze Pyramide nahm fast die eine Seite eines geräumigen viereckigen Platzes ein, dessen Seiten einander beinahe gleich waren. Dieser ganze Bezirk war mit einer steinernen Mauer umgeben und überall mit breiten, flachen Steinen gepflastert; trotz der Pflasterung wuchsen jedoch verschiedene Etoa-Bäume und Bananen darin. Wonach man in Tahiti am emsigsten trachtet, ist der Besitz eines schönen »Marai«, und dieses hier war so ein sehr deutlicher Beweis von der Macht der Oberea. Es ist bereits erwähnt worden, daß sie zur Zeit unserer Anwesenheit nicht mehr so viel Ansehen und Gewalt zu haben schien, wie damals, als der »Delphin« hier lag. Wir erfuhren jetzt auch die Ursache davon. Als wir nämlich längs des Seestrandes zu ihrem Marai gingen, sahen wir den ganzen Weg mit Menschengebeinen, besonders Rippen und Wirbeln, bedeckt. Auf unsre Frage, welche Bewandtnis es mit dieser Menge unbestatteter Totengebeine habe, sagte man uns, daß im Dezember 1768 der Stamm der südöstlichen Halbinsel, die wir kurz zuvor besucht hatten, einen Einfall in diese Gegend gewagt und eine Menge Menschen getötet habe, deren Gebeine das eben wären. Nach diesem unglücklichen Vorfall sei Oberea und Oamo, der damals die Regierung für seinen Sohn verwaltete, ins Gebirge geflohen. Die Sieger hätten darauf die hier gelegenen Häuser, die sehr groß gewesen, verbrannt und die Schweine und andere Tiere, die sie gefunden, mit sich fortgenommen; unter anderen wären auch die Gans und der Truthahn, die wir unlängst bei Matiabo, dem Diebe unseres Überrockes, gesehen hatten, mitfortgeschleppt worden. Das erklärte uns denn auch, daß wir die Tiere bei Leuten angetroffen hatten, die nicht mit dem »Delphin« in Handelsbeziehungen gestanden hatten, und als wir der Kieferknochen erwähnten, die wir auf einem langen Brette befestigt in einem Hause dort gesehen hatten, berichtete man uns, daß die Feinde solche als Siegeszeichen aufstellten. Als wir unsere Wißbegierde so befriedigt hatten, kehrten wir zu unserer Herberge zurück und übernachteten dort in vollkommener Sicherheit und Ruhe. Bei unserer Rückkehr nach dem Fort, zwei Tage darauf, drängten sich unsere braunen Freunde um uns, und keiner von ihnen allen kam mit leeren Händen. Ich hatte mir zwar schon längst vorgenommen, alle bisher zurückgehaltenen Kanus ihren Eigentümern wieder zurückzugeben; allein, es war bisher noch immer nicht geschehen. Jetzt aber gab ich eines nach dem andern frei, sobald sich die Eigentümer meldeten. Allmählich fingen wir an, uns zur Abreise zu rüsten; der Wasserbedarf war bereits in das Schiff aufgenommen, und unsere Lebensmittelvorräte waren untersucht worden. Während dieser Zeit bekamen wir Besuch von Oamo und Oberea nebst ihren beiden Kindern, dem Sohne und der Tochter. Die Eingeborenen bezeigten diesen Personen ihre Ehrfurcht durch Entblößen des Oberleibes. Die Tochter namens Toimata war sehr neugierig, das Fort von innen zu sehen. Ihr Vater wollte es jedoch nicht zugeben. Teari, der Sohn des Beherrschers der südöstlichen Halbinsel, befand sich zu dieser Zeit ebenfalls bei uns, und wir bekamen Nachricht daß auch noch ein anderer Gast angekommen sei, dessen Besuch wir weder vermuteten, noch wünschten. Es war kein anderer als der verschlagene Bursche, der damals Mittel gefunden hatte, uns den Quadranten zu stehlen. Man berichtete uns, er sei willens, in der Nacht sein Glück noch einmal zu versuchen. Alle anwesenden Eingeborenen erboten sich, uns gegen ihn beizustehen, und baten, wir möchten ihnen aus diesem Grunde erlauben, im Fort zu übernachten. Das ward ihnen gern bewilligt und tat eine so gute Wirkung, daß der Dieb von seinem Versuche ohne weiteres Abstand nahm. Am 7. Juli fingen die Zimmerleute an, das Tor und die Palisaden einzureißen, weil wir diese als Brennholz an Bord des Schiffes verwenden wollten. Einer von den Eingeborenen bewies bei dieser Gelegenheit wieder seine Geschicklichkeit: er stahl nämlich die Türangel mit dem dazugehörigen Haken. Man setzte ihm augenblicklich nach. Als die zur Verfolgung nachgeschickte Patrouille etwa 6 Kilometer weit gelaufen war, bemerkte sie, daß der Dieb seitwärts entschlüpft sein und sich in einem Schilfdickicht versteckt haben mußte, so daß sie nichtsahnend an ihm vorbeigelaufen war. Sie fing also an, das Schilf abzusuchen; der Dieb aber war bereits entkommen. Doch fand man hier ein Kratz- und Scharreisen, das einige Zeit vorher im Schiffe gestohlen worden war. Bald darauf brachte auch unser alter Freund Tuburai Tamaide die Türangel wieder zurück. Am 8. und 9. fuhren wir fort, die Festung zu schleifen. Unsere braunen Freunde versammelten sich noch immer bei uns. Einige taten es vielleicht aus wirklicher Betrübnis über unsre nahe Abreise; andere vielleicht in der Absicht, die Gelegenheit nicht zu versäumen, noch etwas von unsren Sachen zu erhaschen. Unter den Eingeborenen, die fast beständig um uns waren, befand sich auch Tupia, von dem hier schon mehrmals die Rede gewesen ist. Er war, wie ich bereits angedeutet habe, der vornehmste Minister Obereas gewesen, zur Zeit, da ihre Gewalt am größten war. Er war zugleich der oberste »Tahaua« oder Priester der Insel und kannte demnach die Religion des Landes, ihre Grundsätze und Zeremonien am besten. Auch besaß er große Erfahrung und Verständnis für die Schiffahrtskunde und eine genaue Kenntnis der Lage und Anzahl der benachbarten Inseln. Dieser Mann hatte oft das Verlangen geäußert, uns auf der Reise zu begleiten. In dieser Absicht kam er am 12. morgens mit einem ungefähr dreizehnjährigen Knaben, der sein Bedienter war, an Bord und bat uns inständig, ihn auf unsrer Fahrt mitzunehmen. Einen solchen Mann bei uns an Bord zu haben, war aus vielen Gründen wünschenswert. Wenn wir seine Sprache lernten und ihn die unsrige lehrten, konnten wir uns schmeicheln, eine ungleich bessere Kenntnis von den Gebräuchen, der Staatsverfassung und Religion dieses Volkes zu erlangen, als wir während unseres kurzen Aufenthalts erworben hatten. Ich willigte daher mit Freuden ein. Tupia machte sich einen kurzen Aufschub zunutze, um noch einmal an Land zu gehen, und sagte, er wolle uns am Abend ein Zeichen geben, ihn abzuholen. Er verließ uns also und nahm ein kleines Bild von Banks, um es seinen Freunden zu zeigen, und verschiedene Kleinigkeiten mit, die er ihnen beim Abschied schenken wollte. Nach dem Mittagessen wünschte Banks noch eine Zeichnung von dem Marai zu bekommen, das dem Tutaha gehörte und zu Eparre lag. Ich begleitete ihn nebst Dr. Solander in der Pinasse dahin. Sobald wir landeten, kamen uns viele unsrer Freunde entgegen. Wir gingen sogleich zu Tutahas Behausung, wo Oberea und verschiedene andere sich bei uns einfanden. Sie versprachen, am folgenden Morgen früh noch einmal ans Schiff zu kommen und zum letzten Male Abschied zu nehmen, weil wir ihnen mitgeteilt hatten, daß wir am Nachmittag bestimmt absegeln würden. Bei Tutaha trafen wir unter anderen auch den Tupia, der mit uns zurückkehrte und diese Nacht zum ersten Male an Bord schlief. [Illustration: Sie winkten den Kanus zu, solange man sie sehen konnte.] Am folgenden Morgen, Donnerstag, den 13. Juli, füllte sich die »Endeavour« schon früh mit unseren Freunden. Eine Menge von Kanus, die von Eingeborenen niederen Standes wimmelten, umringten das Schiff. Zwischen 11 und 12 Uhr lichteten wir die Anker, und sobald die »Endeavour« unter Segel war, nahmen die an Bord befindlichen Insulaner von uns Abschied und weinten in bescheidener und wohlanständiger Betrübnis, die etwas ungemein Zärtliches und Rührendes an sich hatte. Das Volk in den Kanus hingegen klagte laut ob unseres Scheidens, und jeder schien seine Stimme um die Wette mit den andern zu erheben: eben darum kam uns diese Betrübnis mehr gemacht als natürlich vor. Tupia bewies bei diesem Auftritt eine wahrhaft bewunderungswürdige Standhaftigkeit und Entschlossenheit. Er weinte zwar auch; allein sowohl seine Tränen, als auch die Gewalt, die er sich antat, um sie zurückzuhalten, machten ihm gleich viel Ehre. Er stieg schließlich mit Banks auf den Mastkorb, wo sie beide den Kanus zuwinkten, solange man sie sehen konnte. [Illustration] [Illustration] Kapitän Cooks Ermordung auf den Sandwichinseln Von Kapitän _James King_ An der Westküste der Insel Hawaii, im Bezirk Akona, liegt eine Bucht, die bei den Einwohnern Karakakua (Kealakeakua) heißt. Sie geht ungefähr ein Kilometer landeinwärts, und ihre Grenzpunkte sind zwei flache, ein halbes Kilometer weit in der Richtung von Südsüdost und Nordnordwest voneinander gelegene Landspitzen. Auf der nördlichen, die niedrig und unfruchtbar ist, liegt ein Dorf, das die Eingeborenen Kauraua nennen. Ein zweites, größeres, namens Kakua, liegt in der Vertiefung der Bucht, an einem Hain von hohen Kokospalmen; zwischen beiden ragt ein steiles, schroffes Felsenufer hervor, das von der Seeseite unzugänglich ist. Südwärts hat das Land, etwa ein Kilometer einwärts, ein rauhes Ansehen. Allein, jenseits dieser Strecke hebt es sich mit einer sanften Lehne und zeigt überall umzäunte Pflanzungen mit Kokoswäldchen, zwischen denen alles mit Wohnungen gleichsam besät ist. Das Seeufer rund um die Bucht ist gänzlich mit schwarzem Korallenfelsen bedeckt; bei stürmischem Wetter ist daher das Landen sehr gefährlich. Doch befindet sich neben dem Dorfe Kakua ein schöner mit Sand bedeckter Strand, an dessen einem Ende man einen Begräbnisort oder ein »Marai« und am entgegengesetzten einen Bach mit Süßwasser antrifft. Kapitän Cook fand diese Bucht für seinen Plan, die Schiffe auszubessern und zugleich Wasser und Lebensmittel einzunehmen, sehr geeignet und ließ deshalb die »Resolution« und »Discovery« hier vor Anker gehen. Die Eingeborenen hatten kaum bemerkt, daß wir willens wären, in der Bucht zu ankern, als sie schon in hellen Haufen zum Strande herbeieilten und ihre Freude durch Singen, Jubelgeschrei und allerlei wilde, überschwengliche Gebärden zu erkennen gaben. In kurzer Zeit stiegen sie scharenweise an Bord, bald darauf saßen sie auch schon überall an den Seiten und im Takelwerk der beiden Schiffe in unzähliger Menge. Eine große Anzahl Frauen und kleiner Jungen, die keine Kanus hatten bekommen können, schwammen um uns herum und blieben auch, da sie an Bord keinen Platz mehr fanden, den ganzen Tag über im Wasser. Unter anderen Vornehmen, die sich an Bord der »Resolution« begaben, zeichnete sich bald ein junger Mann namens Paria durch sein würdevolles Benehmen aus. Er stellte sich selbst dem Kapitän Cook vor und eröffnete ihm, er sei ein Vertrauter des Königs. Letzterer war gegenwärtig auf einer kriegerischen Unternehmung gegen die Insel Mauwi begriffen, von wo man ihn in 3 bis 4 Tagen zurück erwartete. Kapitän Cook machte dem Paria einige Geschenke und gewann ihn dadurch ganz und gar für uns. Dies war kein geringer Vorteil; denn ohne ihn wären wir schwerlich mit seinen Landsleuten fertig geworden. Schon sehr bald ereignete sich ein Vorfall, bei dem wir seiner Hilfe bedurften. Wir hatten noch nicht lange vor Anker gelegen, als wir bemerkten, daß sich die »Discovery« stark auf eine Seite neigte, weil sich auf ebenderselben eine ungeheure Menge Menschen angeklammert hatte. Zugleich wurden wir auch gewahr, daß die Mannschaft die großen Scharen, die sich noch immer in das Schiff drängten, nicht mehr zurückhalten konnte. Aus Besorgnis zeigte Kapitän Cook unserm Paria diese Gefahr, und dieser eilte augenblicklich der »Discovery« zu Hilfe, trieb die Leute hinaus und nötigte sogar die Kanus, die sich in unzähliger Menge darumpostiert hatten, sich zu entfernen. Dieser Vorfall schien zu beweisen, daß die Gewalt der Vornehmen über die niederen Volksmassen in höchstem Grade despotisch sein müsse. Noch an ebendem Tage bestätigte uns das ein Vorfall auf der »Resolution«. Der Schwarm der Eingeborenen hatte sich an Bord so vermehrt, daß wir unsere Geschäfte nicht mehr verrichten konnten. Kapitän Cook wandte sich daher an Kanina, einen Vornehmen, der ihm ebenfalls zugetan war. Dieser befahl sogleich allen seinen Landsleuten, das Schiff zu verlassen. Und zu unserem nicht geringen Erstaunen sprangen sie, ohne sich einen Augenblick zu bedenken, alle über Bord. Ein einziger blieb etwas zurück und hatte, wie es schien, keine rechte Lust, dem Befehl zu gehorchen: sogleich hob ihn Kanina mit beiden Armen auf und schleuderte ihn ins Meer. Die beiden hier genannten Befehlshaber waren starke, schön gewachsene Männer von ganz besonders angenehmer Gesichtsbildung. Kanina war einer der schönsten Männer, die ich je gesehen habe: er hatte regelmäßige, ausdrucksvolle Züge und funkelnde, dunkelfarbige Augen. Sein Gang war ungezwungen, fest und voll Anstand. Während des langen Zeitraums, den wir mit Kreuzen um die Insel zugebracht hatten, war das Betragen der Eingeborenen, die von Zeit zu Zeit in See zu uns kamen, untadelhaft, ehrlich und aufrichtig gewesen und hatte nie eine Spur von diebischen Gelüsten verraten. Wir waren darüber sehr erstaunt, zumal da wir es nur mit Personen vom niedrigsten Stande, entweder Leibeigenen oder Fischern, zu tun gehabt hatten. Nunmehr aber wandte sich das Blatt, und die unzähligen Scharen, die in jedem Winkel des Schiffes ihr Wesen trieben, benutzten fleißig jede Gelegenheit, unbemerkt stehlen und vielleicht sogar entkommen zu können; denn unser waren wir nur wenige. Zum Teil glaubten wir, diese Veränderung in ihrem Betragen der anfeuernden Gegenwart ihrer Befehlshaber zuschreiben zu müssen: wenn wir nämlich einer verschwundenen Sache nachspürten, fanden wir sie zuletzt gewöhnlich im Besitze irgendeines Mannes von Ansehen, auf dessen Veranlassung der Diebstahl also augenscheinlich begangen worden war. Bald nachdem unser Schiff verankert war, führten unsere beiden Freunde Paria und Kanina einen dritten Befehlshaber namens Koah an Bord. Man gab uns zu verstehen, er sei ein Priester und habe sich in seiner Jugend als Krieger ausgezeichnet. Er war ein hagerer, schwacher, alter Mann von unansehnlicher Gestalt, mit triefenden, roten Augen, am ganzen Leib mit einem weißen Aussatz oder Schorf bedeckt, was eine Folge des unmäßigen Kawa-Trinkens war. Man führte ihn in die Kajüte, wo er sich dem Kapitän Cook in großer Ehrfurcht nahte und ihm ein Stück roten Zeugs, das er zu diesem Zwecke mitgebracht hatte, über die Schulter warf. Dann trat er einige Schritte zurück, bot ein kleines Ferkel dar und hielt es so lange, bis er eine ziemlich lange Rede beendet hatte. Diese Feierlichkeit, die wir während unseres Aufenthalts in Hawaii noch zu mehreren Malen sahen, sollte, soviel wir aus allerlei Nebenumständen schließen konnten, eine Art von gottesdienstlicher Anbetung vorstellen; denn die Götzenbilder der Einwohner waren sämtlich mit rotem Zeug bekleidet, und ihren »Eatuas« (Göttern) brachten sie gewöhnlich kleine Ferkel zum Opfer dar. Nach der Zeremonie aß Koah mit dem Kapitän Cook und genoß reichlich von allem, was ihm vorgesetzt wurde, nur daß er, wie überhaupt alle Bewohner dieser Inselgruppe, Wein und andere geistige Getränke ungern zum zweiten Male kosten wollte. Abends begleiteten Kapitän Cook und ich ihn an Land. Wir stiegen auf dem sandigen Strande aus, wo uns vier Männer mit Stäben empfingen, an deren Ende ein Büschel Hundshaare hing. Sie gingen vor uns her und riefen dabei mit lauter Stimme eine kurze Formel aus, wovon wir indes nur das Wort »Orono« (Gott) unterscheiden konnten. Die am Ufer versammelte Menge entfernte sich bei unserem Herannahen, und es ließ sich niemand sehen, einige wenige ausgenommen, die sich unweit der Hütten des benachbarten Dorfes zur Erde niedergeworfen hatten. Ehe ich die Anbetung, die dem Kapitän Cook hier bezeigt wurde, und die übrigen Feierlichkeiten bei seinem Empfang auf dieser Insel schildere, muß ich noch etwas von dem Marai sagen, das an der Südseite des Strandes von Kakua lag. Dieses dem Gottesdienste geweihte Gebäude bestand aus einem viereckigen dichten Steinhaufen, der etwa 40 Schritt lang, 20 breit und 14 Schritt hoch sein mochte. Oben war es platt und eben, gut gepflastert und mit einem hölzernen Zaune umgeben, auf dem die Schädel der beim Tode ihrer Vornehmen geopferten Gefangenen steckten. Mitten in dem so eingeschlossenen Platze stand ein verfallenes, altes, hölzernes Gebäude, das mit dem Zaun zu beiden Seiten durch eine steinerne Mauer zusammenhing, so daß der ganze Raum in zwei Teile geschieden war. Auf der landeinwärts gelegenen Seite standen fünf, etwa 6 Meter lange Pfähle, die einem etwas unregelmäßigen Gerüste zur Stütze dienten. Gegenüber, nach dem Meere hin, waren zwei kleine Häuser erbaut, die durch einen bedeckten Gang miteinander zusammenhingen. Koah führte uns auf einem bequemen Steige, der von dem Strande nach der nordwestlichen Ecke des gepflasterten Hofes hinaufging, auf die Zinne dieses Gebäudes. Am Eingang in den Hof erblickten wir zwei hölzerne Standbilder mit verzerrten Zügen, von denen jedes ein langes, geschnitztes Stück Holz in Form eines umgekehrten Kegels auf dem Kopfe hatte. Der übrige Körper war nicht ausgearbeitet, sondern in rotes Zeug gehüllt. Hier trat uns ein junger Mann von hohem Wuchs mit einem langen Barte entgegen und stellte Kapitän Cook den Bildsäulen vor. Dann sang er eine Art von Hymnus, in den Koah miteinstimmte, und führte uns nachher an das jenseitige Ende des Marai, wo die 5 Pfähle standen. An dieser Stelle bildeten 12 Standbilder einen Kreis, und gerade vor der mittelsten Figur stand ein hoher Tisch oder ein Gestell, das genau dem »Uatta« oder Altar in Tahiti ähnlich war. Auf ihm lag ein bereits in Fäulnis übergegangenes Schwein und unter ihm eine Menge Zuckerrohr, Kokosnüsse, Brotfrucht, Bananen und süße Bataten. Koah stellte den Kapitän unter diesen Altar, nahm das Schwein herunter und hielt es ihm vor, wobei er zum zweitenmal mit vieler Heftigkeit und geläufiger Zunge eine lange Rede hielt. Hierauf ließ er das Schwein zur Erde fallen und, führte unsern Kapitän an das Gerüst. Beide kletterten unter Gefahr das beschwerliche Stück hinan. Nunmehr sahen wir oben auf dem Marai eine feierliche Prozession herankommen. Sie bestand aus 10 Männern, die ein großes lebendiges Schwein und ein großes Stück rotes Zeug trugen. Nachdem sie noch ein paar Schritte vorwärts getan hatten, hielten sie still und warfen sich zur Erde nieder. Kärikia, der vorhin erwähnte junge Mann, ging zu ihnen, nahm ihnen das Zeug ab und brachte es dem Koah, der den Kapitän damit bekleidete. Hierauf brachte er ihm das Schwein dar, das Kärikia währenddessen auf ebendie Art wie das Zeug geholt hatte. Als nun Kapitän Cook, so in rotes Zeug gewickelt, in einer etwas unbequemen Stellung in der Höhe stand und sich nur mit Mühe an den Stücken des morschen Gerüstes festhalten konnte, fingen Kärikia und Koah ihren Gottesdienst an und sangen zuweilen gemeinsam, zuweilen abwechselnd. Das dauerte eine geraume Zeit. Endlich ließ Koah das Schwein fallen und stieg mit Kapitän Cook herunter. Nunmehr führte er ihn an den zuletzt erwähnten Bildsäulen vorbei, sagte im Vorübergehen jedem Bilde etwas in einem höhnenden Tonfall und schnippte mit den Fingern gegen sie. Endlich brachte er ihn vor das mittelste Bild, das, da es mit rotem Zeug bekleidet war, in höherem Ansehen stehen mochte. Daher fiel er auch davor nieder, küßte es und verlangte ein gleiches von Kapitän Cook, der sich bei dieser ganzen Feierlichkeit durchaus nach Koahs Vorschrift verhielt. Hierauf führte man uns zurück in die andere Abteilung des Marai, wo sich eine Vertiefung im Pflaster befand, die 3-4 Meter im Quadrat und 1 Meter Tiefe haben mochte. Wir stiegen hinab, und Kapitän Cook mußte sich zwischen zwei hölzerne Bildsäulen setzen, indes Koah den einen Arm des Kapitäns unterstützte und mich den andern stützen hieß. Hierauf kam eine zweite Prozession von Eingeborenen, die ein gebratenes Schwein, einen Pudding nebst Kokosnüssen, Brotfrucht und anderen Pflanzenspeisen trugen. Als sie sich näherten, trat Kärikia an ihre Spitze und hielt das Schwein wie gewöhnlich dem Kapitän vor. Zugleich fing er wie vorher einen Gesang an, auf den seine Gehilfen bei passenden Stellen antworteten. Nach jeder Gegenstrophe schienen die Absätze kürzer zu werden, bis zuletzt Kärikia nur zwei oder drei Worte sang, worauf denn die übrigen zum Beschluß das Wort »Orono« ausriefen. Diese Opferzeremonie dauerte ungefähr eine Viertelstunde. Als sie vorbei war, setzte sich das Volk uns gegenüber nieder und fing an, das gebratene Schwein zu zerlegen, die Pflanzenspeisen zu schälen und die Kokosnüsse aufzubrechen. Andere waren mit Zubereitung des Kawatranks beschäftigt, wozu, wie auf den Freundschaftsinseln, die Wurzel des Pfefferstrauchs gekaut wird. Kärikia nahm ein Stück vom Kern einer Kokosnuß, kaute es, wickelte es in ein Stück Zeug und rieb damit dem Kapitän Gesicht, Kopf, Hände, Arme und Schultern ein. Hierauf ging der Kawatrank herum, und nachdem wir davon gekostet hatten, machten sich Paria und Koah daran, das Fleisch des Schweines in kleinere Stücke zu zerreißen und uns in den Mund zu stopfen. Ich konnte es leicht ertragen, daß mich Paria fütterte, da er sich in allen Stücken sehr reinlich hielt; allein, Kapitän Cook, der von Koah bedient wurde, erinnerte sich an das erste, halbverweste Schwein und konnte keinen Bissen hinunterschlucken. Dazu kam noch, daß der Alte, um ihm eine besondere Ehre anzutun, den Bissen erst selbst durchkäute, wodurch natürlicherweise des Kapitäns Ekel nicht gerade vermindert wurde. Als diese letzte Zeremonie, die Kapitän Cook, so gut er konnte, beschleunigte, vorbei war, verteilten wir einige Stückchen Eisen nebst anderen Kleinigkeiten unter das Volk, das damit äußerst zufrieden schien, und verließen dann das Marai. Die Männer mit den Stäben begleiteten uns wieder an unsere Boote und wiederholten dabei dieselben Worte, die sie schon vorher, als wir das Land betraten, gesagt hatten. Die Eingeborenen zogen sich zurück, und die wenigen, die in der Nähe blieben, fielen, während wir längs dem Ufer vorübergingen, zur Erde nieder. Wir eilten sogleich an Bord, hatten den Kopf voll von alldem, was wir gesehen, und waren höchst vergnügt, daß unsere neuen Freunde es so überaus gut mit uns zu meinen schienen. Schwerlich läßt sich die Bedeutung der verschiedenen Feierlichkeiten, womit man uns empfangen hatte, bestimmt angeben; selbst die Mutmaßungen darüber können nur unsicher und einseitig sein: indes verdienten sie, wegen ihrer Neuheit und Sonderbarkeit, ausführlich beschrieben zu werden. Ohne allen Zweifel lag darin der Ausdruck einer tiefen Ehrfurcht, die sogar, was Kapitän Cook persönlich betrifft, nahe an wirkliche Anbetung zu grenzen schien. Am folgenden Morgen ging ich mit einer Wache von 8 Seesoldaten, Leutnant und Korporal mitinbegriffen, an Land, um die Sternwarte in einer solchen Lage errichten zu lassen, daß ich zugleich auf die mit Wasserfüllen und andern Arbeiten beschäftigten Leute achthaben und sie erforderlichenfalls beschützen könnte. Indem wir in dieser Absicht einen Platz mitten im Dorfe besichtigten, der uns sehr bequem dünkte, erbot sich Paria mit immer gleicher Bereitwilligkeit, sowohl um sein Ansehen geltend zu machen, als auch um uns eine Gefälligkeit zu erweisen, er wolle einige Hütten niederreißen lassen, die uns am Beobachten hinderlich sein könnten. Allein, wir hielten es für das beste, dieses Anerbieten abzulehnen, und wählten ein Batatenfeld dicht am Marai, das man uns auch ohne Widerrede einräumte. Um aller Zudringlichkeit von seiten der Einwohner zuvorzukommen, heiligten die Priester sogleich diesen Bezirk, und zwar dadurch, daß sie ihre Stäbe rund umher an der Mauer, die ihn einschloß, befestigten. Diese Art von religiösem Verbot heißt bei ihnen »Tabu«, ein Wort, das wir während unseres Aufenthaltes bei den hiesigen Insulanern oft aussprechen hörten, und dessen Wirkung sich sehr weit erstreckte. Nie wagte es ein Kanu, in unserer Nähe anzulanden. Die Eingeborenen setzten sich wohl auf die Mauer; allein, in den verbotenen oder tabuierten Bezirk hineinzutreten, wagte keiner, bevor wir ihm nicht die Erlaubnis dazu gaben. Auch waren es nur Männer, die auf unser Verlangen mit Lebensmitteln über das Feld kamen; die Frauen hingegen hielten sich fern. Wir hatten noch nicht lange unsere Sternwarte eingerichtet, als wir in unserer Nachbarschaft die Wohnungen einer Gesellschaft von Priestern entdeckten, die unsere Aufmerksamkeit dadurch auf sich zogen, daß sie sich zu bestimmten Zeiten am Marai einfanden, um ihre Amtsgeschäfte zu verrichten. Ihre Hütten standen rings um einen Teich mit Wasser in einem Haine von Kokospalmen, der sie von dem Strande und von dem übrigen Dorfe abschloß und völlig ein klostermäßiges, ja, einsiedlerisches Aussehen hatte. Ich gab Kapitän Cook von dieser Entdeckung Nachricht, und er nahm sich deshalb einen Besuch dortselbst vor. Gleich nach seiner Ankunft am Strande führte man ihn zu einem geheiligten Gebäude, das hier »Harre-no-Orono«, das »Haus des Orono«, genannt wurde. Vor dem Eingange hieß man ihn, am Fuß eines hölzernen Götzenbildes niedersitzen, das von ebender Art wie jene auf dem Marai zu sein schien. Hier mußte ich wieder einen seiner Arme unterstützen, indes Kärikia ihn mit rotem Zeuge bekleidete und in Begleitung von zwölf Priestern ihm mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten ein Ferkel zum Opfer brachte. Man schnürte hierauf dem Tiere den Hals zu und warf es in ein dazu bereitetes Holzfeuer. Sobald die Haare abgesengt waren, brachte man es wieder dar und wiederholte dabei den oben beschriebenen Gesang. Dann hielt man das tote Ferkel dem Kapitän eine Zeitlang unter die Nase und legte es hernach nebst einer Kokosnuß zu seinen Füßen. Hierauf setzten sich die Priester, bereiteten Kawa und ließen die damit gefüllte Kokosnußschale herumgeben. Zuletzt ward ein fettes, ganz zubereitetes Schwein aufgetragen, womit man uns wie das vorige Mal fütterte. Sooft Kapitän Cook während unseres Aufenthaltes in der Bucht an Land kam, ging einer von den Priestern vor ihm her, rief aus, daß der »Orono« gelandet sei, und befahl dem Volke, sich niederzuwerfen. Ebenderselbe Priester war auch sein immerwährender Begleiter, sooft er sich ins Boot begab. Hier stand er mit einem Stabe in der Hand gewöhnlich im Vorderteil und verkündigte den Eingeborenen in ihren Kähnen Cooks Annäherung, worauf sie unverzüglich mit Rudern innehielten, sich auf das Gesicht niederwarfen und so lange in dieser Stellung blieben, bis er vorüber war. Sooft er sich bei der Sternwarte aufhielt, kam Kärikia sogleich mit seinen Amtsbrüdern herbeigeeilt und überreichte mit den gewöhnlichen Feierlichkeiten Schweine, Kokosnüsse und Brotfrucht. Bei dieser Gelegenheit baten oftmals geringere Befehlshaber um Erlaubnis, dem »Orono« ein Geschenk bringen zu dürfen, und wenn ihnen diese Bitte gewährt wurde, boten sie in eigener Person, gewöhnlich mit deutlichem Ausdruck von Furcht in ihren Zügen, das Schwein dar, indes Kärikia und die Priester den gewöhnlichen Hymnus sangen. Soweit war das meiste nur Höflichkeitsbezeigung, nur äußere Feier und Parade. Dabei ließ es jedoch die Priestergesellschaft nicht bewenden. Unsere am Lande sich aufhaltende Abteilung erhielt täglich einen Vorrat von Schweinen und Pflanzenspeisen, der mehr als ausreichend für unseren Unterhalt war. Und mit gleicher Sorgfalt und Genauigkeit schickten sie täglich mehrere Kähne mit Lebensmitteln an Bord, ohne je das geringste dafür zu verlangen, ohne auch nur einen entfernten Wink deswegen zu geben. Ihre Geschenke schienen, da sie mit solcher Regelmäßigkeit wiederholt wurden, in der Tat viel mehr Ausübungen einer Religionspflicht, als bloße Wirkungen der Freigebigkeit zu sein. Wir erkundigten uns zuweilen, auf wessen Kosten man uns so herrlich bewirtete, und erhielten zur Antwort, es geschehe auf Kosten eines vornehmen Mannes namens Ka-u, des Oberpriesters. Dieser Mann, von dem man uns zugleich sagte, daß er Kärikias Großvater wäre, begleitete den König und war daher abwesend. Alles, was den Charakter und das Betragen dieses Volkes betrifft, muß dem Leser wegen des nachher erfolgten traurigen Auftrittes doppelt wichtig sein. Es gehört also auch die Bemerkung hierher, daß wir nicht immer ebensoviel Ursache hatten, mit der Aufführung der kriegerischen Befehlshaber oder »Erihs« so zufrieden zu sein wie mit der der Priester. Im ganzen Verkehr mit jenen fanden wir sie sehr auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Und wollte man auch ihre Diebereien entschuldigen, weil dieser Hang unter den Insulanern der Südsee allgemein ist, so ließen sie sich doch noch außerdem allerlei Anschläge zuschulden kommen, die nicht eben rühmlich waren. Hiervon nur ein Beispiel, worin, zu meinem Leidwesen, hauptsächlich unser Freund Koah mitverflochten war. Wenn uns irgendein Mann von Ansehen Schweine zum Geschenke brachte, pflegten wir jederzeit beträchtliche Gegengeschenke zu machen. Die Folge war unausbleiblich: es fehlte uns nicht nur nie an Proviant, sondern wir hatten gewöhnlich weit mehr, als wir brauchen konnten. Bei solchen Gelegenheiten pflegte Koah, der unser unermüdlicher Begleiter war, sich die Schweine auszubitten, die uns zur Last waren, und er konnte allemal gewiß sein, sie sicher zu erhalten. Einst brachte ein Befehlshaber, den Koah selbst uns vorgestellt hatte, ein Schwein zum Geschenk, das wir als eines derer erkannten, die noch eben zuvor an Koah verabfolgt worden waren. Wir hegten gleich den Verdacht, daß man uns zu hintergehen suchte, und entdeckten auf weitere Nachfrage bald, daß der angebliche Befehlshaber nur ein gewöhnlicher Mann war. Jetzt erinnerten wir uns auch mancher anderer Einzelheiten, die uns zu der Vermutung veranlaßten, daß man uns schon mehrmals auf ähnliche Weise ausgebeutet hatte. [Illustration] Alles nahm seinen gewohnten Gang bis zum 24. Januar, da zu unserer großen Verwunderung kein einziges Kanu vom Lande abstieß und keiner von den Eingeborenen aus seinem Hause hervorkam. Nach Verlauf einiger Stunden erfuhren wir endlich, daß die Bai tabuiert und der Verkehr mit uns aufgehoben wäre, weil Terriobu nunmehr ankommen würde. Wir hatten auf einen solchen Vorfall nicht gerechnet und für den heutigen Tag noch kein Gemüse eingetauscht, mußten also diesmal darauf verzichten. Unsere Leute waren indessen zu sehr an diese Erfrischungen gewöhnt, um sie so plötzlich entbehren zu können; daher suchten sie am folgenden Morgen die Einwohner durch Drohungen und Versprechungen herbeizulocken. Schon war es ihnen so weit gelungen, daß einige sich fertigmachten, mit ihren Kanus vom Lande abzustoßen, als ein Befehlshaber hinzukam und die Eingeborenen auseinanderzujagen versuchte. Man schoß ihm eine Flintenkugel über den Kopf hinweg, und dies hatte sogleich den gewünschten Erfolg, daß er sein Vorhaben aufgab, und die Zufuhr von nun an wieder offen blieb. Nachmittags kam Terriobu, doch gleichsam nur inkognito, um seinen Besuch an Bord der Schiffe abzustatten. Ihn begleitete nur ein Kanu, in dem seine Gemahlin und seine Kinder saßen. Er blieb bis gegen 10 Uhr abends an Bord und kehrte dann nach dem Dorfe Kauraua zurück. Am folgenden Tage, gegen Mittag, fuhr der König in einem großen Kanu, von zwei andern begleitet, von dem Dorfe ab und ließ sich langsam und mit großer Pracht nach den Schiffen hinrudern. In dem ersten Kanu saß er selbst nebst seinen Vornehmen, in kostbare, mit Federn besetzte Mäntel und Helme gekleidet und mit langen Spießen und Dolchen bewaffnet. Im zweiten kam der ehrwürdige Ka-u, der Oberpriester, und seine Amtsbrüder, die ihre Götzenbilder auf rotem Zeug zur Schau gelegt hatten. Diese Bilder waren riesenmäßige Büsten von Korbmacherarbeit, die mit kleinen Federn von allerlei Schattierungen, ähnlich wie die Mäntel der Vornehmen, überzogen waren. Die Augen bestanden aus großen Perlmutterschalen, in deren Mittelpunkt eine schwarze Nuß befestigt war. Im Rachen führten sie eine große Reihe von doppelten Hundszähnen, und der Mund wie die übrigen Gesichtszüge waren sehr verzerrt. Indem der Zug feierlich näher kam, sangen die Priester ihre Hymnen; nachdem sie jedoch rund um die Schiffe gerudert waren, gingen sie nicht an Bord, sondern begaben sich nach dem Strande, wo wir unsere Posten hatten. Sobald ich sie herankommen sah, ließ ich unsere kleine Wache aufziehen, um den König zu empfangen. Kapitän Cook, der vom Schiffe aus ebenfalls bemerkt hatte, wohin der Zug seinen Weg nahm, folgte ihm und kam fast gleichzeitig mit ihm im Zelt an. Die Eingeborenen hatten sich hier kaum niedergelassen, als der König sich schon wieder erhob und mit sehr vielem Anstande den Mantel, den er selbst getragen, über des Kapitäns Schultern warf, ihm einen kostbaren befiederten Helm aufsetzte und einen zierlich gearbeiteten Fächer in die Hand gab. Hierauf breitete er noch fünf oder sechs andere Mäntel von ausnehmender Schönheit und hohem Werte vor des Kapitäns Füßen aus. Dann brachten seine Leute vier große Schweine nebst Zuckerrohr, Kokosnüssen und Brotfrucht, und die Zeremonie schloß damit, daß Kapitän Cook und der König ihre Namen wechselten, was auf allen Südsee-Inseln Brauch ist und als stärkstes Freundschaftsband betrachtet wird. [Illustration: Der König warf Kapitän Cook einen Federmantel, den er selbst getragen, über die Schultern.] Nunmehr kam eine Prozession von Priestern zum Vorschein, die einen ehrwürdigen alten Mann an ihrer Spitze hatte. Ihnen folgte eine lange Reihe von Männern, die teils große Schweine herbeiführten, teils Bataten, Bananen und dergleichen trugen. Ich merkte es unserm Freunde Kärikia an den Augen an, daß dieser Alte der Oberpriester wäre, von dessen Freigebigkeit wir schon so lange gelebt hatten. Er hielt ein Stück roten Zeugs in Händen, wickelte es um Kapitän Cooks Schultern und brachte ihm dann mit den gewöhnlichen Zeremonien ein kleines Ferkel dar. Man bereitete ihm alsbald einen Sitz dicht neben dem Könige. Hierauf fing Kärikia mit seinen Begleitern die Feierlichkeiten an und Ka-u nebst den Befehlshabern stimmten bei den Antworten oder Chören selber mit ein. Mit Verwunderung erkannte ich in der Person des Königs denselben schwachen, ausgemergelten alten Mann, der uns an Bord der »Resolution« besucht hatte, als wir uns noch am Nordostende der Insel Mauwi befanden. Es währte auch nicht lange, so hatten wir unter seinem Gefolge zum großen Teil alle diejenigen Personen wiedererkannt, die damals die Nacht an Bord zubrachten. Unter dieser Zahl befanden sich des Königs beide jüngere Söhne, von denen der älteste ungefähr sechzehn Jahre alt sein mochte. Außerdem sein Enkel Maiha-Maiha, den wir aber kaum wiedererkennen konnten, weil er sein Haar mit einem schmutzigbraunen Teig und Puder eingeschmiert und dadurch das wildeste Gesicht, das ich jemals gesehen, noch scheußlicher gemacht hatte. Nach den ersten Empfangszeremonien führte Kapitän Cook den König und so viele Vornehme, als sein Boot tragen konnte, an Bord der »Resolution«, wo man sie mit allen erdenklichen Ehrenbezeigungen aufzunehmen suchte. Kapitän Cook zog dem Könige ein Hemd an und umgürtete ihn mit seinem eigenen Hirschfänger. Der uralte Ka-u war mit etwa sechs anderen Befehlshabern am Lande geblieben und hatte seinen Aufenthalt in den Priesterwohnungen genommen. Die ganze Zeit über ließ sich kein einziges Kanu in der Bucht blicken, und die Eingeborenen blieben entweder in ihren Hütten oder lagen niedergekauert auf der Erde. Ehe der König das Schiff verließ, erhielt Kapitän Cook noch die Erlaubnis, den Handel mit den Eingeborenen wieder im gewöhnlichen Umfange aufzunehmen. Dessenungeachtet jedoch blieb das Verbot für die Frauen in voller Kraft bestehen, aus Ursachen, die wir nicht ergründen konnten, und keine durfte aus ihrer Hütte hervorkommen. Durch die stille, harmlose Aufführung der Eingeborenen war jetzt jede Besorgnis der Gefahr bei uns gänzlich geschwunden, so daß wir nicht einen Augenblick zögerten, uns ihnen ganz anzuvertrauen und mitten unter sie zu gehen. Täglich spazierten Offiziere von beiden Schiffen teils in kleinen Gesellschaften, teils auch ganz allein auf der Insel umher und blieben oft über Nacht aus. Ich würde kein Ende finden, wenn ich jeden Zug von Höflichkeit und