The Project Gutenberg eBook of Die Hexenrichter von Würzburg: Historische Novelle This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Die Hexenrichter von Würzburg: Historische Novelle Author: Franz von Seeburg Release date: March 12, 2015 [eBook #48476] Language: German Credits: Produced by Norbert H. Langkau, Matthias Grammel and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HEXENRICHTER VON WÜRZBURG: HISTORISCHE NOVELLE *** Produced by Norbert H. Langkau, Matthias Grammel and the Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net Die Hexenrichter von Würzburg Die Hexenrichter von Würzburg Historische Novelle von Franz von Seeburg Siebte Auflage [Illustration: Dekoration] ^Druck und Verlag von Friedrich Pustet^ Regensburg, Köln, Rom, Wien 1920 1. Kapitel: Fahrendes Volk Rings düsterer Wald. Alte Buchen, mächtige Föhren und Tannen beschatten einen Boden, den nur selten eines Wanderers Fuß betritt. Ungestört äst dort der Hirsch, weidet das Reh und krächzt die Eule. Die geheimnisvolle Weihe von Jahrhunderten liegt über diesem Meere von Bäumen, über das wilde Stürme hinweggebraust und über dem so oft des herrlichen Frankenlandes Sonne aufgegangen. Neben der in sich zusammenbrechenden Eiche keimt und sproßt neues junges Leben in saftweichem Grün, unter dem Schatten weitästiger Buchen glüht unbegehrt und ungepflückt im schwellenden Moosgrunde die Erdbeere. Dem Schiffe gleich, das stolz die Wellen durchschneidet, fliegt in majestätischem Flügelschlage der Geier über das wogende Meer grünender Kronen, während in dem dichten Geäste die Sänger des Frühlings aus frischen Kehlen singen. Dort, wo der Wald sich lichtet und von sanfter Anhöhe nach dem Tale niedersteigt, steht im Tannenschatten ein einsames Haus. Fest, massiv sind seine Mauern, aus regellosem Gesteine gefügt. Rings an den Wänden kriecht der schwarzgrüne Efeu träge hinauf und verschleiert mit seinen Blättern die kleinen Fensterbogen mit ihren sonnenblinden, runden Glasscheiben. Die Haustüre steht offen und gewährt freien Einblick in einen gewölbten, halbdunklen Hausflur, an dessen Ende ein roh gezimmerter alter Eichentisch auf weit gespreizten Beinen steht. Über diesem an der graufarbigen Wand hängt ein Kruzifix, schwarz, schmutzig, von Spinnengeweben umzogen, vom Holzwurme angefressen. 's ist Frühlingsabend. Die scheidende Sonne hat ihren Glanz in ungezählte Lichter gebrochen, welche auf dem jungen zarten Grün der Buchen und auf dem dunkeln Boden des Waldes ihren Abendreigen in feenhaftem Tanze feiern. Auch an dem alten Hause zieht scheidend ein rosiger Strahl vorüber, ein warmer Kuß, auf Leichenlippen gehaucht, und stirbt dann in dem Schatten der Waldesnacht. Kein Vogelsang mehr! Die kleinen Flöten sind müde geworden und träumen von neuen Liedern für den morgigen Tag. Nur die Eule ächzt wie das Gewissen eines schlaflosen Sünders durch die tiefe Stille des Abends. Gott grüß euch, ihr Sterne! Warum soll ich euch denken als riesige Körper in endlos weiten Fernen, an denen des Menschen forschender Geist Zirkel und Zahl versucht? Nein, ihr seid mir liebe Engelsaugen, die freundlich auf Flur und Wald und in fromme Menschenherzen niedergrüßen. Ein greller Pfiff, darauf ein rohes Lachen. Dort teilt sich des Niederwaldes dichtes Geäste und wilde, verwetterte Gestalten treten heraus. Sie schreiten dem alten Hause zu und lagern sich vor demselben ins schwellende Gras. »Heda, Zuckerwastl!« ruft ein kleiner, dicker Geselle, den breiten Schlapphut fest auf den Kopf gedrückt; »heda, wirf deinen zusammengestohlenen Kram ins Gras! Bist nicht halb mehr der Spitzbube, wenn du die Ware vom Rücken nimmst.« Der Angeredete streifte stechenden Auges den Dickwanst. Erst löste er die Lederbänder seiner Kraxe, stellte diese beiseite und reckte Arme und Beine; dann fuhr er mit dem Ärmel über sein wettergebräuntes Gesicht, um sich den Schweiß abzutrocknen, und strich endlich mit stolzem Selbstbewußtsein über das abgeschlissene Sammetwams, über dem um den dürren Hals eine Messingkette hing. »Bist der schmuckste Junker im Frankenlande,« spottete der Dicke weiter; »gehst in Sammet und Seide gleich einem Grafen. Nur schade, daß der ganze Plunder sowenig wert ist als der, der ihn trägt.« »Pappenheimer,« gab trocken der Zuckerwastl zurück, »stecke deine rote Nase nicht zu tief in meinen Topf, es möchte dir sonst übel ergehen!« Mit diesen Worten wandte er sich von dem Dicken ab und seinen anderen Gesellen zu. »Du mein Gott!« lachte er, einem mürrischen Alten vertraulich auf die Schultern schlagend, »wie wirst du grau und schwach, zerbrochener Paulus! Hab' dich auch einst in besseren Zeiten gesehen, ehe sie dir in München im Falkenturme die Glieder gestreckt haben. Ja, ja, Spitzbubenleben macht noch schneller alt als Herrenleben; es geht eben gar zuviel Ungewitter über einen richtigen Schelmenkopf!« »Dir hat es doch nicht übel bekommen,« gab der zerbrochene Paulus, ein hinkender Alter, halb verdrossen, halb neidig zurück. »Glaub's wohl,« lachte der Neunaugen, ein widerlicher Kerl mit dünner Stimme und schielenden Augen; »es versteht sich nicht jeder so gut auf sein edles Handwerk wie der Junker Zuckerwastl! So einer solch weisen Kopf zwischen seinen Schultern sitzen hat, mögen ihm die hochgelahrten Herren mit den hänfenen Halskrausen und dem peinlichen Rechte nicht beikommen.« Der Zuckerwastl nickte dankend für das gespendete Lob, pfiff ein Lied und schritt nach dem Hausflure, um dort den Schenkwirt aufzusuchen. -- Wir haben hier eine Gesellschaft vor uns, wie sie sich in einem alten Gerichtsakte gezeichnet findet, Gauner vom reinsten Wasser, echte Erzeugnisse jener wilden Zeit des beginnenden siebzehnten Jahrhunderts, wo die unteren Volksschichten fast ohne Bildung waren und eine ganz erbärmliche Justiz den letzten Rechtsbegriff in der Menge zerstörte. Der Zuckerwastl war eine lange, hagere Gestalt mit stechenden Augen und dünnen schwarzen Haaren; jenen Namen trug er, weil er stets einen kleinen Kram mit sich trug, der aus Zucker, Gewürz, Hutschnüren, Schamlot und Hosenbändern bestand; diese Gegenstände aber sollten ihm nicht zu redlichem Erwerbe dienen, sondern vielmehr ein Mittel sein, sich als fahrender Händler in die Häuser einzuführen, die Gelegenheit zum Stehlen auszukundschaften und dann mit seinen Gesellen nach Lust und Möglichkeit zu rauben, oder, wenn es nicht anders ging, wohl auch zu morden. Er gehörte zu jenen Landfahrern, welche von wandernden Eltern stammen, ohne Heim und bleibende Stätte, dem Wandertriebe folgend von der Wiege bis zum Galgen oder, wenn er unter einem guten Sterne geboren war, bis zu einer Grube draußen im Walde; ohne Aufblick nach oben, ohne Verständnis des Diesseits, ohne Hoffen und Sehnen nach einem besseren Jenseits. Die wenigen Begriffe von Gott und Religion fanden sich in solchen Menschen nur im Zustande greulichster Verzerrung, daher auch jene mehr dämonische als bloß abergläubische Auffassung vom Wesen und der Gewalt des Satans. Ja, diese Gattung Leute betrachtete sich im Bewußtsein der eigenen Verworfenheit und in dem Gefühle der Verachtung, mit der ihnen jede über ihnen stehende Schichte der Gesellschaft begegnete, als bereits bei lebendigem Leibe dem Teufel zu eigen verfallen und fand, dadurch mit dem Gifte des Hasses erfüllt, eine satte Befriedigung darin, wenn möglich durch Hilfe des Satans Rache an jenen zu üben, die, sei es durch Tugend oder Geistesbildung oder Glücksgüter, hoch über ihnen standen. Wie die Neuzeit trotz ihrer teils wirklichen, teils vermeintlichen Aufklärung sich einem epidemischen Wahnsinne im Tischklopfen, Somnambulismus und Magnetismus hingegeben und damit, bewußt oder unbewußt, einen Dämonenkult getrieben hat, und wie diese Abirrung ihren Grund in einer verrückten Anschauung aller göttlichen und irdischen Ordnung und in einer krankhaften sozialen Auffassung hatte: so auch jene Erscheinungen voll beschämender Verirrungen, die uns im Hexen- und Zauberwahne entgegentreten. Sie waren nichts anderes als eine häßliche soziale Krankheit, großgezogen durch religiöse Unbildung und unverstanden von jenen, deren heiligste Pflicht und schönste Aufgabe es gewesen wäre, hier rettend, heilend, versöhnend dazwischenzutreten. Die rohe Gewalt des Scheiterhaufens war dem geistig kranken Volke kein Gegenbeweis seines Irrtums, sondern vielmehr eine unumstößliche Bestätigung seines Wahnglaubens. -- Der Zuckerwastl war so ganz ein Produkt seiner Zeit: keck, verwegen, auf einen Gott nicht hoffend, aber dem Teufel vertrauend, ein Fremdling auf der weiten Welt und doch überall zu Hause, wo Gelegenheit oder Verbrechen ihm den Tisch deckten, jeden hassend und sich selbst nicht liebend, dagegen Rad und Galgen als sicheren Schlußstein eines trost- und friedelosen Lebens stets vor Augen. Eine dunkle, gestaltlose Ahnung erzählte ihm noch von Eltern. Als Bube streunte er bettelnd und stehlend Land auf und ab, sah keine Schule, hörte kein Gotteswort, kniete in keinem Beichtstuhle, verstand kein Gebet, ward Jüngling und Mann und Verbrecher, und berechnete als solcher sein Leben nicht nach Tagen und guten Werken, sondern nur mehr nach Übeltaten und rohen Genüssen. Die Gesellschaft, die sich in buntem Wechsel um ihn als ihren Kernpunkt kristallisierte, war nicht besser als er selbst. Dort sehen wir unter dem langen Abendschatten des einsamen Waldhauses den ^Pappenheimer^ und den ^zerbrochenen Paulus^, beide Kesselflicker aus der Passauer Gegend, Meister in der Zunft der Diebe, Räuber und Brandstifter. Dann noch den ^Neunaugen^, einen ehemaligen Dorfschmied, der sich wegen eines Mordes aus seiner Heimat geflüchtet hatte, unterwegs eine sechzehnjährige, ihren Eltern entlaufene, umherstreunende Dirne aufgriff und zum Weibe nahm, obwohl er zu Hause Weib und Kinder im tiefsten Elende zurückgelassen. -- * * * * * Der zerbrochene Paulus hatte sich neben dem Neunaugen ins Gras gelegt und stierte unverwandten Blickes nach dem abendlichen Himmel empor, an dem ein Stern nach dem andern in mildem Lichte aufleuchtete. »Bist gewaltig ernst und nachdenklich,« brach der Neunaugen das Schweigen; »willst vielleicht in den Sternen lesen, wann für dich Galgen und Rad gezimmert werden?« »Nein!« »Nun, was guckst du denn dann?« »Verstehst es doch nicht, wenn ich es dir auch sagen wollte, windischer Kopf!« »Meinst du? Käme erst auf eine Probe an. Wollt' ich doch meine Seligkeit an einen Krug Wein verwetten, ich wäre klüger geworden als mancher Ratsherr, wenn ich nicht zwischen den Stauden der Heide aufgewachsen wäre.« »Mag sein! Weil dein Verstand nicht ganz gestorben zu sein scheint, so will ich dir also sagen, was ich gucke und mir dabei denke. Siehst du die Sterne?« »Ei wohl!« »Denkst du dir auch etwas ^über^ diesen Sternen?« »Man sagt gewöhnlich, der Herrgott wohne dort.« »Gut. Ich denke mir das auch. Nun sage mir, alter Sünder, hoffest du dort auch einmal hinaufzukommen?« Der Neunaugen richtete sich in hellem Erstaunen aus dem taufeuchten Grase auf und schaute seinen Nachbar mit einem langen, fragenden Blicke an. »Ich -- in den Himmel? Nein!« Das stieß er heftig, fast schmerzlich heraus. »Und warum nicht?« fragte der andere mit steigendem Ernste. »Das will ich dir sagen, denn ich weiß es. Ein Teil Menschen gehört unserem Herrgott, der andere dem Teufel. Und wir armen Teufel -- nun, wir gehören eben dem Teufel.« Dazu stieß er ein häßliches, heiseres Lachen aus. »Ich will dir etwas sagen,« fuhr der Neunaugen ruhiger fort und rückte näher an die Seite des zerbrochenen Paulus. »Ich weiß eigentlich gar nicht, wozu unsereiner auf der Welt ist. In einem Stadel oder unter einem Waldbaume zur Welt gekommen, sind wir gleich dem Wilde, das aus einem Jagdbogen in den andern läuft, bis ihm der Jäger das tötende Blei ins arme Herz schießt. Ja,« fuhr er fort und ballte die Rechte, »die drinnen in den Städten, die sattgemästeten Bürger und die stolzen, übermütigen Junker, die dicken Ratsherren und erst gar die Priester und Mönche, diese alle können leicht auf unseren Herrgott hoffen, ihnen ist Zeit und Ewigkeit wie auf das Butterbrot gestrichen -- aber wir? Was fangen wir an? Weißt du,« flüsterte er und stieß seinen Nachbar mit dem Ellenbogen an, »für uns ist es immerhin das beste, wir verschreiben uns kurzweg dem Satan!« »Was nützt uns ^der^?« gab der zerbrochene Paulus verdrossen zurück. »Ist er doch ein Schelm gleich uns!« »Magst nur zu sehr recht haben. Aber er kann uns armen Tropfen doch manchen Nutzen schaffen. Du, glaube ich, wärest der letzte, der es verschmähte, wenn ihm der Teufel die Gewalt gäbe, aus glühenden Kohlen Gold zu machen, verborgene Schätze zu heben und unterschiedlichen Zauberspuk zu treiben.« »Ja, wenn es nur so wäre!« seufzte Paulus auf und schaute wieder nach den Sternen. -- -- Drinnen im Hause sitzt der Zuckerwastl in einer dunkeln Ecke und führt mit dem Wirte flüsterndes Zwiegespräch. »Nun, alter Diebsvater, weißt du nirgend einen fetten Bissen, der auf unsere langen hungerigen Finger wartet?« Der Schenkwirt, ein alter Mann, dessen linkes Auge ausgeronnen ist, und über dessen kahlen Scheitel sich eine breite Schramme zieht, scheint diese Frage nicht zu beachten. Er sitzt mit überschlagenen Beinen auf seiner Holzbank und heftet den Blick auf den roten, ausgetretenen Ziegelboden. »Ich war jüngst in Würzburg unten,« begann er in halblautem Selbstgespräche. »Die herrliche Stadt ist häßlich geworden; wohin immer du gehst, riecht es nach Blut. Da drinnen reitet der Satan die Herren bei lebendigem Leibe! Du glaubst nicht, alter Freund, wie sie da drunten morden und brennen! Lauter echtes Hexenfleisch! Jetzt ist dort alles und jegliches Hexe und verhext! Möchte nicht wetten, ob sich die klugen Herren am Gerichte in ihrer großen Weisheit nicht selbst zuletzt noch für Zauberer und vom Teufel Besessene halten. Wenn die Herren nicht so dumm wären, so wäre dies ein gar kluger Gedanke für sie. Denn wenn doch einmal alles des Teufels sein muß, dann sind sie wahrlich dazu die besten. Aber höre, Alter, dazwischen klingt etwas wie Wundermäre! Bei den Jesuitern ist ein junger Pater, ich habe ihn selbst gesehen, dieser nimmt sich mit brennender Liebe der armen Hexen an, als wären es seine eigenen Schwestern. Er schwört bei allem Heiligen, es geschehe den Ärmsten allen unrecht, denn es gebe keine Hexen --« »Was?