Güte aufzeichnen wollte, womit sie bei solchen Gelegenheiten aufgenommen wurden. Auf den Wegen versammelten sich überall die Eingeborenen um sie her, bemühten sich eifrig, ihnen auf allerlei Art gefällig zu sein, und waren nie zufriedener, als wenn man ihre Hilfe in Anspruch nahm. Sie ersannen sogar allerlei Kunstgriffe, um unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen oder uns länger in ihrer Gesellschaft zurückzuhalten. Die Jungen und Mädchen liefen, wenn wir durch ihre Dörfer gingen, vor uns her und hielten uns auf jedem freien Platze zurück, wo Raum zum Tanzen war. Oft luden sie uns ein, unter dem Schatten ihrer Hütten Erfrischungen zu genießen; oft saßen wir mitten in einem Kreise von Frauen und Mädchen, die ihre ganze Kunst und Geschicklichkeit aufboten, uns mit Liedern und Tänzen zu unterhalten. Der Genuß, den uns ihr sanftes Betragen und ihre Gastfreiheit verschafften, ward gleichwohl durch ihren Hang zum Stehlen oft getrübt. Es schmerzte uns, daß wir manchmal in die Verlegenheit kamen, ernstlich strafen zu müssen, während wir doch gern alle Härte vermieden hätten, wenn uns nicht die Not dazu gezwungen haben würde. Einst entdeckte man einige der geschicktesten Schwimmer und Taucher, die sich unter den Schiffen damit beschäftigten, die Nägel auszuziehen, mit denen der Boden beschlagen war. Sie wußten dies vermittels eines kurzen Stöckchens, an dessen einem Ende ein Kieselstein befestigt war, sehr geschickt zu bewerkstelligen. Durch diesen Zeitvertreib kamen die Schiffe zu sehr in Gefahr, als daß wir geduldig hätten zusehen können. Man mußte endlich mit Schrot auf die Nageldiebe schießen. Allein, dies genügte noch nicht, sie zu vertreiben. Sie tauchten unter und waren dann vom Schiff selbst gedeckt. Also blieb kein anderes Mittel übrig, als einen von ihnen an Bord der »Discovery« durchpeitschen zu lassen und damit ein warnendes Beispiel zu geben. Das Steuerruder der »Resolution« bedurfte einer vollständigen Reparatur und ward deshalb an Land gebracht. Zu gleicher Zeit mußten die Zimmerleute in Begleitung einiger Insulaner, die Ka-u mitschickte, sich im Lande nach Planken umsehen, um einige andere notwendige und vor Alter morsch gewordene Stücke zu ersetzen. Am 28. Januar besuchte Kapitän Clerke, der bisher wegen seiner Unpäßlichkeit fast beständig an Bord geblieben war, zum ersten Male den König Terriobu in dessen Hütte. Man empfing ihn mit ebenden Formalitäten wie den Kapitän Cook. Beim Weggehen erhielt er sogar, obwohl sein Besuch ganz unerwartet gekommen war, ein Geschenk von 30 großen Schweinen und für einige Wochen ausreichende Vorräte an Früchten und Wurzeln für seine ganze Mannschaft. Noch hatten wir von ihren Lustbarkeiten und athletischen Übungen nichts gesehen. Diesen Abend aber wurden wir auf Verlangen einiger unserer Offiziere mit einem Boxkampf unterhalten. Zwar vermißten wir sowohl das Feierliche und Prächtige, was diese Spiele auf den Freundschaftsinseln so sehenswürdig macht, als auch die Geschicklichkeit und Kraft der Kämpfer; indes war doch manches dabei bemerkenswert. Wir fanden auf einem ebenen Platze unweit unserer Zelte eine ungeheure Menge Menschen versammelt. In der Mitte zwischen diesen blieb für die Kämpfer ein langer Raum frei, an dessen Ende die Richter unter drei Standarten saßen, die oben mit einigen buntfarbenen Zeugfetzen nebst den Häuten von ein paar wilden Gänsen und anderen Vögeln, sowie Büscheln und Federn behangen waren. Sobald alles in Bereitschaft war, gaben die Richter das Zeichen zum Angriff, und sogleich erschienen die beiden Kämpfer. Sie kamen langsam hervor, hoben die Füße hinten stark in die Höhe und strichen dabei die Fußsohlen mit der Hand. Indem sie sich einander näherten, warf jeder einen verächtlichen Blick auf seinen Gegner, maß ihn mit seinen Augen gleichsam von Kopf bis zu Fuß, blickte dann bedeutungsvoll auf die Zuschauer, strengte die Muskeln an und machte -- mit einem Wort -- allerlei affektierte Grimassen. Sowie sie einander erreichen konnten, streckten sie beide Arme gerade vor ihr Gesicht hin, auf das alle Schläge gerichtet waren. Diese teilten sie nach unserer Meinung auf eine sehr ungeschickte Art aus: denn sie schleuderten den ganzen Arm dabei. Sie versuchten nie, den Streich des Gegners abzuwehren, sondern entgingen ihm durch eine Beugung des Körpers oder dadurch, daß sie zurücktraten. Der Kampf ward übrigens sehr schnell entschieden: denn sobald einer zu Boden geschlagen wurde oder auch nur unversehens fiel, ward er für besiegt angesehen, und der Überwinder triumphierte dann in allerlei verzerrten Gebärden, die ihrer Absicht gemäß unter den Zuschauern gewöhnlich ein großes Gelächter hervorriefen. Der Sieger wartete nunmehr auf einen zweiten Gegner und, falls er diesen auch überwand, auf einen dritten, bis eben die Reihe an ihn kam, einem stärkeren unterliegen zu müssen. Bei diesem Kämpfen wird eine sonderbare Regel beobachtet: wenn nämlich ihrer zwei zum Angriff in Bereitschaft stehen, kann ein dritter zwischen ihnen auftreten und sich, wen er will, zum Gegner wählen, und dann muß sich der andere zurückziehen. Manchmal folgten einander drei oder vier auf diese Art, ehe es zum Angriff kam. Wenn der Kampf ungewöhnlich lange dauerte oder gar zu ungleich schien, kam ein Befehlshaber und endigte ihn dadurch, daß er einen Stock zwischen die beiden hielt. Die gutmütige Art, womit alles vor sich ging, erfreute uns hier in gleicher Weise wie auf den Freundschaftsinseln. Da wir aber diese Spiele veranlaßt hatten, erwarteten die Zuschauer durchgehends, daß wir auch selbst daran teilnehmen würden, und forderten unsere Leute beständig dazu auf. Diese aber erinnerten sich weislich der Stöße, die sie dabei auf den Freundschaftsinseln bekommen hatten, und blieben gegen alle Herausforderungen taub. Ein Hauptbedürfnis unserer Schiffe war das Brennholz, woran es uns jetzt sehr gebrach. Kapitän Cook trug mir deshalb auf, mit den Priestern in Verhandlung zu treten und ihnen den Zaun oder die Einfassung oben auf dem Marai abzukaufen. Ich gestehe, anfänglich zweifelte ich sehr, ob dieser Antrag schicklich wäre; denn es stand zu befürchten, daß man die bloße Erwähnung für Gottlosigkeit halten möchte. Ich hatte mich jedoch sehr geirrt. Mein Ansuchen verursachte nicht die allergeringste Verwunderung, vielmehr erhielt ich das verlangte Holz ohne allen Anstand, und man forderte nicht die geringste Bezahlung von uns. Als die Matrosen es wegtrugen, sah ich, daß einer auch eines von den geschnitzten Standbildern aufgeladen hatte, und bei näherem Zusehen fand ich schon die ganze Zahl der am Marai in einem Kreise aufgestellten Bildsäulen in unserem Boote. Die Matrosen hatten sie im Beisein der Eingeborenen dorthin geschafft, und diese hatten sich darüber nicht im mindesten entrüstet, sondern vielmehr hilfreiche Hand dabei geleistet. Ich hielt es indes doch für ratsam, mit Ka-u deshalb zu sprechen. Er hörte sich alles sehr gleichgültig an und bat sich nur das mittelste Bildwerk wieder aus, auf das man, wie ich oben schon bemerkte, etwas mehr zu halten schien. Dies trug er dann in eine von den Priesterwohnungen. Schon seit einigen Tagen hatte sich Terriobu mit seinen Unterbefehlshabern sehr fleißig nach der Zeit unserer Abreise erkundigt. Ich ward durch diese wiederholte Nachfrage sehr neugierig, von ihnen zu erfahren, was die hiesigen Eingeborenen eigentlich von uns dächten, und was für Vorstellungen sie sich von dem Beweggrunde und den Absichten unserer Reise machten. Um über diesen Punkt einiges zu hören, sparte ich keine Mühe, konnte aber weiter auch nichts herausbringen, als daß sie sich einbildeten, wir kämen von einem Lande her, wo Mißwachs geherrscht habe, und bei unserem Besuch bei ihnen hätten wir weiter keine Absicht, als uns recht satt zu essen. Freilich konnte sie die hagere Gestalt einiger von unseren Leuten, der gute Appetit, womit wir alle von ihren frischen Lebensmitteln aßen, und unsere große Begierde, so viel Mundvorrat, als wir nur immer habhaft werden konnten, einzutauschen und mitzunehmen, zu einer solchen Vermutung bringen. Dazu kam noch der für ihre Begriffe unnatürliche Umstand, daß wir keine Frauen mitgebracht hatten, ferner unser friedliches Betragen und unser unwehrhaftes Aussehen. Man mußte lachen, wenn man sah, wie sie unsere Matrosen mit der Hand auf den Bauch klopften, an den Seiten hinunterfuhren und ihnen teils durch Zeichen, teils mit Worten zu verstehen gaben, es sei jetzt Zeit, daß sie sich wieder auf den Weg machten; wenn sie aber in der nächsten Brotfruchtzeit wiederkommen wollten, würde man besser imstande sein, ihren Bedürfnissen abzuhelfen. Wir konnten nicht umhin, ihnen vollständig recht zu geben. Denn einmal hatte sich das Aussehen unserer Leute selbst während dieses kurzen Aufenthaltes sehr merklich gebessert, so daß ihre wohlgestopften Wänste den Landesprodukten alle Ehre machten. Andrerseits hatten wir in der Zeit von nunmehr sechzehn Tagen eine so unerhörte Menge von Schweinen und Früchten verzehrt, daß die Hawaiier wohl wünschen konnten, uns wieder abfahren zu sehen. Dennoch ist es sehr wahrscheinlich, daß Terriobu bei seiner Nachfrage weiter keine Absicht hatte, als sich auf den Abschied gehörig vorzubereiten, um uns mit Geschenken zu entlassen, die seiner gewohnten Ehrerbietung und Freigebigkeit gegen uns angemessen wären. Sobald wir ihm daher Nachricht gaben, wir würden nach zwei Nächten abreisen, bemerkten wir, daß unverzüglich eine Art von Botschaft durch die Dörfer erging, vermittels deren man das Volk aufforderte, dem König Schweine und Früchte zu liefern, damit er sie dem »Orono« bei seiner Abreise darbringen könnte. [Illustration: Er zeigte beim Tanze die seltsamsten Verrenkungen.] An diesem Tage gab uns einer der Eingeborenen ganz für sich am Strande ein unterhaltendes Schauspiel. Er hatte eine Rassel in der Hand und um den Hals eine Schnur, woran einige Büschel Seegras hingen; um die Beine trug er ein etwa handbreites, gut geflochtenes, manschettenartiges Netzwerk, an das reihenweise eine große Menge von Hundszähnen befestigt war. Nunmehr ließ er sich im Tanze sehen und zeigte uns dabei die seltsamsten Verrenkungen. Diese Pantomime hatte zuweilen etwas unwiderstehlich Lächerliches, im großen und ganzen konnte ich aber ihren Sinn nicht recht verstehen. Gegen Abend ging das Schauspiel der Faustkämpfe von neuem an, und am Schlusse brannten wir den unbedeutenden Rest unseres Vorrates von Feuerwerk ab; nichts in der Welt schien mehr die Bewunderung der Hawaiier zu erregen, nichts schien ihnen einen deutlicheren Begriff von unserer Überlegenheit zu geben als ebendiese Kleinigkeit. Die Schiffszimmerleute waren nun schon 3 Tage abwesend und hatten nichts von sich hören lassen. Wir fingen daher an, um ihren Verbleib besorgt zu sein. Der alte Ka-u, dem wir unser Bedenken äußerten, ward darüber nicht weniger unruhig. Und schon trafen wir gemeinsam mit ihm Maßnahmen, sie aufzusuchen, als sie alle wohlbehalten zurückkamen. Sie hatten nämlich weiter, als wir anfänglich geglaubt, landeinwärts gehen müssen, um die zu ihrem Vorhaben tauglichen Bäume zu finden. Teils dieser Umstand, teils die schlimmen Wege und die Beschwerlichkeiten des Transports hatten sie so lange aufgehalten. Ihre Führer konnten sie nicht genug rühmen: diese guten Leute hatten immer für Lebensmittel gesorgt und zugleich sorgfältig ihre Gerätschaften bewacht. Der folgende Tag war endlich zu unserer Abreise bestimmt. Terriobu ließ nunmehr Kapitän Cook und mich in die Gegend von Ka-us Hütte zu sich laden. Bei unserer Ankunft fanden wir den Boden ringsherum mit Zeugbündeln bedeckt; ferner lag eine erstaunliche Menge roter und gelber Federn da, die an Kokosfasern gebunden waren, und eine beträchtliche Anzahl Beile und anderes Eisengerät, das die Eingeborenen durch den Tauschhandel mit uns an sich gebracht hatten. Nicht weit davon bemerkten wir einen ungeheuren Haufen Früchte, Wurzeln und Pflanzen aller Art nebst einer beträchtlichen Herde Schweine. Wir wußten anfänglich nicht, ob wir dies alles als Geschenk annehmen sollten, bis uns Kärikia belehrte, daß es eine Gabe, ein Tribut der Eingeborenen an den König sei. Sobald wir uns niedergelassen hatten, kamen auch die Hawaiier und legten ein Bündel nach dem andern dem König zu Füßen, breiteten die Zeuglappen vor ihm aus und legten Federn und Eisengerät zur Schau. Der König schien an diesem Beweise ihrer Ergebenheit Wohlgefallen zu haben, suchte ungefähr ein Drittel von dem Eisengeräte, ebensoviel von den Federn und einige wenige Stücke Zeug aus, ließ sie beiseite legen und schenkte dann Kapitän Cook und mir alles übrige Zeug nebst allen Früchten und Schweinen. Wir erstaunten über Wert und Größe des Geschenks, das alles, was wir je auf den Freundschaftsinseln bekommen hatten, bei weitem übertraf. Unsere Boote mußten es sogleich an Bord führen, wo die größten Schweine zum Einsalzen ausgesucht, die Früchte hingegen nebst etwa 30 kleineren Schweinen unter die Mannschaft verteilt wurde. An demselben Tage verließen wir das Marai und brachten unsere Zelte nebst der Sternwarte an Bord. Der Talisman, der in dem Worte »Tabu« steckte, war kaum hinweggenommen, so stürzten die Eingeborenen in den freigegebenen Bezirk und suchten emsig umher in der Hoffnung, irgend etwas Wertvolles zu finden, das wir etwa zurückgelassen haben könnten. Ich war als letzter am Lande geblieben und wartete auf die Rückkehr des Bootes, das mich abholen sollte. Bald versammelte sich eine Menge Leute um mich her, und ich mußte mich niedersetzen. Sie stimmten dann über unsere Trennung eine Wehklage an, und mir selbst ging es nahe, mich von ihnen loszureißen. Bei dieser Gelegenheit wird man es mir nicht verdenken, wenn ich einen geringfügigen Umstand erzähle, der hauptsächlich mich selbst betrifft. Während unseres ganzen Aufenthaltes in der Bucht hatte ich über unsere Leute das Kommando gehabt und war ebendadurch genauer mit den Eingeborenen bekannt geworden als manche andere, die ihrer Berufsgeschäfte wegen hatten an Bord bleiben müssen. Die Eingeborenen ihrerseits kannten auch mich besser und gaben mir durch ihr Betragen ihre Zuneigung zu erkennen. Vor allem aber zeichneten sich ihre Priester aus, deren grenzenlose Güte und unerschütterliche Freundschaft ich nicht genugsam anerkennen und nicht zu oft rühmen kann. Da ich keine Gelegenheit vorbeigehen ließ, mir ihre Liebe zu sichern, war ich auch so glücklich gewesen, mir diese in dem Maße zu erwerben, daß sie mir die allerschmeichelhaftesten Anerbieten machten: ich solle doch ihren dringenden Bitten Gehör geben und bei ihnen bleiben. Ich entschuldigte mich damit, daß Kapitän Cook seine Einwilligung nicht geben würde. Allein, dieser Einwendung suchten sie durch den Vorschlag zu begegnen, ich solle mich in das Gebirge flüchten, wo sie mich bis nach Abreise unserer Schiffe verbergen könnten. Hiergegen versicherte ich, daß der Kapitän auf keinen Fall die Bucht ohne mich verlassen würde. Demzufolge begaben sich Terriobu und Ka-u zu Kapitän Cook, für dessen Sohn sie mich hielten, und brachten ihr Gesuch, daß ich bei ihnen zurückbleiben sollte, förmlich bei ihm an. Um ein Anerbieten, das so viel teilnehmendes Gefühl verriet, nicht geradezu von sich zu weisen, erwiderte er, daß er mich zwar diesmal nicht entbehren könne, allein nächstes Jahr, wenn er die Insel nochmals zu besuchen gedächte, würde er sich bemühen, alles nach ihrem Wunsche einzurichten. Frühmorgens am 4. Februar lichteten wir Anker und segelten in Begleitung der »Discovery« und im Gefolge einer großen Anzahl von Kanus aus der Bucht. Kapitän Cook hatte sich vorgenommen, die noch unbekannte Küste von Hawaii völlig zu untersuchen, wobei er noch einige Hoffnung hatte, irgendwo eine etwas mehr geschützte Reede als die, wo wir bisher gelegen, anzutreffen. Schlug diese Erwartung fehl, so wollte er die Südostseite von Mauwi in Augenschein nehmen, wo laut den Nachrichten einiger Insulaner ein vortrefflicher Hafen vorhanden sein sollte. Das Wetter war sowohl an diesem als am folgenden Tage sehr still, und wir machten nur sehr langsame Fortschritte nordwärts. Noch immer begleitete uns eine Menge von Kanus, und Terriobu gab dem Kapitän dadurch einen neuen Beweis seiner Freundschaft, daß er ihm ein ansehnliches Geschenk von Schweinen und Früchten nachschickte. In der folgenden Nacht suchten wir mit Hilfe einer leichten Brise, die vom Lande her wehte, nordwärts weiterzukommen und befanden uns am 6. Februar früh, nachdem wir die westliche Spitze der Insel umschifft hatten, einer tiefen Bucht gegenüber, die die Eingeborenen Tu-ja-ja nennen. Es schien so, als ob wir hier einen sicheren und bequemen Hafen antreffen würden, da im ganzen die Lage gut gedeckt war und sich nordostwärts einige schöne Wasserbäche zeigten. Hiermit stimmte auch Koahs Aussage völlig überein, der bis jetzt den Kapitän Cook noch immer begleitete und uns zu Ehren den Namen »Britanni« angenommen hatte. Wir setzten daher ein Boot aus und schickten den Lotsen mit unserem Britanni als Geleitsmann ab, um die Bucht zu untersuchen, während sich die Schiffe durch Lavieren ebenfalls langsam in die Bucht hineinarbeiteten. Nachmittags überzog sich der Himmel, und die Windstöße vom Lande her wurden so heftig, daß wir alle Segel einziehen und unter dem einzigen Kreuzstagsegel beilegen mußten. Zu Anfang des Sturms verließen uns alle Kanus. Auch rettete der Lotse bei seiner Rückkehr eine alte Frau und zwei Männer, deren Kanu der Wind umgeworfen hatte. Außer diesen Verunglückten befanden sich eine große Anzahl Frauen an Bord, die die Männer in ihrer Hast, sich selber zu retten, zurückgelassen hatten. Gegen Abend ließ der Sturm etwas nach und gestattete uns, unsere Segel fallen zu lassen. Gegen Mitternacht jedoch setzte er mit solchem Ungestüm wieder ein, daß wir unsere beiden Marssegel dabei einbüßten. Gegen Morgen am 7. Februar heiterte sich der Himmel auf. Wir banden frische Segel an die Stengen und schifften mit gelindem Winde weiter. Indes hatte sich gegen Mittag das Wetter immer noch nicht entschieden, und da wir bis auf 5 Seemeilen von der Küste abgekommen waren, getraute sich keiner von den Eingeborenen, in seinem Kanu zu uns zu kommen. Unsere weiblichen Gäste mußten also, größtenteils wider ihren Willen, noch länger bei uns vorliebnehmen, obgleich sie alle von der Seereise krank waren und viele von ihnen ihre Säuglinge am Ufer zurückgelassen hatten. Nachmittags näherten wir uns dem Lande, wennschon der Wind noch immer in heftigen Stößen kam. Ungefähr in einer Entfernung von 3 Seemeilen erblickten wir ein Kanu mit 2 Männern, die vermutlich im letzten Sturm verschlagen worden waren. Sie ruderten auf uns zu, und wir legten bei, um sie an Bord zu nehmen. Allein, die Unglücklichen waren von ihrer Anstrengung so erschöpft, daß sie, wofern nicht einer unserer Hawaiier ihnen zu Hilfe in ihr Kanu gesprungen wäre, dieses allein schwerlich an dem Strick, den wir ihnen zuwarfen, hätten befestigen können. Wir hatten Mühe, ihnen an den Seiten des Schiffs hinaufzuhelfen und sie an Bord zu bringen. Auch fanden wir jetzt in demselben Kanu ein Kind von etwa 4 Jahren, das sie unter einem Quersitz festgebunden hatten, wo es nur mit dem Kopf über das Wasser hervorragte. Nunmehr erfuhren wir, daß sie bereits am vorletzten Morgen das Ufer verlassen und seit der Zeit weder Speise noch Trank zu sich genommen hatten. Wir reichten ihnen beides mit der gewohnten Vorsicht und übergaben das Kind der Pflege eines Weibes. Am folgenden Morgen hatten sie sich sämtlich erholt. Um Mitternacht hatte es indessen einen neuen Sturm gesetzt, in dem unser Fockmast so stark beschädigt worden war, daß wir ihn gründlich ausbessern und zu dem Zwecke nochmals an Land gehen mußten. Jetzt war nur noch die Frage, ob wir nach der Karakakuabucht zurückkehren oder es darauf ankommen lassen sollten, auf einer der benachbarten Inseln einen andern guten Hafen anzutreffen. Jene Bucht war freilich nicht allzu bequem. Zudem hatten wir die dortige Gegend an Lebensmitteln schon ziemlich erschöpft. Andrerseits war es aber nicht rätlich, einer ungewissen Hoffnung zu vertrauen, die fehlschlagen konnte. Wir näherten uns inzwischen wieder dem Lande, um den Eingeborenen Gelegenheit zu geben, ihre Landsleute von unseren Schiffen abzuholen. Obgleich wir um Mittag nur noch eine Meile vom Ufer entfernt waren, kamen jedoch nur wenige Kanus zu uns, die noch dazu vollgepfropft mit Leuten waren. Es blieb also kein anderer Rat, als ein Boot auszusetzen und unsere Gäste darin an Land zu schicken. Der Lotse begleitete sie und bediente sich dieser Gelegenheit, um die Südseite der Bucht zu untersuchen; er fand aber daselbst gar kein frisches Wasser. Bei veränderlichem Winde und einer stark nach Norden flutenden Strömung kamen wir nur langsam vorwärts. Am 9. Februar abends um 8 Uhr überfiel uns abermals ein heftiger Sturm aus Südost, und um 2 Uhr des Morgens entdeckten wir mitten in einem der ungestümsten Windstöße Brandungen dicht bei uns, und zwar diejenigen, die wir bereits ehemals etwas nordwärts an der Westspitze der Insel Hawaii wahrgenommen hatten. Es blieb uns gerade noch Raum genug übrig, um sie vermeiden zu können, und hierauf lösten wir einige Kanonen, um der »Discovery« die Gefahr anzuzeigen. Vormittags ward es ruhig, und wir erhielten Besuch von verschiedenen Eingeborenen. Sie erzählten uns, daß die Stürme großen Schaden angerichtet hätten, und daß mehrere große Kanus zugrunde gegangen wären. Den ganzen Tag hindurch lavierten wir gegen den Wind und waren gegen Abend eine englische Meile von der Karakakuabucht entfernt. Weil es indessen nicht ratsam war, im Dunkeln weiterzufahren, kreuzten wir die Nacht hindurch auf und ab und ließen endlich am folgenden Morgen bei Tagesanbruch die Anker an unserem vorigen Hafenplatze fallen. Der 11. und 12. Februar gingen damit hin, den Fockmast auszuheben und ans Land zu schaffen. Es stellte sich jetzt heraus, daß der Mastbaum schon ziemlich angefault war und in der Mitte ein so großes Loch hatte, daß vier bis fünf kleine Kohlköpfe darin Platz gehabt hätten. Zum Glück hatten wir noch große Blöcke von rotem Toa- oder Keulenholze an Bord, die wir anfänglich zu Ankerstöcken bestimmt hatten. Diese konnten so bequem zur Ausbesserung des Mastes gebraucht werden, daß wir ihn nicht zu verkürzen brauchten. Um die Zeit nicht ungenützt verstreichen zu lassen, brachten wir die astronomischen Instrumente wieder an Land und errichteten unsre Zelte auf dem Marai. Unsre Wache bestand aus 1 Korporal und 6 Seesoldaten. Die Priester, mit denen wir wieder im besten Einvernehmen lebten, schützten die Stelle, wo wir den Mast hingelegt hatten, alsbald durch das Tabu und pflanzten rund um den Ort ihre Stäbe auf, wodurch sie den Eingeborenen den Zutritt untersagten. Die Zimmerleute und anderen Arbeiter konnten also ihre Geschäfte ungestört und in völliger Sicherheit betreiben. Unter diese Arbeiter gehörten auch die Segelmacher, die den Schaden, den der Sturm an unseren Segeln verursacht hatte, in einem Hause neben dem Marai, das uns zu diesem Zwecke von den Priestern zur Verfügung gestellt wurde, ausbessern mußten. Ich komme nunmehr auf die Begebenheiten mit den Eingeborenen zu sprechen, durch die das traurige Schicksal des 14. Februar langsam vorbereitet wurde. Wir erstaunten schon, da wir geankert hatten, nicht wenig über den großen Unterschied zwischen unserer jetzigen und der ehemaligen Aufnahme. Dieses Mal vernahmen wir kein fröhliches Geschrei, kein Gewirr und Getümmel unter den Insulanern. Die ganze Bucht war leer und einsam; kaum schlichen sich hier und dort einzelne Kanus am Ufer entlang. Die Neugier, die einen so großen Anteil an der ehemaligen Bewegung unter den Eingeborenen gehabt hatte, konnte jetzt allerdings befriedigt sein. Allein, von den Leuten, die uns bisher mit soviel Gastfreundschaft bewirtet hatten, erwarteten wir doch, daß sie uns, wenngleich nicht aus Neugier, so aus freudiger Teilnahme an unserem Wohlbefinden, mit Frohlocken über unsere Wiederkehr hätten entgegeneilen sollen. Wir überließen uns allerlei Mutmaßungen über diese sonderbare Stille, bis unser Boot, das auf Kundschaft an Land gegangen war, wieder zurückkehrte. Der größte Teil unserer Besorgnis verschwand, als wir erfuhren, daß Terriobu abwesend sei und die Bucht unter dem Tabu oder Bann zurückgelassen habe. Die meisten von uns beruhigten sich bei dieser Nachricht; andere waren indes der Meinung -- oder waren es vielleicht die nachfolgenden Ereignisse, die ihnen erst hinterher die Vermutung einflößten? --, in dem Betragen der Eingeborenen sei etwas Verdächtiges. Der abgeschnittene Verkehr mit uns in Abwesenheit des Königs sei nur eine Täuschung, damit der König sich desto besser mit seinen Vornehmen in der Zwischenzeit beraten könne. Es werde wahrscheinlich die Frage entschieden, wie man sich gegen uns zu benehmen habe. Ob dieser Verdacht begründet war, oder ob jene Aussage der Eingeborenen der Wahrheit näher kam, konnten wir nie mit Sicherheit entscheiden. Es war freilich möglich, daß unsere schleunige Wiederkehr ohne sichtbare Ursache den Eingeborenen auffallen und sie beunruhigen konnte. Es gelang uns auch nur schwer, ihnen die Notwendigkeit, die uns zurückgetrieben hatte, begreiflich zu machen. Allein, Terriobu erschien am folgenden Morgen und besuchte Kapitän Cook. In seinem Betragen war nichts Zweideutiges, und mit ihm kehrte auch die Menge der Eingeborenen zurück. Sie setzten ihren friedlichen Verkehr mit uns wie bisher fort. Dies sind immerhin starke Beweise dafür, daß sie ebensowenig ein verändertes Betragen beabsichtigten, wie sie dergleichen von unserer Seite erwarten mochten. Zur Bestätigung der letzten Meinung dient ein Umstand, der sich schon bei unserer ersten Landung ereignet hatte, und zwar einen Tag, bevor uns der König seinen Besuch machte. Ein Insulaner hatte an Bord der »Resolution« ein Schwein verkauft und den Kaufpreis bereits empfangen, als Paria hinzukam und ihm riet, das Schwein nicht so wohlfeil zu lassen. Diese Unart ward Paria sehr scharf verwiesen, und man stieß ihn hinweg. Bald darauf ward das Tabu über die Bucht ausgesprochen, und schon glaubte jedermann, den Eingeborenen sei der Verkehr mit uns aus keinem andern Grunde verboten worden als wegen der einem ihrer Befehlshaber angetanen Schmach. Man sieht, wie mißlich es ist, aus den Handlungen eines Volkes, dessen Sprache und Sitten man nicht kennt, Folgerungen zu ziehen; und nicht weniger, wie große Schwierigkeiten es hat, bei so vieler Ungewißheit, wo der kleinste Irrtum die übelsten Folgen haben kann, im Verkehr mit diesen Leuten jeden Verstoß zu vermeiden. Bis nachmittags am 13. Februar ging alles ruhig seinen Gang. Gegen Abend gab mir ein Offizier von der »Discovery«, der die Aufsicht über das Wasserfüllen am Lande hatte, Nachricht, daß sich einige Befehlshaber am Bach unweit des Strandes eingefunden und die Insulaner, die zum Fortrollen der Tonnen als Gehilfen unsrer Matrosen gedungen waren, fortgejagt hätten. Ihr ganzes Betragen schiene dabei so verdächtig, als ob sie es bei diesem Unfug nicht bewenden lassen wollten. Auf sein Verlangen gab ich ihm einen Seesoldaten bei, der aber nur das Seitengewehr mitnehmen durfte. Nicht lange nachher kam der Offizier zum zweiten Male und brachte die Nachricht, daß sich die Eingeborenen mit Steinen bewaffnet hätten und sich sehr ungebärdig zeigten. Ich ging also selbst hin und ließ mich von einem Seesoldaten mit seinem Gewehr begleiten. Als wir uns näherten, ließen die Insulaner ihre Steine fallen. Ich sprach hierauf mit einigen der Vornehmen, die nunmehr das zusammengelaufene Volk auseinandertrieben und denen, die sich willig finden ließen, ferner erlaubten, unsern Leuten beim Wasserfüllen behilflich zu sein. Nachdem ich hier alles beruhigt hatte, ging ich Kapitän Cook entgegen, den ich eben in seinem Boot an Land kommen sah, und erstattete ihm Bericht von diesem Vorfalle. Er gab mir Befehl, für den Fall, daß man uns mit Steinen würfe oder sonst angriffe, sofort mit scharfgeladenem Gewehr auf die Feinde Feuer zu geben. Demzufolge beorderte ich den Korporal, die Flinten der Schildwachen statt mit Schrot mit Kugeln laden zu lassen. Als wir eben zusammen nach den Zelten zurückkehrten, zog ein fortdauerndes Musketenfeuer von der »Discovery« unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Schüsse waren gegen ein Kanu gerichtet, das nach dem Lande zueilte und von einem unserer kleinen Boote verfolgt wurde. Wir vermuteten sogleich, daß ein Diebstahl vorgefallen wäre. Der Kapitän befahl mir und einem Seesoldaten, ihm zu folgen und die Leute, die aus dem Kanu aussteigen würden, gefangenzunehmen. Wir liefen nach dem Ort hin, wo das Kanu landen mußte: aber als wir anlangten, hatten es die Insassen schon verlassen und waren entkommen. Wir glaubten, die gestohlenen Sachen müßten von Wichtigkeit sein, weil man auf der »Discovery« so ernste Maßregeln getroffen hatte. Auch wußten wir damals noch nicht, daß sie bereits wieder zurückgegeben worden waren. Daher wollten wir die Hoffnung, sie wiederzubekommen, nicht fahren lassen und entschlossen uns, den Flüchtlingen nachzusetzen. Wir erkundigten uns nach dem Wege, den die Entwichenen genommen hatten, und folgten ihnen bis zur Dämmerung 3 Kilometer weit von unsern Zelten. Hier kam es uns so vor, als wenn die Eingeborenen uns mit erdichteten Nachrichten nur immer weiter zu locken suchten; wir machten daher dem Nachsuchen ein Ende und kehrten an den Strand zurück. [Illustration: Augenblicklich stürzten die Eingeborenen über das Boot her und plünderten es.] Während unserer Abwesenheit hatte sich ein Auftritt von der ernsthaftesten und unangenehmsten Art zugetragen. Der Offizier, den man in dem kleinen Boot abgeschickt hatte, kehrte schon mit den gestohlenen und wiedererhaltenen Sachen an Bord des Schiffes zurück, als er gewahr wurde, daß Kapitän Cook mit mir den Dieben nachsetzte. So bildete er sich ein, er müsse das an den Strand gezogene Kanu beschlagnahmen. Unglücklicherweise gehörte es dem Paria, der in demselben Augenblick von der »Discovery« her kam und es mit vielen Beteuerungen seiner Unschuld wieder zurückverlangte. Der Offizier weigerte sich, es herauszugeben. Die Mannschaft des andern Bootes, das auf den Kapitän wartete, gesellte sich zu ihm, und jetzt entstand eine Schlägerei, bei der Paria mit einem Ruder einen so heftigen Schlag auf den Kopf erhielt, daß er zu Boden stürzte. Nunmehr fielen die Insulaner, die in ihrer Nähe zusammengelaufen und bisher ruhige Zuschauer geblieben waren, unsere Leute mit einem solchen Steinregen an, daß diese in der größten Unordnung die Flucht ergriffen und nach einer vom Ufer etwas entlegenen Klippe schwammen. Augenblicklich stürzten die Eingeborenen über das Boot her, plünderten es und würden es völlig in Stücke geschlagen haben, wenn nicht Paria selbst, der sich von dem Schlage erholt und ihn schon wieder vergessen zu haben schien, sein Ansehen gebraucht hätte. Er trieb den ergrimmten Haufen fort, winkte unseren Leuten, sie sollten wiederkommen und ihr Boot in Besitz nehmen, und gab zu verstehen, er wolle sich Mühe geben, die davongeschleppten Sachen wiederherbeizuschaffen. In der Tat folgte er ihnen auch, nachdem sie vom Lande abgefahren waren, in seinem Kanu mit eines Seekadetten Mütze und einigen andern erbeuteten Kleinigkeiten nach. Er schien äußerst betroffen und fragte, ob ihn der »Orono« nun töten, oder ob er ihm erlauben würde, wieder an Bord zu kommen. Als man ihm versicherte, er würde freundschaftlich aufgenommen werden, grüßte er den Offizier nach Landesbrauch durch gegenseitige Berührung der Nasen und ruderte dann nach dem Dorfe Kauraua hinüber. Kapitän Cook war über die Nachricht von diesem Vorfall sehr beunruhigt und sagte, indem wir uns zurück an Bord begaben: »Ich fürchte, diese Leute werden mich zu gewaltsamen Maßnahmen zwingen; denn wir können es nicht zugeben, daß sie sich einbilden, sie hätten einen Vorteil über uns errungen.« Da es indessen Abend geworden war, konnte weiter nichts geschehen, und Kapitän Cook begnügte sich damit, die Insulaner, die sich an Bord seines Schiffes befanden, Männer und Frauen ohne Unterschied, fortjagen zu lassen. Sobald dies geschehen war, kehrte ich an Land zurück. Weil sich unser altes Zutrauen zu den Eingeborenen durch ihr heutiges Betragen sehr vermindert hatte, verdoppelte ich die Wachen auf dem Marai und befahl, man solle mich rufen, sobald man jemand am Strande lauern sähe. Um 11 Uhr bemerkte man 5 Insulaner, die am Fuße des Marai umherkrochen und sich äußerst vorsichtig uns zu nähern schienen, sich aber, sobald sie sahen, daß sie bemerkt worden waren, aus dem Staube machten. Um Mitternacht wagte sich wieder einer dicht an die Sternwarte. Als die Schildwache jedoch eine Kugel über seinen Kopf hinwegschoß, ergriff er samt den übrigen die Flucht, und wir hatten nun die Nacht über Ruhe. Am folgenden Tage begab ich mich bei Tagesanbruch an Bord der »Resolution«, um die astronomische Uhr zu holen. Schon unterwegs riefen mich einige Leute von der »Discovery« an, daß ihr Boot in der Nacht von der Ankerboje, woran es festgelegen, losgemacht und gestohlen worden sei. Als ich an Bord kam, fand ich die Seesoldaten sämtlich unter Waffen, und Kapitän Cook war im Begriffe, seine eigene Doppelflinte zu laden. Ich begann, ihm zu erzählen, was in der Nacht vorgefallen war, er unterbrach mich aber sogleich, das Boot der »Discovery« sei verloren, er mache Anstalt, es wiederzubekommen. Zu diesem Zwecke werde er sich eines Mittels bedienen, das in Fällen, wo etwas von Wichtigkeit entwendet worden, noch niemals fehlgeschlagen sei. Er würde nämlich den König oder einige der Vornehmsten an Bord zu bekommen suchen und sie daselbst so lange als Geiseln gefangenhalten, bis er das Boot zurückerlangt hätte. Auch habe er Befehl erteilt, alle Kanus anzuhalten, die sich unterstehen sollten, die Bucht zu verlassen. Denn er sei willens, sich ihrer zu bemächtigen und sie in Stücke schlagen zu lassen, wofern er nicht im guten seinen Zweck erreichen könnte. Demzufolge wurden die Boote beider Schiffe mit Bewaffneten rings in der Bucht umher postiert. Und noch ehe ich das Schiff verließ, hatte man auf einige Kanus, die zu entkommen suchten, Kanonenschüsse abgefeuert. Zwischen 7 und 8 Uhr verließen Kapitän Cook und ich gleichzeitig das Schiff. Er nahm in seinem Boote den Leutnant Philipps und 9 Seesoldaten mit, ich aber fuhr in einem kleinen Boote zu unseren Arbeitern am Strande zurück. Kapitän Cook gab mir, ehe wir uns trennten, noch den letzten Auftrag, ich solle die Eingeborenen auf unserer Seite der Bucht besänftigen und ihnen versichern, es würde ihnen kein Leids geschehen; ferner sollte ich meine Leute zusammenhalten und auf der Hut sein. Hierauf fuhr er nach Kauraua, dem Aufenthalt des Königs, ich aber an den Strand. Den Seesoldaten erteilte ich sogleich die gemessensten Befehle, das Zelt nicht zu verlassen, die Gewehre scharf zu laden und immer bei sich zu tragen. Dann ging ich in die Hütten des alten Ka-u und der Priester und erklärte ihnen, so gut ich mich verständlich machen konnte, was jene feindlichen Anstalten, worüber sie schon in große Bestürzung geraten waren, zu bedeuten hätten. Daß uns ein Boot gestohlen worden sei, wußten sie bereits. Ich versicherte ihnen, daß für sie und die Bewohner des diesseitigen Dorfes nicht die mindeste Gefahr bestände, obgleich der Kapitän entschlossen sei, sich das Boot wiederzuverschaffen und die Urheber des Diebstahls zu bestrafen. Diese Erklärung mußten die Priester auf mein Verlangen dem Volke mitteilen und es zugleich ermahnen, sich ohne Furcht, aber ruhig und friedlich zu verhalten. Ka-u fragte mich sehr dringend, ob Terriobu in Gefahr sei. Ich beteuerte ihm das Gegenteil und beruhigte dadurch sowohl ihn selbst als seine Amtsbrüder. Während der Zeit hatte Kapitän Cook noch unterwegs das große Boot, das an der Nordspitze der Bucht lag, von diesem Posten abberufen und mit sich nach Kauraua genommen. Er stieg mit dem Leutnant und den 9 Soldaten an Land und marschierte dann ins Dorf. Hier ward er mit den gewöhnlichen Ehrenbezeigungen empfangen; das Volk warf sich zur Erde nieder, und man brachte ihm wie gewöhnlich Opfer von kleinen Ferkeln dar. Da noch keiner der Insulaner von seinem Vorhaben das geringste wußte, erkundigte er sich nach Terriobu und seinen beiden Söhnen, ein paar Knaben, die an Bord des Schiffes seine beständigen Gäste gewesen waren. Die Knaben kamen mit den Eingeborenen, die man nach ihnen ausgeschickt hatte, bald zum Kapitän und führten ihn zugleich in die Hütte, in der Terriobu die Nacht zugebracht hatte und soeben erwacht war. Kapitän Cook lenkte das Gespräch auf das gestohlene Boot und merkte bald, daß der König nichts von dem Anschlage gewußt hatte. Die Einladung des Kapitäns, sich mit ihm einzuschiffen und den Tag an Bord des Schiffes zuzubringen, nahm Terriobu an und erhob sich, ihn zu begleiten. Alles ging nach Wunsch, die beiden Knaben saßen schon im Boote, und die anderen näherten sich dem Ufer, als die bejahrte Mutter der beiden Knaben und eine von des Königs Lieblingsfrauen ihm nachfolgte und ihn mit vielen Tränen bat, er möchte sich doch ja nicht an Bord begeben. Zugleich traten zwei Häuptlinge, die mit ihr gekommen waren, hinzu, hielten den König zurück, bestanden darauf, daß er nicht weiterginge, und zwangen ihn, sich niederzusetzen. Von allen Seiten näherten sich die Eingeborenen, denen das Kanonenfeuer und die Anstalten in der Bucht vermutlich schon große Unruhe verursacht hatten, und drängten sich an Kapitän Cook und ihren König heran. Als der Leutnant seine Leute mitten im Gedränge sah, wo sie, wenn es schlimm kam, ihre Gewehre nicht hätten gebrauchen können, machte er dem Kapitän den Vorschlag, sie auf den Klippen längs dem Ufer in einer Linie zu stellen. Der Haufe machte ihnen sogleich Platz, und sie postierten sich ungefähr 30 Schritt von dem Orte, wo der König sich niedergelassen hatte und noch voll Schrecken und Bestürzung saß. Kapitän Cook, der sein Vorhaben nicht aufgeben wollte, drang nach wie vor mit allem Nachdruck in ihn, er möchte sich entschließen, weiterzugehen. Sooft aber sich der König geneigt zeigte, dem Kapitän zu folgen, traten die Häuptlinge hervor und hielten ihn zuerst mit Bitten und Vorstellungen, hernach mit offener Gewalt zurück. Alle waren in der größten Unruhe, und es blieb keine Hoffnung, ohne Blutvergießen den König zu entführen. Als Kapitän Cook dies bemerkte, ließ er sein Vorhaben endlich fahren und sagte zu Herrn Philipps: »Man kann ihn nicht mit Gewalt an Bord bringen, ohne das Leben vieler Eingeborener aufs Spiel zu setzen.« Der Anschlag, den Kapitän Cook am Lande ausführen wollte, war also mißlungen. Doch war für seine eigene Person kein Schatten von Gefahr vorhanden, bis ein Nebenumstand der ganzen Sache einen anderen Verlauf gab. Einige Kanus hatten sich vom Lande zu entfernen gesucht, die in der Bucht postierten Schiffe hatten Feuer auf sie gegeben, und unglücklicherweise war durch den Schuß ein Häuptling von hohem Range gefallen. Kapitän Cook ging, als er vom Könige zurückkam, ganz gemächlich dem Strande zu, als die Nachricht von diesem Todesfall sich eben im Dorfe verbreitete. Alles geriet sofort in augenscheinliche Erregung. Die Männer schickten ihre Frauen und Kinder fort, legten ihre Mattenpanzer an und bewaffneten sich mit Spießen und Steinen. Einer trat zum Hohn mit einem Stein und einem langen eisernen Dolch an den Kapitän heran, schwenkte seine Waffen und drohte ihm mit dem Steine. Umsonst rief ihm Kapitän Cook zu, er solle sich ruhig verhalten. Endlich ward er durch den Übermut des Menschen so gereizt, daß er eine Ladung Schrot auf ihn abschoß. Das Schrot prallte ab, und der Schuß tat keine Wirkung. Im Gegenteil, die Eingeborenen wurden verwegener und begannen, die Soldaten mit Steinen zu bewerfen. Ein Häuptling wollte Leutnant Philipps mit dem Dolch erstechen, verfehlte ihn aber und bekam dafür einen Schlag mit dem Flintenkolben. Jetzt tat Kapitän Cook den zweiten Schuß mit einer Kugel und streckte dadurch den vordersten der Insulaner nieder. Dies war gleichsam das Signal zu einem allgemeinen Steinregen, der mit Musketenfeuer von den Soldaten und aus den Booten erwidert ward. Wider alle Erwartung hielten die Insulaner das Feuer mit unerschrockenem Mute aus, und ehe man von neuem laden konnte, fielen sie mit schrecklichem Geheul über unsere Mannschaft her. Und nun erfolgte ein gräßlicher Auftritt voll der äußersten Verwirrung. Vier Seesoldaten wurden beim Rückzug von den Klippen abgeschnitten und der Wut der Feinde geopfert, drei andere gefährlich verwundet. Der Leutnant bekam einen Dolchstoß zwischen die Schultern, doch hatte er zum Glück seinen Schuß noch aufgehoben und erschoß den Angreifer, als der eben zum zweiten Stoß ausholte. Unser unglücklicher Befehlshaber stand, als man ihn zum letzten Male deutlich sah, am Rand des Wassers und rief den Bootsleuten zu, sie sollten mit Feuern einhalten und ans Land rudern. Einige von unseren Leuten, die dabei waren, behaupteten, man habe, ohne seinen Befehl abzuwarten, angefangen zu feuern, und er sei aufs äußerste bemüht gewesen, allem weiteren Blutvergießen Einhalt zu tun. War dies der Fall, so läßt sich mit vieler Wahrscheinlichkeit behaupten, daß seine Menschlichkeit ihm das Leben gekostet hat. Denn solange er den Insulanern die Spitze bot, wagte es keiner, Hand an ihn zu legen. Als er sich aber umwandte, um den Booten seine Befehle zu erteilen, stieß man ihm den Dolch in den Rücken, und er stürzte vornüber ins Wasser. Da ihn die Insulaner fallen sahen, erhoben sie ein großes Jubelgeschrei, schleppten den Leichnam an Land und rissen einander den Dolch aus den Händen, um den Toten in wilder Wut zu zerfleischen. [Illustration: Als er sich umwandte, stieß man ihm den Dolch in den Rücken.] So fiel unser großer, vortrefflicher Befehlshaber. Nicht zu frühzeitig für ihn selbst, für ihn, dessen Leben eine Reihe großer, glänzender und glücklicher Unternehmungen war, und der die Vollendung der großen Aufgabe, zu der ihm die Vorsehung das Leben gab, noch erlebte. Nur den Genuß des Ruhms, den er bereits errungen hatte, entriß ihm der Tod. Diejenigen aber, die sich auf seine weise Führung voll Zuversicht verließen, denen seine teilnehmende Sorge ihre Beschwerden erleichterte und Trost in Mühseligkeiten gab, fühlten seinen Verlust tief und bejammerten ihn unaussprechlich. Wer könnte auch unseren Schrecken und die allgemeine Bestürzung ausmalen, die auf diesen so furchtbaren und unerwarteten Schlag folgte? Wie schon erzählt worden ist, wurden vier von den Seesoldaten, die Kapitän Cook begleitet hatten, durch die Eingeborenen auf dem Platze getötet; die übrigen nebst ihrem Leutnant Philipps warfen sich ins Wasser und retteten sich schwimmend unter dem Schutze des unablässigen Feuerns ihres Bootes. Bei dieser Gelegenheit gab Leutnant Philipps einen auffallenden Beweis von Tapferkeit und Liebe zu seinen Leuten. Er hatte kaum das Boot erreicht, als er einen von den Seesoldaten, der nicht sonderlich schwimmen konnte, mit den Wellen kämpfen und so in großer Gefahr sah, von den Feinden ergriffen zu werden. Sogleich sprang er, obwohl er selbst stark verwundet war, zu seinem Beistand ins Wasser, und wennschon er dabei einen so heftigen Steinwurf an den Kopf bekam, daß er selbst beinahe untergesunken wäre, ergriff er den Soldaten und brachte ihn in Sicherheit. Unsere Leute in den Booten, die während des ganzen Vorganges nur etwa 20 Schritt vom Land gestanden hatten, unterhielten noch einige Zeit lang ein heftiges Feuer, um ihren unglücklichen Kameraden, im Fall noch der eine oder andere von ihnen lebte, Gelegenheit zur Flucht zu geben, und in derselben Absicht wurden auf der »Resolution« einige Kanonenschüsse abgefeuert. Als die Eingeborenen dadurch endlich zum Weichen gebracht wurden, eilten fünf von unseren jungen Kadetten in Booten zum Ufer, wo sie die Körper ihrer Landsleute leblos auf der Erde liegen sahen. Da sie ihre Munition meistens schon verbraucht hatten und ihrer eine so geringe Zahl war, hielten sie das Fortschaffen der Leichen für zu gefährlich, ließen sie daher nebst 10 Gewehren im Besitz der Eingeborenen und kehrten zu den Schiffen zurück. Sobald man sich von der allgemeinen Bestürzung, die dieser unglückliche Vorfall an Bord beider Schiffe verbreitete, etwas erholt hatte, erinnerte man sich unserer Leute auf dem Marai, wo der Mast und die Segel unter einer Bedeckung von nur 6 Mann am Lande lagen. Unmöglich kann ich meine Unruhe während der ganzen Dauer dieses Vorfalles schildern. Da wir uns kaum ein Kilometer weit vom Dorfe Kauraua befanden, konnten wir deutlich sehen, daß sich ein ungeheurer Haufe auf dem Platze versammelte, wo kurz vorher Kapitän Cook gelandet war. Auch hörten wir das Musketenfeuer und bemerkten außerordentliche Verwirrung unter dem Haufen. Nachher sahen wir die Eingeborenen fliehen, die Boote aber vom Lande abstoßen und in aller Stille zwischen den Schiffen hin und her fahren. Mein Herz ahnte nichts Gutes; auch war es, da es auf ein so teures, wertvolles Leben ankam, unmöglich, bei so befremdlichen Zeichen seine Ruhe zu bewahren. Ich wußte außerdem, daß der Kapitän durch einen langen, ununterbrochen glücklichen Fortgang seiner Unternehmungen und der Verhandlungen mit den Eingeborenen so viel Zutrauen zu ihnen gefaßt hatte, daß ich immer fürchtete, er möchte einmal in einem unglücklichen Augenblick zu unachtsam sein; und gerade jetzt dachte ich an die Gefahr, der er sich durch dieses Zutrauen aussetzte, ohne eben vielen Trost aus der Erfahrung schöpfen zu können, durch die es bedingt wurde. Das Volk, das in großer Menge um die Mauern unseres tabuierten Feldes versammelt war, schien ebenso ratlos als wir selbst, wie alles, was man sah und hörte, zu erklären sei. Ich versicherte ihnen also, sobald ich das erste Musketenfeuer hörte, sie brauchten nicht unruhig zu werden; ich wünschte auf alle Fälle, Frieden zu halten. In dieser Lage blieben wir, bis die Boote an Bord zurückgekehrt waren. Als aber Kapitän Clerke durch sein Fernrohr bemerkte, daß wir von den Eingeborenen umringt waren, befürchtete er, sie möchten uns angreifen, und ließ mit zwei vierpfündigen Kanonen auf sie feuern. Glücklicherweise taten die Kugeln, so gut sie auch gezielt waren, keinen Schaden. Indes gaben sie den Eingeborenen einen augenscheinlichen Beweis von ihrer großen Wirkungskraft: denn eine derselben brach einen Kokosnußbaum, unter dem eine Anzahl von ihnen saß, in der Mitte durch, und die andere zersplitterte einen Felsen, der in einer geraden Linie mit ihnen stand. Da ich ihnen eben auf das eifrigste beteuert hatte, daß sie sich in völliger Sicherheit befänden, war ich über diese feindliche Maßnahme äußerst betreten und schickte, damit sie nicht wiederholt würde, sogleich ein Boot an Kapitän Clerke und ließ ihm sagen, ich stünde bis jetzt noch mit den Eingeborenen in friedlichem Verkehr; wenn mich aber in der Folge die Umstände nötigen sollten, mein Betragen gegen sie zu ändern, so würde ich eine Fahne aufziehen, um ihm anzuzeigen, daß er uns Beistand leisten möchte. Wir erwarteten nunmehr die Rückkehr des Bootes mit größter Ungeduld. Nach einer Viertelstunde, die wir unter der quälendsten Angst und Ungewißheit zubrachten, kam einer der Offiziere und bestätigte uns leider die Berechtigung unsrer Unruhe. Zugleich brachte er uns Befehl, die Zelte so schnell als möglich abzubrechen und die Segel, die zum Ausbessern an Land waren, an Bord zu schicken. Während der langen Zeit hatte auch unser Freund Kärikia von einem Eingeborenen, der von der anderen Seite der Bucht gekommen war, Kapitän Cooks Tod erfahren und kam bekümmert und niedergeschlagen zu mir, um zu fragen, ob das wahr sei. Unsere Lage war jetzt sehr kritisch und gefährlich. Unser Leben stand auf dem Spiel, und überdies handelte es sich auch um den Ausgang der ganzen Unternehmung und um die Rückkehr unserer Schiffe. Der Mast der »Resolution« und unsere meisten Segel, deren Verlust unersetzlich gewesen wäre, lagen unter der geringen Bedeckung von 6 Seeleuten am Ufer. Und obschon die Eingeborenen bis jetzt noch nicht die geringste Neigung geäußert hatten, uns anzugreifen, so war es doch sehr ungewiß, welchen Einfluß die Nachricht von dem Vorgang in Kauraua auf sie haben würde. Damit nicht etwa die Furcht vor unserer Rache oder das unglückliche Beispiel, das die Eingeborenen vor sich sahen, sie antreiben möchte, die gegenwärtige vorteilhafte Gelegenheit zu benützen und uns einen zweiten Streich zu versetzen, gab ich vor, ich glaube die Nachricht von Kapitän Cooks Tode nicht, und bat zugleich den Kärikia, er möchte ihr auch seinerseits widersprechen. Zugleich forderte ich ihn auf, den alten Ka-u und die übrigen Priester in ein großes Haus nahe dem Marai zu bringen, teils um sie für den äußersten Fall zu sichern, teils um sie in der Nähe zu haben und mich womöglich ihres Ansehens bei dem Volke zur Erhaltung des Friedens bedienen zu können. Nunmehr postierte ich die Seesoldaten auf die Höhe des Marai, eine starke, vorteilhafte Stellung, befahl dem Offizier auf das strengste, nur in Selbstschutz zu handeln, und ging dann an Bord der »Resolution«, um Kapitän Clerke unsere gefährliche Lage zu schildern. Sobald ich das Ufer verließ, griffen die Eingeborenen unsere Leute mit Steinen an, und kaum hatte ich das Schiff erreicht, als ich die Seesoldaten schon feuern hörte. Ich kehrte daher unverzüglich an das Ufer zurück und fand, daß die Lage mit jedem Augenblick bedrohlicher wurde. Die Eingeborenen bewaffneten sich, legten ihre Mattenpanzer an und verstärkten sich zusehends. Ich bemerkte auch verschiedene große Haufen, die längs der Klippen auf uns zukamen. Anfangs warfen sie hinter der Mauer hervor, womit ihre Pflanzung umgeben war, Steine nach uns. Da sie aber keinen Widerstand fanden, wurden sie bald kühner, und einige entschlossene Kerle, die unter den Felsen längs dem Ufer fortgekrochen waren, zeigten sich plötzlich am Fuß des Marai, um ihn, wie es schien, von der Seeseite als dem einzigen zugänglichen Orte zu erstürmen. Sie ließen sich auch nicht eher vertreiben, als bis wir mehrmals gefeuert und einen getötet hatten. Einer von diesen Kriegern gab ein besonders lobenswertes Beispiel von Tapferkeit. Als er ungeachtet des Feuers unserer Gewehre zurückkehrte, um den Leichnam eines Gefallenen fortzutragen, wurde er verwundet und mußte sich nach Preisgabe des Leichnams zurückziehen. Nach einigen Minuten kam er wieder, wurde aber durch einen abermaligen Treffer an seinem Vorhaben gehindert. In diesem Augenblick kam ich bei dem Marai an und sah ihn zum dritten Male blutend und entkräftet zurückkehren. Als ich erfuhr, was sich zugetragen hatte, verbot ich den Soldaten, zu feuern, so daß jener ruhig seinen Freund forttragen konnte. Kaum war ihm dies gelungen, als er selbst niederstürzte und starb. Da nunmehr eine ansehnliche Verstärkung von beiden Schiffen gelandet war, zogen sich die Eingeborenen hinter ihre Mauer zurück. Hierdurch erhielt ich Zugang zu den uns freundschaftlich gesinnten Priestern und schickte sogleich einen von ihnen an das Volk ab, um zu versuchen, ob sie zum Frieden zu bewegen wären, und um ihnen vorzuschlagen, daß meine Leute das Feuer einstellten, wenn sie ihrerseits nicht mehr mit Steinen würfen. Dieser Waffenstillstand ward angenommen, und man ließ uns ungestört den Mast in See stoßen und die Segel nebst den astronomischen Instrumenten fortschaffen. Sobald wir das Marai verlassen hatten, nahmen sie es in Besitz und schleuderten einige Steine nach uns hin, die uns aber keinen Schaden taten. Es war halb 12 Uhr, als ich an Bord der »Discovery« anlangte, wo man über unsere künftigen Maßnahmen noch keinen Rat gehalten hatte. Wir beschlossen, auf alle Fälle darauf zu bestehen, daß unser Boot zurückgegeben und der Leichnam Kapitän Cooks ausgeliefert werden solle, und ich selbst stimmte noch dafür, daß im Notfall einige entschlossene Schritte unternommen werden müßten. Obgleich man sich vorstellen kann, daß mein Schmerz über den Tod des geliebten, geehrten Freundes großen Anteil an diesem Entschlusse hatte, so waren doch auch viele andere wichtige Gründe dafür vorhanden. Der Übermut, den der Fall unsers Befehlshabers bei den Eingeborenen erregt, und der kleine Vorteil, den sie am Tage vorher über uns erhalten hatten, mußte sie ermuntern, noch weitere Versuche zu wagen, besonders da ihnen die bisherigen Vorfälle noch keine rechte Furcht vor unsern Feuerwaffen hatten einflößen können, und da deren Wirkung überdies, ganz gegen unsre Erwartung, nicht das mindeste Erstaunen bei ihnen hervorgerufen hatte. Auf der anderen Seite war unsere Lage so gefährlich, die Schiffe in so schlechtem Verteidigungszustande, die Manneszucht an Bord so übel beschaffen, daß wir unmöglich für die Folgen hätten einstehen können, wenn man uns in der Nacht angegriffen hätte. In dieser Besorgnis waren die meisten Offiziere derselben Meinung wie ich. Und in der Tat konnte nichts den Eingeborenen mehr Mut zu einem Angriff geben als unsre anscheinende Neigung zu einem Vergleich, die sie sich nur aus unserer Furcht oder Schwäche hätten erklären können. Zur Empfehlung friedlicher Maßregeln ward hingegen mit Recht angeführt, das Unglück sei nun einmal unwiderruflich geschehen, und die vorige Freundschaft und Güte der Eingeborenen gäbe ihnen ein Anrecht auf unsere Achtung, besonders da der letzte traurige Vorfall kein vorbedachtes Unternehmen schiene, und da Terriobus Bereitwilligkeit, Kapitän Cook an Bord zu folgen, als seine Knaben sich wirklich schon im Boot befanden, ihn ganz von dem Verdachte befreien müsse, selbst um den Diebstahl gewußt zu haben. Das Betragen seiner Frau und der Häuptlinge lasse sich leicht der Furcht zuschreiben, die der Anblick der bewaffneten Soldaten des Kapitäns und der kriegerischen Zurüstungen in der Bucht bei ihnen verursacht haben müsse. Diese letzteren wären dem freundschaftlichen, vertraulichen Umgange, der bisher zwischen beiden Teilen stattgehabt hätte, so wenig angemessen gewesen, daß die Eingeborenen dem Anscheine nach begründetes Recht haben konnten, sich der Entführung ihres Königs zu widersetzen -- wie man von einem Volke, das seinen Herrschern so tief ergeben sei, leicht habe erwarten dürfen. Außer diesen menschlichen Gründen führte man noch andre an, die die Klugheit an die Hand gab. Wir litten Mangel an Wasser und anderen Erfrischungen, und an dem Vordermast müsse man noch eine ganze Woche arbeiten, ehe er aufgerichtet werden könne. Der Frühling nähere sich nun allmählich, und wir dürften die Fortsetzung unserer Unternehmungen am Nordpol nicht aus den Augen verlieren. Ein rachsüchtiger Streit könne uns nicht allein den Vorwurf der Grausamkeit zuziehen, sondern auch eine unvermeidliche Verzögerung in der Ausrüstung der Schiffe veranlassen. Kapitän Clerke vertrat diese letzte Ansicht, und obgleich ich überzeugt war, daß unserm Empfinden durch einen unmittelbaren, nachdrücklichen Beweis unsers Unwillens besser Genüge geschehen wäre, war ich doch nicht unzufrieden, daß mein Rat verworfen wurde. Indes wir unsern Plan besprachen, blieb eine außerordentliche Menge Eingeborener am Strande versammelt, und einige von ihnen waren so kühn, sich den Schiffen bis auf Pistolenschußweite zu nähern und uns durch verschiedene verächtliche und herausfordernde Gebärden zu beschimpfen. Die Matrosen konnten nur mit großer Mühe abgehalten werden, ihre Waffen zu gebrauchen. Da wir uns aber einmal zu friedlichen Maßregeln entschlossen hatten, ließen wir die Kanus unangefochten zurückkehren. Unserm Entschluß gemäß erhielt ich vor versammelter Mannschaft und in bestimmtesten Ausdrücken den Befehl, mit allen Booten beider Schiffe, die gut bewaffnet und bemannt sein sollten, an Land zu rudern, um die Eingeborenen zu einer Unterredung zu bewegen und womöglich eine Zusammenkunft mit den Häuptlingen durchzusetzen. Gelänge dies, so sollte ich sie auffordern, die Leichname unserer Landsleute, vor allem aber den unseres Kapitäns, uns auszuliefern. Im Fall ihrer Weigerung sollte ich ihnen mit unserer Rache drohen, aber nicht eher feuern, als bis wir angegriffen würden, und unter keinen Umständen landen. Ich verließ die Schiffe um 4 Uhr nachmittags. Indem wir uns dem Strande näherten, bemerkte ich schon aus allen Anzeichen, daß wir feindlich empfangen werden würden. Alle Eingeborenen waren in Bewegung, die Frauen und Kinder zogen sich zurück, die Männer legten ihre Mattenpanzer an und bewaffneten sich mit langen Speeren und Dolchen. Wir wurden auch gewahr, daß sie seit diesem Morgen an dem Platze, wo Kapitän Cook gelandet war, Brustwehren von Steinen aufgeworfen hatten, vermutlich weil sie fürchteten, wir möchten sie von dieser Seite angreifen. Sobald sie uns erreichen konnten, fingen sie an, Steine auf uns zu werfen, die uns indes keinen Schaden taten. Da ich nunmehr einsah, daß alle Versuche, sie zu einer Unterredung zu bringen, fruchtlos seien, wenn ich ihnen nicht zuerst eine Veranlassung zu gegenseitigem Vertrauen gäbe, so ließ ich die bewaffneten Boote halten und näherte mich allein mit einer weißen Fahne in der Hand. Diese ward, wie mir zu meiner großen Zufriedenheit das Freudengeheul der Eingeborenen anzeigte, als Friedenszeichen erkannt. Die Frauen kehrten sogleich von der Berglehne zurück, wohin sie sich geflüchtet hatten. Die Männer warfen ihre Panzer ab, und alle setzten sich am Wasser nieder und luden mich mit ausgebreiteten Armen ein, ans Ufer zu kommen. [Illustration: Kapitän King näherte sich mit einer weißen Fahne in der Hand.] Obschon dieses Betragen sehr freundschaftliche Gesinnungen auszudrücken schien, hegte ich dennoch einigen Verdacht. Als ich indes sah, daß Koah unbegreiflich kühn und zuversichtlich mit einer weißen Fahne in der Hand mir entgegenschwamm, hielt ich es für nötig, dieses Zeichen des Zutrauens zu erwidern, und nahm ihn in mein Boot auf. Zwar war er bewaffnet, was mein Mißtrauen nicht gerade verringern konnte. Schon lange hatte ich nicht die vorteilhafteste Meinung von ihm gehabt. Die Priester sagten uns immer, er sei boshaft und uns nicht gewogen. Wiederholte Entdeckungen seiner hinterlistigen und betrügerischen Anschläge hatten ihre Aussage bestätigt. Das alles nebst dem empörenden Auftritt an diesem Morgen, bei dem er eine große Rolle gespielt hatte, erregten in mir, als ich ihm so nahe saß, den größten Abscheu gegen ihn. Und als er mit erheuchelten Tränen zu mir kam, um mich zu umarmen, hatte ich einen so starken Verdacht gegen seine Absicht, daß ich mich nicht abhalten ließ, die Spitze seines »Pahua« oder Dolches, den er in der Hand hielt, zu ergreifen und von mir abzuwenden. Ich sagte ihm, ich sei gekommen, des Kapitäns Cook Leichnam zu fordern und Krieg zu erklären, wenn er nicht sogleich ausgeliefert würde. Er versicherte mir, es werde sobald als möglich geschehen, und er selbst wolle sich darum bemühen. Hierauf bat er mich so zuversichtlich, als ob nichts vorgefallen sei, um ein Stückchen Eisen, sprang in die See und rief, indem er ans Ufer schwamm, seinen Landsleuten zu, wir wären wieder gute Freunde. Wir erwarteten beinahe eine Stunde lang mit der größten Unruhe Koahs Rückkehr. Während dieser Zeit waren die übrigen Boote dem Ufer so nahe gekommen, daß sie sich in einiger Entfernung von uns mit einem Teil der Eingeborenen in ein Gespräch hatten einlassen können, wobei wir erfuhren, der Leichnam sei in Stücke geschnitten und landeinwärts geschleppt worden. Als ich nunmehr anfing, meine Ungeduld über Koahs Verzögerung durchblicken zu lassen, drangen die Häuptlinge in mich, ich möchte ans Ufer kommen, und versicherten mir zugleich, der Körper solle uns unverzüglich ausgeliefert werden, wenn ich selbst zu Terriobu gehen wollte. Als sie sahen, daß ich mich durchaus nicht bereden ließ, an Land zu kommen, suchten sie unter dem Vorwande, wir würden uns so bequemer unterhalten können, das Boot zwischen einige Felsen zu ziehen, wo sie es von den übrigen hätten abschneiden können. Diese List ließ sich leicht durchschauen, und ich war schon im Begriff, die Verhandlungen für immer abzubrechen, als ein Vornehmer zu uns kam, der ein besonderer Freund des Kapitäns Clerke und der Offiziere des »Discovery« war und auf diesem Schiffe, als wir das letztemal die Bucht verlassen hatten, nach Mauwi hatte gehen wollen. Dieser sagte mir, Terriobu habe ihn geschickt, um uns zu benachrichtigen, man habe den Leichnam weiter ins Land geschafft, werde ihn uns aber am folgenden Morgen zuschicken. Sein Betragen schien aufrichtig zu sein, und als wir ihn befragten, ob er die Wahrheit rede, verschränkte er die beiden Zeigefinger ineinander, was bei den Bewohnern dieser Insel ein Zeichen von Wahrhaftigkeit ist, in dessen Verwendung sie sehr gewissenhaft sind. Da ich nun nicht wußte, was hier weiter zu tun wäre, schickte ich einen Leutnant zu Kapitän Clerke, um ihm Nachricht von allen Vorfällen zu geben und ihm sagen zu lassen, daß ich sehr zweifelte, ob die Eingeborenen ihr Wort halten würden, da sie, anstatt über das Vergangene betrübt zu sein, vielmehr voll Mut und Zuversicht wegen ihres letzten Vorteils wären und augenscheinlich nur Zeit zu gewinnen suchten, uns durch List in ihre Netze zu ziehen. Der Leutnant brachte uns den Befehl, an Bord zurückzukehren und vorher den Einwohnern bekanntzugeben, daß der Ort zerstört werden würde, wofern der Leichnam am nächsten Morgen nicht ausgeliefert würde. Als sie merkten, daß wir umkehren wollten, suchten sie uns durch die beschimpfendsten und verächtlichsten Gebärden zu reizen. Einige von unseren Leuten sagten auch, sie könnten verschiedene Eingeborene in den Kleidern unserer unglücklichen Gefährten umhergehen sehen. Unter anderm bemerkte man auch, daß einer von ihren Häuptlingen den Hirschfänger unseres ermordeten Kapitäns schwenkte, und daß eine Frau die Scheide der Waffe hoch hielt. Allerdings mußte ihnen unser Betragen eine schlechte Vorstellung von unserer Macht und Tapferkeit geben; denn sie konnten wohl nur wenig Sinn für die Beweggründe der Menschlichkeit haben, die unser Betragen bestimmten. Zufolge des Berichts, den ich Kapitän Clerke von den gegenwärtigen Gesinnungen der Eingeborenen abstattete, wurden die wirksamsten Maßregeln getroffen, das Schiff vor einem nächtlichen Überfall zu schützen. Die Boote wurden an Ketten festgemacht, die Schiffswachen verdoppelt und Wachtboote ausgesetzt, die rundumher rudern und die Eingeborenen abhalten sollten, wenn sie etwa die Ankertaue zu zerschneiden versuchten. In der Nacht sahen wir eine Menge Lichter auf den Bergen und wurden dadurch zu der Annahme veranlaßt, daß die Eingeborenen aus Furcht vor unseren Drohungen ihre Güter weiter ins Land schickten. Ich bin aber geneigt zu glauben, daß sie wegen des ihrer Vermutung nach bevorstehenden Krieges Opfer gebracht haben. Und noch wahrscheinlicher ist es, daß man damals die Leichname unserer Landsleute verbrannt hat. Als wir später an der Insel Molokai vorbeisegelten, sahen wir ebensolche Feuer, und einige von den Eingeborenen sagten uns, man habe sie wegen des Krieges angezündet, der einer benachbarten Insel erklärt worden sei. Das stimmt auch mit unseren Erfahrungen auf den Freundschaftsinseln überein, wo die Häuptlinge bei einem bevorstehenden Angriff des Feindes den Mut des Volkes immer durch nächtliche Feste anzufeuern und zu beleben suchten. Wir blieben die ganze Nacht ungestört und hörten nur Geheul und Klagen vom Ufer her schallen. Früh am Morgen kam Koah und bat um Erlaubnis, mir etwas von dem Zeug und ein kleines Ferkel zum Geschenk anbieten zu dürfen. Daß er gerade nach mir fragte, läßt sich leicht erklären. Wie ich schon gesagt habe, hielten mich die Eingeborenen für Kapitän Cooks Sohn. Und da Cook sie bei seinen Lebzeiten immer in diesem Irrtum beharren ließ, dachten sie wahrscheinlich, nun, da er tot sei, hätte ich den Befehl übernommen. Sobald ich auf das Verdeck trat, fragte ich Koah nach dem Leichnam unseres Kapitäns. Da er mir nur mit Ausflüchten Rede stand, wies ich seine Geschenke zurück und würde ihn mit deutlichen Äußerungen von Zorn und Unmut fortgeschickt haben, wenn nicht Kapitän Clerke es für alle Fälle besser befunden hätte, die anscheinende Freundschaft zu erhalten und ihm mit der gewöhnlichen Achtung zu begegnen. Der verräterische Koah kam im Laufe des Vormittags noch oft mit seinen nichtssagenden Geschenken zurück. Da er jederzeit alle Teile des Schiffes mit großer Aufmerksamkeit betrachtete, machte ich ihn darauf aufmerksam, daß wir zur Verteidigung bereit seien. Er war äußerst zudringlich in seiner Bitte, daß Kapitän Clerke und ich ans Ufer kommen sollten, und schob die Verzögerung der Auslieferung der Leichname ganz auf die anderen Häuptlinge. Doch versicherte er uns, alles würde nach unseren Wünschen geschehen, wenn wir uns zu einer mündlichen Unterredung mit Terriobu bewegen ließen. Allein, seine Aufführung war zu verdächtig, als daß wir bei ruhiger Überlegung in seine Bitte hätten willigen können. Auch erfuhren wir nachher wirklich einen Umstand, aus dem wir seine Lügenhaftigkeit erkannten. Man sagte uns nämlich, der alte König habe sich unmittelbar nach dem Handgemenge, in dem Kapitän Cook sein Leben verlor, nach den steilen Gebirgen hinter der Bucht zu einer Höhle begeben, in die man nur durch Seile hinabkönne. Hier ist er, nach der Aussage der Eingeborenen, verschiedene Tage geblieben, während welcher man ihm seine Nahrung an Stricken hinuntergelassen habe. Als Koah vom Schiffe zurückkehrte, drängten sich seine Leute, die sich vor Tagesanbruch in großen Haufen am Ufer versammelt hatten, lebhaft um ihn her, als ob sie aus seinen Nachrichten vernehmen wollten, was weiter zu tun sei. Wahrscheinlich erwarteten sie die Erfüllung unserer Drohung und schienen dabei völlig entschlossen, uns die Spitze zu bieten. Den ganzen Morgen über hörten wir in verschiedenen Gegenden der Küste in die Trompetenschnecke blasen und sahen große Haufen von Eingeborenen über die Hügel kommen. Kurz, aller Anschein war so beunruhigend, daß wir einen Stromanker auswarfen, um im Falle eines Angriffs die Breitseite des Schiffs gegen das Dorf richten zu können. Auch stellten wir der Nordspitze der Bucht gegenüber Boote aus, um einen Überfall von dieser Seite zu verhüten. Da die Eingeborenen ihr Versprechen, die Leichname der Erschlagenen auszuliefern, nicht gehalten hatten und lauter kriegerische Anstalten machten, hielten wir neue Beratungen ab, was für Maßregeln wir nunmehr ergreifen sollten. Endlich ward beschlossen, die Ausbesserung des Mastes nebst den übrigen Anstalten zu unserer Abreise durch nichts stören zu lassen, dessenungeachtet aber die Verhandlungen wegen Rückgabe der Leichname fortzusetzen. Den größten Teil des Tages brachten wir damit zu, den Vordermast auf dem Verdeck in eine solche Lage zu bringen, daß die Zimmerleute daran arbeiten konnten. Außerdem mußten die nötigen Veränderungen in den Offiziersstellen vorgenommen werden. Das Oberkommando der Unternehmung fiel nunmehr Kapitän Clerke zu, der sich an Bord der »Resolution« begab und den rangältesten Leutnant zum Kapitän der »Discovery« ernannte. Die Eingeborenen ließen uns ungestört. Als die Nacht anbrach, wurde die Barkasse wieder angekettet und, wie in der Nacht vorher, sandten wir Wachtboote aus. Gegen 8 Uhr, als es schon sehr dunkel war, hörten wir ein Kanu an das Schiff heranrudern. Sobald die Wachen es erkennen konnten, feuerten sie darauf. Es waren zwei Männer darin, die sogleich »Tinni« riefen; denn so sprach man hierzulande meinen Namen King aus. Sie wären Freunde, sagten sie, und brächten mir etwas, das dem Kapitän Cook gehöre. Als sie an Bord kamen, warfen sie sich uns zu Füßen und schienen äußerst erschrocken. Glücklicherweise war keiner verwundet; die beiden Kugeln waren nur durch das Kanu hindurchgegangen. Der eine von ihnen war ebenderselbe, den ich zuvor unter dem Namen des Tabumannes erwähnt habe, und der Kapitän Cook bei den geschilderten Feierlichkeiten beständig begleitet hatte und sich, obgleich er auf seiner Insel ein Mann von Stande war, dennoch kaum hatte abhalten lassen, ihm die niedrigsten Handreichungen eines ganz gewöhnlichen Bedienten zu leisten. Er beklagte erst mit vielen Tränen den Verlust des »Orono« und sagte dann, er bringe einen Teil seines Körpers. Zugleich reichte er uns ein kleines, in Zeug gewickeltes Bündel dar, das er unter seinem Arm hielt. Unmöglich kann ich das Grausen ausdrücken, das uns ergriff, als wir darin ein Stück Menschenfleisch von 9-10 Pfund Gewicht erblickten. Dieses sagte er, sei alles, was von dem Körper noch übrig sei. Das übrige habe man in Stücke zerschnitten und verbrannt. Terriobu und die anderen Häuptlinge besäßen aber den Kopf und alle Knochen, ausgenommen die Rumpfknochen. Was wir jetzt sähen, sei dem Oberpriester Ka-u zugeteilt worden, um sich dessen bei gewissen Religionsfeierlichkeiten zu bedienen. Allein, er schicke es uns als ein Zeichen seiner Unschuld und Treue. [Illustration: Unmöglich kann ich das Grausen ausdrücken, als wir ein Stück Menschenfleisch erblickten.] Dieser Vorfall gab uns Gelegenheit, nachzuforschen, ob die Hawaiier Menschenfleisch verzehrten. Zuerst versuchten wir durch verschiedene unbestimmte Fragen, die einem jeden von ihnen besonders vorgelegt wurden, zu erfahren, was man mit den übrigen Leichen gemacht habe. Sie blieben aber immer bei derselben Aussage: man habe das Fleisch von den Knochen gelöst und es verbrannt. Als wir endlich offenheraus fragten, ob sie nichts davon gegessen hätten, bezeigten sie sogleich bei dem bloßen Gedanken ebensolchen Abscheu, wie ihn nur irgendein Europäer hätte fühlen können, und erkundigten sich sehr traurig, ob das unter uns Sitte sei. Nachher verlangten sie mit vielem Ernst und anscheinender Furcht zu wissen, wann der »Orono« wiederkommen, und wie er sie bei seiner Rückkehr behandeln werde. Auch andere taten später oftmals diese Frage, und der Glaube, daß Kapitän Cook wiederkommen werde, stimmt vollkommen mit ihrem Betragen gegen ihn überein, das immer bewies, daß sie ihn für ein höheres Wesen hielten. Wir drangen umsonst in unsere freundschaftlichen Gäste, bis am Morgen an Bord zu bleiben. Sie sagten, wenn dieser Besuch dem König oder den Häuptlingen zu Ohren käme, könnte er die traurigsten Folgen für die ganze Priesterschaft haben. Um dieses zu verhindern, wären sie genötigt gewesen, in der Finsternis zu uns zu kommen, und müßten aus demselben Grunde auch bei Nacht noch ans Ufer zurückkehren. Sie entdeckten uns auch, daß die Häuptlinge damit umgingen, den Tod ihrer Landsleute zu rächen, und warnten uns besonders vor Koah, der unser unversöhnlichster Feind sei und nebst den übrigen eifrig eine Gelegenheit wünsche, gegen uns zu fechten, wozu das Blasen der Schneckentrompeten, das wir diesen Morgen vernommen, das Volk aufgefordert habe. Ferner erfuhren wir von ihnen, daß bei dem ersten Gefecht in Kauraua 17 von ihren Landsleuten, darunter 5 Befehlshaber, gefallen wären. Zu unserm großen Leidwesen waren dabei auch Kanina und sein Bruder, unsere ganz besonderen Freunde, ums Leben gekommen. Acht hatten wir bei der Sternwarte getötet, darunter drei Männer ebenfalls von hohem Rang. Gegen 11 Uhr verließen uns unsere beiden Freunde und waren so vorsichtig, daß sie baten, unser Wachtboot möchte sie bis jenseits der »Discovery« begleiten, damit man nicht wieder auf sie feuere und ihre Landsleute am Ufer aufschrecke, weil sie dadurch in Gefahr geraten könnten, entdeckt zu werden. Wir gewährten ihnen ihre Bitte und erfuhren zu unserer Freude, daß sie sicher und unentdeckt ans Land gekommen wären. Den Rest dieser Nacht hörten wir so wie in der vorigen lautes Klagegeheul am Lande, und früh am Morgen besuchte uns Koah abermals. Da die unwidersprechlichsten Beweise und die Äußerungen unserer Freunde, der Priester, seine Treulosigkeit bezeugten, ärgerte es mich, daß es ihm erlaubt sein solle, dieses Possenspiel noch weiter fortzuführen, weil er zuletzt glauben konnte, wir ließen uns wirklich von seinen Scheinheiligkeiten betrügen. Unsere Lage war sehr ungünstig und unbequem geworden. Von den Absichten, um derentwillen wir bis jetzt ein so friedliches Betragen fortgesetzt