« fuhr der Zuckerwastl dazwischen. »Solches sagt er?« »Jawohl, das sagt er!« bestätigte der Wirt mit großem Ernste. »Und noch mehr! Er tut das mit eigener großer Gefahr, denn alle die Hochweisen am Gerichte behaupten steif und fest, solches sei helle Ketzerei, und man dürfe sowenig Hexen und Unholde leugnen als unseren Herrgott selbst, und es liefen der Hexen wohl hundert und tausend durch das Land und suchten Menschen und Vieh und alle Erdenfrucht zu verderben. Die Gestrengen sind dem Pater schon hart angelegen, er solle doch endlich Vernunft annehmen und auch wie jeder klar denkende Mensch an Hexen glauben; hätten ihn doch seine Ordensobern ebendarum vom Rheine herauf nach Würzburg gesendet, um den armen Wesen, die ganz vom Teufel besessen sind, in der letzten Stunde tröstend und erlösend beizustehen; aber der Spee ist wie aus Eisen, er biegt und beugt sich nicht; es gibt keine Hexen -- das ist sein tägliches Wort, und das sagt er so sicher und fest, als sagte er einen Ausspruch aus Gottes Mund, und mit alledem steht der Pater ganz allein, niemand hilft ihm, niemand steht auf seiner Seite!« Der Zuckerwastl machte große Augen und wiegte nachdenklich das Haupt. »Es soll dem Manne keine Schande sein, wenn ein Kerl, wie ich einer bin, ihn lobt. Aber meinst du auch, er setzt seinen Kopf durch?« »Ich kann es schier nicht glauben; es sind zu viele gegen ihn, und darunter alle Großen. Und diese können und wollen das Rädern, Martern und Verbrennen nicht mehr lassen. Sie sind es gewohnt, wie du das Stehlen; und sowenig du dich deines Schelmenhandwerks schämst, sowenig schämen sich die Herren ihrer Grausamkeit. Weißt du, sie haben für ihre Dummheit ein gar heiliges Pflaster, sie sagen: sie dienen Gott!« »Sei mir stille, alter Schwätzer, und lasse mich denken! Ich bin nur ein armer, windflüchtiger Geselle, den es Mühe kostet, an einen Gott zu glauben, den er nicht schaut, den es aber noch mehr Überwindung kostet, an die Liebe der Menschen zu glauben, die er nicht sieht. Der Spee ist ein seltener Mensch; er setzt sich aller Gefahr und Feindschaft aus, nur um solcher willen, denen jeder andere aus dem Wege geht, die alle hassen und verachten. Das kann ihm nicht Geld und nicht Ehre und auch nicht Frieden einbringen; sag' mir, alter Zigeuner, warum tut er das wohl?« »Ich weiß es nicht,« versetzte der Wirt. »Mir ist der Mann ein heiliges Rätsel. Drunten in der Stadt sagen die einen, Spee tue dies alles aus fester Überzeugung und reiner Menschenliebe; andere nennen ihn einen verrückten Kopf, und wieder andere flüstern sich in die Ohren, er stehe selbst mit dem Satan im Bunde und nehme sich der Hexen und Unholde nur darum an, damit diese desto ungestörter Land und Leute verderben könnten.«[A] »Dumme Menschen!« lachte der Zuckerwastl. »Der Pater selbst ein Unhold -- ^der^ Blödsinn sieht der Ratsherrnweisheit so ähnlich, wie ein Ei dem andern. Aber,« fuhr er, plötzlich ernster werdend, weiter, »meinst du wirklich, der Jesuit ergreife wohl aus reiner Menschenliebe für die Hexen Partei? Sieh, ich verstehe das nicht, aber es kommt mir wie Sonnenschein über meine alte schmutzige Seele, wenn ich denke, daß es doch noch ein Menschenherz gibt, das auch die Verdammten liebt; denn verdammt sind sie ja doch alle, die Hexen und Zauberer.« »Habe mir auch schon oft so meine eigenen Gedanken darüber gemacht,« antwortete der Schenkwirt; »klar bin ich mir aber über den Mann nicht geworden. Aber was ich seit meinen jungen Jahren nicht mehr verspürt habe, das habe ich gegen den Pater empfunden: Liebe, ehrliche, aufrichtige Liebe. Schau, Alter, wenn der Spee recht hätte und machte mit seinem hellen Verstande und mit seiner scharfen Zunge und noch mehr mit seiner großen Menschenliebe dem Morden ein Ende: ich glaube, ich gäbe selbst noch in meinen alten Tagen mein längstgewohntes Schelmenleben auf und ginge unter die ehrlichen Leute!« -- -- Treten wir in einen niedern, gewölbten Raum. Auf dem Herde brennt ein knatterndes Feuer und wirft seinen rötlichen Schein auf die rußigen Mauern der Küche. Auf dem Fenstergesimse sitzt ein dicker, schwarzer Kater und schnurrt; dort am Herde steht die Schenkwirtin, eine dürre Alte; die grauen, ungekämmten Haare hängen ihr unter der Haube hervor, die Augen sind unruhig und stechend, Nase und Kinn langgezogen und spitzig; dünne, schmale Lippen bedecken den zahnlosen Mund. Der Widerschein des Feuers gibt dem aschfahlen Gesichte eine eigene, unheimliche Färbung. In ihrer Nähe kauert auf einem Schemel ein junges Weib, das des Neunaugen. Ihre Züge wären hübsch, wenn sie nicht in einer widerlichen Roheit erstarrt zu sein schienen. Die Kleidung ist zigeunerhaft; buntfarbige Fetzen und Lappen, schmutzig und zerrissen. Die Miene ist zornig und trotzschwer. »Nun, so laufe ihm davon, Helena,« meinte die Alte, »wenn dein Mann dich gar so hart und schlecht hält! Solche Gauner, wie der deine einer ist, wachsen an jedem Baume; brauchst nur zu schütteln; am billigsten sind sie draußen am Galgen zu haben.« »Mag nicht!« gab die Angeredete kurz zurück. »Nach den Schlägen, die er mir gibt, frage ich wenig; bin das Prügeln ja von Kindheit auf gewöhnt. Aber daß er schwelgt und das ergaunerte Geld verspielt, indes ich darben und hungern muß, das verzeihe ich ihm nicht! Oder meint er, weil er mich auf der Straße aufgelesen hat, sei ich nicht besser als ein Hund?« »Mach' dir selbst Geld, windische Hopfin!« warf die Alte achselzuckend hin. »Die Dummheit der Menschen ist nicht ausgestorben, brauchst sie nur zu Silber zu machen.« »Was meint Ihr damit?« »Wie du einfältig bist!« höhnte die Alte. »Mache den Leuten ein bißchen Hokuspokus vor, tue dergleichen, als könntest du mehr denn Suppe essen und Äpfel von den Bäumen brocken, nimm ein geheimnisvolles Wesen an, und hundert gegen eins, die Bauernweiber geben dir Staupet und Pezen genug und machen noch dazu den Reuport weit auf.« »Was ist das?« »Ah, du verstehst nicht rotwelsch!« lachte die Wirtin. »Staupet und Pezen sind Mehl und Eier, und der Reuport ist der Geldsäckel. Nun gib acht! Du nimmst ein junges Birkenreis; das hängst du denen, die an den Augen leiden -- gleichviel, ist's Vieh oder Mensch -- um; dazu murmelst du einen Spruch, den niemand versteht, auch du selbst nicht, und du wirst sehen, immer hilft es -- dir. Dann nimm ein Büchslein voll Salbe; kann Schweinefett oder sonst Talg sein; tue aber gar geheimnisvoll damit und sage, es sei Fett von ausgegrabenen Leichen, und mit dieser Salbe könnest du alle Schäden heilen. Die Esel zahlen es dir mit schwerem Gelde, wenn du ihnen ihre kranke Haut damit einschmierst. Aber vergiß auch dabei auf den Spruch nicht, denn dieser ist hier die Hauptsache! Dann, wenn du in ein Haus kommst, wo die Leute mit dem Nachbar in Feindschaft leben, so gib ihnen Stup und sage, sie sollten ihn dem andern nur getrost unter die Füße streuen, dann sterbe dieser in kurzer Zeit eines schnellen Todes; oder das Pulver kann auch dem Vieh untergestreut werden, dann fällt es davon um und verendet.« Helena hatte der Rede der Alten aufmerksam zugehört. »Dank' Euch,« sprach sie, »Euer Rat gefällt mir gar wohl!« »Und groß Unrecht ist auch nicht dabei,« fiel die Wirtin dazwischen. »Ei was, Recht oder Unrecht, danach frage ich just gar nichts; das gilt mir alles gleich!« »So gefällst du mir,« lobte die Alte, und aus ihren Augen zuckten blitzende Lichter. »Recht hast du, hilf, was helfen mag, und wäre es der Teufel selber!« Die flüsternd geführte Unterhaltung stockte eine Weile. Das junge Weib sah nachdenklich vor sich nieder und schielte zuweilen mit fragendem Blicke nach der Alten, die sich mit Bereitung des Hirsebreies zu schaffen machte. »Wirtin, ich möchte Euch was fragen.« »Und das wäre?« »'s ist wegen der Hexen. Ihr könnt doch schweigen? Ich tat zuvor dergleichen, als wüßte ich nichts von Zauberei; aber da Ihr mich selbst darauf verwiesen habt, mag ich wohl offen reden.« »Ei, sieh einer das junge Ding an!« grinste die Alte, »also auch schon von der Zunft?« »Meine Mutter hat mir gar verschiedenes von Zaubereien und Hexenkünsten erzählt, so daß mir oft mein junger, dummer Kopf darüber ganz heiß und wirr geworden ist. Wenn ich nun so hinter meinem Manne Land auf und ab gezogen bin und habe mir jene Reden überlegt, da hatte ich gar oft das Verlangen, auch eine Hexe zu werden; aber dann packte mich wieder eisigkalte Furcht, und ich suchte den Gedanken wieder loszuwerden. ^Bin^ auch keine Hexe,« fuhr sie aufgeregten Tones fort; »aber eines möchte ich doch wissen --« »Und was denn?« »Nun ja, wegen des Bündnisses mit dem Satan!« gab Helena kurz zur Antwort. Die Alte sah dem Weibe scharf ins Auge. »Warum fragst du mich das?« fuhr sie zornig heraus. »Meinst du, ich wisse alles? Und wenn ich es wüßte, meinst du, ich wollte es dir sagen? Ich weiß gar nichts, ich schwör's bei meiner Seele, gar nichts! Wenn du aber ein Hexlein werden willst, so weiß ich dir guten Rat. Geh' du nur nach Würzburg hinein und frage nach der schielenden Ammfrau, die alte Bernin heißt sie, die kann dir mehr sagen, als deinem Kopfe gut ist. Ich aber weiß nichts.« »Dank' Euch! Geh' nicht zu ihr,« warf Helena entschieden hin; »aber warum seid Ihr auf einmal so böse?« »Bin nicht böse, bei Gott, nein! Hast mich nur mit der dummen Frage erschreckt. Ich warne dich, die Wände haben Ohren! Rede nicht laut vom Bündnis mit dem Bösen! Die Herren in Würzburg drinnen haben ein gar fein Gehör. Möchte deinetwegen nicht mit dem Henker noch Scheiterhaufen Bekanntschaft machen.« »Ei, wo denkt Ihr hin?« lachte Helena und ging aus der Küche. Die Alte aber sah ihr mit giftigem Auge nach. »Das Weibsbild wäre dumm genug, dich aufs Hexengericht zu plaudern!« murmelte sie, und bange Angst starrte aus ihren Zügen. -- -- Die Männer hatten sich unterdessen um den Tisch in dem Hausflur gelagert und spielten. Gierig folgten die dunklen, glänzenden Augen dem Rollen der Würfel, und mancher derbe Fluch begleitete das Klappern derselben. »Doppelter Satz!« polterte der Zuckerwastl, einen kleinen Taler aus dem ledernen Zugbeutel herausholend und auf den Tisch werfend. »Vielleicht Kirchengeld?« fragte nicht ohne scharfe Betonung der zerbrochene Paulus. Der Zuckerwastl sah ihn grimmig an. »Und wenn, was geht's dich an?« »Hab' nur gemeint,« gab jener trocken zurück. »Weiß auch den Opferstock, den du um diesen Taler und anderes Geld leichter gemacht hast. Ja, ja, der Junker Zuckerwastl geht gerne zur Kirche. Ist ein gar frommer Geselle!« »Nun ist's genug!« brüllte der Gehöhnte und schlug den Spötter mit kräftigem Arme über die Bank hinunter. Der zerbrochene Paulus erhob sich mühsam vom Boden. Das rechte Auge war blutunterlaufen und stierte wie tot aus der verschwollenen Höhlung. Das linke aber warf einen Blick unversöhnlichen Hasses nach dem Gegner. Eine Weile standen sich beide gegenüber, sich zornig messend, dann drückte der zerbrochene Paulus seinen Hut fester auf den Kopf und hinkte hastig aus dem Hause. 2. Kapitel: ^In stiller Zelle^ Es war ein frischer Sonntagsmorgen. Vom wolkenlosen Himmel flutete weiches, mildes Sonnenlicht herab auf die herrliche Frankenstadt am Main und vergoldete all die Zacken und Zinnen, die Türme und Türmlein mit goldenem Glanze. Und wie das Lichtmeer den feingegliederten Turm der herrlichen Marienkapelle umfloß und dann die alten gemalten Fenster mit den frommen Schildereien durchglühte, daß die Farben wie Smaragde und Rubinen brannten! Und dort der Dom in seiner stillen Majestät, ein zu Stein gewordenes Gebet voll heiliger Gedanken! Ein herrliches, farbenprächtiges Bild! Die langgedehnte Domstraße mit ihren alten stolzen Häusern, dran gar trauliche Erker, aus deren Fenstern frische Rosen auf all das frohe Leben niedergrüßen, das da unten wogt. Um so finsterer schaut das Rathaus: wuchtig, ohne Schmuck und ohne Zier, hart und kalt wie ein Richterspruch auf Rad und Tod. Man sieht's ihm an, nicht froher Bürgermut hat dieses Haus gebaut und seinen Reichtum dem Steinmetz und Künstler anvertraut; mürrisch, wie ein lebensmüder Alter, lehnt es sich an den Grafeneckartsturm, nur hie und da zeigt ein zartgewundenes Säulchen, daß auch Kunst im Rathaus gerne eingezogen wäre, wenn nicht die kecke Bürgerschaft Zeit und Geld zu Meutereien gegen ihre Bischöfe verbraucht hätte. Dort ist der grüne Baum angemalt -- ein lustig Wahrzeichen, das dem jungen Volk vom Kilanstanze und Adauktusjubel frohe Märe flüstert. Und nun zur Brücke! Da unten der milde, mächtige Main, belebt von Hunderten von Schiffen mit schwerer Fracht und leichtem Volke. Und rings die Ufer! Hier noch finsteres Mauerwerk, sich keck und trotzig an die kühle Wasserstraße drängend, dort weiter hinaus der Reben grüne Flut, von sanften Hügeln nach dem Strome fließend und mit ihm kosend wie ein eitel Kind mit seinem goldenen Spiegel. Und drüber schmucke Dörfer, Burgen und Kapellen. Doch wieder zurück zur Stadt. Am Brückenkopfe steht ein altes, niederes Haus. Aus dem halbgeöffneten Fenster grinst ein häßliches altes Weib. 's ist wahrlich schade um den Sonnenschein, der auf diesem starren Menschenantlitz zittert! Rechts hinein in enge Gassen, wo das Leben ruhiger ist und die Schatten länger sind. Hei, welche Mauern, tot und kalt wie Grabeswände! Und wie die Menschen hier so nüchtern schauen und so schlicht gewandet sind, nicht Gold und Sammet und strahlendes Geschmeide. Dort um die Ecke steht ein mächtiger Bau in hochgereckten, langgestreckten Massen. 's ist eigener Glast, der aus diesen Fenstern strahlt; 's ist eigene Luft, die um diese Mauern streicht. Alles still! Doch nein, dort singen frische Knabenstimmen: _O Jesu! ego amo te, Non quia tu amasti me...._ Ein Kloster! Ja, gottlob ein Kloster! 's ist wie ein frommes Feldkreuz, das zum Beten mahnt, wenn mitten in der Städte hastendem Gewirre ein Kloster aufsteigt, dem Monde gleich über giftigen Nebeln, den Sternen gleich über Erdennacht. Am Ende eines langen, kühlen Korridors ist eine Türe und an ihr ein Schild mit der einfachen Aufschrift: _P. Fridericus de Spee S. J._ Treten wir ein. Die Zelle ist geräumig, weiß getüncht und mit einem ganz einfachen Hausrate versehen. Nichts, wohin unser Auge schaut, was auch nur eine Linie über den notwendigsten Bedarf des Lebens hinausginge, nichts, was der Annehmlichkeit oder dem Überflusse diente. Durch das geöffnete Fenster zieht die Frühlingssonne ihre goldenen Fäden über das Bild klösterlicher Armut und küßt mit glücklichen Lippen dieses Heim des Friedens. An einem Tische, auf dem sich ein großes Kruzifix und einige Bücher befinden, sitzt ein Priester, angetan mit dem Kleide der Jesuiten. Sein Antlitz zeigt neben unendlicher Milde einen unverkennbaren Zug tiefen Seelenleidens. Der kurze Bart sowie das Haupthaar sind fast ganz gebleicht, ein rätselhafter Gegensatz zu dem frischen, blühenden Aussehen des Paters und dessen hochaufgerichteter Gestalt. An seiner Seite sehen wir einen andern jungen Mann von etwa zweiundzwanzig Jahren mit einem schön geschnittenen Angesichte, aus dem eine große Seele leuchtet. Das sanftglühende Auge schaut mit liebender Begeisterung auf den Pater, im jungen Manne paart sich edles Blut mit edlem Geiste. Es ist der Kanonikus Johann Philipp von Schönborn, der sich als nachmaliger Bischof von Würzburg und späterer Kurfürst von Mainz ein goldenes Blatt in der Geschichte als Wohltäter der Menschheit und ^wahrer^ Aufklärer erworben hat. Von ihm sagt eine alte Inschrift: »Er streute das lautere göttliche Wort aus, und was in diesem Worte gesagt wird, ^das tut er selbst^.« Ein schönes Lob für einen Kirchenfürsten, so schlicht die Sprache auch ist, in die es gekleidet ist. Während draußen auf dem bunten Markte des Lebens sich große Pläne und Torheiten um die Zukunft stritten; während die Gerichtshöfe, wie die Schenken und innersten Räume des Familienlebens -- nun verurteilend, erbarmungslos, von blutigem Wahne angestachelt, nun zitternd und bange flüsternd -- nur von Hexen widerhallen, und der Sturmflut gleich, die alles mit sich reißt, sich all die Kerker mit den Opfern jenes Wahnes füllten; und während Vogt und Räte um so stolzer durch die Gassen gingen, je mehr sie Henker und den Scheiterhaufen in Bewegung setzten: ist's eine einsame Klosterzelle, wo in einem Priesterherzen das Mitleid mit den armen Hexen zur Morgenröte einer besseren Zukunft wird. P. Spee ließ die Perlen seines Rosenkranzes durch die Finger gleiten und schaute lächelnd zu seinem Freunde hinüber. »Nicht doch, mein lieber Schönborn. Ich möchte dich gar nicht in unserem Kloster wissen. Nicht, daß ich dich nicht mit freudigem Herzen Bruder nennte, nicht, daß ich dir den Frieden vorenthalten wollte, der in diesen Mauern lebt; dein Platz ist da, wo du bist. Dorthin hat dich Gott gestellt, und damit sei du zufrieden. Und was das innere Glück betrifft, so findet das mein teurer Philipp auch, umrauscht vom Weltgetümmel, in seinem guten Herzen und seiner edlen Gesinnung.« »Immer zu gut, immer zu nachsichtig,« antwortete kopfschüttelnd der Kanonikus. »Der Schönborn möchte gerne gut sein; aber er ist es nicht.« »Er ist es,« entgegnete Spee mit fester Stimme. »Er ist es; und ich sage das mit heißem Danke gegen Gott. Denn je mehr die Geister der Menschen einer unheilvollen Verblendung anheimfallen; je mehr die dreifache Lust an Glaube, Zucht und Sitte rüttelt; je dichtere Nebel eitler Menschenwahn vor Gottes wahres Bildnis breitet: desto notwendiger sind in dem großen Wirrsale Menschen von hellem Kopf und treuem, goldigreinem Herzen, wie mein Schönborn ist.« »Mein teurer Spee, heute bist du böse. Du solltest mich die Demut lehren und machtest mich so leicht hochmütig, wenn ich nicht wüßte, daß deine Worte mehr gut gemeint, als auf mich passend wären.« Spee antwortete nicht. Seine erst so milden Züge sanken plötzlich wieder in jene tiefschmerzlichen Linien, die seit einiger Zeit fast beständig auf seinem Antlitze lagen. »Hier ist wieder ein großes Stück Sorge,« sprach er, auf einen Stoß Papiere zeigend. »Wahn, schrecklicher Wahn -- und Blut.« »Schon wieder ein Hexenprozeß?« fragte schüchtern Schönborn und streifte mit bangem Blicke die verhängnisvollen Blätter. »Ja, immer das alte, schreckliche Thema,« bestätigte der Jesuit. »Aber, mein lieber Pater,« wendete Schönborn ein, »du nimmst dir diese Angelegenheit auch gar zu tief zu Herzen. Können wir wenden und ändern, was wir schmerzlich beklagen? Ist's ^unsere^ Schuld, daß solches Elend an dem Herzen der Christenheit frißt?« »Ja, wenigstens zum Teile!« gab der Jesuit mit steigender Wärme zurück. »Auch ^wir^ tragen einen Teil der Schuld an diesen Greueln, die zum Himmel schreien. Warum sind wir keine Paulus, die mit des Wortes zündender Gewalt gegen dieses Brennen, Rädern und Morden eifern; warum sind wir keine Johannes, die mutig vor Thron und Richterstuhl hintreten und sagen: Es ist dir nicht erlaubt! Warum gehen wir nicht durch die Gassen und über alle Wege, warum nicht in die entlegensten Schlupfwinkel und predigen wieder und wieder Christum den Gekreuzigten, ^der die Sünde und den Satan besiegt hat^? Freilich, man würde uns an vielen Orten mit halbem Ohre anhören, mit halbem Herzen glauben. Wie der Löwe, nachdem er Blut gerochen, mit heißen Nüstern nach neuer Beute spürt, nicht Rast und Ruhe kennend, bis die lechzende Zunge sich wieder am Blute satt geleckt hat, so spürt auch das, was man jetzt Gerechtigkeit nennt, nach neuen Opfern, deren eines die Gier nach einem andern weckt. Ist nicht die Welt zum großen Irrenhause geworden, wo Wut und Wahn die Geister rastlos peitschen und die Vernunft zum Aschenbrödel erniedrigt ist? Philipp, diesen Scheitel deckten jüngst noch dunkle Haare. Nun sind sie greisenhaft geworden. Das hat das Leid getan, das tiefe Leid um jene armen Wesen, die unter unfaßbaren Qualen den Hexenstempel sich auf die Seele drücken lassen müssen, stumpf geworden unter Henkers Hand, im Geist umnachtet durch des Kerkers Nacht, nur einen Gedanken noch mit heilen Sinnen denkend, den der Unschuld, nur eine Sehnsucht in dem todgehetzten Herzen tragend -- Erlösung!« »Schrecklich, schrecklich, lieber Pater!« rief mit bebender Stimme der junge Kanonikus. »Das Bild, das du entwirfst, erfaßt die Seele mit namenlosem Grauen und tränkt sie mit unnennbarem Schmerze.« »Dich faßt eisigkalt mein armes Wort,« sprach der Jesuit; »wie erst, wenn dein Auge in den Kerkern jenen Jammer schauen müßte, den dort die wahnwitzig gewordene Gerechtigkeit aufhäuft! Wahrlich, man müßte ein Herz von Stein in seinem Busen tragen, um nicht aufzubranden in wildem Schmerze gleich der sturmgepeitschten See. Und doch, so tiefe Nacht, der Greuel voll, auch jetzt sich auf der Menschheit niederläßt, du, Herr am Kreuz, du Gott im Himmel droben, siegst auch hier! O sei gegrüßt, _spes unica_!« Bei diesen Worten nahm Spee das Kruzifix von seinem Tische und küßte es mit heiliger Inbrunst. Und wie wenn plötzlich sich die Wetterwolken teilen und zwischen ihrem unheilvollen Dunkel milde Sonnenstrahlen leuchten, so ward auch unseres Paters Antlitz immer weicher -- milder, je länger er den Blick dem Kreuze zugewendet hielt. »Mein lieber Schönborn,« fuhr er fort, dem jungen Manne die Rechte reichend, »in dir schlägt ein Herz, das stets der Wahrheit dient. Mag dich Gott hohe Wege führen, mag dein Leben still und unbemerkt verfließen, das eine sei dein Vorsatz -- mit Wort und Tat gegen den Wahn Krieg zu führen und ein wahrer Freund aller derer zu sein, die, sei's aus Schuld, sei's ohne Schuld, mit Leiden ringen. Das Gute, das wir tun im Alltagsleben, reicht nicht zum Himmel aus, wenn nicht der Armen gestillter Schmerz, ihre in Trost gekehrten Tränen, wenn nicht das goldene Werk der Nächstenliebe die schönsten Stufen baut.« »Es sei! Solch einem Worte kann ein Schönborn nicht sein Herz verschließen,« rief begeistert der junge Priester aus. »Es ist ein beneidenswerter Weg, der meinem Geistesauge sich erschließt. Schmal, steil, voll spitziger Dornen zwar für das spröde Körperauge, doch voll des Friedens für die Seele. Gleich dem guten Hirten heilt der Mensch, was rechts und links an seinem Lebenswege krank und bittend die Hände hilfesuchend breitet, und wo die Macht zu helfen und zu heilen fehlt, da mag ein Wort der Liebe die Dornen in Rosen verwandeln und dem Leide die Ergebung als Trösterin beigesellen.« »Und welche Zeit wäre geeigneter,« sprach Spee mit einem dankbaren Blick nach dem jungen Priester, »als die unsere? Was ist es, was die Scheiterhaufen aufrichtet und ihre mordenden Flammen durch das Land verbreitet? Ist es nicht des Volkes Unwissenheit und Aberglaube, was die Hexen schafft? Ziehen dunkle Wetterwolken übers Firmament und senden Wolkenbrüche, Verderben nieder, verwüstet Hagelschlag des Feldes Segen, unterwühlen Mäuse rings die Äcker, bricht ein Sterben unter Menschen oder Tieren aus, ja, weicht eine Krankheit der Kunst des Arztes nicht: so ist's dem Volke nicht des Himmels Strafe, nicht ein Werk der zürnenden Gottheit, -- nein, die Hexen und der Satan sind es, welche die Natur auf böse Bahnen gezwungen. Mit der Unwissenheit ist gepaart der Neid. Dem Nachbar geht es wohl, ein reicher Gottessegen füllt sein Haus. Da neigt der Neid sein grinsendes, giftiges Angesicht zum Menschenherzen und flüstert ihm zu: Warum dort Glück und Wohlstand und warum nicht bei dir? Weißt du warum? Jener dankt es dem Bösen, dem er seine Seele verkaufte für irdisches Glück. -- Er betet doch und ist fromm? -- Gerade dieses ist ein sicheres Zeichen, daß er es mit dem Bösen hält. -- Mußt' ich doch kürzlich von angesehenen Männern den Ausspruch hören, daß, wenn sich einer als frommer Sohn der Kirche zeigt, sich öfters mit Weihwasser besprengt, in den Kirchen fleißig betet und besonderer Andacht pflegt, er sogleich dem Verdachte der Zauberei verfalle. Denn, so urteilen die verblendeten Menschen: jene müssen einer besonderen Frömmigkeit sich befleißen, sonst haben sie vor dem Satan keine Ruhe. Welch ein Urteil! Und so gräßlich töricht und vermessen auch dasselbe ist, so übte es doch bereits solche Macht über die Menschen aus, daß jedermann sich scheut, seine Frömmigkeit nach außen kundzugeben, ja, daß selbst Priester, die sonst täglich Messe lasen, dies nun schon lange unterlassen, oder wenn sie das heilige Opfer darbringen, es im geheimen tun, damit das Volk nicht ihre Namen mit dem Verdachte der Zauberei befleckt.[B] Wohin, um der Barmherzigkeit Gottes willen, soll es führen, wenn das, was heute Recht und Gerechtigkeit genannt wird, solche Früchte zeitigt! Müssen wir nicht immer mehr der Gottlosigkeit, ja dem nackten Unglauben verfallen, wenn Gottesliebe und Gottesdienst die Zeichen frevler Zauberei sind und über Schmach und Qual und Schande nach dem Scheiterhaufen führen! Steht nicht die Welt an ihrer Neige, wenn das Herz nicht mehr sich frei zum Schöpfer erheben darf, ohne daß ein frommes Gebet den Richter zürnen macht und ihn in blindem Wahne Gott mit dem Satan, Gottesdienst mit Gottesmord verwechseln heißt!« Schönborn sah dem Pater mit wehmütiger Bewunderung ins flammende Gesicht. »Dem Wahne Krieg und Haß,« sprach er, seinen Arm auf Spees Schulter legend. »Es ist Wind und Sonne nicht gleich geteilt unter den Kämpfenden, wenn wir beide gegen eine Welt in Waffen stehen. Aber Gott ist mit uns, die Wahrheit unser Schild, die Gerechtigkeit unsere Liebe und die Liebe unsere Macht!« Die Freunde schieden. Spee trat an das Fenster seiner Zelle und lauschte dem kunstlosen Gesange eines Vögleins, das sich im Schatten einer Fliederstaude wiegte. Die Züge des Mönches gewannen wieder jene schmerzliche Weichheit, die ein Widerschein einer in rastloser Liebe ringenden, schaffenden Seele war. Ein Lächeln glitt, einem flüchtigen Sonnenblicke gleich, über sein Antlitz. »Hab' Dank, du kleiner, gefiederter Gottessänger! Du hast mir Friede gesungen.« Dann kehrte er an seinen Tisch zurück, betete mit Inbrunst, zog ein Heft Papiere aus dem Schiebfache und schrieb eifrig, mit dem Herzblute seiner Liebe, jenes unsterbliche Werk: Die _Cautio criminalis_.