hatten, war nicht eine einzige erreicht worden, und auf unsre Forderungen hatte man uns in keiner Weise befriedigende Antwort gegeben. Zu einem Vergleich mit den Eingeborenen war noch gar kein Anschein vorhanden; denn sie hielten sich immer in so großer Menge am Strande auf, als wollten sie jeden Landungsversuch zurückschlagen. Und dennoch war diese Landung unausbleiblich notwendig geworden, da wir es nicht länger verschieben durften, unsern Wasservorrat zu ergänzen. Gleichwohl muß ich zu Kapitän Clerkes Rechtfertigung bemerken, daß ein Angriff für uns nicht ohne Gefahr gewesen wäre. Dies ließ die große Zahl der Eingeborenen und die Entschlossenheit vermuten, womit sie uns erwarteten. Andrerseits würde es uns mit Hinsicht auf die Fortsetzung unsrer Reise äußerst empfindlich gewesen sein, wenn wir auch nur einige Leute verloren hätten. Wenn wir hingegen unsre Drohungen erst später erfüllten, hatten wir, abgesehen von der Geringschätzung des Mutes, die ein solches Zögern den Insulanern einflößen mußte, den Vorteil, daß sie sich zerstreuten. Schon heute gingen, als sie uns in unserer Untätigkeit verharren sahen, große Haufen von ihnen über die Berge zurück, nachdem sie vorher auf ihren Schnecken geblasen und uns auf alle Art herausgefordert hatten. Diejenigen, die zurückblieben, waren aber deswegen nicht weniger verwegen und unverschämt. Einer von ihnen hatte sogar die Frechheit, sich dem Schiffe bis auf einen Büchsenschuß zu nähern, einige Steine nach uns zu schleudern und Kapitän Cooks Hut über seinem Kopf zu schwenken, indes seine Landsleute am Ufer über seine Kühnheit jauchzten und ihn aufmunterten. Unser Schiffsvolk raste bei dieser Beschimpfung vor Wut. Und die ganze Mannschaft kam auf das Achterdeck, um zu bitten, daß man sie nicht länger zwingen möchte, diese wiederholten Beleidigungen zu dulden. Sie wandten sich insbesondere an mich, damit ich ihnen von Kapitän Clerke die Erlaubnis auswirken möchte, bei der ersten vorteilhaften Gelegenheit den Tod Cooks rächen zu können. Als ich dem Kapitän dieses meldete, befahl er mir, einige Kanonenschüsse auf die Eingeborenen am Ufer feuern zu lassen, und versprach der Mannschaft, wenn sie am folgenden Morgen in ihrer Beschäftigung am Wasserplatze gestört würde, solle sie völlige Freiheit haben, die Feinde zu züchtigen. Es ist sonderbar, daß die Eingeborenen, noch ehe wir unsere Kanonen richten konnten, vermutlich aus der Geschäftigkeit, die sie auf dem Schiffe wahrnahmen, unsere Absicht erraten und sich hinter ihre Häuser und Mauern zurückgezogen hatten. Wir mußten also einigermaßen aufs blinde Ungefähr schießen. Indes tat das Feuer dennoch alle davon erhoffte Wirkung. Denn kurz nachher ruderte Koah sehr eilig zu uns und sagte, daß einige Personen, darunter Maiha-Maiha, ein vornehmer Häuptling und Blutsfreund des Königs, getötet worden wären. Bald nach Koahs Ankunft schwammen zwei Knaben mit langen Spießen in der Hand von dem Marai her an unser Schiff. Als sie ziemlich nahe waren, fingen sie einen feierlichen Gesang an, dessen Inhalt sich auf die letzte traurige Begebenheit zu beziehen schien, wie wir aus dem oft wiederholten Worte »Orono« und ihrem Hindeuten auf den Platz, wo Kapitän Cook erschlagen worden war, schließen mußten. Sie setzten ihren klagenden Gesang 12 oder 15 Minuten lang fort und blieben während der Zeit immer im Wasser. Nachher gingen sie an Bord der »Discovery«, gaben ihre Speere ab und schwammen dann nach kurzem Aufenthalt ans Ufer zurück. Wer sie geschickt hatte, und was der Sinn dieser Feierlichkeit war, konnten wir nie erfahren. In der Nacht wurden die gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln zur Sicherung der Schiffe getroffen. Als es finster ward, kamen unsere beiden Freunde der vorigen Nacht wieder. Sie versicherten uns, die Häuptlinge hätten ihre feindliche Absicht keinesfalls aufgegeben, obgleich sie diesen Nachmittag durch die Wirkung unseres Geschützes außerordentlich erschreckt worden wären, und gaben uns den Rat, auf unsrer Hut zu sein. Am folgenden Tag gingen die Boote beider Schiffe an Land, um Wasser zu füllen. Die »Discovery« legte sich nahe an den Strand, um sie bei der Arbeit zu decken. Wir bemerkten bald, daß die Nachricht, die uns die Priester gegeben hatten, nicht unbegründet sei. Denn die Eingeborenen schienen entschlossen, uns auf alle Weise zu schädigen, ohne sich selbst in große Gefahr zu begeben. Auf dieser ganzen Inselgruppe liegen die Dörfer meistens nahe der See, und der umliegende Boden ist von 3 Fuß hohen Mauern eingeschlossen. Wir glaubten anfangs, diese sonderten nur die verschiedenen Besitzungen ab. Nunmehr entdeckten wir aber, daß sie ihnen als Verteidigungswerke gegen feindliche Einfälle dienen und wahrscheinlich gar keine andere Aufgabe haben. Sie bestehen aus lockeren Steinen, und die Eingeborenen sind sehr gewandt, diese aufs schnellste aus einer Lage in die andere zu bringen, um die Brustwehr so zu verändern, wie es die Angriffsrichtung erfordert. Am Abhang des Berges, der über die Bucht hervorragt, gibt es kleine Höhlen von ansehnlicher Tiefe, deren Eingang ähnlich durch eine solche Mauer geschützt war. Hinter diesen Brustwehren hielten sich die Eingeborenen beständig versteckt und beunruhigten unsere Leute am Wasserplatze mit Steinwürfen, und die wenigen Soldaten, die wir am Lande hatten, waren nicht imstande, sie durch ihr Musketenfeuer zu vertreiben. Unter diesen Umständen hatten unsere Leute genug zu tun, um für ihre eigene Sicherheit zu sorgen, so daß sie während des ganzen Vormittags nur eine Tonne Wasser füllen konnten. Man sah nun ein, es sei unmöglich, diese Arbeit zu verrichten, ehe nicht die Eingeborenen weiter zurückgetrieben wären, und es ward den Kanonen der »Discovery« Befehl gegeben, sie zu vertreiben. Dies ward auch mit wenigen Schüssen erreicht, und unsere Leute landeten nun ungehindert. Dessenungeachtet kamen die Eingeborenen bald wieder zum Vorschein und fingen ihre gewöhnlichen Angriffe an, so daß man es für notwendig hielt, einige zerstreute Häuser unweit der Mauer, wo sich die Eingeborenen verborgen hielten, in Brand zu stecken. Es tut mir weh, gestehen zu müssen, daß sich unsere Leute dabei zu unnötiger Grausamkeit und Verwüstung hinreißen ließen. Man hatte, wie gesagt, befohlen, nur einige zerstreute Hütten zu verbrennen; wir erstaunten also sehr, als wir das ganze Dorf in Feuer aufgehen sahen. Ehe noch ein Boot das Ufer erreichen konnte, um der Verheerung Einhalt zu tun, standen auch die Wohnungen unserer Freunde, der Priester, in Flammen. Zu meinem großen Verdruß hielt mich diesen Tag eine Unpäßlichkeit an Bord zurück. Die Priester hatten immer unter meinem besonderen Schutze gestanden. Unglücklicherweise aber hatten die heute diensttuenden Offiziere wenig Gelegenheit gehabt, das Marai zu besuchen, und kannten die Lage des Ortes zu wenig. Wäre ich zugegen gewesen, so hätte ich vielleicht Mittel gefunden, die kleine Priesterschaft vor dem Verderben zu bewahren. Als sich die Eingeborenen aus dem Brande retten wollten, wurden einige von ihnen erschossen, und zweien von ihnen schnitten unsere Leute die Köpfe ab und brachten sie mit sich an Bord. Einen von den Gefallenen beklagten wir sehr. Er war an den Bach gekommen, um Wasser zu schöpfen. Einer von den Seesoldaten schoß auf ihn, traf aber nur seinen Flaschenkürbis. Diesen warf der Insulaner sogleich von sich und suchte zu entfliehen. Man verfolgte ihn bis in eine der oben beschriebenen Höhlen, deren Bestimmung wir eben durch diesen Vorfall kennenlernten. Keine Löwin hätte ihre Jungen mutiger verteidigen können als er sein Leben. Zuletzt fiel er aber, nachdem er zweien unsrer Leute lange widerstanden hatte, über und über mit Wunden bedeckt. Um diese Zeit ward ein älterer Mann gefangengenommen und gebunden in ebendemselben Boot, in dem die Köpfe seiner beiden Landsleute lagen, an Bord geschickt. Nie habe ich einen so heftigen Ausdruck des grauenvollsten Schreckens gesehen, als in dem Gesichte dieses Mannes, aber auch nie einen so plötzlichen Übergang zur grenzenlosesten Freude, als man ihn losband und sagte, er könne unbehindert gehen. Sein nachheriges Betragen bewies uns seine Dankbarkeit; denn er brachte uns mehrmals Geschenke an Lebensmitteln und leistete uns verschiedene andere Dienste. Bald nachdem das Dorf niedergebrannt war, sahen wir einen Mann über den Berg kommen, den fünfzehn bis zwanzig Knaben mit weißen Tüchern und grünen Zweigen in der Hand begleiteten. Ich weiß nicht, wie es zuging, daß diese friedliche Gesandtschaft von einer unserer Abteilungen mit Flintenschüssen empfangen wurde. Dies hielt sie indessen nicht auf, vielmehr setzte sie ihren Weg fort, und der diensthabende Offizier eilte zeitig genug herbei, um eine zweite Salve zu verhüten. Als sie näher kamen, sahen wir, daß es unser trefflicher Freund Kärikia war, der bei dem Brande die Flucht ergriffen hatte, jetzt aber zurückkehrte und an Bord der »Resolution« geführt werden wollte. Als er ankam, war er sehr ernst und gedankenvoll. Wir versuchten, ihm begreiflich zu machen, daß wir notwendig das Dorf hätten in Brand stecken müssen, wobei denn seine und seiner Brüder Wohnungen ohne unsere Absicht mit verzehrt worden wären. Er verwies uns unsern Mangel an Freundschaft und Dankbarkeit. Wir erfuhren erst jetzt, welch einen großen Verlust die Priester durch uns erlitten hätten. Er sagte uns, im vollen Vertrauen auf mein Versprechen und auf die Versicherungen der Männer, die uns die Überreste des Kapitäns abgeliefert, hätten die Priester ihr Vermögen nicht wie die übrigen Einwohner tiefer ins Land geschafft, sondern ihre wertvollsten Güter nebst allem, was sie von uns gesammelt gehabt, in ein Haus nahe dem Marai zusammengetragen, wo es zu ihrem großen Jammer vor ihren Augen ein Raub der Flammen habe werden müssen. Als er an Bord gekommen war, hatte er die Köpfe seiner Landsleute auf dem Verdeck liegen sehen. Dieser Anblick war für ihn so empörend, daß er ernstlich bat, man möchte sie über Bord werfen, was auch auf Kapitän Clerkes Befehl augenblicklich geschah. Des Abends kehrte die Abteilung, die Wasser schöpfte, zurück, ohne weiter beunruhigt worden zu sein. Die folgende Nacht war äußerst traurig; denn am Lande ertönten das Geschrei und die Klagen lauter als jemals. Unser einziger Trost dabei war die Hoffnung, daß wir künftig nie wieder Gelegenheit zu solcher Strenge haben würden. Den nächsten Morgen kam Koah wie gewöhnlich an die Schiffe. Da wir aber nicht mehr nötig hatten, uns Zurückhaltung aufzuerlegen, hatte ich völlige Freiheit, ihm gebührend zu begegnen. Als er sich daher während seines üblichen Gesanges dem Schiffe näherte und mir ein Schwein und einige Bananen anbot, befahl ich ihm, nicht näher zu kommen, und drohte ihm, wenn er sich je wieder sehen ließe, ohne die Gebeine Kapitän Cooks mitzubringen, solle er sein nie gehaltenes Versprechen mit dem Tode büßen. Er schien von diesem Empfange nicht gedemütigt zu sein, sondern kehrte ans Ufer zurück, wo er sich zu einem Haufen seiner Landsleute gesellte, die unsere Arbeiter beim Wasserschöpfen mit Steinen warfen. Diesen Morgen fand man auch den Leichnam des jungen Menschen, der sich gestern so tapfer verteidigt hatte, am Eingang der Höhle. Ein paar von unseren Leuten deckten eine Matte über ihn und bemerkten kurz nachher, daß ihn einige Männer auf den Schultern forttrugen und auf dem Wege einen Trauergesang anstimmten. Als die Eingeborenen sahen, daß wir ihre Beleidigungen nicht aus Mangel an Mitteln, uns zu rächen, so lange geduldet hatten, hörten sie endlich auf, uns länger zu beunruhigen, und am Abend kam ein Häuptling namens Eappo, ein Mann von höchstem Ansehen, der uns bisher nur selten besucht hatte. Er brachte uns Geschenke von Terriobu und bat uns in dessen Namen um Frieden. Wir nahmen die Geschenke an und schickten ihn mit der alten Antwort zurück, daß die Insulaner auf keinen Frieden hoffen könnten, bis wir die Gebeine unseres toten Kapitäns zurückerhalten hätten. Wir erfuhren von diesem Manne, daß das Fleisch von allen Leichnamen unsrer Leute nebst den Rumpfknochen verbrannt worden sei. Die Gliedmaßenknochen der Seeleute wären unter die geringeren Klassen der Vornehmen verteilt worden, die des Kapitäns hingegen den ersten Häuptlingen zugefallen, so daß ein großer »Erih« den Kopf, ein andrer das Haar, Terriobu aber die Lenden, die Hüften und die Arme erhalten hätte. Als es dunkel ward, näherten sich verschiedene Eingeborene mit Wurzeln und Früchten, und Kärikia schickte uns zwei ansehnliche Geschenke an Lebensmitteln. Der 19. Februar verging größtenteils mit Botschaften zwischen Kapitän Clerke und Terriobu. Eappo gab sich viele Mühe, es dahin zu bringen, daß einer von unsern Offizieren an Land gehen möchte, und erbot sich, unterdessen als Geisel zu bleiben. Man hielt es aber nicht für ratsam, auf diesen Vorschlag einzugehen. Hierauf verließ er uns mit dem Versprechen, er wolle am folgenden Tage die Gebeine bringen. Übrigens erfuhren die Leute, die am Wasserplatz beschäftigt waren, nicht mehr den geringsten Widerstand von den Eingeborenen, die ungeachtet unsres vorsichtigen Betragens sich wieder ohne das geringste Mißtrauen unter uns mischten. Am 20. hatten wir die Freude, bei guter Witterung den Vordermast wieder aufrichten zu können. Dies Geschäft war indessen sehr beschwerlich und mit Gefahr verknüpft, da unsere Stricke so verfault waren, daß sie mehr als einmal dabei rissen. Zwischen 10 und 12 Uhr sahen wir eine Menge Volks in einer Art von feierlicher Ordnung den Berg herunterkommen, der sich hinter der Bucht erhebt. Ein jeder von ihnen trug ein oder zwei Stück Zuckerrohr auf der Schulter und Brotfrucht, Yamswurzeln und Bananen in der Hand. Zwei Trommelschläger, die vor ihnen hergingen, steckten bei ihrer Ankunft am Strande eine weiße Fahne auf und rührten darauf ihre Trommeln, während die übrigen einer nach dem andern herantraten und ihre Geschenke niederlegten und dann in derselben Ordnung wieder zurückgingen. Bald nachher zeigte sich Eappo in seinem langen befiederten Mantel und trug mit großer Feierlichkeit etwas auf seinen Händen herbei. Er setzte sich auf einen Felsen und machte ein Zeichen, daß man ihm ein Boot zusenden möchte. Da Kapitän Clerke vermutete, daß Eappo die Überreste Kapitän Cooks brächte, fuhr er selbst zu ihm hin, um sie in seiner Schaluppe in Empfang zu nehmen. Mir wurde befohlen, in einem andern Boote zu folgen. Als wir am Ufer anlegten, kam Eappo in die Schaluppe und überreichte dem Kapitän die Gebeine, die in eine Menge schönes neues Zeug gewickelt und mit einem bunten Gewande aus schwarzen und weißen Federn bedeckt waren. Nachher begleitete er uns zur »Resolution«, ließ sich aber nicht bewegen, an Bord zu kommen, wahrscheinlich weil er aus einem Gefühl von Schicklichkeit nicht bei der Öffnung des Bündels zugegen sein wollte. Wir fanden darin den größten Teil der Gebeine unseres unglücklichen Kommandanten. Den folgenden Morgen kam Eappo mit des Königs Sohn und brachte die übrigen Gebeine Kapitän Cooks, außerdem die Läufe seiner Flinte, seine Schuhe und einige Kleinigkeiten. Eappo bemühte sich, uns zu überzeugen, daß Terriobu und er selbst den Frieden wünschten, und daß sie uns den besten Beweis, der in ihrer Macht stünde, hiermit gegeben hätten. Er setzte hinzu, sie würden sich gewiß weit früher zu diesem Schritte bereit gefunden haben, wenn nicht die anderen Häuptlinge, die noch unsere Feinde wären, sie daran gehindert hätten. Er beklagte mit einiger Wehmut den Tod der sechs Vornehmen, die wir erschossen hatten, und von denen einige unsere besten Freunde gewesen. Das Boot hätten uns Parias Leute entwendet. Vermutlich hatte er sich durch den Raub für den Schlag rächen wollen, den er von unsern Leuten empfangen hatte. Tags darauf habe er es in Stücke hauen lassen. Die Gewehre der Seesoldaten, die wir auch zurückgefordert hatten, wären unwiederbringlich verloren, weil das gemeine Volk sich ihrer bemächtigt hätte. Bloß die Knochen des Befehlshabers wären als Eigentum des Königs und der Erihs aufbewahrt worden. Wir konnten nun nichts weiter tun, als unserm großen, unglücklichen Befehlshaber den letzten Dienst erweisen, und schickten deshalb Eappo mit dem Auftrag ab, er solle Sorge tragen, daß die ganze Bucht mit dem Tabu belegt würde. Nachmittags versenkten wir die Gebeine, nachdem wir sie in einen Sarg gelegt und das Begräbnisgebet verlesen hatten, unter kriegerischen Ehrenbezeigungen ins Meer. Die Welt mag beurteilen, welche Gefühle wir in diesem Augenblicke hatten. Diejenigen, die dabei zugegen gewesen sind, können mir das Zeugnis geben, daß ich außerstande bin, sie zu schildern. Am 22. Februar sah man den ganzen Vormittag kein Kanu in der Bucht, da das Tabu, womit Eappo sie tags zuvor auf unser Verlangen hatte belegen lassen, noch nicht aufgehoben war. Endlich kam Eappo zu uns. Wir versicherten ihm, daß wir nun vollständig befriedigt seien, und daß die Erinnerung an alles Vergangene mit dem »Orono« begraben sei. Nachher baten wir ihn, er möchte das Tabu aufheben und den Eingeborenen bekanntmachen, sie sollten uns wie gewöhnlich Lebensmittel bringen. Die Schiffe waren denn auch bald von Kanus umringt; viele Vornehme kamen an Bord und bezeigten uns ihre Trauer über das Vorgefallene und ihre Freude über die Wiederherstellung des Friedens. Mehrere von unseren Freunden, die uns nicht besuchten, schickten uns Schweine und andere Lebensmittel zum Geschenk. Da nun alle Anstalten, in See zu stechen, getroffen waren, erteilte Kapitän Clerke den Befehl, die Anker zu lichten, weil er besorgte, es möchte einen schlechten Eindruck machen, wenn das Gerücht von diesen Vorfällen früher zu den benachbarten Inseln käme als wir selbst. Gegen 8 Uhr abends schickten wir die Eingeborenen alle an Land zurück, und Eappo nebst dem freundschaftlichen Kärikia nahmen gerührt Abschied von uns. Wir lichteten darauf die Anker und steuerten aus der Bucht, und als wir längs der Küste hinfuhren, erwiderten die Eingeborenen, die sich dort in großen Haufen versammelt hatten, unser letztes Lebewohl mit allen Äußerungen ihrer Zuneigung und Freundschaft. [Illustration] [Illustration] Eine Unglücksreise nach der Nordwestküste Amerikas Von Kapitän _John Meares_ Mir war der Auftrag geworden, Seeotterfelle von den Indianern an der Nordwestküste Amerikas einzuhandeln und nach Kalkutta zu schaffen. Am 20. Januar 1786 kaufte ich deshalb zu dieser Expedition zwei Fahrzeuge. Das eine erhielt den Namen »Nutka« und faßte 200 Tonnen Last. Das zweite, von 100 Tonnen, ward die »Seeotter« genannt. Das Kommando über die »Nutka« übernahm ich selber, das über das andere Schiff Herr William Tipping, Leutnant in der königlichen Flotte. Den 20. Februar, da beide völlig segelfertig waren, ward dem Ausschuß, der im Namen sämtlicher Eigentümer die Ausrüstung besorgte, ein doppeltes Anerbieten gemacht. Das eine bestand darin, daß man die »Seeotter« mit einer Ladung von Opium nach Malakka schicken wollte, wobei ungefähr dreitausend Rupien zu gewinnen waren. Der Ausschuß der Eigentümer zögerte keinen Augenblick, diesen Vorschlag anzunehmen, und die »Seeotter« ging unverzüglich nach Malakka ab, von wo aus Kapitän Tipping seinen Lauf nach der Nordwestküste von Amerika fortsetzen und die nötigen Vorkehrungen treffen sollte, um sich dort mit mir zu vereinigen. Das zweite Anerbieten bestand darin, daß wir den Oberkriegszahlmeister der königlichen Truppen in Indien nebst seinem Gefolge nach Madras bringen sollten, wofür er ebenfalls dreitausend Rupien versprach. Diesen Vorteil konnte man auch nicht ausschlagen, und so richtete die »Nutka« ihren Kurs zunächst nach Madras. Den 12. März verloren wir das Land aus dem Gesicht und setzten unsere Fahrt ununterbrochen bis zum 27. fort, da wir auf der Reede von Madras vor Anker gingen. Man hielt unsere Fahrt in dieser Jahreszeit für außerordentlich schnell. Nachdem wir unsere Passagiere gelandet und noch allerlei Vorräte von Lebensmitteln an Bord genommen hatten, machten wir uns segelfertig und stachen am 7. April in See. Man hatte es während unseres Aufenthaltes an nichts mangeln lassen, was zu unserer Aufmunterung und Unterstützung dienen, und was von Güte und Aufmerksamkeit gegen uns zeugen konnte. Man muß sich dabei vor Augen halten, daß zur Zeit unserer Abreise von Bengalen alle Arten von Schiffsvorräten dort so schwer zu erhalten waren, daß unser Schiff nur karge Provisionen auf ein Jahr mitbekommen hatte. Unsere Lebensmittel reichten nicht einmal für diesen Zeitraum aus, und man sah es für unmöglich an, unter solchen Umständen eine Reise von dieser Art zu vollbringen. Auf Madras hatten wir uns daher gewissermaßen verlassen, und mit der Hilfe, die uns dort zuteil ward, hofften wir nunmehr 18 Monate auszukommen. Unser Schiff hatte eine starke Bemannung. Allein, sie war so beschaffen, daß nur die Not unsere Wahl rechtfertigen konnte. Den Zahlmeister, den Wundarzt, fünf Offiziere und den Bootsmann miteinbegriffen, waren wir unser vierzig Europäer, zu denen wir in Madras noch zehn Laskaren annahmen. Aber alle Bemühungen, einen Schiffszimmermann zu bekommen, schlugen fehl, und diesen Mangel fühlten wir während der ganzen Reise auf das empfindlichste. Am 23. Mai erreichten wir Malakka nach einer ungewöhnlich langen Fahrt, die dem Skorbut Zeit ließ, sich unter uns zu zeigen. Schon in dieser frühen Periode unserer Reise verloren wir unseren Bootsmann, einen der vortrefflichsten Männer an Bord, dessen Verlust unersetzlich blieb. In Malakka erfuhren wir, daß Kapitän Tipping schon abgesegelt war, nachdem er sein Geschäft hier beendet hatte. Wir versorgten uns mit Holz, Wasser und Erfrischungen, von welch letzteren wir so viel an Bord nahmen, daß wir nicht nur die schon verbrauchten Lebensmittel ersetzten, sondern uns auch im Stande sahen, Kapitän Tipping auf alle Art behilflich zu sein, wenn wir ihn an der Küste von Amerika anträfen. Am 29. Mai gingen wir in See, nachdem wir das holländische Fort mit neun Kanonenschüssen begrüßt und einen Gegengruß von gleicher Anzahl zurückerhalten hatten. In sehr wenigen Tagen kamen wir in das Chinesische Meer und setzten dann mit Hilfe eines starken südwestlichen Monsuns unsern Lauf bis zum 22. Juni fort. An diesem Tage kamen die Baschi-Inseln in Sicht. Es währte indes bis zum 26., ehe wir bei der Grafton-Insel in einer kleinen anmutigen Bucht Anker werfen konnten. Rund um diese Bucht ist das Land hoch und bis an die Gipfel der Berge angebaut. Die Pflanzungen, die überall mit sehr netten Zäunen umschlossen sind, gewähren einen freundlichen Anblick. Auf einer sanften Anhöhe unweit der See lag ein Dorf; Gruppen oder Haine von schönen Bäumen schmückten romantisch den Abhang der Berge, von denen ein munterer Bach hinunter ins Tal rauschte. Die ganze Gegend prangte wirklich in außerordentlicher Schönheit. Die Spanier hatten etwa vier Jahre vorher diese Inseln in Besitz genommen, weil sie hofften, daß sie in dem Innern der Gebirge edles Metall finden würden. Der Gouverneur und seine Besatzung begegneten uns mit vieler Höflichkeit und versuchten es auf keinerlei Weise, unsern kleinen Tauschhandel mit den Eingeborenen, allem Anschein nach ganz harmlosen Menschen, zu stören. Wir hielten uns hier vier Tage lang auf und bekamen während dieser Zeit gegen rohes Eisen eine Menge Schweine, Ziegen, Enten, Hühner, Yams und süße Bataten. Am 1. Juli verließen wir die Baschi-Inseln und richteten unseren Lauf nordostwärts längs der japanischen Inselgruppe, die wir indes nicht zu Gesicht bekamen. In den Karten findet man verschiedene Inseln, über die wir hätten hingesegelt sein müssen, wenn sie richtig angegeben gewesen wären. Sobald wir über den 25. Grad nördlicher Breite hinausgekommen waren, hatten wir einen undurchdringlichen Nebel, der oft so dicht war, daß wir keine Schiffslänge weit voraussehen konnten. Am 1. August, nachdem wir die vorige Nacht beigelegt hatten, vermuteten wir in der Nähe Land, und bei Tagesanbruch erblickten wir es auch wirklich durch die Nebelbänke hindurch. Es waren die Inseln Amluk und Atscha. Wir näherten uns der ersten und lagen daselbst zwei Tage lang vor Anker, wobei uns sowohl die Russen als die Eingeborenen besuchten. Auf unserer Fahrt von hier nach Unalaschka trieben wir zwischen fünf Inseln hindurch und sahen uns so auf allen Seiten von Gefahr umringt; denn wir waren außerstande, unseren Weg zu erkunden. Dennoch kamen wir glücklich und unbeschädigt heraus. Seitdem wir über den 35. Grad nördlicher Breite gekommen waren, hatten wir des ununterbrochenen Nebels wegen nur zweimal Gelegenheit gehabt, die Sonnenhöhe zu beobachten. Desto glücklicher konnten wir uns schätzen, eine astronomische Uhr an Bord zu haben, die uns die größten Dienste leistete. Die fünf Inseln, zwischen denen wir in so große Verlegenheit gerieten, beschreibt Coxe in seinen russischen Entdeckungen unter dem Namen Pjät Sopka (das heißt die fünf Vulkankegel), und er nennt auch viele zwischen diesen Inseln und Kamtschatka verunglückte russische Seefahrer. Sie sind unbewohnt und scheinen weiter nichts als ungeheuere Felsenmassen zu sein. Zwei davon sehen einander sehr ähnlich und haben ziemlich genau die Form eines Zuckerhutes. Am 5. August sahen wir um uns her eine Menge Kanus, die, nach Kleidung und Sitte der darin befindlichen Leute zu urteilen, von einer oder der anderen dieser Inseln gekommen sein mußten, obgleich wir eigentlich nach unserer Rechnung viel zu weit gegen Süden sein mußten, als daß sie sich hätten herauswagen dürfen. Diese kleine Flottille beschäftigte sich mit dem Walfang. Nachdem die Leute eine kleine Weile innegehalten hatten, um unser Schiff anzugaffen, wobei sie die äußerste Verwunderung zu erkennen gaben, verließen sie uns und ruderten nordwärts. Wir jedoch steuerten noch etwas südlicher, weil wir sowieso gegen unsere Berechnung, wahrscheinlich durch die Strömung, etwas zu weit nördlich geraten waren. Der Nebel blieb immer noch so dicht, daß man unmöglich 20 Schritt weit vom Schiff irgend etwas erkennen konnte. Die Menge der Kanus, bei denen wir vorübergeschifft waren, schien indes aller Wahrscheinlichkeit nach anzudeuten, daß Land, vermutlich kein anderes als die Insel Amuchta, in der Nähe wäre. In der folgenden Nacht erschreckte uns plötzlich das Geräusch von Wogen, die sich an der Küste brachen. Wir legten das Schiff augenblicklich um; aber als wir etwa zwei Stunden lang in der neuen Richtung gelaufen waren, hatten wir von einem ähnlichen Geräusch einen neuen Schrecken. Nun legten wir nochmals um, und bei Tagesanbruch erblickten wir in der Höhe des Mastkorbes das Land auf einen Augenblick. Es schien mit Schnee bedeckt zu sein. Bald verdichtete sich aber der Nebel wieder vor unseren Augen und machte die ängstliche Ungewißheit unserer Lage nur noch schrecklicher. Vier Tage lang suchten wir, aus der Finsternis der Luft und ebenso unserer Gemüter einen Ausweg zu finden, überall schienen wir eingesperrt zu sein. Das Rauschen des Wassers an dem Felsenstrande vertrieb uns von der einen Seite, damit wir bald wieder derselben furchtbaren Warnung auf der andern Seite gehorchten. Wir hatten alle Ursache, zu vermuten, daß wir durch irgendeinen engen Eingang in einen von gefahrvollen Ufern umringten Meerbusen geraten wären, aus dem nur der einzige Kanal, durch den wir hineingekommen waren, uns zurückführen könnte. Am 9. August endlich hob sich des Morgens der Nebel, und wir hatten den grausenvollen feierlichen Anblick der glücklich vermiedenen Gefahren. Aber diese Wirklichkeit selbst schien kaum hinreichend, uns die Möglichkeit begreiflich zu machen. Von allen Seiten umgab uns fürchterliches, hohes Land, dessen Hänge bis auf zwei Drittel ihrer Höhe hinunter mit Schnee bedeckt waren. Die Küste, die das Seeufer bildete, bestand aus einer unzugänglichen, hohen, senkrechten Felsenmauer, die keine andre Unterbrechung hatte als die Höhlungen, an denen das Steigen und Fallen der gewaltigen Wogen jenes warnende Geräusch, das uns rettete, verursachte. Jetzt entdeckten wir zwei offene Kanäle oder Durchfahrten: den einen südwärts, durch den wir hereingetrieben waren, den anderen gegen Nordosten. Hätten wir in dieser Richtung gesteuert, so wären wir gleich aus der schrecklichen Lage befreit gewesen. Allein, wir besorgten, immer nordwärts von den Inseln zu kommen, und dann hätte es, da im Sommer die Strömungsrichtung immer nördlich ist, schwergehalten, wieder zurückzufahren, um so mehr, weil hierzu ein starker Nordwind erforderlich gewesen wäre und in dieser Jahreszeit hier Südwestwinde zu herrschen pflegen. Die Strömung war jetzt wirklich so stark, daß wir nicht wieder durch den südlichen Kanal auslaufen konnten; wir schifften daher nordwärts und dann östlich bis Unalaschka, wo wir mit Hilfe eines starken Nordwindes, der zu unserem Glück einsetzte, durch die Enge zwischen Unimak und Unalaschka hindurchsegelten. Die Strömung lief hier so schnell, daß sie mindestens sieben Seemeilen in der Stunde betrug und auf diese Weise eine fürchterliche, stürmische See erregte. Nachdem wir die Südseite der Insel erreicht hatten, kam ein Russe als Lotse zu uns und führte uns in einen Hafen neben demjenigen, in dem einst Kapitän Cook sein Schiff ausgebessert hatte. [Illustration: Wir hatten den grausenvollen Anblick glücklich vermiedener Gefahren.] Die hier befindlichen Russen waren von Ochotsk und Kamtschatka in Galeoten hierhergekommen. Diese Fahrzeuge halten etwa fünfzig Tonnen und können jedes sechzig bis achtzig Mann führen. Man legt sie für den Zeitraum von acht Jahren, den die Russen hier zubringen, in bequemen Plätzen an Land; nach Verlauf dieser Zeit kommt eine andere Anzahl Russen und löst die ersteren ab, um Seeottern und andere Pelztiere zu jagen. Die Eingeborenen verschiedener Bezirke müssen ebendiesem Geschäfte nachgehen und die Früchte ihrer Arbeit als einen Tribut an die Kaiserin von Rußland erlegen, der dieser Handel ausschließlich gehört. Sie erhalten dagegen einen geringen Vorrat von Schnupftabak, den sie unmäßig lieben, und sind, wenn sie nur dieser Lieblingsware habhaft werden, zufrieden mit ihrer elenden Lage, aus der sie sich auch, wenigstens sofern man es auf ihre eigene Anstrengung ankommen läßt, nie herausarbeiten werden. Eisen und andere europäische Handelsartikel sieht man bei ihnen so selten wie bei ihren Nachbarn auf dem Festlande. [Illustration: Beide Teile gerieten in Schrecken.] Die Wohnungen der Russen sind nach dem Modell derer gebaut, die sie im Lande üblich fanden. Nur ist der Maßstab ungleich größer. Es sind Gruben, die man in die Erde gräbt, und die äußerlich so wenig das Ansehen einer Wohnung haben, daß ein Fremder hineinfallen kann, ehe er sich's träumen läßt, daß er sich an einem von Menschen bewohnten Orte befindet. Der einzige Zugang zu diesen unterirdischen Behausungen ist ein oben offen gelassenes, rundes Loch, durch das man auf einem eingekerbten Pfosten hinuntersteigt. Ich sage nicht zuviel, wenn ich von der Gefahr hineinzufallen spreche. Denn sowohl unserem ersten Offizier, als dem Wundarzte widerfuhr schon am ersten Abend nach unserer Landung dieses Unglück. Auf ihrem Rückwege von dem russischen Dorf verschwanden sie plötzlich durch eines dieser Löcher und erschienen der unten wohnenden Familie von Eingeborenen. Beide Teile gerieten in Schrecken. Die Eingeborenen eilten so schnell, als ihre Furcht es zuließ, zum Hause hinaus und ließen unsere Herren in der bangen Erwartung, daß sie nun die Nachbarschaft wecken und ihre Freunde herbeirufen würden, um diesen unschuldigen Überfall mit Mord und Blutvergießen zu rächen. Als sie endlich wieder heraufgestiegen waren, fanden sie, daß die Eingeborenen, deren sanftes und liebenswürdiges Wesen sie damals noch nicht kannten, in ihrer Angst und Verwirrung sich nach dem Dorfe geflüchtet hatten. Am folgenden Morgen erklärte man diesen guten Leuten den Zufall und vergalt ihnen den Schrecken vom vorigen Abend durch ein kleines Geschenk von Tabak. An den Seiten sind diese Wohnungen durch Verschläge in Schlafstellen abgeteilt, auf denen Tierfelle als Betten liegen. In der Mitte ist der Feuerherd, an dem die Einwohner ihre Speisen bereiten und verzehren. Bei sehr kaltem Wetter brauchen sie Lampen statt des Brennholzes, das überhaupt auf diesen ganz von Bäumen entblößten Inseln äußerst selten ist und nur zufällig vom festen Lande her angeschwemmt wird. Fische mit einer Brühe von Fischöl sind ihre einzige Nahrung. Und selbst die Russen nähren sich auf ebendie Art, nur mit dem Unterschiede, daß sie ihre Speisen kochen, während die Eingeborenen sie roh verzehren. Wir sahen sie oft den Kopf eines Stockfisches oder eines Heilbutts, den sie soeben gefangen hatten, mit allen Zeichen gierigen Wohlbehagens verschlingen. Wilde Sellerie ist das einzige Küchenkraut, das auf diesen Inseln wächst, und die Eingeborenen essen es roh, wie es aus der Erde gerissen wird. Zwar wohnen seit geraumer Zeit Russen auf diesen Inseln. Allein, sie haben hier noch keinerlei Art von Anbau versucht, und sie besitzen weder zahmes Federvieh, noch irgendein Haustier, Hunde ausgenommen. Ob aber dieser Mangel an Bequemlichkeiten des Lebens, die sich doch sonst so leicht erlangen lassen, ihrer Trägheit und Gleichgültigkeit oder der Unfruchtbarkeit des Landes zuzuschreiben ist, haben wir nicht untersuchen können. Bezüglich ihrer Nahrung verlassen sie sich ganz auf den Ertrag des Meeres und der Flüsse. Wirklich liefern diese auch die vortrefflichsten Fische im Überfluß; und wenn wir nach dem starken, gesunden Aussehen sowohl der Eingeborenen, als auch der neuen Ansiedler urteilen dürfen, gibt ihnen diese Speise Kräfte und Gesundheit in reichlichem Maße. Die Eingeborenen der Inselreihe, die man unter der gemeinschaftlichen Benennung der Fuchsinseln kennt, sind eine starke, untersetzte Rasse mit rotwangigen runden Gesichtern, auf denen man keine Spur von Wildheit sieht. Sie zerkratzen und entstellen ihr Gesicht nicht so wie die Bewohner des festen Landes und sind allem Anschein nach von einer harmlosen Gemütsart, die niemandem übelwill. Die einzigen vierfüßigen Tiere dieser Insel sind Füchse, unter denen es einige mit schwarzem Pelze gibt, der sehr hoch im Preise steht. Wir bemühten uns während unseres hiesigen Aufenthaltes, die Russen zum Handel mit uns zu bewegen. Allein, sie schätzen ihre Pelzwaren viel zu hoch ein, um sie uns, wenigstens gegen das, was wir ihnen zum Tausch boten, zu überlassen, und waren um soviel weniger dazu geneigt, da sie im folgenden Jahre abgelöst zu werden hofften. Am 20. August verließen wir Unalaschka, um längs dem festen Lande jenseits der Schumagins-Inseln hinzuschiffen. Die Wahrheit zu gestehen, wünschten wir uns von den russischen Inseln zu entfernen, wo wir nichts zu hoffen hatten. Den 27. August erblickten wir die Schumagins-Inseln, und vier Seemeilen weit von der Küste kam eine Menge Kanus uns entgegen. Diese waren ganz von derselben Bauart wie die auf den Fuchsinseln. Auch glichen die darin sitzenden Leute den Eingeborenen jener Inseln in Kleidung und Sprache völlig. Die Russen verbieten es, wie es scheint, an solchen Orten, wo sie sich niederlassen, den Eingeborenen aus irgendeiner politischen Vorsicht, größere Kanus zu führen als solche, die nur einen Mann fassen. Diese Kanus sind insgesamt etwa dreieinhalb Meter lang, ein halbes Meter breit und an beiden Enden scharf zugespitzt. In der Mitte, wo der Ruderer sitzt, sind sie etwa ein halbes Meter tief. So gestaltete Kanus findet man auf der ganzen Strecke von der Meerenge an, die die beiden festen Länder trennt, bis an das Kap Edgecumbe. Einige können drei Personen fassen, die meisten aber nur eine oder zwei. Ihr Gerippe besteht aus sehr dünnen Latten oder Brettchen von Tannenholz, die durch Walfischsehnen miteinander verbunden und mit einer Robben- oder Walfischhaut, der zuvor das Haar abgeschabt wird, überzogen sind. Der untere Rand des Rockes oder Hemdes von Leder -- der gewöhnlichen Kleidung der hiesigen Insulaner -- verhindert, sobald er über das Loch im Kanu des betreffenden Insassen gebunden wird, jegliches Eindringen von Wasser. Diese Kanus werden durch Rudern äußerst schnell bewegt, und die Eingeborenen wagen, damit bei jeder Witterung in See zu gehen. Wir schrieben schon den 28. August, ohne von unserer Reise auch nur den allermindesten Vorteil erzielt zu haben. Da wir indes glaubten, daß wir alle russischen Handelsstationen jetzt hinter uns hätten, so hofften wir, noch vor Eintritt des Winters, der schon mit starken Schritten herannahte, Gelegenheit zu einem vorteilhaften Tausche zu bekommen. In dieser Absicht beschlossen wir, westwärts vom Cookfluß einen Hafen zu besuchen. Indem wir nun längs der Küste hinfuhren, sahen wir eine weite Öffnung, die von einer Insel gebildet schien. Wir steuerten also darauf zu. Als wir uns ihr genähert hatten, schien die Einfahrt sich weit aufwärts in nordöstlicher Richtung zu erstrecken. Jetzt erwarteten wir jeden Augenblick, daß die Eingeborenen zu uns kommen würden. Wir waren zwanzig Seemeilen in der Meerenge vorwärts gekommen, als sich das erste Kanu von der Landseite aus näherte. Es führte drei Mann, von denen einer, ein russischer Matrose, zu uns an Bord kam. Er war ein sehr verständiger Mensch und belehrte uns, daß dies die Insel Kadjak sei, auf welcher die Mannschaften dreier Galeoten ihren Posten hätten, und daß sich noch eine Insel gleichen Namens längs der Küste befände. Diese Nachricht war nicht eben erfreulich; denn sie vernichtete alle unsere Hoffnungen, diesseits des Cookflusses etwas einhandeln zu können. Wir setzten also unsere Fahrt durch die Meerenge fort, die wir, zu Ehren des Herrn William Petrie, »Petries Meerenge« nannten, und kamen endlich bei der Landspitze, die auf Cooks Karte Kap Douglas heißt, in den Cookfluß. Die Meerenge ist über 40 Kilometer lang und etwa 10 Kilometer breit. Sie schneidet ein großes Stück vom festen Lande ab, das die früheren Karten noch als zusammenhängend damit darstellten. Wir ankerten bei Kap Douglas, und bald darauf kamen Indianer des Cookflusses in ein paar Kanus zu uns. Sie verkauften uns zwei oder drei Seeotterfelle und erhielten für jedes etwa ein Pfund rohes Eisen. Über unsere Ankunft bezeigten sie große Freude, so daß sie uns alles, was sie in ihren Kähnen hatten, zum Geschenk anboten. Tabak wollten sie nicht nehmen, woraus wir denn deutlich sahen, daß sie mit den Russen noch nicht in Verbindung standen. Bei ihren wiederholten Rufen »Englisch, Englisch« konnten wir auch nicht mehr glauben, daß wir die ersten Engländer wären, die sie sahen. Und später zeigte sich wirklich, daß die Schiffe »König Georg« und »Königin Charlotte« vor uns da gewesen waren. Bald verließen uns diese Indianer mit den Kanus, um flußaufwärts mehrere Felle zu holen. Bereits am nächsten Tage sahen wir zwei andere große Boote mit ungefähr 18 Mann in jedem den Fluß hinunterschiffen. Es waren aber Russen, die von einer kaufmännischen Reise in den Fluß zurückkamen. Jedes Boot führte eine kleine Feldkanone mit sich, und jeder Mann war mit einem kurzen Gewehr bewaffnet. Diese Russen hatten ihren Sommeraufenthalt, nämlich die unterwärts gelegenen Inseln im Cookflusse, jetzt verlassen und standen im Begriff, die Winterquartiere auf Kadjak zu beziehen. Während der Zeit kam der 20. September heran und mit ihm sehr stürmisches Wetter. Wir beschlossen daher, den Cookfluß, wo uns einige sehr heftige Stürme so lange aufgehalten hatten, zu verlassen und uns nach Prince-Williams-Sund zu begeben, um dort womöglich zu überwintern. Als wir dort in der von Cook so benannten »Snug-Corner-Cove« oder der »Bucht des sicheren Winkels« ankamen, stürmte es gewaltig. In drei ganzen Tagen ließ sich keiner von den Eingeborenen sehen, und wir glaubten daher schon, daß sie diese Küste verlassen und sich südwärts begeben hätten, um den Winter bequemer hinzubringen. Auf einer unserer Streifereien am Lande sahen wir jedoch etwas frisch mit einem Schneidewerkzeuge abgehauenes Holz. Wir fanden auch ein Stück Bambus, das uns überzeugte, daß ein Schiff kürzlich vor uns hier gewesen sein mußte; und da dies der bestimmte Ort war, wo wir unsere Gefährten mit der »Seeotter« wiederfinden sollten, so vermuteten wir, daß sie schon wieder nach China abgesegelt wären. Unsere jetzige Lage ließ uns also nichts als Ungemach erwarten. An der Küste schienen gar keine Eingeborenen zu sein, die uns während eines Winteraufenthaltes Waren zum Tausch oder Lebensmittel bringen konnten. Andrerseits war die Witterung furchtbar geworden; es stürmte unaufhörlich unter Schneegestöber und Schloßen. Verließen wir unsere sichere Stätte, so war es sehr ungewiß, ob wir irgendwo einen anderen Zufluchtsort finden und nicht genötigt sein würden, nach den Sandwichinseln zu gehen. Dieser Schritt aber hätte wahrscheinlich der ganzen Reise ein Ende gemacht, da unsere Leute schon anfingen, große Unzufriedenheit an den Tag zu legen. Wir beschlossen deshalb, den unwirtlichen Winter in Prince-Williams-Sund allen Erquickungen der Sandwichinseln vorzuziehen, da es uns schwerlich gelungen wäre, die Matrosen zur Rückkehr von jenem angenehmen Aufenthalt an die amerikanischen Küsten zu bewegen. Der Zweck der Reise und das Interesse der Eigentümer erforderten dieses Opfer, dem wir uns auch so wie jedem anderen Ungemach willig unterzogen. Bei einigem Nachdenken über die beschränkte Macht, die der Befehlshaber eines Kauffahrteischiffes hat, und über den daraus folgenden Mangel an Subordination wird man leicht begreifen können, daß unser Entschluß, trotz aller Schwierigkeiten hierzubleiben, ein Beweis von unserm Eifer für unsre Auftraggeber war. Am vierten Tag besuchten uns einige Kanus, und die Eingeborenen betrugen sich umgänglich und friedfertig gegen uns. Sie nannten uns verschiedene englische Namen, die wir für die Namen der Leute an Bord der »Seeotter« erkannten. Auch gaben sie uns zu verstehen, daß ein Fahrzeug mit zwei Masten erst vor wenigen Tagen mit vielen Fellen beladen von hier abgegangen sei; um die Menge der Felle anzudeuten, zeigten sie uns die Haare auf ihrem Kopfe. Endlich versprachen sie uns nach ihrer Art: wenn wir bleiben wollten, würden sie den Winter hindurch eine Menge Seeottern für uns töten. Wir wußten nun, daß der Sund bewohnt sei, und es fehlte uns nur noch an einem geeigneten bequemen Winterhafen. Unsere Boote fanden einen solchen ungefähr 15 Kilometer ostnordostwärts von dem bisherigen Orte. Dahin brachten wir am 7. Oktober unser Schiff, takelten es ab und fingen an, uns am Lande mit der Errichtung eines Holzhauses zu beschäftigen, das den Schmieden zur Werkstätte dienen und zugleich, solange unser Schiff in dem jetzigen Zustand wäre, allerlei altes Holzgerät aufnehmen sollte. Die Eingeborenen beehrten uns täglich mit ihren Besuchen und übten sich dabei unausgesetzt in ihrem ganz vorzüglichen Talent zum -- Stehlen. Man hatte Mühe, die Kunstgriffe zu begreifen, mit denen sie sich eiserner Gerätschaften zu bemächtigen suchten. Oft sah man sie den Kopf eines Nagels im Schiffe oder in den Booten, wenn er nur ein wenig aus dem Holz herausragte, mit den Zähnen herausziehen. Und wenn wir die verschiedenen Diebereien und die Art, wie sie ausgeführt wurden, erzählten, so könnte mancher leicht auf den Gedanken kommen, daß wir die diebische Geschicklichkeit dieses Volkes auf Kosten der Wahrheit herausstreichen wollten. Bis Mitte Oktober hatten wir noch immer erst eine geringe Anzahl von Fellen erhandelt. Die Eingeborenen stellten sich aber in größerer Anzahl ein und wurden so überlästig, daß wir in Verlegenheit gerieten, wie wir uns gegen sie zu benehmen hätten. Klugheit sowohl als Menschlichkeit geboten uns, womöglich alle gewalttätigen Züchtigungen zu vermeiden. Indes kam es doch des öfteren vor, daß unsere Leute, die am Lande Holz fällten oder mit dem Bau des Hauses beschäftigt waren, sich genötigt sahen, an Bord zurückzukehren, weil die Eingeborenen aus dem Walde hinter ihnen hervorkamen und ihnen ihr Gerät wegzunehmen versuchten. Das Schiff lag dem Arbeitsplatz so nahe, daß wir mit unsern Leuten am Lande sprechen konnten. Daher erhielten diese, außer wenn ein bedachtsamer Offizier bei ihnen war, nie Erlaubnis, Schießgewehre mitzunehmen, weil wir befürchteten, daß sie einen falschen Gebrauch davon machen würden. Bisher hatten wir es auch überflüssig gefunden, sie zu bewaffnen, da es uns noch jedesmal gelungen war, durch einen einzigen Flintenschuß vom Schiffe aus die Eingeborenen zu verscheuchen. Den 25. Oktober bemerkten wir, daß eine große Menge Indianer in die Bucht kamen. Da wir ihrer so viele noch nicht beieinander gesehen hatten, so riefen wir unseren Leuten zu, sie möchten sich an Bord begeben. Als dies nicht augenblicklich geschah, gewannen die Indianer Zeit, dem Schiffe gegenüber anzulegen und an dem Arbeitsplatze zu landen. Zugleich stieß ein anderer Haufen aus dem Walde zu ihnen. Vergebens wollten wir durch allerlei Zeichen den Indianern, die in ihren Kanus gekommen waren, das Anlanden untersagen. Sie taten es zum Trotze dennoch. Hierauf richteten wir zwei von unseren Kanonen auf sie und erreichten dadurch unseren Zweck noch zu rechter Zeit, da sie schon im Begriffe standen, unsern Leuten die Äxte aus der Hand zu reißen. Sobald sie unsere Anstalten gewahr wurden, riefen sie auf ihre gewöhnliche Art »Lali-lali«, das heißt »Freund, Freund« und breiteten ihre Arme zum Zeichen der Freundschaft weit voneinander. Nachdem unsre Leute sämtlich an Bord gekommen waren, glaubten wir, die Gelegenheit benützen zu müssen, die Eingeborenen durch einen Beweis von der Wirkung unsrer Kanonen zu erschrecken. Ein Zwölfpfünder ward mit Kartätschen geladen und abgeschossen. Die Wirkung der Kugeln im Wasser setzte sie in Erstaunen und in solchen Schrecken, daß die Hälfte ihre Kanus umkippte. Hierauf lösten wir am Ufer eine dreipfündige Feldkanone, deren Kugel auf eine ziemliche Strecke die Oberfläche des Wassers streifte und ihnen keinen Zweifel übrigließ, daß wir unsere Kugeln in jeder beliebigen Richtung so weit schießen könnten, wie wir Lust hätten. Jetzt standen sie da und beratschlagten sich, wie es schien, in nicht geringer Verlegenheit. Nun gaben wir ihnen zu verstehen, wir hätten keineswegs die Absicht, ihnen Leids zu tun, solange sie es friedlich und ehrlich mit uns meinten; wir wünschten weiter nichts, als mit ihnen handeln und gegen unsere Waren Felle eintauschen zu können. Diese Waren hielten wir ihnen vor; und nun zogen sich nach einem wiederholten Freudengeschrei diejenigen unter ihnen, die in Felle gekleidet waren, augenblicklich aus und verkauften uns gegen eine mäßige Zahl großer eiserner Nägel sechzig schöne Seeotterfelle. Um uns ihre Freundschaft zu erwerben, beschenkten wir die vornehmsten Männer unter ihnen mit Glasperlen verschiedener Farbe. Dagegen versprachen sie, daß sie uns Felle bringen würden, so geschwind sie dergleichen nur herbeischaffen könnten. [Illustration: »Lali-lali« riefen sie, das heißt »Freund, Freund«.] Ihr Versuch, uns zu überfallen, war wohl ohne Zweifel vorher überlegt; denn sie pflegen einander sonst nie in den erwähnten Booten zu bekriegen und bedienen sich ihrer gewöhnlich nur, um die Greise, die Frauen und Kinder bei Annäherung eines Feindes wegzuführen, weswegen sie auch diese Fahrzeuge »Weiberboote« nennen. Jetzt aber hatten sie sie dennoch gebraucht, um eine beträchtliche Menge Leute auf einmal an Land setzen zu können, weil sie dadurch ihr Vorhaben, unsere Leute abzuschneiden, desto sicherer bewerkstelligen konnten. Dieser Plan war ihnen nun freilich mißlungen. Aber nichts leistete uns Bürgschaft, daß sie in Zukunft der Gelegenheit widerstehen würden oder auch nur widerstehen könnten, uns alles zu stehlen, was ihnen unter die Hände käme, zumal wenn es Eisen enthielt, durch das sie immer in die äußerste Versuchung gerieten. In unseren jetzigen Umständen hielten wir es für ratsam, unsere ferneren Arbeiten am Land einzustellen. Wir fingen daher an, das Schiff mit Sparren zu bedecken und von allen Seiten einzufassen, wie wir es schon zur Hälfte getan hatten. Unglücklicherweise fiel jetzt der Schnee in solchen Mengen und lag auf dem Lande so tief, daß wir zu unserem größten Mißvergnügen diese Arbeit nicht vollenden konnten. Soweit die Bedeckung fertig war, diente sie uns, eine Stelle zum Auf- und Abgehen trocken zu halten, und schützte das Verdeck gegen Kälte. Sie gab zu gleicher Zeit für den Notfall eine hinlängliche Befestigung ab gegen jeden Angriff, den etwa die Eingeborenen wagen konnten, da von einer anderen Seite das Eis, das sich überall um uns her zu bilden anfing, ihnen einen sehr beträchtlichen Vorteil gab. Allein, die Neigung unserer wilden Nachbarn mochte noch so feindselig sein: der Schrecken über die Wirkung unsrer Kanonen hatte sie zu größter Freundlichkeit und Friedfertigkeit gebracht. [Illustration] Am 31. Oktober fiel das Thermometer bis zum Gefrierpunkt, und die Morgen und Abende waren schon empfindlich kalt. Bisher hatten wir Lachse in Menge gefangen. Nunmehr aber fingen die Fische an, sich aus den kleinen Flüssen fortzuziehen. Wir taten jetzt mit dem großen Netze zwei Züge in einem Teiche zwischen den benachbarten Bergen und fingen so viele Fische, als wir auf den Winter einsalzen konnten. Um etwas für den täglichen Bedarf zu erhalten, schickten wir jeden Morgen zwei Mann aus, die nach zwei Stunden mit so vielen Fischen, als sie tragen konnten, wiederkamen. Die Art, wie wir hier die Fische fingen, hatte etwas Lächerliches. Man stellte sich an den Abfluß des vorhin erwähnten Teiches, wo er sich in das Meer ergießt und kaum über einen Meter tief ist. Sowie nun die Fische hindurchschwammen, schlug man sie mit einer Keule auf den Kopf. Man kann sich leicht denken, daß sich unsere Matrosen den Zeitvertreib gefallen ließen, der unserem Tisch so üppige Mahlzeiten brachte. Doch die Tage des Überflusses waren bald zu Ende. Die Gänse und Enten, mit denen wir uns ohne Unterlaß versehen hatten, sammelten sich jetzt in großen Zügen und flogen südwärts. Die Eingeborenen hatten uns zuweilen wilde Ziegen gebracht, die einzigen Landtiere, die wir bei ihnen wahrnahmen. Wir verließen uns auch darauf, daß sie uns den Winter hindurch wenigstens mit einigen Arten von Lebensmitteln aushelfen würden. Allein, statt dessen war am 5. November kein Vogel mehr zu sehen, und in den Wäldern, wo der trockene Schnee jetzt mindestens anderthalb Meter hoch lag, konnte man unmöglich noch fortkommen. Die Fische hatten alle Buchten und kleinen Häfen verlassen, und das Eis sperrte uns auf allen Seiten ein. Die fürchterlichen Gebirge, die wir überall sahen, waren jetzt bis an den Rand des Wassers mit Schnee ganz weiß bekleidet, und den Eingeborenen blieben nun keine anderen Nahrungsmittel übrig als Walfleisch und -speck, den sie für den Winter bereitet hatten. Vom 2. November an hielt das Eis um das Schiff schon recht gut. Unsere Leute liefen daher zum Zeitvertreibe Schlittschuh und ergötzten sich auch sonst auf dem Eise, so daß Munterkeit und Bewegung nicht wenig zu ihrer Gesundheit beitrugen, bis endlich der Schnee auf dem Eise ebenso hoch lag als auf dem Lande. Den November und Dezember hindurch erfreuten wir uns einer vortrefflichen Gesundheit. Die Eingeborenen setzten ihr freundschaftliches Betragen gegen uns fort, bis auf das Stehlen, wovon sie sich durch nichts entwöhnen ließen, und dem sie bei jeder Gelegenheit und trotz äußerster Wachsamkeit frönten. Das Thermometer stand im November zwischen 3-4° Kälte, aber im Dezember fiel es auf 12° unter Null und blieb da fast den ganzen Monat stehen. Wir hatten zu gleicher Zeit nur einen schwachen Schimmer von Licht; denn die Mittagssonne stand nur sehr wenig über dem Horizont, und die hohen, südlich gelegenen Gebirge raubten uns ihren Anblick. Hier, wo wir gleichsam eingekerkert und von dem erheiternden Lichte, von der belebenden Wärme der Sonnenstrahlen abgeschieden waren, hatten wir überdies auch keine andere Art von Genuß, die der Einöde um uns her zum Ersatz hätte dienen können. Die furchtbar hohen Gebirge raubten uns beinahe den Anblick des Himmels und warfen ihre nächtlichen Schatten mitten am Tage über uns her. Aber auch das Land war wegen des tiefen Schnees unzugänglich; wir hatten also keine Hoffnung, solange der Winter währte, außerhalb des Schiffes und unserer eigenen Gesellschaft Erholung, Hilfe oder Erleichterung zu finden. Dies war indes nur der Anfang unserer Mühseligkeiten. Das neue Jahr setzte mit einem verstärkten Grade von Kälte ein, und darauf folgten sehr schwere Schneefälle, die bis zur Mitte des Januars anhielten. Unser Verdeck konnte jetzt dem harten Frost der Nächte nicht länger widerstehen, und seine untere Decke war zolldick mit einem schneeähnlichen Reif besetzt, ungeachtet täglich zwanzig Stunden lang drei Feuer brannten, die, wenn sie angezündet wurden, durch das Auftauen eine kleine Überschwemmung verursachten. Eine Zeitlang unterhielten wir das Feuer Tag und Nacht. Der Ofen jedoch, den wir uns aus der Schmiedeesse verfertigt hatten, rauchte so unleidlich, daß die Matrosen, von denen jetzt einige kränkelten, fest überzeugt waren, ihr Übelbefinden sei ihm allein zuzuschreiben. Nach dem großen Schneefall legten sich zwölf Mann, die an Skorbut litten. Gegen das Ende des Monats starben vier von ihnen, und die Zahl der bettlägerigen Kranken, unter denen auch der Wundarzt sehr gefährlich daniederlag, stieg auf 23. Unser erster Offizier empfand einen leichten Schmerz auf der Brust, ein Symptom, das gewöhnlich einen schlimmen Ausgang in wenigen Tagen andeutete. Er vertrieb ihn indes dadurch, daß er unaufhörlich junge Tannenzweige kaute und den Saft hinunterschluckte. Der widrige Geschmack dieser Arznei jedoch war schuld, daß sich die wenigsten Kranken bereden ließen, mit dem Gebrauche fortzufahren. Gegen Ende Februar hatte die Krankheit so weit um sich gegriffen, daß nicht weniger als dreißig von unseren Leuten gänzlich entkräftet waren und sich nicht mehr aus ihren Hängematten erheben konnten. Vier von ihnen starben während dieses Monats. Unsere Vorräte waren jetzt schon so erschöpft, daß wir, wenn auch die heftigsten Anzeichen allmählich nachließen, doch keine geeigneten Speisen hatten, mit denen der Krankheit beizukommen war. Zu dieser traurigen Lage kam noch die Niedergeschlagenheit und Mutlosigkeit unserer Leute, die schon das geringste Zeichen der Krankheit für einen Vorboten des Todes hielten. Während der Monate Januar und Februar blieb das Thermometer öfters auf 10° unter dem Gefrierpunkt. Dieser großen Kälte ungeachtet besuchten uns die Eingeborenen wie gewöhnlich und stets nur in ihren Jacken aus Robben- oder Seeotterfellen, und zwar meistens aus letzteren, wobei sie den Pelz auswärtsgekehrt trugen. Dieser Anzug schützte nur den Körper und ließ die Füße bloß; aber sie schienen deshalb kein Ungemach zu spüren. An Mundvorrat mochte es ihnen ebensosehr wie uns fehlen. Wir hatten einige Tonnen Tran stehen, den wir als Öl gebrauchten. Auf diese Leckerei pflegten sie sich, sooft sie an Bord kamen, unter dem Vorwande, daß sie wegen des stürmischen Wetters nicht auf die Waljagd gehen könnten, bei uns zu Gaste zu bitten. Zu ihrer größten Freude und Zufriedenheit schlugen wir ihnen diesen Leckerbissen nie ab. Ihrer Meinung nach wütete die schreckliche Krankheit nur deshalb unter uns, weil wir uns nicht von dieser leckern und gesunden Speise nähren wollten. Es nahm uns wunder, daß sie nicht nur um den Tod unsrer Leute wußten, sondern auch die Stellen kannten, wo sie begraben lagen. Sie zeigten besonders an den Rand des Ufers zwischen die Spalten des Eises hin, wo wir mit großer Mühe ein nicht gar tiefes Grab für unsern Bootsmann zustande gebracht hatten, der, als er noch lebte, anfangs ihre Aufmerksamkeit erregte und hernach ihre Achtung erlangte, weil er mit seiner Pfeife die Mannschaft zusammenrief. Schon besorgten wir, daß sie diese traurigen Feierlichkeiten nur darum belauscht haben möchten, damit sie die Leichname wieder ausgraben und ein Kannibalenfest damit abhalten könnten; denn wir zweifelten gar nicht, daß wir es mit Menschenfressern zu tun hätten. Indessen entdeckten wir bald, daß sie zwar beständig lauerten, aber nur in der Absicht, andere Haufen von Eingeborenen abzuhalten, daß sie nicht mit uns handeln sollten, ohne ihnen etwas von dem Gewinne abzugeben. Nach ihren täglichen Besuchen zu urteilen, hätte man glauben sollen, ihre Wohnungen, obgleich wir noch nie eine entdeckt hatten, müßten in der Nähe sein. Jetzt aber erfuhren wir, daß sie ein streifendes Volk ohne feste Wohnplätze wären und da schliefen, wo sie könnten oder Lust hätten. Ja, daß sie sogar zwischen Tag und Nacht keinen Unterschied machten, sondern bald zu dieser, bald zu jener Zeit umherwanderten. Des Nachts zündeten sie nie ein Feuer an, aus Furcht, von anderen Stämmen, mit denen sie in unaufhörlicher Feindschaft zu leben schienen, überfallen zu werden. Diese Feinde hätten aber über das Eis zu ihnen kommen müssen; denn von Schneeschuhen wußten sie nichts, und ohne diese konnte man unmöglich durch die Wälder dringen. Der Monat März erleichterte unsere Leiden nicht; er war ebenso kalt wie die beiden vorhergehenden. Im Anfang fiel noch eine Menge Schnee, wobei die Anzahl unsrer Kranken sich wieder vergrößerte und der Skorbut an denen, die ihn schon hatten, noch heftiger wütete. Während dieses Monats hatten wir die traurige Pflicht, den Leichen unseres Wundarztes und Lotsen die letzte Ehre zu erweisen. Diese Unfälle trafen uns sehr schwer; und der Verlust des Wundarztes zu einem Zeitpunkt, da ärztliche Hilfe uns so notwendig war, wird erkennen lassen, daß unser Elend den höchsten Grad erreicht hatte. Unser erster Offizier fühlte wieder eine Anwandlung seiner Unpäßlichkeit und nahm seine Zuflucht abermals zu dem Mittel, das ihm bereits so heilsame Dienste geleistet hatte. Er machte sich Bewegung und nahm den Saft des Tannenbaums ein. Eine Abkochung von Tannensprossen, die er sich hergestellt hatte, schmeckte sehr ekelhaft und blieb, auch sehr verdünnt, nicht leicht im Magen. Sie wirkte vielmehr zu wiederholten Malen als ein Brechmittel, ehe man davon Fortschritte in der Kur bemerkte. Aber vielleicht kam gerade das Erbrechen, indem dadurch die ersten Wege gereinigt wurden, den ferneren heilsamen Wirkungen dieses antiskorbutischen Mittels zustatten. Der zweite Offizier und einer oder ein paar von den Matrosen beharrten bei ebender Methode, hatten denselben guten Erfolg und erholten sich aus einem sehr entkräfteten Zustande. Unglücklicherweise ist eines der schlimmsten Symptome dieser traurigen Krankheit eine gänzliche Abneigung gegen alle Bewegung und ein Schmerz, der an die heftigsten Qualen grenzt, sooft man es nur versucht, sich Bewegung zu machen, die doch das wesentlichste Heilmittel zu sein scheint. Nachdem wir unsern Wundarzt verloren hatten, fehlte es uns nun gänzlich an allem ärztlichen Beistande. Soweit die zärtlichste und wachsamste Sorge den Kranken Erleichterung schaffen konnte, erhielten sie diese von mir, von dem ersten Offizier und einem Matrosen, den einzigen Personen, die noch imstande waren, ihnen diesen Dienst zu leisten. Wir mußten aber noch mit Jammer sehen, daß die schreckliche Krankheit allmählich einen nach dem andern von unserer Mannschaft hinwegriß. Nur zu oft ward ich zu der schauerlichen Arbeit gerufen, die Leichname über das Eis zu schleppen und sie in ein nicht tiefes Grab zu legen, das wir mit unseren eigenen Händen ausgehauen hatten. Der Schlitten, auf dem wir unser Holz holten, war ihre Bahre, die Spalten im Eis wurden ihre Gruft. Doch diese unvollkommene Totenfeier ward von einer so wahren und aufrichtigen Betrübnis begleitet, wie sie nicht einmal den Stolzen bei ihren prunkenden Leichenbegängnissen in die Totengewölbe folgt. Fürwahr, das einzige Glück, die einzige Erleichterung in unserem Elend bestand darin, daß wir uns zuweilen von dem Schiffe entfernten, um in der Einsamkeit das Geächze der Leidenden nicht zu hören und unsere rettungslose Lage zu vergessen. Alle herzstärkenden Mittel waren längst aufgebraucht, und es blieb uns zur Speise für die Kranken nichts anderes als Zwieback, Reis und ein geringer Vorrat an Mehl. Wir hatten weder Wein noch Zucker mehr für sie. An gesalzenem Rind- und Schweinefleisch fehlte es uns zwar nicht; allein, wäre das jetzt auch eine geeignete Kost für uns gewesen, so hätte doch der Abscheu, den unsere Leute vor ihrem bloßen Anblicke zeigten, alle heilsamen Wirkungen vereitelt. Fische und Geflügel konnten wir jetzt im Winter nicht mehr bekommen. Zu den seltensten Leckerbissen gehörte zuweilen eine Krähe oder eine Seemöwe, und ein wahrer Schmaus waren die Adler, von denen wir einige erlegten, da sie um uns herschwebten, als ob sie vielmehr uns zum Raube ausersehen hätten, anstatt uns zur Speise dienen zu sollen. Endlich mußten wir uns wider Willen entschließen, unsere Ziege und den Ziegenbock, die auf der ganzen Reise unsere Gefährten gewesen waren, abzuschlachten, um die Kranken vierzehn Tage lang mit der Brühe und anderen Zubereitungen von ihrem Fleische zu erquicken. Ende März kam heran, ohne daß die Witterung sich änderte. Die Kälte dauerte mit unerbittlicher Strenge fort. Doch flößte uns der Anblick der Sonne, wenn sie am Mittag nur eben über die Gipfel der Gebirge hervorkam, einige Hoffnung ein. Das Thermometer hatte diese Zeit über meistenteils auf 10° unter Null gestanden. In den ersten Tagen des Aprils hatten wir harten Frost und heftige Stürme, und auch noch gegen die Mitte des Monats stürmte es einige Male fürchterlich von Süden her. Diese Winde jedoch bringen hier den Sommer mit, so wie die Nordwinde gewöhnlich im Sommer herrschen. Der veränderte Wind verursachte, wie man sich vorstellen kann, eine merkliche Änderung in der Lufttemperatur. Allein, er brachte daneben Schnee in großer Menge, und da er nicht anhielt, sondern bald wieder der Nordwind an seine Stelle trat, so ward die Kälte wieder so streng wie zuvor. Gegen Ende des Aprils kämpften diese entgegengesetzten Winde unaufhörlich gegeneinander; und dies war um so lästiger, als es trübes Nebelwetter verursachte. Während des Südwindes wurden die Kranken elender. Wir hatten in diesem Monat vier Europäer und drei Laskaren zu begraben. Der zweite Offizier und der Matrose, die sich zum Gebrauche des Tannensaftes entschlossen hatten, fühlten sich jetzt soweit wiederhergestellt, daß sie auf das Verdeck kamen und den kurzen, aber willkommenen Sonnenschein genossen. Dieser Umstand bewog manchen von unseren Kranken, sich an den Tannensprossensaft zu halten, und einige ließen sich auch bereden, damit fortzufahren. Die meisten aber bekümmerten sich nicht darum und blieben fest entschlossen, nach ihrem derben Ausdruck, lieber allmählich zu verrecken, als die Qual eines so ekelhaften und peinlichen Heilmittels zu erdulden. Gegen Ende des Monats stieg das Thermometer in der Mittagssonne bis zum Gefrierpunkt. Aber in der Nacht fiel es wieder ziemlich tief. Während der letzten drei Tage im April brachten uns die Eingeborenen einige Seevögel und Heringe. Die Fische verteilte ich selbst unter die Kranken; und keine Worte können die Freude schildern, die beim Anblick dieser wohltätigen und erquickenden Speise aus ihren hageren Gesichtern hervorleuchtete. Ich versäumte es nicht, die Eingeborenen auf alle Art und Weise aufzumuntern, daß sie fortfahren möchten, uns mit diesem stärkenden Nahrungsmittel ununterbrochen zu versorgen. Jetzt fingen sie auch an, uns mit der Versicherung zu trösten, daß die Kälte bald ein Ende haben würde. Sie hatten uns durch Herrechnen der Monde jederzeit zu verstehen gegeben, daß der Sommer Mitte Mai anfinge. Jetzt beschrieb die Sonne schon einen großen Kreis über die Berge, und in der Mitte des Tages war sie uns sehr erquickend. Wir erhielten auch öfters Fische und wagten es wieder, uns mit der Hoffnung zu schmeicheln, daß wir Übriggebliebenen noch diesem öden, unwirtlichen Lande entrinnen und wieder in unser Vaterland zurückkehren könnten. Diese Gedanken belebten unsere Kranken so sehr, daß sie sich auf das Verdeck bringen ließen, um die Sonnenstrahlen zu genießen. Viele von ihnen wurden indes ohnmächtig, sobald sie an die frische Luft kamen. Seltsam war es auch, daß viele dem Anschein nach noch eine erstaunliche Lebhaftigkeit des Geistes behalten hatten und, solange sie im Bette lagen, wie gesunde Leute von allem sprechen und alles vernehmen konnten, hingegen bei der geringsten Bewegung, ja, wenn man nur die Seiten der Hängematten berührte, die heftigsten Schmerzen bekamen und von einer Ohnmacht in die andere fielen, so daß man jeden Augenblick ihr Ende erwarten mußte. In diesem Zustande blieben sie dann länger als eine halbe Stunde, ehe sie sich wieder erholten. Bis zum 6. Mai veränderte sich alles um uns her auf eine erstaunliche Art. Diejenigen Matrosen, die nicht gar zu sehr entkräftet waren, erholten sich nach Gebrauch des Saftes mit einer ans Wunderbare grenzenden Geschwindigkeit. Wir hatten Fische, soviel wir nur verlangten, und wurden von den Eingeborenen mit vielen Seevögeln versorgt. Auch hatten wir schon manchen Zug wilder Enten und Gänse über unsere Köpfe wegfliegen sehen, leider aber war uns noch keiner der Vögel nahe genug vor die Flinte gekommen. Am 17. Mai kam eine Gesellschaft von Indianern, die den Häuptling dieses Sundes namens Schenowäh an ihrer Spitze hatte, mit großer Feierlichkeit an Bord, um uns wegen der Rückkehr des Sommers zu beglückwünschen. Sie berichteten uns zugleich, daß sie zwei Schiffe in See erblickt hätten. Diese Nachricht ward uns verschiedentlich von andern Wilden bestätigt. Wir wagten es aber kaum, sie zu glauben, bis am 19. die Ankunft zweier Kanus, die ein europäisches Boot geleiteten, sie bewahrheitete. In diesem Boote besuchte uns Kapitän Dixon, Kommandant der »Königin Charlotte«, die zugleich mit dem »König Georg« unter Kapitän Portlock von London auf der Montague-Insel angelangt war, wo Dixon auf die ihm von den Indianern übermittelte Nachricht die Schiffe verlassen hatte, um uns zu besuchen. Wenn man alle Umstände berücksichtigt, wird man nicht umhin können, diese Zusammenkunft für etwas Außerordentliches zu halten. Und erwägt man die schauderhafte Lage unserer Mannschaft, ihre Krankheit, ihre Betrübnis, ihre lange Abgeschiedenheit und die tötende Furcht, daß selbst, wenn nun die günstigere Jahreszeit einsetzte, ihre Entkräftung und der Zustand des Schiffes ihnen dennoch die Abreise unmöglich machen würden, so wird man sich nicht wundern, daß Kapitän Dixon von uns wie ein Rettungsengel mit Freudentränen bewillkommnet ward. Gegen den 12. Mai wirkte die Mittagssonne bereits sehr kräftig, und der anhaltende Südwind machte die Luft mild und angenehm. Das Thermometer stand den Tag über im Schatten auf 5° Wärme. Aber in der Nacht fiel es wieder zum Gefrierpunkt, und alsdann überzog sich das, was bei Tage aufgetaut war, mit einer dünnen Eiskruste. Die große Eismasse, die uns umgab, fing nun an, sich vom Ufer zu trennen. Die Flut, die hier 18 Meter steigt und fällt, zerbröckelte sie unaufhaltsam, und zugleich führte das vom Auftauen im Lande abfließende Wasser ganze Stücke Eis mit sich in See. Bald nachher taute alles um das Schiff her auf, und wir sahen mit Vergnügen, daß es sich wieder um seinen Anker bewegte. Unsere Kranken näherten sich zusehends ihrer Genesung, wiewohl ihrer zwei, ungeachtet der rückkehrenden Sonne und unserer äußersten Sorgfalt, die Zahl der Opfer vermehrten, denen das Schicksal ihren letzten Schlaf an diesen grauenvollen Ufern bestimmt hatte. Das Land blieb noch immer mit Schnee bedeckt, und außer Tannensprossen zeigte sich uns keine erreichbare Spur von Pflanzenwachstum. Wir mußten uns übrigens glücklich preisen, daß der strenge Winter uns noch diese gelassen hatte, und daß sie jedem, der anhaltenden Gebrauch davon machte, ein wirksames Heilmittel wurden. Am 17. Mai löste sich in der ganzen Bucht alles Eis, und da wir uns wieder in offenem Wasser befanden, so erquickte die Hoffnung, jetzt bald diese Szenen des Grauens und Leidens zu verlassen, unsere erschöpften Gemüter mit unaussprechlichem Troste. Die Zahl der von uns hier festgestellten Indianer betrug nicht über fünf- bis sechshundert. Sie sind eine starke, grobknochige Rasse und wohl etwas größer als der Durchschnittseuropäer. Sie haben weder Städte noch Dörfer oder sonst einen beständigen Wohnort, sondern wandern unaufhörlich im Sunde auf- und abwärts, wie Laune und Not sie dazu treiben. Diesen ganzen Bezirk halten sie für ihr Eigentum und dulden darin keinen anderen Stamm, den sie mit ihrer Übermacht abhalten können, außer wenn er ihnen einen Tribut dafür entrichtet. Dringt aber, wie es zuweilen geschieht, ein stärkerer Stamm in das Gebiet, so ziehen sie sich auf gewisse Felsengipfel zurück, die nur vermittels einer Leiter, die man nach sich hinaufnimmt, zugänglich sind. Dahin schleppen sie sogar ihre leichtgebauten Kanus. Sie haben einen Häuptling. Schenowäh, der jetzige, war ein ganz alter Mann und fast gänzlich wieder zum Kinde geworden. Als er im verflossenen Herbste den ersten Besuch bei uns machte, brachte er drei Frauen mit, die er uns als seine Gattinnen bezeichnete. Wir erwiesen ihnen daher gebührende Aufmerksamkeit und beschenkten sie mit allerlei Sachen, von denen wir vermuten konnten, daß sie ihnen Freude machen würden. Außer diesen haben wir nur noch drei oder vier andere von den Frauen der Eingeborenen gesehen. Wir hätten sehr gewünscht, einen von ihren Knaben bei uns zu behalten, um von ihren Sitten und ihrer Sprache einiges zu erlernen. Allein, sie weigerten sich beständig, unser Verlangen zu erfüllen, wenn nicht auch wir einen von unseren Leuten bei ihnen lassen wollten. Der Häuptling selbst traute sich nicht, an Bord zu kommen, wenn nicht während des Besuchs einer von unseren Matrosen in seinem Kanu blieb. Im Oktober 1786 brachte uns der Häuptling eine junge Frauensperson und bot sie uns zum Kaufe an. Wir erhandelten sie für eine kleine Axt und eine geringe Menge Glasperlen. Anfänglich glaubten wir, sie sei eine von seinen eigenen Frauen; allein, sie gab uns bald zu verstehen, daß sie eine Kriegsgefangene und nebst einer Anzahl von Landsleuten ihren Feinden in die Hände gefallen sei. Die anderen wären alle getötet und verzehrt worden, was das allgemeine Los der Kriegsgefangenen sei. Sie allein hätte man leben lassen, damit sie den Frauen des Häuptlings aufwarten solle, die jetzt vermutlich ihrer Dienste überdrüssig oder vielleicht gar eifersüchtig auf sie geworden waren. Sie blieb beinahe vier Monate lang bei uns und schien sehr zufrieden mit ihrer Lage. Wir erfuhren von ihr, daß sie zu einem weiter südwärts wohnenden Stamme gehöre. Wir hatten uns vorgenommen, im folgenden Sommer längs der Küste hinzufahren, Pelzwerk einzuhandeln und sie ihren Verwandten wieder zurückzugeben, wenn nicht die Unglücksfälle, die uns hier trafen, diese Absicht gänzlich vereitelt hätten. Die Einwohner des Sundes schilderte sie uns jederzeit, wir wissen freilich nicht mit welchem Rechte, als die wildesten Leute an der ganzen Küste, wobei sie immer wiederholte, daß nichts als die Furcht vor unseren Kanonen sie abhielte, uns totzuschlagen und zu verspeisen. Während des harten Frostes im Januar und Februar besuchten uns einige fremde, weiter südwärts wohnende Stämme aus der Nachbarschaft ihres Volkes. Durch diese Stämme schickte unser Mädchen eine Einladung an ihre Verwandten, uns zu besuchen. Wir fügten ein Geschenk von Glasperlen hinzu, um jene zu diesem Besuch aufzumuntern. Das Mädchen bestimmte uns die Zeit, da wir ihre Ankunft erwarten könnten, und wirklich erschienen sie ziemlich genau zu dem angegebenen Termin in drei einzelnen Kanus und brachten einen geringen Vorrat an Pelzwerk mit. Das Mädchen bat uns dringend um die Erlaubnis, mit ihnen zu reisen. Da wir uns aber von den Nachrichten, die sie uns geben konnte, einigen Vorteil für den Sommer versprachen, so erhielt sie eine abschlägige Antwort. Während indes einmal unsere Leute zum Frühstück gegangen waren, benutzte sie die Zeit, um in die Kanus zu entkommen, und wir haben sie nie wiedergesehen. Damals, als das Mädchen uns verließ, hatte der Skorbut noch nicht mit der Bösartigkeit wie später um sich gegriffen. Doch gab sie uns zu erkennen, daß auch