[C] 3. Kapitel: Jahrmarkt Es ist Sonntag und Jahrmarkt in Heidingsfeld, einem gewerbsamen Orte, eine Stunde oberhalb Würzburg gelegen. Der Weg dahin führt zwischen Weinbergen, die sich eben mit dem ersten Laube schmücken, und dem Maine, der sich hier hart an die staubige Straße drängt. Rings buntes, fröhliches Leben, das sich auf Straße und Fluß singend und lachend fortwälzt. Lustiges Studentenvolk, Arm in Arm und kecken Lebensmut im frischen, klaren Auge. Dralle Dirnen, stolz im Sonntagsrocke, flüsternd, kichernd, nach den Jungen schielend und dann wieder züchtig schmollend. Handwerksgesellen, derb in Wort und Lied, das Wams vorne aufgenestelt, um mit der ganzen Brust zu atmen; ihr Sang ist keck, ihr Lachen kräftig, wie die Faust, die sonst den Hammer oder Hobel führt. Nun ehrenfeste Meister mit bärtigen Gesichtern, die zufrieden schauen, wuchtig schreitend, jede Linie Bürgerstolz. Das Tuch ist fein und tadellos die Krause, echt das Geschmeide wie der Stein im Ringe. Und erst die Frauen, die an ihrer Seite gehen, züchtig, freundlich, reich geschmückt in Sammet und Spitzen! Und gar die minnereichen Töchterlein, des Vaters und der Mutter Stolz! Wie sie die Augen senken und heben, je nachdem sie von Jünglingen gegrüßt werden oder in Neugier da und dorthin schauen! Dann ehrentapfere Herren vom Rate, gnädig grüßend, langsam schreitend, alles helle Würde und Erhabenheit. Nun Junker, tänzelnd, fein vom Bärtchen bis zur Degenspitze, jeder Dirne dreist ins Antlitz schauend, den Bürgergruß kaum gnädig achtend, blitzend in Geschmeide -- und endlich Landsknechte, in festem, gleichem Schritte die Straße stampfend, brüllend, lachend, mit den Dirnen schäkernd. Und über all dem bunten Wogen und Drängen helle Sonnenflut und von den Bäumen her und rings aus allen Büschen Vogelsang und Frühlingsgruß. Am Marktplatze von Heidingsfeld floß all dies wogende Leben, wie im Meere die Ströme, zusammen und staute sich. Rings um die wetterschwarze Kirche standen schlechte Buden, aus Brettern leicht gezimmert. Dort pries der Krämer wie der Jude seine Ware feil und lockte die Dirnen und die Frauen, daß sie lüstern nach dem Taffet und den Ringlein schielten. »Zum Brautschmuck,« schmeichelt süß der Jude und fängt mit solchem Worte ein Maidlein um das andere in seinem Netze. Und wie sie glücklich sind, die guten Dirnen, daß ein goldener Ring nun an ihrem Finger glänzt! 's ist helle Pracht! Die Bürger schreiten stolz vorüber. »Ist schlechte Ware; und wollt ihr gute, kauft bei mir. Das Judenpack und das fahrende Krämervolk betrügen euch nur!« Und ob die Hausfrau auch zuweilen meint, 's ist gute Ware, und just dies und das tät' dem Haushalt not -- der Alte brummet: »Nein; 's ist Lumpenware.« Doch sieht der Meister den Schild zum »grünen Drachen«, so blickt er minder strenge. 's ist gute Herberg, die dort winkt, der Wein so goldig blinkend und so blumig duftend. In der großen Stube mit den schweren Eichentischen herrscht lautes Leben! Becherklirren, froher Sang und ernstes Wort. Das Naß ist wonnig gut. Siehst du, wie oben auf dem flüssigen Golde der Kobold froher Laune, heitern Scherzes sich schaukelt; und weiter unten sitzt der Minnebub und spitzt die Pfeile, und auf dem Grunde liegt ein wüster Geselle, das ist der Rausch! »He, Meister Rimphold, tapfern Gruß und Trunk! Ich bring' es Euch und Euerer werten Hausfrau!« ruft ein dicker Zecher, neue Ankömmlinge mit dem Becher grüßend. »Dank' Euch, Meister Brinhard. Euer Wohl!« »Ei, nehmt hier Platz; viel Schaf' in einem Schafstall,« lachte er, gegen die Ecke rückend. »Wie wohl es tut, die frische Luft zu trinken, statt der Stadtluft,« sprach Meister Rimphold. »Trink lieber Wein!« »Ist auch nicht schlechte Wahl!« »Was wißt Ihr neue Zeitung?« »Just nichts Gutes. Das arme Würzburg!« »Was meint Ihr damit?« »Nun, was denn sonst, als jenes leidige Hexenverbrennen.« »Ah,« rief Brinhard und stemmte seine Arme auf den Tisch, »das nennt Ihr leidig? Bei Gott, ich nicht! Seht, Rimphold, wenn ich Vogt oder Ratsherr wäre, ich ginge noch viel schärfer drein. 's ist ausgemacht und so gewiß, als über uns die Sonne scheint, daß Hexen, Zauberer und Unholde in ganz schrecklicher Menge Luft und Brunnen, Mensch und Vieh und Feld und Frucht verderben. Da ist's doch wahrlich gute Pflicht, dies Satansvolk zu verbrennen.« »Woher wißt Ihr, daß es Hexen gibt?« »Sagen's nicht die Richter und die weisen Räte?« gab dieser stolz zurück. »Also muß es wahr sein. Erlaubt, daß ich Euch das Ding genau erkläre. So ist die Sache. So eine eine Hexe werden will, ruft sie den Teufel. Der kommt, als Jäger meistens, macht den Handel ab, verlangt die Seele und einen Pakt, mit Blut geschrieben, und gibt dafür Gewalt, an Mensch und Vieh zu schaden. So ist's.« »Glaub's nicht. Wo bliebe da unser Herrgott?« »Was schiert ihn das? Will er es nicht hindern, daß ich ihn durch die Sünde verleugne, warum soll er mich hindern, daß ich des Teufels werde?« »Hört, werter Meister, tut mir den Gefallen, und lasset den Gottseibeiuns aus unserer Rede! Mir ist's, als röch' ich Schwefel und atmete siedendheiße Luft.« »Wir Ihr wollt. Aber das müßt Ihr mir zugeben, daß in unserer schönen Stadt schon lange kein so verdienstliches Werk geschehen als nun in unseren Tagen, da die Herren mit dem Hexenvolke kurzen Handel machen.« Meister Rimphold schüttelte den Kopf und schaute trüben Blickes in seinen Weinbecher. »Begreif' Euch wohl,« fuhr Brinhard eifrig fort. »Ihr seid gar weich gemütet, da tut Euch solches Morden weh. Aber gut und recht ist's doch, ich kann's Euch sagen. Es muß das schlimme Volk mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden, sonst ist die ganze Welt verloren. So ist's!« Und trank den Becher leer. »Hört mal die Kunde, die aus dem Bambergischen kam!« fuhr er wieder fort. »Da haben sie in Zeil in kurzer Zeit mehr denn hundert Menschen, darunter acht vom Rate, wegen Hexerei verbrannt. Item: Zwei Metzger -- denkt euch solche Bosheit! -- haben die Weide um Bamberg vergiftet, daß das Vieh elendiglich umkam. Dann haben sie der Leute Augen verblendet, daß sie das tot in die Stadt geschleppte Vieh für lebend hielten, haben das Fleisch verkauft und nicht wenig Menschen dadurch um Leben und Gesundheit gebracht. Was sagt Ihr jetzt zu solcher Kunde?« »Erklärt mir erst, wie jene die Weide vergiftet haben und wie sie der Leute Augen blenden konnten?« warf Rimphold zweifelnd ein. »Das ist ganz klar,« gab jener schnell zurück, »das taten sie durch Satanskunst.« »Das ist, verzeiht mir, fades Gerede!« »Sind aber doch justifiziert worden!« »Das ist erst gar kein Beweis für solche Schuld.« »Hört, Meister Rimphold, Ihr seid ganz schrecklich ungläubig!« »Ich halte es mit dem Pater Spee.« »Weiß schon, weiß schon,« eiferte Brinhard, »der junge Jesuiter meint, er wüßte allein, was Wahrheit ist. Will Euch was sagen. Mag sie alle nicht, sind ein gar stolzes Volk, die Jesuiter! Die hätten wohl aus unserem Würzburg wegbleiben können.« »Wie mögt Ihr solches reden!« tadelte Rimphold. »Sag's ich allein? Gewiß nicht! Ihr wißt nicht, was ich weiß. Die Räte und die Herren am Gerichte maulen schon ziemlich laut, man soll die Jesuiten weiterjagen. Stecken ihre Nase in alles, was sie nichts angeht, sogar ins Hexenwesen. Als ob sie davon nur ein Tüpfelchen verstünden! Gott steh' mir bei! Hätten wir nicht so kluge Räte und Richter, es wäre längst um uns geschehen.« -- -- -- -- Hinter den Häusern ist eine große Wiese, deren östliche Seite von einem sanft ansteigenden Hügel begrenzt wird. Hier hat der Jahrmarkt seine Genüsse für das tanzlustige und gaffende Volk ausgebreitet. Einige zigeunerhafte Gestalten vollbringen eine schrille, quiekende Musik, zu der die Dirnen und die Burschen sich in wildem Tanze drehen. Dort raufen stramme Handwerksgesellen mit übermütigen Soldaten, bis der Büttel Ordnung schafft. In einem Winkel, überschattet von dem jungen Grün einer Buche, sitzt ein altes Weib. Vor ihr steht ein kleiner Tisch, und auf diesem liegt ein Pack grober Zettel. »Kommt, Jungferchen,« ruft sie mit kreischender Stimme, »kauft Euch einen Zettel! So Ihr ^den^ im Hause habt, geschieht Euch alles, was Ihr wünscht, wär's noch so viel.« Die Dirne schaut verlegen bald auf die Alte, bald auf die Zettel. »Zeigt mir 'mal!« Die Alte breitete ein Stück Papier aus. Auf demselben stehen folgende Buchstaben: _I. C. H. G. D. W. S. M. S. P._ »Und was soll dies heißen?« fragte das Mädchen. »Das heißt, merk' fein auf,« mahnte die Alte und fingerte an den Buchstaben, »das heißt also: _I_ch _C_hristus _H_eiße _G_eschehen _D_ies _W_under _S_ei _S_ehend. Und hier _M. P._ das bedeutet, daß unser Herr den Zettel selbst geschrieben hat. Wird also wohl ein wertvolles Schreiben sein!«[D] »Ei freilich!« stammelte die Dirne. »Ist aber der Zettel auch geweiht?« »Dummes Ding,« schmähte die Alte; »was braucht es hier noch Weihe! Untersteh' dich nicht, den Zettel einem Priester zu zeigen! Hast du gehört?« »Hab' schon gehört! Und was kostet denn dies kostbare Papier?« »Einen Batzen.« -- -- -- * * * * * »He, Alte,« ruft ein Landsknecht, »kannst du auch wahrsagen?« »Vielleicht mehr als Euch lieb ist,« gab diese kurz zurück. »Hoho, wüste Krähe,« lachte der Soldat, »nur nicht so patzig! Laß 'mal hören!« »Was wollt Ihr wissen?« »Ja, was denn nur? Sag' meinetwegen, ob's nicht bald ein lustig Krieglein gibt? Aber so du mich anlügest, klopf' ich dir dein altes Fell!« »Ihr Herren seid doch immer ungeschlacht!« zürnte die Alte, ein Brett mit bunten Zeichen auf den Tisch legend. »Ihr könnt leicht übermütig sein; euch ist fürs Tagedieben ein besserer Tisch gedeckt als dem Bürger für die Arbeit.« »Nimm guten Rat an und schweige!« mahnte der Landsknecht. »Soldatengeduld reißt leichter als dünner Zwirn.« »Seht hier das Horoskopium. Die Frage ist, ob Krieg. Nun hört: Weil [Symbol: Mars] als der Herr des Horoskopes des Fragenden Bedeuter und das Gefragte ist, und [Symbol: Konjunktion?] darüber steht und zwar quer von [Symbol: Venus], so wird's bald großen Krieg geben, absonderlich, da [Symbol: Mond] das _VII._ Haus über sich hat, selbes mit einem [Symbol: Trigon] ansieht und damit in glücklichem Fortgange steht, in [Symbol: Konjunktion?] [Symbol: Sonne] sich befindet und wachsend ist, und dabei [Symbol: Jupiter] im _VIII._ Hause die [Symbol: Konjunktion?] [Symbol: Mars] [Symbol: Venus] mit einem [Symbol: Trigon] aus [Symbol: Merkur] günstig anschaut.«[E] »So,« sagte der Landsknecht, spreizte die Beine und stemmte die Arme in die Hüften. »Wo hast du denn den unsinnigen Hokuspokus gelernt? Hahaha, das Ding ist dir wie Rotwelsch aus dem Maul gegangen!« Und lachend wandte er sich zum Gehen. »Einen Sechsbätzner!« herrschte die Alte. Der Landsknecht drehte den Kopf nach ihr. »Einen Sechsbätzner?« höhnte er. »Den zahle ich nach dem Kriege.« Die Alte murmelte einen Fluch zwischen den Lippen, nahm das Horoskop und wickelte es wieder sorgfältig in ein Tuch. -- -- -- -- -- Hinter einer Ecke abseits dem Tummelplatze kauerten drei Gestalten, zwei Männer und ein Weib. Ihre Rede ist flüsternd, ihr Auge streift zuweilen forschend, lauernd durch das Dickicht. »Heute nacht ist's passende Zeit.« »Du oder ich?« »Das Feuer leg' ich.« »Und ich plündere?« »Ja. Helena muß aber erst auskundschaften.« »Wo treffen wir uns wieder?« »Hier!« »Wann?« »Um zwölf Uhr.« »Daß du mir nüchtern bleibst!« mahnte der Zuckerwastl. »Sei ohne Sorge. Morgen ist bessere Zeit zum Trinken,« gab der Neunaugen zurück. -- -- -- -- Eine Schaubude. Vier Stämme sind in die Erde gesteckt und mit Brettern umzogen. Vor dem Eingange steht ein widerlicher Kerl und schreit mit heiserer Stimme: »Wer das größte Wunder sehen will, der komme hieher. Ein leibhaftiger Alrunn, vor hundert Jahren schon ganz ausgewachsen.« Das Volk gaffte, zögerte und trat ein. Da lag auf einem Tische eine gespaltene Mandragorawurzel,[F] die Gestalt eines verstümmelten Menschen im Dämmerlichte einigermaßen wiedergebend. »Bst!« mahnte der Gaukler die langgestreckten Hälse. »Geht zurück und seid stille! Ihr seht ja, daß der Alrunn schläft, und wenn er erwacht, dann ist er so gewaltig böse, daß er alles zerreißt. Nehmt euch in acht!« Noch ein schneller, scheuer Blick, und hinaus drängt sich das verblüffte Volk. -- -- An einer anderen Stelle steht auf einer Tribüne ein großer, starker Mann. Er weiß sich mit großer Würde zu tragen und sieht auf die dichtgedrängte Menge mit unverkennbarer Geringschätzung herab. Er ist ein sogenannter Wasserspritzer und Feueresser, eine für jene Zeit ganz unheimliche Erscheinung. Nachdem er einen Augenblick hinter einen Vorhang, der ihn den Blicken der Zuschauer entzog, getreten war, kehrte er wieder auf die offene Bühne zurück, ließ sich acht Gläser frischen Brunnenwassers geben und trank dieses. Dann gab er es in einzelne Gläser wieder von sich, aber nicht als Wasser, sondern als Wein von jeder Färbung, vom dunkelsten schwärzlichen Neapolitaner angefangen bis zum hellgoldigen Würzburger Landwein herab. Dann ließ er wohlriechende Wasserstrahlen aus seinem Munde ausgehen, oder er schoß Wasser wie ein Röhrenbrunnen aus seinem Magen in die Luft.[G] Die verblüffte Menge ward starr vor Erstaunen, als sie dies alles sah. »Der hat den Teufel im Leibe,« flüsterten die Leute untereinander; »ein gewöhnlicher Mensch kann solche Wunder niemals tun.« Unterdessen hatte sich der Gaukler ein Becken glühender Kohlen bringen lassen. Davon nahm er etwelche in den Mund, zerkaute und aß sie. Dann zündete er einen Klumpen Schwefel und Pech an und verschluckte ihn mit der blau brennenden Lohe. Ein glühendes Eisen leckte er mit der Zunge, daß es zischte, und ein anderes nahm er zwischen die Zähne und trug es eine gute Weile im Munde umher.[H] »Nun sag' mir einer, daß es nicht Zauberei und Hexenkünste gebe,« rief Meister Brinhard, der unter der Menge stand, händeringend aus. »Wer von uns begreift solch arge Kunst? Da gibt es nur ^einen^ Schlüssel, das ist der leidige Satan. Hätte der Mann da aber nicht Gemeinschaft mit dem Bösen, nimmer könnte er Feuer essen; aber der Teufel hat ihn fest gemacht. Liebe Leute, 's war großes Unrecht, daß wir ihm zugesehen haben, und eine richtige Obrigkeit sollte solch ein Höllenspiel gar nicht dulden. Mich reut der Anblick, verzeih' mir Gott die Sünde!