ihr Volk an dieser Krankheit litte, daß man aber, sobald sich die Anzeichen bemerkbar machten, südwärts in ein besseres Klima zöge, wo Fische in Menge zu haben wären, die die Heilung stets bewirkten. Die Einwohner des Sundes halten ihr Haar ziemlich kurz und hinten und vorn in gleicher Länge. Daher hängt es ihnen gewöhnlich so ins Gesicht, daß sie, Männer wie Frauen, es unaufhörlich wegstreichen müssen, um nur vor sich hinsehen zu können. Die Männer haben durchgehends einen Schnitt in der Unterlippe, zwischen dem vorstehenden Teil der Lippe und dem Kinn, und zwar in gleicher Richtung mit dem Munde, so daß der Einschnitt einem zweiten Munde ähnlich sieht. Die Knaben haben an derselben Stelle zwei, drei oder vier Löcher. Vielleicht ist also dieser Einschnitt ein Zeichen der Mannbarkeit. Die Frauen haben ebensolche Öffnungen wie die Knaben und stecken kleine Stückchen von Muscheln hinein, die wie Zähne aussehen. Männer und Frauen durchbohren den Nasenknorpel und tragen gewöhnlich einen großen Federkiel oder ein Stück Baumrinde darin. Bärte, die man freilich gewöhnlich nur an bejahrten Personen sieht, haben sie auf der Oberlippe und am Kinn; im Winter hängen oft Eiszapfen daran. Die Jüngeren reißen sich scheinbar die Haare aus, sobald sie zum Vorschein kommen. Ihre Backenknochen sind hoch hervorstehend, ihre Gesichter rund und platt, die Augen schwarz und klein, das Haar pechschwarz. Ihr ganzer Anblick ist wild und gräßlich. Die Ohren werden mit vielen Löchern durchbohrt, in denen Gehänge von Knochen oder Muschelwerk befestigt werden. Sie bedienen sich einer Art von roter Farbe, um sich Hals und Gesicht zu beschmieren. Wenn ihnen aber ein Verwandter stirbt, so brauchen sie dafür schwarze Farbe. Ihr Haar ist beinahe ganz mit Vogeldaunen bedeckt. Ihre Kleidung besteht in einem einfachen Rock von Seeotterfell, der bis auf die Knie herunterhängt und ihre Füße unverhüllt läßt. In ihren Kanus bedienen sie sich einer anderen Kleidung, die sie aus den Därmen des Wals verfertigen. Sie bedecken den Kopf damit und binden die herabhängenden Schöße um das Loch fest, in dem sie sitzen. Auf diese Weise kann kein Wasser in das Boot dringen, und sie sitzen trocken und warm. Eigentlich ist dieses ihr Hauptanzug, da sie bei weitem den größten Teil ihres Lebens in ihren Kanus zubringen. Man findet in den hiesigen Waldungen alle die verschiedenen Arten des Tannengeschlechts, die an der jenseitigen Küste von Amerika gedeihen. Ferner Schlangenwurz und Ginseng, wovon die Eingeborenen immer etwas als Arznei bei sich führen, obwohl wir es nie in Mengen auffinden konnten. Die Wälder sind sehr dicht und erstrecken sich über zwei Drittel der ganzen Höhe der Gebirge, die oben in ungeheuren, nackten Felsenmassen endigen. Die schwarze Kiefer, die hier in großer Menge wächst, liefert sehr gute Segelstangen. Auch bemerkten wir bei unserer Ankunft im Sunde im September einige schwarze Johannisbeersträucher, aber sonst keine andere Art von Früchten oder Gemüsekräutern. Damals waren die Höhen auch schon mit Schnee bedeckt und die niedrigen Gründe durch die Ströme geschmolzenen Schnees von oben her gänzlich überschwemmt. Die einzigen Tiere, die wir hier sahen, waren Bären, Füchse, Marder, wilde oder Bergziegen und Hermeline. Von den letzteren töteten wir nur zwei Paar, die von verschiedenen Gattungen waren. Zur Zugzeit sahen wir Gänse in großer Menge nebst mancherlei anderen Wasservögeln. Aber außer Krähen und Adlern kamen uns keine in den hiesigen Wäldern einheimische Vögel zu Gesicht. Das Eisen hatte von all unseren Waren den höchsten Wert für die Indianer, und sie wählten vorzüglich solche Stücke, die an Gestalt der Spitze einer Lanze ähnlich sahen. Grüne Glasperlen waren ebenfalls sehr begehrt, zu anderen Zeiten aber wieder blaue und rote. Die Indianer bezeigten auch viel Vergnügen an unseren wollenen Jacken und an allen alten Kleidungsstücken der Matrosen. Ihre Nahrung besteht gänzlich in Fischen; vorzugsweise aber essen sie den Wal. Weil Öl und Tran ihnen als größte Leckerbissen gelten, sind ihnen natürlicherweise die öligen Fische am liebsten. Sie pflegen sie sehr selten zuzubereiten. Wenn es aber geschieht, so zünden sie ein Feuer an, indem sie einige trockene Stücke Tannenholz aneinander reiben. Sie verfertigen sich wasserdichte Körbe und legen heiße Steine hinein, um das Wasser und die Fische zu kochen. Allein, selten geben sie sich die ihres Erachtens entbehrliche Mühe, ihre Speisen auf diese Art zu bereiten. In den kältesten Wintertagen sahen wir sie nie von ihren Küchen Gebrauch machen; doch konnte das vielleicht auch von Nebenumständen abhängen, die ihnen gerade damals die Kocherei erschwerten. Unstreitig sind diese Menschen eine sehr rohe, wilde Rasse und besitzen einen ungewöhnlichen Grad von Unempfindlichkeit gegen körperlichen Schmerz. Hiervon sahen wir ein auffallendes Beispiel bei folgender Veranlassung: während des Winters hatte man unter allerlei anderem Kehricht auch einige zerbrochene Flaschen aus dem Schiffe geworfen. Einer von den Indianern, der den Haufen nach tauglichen Gegenständen untersuchte, schnitt sich mit einer Glasscherbe sehr tief in den Fuß. Sobald wir ihn bluten sahen, zeigten wir ihm, was ihn verwundet hatte, verbanden ihn und gaben ihm zu verstehen, dies sei die Heilmethode, deren wir uns in ähnlichen Fällen bedienten. Allein, jetzt machte er mit seinen Gefährten unser ganzes Verfahren lächerlich. Sie ergriffen auf der Stelle die Glasscherben und zerfetzten sich damit Arme und Beine auf eine fürchterliche Art, wobei sie uns belehrten, daß ihnen nichts Derartiges schaden könne. Mit unbegrenzter Freude verließen wir am 21. Juni die Bucht, die Heimat eines Volkes von solchem Charakter und von solchen Sitten, in der wir den strengsten Winter überdauert hatten. Am folgenden Abend waren wir in offener See. Unsere ganze Mannschaft bestand aus 24 Mann, mich, die Offiziere und die beiden Matrosen mitgerechnet, die von dem Schiffe »König Georg« zu uns gekommen waren. Dreiundzwanzig Menschen hatten wir leider in dem unwirtlichen Sunde begraben. Die Übriggebliebenen waren indes guten Mutes, wennschon es einigen noch an Kräften fehlte, selbst an Bord zu gehen. Kaum hatten wir uns vom Lande entfernt, so blieb der Wind südlich und hüllte uns in einen dichten Nebel. Diese Witterung, die uns in unserm erschöpften Zustande kaum erträglich war, brachte uns zu dem Entschlusse, in der Nähe der Küste zu segeln. Zehn Tage lang hatten wir die See gehalten, ohne weiter südwärts als zum 57. Grad zu kommen. Unsere Leute, die auf dem Verdeck durchnäßt wurden, klagten über Schmerzen in den Beinen. Und diese schwollen ihnen dermaßen, daß einige das Bett hüten mußten. Hierauf beschlossen wir, landwärts zu steuern, da die Küste nur 40 Seemeilen entfernt war. Wir erblickten bald einen hohen Pik von sonderbarer Gestalt; und nicht weniger sonderbar waren sowohl dem äußeren Ansehen nach wie in ihren Sitten auch die Einwohner in dessen Nachbarschaft. Sobald wir uns dem Lande genähert hatten, kamen uns eine große Menge Kanus entgegen, die sich von denen im Prince-Williams-Sunde an Gestalt sehr unterschieden. Sie bestanden aus einem einzigen Baumstamme, und viele waren zwischen fünfzig und siebzig Fuß lang, aber sehr schmal, nämlich nicht breiter als der Baum. Die Frauen waren die seltsamsten und greulichsten Menschengestalten, die wir jemals gesehen hatten. Wie die Männer im Prince-Williams-Sund hatten sie alle einen Einschnitt in der Unterlippe. Doch mit dem Unterschied, daß er hier viel breiter war und auf jeder Seite um einen guten Zoll mehr in die Wange hineinging. In dieser Öffnung tragen sie ein eirundes Stück Holz, wenigstens von sieben Zoll Umfang und einem halben Zoll Dicke, das rings um den Rand eine Hohlkehle hat, damit es in der Lippenspalte festgehalten werden kann. Vermittels dieser scheußlichen Erfindung ziehen sie die Lippe von den Zähnen abwärts und entstellen so ihr Gesicht auf die denkbar häßlichste Art. Dieses Volk schien die Einwohner des Sundes, die wir ihnen als Doppelmäuler beschrieben, zu kennen. Auch schienen sie jenen in der Sprache verwandt. Doch war der hiesige Stamm bei weitem zahlreicher. Vor uns hatte noch kein anderer Seefahrer diese Leute besucht. Hätte sich nicht in der Nacht ein günstiger Wind erhoben, so wären wir einige Tage bei ihnen geblieben. Jetzt hatten wir bei heiterem Wetter nördlichen Wind, der ununterbrochen andauerte, bis wir die Insel Hawaii erblickten. Glücklicherweise war unsere Überfahrt vom festen Lande hierher von kurzer Dauer. Hätten wir nicht die Vorteile einer günstigen und schönen Witterung genossen, so läßt es sich, nach dem Zustande unseres Schiffes zu urteilen, sehr bezweifeln, ob wir je die Sandwichinseln erreicht haben würden. Die schauderhafte Krankheit, an der unsere Mannschaft so lange gelitten hatte, begleitete uns wirklich noch auf diesem Weg, und wir büßten noch einen Mann daran ein, ehe wir das wohltätige Klima erreichten, von dessen Zephiren man sagen kann, daß sie Gesundheit auf ihren Fittichen tragen. Zehn Tage nach unserer Ankunft in Hawaii war jede Spur von Krankheit unter uns geschwunden. Wir verweilten hier einen Monat, und während dieser Zeit schienen die Insulaner kein anderes Vergnügen zu kennen, als uns Wohltaten zu erzeigen und ihre Gastfreundschaft an uns zu üben. Mit Freuden empfingen sie uns, und mit Tränen sahen sie uns wieder abfahren. Nach einer sehr glücklichen Fahrt, auf der wir immer Passatwinde hatten, kamen wir am 20. Oktober 1787 in Typa, dem Hafen von Makao, an. Doch kaum hatten wir hier Anker geworfen, als sich schon die Vorboten eines Sturmes zeigten, mit dem es unser halbwrackes Schiff keineswegs aufnehmen konnte. Zwei französische Fregatten, die ungefähr ein Kilometer von uns vor Anker lagen, vermehrten unsere Besorgnisse. Menschen, die wie wir so lange von Unglück und Widerwärtigkeiten aller Art gemartert wurden, und die so lange keine politische Nachricht erhalten hatten, sind eben dazu geneigt, bei einer so ungewöhnlichen Erscheinung, wie es französische Kriegsschiffe in jenen Meeren sind, auf die ungünstigste Vermutung zu verfallen. Als wir verschiedene Boote mit Soldaten von diesen Schiffen abstoßen sahen, erwarteten wir das Schlimmste. Und da uns hier der neutrale Hafen schwerlich geschützt hätte, so fingen wir schon an, einer Gefangenschaft als der Schlußszene unseres Unglücks entgegenzusehen. Die Boote fuhren indes an uns vorbei und, wie wir später erfuhren, nach einem spanischen Kauffahrteischiff, um daselbst einige entlaufene Matrosen aufzusuchen. Die französischen Schiffe waren die Fregatte »Kalypso« von sechsunddreißig Kanonen und ein Proviantschiff. Wir waren gleichsam dazu bestimmt, bis auf den letzten Augenblick von Unfällen verfolgt zu werden. Die Elemente verschworen sich gegen uns, sobald unsere Furcht vor dem Feinde in menschlicher Gestalt verschwunden war. Es erhob sich nämlich jetzt ein so fürchterlicher Sturm, daß die »Kalypso« sich nur mit Mühe und Not auf ihrer Stelle hielt, indem sie fünf Anker auswarf. Man urteile nun, in welcher Lage wir uns an Bord der »Nutka« befanden, da wir jetzt nur einen Anker übrig hatten. Nach einigen glücklich überstandenen gefährlichen Augenblicken sahen wir uns zuletzt genötigt, das Schiff auf den Strand zu jagen, um das einzige Rettungsmittel, das uns noch übrigblieb, nicht zu verscherzen. Das war das Ende unserer Reise. [Illustration] [Illustration] Reise nach Guinea und Gründung von Groß-Friedrichsburg Von Major _Otto Friedrich v. d. Groeben_ In neun Tagen sind wir vom Kap Verde bis zum Königreich Sierra Leone gesegelt, das seinen Namen nach dem Flusse hat, in den wir eingelaufen. Wir fanden daselbst ein dänisches Schiff vor Anker liegen, dem wir drei Tage zuvor begegnet, als es dem Stranden nahe war, was uns damals auch leicht hätte geschehen können, da uns der Wind so nahe an die Küste getrieben hatte, daß wir bisweilen nur fünf Faden Wasser loteten. Als wir Anker geworfen, haben wir in aller Eile den »Kurprinz« und den »Morian« mit Holz und Wasser versehen; darauf bin ich mit einigen jungen Edelleuten in das nah gelegene Negerdorf gegangen, wo wir den Häuptling Jan Thomas ungefähr mit 40 Männern und 30 Frauen antrafen, die wir mit Branntwein bewirteten. Dieser Häuptling sprach ein wenig Deutsch, das hauptsächlich in folgenden Redensarten bestand: »Donner Sakrament, für mich Kapitän Jan Thomassen, muß Holz und Wasser bezahlen.« Die Frauen und Männer setzten sich um uns, hernach tanzten sie mit ihrem Häuptling zum Klang unsrer Schalmeien. Über ihr Leben, Handel und Wandel will ich folgendes bemerken: Von Kap Verde bis nach Sierra Leone leben die Mohren unter der Herrschaft ihrer Könige, die sie je nach dem Verbrechen hart oder gelinde strafen. Wenn einer mißhandelt wurde und Gericht gehalten wird, sitzt der König öffentlich. Um ihn stehen die Richter. Dann tritt der Kläger hervor, fällt auf die Knie, stützt das Haupt mit den Ellbogen und spricht zum König: »Donda«, worauf die Richter antworten: »Mo«. Darauf wird in des Königs Gegenwart die Klage einem der Räte vorgetragen, der sie öffentlich den andern Richtern erzählt. So geht's der Reihe nach herum bis zum letzten Rat, der die Klage nebst dem Urteil, das die andern gesprochen, dem König vorträgt. Dieser bestätigt das Urteil oder ändert es nach seinem Gutdünken. Hat der Verklagte den Tod erwirkt, so werden seine Güter bis auf Kindeskinder eingezogen, und er selbst wird in den Krieg geschickt, um an der Spitze gegen den Feind wie ein Sklave bis auf den Tod zu fechten. Die Hütten dieser Neger sind ganz klein, oben und unten mit Palmzweigen bedeckt, in einer runden oder langen Form, etwa 3½-4 m hoch und etwa 2½ m weit; ihre Türen sind nur etwas über 1 m hoch, so daß man, ohne einen Bückling zu machen, nicht hineingehen kann. Ihre Schlafstelle ist an einer Seite der Hütte aus Lehm gemacht, ganz niedrig und nur etwa meterbreit, eine Matte aus Rohr- oder Binsengeflecht liegt darauf. Der Herd besteht aus zwei Feldsteinen, die mitten in diesem »Palaste« liegen, und worauf sie Hirse, Fische oder Fleisch kochen. Roter Lehm oder der natürliche Grund bilden den Estrich. Jedes Dorf hat einen besonderen Platz, für Zusammenkünfte bestimmt, der etwas höher als die andern Hütten liegt und einen etwa halbmeterhohen Lehm- oder Tonestrich zeigt. Hier versammeln sie sich mit ihren Führern, rauchen Tabak, Männer, Frauen und Kinder durcheinander, indem sie das Rauchen so lieben, daß sie nicht allein stets bei Tage rauchen, sondern auch des Nachts den Tabak als teures Kleinod in kleinen Säckchen am Halse hängen haben. Ihren Leib, das Gesicht und die Hände pflegen sie mit mannigfachen Figuren, die sie in die Haut schneiden, zu schmücken, und in die Schnittwunden reiben sie Pulver oder Pflanzenasche ein, damit die Figuren nie verschwinden. Je schwärzer sie sind, um so schöner dünken sie sich: ja, sie halten so viel auf ihre schwarze Farbe, daß sie sich alle Morgen von Haupt bis Fuß mit Fett oder Öl einschmieren. Wenn nun die Sonne brennt, schmilzt das Fett, das sie in die Haut eingerieben, und sie glänzen den ganzen Tag darnach wie ein Spiegel. Das tun sie aus zwei Gründen. Einmal, weil sie schwarz davon werden. Sodann aber verhindert das Fett, daß von der großen Hitze die Haut aufspringt, weil sie nackend gehen. Solche unerträgliche Pein nimmt die Fettigkeit ganz hinweg und macht ihnen die Haut geschmeidig, wie ich selbst gesehen. Diese Gewohnheit ist allen Schwarzen gemein. [Illustration: Wir bewirteten die Neger mit Branntwein.] Was ihren Gottesdienst anlangt, so beten sie den Teufel an, dem sie jährlich einen Teil ihrer Güter, alle fünf oder sieben Jahre aber einen Menschen opfern, auch wohl zwei oder mehr, je nachdem sie vom Teufel Schaden erlitten oder große Sünden begangen haben. Ihre Kirche ist ein Zaun von Staketenpfählen, ohne Dach. Ehe sie hineintreten, legen sie alles ab bis aufs Messer, alsdann gehen sie in den Betraum, fallen auf die Knie, strecken die Hände von sich und schlagen sie über dem Haupt zusammen, neigen das Antlitz zur Erde und bitten vom Teufel, was sie nötig haben. Sobald solch Gebet drei- oder viermal verrichtet, gehen sie wieder davon. Indem sie nun ihre fette Stirn auf die Erde stoßen und der Staub und Unflat ihnen an der Stirn kleben bleibt, dürfen sie ihn nicht abstreichen, sondern müssen ihn so lange daran lassen, bis er von selber abfällt. Von ihrer Kleidung ist wenig zu sagen, da sie ganz nackt gehen und nur ein schmales Lendentuch tragen. Die aber am Meeresstrande wohnen und etwas Vornehmes sein wollen, tragen auf dem Haupte einen alten Hut oder eine bunte Leinenmütze und ein Hemd von gestreifter Leinwand mit großen Ärmeln. Ebenso gehen die Weiber ganz barfuß. Hinter sich haben sie die Kinder in einem Hüfttuche. Ihr Oberkörper ist ganz bunt mit Narben geschmückt, die sie mit der Spitze eines Messers in die Haut schneiden und dann mit Pulver blau färben, vor andern damit zu prunken. Sonst prunken sie auch viel mit dem Haar, das seiner Art nach ganz kurz und schwarz wie Lämmerwolle wächst. Dieses Haar, so kurz es auch ist, wissen sie sehr niedlich zu Mustern zu flechten, etliche wie eine Krone, andre wie eine Haube, etliche wieder auf noch andre Art. Hinterher beschmieren sie es mit einem weißen Fett oder Palmöl und gehen darauf in die Sonne, die das Fett über den ganzen Leib fließen macht. Das reiben sie dann stark in die Haut ein, so daß sie wie Ziegenböcke »duften« und wie Spiegel glänzen. Ihre Tücher weben sie meist selbst auf einem Gestell, das in die Erde geschlagen ist. Ebenso machen sie künstliche Matten und Säckchen aus Binsen oder Baumbast und färben sie mit Blättern oder rotem Holz unterschiedlich. Tabak rauchen sie so stark, daß sie die Pfeife nie aus dem Munde lassen. Die Frauen bereiten die Speisen zu, nämlich Rindfleisch, Hirse, eine Art von Korn, die man erst kocht, dann trocknet und in hölzernen Mörsern so fein wie Sand zerstampft. Dann wird die Hirse in einem Topf dick wie gequollener Reis gekocht, in eine hölzerne Schüssel getan und mit den Händen zu Kügelchen geknetet und gebacken. Dieses Gericht ist mir immer so vorgekommen, als wenn man bei uns Kapaunen mit Teig mästet. Wenn von andern Dörfern die Freunde einander besuchen, so umarmen sie sich und umfaßt einer des andern mittelsten Finger, den sie geschickt so stark auseinander ziehen, daß es laut knackt. Die Toten werden in der Erde begraben. Dann kommen die nächsten Freunde zum Grab, setzen darauf Früchte, Palmwein, eine Schüssel voll Hirse, Tabak nebst einer Pfeife, und was sie sonst noch erdenken können. War der Verstorbene ein Handwerksmann, so legen sie alles Werkzeug, was er bei seinen Lebzeiten gebraucht hat, auf das Grab, bei einem Schmiede z. B. die Zangen, Blasebälge, Ambos, Kohlen und Eisen, bei einem Fischer Netz, Angel, Fische, Reusen, und was zum Fischen nötig ist. Zudem schnitzen sie aus Holz eine kleine menschliche Figur, etwa ein halb Meter hoch. Die setzen sie auf das Grab, und kein Schwarzer darf sich unterstehen, etwas vom Grabe zu entfernen. Die Frauen, die keine hölzernen Figuren machen können, nehmen einen Wisch Stroh, binden oben anstatt des Kopfes einen Knopf und setzen das, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen, auf das Grab. Bei einem Begräbnisse kommen alle des Verstorbenen Freunde zusammen, 300-400 Menschen oft, und bleiben bis zum dritten Tage gewöhnlich beisammen und machen ein wunderliches Gerase: der eine springt, der andre weint, der dritte lacht, der vierte spielt, und schreien alle durcheinander. Dann stecken sie dem Toten alle seine goldnen Ringe auf die Finger und begraben ihn mit all seinem Gold, Elfenbein, Töpfen, ja, all seinem Gerät, damit er auch im Jenseits reich sei und bei dem Himmelsherrscher in Ansehen stehe. Den Leichnam geleiten sie sämtlich zu Grabe, indem sie glauben, der Verstorbene werde angesichts des großen Gefolges sofort beim Himmelsfürsten eine Audienz erlangen und ein vornehmer Mann werden. Den dritten Tag nach unserer Ankunft kam der schon erwähnte »Wasser-Kapitän« Jan Thomas an Bord, sein Wasser und Holz bezahlt zu haben, wofür wir ein halb Viertel Branntwein und ein paar Flaschen Wein gaben. Zu beweisen, was er für ein ehrlicher Mann sei, zeigte er uns einige Empfehlungsschreiben von verschiedenen Schiffen, von denen ich das »empfehlendste« hier mitteilen will: »Der Wind weht aus Osten und Westen. Hütet euch vor den schwarzen Hunden; denn ihnen ist nicht zu trauen, weil sie falsche Schelme sind. Zur Nachricht: habe gegeben für Wasser und Brennholz eine Flinte, drei Pfund Pulver, drei Flaschen Branntwein. Sierra Leone. Das Schiff N. N.« Später bin ich etlichemal noch an Land gegangen. Wohin ich aber auch kam, sind die Eingeborenen vor uns in den Busch geflohen, so daß ich nichts als hie und da einen Krüppel, der nicht mitlaufen konnte, daneben etwa noch eine Katze oder einen Hund angetroffen habe. Auch in den Hütten fand ich nichts als z. B. ein Messer, einen hölzernen Mörser, einen Topf und eine Matte. Weil der englische Gouverneur, den wir bei unserer Ankunft bewirtet, uns gebeten hatte, ihn auf seiner Insel zu besuchen, setzte ich mich eines Tages mit dem Kapitän und den beiden Ingenieuren in eine Schaluppe und fuhr nach der Insel Bens, die drei Meilen stromaufwärts liegt. Unterwegs kamen wir an verschiedenen Negerdörfern vorbei, sahen auch viel Fischreusen, in denen sich die herrlichsten Fische fangen. Zahlreiche Inseln im Flusse sind sehr fruchtbar an Palmen, Limonen, Zitronen, Bananen, Ananas, Bataten und andern mir noch unbekannten Früchten mehr. Der Gouverneur kam uns entgegen und bewillkommnete uns mit sieben Kanonenschüssen, tat uns alle erdenkliche Ehre an und bewirtete uns mit köstlichen, kürzlich aus England gekommenen Weinen, auch mit Hühnern, Schafen und einem Wildschwein, das ein Neger diesen Abend zu unserm Glück geschossen hatte. Dieses Wildbrets gibt es viel auf den Inseln. Die englische Faktorei liegt auf einer Anhöhe und ist mit einer zweiundeinhalb Meter hohen Mauer befestigt, auf der acht größere und kleinere Kanonen stehen. Hinter der Mauer steht ein kleines, aus Feldsteinen aufgeführtes Haus, darin der Gouverneur wohnt. Weiterhin liegt ein Steinhaus, in das nachts die Sklaven eingesperrt werden, die Tag und Nacht paarweise an den Füßen angekettet sind. Unterhalb des Berges liegt ein Negerdorf, wo die Schar der Sklaven und Sklavinnen wohnt, die auf der Insel allerlei Dienste verrichten müssen. Unten im Tal ist ein Brunnen tief in den Felsen gehauen, der ein herrliches, süßes Wasser gibt. Hier steht auch eine lange Hütte für die Matrosen und sonstigen Europäer. Als wir fast drei Tage lang uns von dem Engländer hatten bewirten lassen und unser Geblüt mit frischen Speisen erfrischt hatten, versah der Gouverneur auch unsere Schaluppe noch mit Limonen, wurde von uns zu einem Gegenbesuch eingeladen und kam gleich mit uns mit, da er andern Tags ein Schiff abfertigen mußte, das die andern Faktoreien anlaufen sollte. Wie wir nun längs des »Kurprinzen« beilegten, bewillkommneten wir den Gouverneur unsrerseits mit sieben Schüssen und ließen es uns angelegen sein, alle uns erzeigte Höflichkeit zu erwidern. Den andern Tag fuhren wir zu einer Landzunge, um hier Austern zu suchen. Des Engländers Schwarze hieben so große von den Felsen, daß wir sie in vier Teile schneiden mußten, ehe wir sie essen konnten. Die Neger zeigten uns auch eine Austerschale, die noch fest an einem Felsen hing, und worin ein Stöckchen steckte. Das, sagten sie, machten die Affen (deren es hier viele Tausende gibt), wenn das Wasser mit der Ebbe abläuft, damit die Austern ihnen die Pfoten nicht einklemmen. Hinterher langen sie die Austern ganz appetitlich aus der Schale. Soviel ich von dem englischen Gouverneur erfahren konnte und auch selbst sah, sind die Eingeborenen von Sierra Leone falsche, diebische Leute, die nicht nur heimlich, sondern auch öffentlich stehlen und mit ihrem Raub buscheinwärts laufen und dazu die Weißen auslachen. Zudem sind sie sehr faul und wollen nicht arbeiten. Sie ziehen weder Kühe noch Pferde, sondern behelfen sich mit Elefantenfleisch, Ziegen, Antilopen, Hühnern wie auch mit den Landesfrüchten, die sie in solchem Übermaße haben, daß sie im November und Dezember ganze Schiffe umsonst damit beladen können. Das Land ist auch sehr reich an Geflügel, Meerkatzen und Papageien. Besonders berichtete mir der Engländer von einer Art von Affen, die Menschenverstand in ihrem Tun und Lassen hätten, nur daß ihnen die Sprache fehle, weil sie nichts als »ho« sprechen. Sie rauchten Tabak, fädelten eine Nadel ein, zapften Bier und täten alles, was man ihnen befehle. Der König von Sierra Leone fängt viele Elefanten, die er mit seinem Volk umbringt. Man treibt die Tiere mit großem Geschrei in einen Sumpf, tötet sie mit Pfeilen und verteilt dann das Fleisch unter die Jäger. Bei des Königs Residenz steht ein Baum von 30 Meter Umfang, in dem viele Namen eingeschnitten zu lesen sind. Den andern Tag kam das erwähnte englische Schiff an, und der Gouverneur verfügte sich darauf. Wir lichteten währenddessen die Anker und liefen in See nach Kap Monte zu, das wir am achten Tage erreichten. Unsere Kranken, deren wir schon an die zwölf hatten, wurden von den frischen Früchten alle gesund. Etliche Meilen hinter Kap Monte fängt die Grein-Küste an. Dieser »Grein«, den man auch »Malgette« nennt, ist eine Art von Pfeffer, jedoch etwas schärfer. An dieser Küste wird nicht nur Pfeffer, sondern auch gutes Elfenbein und Gold gehandelt, das die Schwarzen in den Flüssen finden. Die Eingeborenen sind hier große Fischer, fahren mit ihren kleinen Kanus 3-4 Meilen in die offene See hinaus den ankommenden Schiffen entgegen. Sind sie bei diesen angelangt, so schöpfen sie mit der rechten Hand Wasser, gießen es ins Auge und schreien »Guipo!« Auch der Kapitän des Schiffs muß so tun. Das ist der Freundschaftsschwur. Haben ihn beide Teile geleistet, so kommen die Schwarzen ins Schiff, zu handeln. Sie sind im übrigen sehr böse, diebische und verräterische Kerle, weshalb es keinem Europäer zu raten ist, aus ihren Kalebassen Wasser zu trinken oder aus ihren Pfeifen Tabak zu rauchen. Denn sie können so geschickt mit Gift umgehen, daß sie zwar als erste trinken oder rauchen, dann aber das unter den Nägeln verborgene Gift unvermerkt in die Kürbisschale oder die Tonpfeife fallen lassen, um ihrem Gegner so den Garaus zu machen. An vielen Orten ist das Land noch wüst, da die Eingeborenen so wild sind, daß sie Menschen fressen, weswegen niemand der Schiffsmannschaft sich ans Land zu gehen traut, um die köstlichen Früchte wie Bananen, Ananas, Limonen, Pomeranzen und anderes schmackhafte Obst zu holen, das hier im Überflusse wächst. Sie beten den Teufel an und holen sich von ihm Orakel und Rat. Desgleichen verehren sie die Toten. Alle Neumond feiern sie mit Singen und Springen ein Fest. Dabei spielen sie auf einer etwa meterhohen Trommel, die aus einem Palmbaum gehauen und ausgehöhlt und mit einer Haut überspannt ist. Darauf schlagen sie mit einem Knüppel, in der andern Hand halten sie eine Art von Kuhglocke, und auf den Armen haben sie eiserne Ringe zum Rasseln, was ihnen zusammen die lieblichste Harmonie dünkt. Die andern tanzen und jauchzen danach so lange, bis sie vor Müdigkeit umfallen. Man kann diese »liebliche« Musik bei stillem Wetter weithin auf See hören. Als wir des Abends vor Kap Monte Anker geworfen, starb unser Kajütenwächter an der Landseuche (Malaria). Er war ein starker, gesunder Jüngling, in vier Tagen frisch, gesund, tot und begraben. [Illustration: Die Mohren kamen mit einem Kanu an unser Boot gefahren.] Am andern Tag kam ein Negerboot an unser Schiff mit drei Schwarzen, die sich Wasser in die Augen gossen und von uns den Treueid forderten, den wir auch in der gleichen Weise leisteten. Dennoch wollten sie uns nicht trauen, sondern fuhren um unsern »Kurprinz« herum wie die Mäuse um den Speck. Endlich kamen sie doch an Bord und versprachen, den nächsten Tag mit Elfenbein wiederzukommen. Ihre Furcht rührt daher, daß oft französische Schiffe kommen und unter dem Vorwande, handeln zu wollen, die ins Schiff gelockten Neger gefangennehmen und nach Westindien als Sklaven verkaufen. Erst am dritten Tage kam das Kanu wieder mit ungefähr 1000 Pfund Zähnen. Die andern aber blieben aus. Für das Elfenbein handelten sie Kupferkessel, Kleider und eine Flinte ein. Nachmittags fuhr ich mit dem Kapitän an Land, um zu sehen, ob sie so viel Elfenbein hätten, wie sie vorgaben. Da wir noch einen Pistolenschuß vom Lande waren, kamen an die fünfzig Schwarzen ans Ufer und schrien, wir sollten ans Land kommen. Doch trauten wir ihnen nicht; denn sie sind so böse, daß sie Europäer oft lange gefangenhalten, bis diese sich mit ein paar tausend Reichstalern an Waren ausgelöst haben. Zudem konnten wir nicht landen, da die Brandung dermaßen hoch ging, daß die Strandwellen unser Fahrzeug, wenn sie es gepackt, in tausend Stücke zerschlagen hätten. Die Mohren versuchten immer wieder, uns ans Land zu locken, kamen mit einem Kanu an unser Boot gefahren, zeigten uns wohl an 1000 Pfund Zähne, die sie, wie sie riefen, gern an unser Boot brächten, wenn es die Brandung erlaubte. Am vierten Tage nahm der Kapitän de Voß einige Waren und fuhr wieder zur Küste. Die Neger brachten einen Schwarzen in sein Boot und begehrten dafür einen Matrosen als Geisel. Als das geschehen, begannen sie den Handel, hatten aber doch den Schelm im Nacken, insofern sie dem Schwarzen befohlen hatten, aus unserm Boot zu springen und ans Land zu schwimmen, worauf wir dann unsern Matrosen teuer hätten auslösen müssen. Wir merkten aber den Possen, zogen deshalb unserm Mohren einen Rock an und knöpften diesen ihm von oben bis unten zu, daß wir ihn daran festhalten konnten. Als er den Rock aufzuknöpfen und sich zur Flucht bereitzumachen begann, nahmen wir, als wir es merkten, einen Strick und banden ihn so lange fest, bis sie unsern Matrosen wieder ins Boot brachten. Das geschah ihrerseits mit großem Bedenken und Unterhandeln, indem sie ihn schon zu bereden angefangen hatten, er möchte bei ihnen bleiben. Zuletzt brachten sie uns unsern Mann und nahmen den ihrigen wieder mit. Wir lichteten die Anker und gingen südwärts nach Kap Miserada, wo wir unsre Fregatte »Morian« wieder trafen, die uns drei Tage vorher verlassen hatte. Auf unser Flaggensignal kam der Kapitän Blonck alsbald an Bord des »Kurprinzen« und teilte mir mit, daß mein Fähnrich v. Selbing in den letzten Zügen liege. Ich traf ihn am nächsten Morgen besinnungslos an, er starb zwei Stunden später an der Landseuche, und da ich nicht wagen konnte, ihn am Lande zu begraben, ließ ich ihn in die See versenken. Nachmittags fuhr ich mit beiden Kapitänen an Land, mit keinem Gewehr versehen, weil mir Kapitän Blonck versichert hatte, die Neger wären ruhige Leute, die man leicht durch die Schußwaffen erschrecken und vom Handeltreiben fernhalten könnte. Wie wir nun an Land kamen, fanden wir dort gegen fünfzig baumstarke Schwarze mit wenig Frauen und zweien ihrer Häuptlinge. Anfänglich handelten sie ehrlich, zuletzt aber begannen sie, miteinander heimlich zu reden und meines Erachtens sich zu beraten, wie sie uns alle möchten gefangennehmen. Und es wäre sicher zu Mißhelligkeiten gekommen, wenn sich nicht ein alter Häuptling dazwischengelegt und die andern hart mit Worten gestraft hätte. Als wir solches merkten, zogen wir uns in unser Boot zurück, nachdem wir versprochen, am nächsten Tage mit vielen Waren wiederzukommen. Inzwischen dankten wir Gott, daß wir mit heiler Haut unser Schiff erreichten. Seitdem habe ich es mir zur steten Warnung dienen lassen, nie unbewaffnet mehr an Land zu gehen. Denn die Neger hätten uns nur alle gefangenzunehmen brauchen und hernach so viel Lösegeld zu begehren, wie sie wollten, hätten uns auch wohl allen können die Köpfe abschlagen (nach erhaltenem Lösegeld), und es hätte kein Hahn darnach gekräht. Dabei wären wir nicht die ersten gewesen, denen es so ergangen. Des andern Tags besetzte Kapitän de Voß die Schaluppe mit einigen Bootsleuten und fuhr mit einem der Ingenieure an Land. Es wäre ihm aber beinahe übel bekommen; denn der Schwarzen waren an die zweihundert, unsere Leute aber an Zahl nur acht und nur mit Degen und Pistolen bewaffnet, mit denen sie nicht viel ausrichten konnten. Sie mußten deshalb ihre Waren weggeben, wie die Neger es wünschten. Nach Verkauf aller Güter versprach der Kapitän, andere aus dem Schiffe zu holen, stieg mit allen seinen Leuten in die Schaluppe und fuhr davon. Den dritten Tag nahm ich 30 bewaffnete Soldaten und 15 Matrosen, mit denen fuhr ich samt dem Kapitän und den beiden Ingenieuren an Land, unser morsches Boot zu dichten. Wenn uns die Neger angreifen würden, gedachte ich, mit ihnen den Tanz zu wagen, und hätte mich wohl unterstanden, mit meinen 50 Mann gegen 500 zu fechten. Kaum waren wir gelandet, so ließ ich meine Pfeifer blasen, indes die andern die Fahrzeuge auf den Strand zogen, sie zu verpichen. Wie wir nun bei der Arbeit waren, kamen vier Mohren zu uns als Spione, zu sehen, ob wir bewaffnet wären. Als sie solches erkundet, blieben sie ohne Scheu bei uns, riefen auch die andern herbei, bis ungefähr 35 Neger zu uns kamen mit der Bitte, den Handel zu eröffnen. Da sie abschlägige Antwort erhielten, verkauften sie uns nur Hühner, Reis und andere Erfrischungsmittel. Einige von unseren Leuten wuschen Leinenzeug; denen ward von den Mohren ein buntes Schnupftuch entwendet. Da ich etliche Schwarze etwas ernsthaft darum befragte, fingen sie alle miteinander an so schnell buschein zu laufen, daß man sie kaum mit einem Pferde hätte einholen können. Zwei Häuptlinge aber blieben stehen, riefen die andern zurück, und einer nach dem andern mußte in den Fluß gehen, die Augen öffnen und Wasser dareingießen. Auf die ich einen Argwohn hatte, die mußten ihr Hemd ausziehen. Das tat ich, nicht wegen des gestohlenen Tuchs, sondern aus Begierde, zu wissen, was sie an ihrem Halse hängen hätten, weil ich einige Schnüre daran gewahr geworden. Da sah ich auf dem nackten Körper allerlei Fellstücke, in das sie Zähne, Klauen, Schlangenköpfe und Ähnliches mehr als Amulett vernäht hatten. Auf meinen Wunsch begannen sie, zu Ehren des Donnergottes, gegen den diese Amulette schützen sollten, zu tanzen. Einige nahmen ihre Speere, andre ihre Messer, ein Teil brummte durch die Nase. Darauf liefen sie wie verzückt mit seltsamen Gebärden im Sande herum, schrien, verletzten sich mit ihren Speeren und Messern, verdrehten die Augen, knirschten mit den Zähnen, bis zuletzt einer ganz unsinnig aus eifriger Andacht wurde. Da liefen die andern herzu, nahmen ihm mit Gewalt den Spieß aus der Hand und klopften ihm so lange auf den Kopf, bis ihm der Eifer verging und er sich besänftigen ließ. Später zeigten sie mir, wie sie wider ihre Feinde fechten. Sie liefen schnell von mir fort und wandten sich im Augenblick gegen mich, als wenn sie mich durchstoßen wollten, sprangen dabei zugleich in die Höhe, als wollten sie über mich hinwegspringen. Darauf gingen wir wieder an Bord. Den vierten Tag lichteten wir die Anker und segelten südwärts zum Rio Sester. Als wir angesichts der Küste lavierten, kamen zwei kleine Kanus zu uns, und die Neger berichteten, der König von Sanguin ließe uns bitten, in seinem Gebiet zu ankern; sie führten uns auch zur Reede. Ich wunderte mich, daß die Schwarzen sich so weit in die See hinaus auf ihren Kanus wagen, die nichts andres sind als ein ausgehöhlter Baumstamm, ungefähr zweieinhalb Meter lang und etwas über einen halben Meter breit, darin sie auf den Füßen hocken und mit kleinen Rudern fahren. Wenn die See zu hoch geht und das Kanu umwirft, wissen sie das Wasser behende auszuschütten und sich wieder hineinzuschwingen. Unser Bootsmann wollte auch probieren, damit zu fahren; er war aber kaum auf einer Seite hineingestiegen, so lag er schon auf der andern im Wasser. Sobald wir Anker geworfen, fuhr ich mit dem Kapitän an Land. Hier warteten viele Schwarze auf uns, die uns berichteten, daß morgen der König, der 3 Meilen flußaufwärts im Lande wohnt, an den Strand kommen werde. Statt seiner besuchte uns der königliche Prinz, der mich in dem nahe am Strande gelegenen Dorfe herumführte und mir auf seine Art große Höflichkeit erwies. Des andern Tags kam der Prinz ins Schiff, uns die Ankunft des Königs zu melden. Weil es Mittag war, nötigte ich ihn zur Tafel und ließ während des Essens Pfeifer und Geiger spielen. Diese ihm fremde Musik schien ihn sehr zu ergötzen. Er war ein wohlgestalteter junger Mann von etwa 25 Jahren und konnte sich in unser Essen und Trinken wohl schicken. Er rührte keine Speise an, bevor er gesehen, wie ich es machte. Das merkte ich und nahm darauf mit zwei Fingern etwas Butter aus der Schüssel. Der gute Prinz fuhr alsbald mit der ganzen Hand in die Butterschüssel und hinterdrein damit so appetitlich zum Munde, daß uns allen die Lust weiterzuessen verging. Folgenden Tags gingen wir mit der Schaluppe an Land und trafen den König, der sich Peter nannte, am Flusse in einer Negerhütte sitzen. Er empfing uns mit seinen zwei Brüdern und dem ganzen Rat sehr höflich, nötigte uns, bei sich zu sitzen, und bewirtete uns mit Palmwein. Gemäß ihrer Gewohnheit, alsbald nach dem Namen der Fremden zu fragen, begehrte auch König Peter zu wissen, wie ich heiße. Ich gab ihm zur Antwort »Peter« (denn ich wollte nicht weniger bedeuten als der König), worüber er sich sehr freute und sprach: »Ich Peter, du Peter, sei mein Freund.« Er war ein ehrbarer, alter Mann, aus dessen Augen man etwas Großes lesen konnte. Sonst war er von den andern Schwarzen an nichts zu unterscheiden als an dem Respekt, den ihm die Umsitzenden und die Untertanen zollten. Seine Autorität war so groß, daß, als uns von den Negern eine Flasche Branntwein aus dem Boot gestohlen worden war und wir unter den Hunderten den Dieb nicht herausfinden konnten, ein Wort von ihm genügte, sie uns wieder zuzustellen. Als wir etwa eine Stunde bei dem Könige gesessen hatten, beschenkte er uns mit einem Korbe voll Reis und einem Ziegenbock, ließ uns aber eine halbe Stunde später durch den Dolmetscher um ein Gegengeschenk ersuchen. Dieser brachte seine zierliche Rede folgendermaßen vor: »König Piter mi segge, ick juw segge, König Piter segge mi, segge König Piter, Dassie hebbe, mi segge, kike Dassie.« Soll heißen: König Peter hat mir gesagt, ich soll euch sagen, er wolle gern auch sein Geschenk sehen. Wir schickten ihm darauf eine Stange Eisen, einen Kupferkessel und ein Kleid. Unterdessen kauften wir für unseren Bedarf für wenige weiße Perlen zwei Fässer Reis und an die 30 Hühner. Damit schieden wir von dannen. Die Neger hier an der Küste sprechen etwas Englisch, Holländisch und Portugiesisch durcheinander, so daß man zu tun hat, wenn man sie verstehen will, und sich meist wie bei Taubstummen der Fingersprache bedienen muß, wenn man etwas von ihnen kaufen will. Nach neuntägiger Reise gelangten wir zum Kap Palmas und zur Zahn- oder Quaquaküste. Sie führt diesen letzteren Namen von der Sprache der Eingeborenen, darin alles auf »qua-qua« endet, und als ich sie reden hörte, mußte ich an einen Haufen Enten denken, die in einem Pfuhl schnattern. Zahnküste wird sie des Handels wegen genannt, weil es hier zahlreiche Elefantenzähne gibt, die die Neger in ihren Kanus an Bord bringen und gegen Eisen, Kessel oder Armringe eintauschen. Wir haben uns nicht getraut, an Land zu gehen, weil die Küste sehr ungesund ist und an vielen Orten noch wilde Schwarze wohnen, die Menschen fressen. Wir fuhren weiter die Küste entlang, warfen hier und da Anker und warteten, daß die Neger in ihren Kanus zu uns kommen sollten. Es kamen aber keine. Einmal sahen wir sie Feuer anzünden, wodurch sie einander die Anwesenheit fremder Schiffe signalisieren. Weil wir gerne wissen wollten, warum die Schwarzen nicht zu uns an Bord kämen, wie sie doch sonst zu tun pflegen, schickten wir die Schaluppe mit fünf Mann an Land, mit dem Auftrag, keinesfalls das Boot zu verlassen, auch die Neger nicht in das Boot kommen zu lassen. Als nun die Schaluppe einen Pistolenschuß weit vom Ufer haltmachte, kamen die Neger in See. Ein Kanu legte neben der Schaluppe bei, und sogleich sprangen drei Schwarze in unser Boot, in der offenbaren Absicht, sich seiner zu bemächtigen. Aber unsere Leute waren auf ihrer Hut, zumal sie bemerkt hatten, daß etliche hundert Schwarze, mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, am Ufer standen. Folgenden Tags fuhren beide Kapitäne mit den Ingenieuren an Land, die Ursache solchen Mißtrauens genauer zu erkunden. Die Schwarzen wollten aber nicht recht mit der Sprache heraus, sondern gaben nur kurz Bericht, daß vor einiger Zeit zwei Schiffe mit weißen Flaggen die Küste passiert und alle Schwarzen, die an Bord gekommen, mit sich fortgeführt hätten. Wir sahen nun wohl, daß hier nichts zu machen wäre, und segelten deshalb weiter. Als wir einmal an Land gingen, Holz zu fällen und Wasser einzunehmen, fanden wir viele Stücke eines zerschlagenen Bootes und im Gestrüpp einen Totenschädel. Mein Bootsmann berichtete, daß hier vor sechs Jahren die Neger 13 Mann, die in ihrem Boote Wasser geholt, überfallen und erschlagen hätten. Wir sahen nur in der Ferne Scharen von 30-40 Eingeborenen, die sich aber nicht getrauten, näher zu kommen. Als wir hernach bei Kap Lahoe vor Anker gingen, kamen die Neger haufenweise mit Zähnen an Bord; unsere beiden Schiffe konnten gegen 4000 Pfund für 30 Fässer mit Armringen einhandeln. Sooft die Schwarzen an Bord kamen, schrien sie »Quaquaqua«, was so viel als »Freunde« bedeuten sollte. Sie sind alle baumstarke Leute und tragen an ihrem Körper keinen Faden von Wolle oder Leinwand, sondern Lendenschurze aus Baumbast. Ihr Haar flechten sie auf verschiedene Manier: die einen zu Strähnen so dick wie Bindfaden, und damit es länger sei, knüpfen sie schwarzen Bast von Bäumen darein; die andern drehen es zu Hörnern zusammen, binden auch kleine Ziegenhörner daran, wieder andere flechten es zu Knöpfen. Ihren Körper färben sie scharlachrot. Dabei kauen sie stets Kolanüsse nebst einer Wurzel, daß der Mund rot wie Zinnober aussieht. Bisweilen halten sie die zerkaute Nuß stundenlang zwischen den Lippen und wälzen sie dann mit der Zunge so appetitlich im Munde herum, daß einem Hungrigen auf drei Tage die Lust zu essen schwindet. Ihre Zähne feilen sie so scharf wie Nadeln, daß sie wie Hundszähne voneinander stehen. Weil wir unsere Armringe nicht so bald loswerden konnten, bekam der »Morian« den Auftrag, hier noch liegenzubleiben. Am Rio Sueyro de Costa brachten die Neger uns zum ersten Male Gold an Bord. Auch boten sie uns zwei kleine, etwa fünfjährige Mädchen an, die die grausamen Eltern für drei Musketen verkaufen wollten. Auch für das Gold verlangten sie Musketen. Nach geschehenem Kauf begehrte ihr Häuptling ein Geschenk zum Andenken daran, daß er auf unserm Schiffe gewesen sei. Ich antwortete ihm, er solle mir auch ein Andenken geben, daß ich Afrika besucht. Da sagte er: »Ich schwöre bei meinem Fetisch, komm ans Land, so will ich dir nicht allein Palmwein, Hühner und Ochsen geben, sondern auch meine Frau.« Gedachter schwarzer Herzensfreund kam dann allein zu mir und dem Kapitän in die Kajüte, ließ die Tür schließen, um uns im Vertrauen etwas Vorteilhaftes für unsern Handel zu offenbaren, falls ihm der Kapitän dafür eine Flinte und ein Tuch verehren wollte. Als ihm solches versprochen worden war, sagte er: »Lichte deine Anker und fahre weiter nach Isseni; dort wirst du für deine Gewehre noch einmal soviel Gold erhalten als hier, weil sie dort Krieg führen.« Der Kapitän antwortete: »Ich glaube dir nicht, du willst mich betrügen.« Darauf forderte er zum Zeugnis, daß er wahr gesprochen, man solle ihm den Fetisch, den er anbete, zu essen geben. Wir mischten etwas schwarzes Zahnpulver mit einem Löffel Wein, und das schlang er unter entsprechenden Grimassen herunter. Das ist der größte Schwur, den sie tun können; ja, sie glauben fest, daß, wenn sie im Namen ihres Fetischs auch das ärgste Gift nähmen, es ihnen, sofern sie die Wahrheit gesagt, doch keinen Schaden bringen könnte. An der Goldküste haben vornehmlich die Holländer ihre Faktoreien. Stets liegen hier ihre Kauffahrteischiffe, die Waren hin und Gold zurück nach Holland führen. Vordem waren die Portugiesen Herren der ganzen Goldküste. Die Europäer haben es ihrem Handelsneid selber zu danken, wenn die Mohren nun so klug sind, daß sie manchen Kaufmann im Handel beschämen. Sie sind so verschlagen, daß sie wohl 4-5 Stunden um einen Reichstaler Wert handeln, diese und jene Ware zu schauen begehren, und wenn sie ganz zu unterst im Schiffe verstaut wäre. Wenn an einem Platze zwei oder drei Schiffe liegen, so rudern sie, um einen bessern Preis zu erzielen, von einem zum andern, ehe sie den Kauf abschließen. Das Gold haben sie vorher aufs allergenaueste abgewogen und in kleine leinene Lappen getan, 2-6 Quentchen (= ein viertel Lot; 1,667 Gramm) in jeden. Diese Bündelchen stecken sie in einen hölzernen Schrein und mit dem zusammen in einen schmalen Sack von Bast, den sie an sechs bis sieben Stellen verknüpfen und sich dann um den Hals oder Leib festbinden. Wenn sie nun in das Schiff zu handeln kommen, dauert es wohl drei Stunden, ehe man über den Preis eins wird, und dann disputieren sie noch über das Gewicht. Ist der Kauf abgeschlossen, so zeigt sich, daß das Gold mit Kupfer oder Staub vermengt ist. Der kluge Kaufmann schüttet deshalb das Ganze in eine Schale und trennt durch Blasen das Gold vom Kupfer und Sande. Ich habe oft dabei gesessen, wenn unser Kaufmann so über die Hälfte Kupfer und Sand vom Golde trennte. Zuletzt, nach geschehenem Handel, fordern sie ein Geschenk (»Dassie« genannt), das man ihnen geben muß, sofern sie wieder an Bord kommen sollen. Alle, die mit Gold zu den Schiffen fahren, sind gewöhnlich Makler, die von den im Lande Wohnenden das Gold erhalten und, weil sie der portugiesischen Sprache ein wenig kundig sind, an die Europäer zum Vorteil ihres Landsmannes verkaufen sollen. Es sind meist üble und verschlagene Gesellen. Mein Bootsmann erzählte mir davon ein charakteristisches Beispiel. Als er zwei Jahre vorher an der Goldküste war, kam ein Makler nebst seinem Auftraggeber an Bord. Als der Makler nun das Gold verkauft hatte, sprach er zum Bootsmanne: »Jetzt habe ich Euch dieses Mannes Gold verkauft; was wollt Ihr mir nun für den Kerl selbst geben? Für 15 Stangen Eisen kriegt Ihr ihn.« Der Bootsmann, den des einfältigen Bauern jammerte, schickte aber den Schelm von Makler mit einem Verweise von Bord. Die Eingeborenen der Goldküste sind meist starke, hochgewachsene Leute, die sehr kriegslustig sind und mit Schießgewehr sehr gut umgehen können, wie ich selbst gesehen habe. Sie sind sehr böse und verkaufen nicht allein die im Kriege erbeuteten Gefangenen, sondern auch Weiber, Kinder und die nächsten Freunde. Ihre Frauen behandeln sie wie Hunde und heiraten so viele, als sie bezahlen können. Weil nun der Preis gering ist, nimmt ein Schwarzer viel Frauen; denn er kann von ihren Eltern eine um einen Ochsen oder ein paar Ziegenböcke kaufen. Selbiger Ochs wird öffentlich gebraten. Dazu lädt man die Freunde von beiden Seiten ein, die sich hier und da ein Stück von dem halbrohen Braten abschneiden und es mit den Zähnen zerreißen, daß das Blut nur so herabrinnt. Dabei jauchzen, schreien und tanzen sie durcheinander wie nicht gescheit. Wenn ein Neger stirbt, der einigen Reichtum hinterläßt, so hat sein nächster Freund das meiste Anrecht auf das Erbe. Wenn dieser nun das Erbe antreten will, muß er sein Leben der ältesten Frau des Verstorbenen anvertrauen, ihr ein großes Messer in die Hand geben, vor ihr niederknien und den bloßen Hals darbieten. Begehrt das Weib, selbst die Güter zu erben, so hat sie die Macht, dem Freunde den Kopf mit drei Streichen abzuschlagen, aber sie wird vom Dorfe darauf mit aller Verachtung gestraft. Zieht sie jedoch die Ehre vor, so schlägt sie den Freund mit der flachen Seite des Messers auf den Nacken und läßt ihn leben. Alsdann gibt ihr der Freund von dem Nachlasse einen kleinen Teil, und das Weib bleibt ehrlich. Wenn der Mann gestorben und mit großem Geschrei bestattet ist, beweinen ihn die Frauen fünf bis sechs Tage lang. Während dieser Trauerzeit werden sie von den Verwandten besucht; oft kommen an die hundert Frauen zusammen und vollführen ein seltsames Klagegeheul. Nach den Trauertagen kommen die Freunde und beschenken die Leidtragenden mit goldenen Ringen und bunten Tüchern. Der Freund, dem, wie geschildert, das Leben geschenkt wurde, besucht gleichfalls seine Wohltäterin, verehrt ihr einige Ringe, Kleider und wohl gar einen Elefantenschwanz. Dieser Schwanz ist oben mit rotem oder gelbem Zeug benäht, im übrigen Teil mit Öl bestrichen und so schwarz poliert, daß er wie ein Spiegel glänzt. Solchen Schwanz hängt man sich zum Schmuck an den Hals und wehrt damit die Fliegen ab. Diese Schwänze kommen von der Zahnküste, und es gilt hier einer an die zehn Dukaten. Manche tragen sie auch an ihrem Gewehr; denn sie sind sehr selten an der Goldküste. Während wir vor Abeni drei Tage vor Anker lagen, kamen täglich einige Schwarze mit Gold an Bord. Den ersten Tag hatten wir ein grausames Gewitter mit Blitz, Donner und Regen, dem keines in Europa zu vergleichen war. Denn einmal regnete es so stark, als ob man mit Eimern Wasser gösse. Zudem schlug der Blitz so erschrecklich an die 18 Schläge rund um unsern »Kurprinzen«, daß uns allen die Haare zu Berge standen, und jeder Schlag das Schiff zu zerschmettern drohte. Das Wetterleuchten war so hell, daß man die Bäume am Lande auf eine halbe Meile weit vom Schiffe aus sehen konnte. Folgenden Tages liefen die Schwarzen am Strande in hellen Haufen umher und schossen unaufhörlich mit ihren Musketen. Darauf kamen drei Kanus mit Jauchzen und Schreien an Bord. Sie hatten ihren Häuptling bei sich, der sein Heer zusammengezogen hatte, um wider die Bewohner von Isseni in den Krieg zu ziehen. Er kaufte von uns einige Fäßchen Branntwein und an 800 Pfund Pulver, hielt sich aber nicht lange auf, sondern sprach: »Wenn ich glücklich aus der Schlacht komme, will ich morgen wieder bei euch sein.« Darauf verfügte er sich wieder zu seinem Heer, das ihn mit vielen Musketenschüssen bewillkommnete. Die Neger ziehen mit großen Streitkräften in den Krieg. Einige gebrauchen Musketen, andere Speere und große Schlachtmesser; sie fechten so rachgierig, daß sie in offener Schlacht niemals Pardon geben, sondern wie blind ins Getümmel sich stürzen und, wenn sie keine Rache üben können, sich selbst mit eigenen Händen ums Leben bringen. Am Tage darauf langten wir am Kap St Apollonia an. Wieder kamen die Schwarzen mit vielem Gold an Bord. Wohl zwanzig Neger blieben über Nacht bei uns im Schiff und brachten diese mit solchem Gerase zu, daß es unmöglich war, ein Auge zu schließen. Des Morgens kauften sie an 500 Musketen und 400 Pfund Pulver, ihren Krieg fortzusetzen. Abends stieß unsre Fregatte »Morian« wieder zu uns. Unsre weitere Fahrt brachte uns, vorüber an einigen holländischen Forts und Faktoreien, nach Commende, wo wir wieder Anker warfen. Als wir hier einen Tag lagen, auch bereits eine ziemliche Menge Gold empfangen hatten, schickte der holländische Generaldirektor der Guineischen Küste seinen Oberkaufmann mit zwei Assistenten an unser Schiff, um zu protestieren: wir täten ihrem Handel großen Abbruch und hätten doch gar kein Recht, hier Handel zu treiben. Sie ersuchten uns deshalb, uns mit unsern Schiffen zu packen; andernfalls würden sie sich der natürlichen Rechte bedienen und uns mit Gewalt von dannen treiben. Wir hielten hierauf Kriegsrat und gaben den Deputierten zur Antwort, daß wir verpflichtet seien, dem Befehl Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht von Brandenburg nachzukommen, und weil sie sich Herren der ganzen Goldküste nannten, wären wir damit einverstanden, daß sie ihren Untertanen den Handel mit unsern Schiffen verböten. Weil sie dies aber nicht tun könnten, wäre es klar, daß es sich um ein freies Gebiet hier handle, in dem jeder seinen Geschäften nachginge, den die Eingeborenen zuließen. Würde im übrigen der Generaldirektor sich seiner Machtmittel bedienen, so müßten wir den Ausgang eben abwarten und würden uns unsre Freiheit mit den Mitteln, die wir selbst besäßen, zu bewahren suchen. Wir behandelten die Deputierten sehr höflich und ließen bei ihrer Abfahrt unser ganzes Geschütz scharf Feuer geben, um ihnen zu zeigen, daß wir stündlich bereit wären, denjenigen, der uns hier vertreiben wollte, gebührend zu empfangen. Am anderen Tag sandten wir beschleunigten Befehl an den »Morian«, sich augenblicklich zu uns zu verfügen. Zugleich mit ihm kam ein Lordenträger (Kaperschiff) aus Seeland, »Grau-Gat« genannt, und legte sich nicht fern von uns. Wir nahmen uns vor, hier 6 Tage zu bleiben und zu warten, was die Holländer tun oder lassen würden, und machten uns zum Kampf bereit. Während wir dergestalt den Feind erwarteten, kamen am nächsten Tage die erwähnten drei Deputierten wieder und ersuchten uns namens ihres Generaldirektors und der ganzen Guineischen Kompagnie, ihnen behilflich zu sein, den seeländischen Lordenträger, der ungefähr auf Schußweite von uns vor Anker lag, zu nehmen und an das Fort zu bringen. Dagegen erboten sie sich, uns allen etwa daraus entstehenden Schaden zu ersetzen und die Beute zur Hälfte mit uns zu teilen. Wir hielten abermals Kriegsrat und beschlossen aus vielen Gründen, dem Ansuchen der Holländer zu willfahren, lehnten jedoch jeden Anteil an der Beute für uns ab. Damit machten wir uns zur Verfolgung des Kapers fertig. Der aber hatte unser Vorhaben bereits bemerkt und floh. Wir setzten ihm mit beiden Fregatten nach, hatten aber das Unglück, daß uns die große Marssegelrahe brach, was uns zwei Stunden in unsrer Fahrt aufhielt, so daß der Kaper entkam. Wir kehrten also um und ließen durch die Deputierten dem Generaldirektor melden, daß es nicht an unserm guten Willen gelegen hätte, sondern daß der Kaper uns im Segeln überlegen gewesen wäre. Am nächsten Tag sandte uns der Holländer durch einen Schwarzen ein Schreiben, darin er sich für unsere Mühe und Hilfe bedankte, zugleich uns aber auch Vollmacht erteilte, alle holländischen Kaper, wo wir sie antreffen würden, nach Belieben zu nehmen. Weil uns nun gewisse Geschäfte nach dem Kap Tres Puntas riefen, wandten wir unseren Kurs wieder zurück. Vor Bautry trafen wir ein Schiff der holländischen Handelskompagnie, das »Wappen von Sizilien«, an mit einer Admiralsflagge, weil es den neuen Generaldirektor hierhin überführt hatte. Sein Kommandant war der Kapitän de Voß, der Vater unsres Kapitäns. Ich setzte mich mit dem Bootsmann in die Schaluppe und fuhr an das Schiff, den Kapitän zu sprechen, traf ihn aber nicht an, da er im Fort bei dem Faktoreileiter zu Gast war. So ließ ich mich denn dahin rudern. Der Kaufmann und der Kapitän entsetzten sich sehr, daß wir Brandenburger uns trauten, an ihr Fort zu kommen. Als wir ihnen aber das Schreiben des Generaldirektors zeigten, das uns ermächtigte, an alle holländischen Schiffe zu fahren und ihre Bestallungen zu lesen, ob es nicht etwa Kaperschiffe wären, erstaunten sie noch mehr. Des Morgens früh gingen wir unter Segel und erreichten nach zwei Tagen das Dorf Attaba. Von hier aus zogen wir unser Schiff an einem Wurfanker an die zwei Meilen stromauf und kamen an ein kleines, im Bau befindliches Dorf, dessen Bewohner durch Krieg vertrieben worden waren. Die Neger brachten uns viele Ananasse und Palmwein zum Kauf. Wir bewirteten sie alle mit Branntwein und machten Männer wie Frauen damit trunken. Um sich dafür dankbar zu erweisen, ließ der Häuptling ein Huhn mit Malgette (Pfeffer) zurichten und lud uns zu Gaste. Wir wurden in ein kleines Lehmhäuschen geführt und setzten uns dort zu Tische. Ein jeder hatte ein paar schwarze Dianen zur Seite. Rundherum war die ganze Hütte von Mohren erfüllt, die übel »dufteten«. Der Häuptling steckte alle Finger in die Schüssel und kostete so die Suppe, zum Zeichen, daß wir keine Vergiftung zu befürchten hätten. Ich war zweifelhaft, ob ich meine Augen an den »anmutigen« Frauengestalten oder den Magen an dem »appetitlichen« Huhn sättigen sollte. Ich hätte fast vergessen, das Merkwürdigste bei diesem Gastmahle zu melden: der ganze Tischapparat nämlich bestand lediglich aus dem -- Erdboden. Nach der Mahlzeit ging es wieder an die frische Luft. Zufällig flog ein Raubvogel über uns hinweg. Ich ergriff meine Flinte und schoß ihn im Fluge. Da begannen die Schwarzen, zu schreien und mir Glück zu wünschen, und es hätte nur wenig bedurft, mich für einen Zauberer auszugeben. Mir lag aber an den Glückwünschen herzlich wenig, da sie mir im Hinzudringen beinahe die Kleider vom Leibe rissen. Wir gingen wieder an Bord und richteten unsern Kurs auf die erste Spitze des Kap Tres Puntas (Dreispitzenkap). Da liegt ein großes, langgestrecktes Dorf Accada, das wir noch am selben Abend besahen. Die Gegend und die ganze Lage gefiel uns so wohl, daß ich bei den Häuptlingen anfragen ließ, ob sie damit einverstanden wären, daß wir hier ein brandenburgisches Fort erbauten. Sie gaben freudig ihre Einwilligung. Ich ersuchte sie deshalb alle, am nächsten Tag auf den »Kurprinzen« zu kommen, und versprach, sie in unsern Booten abholen zu lassen. Am Nachmittage kamen auch acht Häuptlinge zu uns an Bord, mit denen ich zunächst mündlich einen Vertrag abschloß, den ich am nächsten Tag aufsetzen und von ihnen unterzeichnen lassen wollte. Wir bewirteten sie hernach auf Deck unter dem Sonnenzelt, und sie mußten schließlich wegen ihrer Trunkenheit an Seilen in die Fahrzeuge hinabgelassen werden. Sie wollten aber nicht eher vom Schiff, als bis ich sie sämtlich beschenkt hatte. [Illustration] Obschon wir sehr daran zweifelten, daß an der ganzen Küste von Guinea ein günstigerer Ort zur Erbauung eines Forts zu finden wäre, wollte ich dennoch nichts Schriftliches mit den Eingeborenen von Accada abmachen, bevor ich nicht die Häuptlinge von Tres Puntas, an die ich abgeschickt und mit denen ein Jahr vorher schon Kapitän Blonck einen Vertrag geschlossen hatte, gesprochen und ihr Gebiet gesehen hätte. Ich fuhr deshalb mit den beiden Kapitänen und Ingenieuren an Land, die Nacht dort zu verbringen und bei Tagesanbruch nach Tres Puntas zu fahren. Die Eingeborenen waren sehr höflich und brachten uns nach Möglichkeit unter. Als wir des Morgens uns erhoben hatten, versprachen sie uns, beim Bau des Forts jede Hilfe zu leisten, worauf wir ihnen einen silbernen Degen zum Pfande ließen, daß wir wiederkommen würden. Noch in der Ausfahrt trafen wir den Faktoreileiter von Bautry mit einem Boot und vielen kleinen Kanus. Als wir ihn nach dem »Wohin« fragten, gab er zur Antwort: »Ich bin vom Generaldirektor nach Accada gesandt, hier so lange zu wohnen, bis die Faktorei fertiggestellt ist. Der Häuptling von Accada hat mich dazu abgeholt.« Damit fuhr er an Land und ließ auf einem der Häuser die holländische Flagge hissen. Als wir uns so betrogen sahen, fuhren wir ihm nach und verwiesen den Schwarzen ihre Untreue, die uns herzlich gern behalten hätten und uns die Halbinsel zum Bau schenken wollten, wofern wir begehrten, uns neben den Holländern bei ihnen niederzulassen. Weil wir auf dieses Anerbieten nicht eingehen konnten, fuhren wir an unser Schiff. Bei Anbruch der Dunkelheit aber brachen wir wieder nach Tres Puntas auf. Uns war zwar die Gegend bekannt, in der jene drei Häuptlinge hausten, mit denen Kapitän Blonck seinen Vertrag geschlossen hatte, nicht aber ihre Dorfschaften. So ruderten wir denn beim Morgengrauen an Land, stiegen über hohe Berge, arbeiteten uns durch dichtes Buschwerk hindurch und gelangten endlich in eine weite Ebene, wo wir viele fruchtbare Bäume, jedoch nur eingefallene und verlassene Negerhütten fanden. Wir glaubten, unsere Schaluppe würde uns längs der Küste folgen, sie war aber am Landungsplatz liegengeblieben, weswegen wir vor Durst fast verschmachteten. Die Sonne brannte so heiß, daß wir es nicht eine Stunde mehr hätten aushalten können, wenn nicht Kapitän Blonck von ungefähr eine Quelle in den Felsen entdeckt hätte. Daran erlabten wir uns; trotz aller Bemühungen fanden wir im übrigen jedoch nichts als Verwüstungen. Endlich wurden wir eines hohen Berges gewahr, der eine halbe Meile von uns entfernt lag. Weil die andern uns vor Erschöpfung nicht folgen konnten, machte ich mich mit dem Kapitän allein weiter auf den Weg, in der Hoffnung, Schwarze anzutreffen, die uns Nachricht von den Häuptlingen geben könnten. Diese Hoffnung trog aber; wir fanden nichts als ein großes, zerstörtes Negerdorf, das uns wunderliche Gedanken machte. Während wir nun den Berg einer genauen Musterung unterzogen -- er schien uns zur Erbauung eines Forts sehr günstig --, kamen gegen zwanzig mit Musketen bewaffnete Neger den Berg hinauf, die uns berichteten, daß alle Bewohner dieser Gegend durch die Neger von Adom vertrieben und erschlagen worden wären, welches Schicksal gewiß auch unsere drei Häuptlinge betroffen hätte. Damit gingen sie ihren und wir unsern Weg. Als wir wieder zu den Unsrigen gelangt waren, berichteten wir ihnen von unsern Erkundungen und sandten einen Neger zu unsrer Schaluppe, mit dem Entschluß, kommenden Tages die Lage des Berges und die ganze Situation noch genauer zu erforschen. Unterdessen stiegen wir alle, um einigermaßen Kühlung zu haben und uns vor der Grausamkeit der unerträglichen Hitze zu bergen, bis an den Hals ins Wasser und fingen mit bloßen Händen viele Fische, die uns, kaum daß wir sie ans Land trugen, von den Raubvögeln gleichsam unter den Händen weggenommen wurden. Deswegen mußte einer nach dem andern bei den Fischen mit bloßem Degen Schildwache halten. Endlich kam unser Fahrzeug, konnte aber wegen der großen Sturzseen nicht landen, sondern wir mußten ihm bis an die Klippen entgegengehen. Am nächsten Tag fuhr ich mit meinen beiden Ingenieuren und Kapitän de Voß an Land, die Situation des Berges genau zu erkunden und ihn zu vermessen. Als das geschehen, sahen wir 1000 Schritt vom Berge einen kleinen Fluß, zu dem wir gingen und in dem wir beim Loten herrliche Austern in großer Menge fanden. Unterdessen sahen wir neun bewaffnete Neger auf uns zukommen, die uns ausführlich berichteten, wie die drei Häuptlinge ums Leben gekommen und die Einwohner vertrieben worden waren. Weil wir nun den Berg zur Erbauung einer Festung für sehr günstig gelegen erkannt hatten, beriet ich mich mit den beiden Kapitänen und Ingenieuren darüber, und wir beschlossen, ohne fernere Weitläufigkeiten hier Fuß zu fassen. Ich ließ daher die Soldaten zusammentreten, stellte ihnen vor, daß wir willens wären, hier ein Fort zu errichten, und fragte sie, wer von ihnen Lust hätte, hier eine Zeitlang in Garnison zu bleiben. Darauf meldeten sich unter gewissen Bedingungen sämtliche. Also zogen wir nach einem Salut von fünf Schüssen unter Trommeln und Pfeifen an Land und erfuhren hier, daß zwei Häuptlinge uns auf dem Berge erwarteten. Mit fliegender Fahne marschierten wir bergan, die Häuptlinge kamen uns entgegen, nötigten uns in eine Hütte, hier gab ich ihnen mein Vornehmen kund, und nach wenigen Worten erklärten sie ihr Einverständnis. Noch am selben Tage ließ ich sechs Feldkanonen auf die Spitze des Berges schleppen, was ohne Hilfe der Eingeborenen unmöglich gewesen wäre; denn der Berg war hoch und der Weg schwierig. Ich ließ mir selber ein Zelt aufschlagen und blieb über Nacht am Lande. Am folgenden Tage, dem 1. Januar 1683, brachte Kapitän de Voß die große Kurfürstlich Brandenburgische Flagge vom Schiff, die ich alsbald unter Trommeln und Pfeifen aufholen, mit allen unter Gewehr stehenden Soldaten begrüßen und an einem hohen Flaggenstock aufziehen ließ, während ich zugleich mit fünf scharf geladenen Feldstücken das Neue Jahr salutierte; jedes der Schiffe antwortete ebenso, und ich dankte wiederum mit drei Schüssen. Und weil Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht Name in aller Welt groß ist, nannte ich den Berg den »Großen Friedrichs-Berg«. Diesen Tag bauten sich unsere Soldaten ihre Baracken, und ich ließ durch die Neger für mich und meine Offiziere auch eine lange Baracke errichten. Inzwischen berief ich die beiden Häuptlinge zu mir ins Zelt, gab ihnen mein Vorhaben nochmals zu verstehen und begehrte, mich ihrer Treue durch einen Eid zu versichern. Sie antworteten, ich brauchte daran nicht zu zweifeln, sofern ich mit ihnen »Fetisch« trinken würde, daß auch wir es treu mit ihnen meinten, sie nie verlassen und sie gegen ihre Feinde verteidigen wollten. Als ich einwilligte, wurde eine Schale Branntwein gebracht und Schießpulver hineingerührt. Daraus mußte ich die »angenehme« Gesundheit zu trinken anfangen, die beiden Häuptlinge folgten und beschmierten mit dem Reste den umstehenden Schwarzen die Zunge, damit auch sie treu bleiben möchten. Nach Verrichtung dieser herrlichen Zeremonie beschenkte ich die Häuptlinge und ihre Untergebenen reichlich, in der Meinung, ich würde nicht mehr nötig haben, noch weitere Präsente auszuteilen. Allein, die Zeit hat mich nachmals eines andern belehrt. Am selben Tage brachten wir noch zwei Sechspfünder auf den Berg. Den nächsten Tag ward von den Ingenieuren das Fort abgesteckt. Die Neger schafften Palisaden heran, und meine Soldaten stellten sie auf. Während wir noch an unsrer Arbeit waren, meldete sich bei uns ein Häuptling aus Axim, der eine holländische Flagge bei sich hatte, mit dem Auftrage von dem dortigen Faktoreileiter, diese Flagge auf dem Berge wehen zu lassen, wofern wir noch nicht dort Fuß gefaßt. Er mußte aber, wie er gekommen, wieder abziehen. Täglich passierten viele Häuptlinge mit ihren Leuten den Berg, weil eine Straße über ihn führte; sie machten fast alle bei uns ihren Besuch und beschenkten uns mit einer Schüssel Reis oder ein paar Hühnern, wofür ich meinerseits Gegengeschenke und vor allem ihnen Branntwein zu trinken geben mußte. Einige zogen weiter, andere blieben bei uns und bauten sich Hütten am Berge zwischen unseren. Zum Kommandanten des Forts ernannte ich Kapitän Blonck, der darauf den »Morian« unter das Kommando von Kapitän de Voß stellte und auf dem Berge bei uns Quartier bezog. Kurz darauf kam ein englisches Schiff; es war das erste, das unsere Flagge mit Kanonenschüssen begrüßte und bei uns ankerte. Kapitän de Voß ging dann mit dem »Morian« nach Kap St. Apollonia, um dort Handel zu treiben. Ich kann nicht unterlassen, hier der Freigebigkeit der Schwarzen zu gedenken, wenn ich sie beschenkt oder ihnen etwas versprochen hatte. Sie fuhren alsdann behend zur Erde, ergriffen ein Stückchen Holz, oder was sie sonst erwischen konnten, und steckten es mir zum Zeichen der Dankbarkeit in die Hand. Wenn sie mir nun ein Huhn oder eine Schüssel Reis brachten, wollte ich mich auch ihrer Mode bedienen. Aber das wollten sie nicht gelten lassen: sie waren vielmehr der Ansicht, solcher Brauch sei nur bei den Schwarzen, nicht aber auch bei den Weißen Mode! Des andern Tages warf ein dänisches Kaperschiff bei unserer Festung Anker und begrüßte sie mit fünf Schüssen. Ich fuhr zu ihm, erquickte meinen Geist mit gutem Zerbster Bier und übernachtete hernach im »Kurprinzen«. Als ich im besten Schlafe lag, berichteten mir meine Leute die Ankunft einer heimlichen Gesandtschaft, die mich sprechen wollte. Weil aber den Schwarzen nicht allzeit zu trauen ist, zumal des Nachts nicht, ich auch den Grund dieses nächtlichen Besuches nicht erraten konnte, gab ich ihnen zunächst keine Audienz. Als sie mir aber keine Ruhe ließen, nahm ich ein paar Pistolen unter den Rock und ließ sie vor. Ich erkannte in ihnen Eingeborene aus Accada, die mich überreden wollten, unsern Berg zu verlassen und bei ihnen ein Fort zu erbauen. Als ich sie wegen ihrer Untreue tadelte, sprach der Gesandte: »Herr, sieh, hier bin ich ein Häuptling, dieser ist mein Bruder, da ist seine Frau und sein Kind; die lasse ich dir als Geiseln. Begehen wir eine Untreue an dir, so tue ihnen, was dir gefällt.« Ich beschied sie auf den andern Tag wieder, da ich erst über ihr Angebot Rat halten mußte. Wir teilten ihnen dann mit, sie müßten sich gedulden, bis wir übers Jahr mit unseren Schiffen wiederkämen; dann ließe sich darüber reden, was in dieser Sache zu tun wäre. Folgenden Tags brachte ich den Vertrag zu Papier, den ich mit den Häuptlingen geschlossen; es wohnten nunmehr deren vierzehn auf dem Berge, und sie hatten mehrmals darauf gedrungen. Als ich ihnen von der Gesandtschaft aus Accada Mitteilung machte, waren sie noch mißtrauischer und hatten Furcht, wir könnten sie im Stich lassen. Deshalb berief ich sie in mein Zelt, begab mich mit dem Kommandanten Blonck und ihnen zu Tisch, setzte ihnen noch einmal die einzelnen Punkte des Vertrags auf portugiesisch auseinander und verlangte, sie sollten diese Punkte beschwören. Sie forderten zunächst bestimmte Waren, wofür sie uns den Berg und die Umgegend zu Eigentum verkaufen wollten. Dann ließ ich eine Schale mit Branntwein, Wermutextrakt und Violensaft zubereiten, nahm einen Löffel zur Hand und fragte den Ältesten, ob er gewillt sei, Fetisch zu trinken. »Ja, ich trinke,« sagte er, »die Punkte, die man mir vorgelesen hat, zu halten, unter dieser über uns wehenden Flagge zu leben und zu sterben. Breche ich meinen Eid, so lasse mich der große König im Himmel augenblicklich sterben.