« »Ja, ja, 's ist Teufelsspuk,« murmelten die Männer kopfnickend nach, die Weiber aber schlugen Kreuze und liefen weit davon. -- -- Am nördlichen Ende von Heidingsfeld steht ein großer Hof. Hohe Mauern umschließen ihn und gewähren nur durch das Tor von der Straße her den Eingang in das Innere. Rechts im Hofraume stehen lange Ställe, links Getreidekästen, in der Mitte mehr nach rückwärts befindet sich das stattliche Wohnhaus. Die Abendschatten liegen bereits in langen Dämmerstreifen über dem stillen Gehöfte. Die Bewohner sind alle nach dem Markte gegangen, um an dem frohen Treiben, muntern Zechen sich die Laune neu zu beleben; nur in der Küche steht ein junges Weib, damit beschäftigt, über hellflackerndem Feuer aus brodelndem Schmalze jene starkduftigen Kücheln zu backen, die auf dem deutschen Bauerntische der willkommene Markstein festlicher Zeit sind. Der Hausstand muß wohl zahlreich sein; denn trotz der Berge von goldbraunem Gebäcke fährt die Hausfrau emsig fort, neuen Teig in das heiße Schmalz zu legen. Das Anschlagen des Hofhundes stört sie aus ihrer geschäftigen Ruhe. Durch das nach dem Hofraume gehende Fenster sieht sie ein scheu um sich blickendes Weib dort eintreten, das bald vor ihr unter der offenen Küchentüre steht. Die demütige Miene paßt schlecht zu dem rohen Gesichte, das unter den halbgeöffneten Lidern hervorlauernde Auge schlecht zu der bittenden Rede. Die Bäuerin hatte nach etwas Kupfermünze gesucht, um die Bettlerin damit zu beschenken. »Vergelt's Euch Gott und Unsere Liebe Frau!« dankte die Landstreicherin. »Stoßt mich nicht von Eurer Schwelle, bin ein armes fahrendes Weib, das kein Heim hat. Gönnt mir einen Augenblick Rast in Euerem Hause; Gott möge es Euch an Eueren Kindern lohnen!« »Hab' keine Kinder,« gab das Weib kurz zurück. »Kommt in die Küche, da mögt Ihr rasten, solange es Euch gefällt.« Helene folgte schüchtern der Einladung und setzte sich in einen Winkel, wo sie die ihr geschenkten Speisen verzehrte. Dabei ließ sie ihre Augen bald nach allen Seiten rollen, bald schlug sie dieselben nieder, als wäre sie ein Bild von Zucht und guter Sitte. »Ihr sagtet vordem, Ihr hättet keine Kinder. Habt Ihr wohl Feinde, die Euch solches Leid angetan haben?« »Kann man denn das?« fragte die Bäuerin nicht ohne Schrecken. »Ei freilich; durch böse Kunst, durch Hexen, Zauberer wird solches leicht bewirkt.« »Wißt Ihr das gewiß?« »Gott sei's geklagt!« seufzte die Landfahrerin. »Ihr ahnet nicht, was böse Menschen alles können.« »Ihr seid wohl reich?« fuhr Helena nach einer Pause weiter. »Da fällt Euch solch Entbehren doppelt hart. Dem Armen ist's oft Wohltat, wenn er Not und Hunger nicht mit einem Kinde zu teilen braucht. Aber der Reiche, der dem Kinde ein sorgloses Dasein schenken könnte, ist wahrlich arm bei allem Reichtume, wenn ihm der Kindersegen fehlt.« »Ist wahr; hab' Geld und Gut genug, um zehne zu ernähren. Gäb' all das Silber im Kasten oben gerne her, hätt' ich ein Kind dafür. Will's aber unser Herrgott nicht, so murre ich auch nicht.« »Ich hätte wohl ein sicheres Mittel gegen Euren Kummer. Soll ich Euch helfen?« fragte Helena nach einer Weile. Die Bäuerin sah sie lange mit ihren klugen Augen an. »Ich meine, wenn Ihr hier Rat und Hilfe wüßtet, so brauchet Ihr nicht betteln gehen. Da gäb' es Gold genug. Dank' Euch für Eueren Willen.« »Wie's Euch beliebt,« sprach Helena in weniger demütigem Tone. »Laßt Euch bedankt sein für Speise und für Rast. Behüt' Gott!« Sie erhob sich und ging, als bände Müdigkeit noch ihre Glieder, schleppend aus dem Hause, spähend, in alle Winkel lugend. Doch kaum aus dem Hoftore getreten, ward ihr Wesen wieder keck und fest. Mit einem trotzigen Blicke schaute sie über die Mauer nach dem Dache des Gehöftes, über welchem eben die ersten Mondlichter zitterten. -- Der Abend war zur Nacht geworden. Die Fiedeln in den Schenken wurden stille, das Lärmen, Johlen, Singen war zu Ende. Ein Licht ums andere erlosch und immer dichter ward die Nacht. Wetterwolken zogen ihren düsteren Schleier über Mond und Sterne und der Sturmwind heulte klagend, pfeifend, zürnend durch die Gassen. Es ist Mitternacht. Zwölf dumpfe Schläge, die der Sturm sich aus den Glocken bricht und mit sich fortträgt über die nächtige Flur! Was glüht dort durch die Nacht? -- Nun schwache Röte gleich dem Dämmerlichte im Nebel, nun plötzlich wachsend bis zur Flammenflut, den schwarzen Mantel der Nacht mit rotem Glaste überströmend! Hilf Gott im Himmel, welch ein Feuer! Und wie die Glocken wimmern, Menschen klagen, Tiere brüllen! -- Ein schreckliches Bild! 4. Kapitel: ^Eine Hexe^ Unterhalb der Mainbrücke in Würzburg steht ein altes, düsteres Haus. Die Mauern sind schwarz geworden von Ungewitter, Sturm und jeglicher Unbill der Zeit; regellos starren aus dem kalten Gestein wie Augen aus dem Totenschädel die Fenster mit teils erblindeten, teils gebrochenen runden Scheibchen. Ein kleiner Erker, mit Holzwerk durchzogen, hängt müde gegen die Straße und auf seinem Spitzdache knarrt eine rostige Wetterfahne. Der Eingang ist niedrig. Die Pfosten massiv aus Stein, die Türe aus Eichenholz, in dem der Wurm schon längst sich heimisch fühlt. Eine enge, unter jedem Fußtritt ächzende Wendeltreppe führt nach dem ersten Stockwerke und in eine große Stube. Das Getäfel der Decke ist tiefdunkel und drückt wie ein Alp. Der große grüne Kachelofen mit seinen unbeholfenen Schildereien auf den morschen Kacheln drängt sich fast bis zur Mitte des Gemaches. Die Wände sind grau und schmucklos. Kein Bild, kein Kreuz winkt frommen Gruß. In der einen Ecke steht ein hohes Bett, daneben ein alter Schrank mit einer Unzahl von Gläsern und Töpfchen, ferner ein alter Totenschädel, Büchschen, aus denen Kräuter hängen, ein dickes Buch, schmutzig und abgegriffen, darauf eine Brille, mächtig groß und schwer. Die andere Ecke füllt ein breiter Tisch und hochlehnige Stühle. Das Glas der Fenster ist mit Staub und Schmutz überzogen, ein eigen Dämmerlicht liegt kalt und frostig über diesem Raume. Ein altes, häßliches Weib steht am Fenster und starrt mit den stechenden, schielenden Augen träumend ins Weite. Die große, hagere Gestalt ist noch ungebeugt von den Jahren, die den Scheitel gebleicht und die Wangen tief gefurcht haben. Zuweilen zuckt ein Blitz aus diesen Augen, dann spielt ein höhnisch grinsendes Lächeln um die dünnen Lippen, und wieder ist's wie Sturm und drohendes Ungewitter, was auf tiefem rätselhaften Angesichte wetterleuchtet. Nun geht sie zurück zum Schranke neben dem Bette. »Hm,« brummt sie verdrießlich, »die Herren machen Ernst. Schütteln sie doch die Hexlein wie Äpfel von den Bäumen. Puh! die Luft riecht nach Menschenfett, und nachts heult der Wind klagend, als wären es die Seufzer der Gemordeten. Haben sie erst gestern wieder so ein armes Geschöpf unter meinen Fenstern vorbei nach der Richtstätte gefahren, und das Volk hat gejohlt und geflucht und nur wenige haben geweint. War ein junges Blut und schier zum Erbarmen, wie ihm die heißen Tränen so brennend übers Totenhemd rollten und aus den wunden Augen ein gebrochenes Herz schrie. Habe nun auch den Pater Spee gesehen, von dem sie in der Stadt so vieles reden. Mag ihn nicht; kann das fromme Volk nicht leiden, nicht Kutte und nicht Priester. Aber es hat mir doch gefallen, daß er mit auf den Karren stieg und dem Hexenblut die Höllenfahrt leichter machte.« »Höllenfahrt?« fuhr sie nach einer Pause fort. »Weiß ich's, wohin der Weg vom Sterbebett und vom Galgen führt? Hu, es ist ein frostiger Gedanke -- wenn's zum Teufel ginge!« »Zum Teufel! Habe soviel Spott mit dummen Menschen in des Teufels Namen getrieben und nichts von Furcht und böser Ahnung empfunden; und heute ist's mir, als packte eine Totenhand mich an der Seele, wenn ich an den Teufel denke. Tolles Zeug! He, Totenschädel dort, gibt's einen bösen Geist? Du redest nicht! Glaub's wohl, hihi! Aber wie du grinsest, als zuckten Höllenlichter durch die leeren Augenhöhlen. -- Dummes Gebein!« knurrte sie und stieß ihn auf den Boden. »Wen haben sie nun schon verbrannt, diese weisen Herren?« fuhr sie in ihrem Selbstgespräche weiter. -- »Habe sie mir alle wohlgemerkt! Da ist die Lieblerin, des Ankers alte Witwe, die Gutbrodin und die dicke Hökerin. Das war der erste Brand. Gleich darauf die alte Beutlerin, die Schenkin und zwei fremde Weiber. Dann kam der Tungersleber, der lustige Spielmann, die Kulerin, die Stierin, die Goldschmiedin und ihre Nachbarin, die Bürstenbinderin, an die Reihe.[I] Und gestern das junge Mägdelein! Ob sie nun genug Menschenfleisch geschmort haben, die Schakale und Hyänen? Ich glaube es nicht! Nein, sie ruhen nicht, bis nicht die schöne Stadt leer steht und das Land entvölkert ist! Und wenn sie nun auch mich für eine Hexe hielten?« Die Alte schnellte bei diesem Gedanken bebend in die Höhe. »Mich?« keuchte sie, und ihre Brust hob und senkte sich in fliegender Hast. »Mich? Nein, mich lassen sie in Ruhe. Die alte Ammfrau Bernin wagt keiner anzugreifen, sonst wehe ihm! Da drinnen in dem alten Herzen kocht und brandet Leidenschaft genug, und in meinem Hirn, so müde es seit siebzig Jahren auch geworden ist, ist immerhin noch Witz genug, um mit den Herren am Gerichte manch scharfes Wort zu reden. Bin kein junges Gänschen, das nicht Red' noch Antwort weiß, haha! Ob nicht die Herren alle zuschanden würden, wenn sie an mir ihr Recht und ihren Witz versuchen wollten!« Ein Poltern von der Stiege her unterbrach der Alten Selbstgespräch. Sie horchte auf und ihre Augen starrten in fiebernder Neugierde nach der Türe. »Ist's vielleicht der Henker?« flüsterte sie und drückte die Rechte aufs pochende Herz. Ein Jüngling trat ein, ein frischer, fröhlicher Student. Sein Angesicht, von dunkeln Locken beschattet, widerstrahlte Lust und Schalkheit und sprudelnden Geist. Einen Augenblick blieb er betroffen stehen, der erste Eindruck des ihm völlig neuen Bildes streifte seine Seele mit frostigem Erstaunen. Dann nahm er, rasch sich wiederfindend, seine Mütze ab und grüßte freundlich. »Verzeiht, liebwerte Frau, daß ich Euere Ruhe störe! So Ihr mir Gunst erweisen wollet, schenkt mir ein Stündlein Euerer Zeit und ein Körnlein Eueres tiefen Wissens. 's ist wahr, hab' viel gelernt auf Schulen und bei weisen Meistern. Bin vieler Sprachen kundig[J] und gar wohlgerühmt bei allen ob meines lieblichen Gesanges und gar süßen Lautenspieles. Und doch, was hilft mir all dies tote Wissen, was Sang und Lautenschlag, wenn hier das Herz in Leid und Trübsal ringt? Wo aller Menschenwitz ein Ende hat und jeder Weisheit Lehrer seine Ohnmacht bekennt, da beginnt Euer Reich und Euere Kunst. Seid mir gewogen und laßt Euch mein Leid erzählen. Dann gebt mir guten Rat und frohen Trost. Ich will's Euch tapfer danken.« Die alte Ammfrau hatte dem Jünglinge mit steigendem Vergnügen zugehört. »Und könnt Ihr schweigen?« fragte sie mit Nachdruck. »Wie diese ehrwürdigen Wände hier oder, wenn Ihr wollt, wie dieser Totenschädel,« beteuerte der Student. »Den laßt in Ruhe,« knurrte die Alte und hob den Schädel auf, um ihn wieder auf den Kasten zu stellen. »Und nun Euer Begehren?« »Bin, wie Ihr seht, ein junges, frisches Blut voll Lebensdrang und keckem Mut. Von armen Eltern stammend, doch mit hellem Geist begabt, hab' ich, dank edlen Priestern, des Wissens viel errungen. Doch nicht genug! Mein Geist will weiter forschen, bis er satt geworden, aber -- dies macht mein Glück nicht voll. Zwei Fragen sind es, die mich quälen. Und diese sollt Ihr lösen durch Euere Kunst.« »Erstlich sagt mir: Worin und wo ich mein Glück finden werde?« Der Blick des Jünglings und jener der Alten begegneten sich und ruhten eine Weile forschend aufeinander. Dann erhob sie sich, ging nach dem Ofen und kehrte mit einem Stück Kohle zurück. Sie zeichnete mit demselben einen Kreis auf die Tischplatte und teilte ihn durch Ellipsen. Die einzelnen Segmente füllte sie mit Zahlen und kabbalistischen Zeichen, nur die Mitte ließ sie frei. Der Jüngling sah mit lächelnder Miene ihrem Treiben zu. »Habt Ihr gut schreiben gelernt!« »Stille!« mahnte die Alte und schrieb weiter. »So; nun gebt mir Blut, einen Tropfen.« Der Student reichte der Alten seine Hand und ließ sich mit einem scharfen Messer die Haut ritzen. Das aufgefangene Blut ward in die Mitte der sich kreuzenden Ellipsen gestrichen. »Setzt Euch!« sprach sie, nach einem Stuhle hinterm Tische zeigend. »Euer Stern steht hier. Ihr seht dies Zeichen? Es deutet hohes Lebensglück und stolzes Hoffen. Ehre und Amt winken Euch, und Gold und Minne.« »Das klingt ganz gut,« warf der Jüngling zufrieden ein. »Schweigt!« herrschte die Alte und horchte nach der Straße, von der herauf verworrene Stimmen drangen. Einen Augenblick starrte Angst aus ihren Zügen, dann fuhr sie fort: »Dies Zeichen hier sagt Euch nichts Gutes. Übermut verleitet Euch zu einer Tat, die Euch das Leben kostet, ehe Ihr noch wißt, wie süß das Leben sei. In langer Kerkernacht wird Euch ein Trost noch werden, -- das deutet dieses Bild, doch dann --« Mit einem Stoße flog die Türe auf und Vogt und Schergen traten ein. Die Alte ward zu Stein, die Augen drangen aus ihren Höhlen und stierten auf den Richter. »Was wollt Ihr?« krächzte sie und hielt sich mit der Rechten an dem Tische fest. »Dich, Gertrud Bernin, insgemein die schielende Ammfrau genannt,« entgegnete der Vogt mit hoher Amtsmiene. »Mich? Und warum?« grinste die Alte. »Sie ist dringend verdächtig, ja schier schon überwiesen, daß Sie sich mit höchst verdammlicher Zauberei und Hexenkünsten befaßt hat.« »Schier schon überwiesen?« wiederholte die Alte höhnisch. »Die Herren sind schnell.« Der Vogt blieb in einiger Entfernung von der Alten stehen, indes diese von den Schergen an den Händen gebunden und ihr überdies noch zu größerer Sicherheit ein Strick um den Hals gelegt wurde. Die Bernin ließ dies mit scheinbarer Ruhe an sich geschehen; wer ihr aber tiefer ins Auge schaute, konnte dort Schrecken und Ingrimm flammen sehen und an dem konvulsivischen Zucken, das zuweilen ihre Glieder schüttelte, die furchtbare Erregung, die sie erfaßt hatte, erkennen. Unterdessen hatte sich der Vogt dem Studenten genähert, der mit nicht geringer Überraschung den Vorgängen folgte, deren Zeuge er so unverhofft geworden. »Ah, also auch hier?« zürnte er. »Wie ist es möglich, daß man, da man doch in Künsten und Wissenschaften so wohlerfahren ist, auch bisher sich eines christlichen guten Rufes erfreute, nun in solch höchst gefährlicher Gesellschaft sich befindet?« »Herr Vogt,« entgegnete der Studiosus mit schwer verhaltener Entrüstung, »ich hoffe --« »Ihr habt hier gar nichts zu hoffen,« eiferte jener. »Mitgefangen, mitgehangen. Juridischer Grundsatz das. Doch,« fuhr er fort, den Kreis mit den kabbalistischen Zeichen auf dem Tische erblickend, »was seh' ich hier? Gott stehe mir bei! Reine Teufelskünste! Und Blut!« rief er schauernd. »Blut von mir!« gab der Student mit mürrischem Trotze zurück. »_Indicium maximum!_ Man binde auch diesen Studenten, da solcher sonder Zweifel eine höchst gefährliche Malefizperson ist.« Der Student zog seinen Degen, um die Schmach von sich abzuwenden; allein die Schergen fielen ihm von rückwärts in die Arme und fesselten ihn nach kurzer Gegenwehr. Nun hatte der Gestrenge auch Muße, sich im Zimmer umzusehen, was unter nicht geringem Kopfschütteln und allen möglichen Ausrufen des Entsetzens geschah. Und als er seinen Amtsschreiber vorrief, daß dieser ein kurzes Protokoll aufnehme, weigerte sich dieser ganz entschieden, auf einem Tische zu schreiben, auf welchem Teufelszeichen und Menschenblut zu sehen seien, oder auf einem Stuhle zu sitzen, auf dem gewiß Hexen, wenn nicht gar der leibhafte Gottseibeiuns gesessen. Lieber wollte er sein kleines Amt und mageres Brot verlieren. »Kann ihm nicht ganz unrecht geben,« bestätigte der Vogt, mit seinem tiefroten Kopfe gnädigst nickend. »Aber ein Protokoll muß sein, und müßte es in der Luft geschrieben werden.« »Solches wäre doch reine Hexerei!« spottete der Student. »Ein ganz erschrecklich böses Maul!« polterte der Gestrenge. »Man wird augenblicklich schweigen. Er aber, Petrus Hänflein, mag sein Protokoll dort am Fenstergesimse schreiben. _Quod non est in actis, non est in mundo._ Pah, man weiß, was Rechtens ist. Also, ist Er bereit?« »...... Nach solchem ging man an Untersuchung des Zimmers und fand, wie folgt: 1. Auf dem Tische mit Kohle gezeichnete, sonder Zweifel ganz teuflische Gestalten und böse Zeichen, beinebst einigem Blute. 2. Auf dem Schranke neben dem Bette einen greulichen, wahrhaften Totenkopf, höchst wahrscheinlich bei einem Hexensabbate vom Bösen zu zauberischen Zwecken gegeben. 3. Unterschiedliche Büchslein mit ganz verdächtigen Kräutern. 4. Eine nicht geringe Menge von Gläsern und Fläschlein, gefüllt mit Wassern und Fett, so vermutlich von gebratenen Kindern herrührt. 5. Ist sonderlich auch als ein gar schrecklich Zeichen sicheren Bündnisses mit dem Satan zu bemerken, daß im ganzen Zimmer nicht Kreuz noch Weihbronnen zu finden.« Der Schreiber spritzte die Feder aus, und der Vogt wischte sich den Schweiß von der Stirne. Als er die Alte ansah, bemerkte er, daß ihr Blick fest nach einem Winkel des Zimmers gerichtet war. Und als er dort eine mächtig große Spinne erschaute, die langsam mit ihren dünnen Beinen an der grauen Wand hinankrabbelte, da drückte er seinen Hut fester auf den Kopf und eilte mit den Worten: »Das ist der Teufel selbst!« aus der Stube. Ihm nach folgten die Schergen mit den beiden Gefangenen und zuletzt Herr Petrus Hänflein, große Kreuze mit zitternder Hand schlagend. Unten auf der Straße wogte viel Volk auf und ab und flüsterte sich in die Ohren. Tiefe Stille herrschte, als der Vogt und die anderen mit ihm ins Freie traten. Wie sie die Köpfe zusammensteckten, die Vettern und Basen, und wie sie die Hälse reckten, die Ehrentapfern, und sich anstießen: -- »'s ist 'ne Hexe, hab's schon längst gesagt.« Der Zug setzte sich in Bewegung. Voraus ein Scherge, dann die alte Bernin, am Halsstricke geführt von einem Knechte. Hinter ihr der Student, die Hände über dem Rücken gebunden, das schöne Antlitz von Zorn und Schmerz und Beschämung verzerrt. Rings Schergen und zuletzt stolz aufgerichtet wie ein siegreicher Feldherr der Vogt und ihm zur Seite schleichend, zitternd der Schreiber mit dem Protokolle. Die Menge folgte schiebend und drängend und wandte ihre Aufmerksamkeit immer mehr dem Studenten zu, dem infolge der bis aufs äußerste gesteigerten Aufregung die hellen Tränen über die zuckenden Wangen rollten. »Was es nur mit dem sein mag?« flüsterten sie und bückten sich, um ihm recht unters Gesicht schauen zu können. »Sieht doch mehr einem frischen Jungen als einem Hexenmeister und Zauberer gleich!« »Mein Gott,« schalt ein anderer mit lauter Stimme und schielte dabei nach dem Vogte, »heutzutage ist alles verhext und verteufelt, am Ende auch noch die Herren am Gerichte. 's ist ein häßlich Leben in unserer Zeit!« -- -- Gegenüber dem Grafeneckersturm an der Ecke des Platzes mit dem großen Brunnen steht ein stolzes Haus. Aus seinen geöffneten Erkerfenstern schaut hinter lieblichen Rosen ein herrliches Mädchenangesicht auf die vorüberwogende Menge nieder. Das dunkelblaue Sammetgewand, von goldgesticktem Gürtel umschlossen, blickt wie nächtiger Himmel hinter dem blühenden Blumengesträuche hervor, während das engelmilde Antlitz mit den großen Vergißmeinnichtaugen und mit der goldenen Lockenpracht dem Monde gleich in sanftem Glanze widerstrahlt. Der Zug ist vorüber; ein tiefschmerzlicher Blick aus schönen Augen hat ihn mit einer Träne gegrüßt. Nun schließen sich die Fenster, und es ist, als sei der Mond untergegangen. Edeltraut war auf ihre Kniebank vor dem Bilde des Gekreuzigten niedergesunken. Die zarten Hände bedeckten das glühende Antlitz, die Seele suchte nach Gebet und fand es nicht und rang sich fruchtlos müde. »Tochter,« unterbrach der Greis das Schweigen, »Edeltraut, du weinst!« Das Mädchen erhob sich langsam, strich die Locken aus der Stirne und küßte den Alten. »Ja, Vater, ich habe geweint,« sprach sie, mit dem weißen Tuche sich die Augen trocknend. »Und warum, Kind? Bist du nicht glücklich? Bist du nicht die schönste Maid im Frankenlande, hast du nicht einen Vater, der dich innig liebt? Bist du nicht reich und angesehen, und, was dein höchster Schatz und Schmuck ist, bist du nicht gut und rein und schuldlos wie ein Morgensonnenstrahl? Und dennoch Tränen?« »Ich will's Euch klagen, Vater. Als ich dort am Fenster stand und auf meine Rosen glücklich niederschaute, und sie mir duftige Frühlingsmärchen erzählten, drang dumpfes Wogen von der Straße herauf zu mir. Sie brachten wieder ein armes Opfer des schrecklichen Hexenwahnes an unserem Hause vorüber. Die alte Bernin war's, du kennst sie ja! Und hinter ihr ging -- zwischen Schergen -- gebunden -- ach!« »Um Himmels willen, Tochter, golden Kind!« Das Mädchen war wie zur Leiche geworden und vor des Vaters Füßen zusammengebrochen. Der Greis zog mit stürmischer Hand die Glocke, und bald hatten helfende Hände die Bewußtlose auf ein Ruhebett gebracht. Das Leben kehrte allmählich in den schönen Leib zurück, schwach zitterte der Atem aus der Brust herauf und durch die blassen Lippen, und dann drang zwischen den Lidern eine große, volle Träne hervor und erstarrte wie ein Demant auf den blassen Wangen. Und nun schlug sie langsam die schönen Augen auf, Vergißmeinnichte ohne anderen Glanz als den des Schmerzes. Sie suchte nach des Vaters Hand. »Nun ist's besser.« Der Greis sah mit tiefem Kummer auf sein Kleinod nieder, das ein ihm unbekanntes Leid zum Tode verwundet hatte. »Setzt Euch, Vater, nahe zu mir und laßt mich reden! Das macht das Herz mir leichter und das Leid wohl weniger hart. Hinter ihr,« fuhr sie in ihrer Erzählung flüsternd fort, indes ihr geistiges Auge alles noch einmal schaute, -- »führten sie gebunden, schmerzzerrissen unseren Heinrich.« »Nicht möglich!« rief der alte Göbel händeringend aus. »Heinrich, der goldene Junge?« »Es ist so. Nun sollt' ich Euch ein ernst Geständnis machen; doch versagt die Seele und die Zunge ihre Kraft. So Ihr mich liebt, mein teurer Vater, schickt nach dem Pater Spee. Sagt ihm, es gelte einer wunden Seele Trost und Labung zu bringen und, wenn es möglich ist, auch Heilung tiefem Schmerze.« -- Die Schatten des Abends wurden länger und tiefer und der Hauch der Lüfte kühler. Die Rosen an dem Erker des alten Ratsherrn Göbel senkten müde das Haupt und schlossen ihre Kelche mit zartem Blattwerk, damit nicht Mondlicht zu tief ins kleine Blumenherz sich drängte. Ein letzter Sonnenstrahl flog grüßend über Edeltraut -- vielleicht hat er ihr Licht ins dunkle Herz geschienen. -- »Gott segne es Euch, mein Pater, daß Ihr gekommen seid,« grüßte der Ratsherr, den eintretenden Jesuiten in seinem Gemache empfangend. »Meine Tochter verlangt nach Euch. Das Kind drückt tiefes Leid, das Ihr ihm lindern sollt. Doch erst noch eine Frage. Kennt Ihr den Heinrich Schmauß, den prächtigen Studenten? Ihr kennt ihn also! Der Junge kam gar oft in unser Haus, weil mich sein Lautenspiel und Sang, sowie sein reines, frisches Herz erfreute. Ich liebte ihn wie ein zweiter Vater und er hing einem guten Sohne gleich an mir. Nun haben sie ihn heute eingefangen, zugleich mit dem alten, bösen Weibe, der Ammfrau Bernin.« »Ich weiß darum,« entgegnete der Pater. »Ich komme eben aus Heinrichs Kerker, da er sogleich nach seiner Gefangennahme nach mir verlangte. Er ist rein und schuldlos, dies Wort mag Euch zum Troste dienen; aber töricht war es von ihm, jetzt, da die Welt in Finsternis sich badet, auch nur den Schein des Bösen auf sich zu laden. Nennt es Keckheit, Übermut, vielleicht auch Frevel, was er tat. Er hatte längst von jener Alten gehört, die mit ihrem abergläubischen Treiben aus reinem Eigennutz so vieles Unheil stiftete. Er stritt und kämpfte mutig überall mit seinem klaren Geiste gegen Wahn und Aberglauben, und um dies noch besser tun zu können, suchte er die Alte selbst auf und ließ sich zeigen, worin denn ihre Kunst und ihr Geheimnis bestünde. Und eben, als die Ammfrau Bernin ihm ihr gottlos albernes Handwerk zeigte, traten Vogt und Schergen bei ihr ein.« »Glaubt Ihr, mein Pater, es könnte für den Jungen von übeln Folgen sein?« fragte bekümmert der Ratsherr. »Ich fürchte alles, hoffe wenig,« antwortete Spee. »Ja,« fuhr er fort, »wenn Vernunft und Gerechtigkeit zu Gerichte säßen, dann könnte die Unschuld wieder frei aus Kerker und Banden hervorgehen. Solange aber eine verblendete Justiz die Mordfackel schwingt, Scheiterhaufen baut und Verbrecher ^macht^, ist jede Hoffnung Torheit. Doch, überlassen wir die Zukunft Gottes weiser Fügung! Er wird auch hier stets und überall der Sieger sein.« Der Pater trat mit dem Ratsherrn Göbel in Edeltrauts Gemach, das von einer Lampe schwach erleuchtet war. »Gott segne dich, mein Kind!« sprach Spee zum Gruße. »Dank, ehrwürdiger Vater,« entgegnete das Mädchen, die Augen niederschlagend. »Ich hab' Euch zu mir gebeten, damit Ihr Ruhe in mir schafft. Ihr kennt mich, wie ich bin. Seit Ihr meine Seele leitet, habe ich Licht und Schatten Euch vertraut. Und doch -- es ist -- wie soll ich's nennen nur -- ein Fühlen in der Seele mir erwacht, das --« »Sprich, Edeltraut! dein Leid will einen Namen und dann guten Rat.« »Ich war ein Kind, als sie die Mutter für ewig schlafen legten. Am Schmerz, den ich um sie getragen, maß ich meine Liebe. Mein ganzes Herz trug ich vom Grabe weg in meines Vaters Liebe über, ein großes, heiliges Glück! Sonst liebte ich wenig mehr auf dieser Erde. Meine Blumen, diese Gottesaugen, hatte ich freilich innig lieb; doch war's ein kindlich reines Minnen. Nun ist es anders geworden. Gnade, Pater, -- habt Erbarmen, Ihr, mein alter Vater, wenn ein Geständnis über meine Lippen kommt, das Euch erschreckt. Als sie den Heinrich heute einem Verbrecher gleich an meinem Fenster vorüberführten, da stach ein Schmerz durch meine Seele, der nicht Mitleid war -- 's war Liebe! Wie oft, wenn er zur Laute Euch die schönsten Lieder sang, schaute ich begeistert in dies reine Auge! Wie oft hatte ich einem Kinde gleich seinem Worte gelauscht, wenn er von Herrlichem so herrlich sprach -- ich ahnte es nicht -- er wollte es nicht -- und doch, es ist geschehen!« Die letzten Worte sprach das Mädchen mit immer leiserem Geflüster. Ein tiefes Rot lag über ihrem Antlitze -- ein Engel hatte es wohl über sie gehaucht. »Ist's Sünde, Vater, was ich fühle, so sagt es, ist es auch hart -- ich kann vergessen; denn Sünde will ich nicht! Ist es aber gut vor Gott, vielleicht selbst Gottes liebendes Werk, dann laßt mich es wissen, laßt mich glücklich sein!« »Es ist nicht Sünde,« sprach der Jesuit in mildem Ernste, »wenn reinen Herzens sich der Mensch zum Menschen kehrt. Doch ist's ein Weg voll bunter Blumen, die viel Gift enthalten und Schlangen bedecken. Da bedarf es treuen Betens und steter Wachsamkeit.« »Und was sagt Ihr, mein teurer Vater?« fragte schüchtern das Mädchen. »Gott segne dich und deine Liebe, wenn sie sein Wille ist!« sprach feierlich der Greis. »Nun bin ich ruhig. Doch eine Bitte, guter Pater! Ich weiß es und mein Herz sagt mir das gleiche, sie haben Heinrich unschuldig ins Gefängnis geworfen. Sorgt für ihn und sprecht für ihn und macht ihn wieder frei. Sagt selbst, ist es möglich, daß Schuld auf diesem Herzen lastet? -- Ihr saget nein -- habt Dank! Und ist er frei geworden, dann will ich mit der Lerche Dankeslieder jubeln. Dann soll mein Herz der Rose gleichen, die dem Himmel Lust und Schönheit dankt und, wenn auch in der Erde wurzelnd, doch dem Himmel angehört!