« Einige der Häuptlinge wollten zwar Fetisch trinken, könnten aber, sagten sie, mit den Ihrigen nicht vor Verlauf von 3, 4-6 Monaten den Berg beziehen, was die andern nicht zugeben wollten. Nachdem sie nun alle den Eid geleistet, nahm der älteste Häuptling die Schale in die Hand und begehrte: Ich sollte nebst dem Kommandanten ihnen allen schwören, sie wider ihre Feinde zu beschirmen und in keiner Not zu verlassen, ihnen Weib und Kind nicht fortzunehmen oder zu verkaufen und sie namentlich gegen die Holländische Kompagnie zu verteidigen. Wir versprachen ihnen, das alles zu halten, ausgenommen, wenn sie den Holländern Anlaß zu einem Eingriff gäben oder etwas entwendeten. Damit steckte mir der Häuptling einen Löffel voll des Tranks in den Hals, daß ich sechs Wochen davon genug hatte. Dann kam der Kommandant an die Reihe, der scherzweise äußerte, wenn er nicht die Frauen und Kinder nehmen solle, so müßten sie ihm ein Weib geben. Sogleich fiel ihm einer der Häuptlinge in die Rede: Wenn wir nach Landesbrauch uns verheiraten wollten, so würden sie uns ihre Töchter geben. Wir nahmen das Anerbieten im Scherz an, beschenkten die Häuptlinge und ließen sie ziehen. Andern Tags ließ sich der Faktoreileiter von Axim bei mir melden, er habe einen Auftrag auszurichten. Als ich ihn zu mir entbieten ließ, kam er feierlichst mit zwei Fähnlein angezogen. Ich sandte ihm einen der Ingenieure entgegen mit der Bitte, er möchte doch seine Begleitung und die Fahnen unten am Berge lassen; denn der Berg vertrüge nicht mehr als eine Fahne. Er gab dem Ansuchen auch statt. Als meine Soldaten in Reih' und Glied standen und die Trommeln und Pfeifen ertönten, stieg der Herr Gesandte den Berg herauf. Er trug einen scharlachenen Rock mit durchbrochenen, silbernen Knöpfen; auf der Schulter, am Hut und Degen hatte er einen großen Busch von Bändern, wie ihn die alten Klopffechter zu tragen pflegten. Unter dem Rocke zeigte sich ein leberbraunes Kamisol, blautaftene Hosen und an einem fleischfarbenen Gürtel ein langes, grünes Degengehenk. Die Schuhe waren gestickt und die Strümpfe von weißer Seide. Wären noch mehr Farben bei den Pariser Krämern zu finden gewesen -- ich wette, er hätte sie sich auch auf den Leib gehängt. Hinter ihm schritten seine zwei Assistenten fast in gleicher Livree. Darauf folgten acht Schwarze, die auf ausgehöhlten kleinen Elefantenzähnen eine seltsame Musik vollführten, zu der ein Kerl auf einer kleinen Trommel mit einem krummen Haken den Takt schlug. [Illustration: Der Herr Gesandte stieg den Berg hinauf.] Das klang so, als wenn bei uns auf den Dörfern die Hirten zur Christmesse blasen. Nachdem ich den vornehmen Herrn ins Fort genötigt hatte, ließ er sich durch einen Schwarzen entkleiden, damit wir auch die goldenen Knöpfe, die er an Hemd und Hosen trug, zu sehen bekämen. Er erlabte sich dann an einem Trunk Weins und brachte schließlich einen Protest zum Vorschein. Ich fertigte ihn aber kurz ab, indem ich erklärte: »Wir haben dieses Gebiet von den Schwarzen gekauft«; wollten sie dagegen protestieren, so möchten sie das in Berlin tun. Würde er aber mit seiner Kompagnie unser Freund bleiben, so wollten wir ihm von unserer Seite alle Gegenfreundschaft erzeigen. Andernfalls stände ihnen frei, zu tun, was sie nicht lassen könnten. Hierauf ward noch etlichemal getrunken, und dann verabschiedete er sich. Allmählich begannen meine Leute, einer nach dem andern, krank zu werden. Ich arbeitete so lange mit den Schwarzen, bis auch mich die schwere Landseuche (Malaria) durch ein grausames Fieber niederwarf. Als das Fieber auf einen Tag etwas nachgelassen, kamen unsere Häuptlinge mit ihren Frauen und brachten mir und dem Kommandanten unsere Bräute. Es waren Kinder von 9 Jahren, und sie waren mit allerlei Farben bemalt. Ich mußte mich in meinem Schlafpelze mit dem Kommandanten zu Tische setzen, und unsere Zukünftigen nahmen neben uns Platz. Ein rechtes Hochzeitsmahl wurde zugerichtet, und daß der Wein nicht fehlen durfte, kann man sich wohl denken. Die Männer saßen dabei nach Landesbrauch abseits und tranken treulich auf den Branntwein los. Hernach wurden uns unsere Bräute von den Eltern übergeben und empfohlen. Unterdessen begannen die Frauen mit solchem Geschrei zu tanzen, daß ich gezwungen ward, die angenehme Gesellschaft zu verabschieden und mich wieder zu Bett zu begeben. Weil unsere Bräute kein Portugiesisch verstanden, ließen wir ihnen durch meinen Jungen sagen, sie sollten jetzt nur wieder nach Hause gehen; wenn wir sie nötig hätten, würden wir sie schon holen lassen. Meine Krankheit machte mir viel zu schaffen; mein schwarzer Engel besuchte mich täglich, was freilich meistenteils deswegen geschah, den hungrigen Magen zu füllen und etwas geschenkt zu bekommen. Diese grimmige Landseuche nahm so überhand, daß von 40 Mann nicht mehr als ihrer 5 Wacht tun konnten. Wir andern lagen alle zu Bette. Ich war oft besinnungslos und raste, der Kommandant, die Ingenieure, der Feldscher und alle Soldaten konnten sich nicht rühren. Täglich starb einer und so schleunig, daß man tagsüber nichts zu tun hatte als Gräber zu machen. Mich selbst hatte man schon zweimal für tot gehalten. Ich war in so elendem Zustande, daß die Häuptlinge alle ihre Mittel versuchten, mir zu helfen. Als ich einmal in tiefer Ohnmacht lag, kam einer mit einem Haufen Riemen, an denen eiserne Nägel hingen; die zählte er über meinem Kopfe hin und her und sprach dazu bestimmte Worte, die meine Leute nicht verstehen konnten. Ein anderer segnete mich mit einem Ei. Ein dritter brachte einen jungen Hund, in den er all meine Krankheit bannte; hinterher ertränkte er das Tier. Unterdessen fraß der Tod die beiden Ingenieure, den Sekretär, einen Sergeanten, zwei Matrosen und vier Soldaten. Die angefangene Arbeit blieb liegen, weil auch unsere zwei Zimmerleute krank waren. Endlich kam der »Morian« zurück. Von dem nahmen wir 15 Matrosen an Land, die nebst einigen noch gesunden Soldaten das Wohnhaus und die Baracken fertigstellten und die Palisadenumzäunung mit Erde ausfüllten. Kaum war unser Werk getan, da schickte der Häuptling von Axim seinen Sohn und ließ uns warnen, wir möchten gute Wache halten. Denn die Neger von Adom wollten uns binnen zwei Tagen mit drei- bis viertausend Mann überfallen. Mir war bei der Sache nicht wohl zumute. Waren wir doch nur ungefähr fünfzig Mann, die vom Schiffe mitgerechnet, und zweihundert wohlbewaffnete Schwarze. Am nächsten Tage kamen in aller Frühe unsere Häuptlinge mit der Bitte, wir möchten doch ihr Weib und Kind, Hab und Gut ins Fort nehmen; denn der Feind wäre schon da. Zugleich hörten wir auch etliche tausend Mann unweit im Gebüsch mit ihren Musketen knallen. Wir hatten uns auch fertiggemacht und unsere Kanonen mit Kartätschen geladen. Da nun der Feind, der vielleicht meinte, wir sollten vor Schreck davonlaufen, unter stetem Schießen näher rückte, befahl ich, mit einem Sechspfünder unter sie zu schießen. Die Kugel schlug recht in den größten Haufen ein. Damit hatte der Krieg ein Ende; denn die Mohren können nichts weniger als das grobe Geschütz vertragen. Sie hörten auf zu schießen und flohen in aller Eile. Unsere Schwarzen setzten ihnen noch ein gut Stück Weges nach. [Illustration: Die Kugel schlug recht in den größten Haufen ein.] Als nun der »Krieg« beendet und unsre Festung in Verteidigungszustand versetzt war, stellte ich den Kommandanten als solchen den Soldaten vor, nahm Abschied von meiner Truppe und den Häuptlingen und begab mich, noch schwer krank, auf den »Morian«. Alle Leute zweifelten an meinem Wiederaufkommen, da ich einem Toten ähnlicher sah als einem Lebendigen. Und was das ärgste war: ich kam in ein Schiff, das nichts anderes hatte als verschimmelte Zwiebäcke, dreißig Pfund verdorbenen Stockfischs, verdorbenes Fleisch und faule Erbsen. Davon konnte ein Kranker nicht genesen. Dieser Proviant benahm mir selbst und allen meinen kranken Leuten die Hoffnung. Aber Gott verläßt die Seinen nicht. Nachdem wir voneinander Abschied genommen, beabsichtigten wir, über den Äquator zu schiffen. Zu der Kranken Glück trieb aber ein ungünstiger Wind uns längs der Küste nach der Insel St. Thomas, wo wir uns mit Schweinen, Hühnern, Zuckerrohr, Kokosnüssen und andern Erfrischungen reichlich versehen konnten, die uns auch unsre Gesundheit wiederherstellten. [Illustration] Geschichtliches und Geographisches zu den Berichten der Entdecker Bald nach Antritt seiner Regierung faßte Georg III. von England den Entschluß, Schiffe auf Entdeckung unbekannter Länder auszusenden, um dadurch die Ausbreitung des englischen Handels zu befördern. Wir, die wir im Zeitalter des Dampfes und der Elektrizität leben, können uns kaum vorstellen, welche Schwierigkeiten sich der Ausführung solches Planes damals entgegenstellten. Ein Segelschiff ist einzig und allein auf den Wind als die Quelle eigener Fortbewegung angewiesen. Widrige Winde werfen es aus seinem Kurs, halten es im Hafen fest oder fern von ihm, lassen es zum Spielball gefährlicher Strömungen und der Brandung werden. Monate-, ja, jahrelang war der Seefahrer oft von aller Kultur wie abgeschnitten: die unsichern politischen Verhältnisse und Völkerrechtsanschauungen mußten ihn so in jedem Schiff anderer Nationen einen zu fürchtenden Feind sehen lassen; Kaperschiffen aller seefahrenden Völker waren die Meere erwünschte Jagdgebiete. Zur Unkenntnis der Erdkunde, die sie ja durch ihre Fahrten erst erhellen sollten, gesellten sich für die kühnen Seefahrer die Schwierigkeiten der Verpflegung: der Skorbut, jene bei ausschließlichem Genuß von gepökeltem Fleisch und Konserven und dem Mangel frischer Pflanzennahrung auftretende Blutkrankheit, raffte sie zu Hunderten dahin. Auf Cooks (spr. kuhks) zweiter Reise um die Welt (1772), auf der die beiden berühmten deutschen Naturforscher und Philosophen Johann Reinhold und Georg Forster (Vater und Sohn) seine Begleiter waren, nahm man deshalb -- das mag hier der Kuriosität halber erwähnt sein -- sechzig große Faß Sauerkraut und die kurz vorher in England erfundenen, aus frischem Rindfleisch, Knochen und Abfall verfertigten »Bouillonkuchen«, wir würden heut sagen: Bouillonwürfel, mit gutem Erfolge mit. Der erste der Entdecker, deren Berichte hier nach dem Werke von John Hawkesworth (spr. hohksuöß) mitgeteilt sind, Kapitän Samuel Wallis (spr. uohls), trat seine Weltumseglung am 22. Juli 1766 von Plymouth (spr. plimmes) aus auf dem »Dolphin« (d. h. »Delphin«) an, einem »Kriegsschiff sechsten Ranges«, das 24 Kanonen führte, und dessen Bemannung aus 3 Offizieren, 37 Unteroffizieren und 150 Mann bestand. Ihn begleitete anfänglich Kapitän Philipp Carteret (spr. kahtert) auf der Schaluppe »Swallow« (spr. suollo, d. h. »Schwalbe«), der aber von der Magalhaensstraße (spr. machaljahngs) an ein besonderes Ziel verfolgte. Nachdem Wallis zunächst Patagonien einen Besuch abgestattet hatte, wandte er sich mit nordwestlichem Kurs der Südsee zu und entdeckte neben einigen kleineren Inseln der Paumótugruppe am 18. Juni 1767 Tahiti oder Otaheite, das er »Königs Georg III.-Insel« nannte. Die Entdeckung schildert unser Bericht, dem wir nur noch hinzufügen wollen, daß die Insel bereits im Jahre 1605 von dem spanischen Seefahrer Pedro Fernandez de Quiros gesehen worden war. Auf seiner weiteren Fahrt fand Wallis noch einige kleine Inseln südlich der Samóa- und in der Gilbert- und Marshall-(spr. mahschell-)Gruppe auf. Seine Reise endete auf den Marianeninseln, von wo aus er über Batavia und das Kap der Guten Hoffnung am 13. August 1768 England wieder wohlbehalten erreichte. Unser zweiter Bericht erzählt von einem Besuche des Kapitäns Cook auf Tahiti. Der Anstoß zu dieser Reise ging von der »Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften« zu London aus, die im Februar 1768 dem Könige den Wunsch aussprechen ließ, zur Beobachtung des für das Jahr 1769 zu erwartenden »Venusdurchgangs«, d. h. des Vorüberziehens des kleinen Planeten Venus vor der Sonnenscheibe, eine Expedition in die Südsee zu entsenden, um auf einer günstig gelegenen Insel dort das wichtige astronomische Ereignis beobachten zu können. Der König willfahrte dem Wunsche der gelehrten Gesellschaft, und die Admiralität stellte die Bark »Endeavour« (spr. endiwe, d. h. »Streben«) zur Verfügung, ein Schiff von dreihundertundsiebzig Tonnen, das ursprünglich für den Kohlenhandel bestimmt und ein ausgezeichneter Segler war. Das Kommando darüber wurde dem damaligen Leutnant in der Königlichen Marine James (spr. djehms) Cook übertragen. Dieser nachmals berühmteste aller englischen Entdecker war damals schon vierzig Jahre alt. Als Sohn eines Landarbeiters am 27. Oktober 1728 in dem Dörfchen Marton (Grafschaft York, Nordengland) geboren, hatte Cook nur den einfachsten Schulunterricht genossen und war dann mit 13 Jahren zu einem Hutmacher und Krämer in die Lehre gekommen. Dieser selbstgewählte Beruf gefiel ihm aber nicht: schon nach einem Jahre entlief er seinem Lehrherrn und wurde Schiffsjunge auf einem Kohlenschiffe. Als solcher machte er Reisen nach Petersburg und Norwegen mit und wußte sich dabei das Geld für den Unterricht in der höheren Nautik (Schiffahrtskunde) zu ersparen und zum Untersteuermann aufzurücken. Den im Jahre 1755 zwischen England und Frankreich ausbrechenden Krieg um die nordamerikanischen Kolonien machte er als Vollmatrose auf einem Kriegsschiffe mit und kehrte erst 1759 wieder nach England zurück. Durch Fürsprache seines bisherigen Kapitäns erhielt er nunmehr die Stellung eines »Master« (spr. mahste, d. h. Lotsen) auf der »Mercury« (spr. mökjuri, d. h. »Quecksilber«). Jetzt hatte er, zitiere ich Hennigs Darstellung, Gelegenheit, seine glänzenden Fähigkeiten, seine große Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit in der Aufnahme von Seekarten zu beweisen, die seine späteren Entdeckungen zugleich zu einem wertvollen Erwerb der geographischen Wissenschaften machen sollten. Die Zuverlässigkeit seiner Aufnahmen im St. Lawrence- (spr. lorenz-) Strom und -Golf, die den Flottenangriff auf die Stadt Quebec (spr. kwibek) vorbereiten halfen, ist um so bemerkenswerter, als die Arbeit angesichts des Feindes, teilweise bei Nacht, ausgeführt werden mußte, und rechtfertigte das Vertrauen, das sich in seiner Versetzung an Bord des Admiralschiffes aussprach. Hier trieb er -- im strengen Winter der nordamerikanischen Küste -- die für seinen Beruf so notwendigen mathematischen und astronomischen Studien. Nach der Eroberung von Neufundland (1762) kehrte er für ein paar Monate in die Heimat zurück und vermählte sich hier mit Elisabeth Battes, einer Kaufmannstochter. Er wurde bald wieder nach Neufundland zurückberufen, und im vierjährigen Vermessungsdienste hier erweiterte und festigte er seine nautischen und astronomischen Kenntnisse. Seine Arbeiten trugen ihm die Beförderung zum Leutnant und die Berufung zur Führung der wissenschaftlichen Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges ein. Auf der mit 10 Kanonen und 12 Drehbassen für die Fahrt ausgerüsteten »Endeavour« befanden sich außer der 84 Mann starken Besatzung der Astronom Green (spr. grihn), der gemeinsam mit Cook die Beobachtung machen sollte, der junge Gelehrte Josef Banks, ein wohlhabender Mann, der aus Liebe zu den Naturwissenschaften die gefahrvolle Reise mitmachte und als seinen Assistenten den schwedischen Botaniker Dr. Solander, einen Schüler Linnés, bei sich hatte. Diesen beiden Forschern verdankt, nebenbei bemerkt, die Naturwissenschaft die Kenntnis einer großen Anzahl von Pflanzen und Tieren, die auf den von Cook entdeckten Inseln gefunden wurden. Dem hier mitgeteilten Hawkesworthschen Berichte liegen so neben Cooks eigenen Aufzeichnungen auch die Tagebücher von Banks zugrunde. Am 26. August 1768 lichtete die »Endeavour« in Plymouth die Anker und steuerte über Madera und Rio de Janeiro (spr. riu de janehru) zunächst nach Feuerland, wo interessante Beobachtungen an den Eingeborenen, der Tier- und Pflanzenwelt gemacht wurden. Über Kap Horn ging es dann nach dem im Jahr zuvor entdeckten Tahiti, um hier den Venusdurchgang zu beobachten. Das Leben auf Tahiti schildert nach dem Bericht von Cook und Banks unser »Südsee-Idyll«; Cook hatte Befehl, nach Erledigung des astronomischen Auftrags weitere Entdeckungen in der Südsee anzustellen. So wandte er sich denn nach genauer Vermessung und Umschiffung Tahitis und Auffindung der übrigen Gesellschaftsinseln südwestlich, um das Südmeer nach dem schon im Altertum vermuteten großen »Südkontinent« abzusuchen. Am 13. August 1769 entdeckte er eine der Inseln der Tubuai-Gruppe und richtete seinen Kurs dann auf Neuseeland. Durch Umsegeln, wobei er im Januar 1770 die nach ihm benannte Cookstraße entdeckte, stellte er fest, daß Neuseeland aus zwei Inseln besteht. Er richtete hierauf seinen Kurs westlich nach der Ostküste Australiens und landete am 28. April in der von ihm nach den zahlreichen hier gefundenen Gewächsen benannten »Botany-Bai« (spr. boteni, d. h. Botanik). Der Küste entlang nach Norden ziehend, am großen Barrierriff beinahe scheiternd, fand er am 21. August die Torresstraße wieder auf, jene Durchfahrt zwischen Australien und Neuguinea, die von dem kühnen Steuermann des schon erwähnten Spaniers de Quiros, Luis Vaez de Torres, im Jahre 1605 den Namen empfangen hatte, der wissenschaftlichen Welt und den Seefahrern des 18. Jahrhunderts aber nicht mehr bekannt war. Von Neuguinea aus segelte die »Endeavour« nach Batavia und über das Kap der Guten Hoffnung nach England zurück, wo er am 12. Juli 1771 vor Dover Anker warf. »Unser Tauwerk und die Segel«, schrieb Cook schon Mitte Juni in sein Tagebuch, »waren jetzt so schlecht, daß täglich das eine oder das andere in Stücke ging.« Die außerordentlichen Erfolge Kapitän Cooks brachten es mit sich, daß er bald von neuem mit einer Weltumseglung beauftragt wurde. Die Aufgabe, die man ihm nunmehr stellte, galt der Erforschung des sagenhaften, sich angeblich bis zum 30. Grad südlicher Breite erstreckenden »Südkontinents«. Trotzdem Cook auf der ersten Reise, bis zum 40. Grad südlicher Breite vorstoßend, nirgends ein Festland gefunden hatte, glaubte man in den Kreisen der Geographen doch nach wie vor (s. a. u.), es müsse wie im Norden der Erdhalbkugel auch in ihrem Süden ein großes Festland vorhanden sein -- »zur Erhaltung des notwendigen Gleichgewichts,« wie Georg Forster in seiner Würdigung der Verdienste Cooks launig spottet, »um, ich weiß nicht welch ein Überschlagen unsres Planeten zu verhüten«. Cooks Instruktion lautet demnach, die Sommermonate der südlichen Halbkugel (d. h. also unsre Wintermonate) zu Entdeckungen in der Richtung auf den Südpol anzuwenden, die stürmischen, trüben Wintermonate aber zu genauerer Erforschung der kürzlich entdeckten Südseegebiete zu benutzen. Fände er keinen Südkontinent, so sollte er, so nahe dem Südpol als nur möglich, ostwärts fahren, bis er die Erdkugel umsegelt hätte. Wieder wählte Cook wie bei seiner ersten Reise aus Gründen der Zweckmäßigkeit gut segelnde und geringen Tiefgang habende, dabei verhältnismäßig sehr geräumige Kohlenschiffe für die Fahrt. Das größere, 462 Tonnen haltende und mit 16 Kanonen bestückte Schiff, die »Resolution« (spr. resolljuhschn, d. h. »Entschluß«) führte er selber. Er hatte 112 Mann Besatzung, und an Bord befanden sich die schon erwähnten beiden deutschen Naturforscher Reinhold und Georg Forster, der Astronom Wales (spr. uéhls) und der Landschaftsmaler Hodges (spr. hodjs). Am Kap der Guten Hoffnung kam noch der schwedische Naturforscher Andreas Sparrmann dazu. Das kleinere Begleitschiff, die »Adventure« (spr. edwentsche, d. h. »Abenteuer«), stand unter dem Befehl des Kapitäns Fourneaux (spr. furnoh). Am 13. Juli 1772 verließen die beiden Schiffe Plymouth und segelten über das Kap der Guten Hoffnung hinaus in die südlichen Polargegenden. Hier trennte ein Sturm die Schiffe, die sich der Verabredung gemäß erst in Neuseeland wieder vereinigten. Die folgenden Südsommer immer wieder mit neuen Vorstößen ins Südliche Eismeer zubringend, entdeckte Cook nach der Rückkehr in die Südsee am 23. September 1773 die Cook- oder Hervey-Inseln (spr. hérweh); am 1. Oktober fand er die von dem Holländer Abel Tasman 1643 entdeckten Tonga-Inseln, am 11. März 1774 die Osterinsel und am 8. April die Marquesasgruppe (spr. markesas) wieder auf. Im Juli und August des Jahres stieß er auf die von de Quiros und kurz vorher von dem Franzosen Bougainville (spr. bugängwil) schon gesehenen Neuen Hebriden, und am 4. September entdeckte er Neukaledonien. Die Rückkehr führte über Feuerland und das Kap der Guten Hoffnung, und am 30. Juli 1775 ließ die »Resolution« auf der Reede von Spithead (spr. spítthed) die Anker fallen. Die »Adventure«, die die Verbindung mit dem Hauptschiff bei der zweiten Ankunft auf Neuseeland endgültig verloren hatte, war schon ein Jahr früher heimgekehrt. Das Ergebnis dieser zweiten Reise, die zugleich die erste Weltumseglung von Westen nach Osten darstellt, hat Cook beim Verlassen des Polargebiets in seinem Tagebuch folgendermaßen zusammengefaßt: »Ich habe jetzt die Umseglung des Südlichen Meeres in hoher Breite ausgeführt (er war bis über den 70. Breitengrad hinausgedrungen) und es _so_ durchquert, daß keinerlei Raum mehr für das Vorhandensein eines Festlands bleibt -- abgesehen von der Nähe des Pols außerhalb des Schiffahrtsbereiches. Indem ich das Tropenmeer (Südsee) zweimal besuchte, habe ich nicht nur die Lage einiger früherer Entdeckungen festgelegt, sondern auch manche neue gemacht und, wie ich glaube, in diesem Gebiet wenig mehr zu tun übriggelassen. So schmeichle ich mir denn, daß der Zweck der Reise in jeder Hinsicht vollständig erfüllt, die Südhalbkugel genügend erforscht und der Suche nach einem südlichen Kontinent, der so lange die Aufmerksamkeit der Seemächte auf sich gezogen und eine Lieblingstheorie der Geographen aller Zeiten gebildet hat, endgültig ein Ziel gesetzt ist«[1]. Diese zweite Entdeckungsfahrt gab Cooks Namen europäische Berühmtheit. Der König ernannte ihn zum Postkapitän und verlieh ihm dazu eine mit einem Ehrensolde verbundene Stelle. Die Königliche Gesellschaft der Wissenschaften wählte ihn zu ihrem Mitgliede und schmückte ihn mit der goldenen Medaille. Aber mehr als alles andere zeigen uns den Weltruhm Cooks zwei Schriftstücke, die freilich erst nach seinem unerwarteten und damals auch in Europa noch unbekannten Tode veröffentlicht wurden. Zwischen England, Amerika und Frankreich war 1775 der Krieg um die Unabhängigkeit der ehemals englischen Kolonien Nordamerikas entbrannt: am 4. Juli 1776 hatten die dreizehn vereinigten Staaten unter Leitung Washingtons (spr. uoschingtn) und Franklins (spr. fränklin) ihre Unabhängigkeit erklärt. Cook, der, wie wir gleich erfahren werden, 1776 seine dritte Entdeckungsreise angetreten hatte, war dem Kriegsbrauche nach also als Feind Frankreichs und Amerikas zu betrachten. Deshalb erließ der französische Marineminister, als Cooks Rückkehr nach Europa zu erwarten stand, auf Anregung des großen Staatsmannes Turgot (spr. türgo) im März 1779 folgenden Befehl an alle französischen Schiffskommandanten: »Da Kapitän Cook, der an Bord der >Resolution< im Juli 1776 Plymouth verließ, um an den Küsten, auf den Inseln und in den Meeren von Japan und Kalifornien Entdeckungen zu machen, im Begriff ist, nach Europa zurückzukehren und solche Entdeckungen von allgemeinem Nutzen für alle Nationen sind, so ist es des Königs Wille, daß Kapitän Cook wie der Befehlshaber einer neutralen und verbündeten Macht behandelt werden soll, und daß alle Kapitäne, die diesem berühmten Seefahrer begegnen, ihm die diesbezüglichen Befehle des Königs vorzeigen.« Gleichzeitig sandte Benjamin Franklin, damals Gesandter der Vereinigten Staaten zu Paris, ein ähnlich lautendes Schreiben an alle Schiffskommandanten der amerikanischen Flotte, mit der Aufforderung, »den so berühmten Seefahrer und Entdecker mit aller möglichen Höflichkeit und Güte zu behandeln und ihm als gemeinsamem Freunde der Menschheit allen Beistand zu leisten, dessen er etwa benötige«. Das Ziel der dritten Entdeckungsreise Cooks war die Auffindung eines für den Handel so wichtigen kürzeren Weges nach Japan, China und Indien: die Aufsuchung einer nördlichen Durchfahrt aus dem Atlantischen in den Stillen Ozean. Man wußte es Cook nahezulegen, sich mit diesem Plane, auf dessen Ausführung eine Prämie von 20000 Pfund Sterling gesetzt war, eingehend zu befassen, und er war nicht der Mann danach, vor den großen, unleugbaren Gefahren dieses Planes -- er sollte sich auch dem Nordpol soweit als möglich nähern -- zurückzuschrecken[2]. So ging er denn noch vor Ablauf eines Jahres, nämlich am 12. Juli 1776, von neuem mit der »Resolution«, die für die neue Bestimmung besonders sorgfältig ausgerüstet war, unter Segel. Als Begleitschiff wurde ihm diesmal die »Discovery« (spr. diskaweri, d. h. »Entdeckung«) unter dem Befehl des Kapitäns Clerke (spr. klák) mitgegeben, die nach ähnlichen Prinzipien gebaut und ausgerüstet war. An Bord hatte die »Resolution« einen interessanten Gast. Kapitän Fourneaux hatte nämlich bei seiner Heimfahrt einen jungen Eingeborenen von Ulietea (Gesellschaftsinseln) namens Omai an Bord genommen und nach England gebracht. Der junge, liebenswürdige Südsee-Insulaner hatte in der Londoner Gesellschaft begeisterte Aufnahme gefunden, war überreich mit allen erdenklichen Dingen beschenkt worden und sollte nun zu seinen braunen Landsleuten zurückkehren, um ihnen »die erhabensten Begriffe von der Macht und Großmut der britischen Nation beizubringen«. Omai vergoß zwar bittere Tränen beim Abschied von seinen englischen Freunden, verriet aber doch ebenso unzweifelhaft seine helle Freude, wieder nach Ulietea zurückkehren zu dürfen. Man hatte den Schiffen ferner als nützliches Geschenk für die Südsee-Insulaner verschiedene Haustiere wie Kühe, Schafe, Ziegen, Hühner, Enten, Getreide- und Gartenpflanzensamen mitgegeben, wie denn Cook schon auf seiner vorherigen Reise mehrfach die Eingeborenen durch solche Gaben zur Viehzucht und zum Getreidebau (allerdings mit geringem Glück) zu veranlassen versucht hatte. Hohe Menschlichkeit und tiefes Verständnis für die Eigenarten fremder Völker ist ja überhaupt einer der schönsten Züge im Charakterbilde dieses bedeutendsten aller englischen Entdecker, ein Charakterzug, der hell aufleuchtet auch aus der hier mitgeteilten Schilderung des Kapitäns James King von der Ermordung Cooks. Über das Kap der Guten Hoffnung und die kurz zuvor von dem französischen Seefahrer Kerguelen (spr. kergeläng) entdeckten gleichnamigen Inseln ging die Reise nach Tasmanien und Neuseeland; ein paar Inseln im Cook-Archipel (griech. = Inselmeer) und am 24. Dezember 1777 die nördlich des Äquators gelegenen Weihnachtsinseln wurden bei weiteren Fahrten aufgefunden. Dazu kam als wichtigste Entdeckung am 18. Januar 1778 die der Sandwich (spr. ßänduitsch) oder Hawáii-Inseln. Cook wählte diese Gruppe als Stützpunkt für die nunmehr beginnende Suche nach der nördlichen Durchfahrt. Etwa unter dem 45. Breitengrad traf er zuerst auf die nordwestamerikanische Küste und gelangte dann unter heftigen Stürmen und mancherlei Gefahren nach Alaska und zu den Alëuten. Durch das Beringmeer nordwärts vorstoßend und schon am Eingang der Beringstraße zwang ihn eine unüberwindliche, nach dem Süden treibende Eismauer zur Umkehr. Um die erzwungene Muße nicht ungenutzt zu lassen, kehrte er nach Hawaii zurück, und hier fand er am 14. Februar 1779 den gewaltsamen Tod, wie unser Bericht schildert. Die Eingeborenen hatten in Cook anfänglich eine Gottheit, den wiederkehrenden Geist eines verstorbenen großen Häuptlings, gesehen, wofür ja auch seine weiße »Leichen«farbe[3] zu sprechen schien. Mancherlei Vorfälle trugen dazu bei, diesen göttlichen Nimbus zu zerstören: die Häuptlinge, die ihren Einfluß sinken fühlten, schürten eine Gegenbewegung. Mißverständnisse, aus der Unkenntnis der Sitten und der religiösen Anschauungen der Eingeborenen beruhend, ließen die Flamme der Empörung immer heller auflodern, und so kam es zu dem beklagenswerten Ende des großen Entdeckers. Ein Obelisk bezeichnet heute die Stelle, wo er den Tod fand. Nach seinem Tode versuchte Kapitän Clerke, der das Kommando auf der »Resolution« übernommen hatte, noch einmal einen Vorstoß zur Entdeckung der nördlichen Durchfahrt. Er war vom Glück wenig begünstigt und starb auf der Rückfahrt nach Kamtschatka. Kapitän King, der ursprünglich als Navigationsoffizier und ausgezeichneter Astronom an Bord der »Resolution« gewesen war, und Kapitän Gore führten dann die Schiffe über China und das Kap der Guten Hoffnung in die Heimat zurück, wo sie erst am 22. August 1780, nach einer Abwesenheit von mehr als vier Jahren also, eintrafen. Mußte nun auch damit der Versuch der Auffindung eines neuen Handelsweges nach Ostasien und Indien als gescheitert betrachtet werden, so hatte die letzte Entdeckungsreise Cooks doch andrerseits die Aufmerksamkeit der englischen Kaufleute auf die nordwestamerikanische Küste als auf ein besonders aussichtsreiches Pelzhandelsgebiet hingelenkt. Von den Versuchen, sich diesen bedeutenden, freilich, wie sich herausstellte, von den Russen schon vorher besetzten Markt zu erschließen, erzählt der hier mitgeteilte Bericht des Kapitäns Meares (spr. mihrs) von seiner Unglücksfahrt dorthin. In eine andre Zeit und ein andres Erdgebiet versetzt uns die Schilderung, die der famose kurbrandenburgische Major _Otto Friedrich v. d. Groeben_ von seiner Reise nach der Küste Westafrikas im Jahre 1682 hinterlassen hat. Im Auftrage Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten sollte er dort eine Kolonie gründen, d. h. eine Festung erbauen, und wie er diesen Auftrag ausführte, was er an den Küsten Guineas erlebte, das hat er in seiner »Guineischen Reisebeschreibung« mit köstlichem Humor und guter Beobachtungsgabe aufgezeichnet. Friedrich Wilhelm von Brandenburg hatte seine Jugendjahre fern von der Heimat, am Hofe Friedrich Heinrichs von Oranien, seines Verwandten, des großen Kriegsmannes und Statthalters der Niederlande, verlebt. Die Eindrücke, die er hier in Holland von dem Reichtum und der Macht empfing, den Seehandel und der Besitz blühender Kolonien einem Volke zu verleihen vermögen, sind auf ihn sein ganzes Leben hindurch wirksam geblieben. »Seefahrt und Handlung sind die vornehmsten Säulen eines Staats«, wurde schon früh sein volkswirtschaftlicher Leitsatz. Als Friedrich Wilhelm 1640 zur Regierung kam, fegte über Deutschland noch der Dreißigjährige Krieg dahin. Kämpfe gegen die Polen, mit den Schweden und Franzosen ließen den Kurfürsten erst rund 40 Jahre später zur Ausführung seiner Kolonialpläne kommen. Der holländische Reeder Benjamin Raule war es, der, in brandenburgische Dienste getreten, Friedrich Wilhelm vorschlug, Handelsfahrten nach Afrika zu unternehmen. Im Herbst 1680 stachen das »Wappen von Brandenburg«, eine Fregatte von 22 Kanonen, und der »Morian«, eine solche von 18 Kanonen, in See nach Westafrika. Die größere Fregatte wurde trotz des Friedens von den Holländern an der Guineaküste genommen, dem »Morian« aber gelang es unter Führung des Kapitäns Philipp Pietersen Blonck an der Goldküste, in der Nähe des Dreispitzenkaps, mit drei unabhängigen Negerhäuptlingen am 16. Mai 1681 einen vorläufigen Handelsvertrag abzuschließen und einen zur Anlage einer Festung geeigneten Ort zu erwerben. Die Negerhäuptlinge erhielten, nebenbei bemerkt, dafür: »2 Stück indischen Stoffs, 1 Rapier, 1 Hut, 2 zinnerne Schüsseln, 2 Faden (= 4 m) türkischen Stoff, 1 Kleidchen« und endlich die brandenburgische Flagge, »womit sie erweisen könnten, daß sie S. Kurfürstliche Durchlaucht für ihren Herrn angenommen haben«. Um diesen Vertrag nutzbar zu machen, wurde auf Raules Betreiben im März 1682 die »Afrikanische Kompagnie« begründet, gewissermaßen eine »Gesellschaft mit beschränkter Haftung«, deren Grundkapital ganze 50 000 Taler betrug, und im Juli eine militärische Expedition unter Führung des Majors v. d. Groeben nach Westafrika entsandt. Der Kurfürst hätte keine glücklichere Wahl treffen können: Groeben war ein an Kriegserfahrungen reicher, für seine Zeit hochgebildeter Offizier, dazu ein weitgereister Mann, der sich schon manchen Wind um die Nase hatte wehen lassen. Noch nicht 17 Jahre alt, unternahm er in Gemeinschaft mit einem polnischen Obersten eine achtjährige Reise, die durch Italien zunächst nach Malta führte. Von hier aus ließ er sich als Freiwilliger auf einem gegen die Türken kreuzenden Kaperschiff anwerben. Aus dem Beuteerlös -- er war übrigens gleich im ersten Treffen verwundet worden -- bestritt er die Kosten einer Reise durch Palästina. Auf der Rückkehr nach Deutschland ward sein Schiff von den Türken genommen; er entkam mit knapper Not, gelangte nach Tripolis und schloß sich einer Karawane nach Ägypten an. Auch die Rückreise von Ägypten aus war reich an Gefahren und Kriegsabenteuern: wiederum wurde Groeben bei einem Kampfe mit Seeräubern verwundet. Wir finden ihn hernach für kurze Zeit in spanischen Diensten, und mit den Spaniern durchzog er ganz Italien. Auf Anweisung seiner Eltern besuchte er dann zu weiterer Ausbildung Frankreich, England und Holland. Den endlich in die Heimat Zurückgekehrten zog der Große Kurfürst an seinen Hof, und dem erst Fünfundzwanzigjährigen vertraute er die Leitung der Expedition nach Guinea an. Schildern wir noch in Kürze schließlich den Fortgang der brandenburgischen Kolonisation. Zum Fort »Groß-Friedrichsburg« gesellten sich 1684 das benachbarte Fort »Dorothea« und etwas später die Forts »Taccarary« und »Sophie Luise«, alle in derselben Gegend gelegen. Die fortgesetzten Feindseligkeiten der Holländer taten dem brandenburgischen Unternehmen aber bald viel Abbruch. Sie kaperten die Schiffe und überfielen, allerdings erfolglos, 1687 die Forts. Die »Afrikanische Handelskompanie« hielt sich noch ohne rechte Lebenskraft bis zum Regierungsantritt Friedrich Wilhelms I., der das ganze Unternehmen für 6000 Dukaten an die Holländer verkaufte. -- Als im Jahre 1884 die deutsche Korvette »Sophie« in der Gegend des einstigen Forts »Groß-Friedrichsburg« landete, zeigten die Eingeborenen den Offizieren die Trümmerstätte. Aus dem Schutte grub man die alten Brandenburgischen Geschützrohre hervor. Sie werden heute in der Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses aufbewahrt, die letzte Erinnerung an die erste deutsche Kolonie in Afrika. Dr. _Adolf Heilborn_. Fußnoten [1] Es darf hier nicht verschwiegen werden, daß die geographische Forschung späterer Tage das Problem des Südkontinents doch in anderm Sinne als Cook zu lösen und auf der Kugelkappe um den Südpol ein Festland größer als Europa festzustellen vermochte. [2] Es sei hier gleich erwähnt, daß Cook 1778 vom Beringmeer aus nur bis an das Nordkap von Asien gelangte. Die »nordöstliche Durchfahrt« um Asien herum ist später dem berühmten schwedischen Polarforscher Adolf Nordenskjöld (spr. nurdenschöld) auf der »Vega« (1879) gelungen. Die »nordwestliche Durchfahrt« um Amerika herum glückte erst 1906/07 dem kühnen Norweger Roald Amundsen auf der »Gjöa«. [3] Auch die farbigen Rassen erbleichen nach dem Tode. +------------------------------------------------------------------+ | Anmerkungen zur Transkription | | | | Der Schmutztitel wurde entfernt, das Inhaltsverzeichnis an den | | Anfang des Buchs verschoben. Folgende Inkonsistenzen wurden | | belassen, da beide Schreibweisen üblich waren: | | | | anderen -- andern | | anderer -- andrer | | argwohnten -- argwöhnten | | benutzen -- benützen | | bewillkommten -- bewillkommneten | | danach -- darnach | | Felsenklippen -- Felsklippen | | heut -- heute | | Instruments -- Instrumentes | | portugiesisch -- Portugiesisch | | Schiffs -- Schiffes | | ungeheure -- ungeheuere | | ungenutzt -- ungenützt | | unserer -- unsrer | | unseren -- unsern | | | | Im Text wurden folgende Änderungen vorgenommen: | | | | S. 85 "Taburai" in "Tuburai" geändert. | | S. 144 "Eris" in "Erihs" geändert. | | S. 188 "Molotai" in "Molokai" geändert. | | S. 193 "Kauina" in "Kanina" geändert. | | S. 220 "trotz alle" in "trotz aller" geändert. | | S. 239 "Giseng" in "Ginseng" geändert. | | S. 243 "wiederabfahren" in "wieder abfahren" geändert. | | S. 252 "wann" in "wenn" geändert. | | S. 282 « eingefügt. | | S. 290 "Eingebornen" in "Eingeborenen" geändert. | | S. 292 "Tasmann" in "Tasman" geändert. | +------------------------------------------------------------------+ *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK UNTER DEN WILDEN: ENTDECKUNGEN UND ABENTEUER *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. 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It exists because of the efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks of life. Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance they need are critical to reaching Project Gutenberg™’s goals and ensuring that the Project Gutenberg™ collection will remain freely available for generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive Foundation was created to provide a secure and permanent future for Project Gutenberg™ and future generations. To learn more about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation information page at www.gutenberg.org. Section 3. Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non-profit 501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service. The Foundation’s EIN or federal tax identification number is 64-6221541. Contributions to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full extent permitted by U.S. federal laws and your state’s laws. The Foundation’s business office is located at 809 North 1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887. Email contact links and up to date contact information can be found at the Foundation’s website and official page at www.gutenberg.org/contact Section 4. Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation Project Gutenberg™ depends upon and cannot survive without widespread public support and donations to carry out its mission of increasing the number of public domain and licensed works that can be freely distributed in machine-readable form accessible by the widest array of equipment including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS. The Foundation is committed to complying with the laws regulating charities and charitable donations in all 50 states of the United States. Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these requirements. We do not solicit donations in locations where we have not received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or determine the status of compliance for any particular state visit www.gutenberg.org/donate. While we cannot and do not solicit contributions from states where we have not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us with offers to donate. 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