« 5. Kapitel: ^Ein blindes Kind -- ein blinder Richter^ In einer Gasse, nahe der Marienkapelle, ragt unter den hochgiebeligen, schmalen Häuschen, an denen mehr die Laune als der Zirkel und das Winkeleisen maßgebend war, ein stattlicher Bau hervor. Die Fenster gucken nicht in bunter Regellosigkeit aus dem Mauerwerke, sondern teilen sich gleichmäßig in die hohe, breite Wandfläche. Das Eingangstor ist niedrig und von Säulen getragen, Larven grinsen vom Torbogen hernieder, nun Zorn, nun Mut, Trotz und Verachtung im Steine widerspiegelnd. Ein schönes Stiegenhaus führt nach dem ersten Stocke, der Wohnung des gestrengen Rates Gering. Ein mürrischer alter Herr. Der Körper ist noch wuchtig, das Alter hat ihn noch nicht angefressen, es hat ihn nur etwas außer Rand gebracht. Die Haare sind kurz geschnitten und stark ins Graue spielend. Die Augen groß und stechend, das Gesicht fleischig und hochgerötet, der Mund trotzig aufgeworfen. Die Arme über die Brust verschränkt, geht er mit festen Schritten in der großen Familienstube auf und ab. Ein tiefer Unmut scheint sein Herz zu quälen und seine Gedanken zu peitschen; denn zuweilen stampft er zornig auf den Estrich oder trommelt Sturm an den kleinen Fensterscheiben, daß sie klagend klirren. In einer Ecke sitzt ein Mädchen von etwa siebzehn Jahren. Die dunkeln Locken fallen in lieblicher Unordnung über die weiße Stirne und an den blassen Wangen herab. Die ganze Gestalt ist unendlich fein gegliedert; mehr ätherisch als der Körperwelt verwandt. Das glanzlose Auge stiert tot bald nach der Decke, bald nach der Stelle hin, wo der Ratsherr sich hörbar macht. Stille Ergebung ist über das bleiche Antlitz gehaucht, jener eigentümliche Zug, der wie lächelnder Schmerz, wie ein blumiges Grab anmutet. Ein Schwesterchen von sechs Jahren sitzt neben dem blinden Mädchen und schmiegt sich furchtsam an dasselbe, indes die großen, klugen Augen unverwandt auf den Vater gerichtet sind, der so unwirsch tut und, seit er aus der Gerichtsstube heimgekehrt ist, noch kein freundliches Wort für seine Kinder gefunden hatte. Nun bleibt der Rat vor den beiden Mädchen stehen. Der Anblick der blinden Tochter stimmt ihn weich. Und je länger er auf seinen Liebling schaut, um so milder wird sein Ausdruck, um so friedlicher sein Auge. Er beugt sich nieder und drückt einen stummen Kuß auf den lockigen Scheitel. »Vater!« ruft Elsa und breitet die Arme. »Hier bin ich, mein Kind!« »Dank für den Kuß, tausend Dank!« »Elsa!« »Was willst du, Vater?« »Hast du heute für mich gebetet?« »Ja. Ich tat's aus ganzer Seele. Als du am Morgen von uns schiedest, da botest du mir auf, dich ganz besonders in mein Gebet zu schließen. Ich ließ mich in die Marienkapelle führen, und dort gedachte ich deiner und der Sorge, die dich drückt. Wir Blinde,« fuhr sie lächelnd fort, »können, ich glaube es wenigstens, viel besser beten als die anderen Menschen. Uns stört kein äußerer Eindruck, wir sind mit Gott allein. Uns decket Nacht und Finsternis, kein Sonnenlicht grüßt freundlich durch das Auge in das Herz, und was ihr Glückliche von Blumenpracht und Frühlingsherrlichkeit erzählt, ist uns ein Rätsel, dem wir nicht Gestalt noch Farbe geben können. Gilt es aber ein Leiden mitzufühlen, des Nächsten Schmerz zu fassen, dann sind wir nicht mehr blind, dann sehen wir gleich anderen, weil wir doppelt fühlen. Und erst, wenn eines Blinden Seele betet, Vater, da wird es Licht, so hell und klar und fleckenlos, daß euere Sonne wohl nicht schöner leuchtet. Da gibt uns Gott ein Glück, das ihr nicht ahnt, da schauen wir, was ihr nicht sehet, und fühlen uns so nahe Gottes Herzen, weil wir so ganz von der Welt geschieden sind.« »Das nennst du Glück!« sprach der Ratsherr in weichem Tone. »Gott erhalt' es dir! Denn ohne Trost ist Blindheit wie ein Grab, in dem man lebend seines Todes harrt.« Er nahm seine Tochter und führte sie nach seinem Sorgenstuhle. »Setz' dich hieher und laß mich mit dir reden. Gerade weil dein leibliches Auge nie die Welt geschaut hat und alles, was du sprichst, ein reiner Widerhall deines Herzens ist, lege ich so gerne, was mich drückt, in deine Seele nieder. Sieh', diese Hand, die hier auf deinem Scheitel ruht, hat heute wieder ein Todesurteil unterzeichnet.« Das Mädchen schrak zusammen. Zitternd entzog es sich der Berührung und streckte die Hände abwehrend aus. »Verzeih', Vater, ich fürchte dich! O rühre mich nicht an, nur heute nicht, ich bitte dich!« »Elsa, sei vernünftig,« mahnte der Alte etwas verdrossen. »Wie magst du so hart gegen deinen Vater sein?« »Laß mich,« sprach das Mädchen. »Ich kann meiner Seele nicht gebieten, wenn sie in kalten Schauern liegt. Mich friert's im Herzen, als wäre Tod und Nacht dort eingekehrt.« »Weißt du nicht, törichtes Kind, daß Gott dem Richter jenes Schwert gab, das zwischen Recht und Unrecht, Tod und Leben, Schmach und Ehre strenge scheidet? Wie magst du in der Seele Schrecken fühlen, wenn ich dieses Schwert in Gottes Namen richten ließ?« »Du hättest recht, wenn es nicht jenen armen Wesen gälte, die ihr Gestrenge als Hexen an den Henker liefert. Vater,« -- des Mädchens Stimme ward nicht bittend, ward befehlend -- »Vater, sage mir vor Gott, gibt es Hexen?« »Törichtes Ding, das du bist, ja!« stieß der Alte hastig heraus. »Und glaubst du und kannst du es mir, deinem armen blinden Lieblinge, auf Hand und Wort und treue Vaterliebe versichern, daß alle jene wirklich Hexen waren, die dein und der anderen Räte Spruch dem Tode weihte? -- -- Vater, du antwortest nicht? -- Habe ich mit meiner Frage zu tief ins Herz, wohl gar in dein Gewissen mich gedrängt? -- -- Vater, sprich, ich bitte dich!« Der Alte sah mit einer Mischung von Zorn und Schmerz und Liebe auf seine Tochter nieder. »Was soll dies alles?« zankte er mißmutig. »Habt ihr Frauen euch in unser ernstes Amt zu mengen?« »Nein, Vater. Ich weiß, des Weibes und der Tochter Heim ist Haus und Familie. Darüber hinaus soll sie nicht ihr Denken und Begehren richten. Aber gerade darum, weil der Kreis so enge, noch mehr, weil er so heilig ist, will auch das Frauenherz, daß alles, was mit ihm die Luft des Hauses und der Liebe atmet, rein sei, ohne Fehl und Makel.« »Das ist ganz schön und recht und gut. Ihr Frauen seid, so hart man euch entbehren würde, mit eueren Herzen und Gefühlen eine wahre Last.« »Sag' das nicht, Vater! Das spricht der Unmut nur aus dir. Hab' ich dich lieb?« »Weiß Gott,« rief der Alte feuchten Auges, »du bist durch deine Liebe all mein Reichtum!« »Und glaubst du, daß nur ^ein^ Wort über meine Lippen käme, das nicht die Liebe zu dir spricht?« »Gewiß, mein golden Kind, gewiß!« »So laß mich reden. Du weißt, Vater, wie arm ich bin. Nichts -- nichts ist die Welt für mich. Was euch, wenn ihr gestorben seid, die Erde ist, ein gähnendes Grab in schwarze Nacht gehüllt, das ist das Leben mir. Ihr pflückt mit euerem Auge tausend Lebensfreuden, ich kann das nicht! Wo das Herz allein nach Freuden sucht, da ist die Beute arm, doch soll sie dann doppelt wertvoll sein. Was habe ich Gutes hier als dich, mein Vaterherz? Doch dich -- dich möchte ich mit all dem Reichtume meiner Liebe überschütten können, den ich -- ich möchte sagen, Gott sei Dank, der Welt nicht schenken kann! Ich vermag dich nicht zu sehen, Vater, wie du bist. Dein Wort, dein Kuß, dein liebendes Walten zeichnet mir dein Bild. Und sieh, dies Bild ist mir so unantastbar heilig, daß niemand es entweihen darf, auch du nicht, -- du am wenigsten!« Der alte Gering ließ die Tränen, die ihm aus den treuen Augen flossen, ungehindert über die Wangen gleiten. Waren es doch Tränen, mehr vom Glücke als vom Leide geweint. »Sei zufrieden, Elsa! dein Vater sucht sein Glück in deiner Liebe und Trost aus deinem Munde. Laß mich dir klagen, was mich heute so tief erregt, daß ich nicht Ruhe finden mag, es wäre denn, du, Else, löstest mit dem Kampfe mir auch das Leid. Du weißt, daß jüngst die alte Ammfrau Bernin als Hexe gefänglich eingezogen wurde. Im ersten Verhöre blieb sie kalt und trotzig und kein Geständnis irgendwelcher Schuld kam über ihre Lippen. Da ward die Marter an ihr versucht, und nicht geringe. Sie stöhnte, ächzte, fluchte -- endlich als die Kraft zu brechen schien, versprach sie ein Bekenntnis ihrer Schuld. Das sollte heute abend vor sich gehen. Ich weiß, was die andern Räte von solchen Bekenntnissen halten, sie sind ihnen allen bare Wahrheit, auf die sie dann Erkenntnis und Richterspruch aufbauen. Du weißt, wie oft ich zu Gericht gesessen, mit Gott und guter Ehre; so schwer, so ahnungsdüster aber wie heute war mir nie zumute. Da drinnen wühlt ein nagender Gedanke, mir ist's, als hinge schweres Unheil über dir und mir.« »Ist Gottes Hand nicht gnädig über uns?« »Ich weiß es nicht!« »Doch, Vater! Gott schützt uns. Und willst du dieses Schutzes sicher sein, so sei barmherzig mit den Armen, die ihr Herren Hexen nennt. O, folge nicht dem dunkeln Wahne, daß überall des Teufels List und Macht sich finde. Nicht jene Armen, ihr, ihr Richter seid es, die den Hexenglauben und den Teufelsspuk nicht sterben lassen. Tritt nicht, mein Vaterherz, in jene falschen Spuren, sei stärker, weiser als die Welt um dich, gib du Gott und deinem Glauben allein die Ehre, und auch in ^deinem^ Herzen werden dann Friede und Gerechtigkeit sich küssen.« Der Alte stand mit verschränkten Armen vor seinem Kinde, das sinnende Haupt tief auf die Brust geneigt. Friede und Gerechtigkeit -- ein goldenes Wort, wenn diese im Menschenherzen sich begegnen, küssen! -- -- Die Turmuhr vom Dome her schlug die vierte Abendstunde. Der alte Gering warf seinen Mantel um, drückte den Hut sich auf den Kopf und schied mit stummem Kusse von seiner Tochter. -- -- Durch die hohen Fenster, geziert mit buntgemalten Schilden und Wappenbildern, fällt der abendliche Sonnenstrahl in einen großen, niedern Saal. Die Wölbung der Decke ruht auf kurzen, dicken Säulen, der Boden ist mit rotem Sandsteine in großen Quadern eingelegt, nach oben steht ein langer Tisch mit Kreuz und Evangelium darauf, um ihn hochlehnige Stühle mit gepreßten Lederpolstern. In einer Ecke stehen die Räte des Malefizamtes, teils miteinander gar geheimnisvoll flüsternd, teils mit hochgezogenen Brauen in den Akten blätternd. Auch Gering befindet sich unter ihnen, mißmutig, schweigsam, nur hie und da mit stummem Nicken oder Achselzucken eine an ihn gerichtete Bemerkung erwidernd. Der Eintritt des Oberschultheißen, begleitet von zwei Sekretären und dem Malefizschreiber Petrus Hänflein, macht die Räte verstummen. Der Oberschultheiß, ein kleiner, hagerer Mann, grüßt gnädig nach rechts und links und nimmt seinen Platz ein, zu beiden Seiten reihen sich die Räte an. Auf seinen Wink wird durch eine Seitentüre die alte Bernin hereingeführt. Die Hände sind mit Ketten belastet, der Gang ist schleppend, zögernd, als stäche bei jedem Schritte ein tiefer Schmerz durch den bebenden Leib. Sie steht den Richtern gegenüber, zornig -- trotzig blickend, die Ketten schüttelnd, daß sie klirren und rasseln. »Sie, Gertraud Bernin,« hob der Oberschultheiß an, »sonst auch die Ammfrau genannt, ist angeklagt der bösen Zauberei. Man hat Sie heute erst in Güte, dann in strengem Ernste gefragt, was Sie zu bekennen habe, und ist endlich zur Tortur geschritten, worauf Sie flehentlich bat, man möge Ihrer schonen, Sie wolle alles getreulich bekennen.« »Ich habe nichts versprochen,« entgegnen kurz die Alte und schüttelte den Kopf mit den losen weißen Haaren. »Sie scheint dem alten Trotze zu verfallen? Gedenkt Sie noch der Marter, unter der Sie heute morgen ächzte?« »Ja. Die Herren ließen die Sache deutlich genug machen, daß man sie so leicht nicht vergißt.« »Will Sie nun bekennen?« »Was denn?« »Daß Sie eine Unholdin ist und eine Hexe!« »Nein.« »Wenn Sie auch nicht bekennen wollte, so ist solch großer Trotz schon sicherer Beweis, daß Sie im Bunde mit dem Bösen steht.« »Meint Ihr?« grinste die Bernin. »Und wenn ich nichts zu bekennen hätte? Wenn all euere Weisheit, ihr Herren, sich vergebens an mir abmüht, um jene Schuld zu finden, von der ihr träumt, die ich aber nicht auf mir habe? Ich bin nicht Unhold, bin nicht Hexe -- ich schwöre es euch, so wahr ein Gott im Himmel lebt!« »'s ist schrecklich, wie Sie lästert! Hat Sie denn nicht geheimnisvolle Kräuter in Menge in ihrer Stube aufbewahrt?« »Geheimnisvolle Kräuter!« höhnte die Alte. »Kennt Ihr denn nicht die Springwurz?« »Springwurz!« wiederholte der Oberschultheiß nachdenklich. »Was sagte doch die dicke Hökerin, die wir verbrannt, von diesem Kraute aus?« »Ist mir sehr wohl erinnerlich,« sprach Hans Offterdach, der zweite Rat. »Die Springwurz, bekannte jene Malefizperson, muß, wenn sie anfängt in die Blume zu schießen, in des Bösen Namen gepflückt werden. Hält man solch ein Kraut ans beste Schloß, so springt es auf, als würde es mit dem Schlüssel geöffnet.« »_Bene, optime_,« bestätigte der Oberschultheiß; »sieht Sie nun, welch böses Kraut die Springwurz ist, und wie es sonnenklar am Tage liegt, daß sie es mit dem Teufel hält?« »Wie klug ihr Herren seid! Wenn doch die Springwurz solche Kraft besitzt, wie kommt es dann, daß nicht die Türen, Tore und Kisten und Kasten von ganz Würzburg damit aufgesperrt und ausgeplündert werden? Oder macht die Probe! Gebt mir meine Springwurz zurück und laßt es mich versuchen, die Schlösser hier an meinen Ketten und das Eisenschloß an meiner Kerkertüre aufzusprengen; gelingt es mir, dann mögt ihr mit mir tun nach euerem Belieben; wenn nicht, ist's euere Pflicht, mich wieder freizugeben.« »Da sei Gott vor!« rief der Oberschultheiß aus; »Sie will die schwere Schuld, so auf Ihr lastet, mit losem Spotte von sich wälzen? Nein, solchem Frevel leiht ein frommes Gericht nicht Ohr noch Hand. Item. Man fraget Sie, was in den Fläschlein allen enthalten, so sich bei Ihr gefunden?« »Läusewasser für die dummen Bauern,« gab die Ammfrau fest zurück. »Nicht möglich.« »So, warum denn nicht? Wohl weil es Euch nicht in das Kredo paßt. Ist doch so!« »Und der Totenschädel?« »Das dacht' ich wohl, daß Euch der bange mache. Der Totenschädel ist vom Hochgerichte. Dort fand ich ihn unterm Galgen. Die Raben hatten ihn vom Fleische freigemacht, wohl auch die Ameisen. Mir gefiel er, ich nahm ihn mit nach Hause. Was geht das Euch an?« »Zu welchem Zwecke?« »Ich wollte Gimpel damit schrecken.« Der Oberschultheiß fuhr des Zornes voll in die Höhe. »Weiß Sie, daß Sie eine ganz unnatürlich boshafte _Persona_ ist? Solch lose Rede käme nicht aus Ihrem Munde, wenn nicht der Satan aus Ihr spräche. Ein neuer, deutlicher Beweis, daß Sie im Bunde mit dem Bösen steht.« Die alte Bernin sah den Richter mit unverkennbarer Verachtung an. »Dann,« fuhr der Schultheiß fort, »ist Sie auf frischer Tat angetroffen worden, wie Sie einem _Studioso_ aus geheimen Zeichen wahrgesagt.« »Ja, das kann ein jeder, der es will; er braucht nur einen, der ihm glaubt.« »Und Blut war auch dabei?« »Ei freilich! Ohne diesen Saft glaubt ja kein Mensch an Wunderbares. Ihr Herren selbst habt ja das Blut so gerne. Nur zapft ihr alles ab; mir war ein Tropfen Blutes genug.« »In Ihrem ganzen Losament war weder Kreuz noch frommes Bildwerk, noch ein Weihbronnen zu sehen. Das hat Ihr wohl der Teufel anbefohlen, als Sie ihm Leib und Seele verschrieb?« »Was Ihr nicht alles wißt! Nein, nicht der Teufel, ich selbst hab' Kreuz und Weihwasser von meiner Stube ferngehalten. Ich mag beides nicht. Das ist der Grund!« Der Oberschultheiß und die Räte rückten vor Entsetzen mit den Stühlen und wischten sich den Angstschweiß von der Stirne. »Hab' euch erschreckt, ihr Herren. Tut mir leid. Ich glaub' an einen Herrgott, ja. Doch mehreres? -- Da lasset mich in Ruhe! Wenn wahr wäre, was ihr Gott und Gottesliebe nennt, dann wäre nicht die Welt in Glück und Elend auseinandergerissen, dann säße nicht die Schuld auf dem Richterstuhle und verdammte die Unschuld.« »_Horribile!_ -- Ihr werten Herren Räte, beachtet wohl das Übermaß von Trotz und Bosheit, so aus diesem Weibe spricht,« mahnte der Oberschultheiß, sich an seine Beisitzenden wendend. »Endlich hat man beobachtet,« fuhr er fort, »daß sich in Ihrem Zimmer eine ganz unnatürlich große Spinne gezeigt hat, mit der Sie höchst verdächtige Blicke gewechselt hat. Das war doch wohl der leidige Gottseibeiuns?« »Herr, Ihr werdet lustig. Wer hat die Spinne gemessen? Und bin ich's allein, an deren Wänden Spinnen laufen? Ei, geht doch durch die Stadt und forscht und spürt nach Spinnen; ich wette, 's wird Euch bange, die ganze Stadt ist dann des Teufels, und Ihr auch.« »Sie verharret also hartnäckig in Ihrem frechen Leugnen?« »Hab' nichts zu bekennen.« »Der Henker trete ein!« Die Alte zuckte zusammen. Angst, Haß und wilder Zorn blitzten aus ihren Augen, ein Schauer schüttelte ihren Leib, daß die Ketten klirrend aneinanderschlugen. Einen Augenblick schien sie zu wanken; dann reckte sie den Leib in wildem Grimme, warf stolz das Haupt empor und maß den eintretenden Henker mit glühenden Blicken. »Bekennt Sie nicht?« fragte der Oberschultheiß zum letzten Male, sich erhebend. Die Ammfrau stieß ein grelles »Nein« heraus. Der Richter winkte. Die Alte ward an Brust und Rücken entblößt. Ein Jammerbild von einem Leibe, dem Tode gleich, der sich in welke Haut gekleidet. Der Henker band sie auf einen Stuhl und sah fragend nach dem Oberschultheißen hinüber. Dieser gab das Zeichen, und Streich um Streich fiel auf den knochigen Rücken. Streng und kalt sahen sie dem Schauspiele zu, die weisen Herren; sahen, wie ein alter Menschenleib sich unter wilden Schmerzen krümmte, wie Blut die Stellen bezeichnete, wo sich die Rute in das welke Fleisch gegraben; sie hörten, wie die Brust dem Schmerze durch Stöhnen, Ächzen, schrille Schreie Ausdruck gab: -- sie sahen's alle mit ruhigem Auge an, nur einer wandte den Blick und zuckte bei jeglichem Streiche, bei jedem Schmerzensrufe -- es war der Ratsherr Gering. Ein gräßliches Bild stieg da vor seiner Seele aus. Ihm war's, als quälten sie dort die blinde Elsa, seinen Liebling; und jeder Streich, der schwirrend, pfeifend niederfiel, und jedes Ach, das durch die dumpfe Stille drang, schrie: Elsa! -- »Genug!« befahl der Oberschultheiß nach dem sechzehnten Rutenstreiche. Der Henker trat zur Seite, seine Rute prüfend. Die Ammfrau warf einen Blick nach dem Gestrengen, aus dem einen Augenblick ein Strahl von Dankbarkeit leuchtete; sogleich aber ging dieser wehmilde Zug wieder in Grimm und Haß über, welche ihre Seele quälten, wie der grausame Schmerz den Leib. »Wird Sie nun wohl bereit sein, Ihre Schuld zu gestehen?« fragte tonlos der Oberschultheiß. Die Alte starrte vor sich nieder. Ihre Glieder zuckten, die Lippen aber blieben fest geschlossen. »Ich warne Sie vor dem nächsten Grade peinlicher Tortur!« Sie schlug die Augen auf und sah die Richter der Reihe nach mit trockenem, glühendem Blicke an. Und als sie dem Ratsherrn Gering ins Antlitz schaute, da war es erst wie Frage, wie Bitte um Erbarmen, dann wieder wie Rache, blutige Rache, was ihr Auge sprach. »Ich habe nichts zu bekennen.« Ein neuer Wink an den Henker. Dieser löste die angstvoll schauende Alte vom Stuhle los, legte sie auf den Boden und band ihr Hände und Füße. Dann zog er durch die Bande einen Strick, der durch einen Ring laufend von der Decke hing, erfaßte das Ende desselben und zog, seine Füße fest gegen den Boden stemmend, die Ammfrau ruckweise in die Höhe. -- Und sie schauten auf, wie die Alte zwischen Decke und Estrich hing, ein Knäuel, ächzend, stöhnend, röchelnd, die Schergen der Gerechtigkeit, nicht ahnend, daß ihr Andenken in Ewigkeit der Schmach, der tiefsten Schmach, anheimgefallen! -- »Noch kein Geständnis?« Ob wohl die Arme diese Frage hörte? Ob nicht der Schmerz die Sinne band und sie in seinen dunkeln Wellen begrub? Keine Antwort. »_Ad tertium torturae gradum!_« »Ich denke, 's ist genug, mehr als genug,« platzte nun in hellem Eifer Gering heraus. »Was soll das heißen -- Gericht oder Mord? Wißt Ihr denn überhaupt, ob nicht der Tod sie schon erlöste von Euerer Weisheit! Herrgott im Himmel, hängt Euch daran, Gestrenger, und Ihr gesteht, daß Ihr den Teufel zum Vater hattet. _Dixi._« »Hm,« näselte der Oberschultheiß und zog die Brauen hoch. »Vermessene Rede das, liebwerter Herr, fürwahr, sehr vermessen! Hier liegt das peinliche Recht, hab' ich's gemacht? Nein! Hab' ich danach zu richten? Ja! _Ergo -- fiat justitia!_ Henker, vorwärts!« Gering erhob sich rasch, daß der Stuhl hinter ihm zu Boden fiel, und verließ den Saal. Der Henker aber nahm ein Gewicht von mehr als einem Viertelzentner. Das hing er, den Strick um die Hüften geschlungen, der Schwebenden unter. Ein markdurchbohrender Schrei, so namenlos wehklagend, daß er dem Henker selbst einen Blick des Mitleids abrang. Die Glieder krachten, immer länger sich dehnend und streckend, die Sehnen bis zum Zerreißen spannend. Nun fiel der Kopf nach rückwärts, die Haare hingen fast zum Boden, mit Totenglast überzogen starrten die Augen. Und nun drang Blut hervor zwischen den regungslos geöffneten Lippen und träufelte auf den Boden. -- Auch eine Schrift in Stein, und was für eine! -- »Genug.« Der Henker atmete auf, mit einem Rucke war die Alte zur Erde gelassen und schnell von dem Steine befreit. »-- Wehe -- o wie wehe -- das haben nicht Menschen getan -- nicht wilde Tiere -- es ist ^Höllenqual^! -- O -- sie haben mir alles zerrissen -- ha, Blut hier -- 's ist Herzblut!« Die Ärmste richtete sich mühsam auf, das Haupt auf den rechten Arm stützend. »Bekennen soll ich! -- Was denn? -- Ja, wenn ich es nur wüßte! -- O, wie es brennt und schneidet in allen Gliedern! -- Rache! Ja, ich will bekennen!« »Gebt mir Wein!« sprach sie, aus dem Geflüster ihre Stimme zu lauterem Tone erhebend. »Gebt mir Wein, dann will ich alles -- alles bekennen.« »Gott sei Dank!« rief der Oberschultheiß. »Man bringe der Malefizperson guten Wein -- auf meine Rechnung -- weiß Gott, ich hab' ein weiches Herz, -- und dann mag sie die schwere Schuld, die auf ihr lastet, von sich wälzen durch offenes Bekenntnis.« Die Ammfrau nippte erst, dann trank sie in langen, gierigen Zügen den großen Becher leer. »'s ist gut -- das letzte Gute wohl in dieser Welt. Habt Dank! -- Und nun -- nun sollt Ihr alles wissen, -- was ich weiß. -- 's ist kein Bekenntnis, -- 's ist Schmerz und Wahnsinn, was mich sprechen lehrt. --« »Es war vor Jahren -- ich weiß nicht mehr, um welche Zeit, -- da saß ich auf meiner Stube. -- Der Abend war zur Nacht geworden. Wilder Sturm heulte durch die Gassen und rüttelte an meinen Fenstern. -- Mein Herz war traurig -- bittere Not, wohin ich sah -- und nirgend Trost! Da faßte mich ein wilder Grimm -- ein langes Leben hinter mir und keine Freude drin -- ich fluchte Gott und rief den Satan. -- Er kam -- ich kann euch die Gestalt nicht gut beschreiben -- ich sah ihn wie in einem Feuernebel. -- Hast du mich gerufen, sprach er; sag', was willst du? -- Was kannst du geben? -- Alles, nur nicht den Himmel. -- Den brauch' ich nicht! -- -- Er lachte, daß mir die Seele zu Eis wurde und die Pulse stockten. -- Verleugne Gott! -- Ich verleugne. -- Und die, die ihn geboren. -- Auch sie. -- Und alle, die im Himmel sind. -- Alle. -- Wohlan, nun gebe ich dir Gewalt über Mensch und Tier, du sollst gebieten über Wind und Wetter, und willst du mehr -- so rufe mich aufs neue -- ich werde kommen. -- Drauf ward es wieder finster um mich her -- ich --« Die Alte sank zurück. * * * * * »Laß Ruhe dir in deine Seele beten, Herzensvater! Dein Kind weiß keinen andern Trost.« »O Elsa, bete, bete!« »Gedenke, Mutter der Barmherzigkeit, daß unerhört kein Bittender von deinem Throne ging. Du, die du über Sternen thronest, des Himmels schönster Stern -- gib Friede -- Friede -- Friede!« »Amen,« sprach tiefbewegt der alte Gering und küßte seines blinden Lieblings Wangen. -- 6. Kapitel: ^Richterweisheit^ Durch das Burkharder Tor drängte eine bunt zusammengewürfelte Menge. Wie der Sturzbach, was er in seinem wilden Laufe zu erreichen vermag, erfaßt und mit sich fortträgt, so ergriff der durch das Tor hereinflutende Menschenstrom alles, was ihm auf seiner Bahn entgegenkam, und riß es mit sich fort, ein Wildbach, der schnell zum Strome anschwoll. Ein Fähnlein Knechte, deren Hellebarden aus dem Menschenknäuel herausragten, führte in seiner Mitte eine gar abenteuerliche Gesellschaft. Wilde Gesellen, Gift aus den Lippen und Dolche in den Augen. Ihre Hände sind auf den Rücken gebunden, das phantastische Gewand hängt zerfetzt vom Leibe, das Auge des Kleineren ist ausgeschlagen und sind noch die frischen Blutspuren auf dem dicken Gesichte bemerkbar. Hinter ihnen, gleichfalls gefesselt, geht ein altes und ein jüngeres Weib, die eine trotzig den Blick auf den Boden heftend, die andere keck nach der Menge schauend und höhnisch Fratzen schneidend, sooft ein derbes Wort, eine Verwünschung zu ihren Ohren dringt. »Zuckerwastl,« flüsterte der Pappenheimer, »wir gestehen nichts; sie mögen uns drinnen fragen, wie sie wollen.« »Keine Silbe sollen sie erfahren,« gab dieser fest zurück. »Wenn nur das Weibsvolk schweigen kann,« warf der Neunaugen leise hin. »Sag' ihnen, sie sind des Todes, wenn sie auch nur einen Laut --« »Verstehe,« unterbrach der Neunaugen. Er wandte sich nach den Frauen und rief: »_Penopel_!« »_Pendl spendl_,« flüsterte Helena, sich vorbeugend. »_Penopel!_« wiederholte ihr Mann zornig. »_Schienglei!_« antwortete die alte Diebesmutter aus dem Wirtshause und stieß Helena mit dem Arme.[K] Der Rottenführer hatte kaum das heimliche Gespräch bemerkt, als er mit seinem Lanzenschaft Helena in den Rücken stieß. »Ich will euch rotwelsch plaudern, Gaunervolk! Hab' euch wohl verstanden. Hilft euch doch nichts, wenn ihr tausendmal _Penopel_ sagt; deswegen werdet ihr doch _gestranzt_ und _genabist_.«[L] »Ah, auch schon Spitzbube gewesen?« spottete Helena. »Da!« rief der Soldat und schlug ihr ins Gesicht, daß es hoch anschwoll. Nun ging der Zug über die steinerne Brücke. »Hei, was für Gesindel führen sie da in unsere Stadt!« rief der Torbäck und kreuzte die fleischigen Hände auf dem stattlichen Bäuchlein. »Sieht doch aus, als wäre es frisch vom Galgen gepflückt. He, Freund,« und faßte einen Vorübergehenden am Wamse, »was ist das für ein Volk?« »Haben den Großhof außer Heidingsfeld angezündet und die Bäuerin ermordet!« antwortete dieser flüchtig und eilte dem Zuge nach. »Mordbrenner!« stammelte der dicke Bäck. »Ja, ja, das sieht den Kerlen gleich. Nun, die Herren am Gericht wissen schon das rechte Mittel gegen solches Ungeziefer.« Dabei fuhr er sich mit der Hand um den Hals. »Na, das muß man sagen, wir haben doch eine Justiz. Es wird zwar ganz schrecklich geplündert und gemordet, aber so die Herren der Spitzbuben habhaft werden, machen sie kurzen Prozeß. Und erst mit den Hexlein! Puh, da geht das Geschäft dutzendweis. Recht so, brav; 's ist doch eine Prachtstadt, unser Würzburg!« »He,« rief der Rottenführer, am Schneidturm angelangt und mit seiner Bande unter den finstern Torbogen eintretend, »he, Meister Ruprecht, neue Gäste!« »Hm,« brummte dieser und musterte mit scharfem Blicke die Ankömmlinge, »schöne Ware das! Wohin damit,« polterte er und rasselte mit dem Schlüsselbunde, »wohin damit? Ist alles übersetzt, alle Kerker voll!« »Also heuer ein ganz gesegnetes Spitzbubenjahr?« lachte der andere. »Ja!« gab der Alte kurz zurück. »Du,« fuhr er nach einer Pause fort, mit seinem klugen Auge die Gefangenen stets wieder prüfend, »du, das scheint mir besonderes Korn zu sein?« »Mordbrenner!« »Ah! Für die braucht es gute Mauern. Kommt nur mit!« Er ging über einen engen Hof voraus. Links in der Ecke war ein niedrig Türlein in gewaltigem Mauerwerke. Das erschloß er mühsam. Die Angeln knarrten, und dumpfe Nacht gähnte von innen heraus. Dann zündete er eine Laterne an und stieg behutsam die steinerne Treppe hinab in ein Verließ, das wahrlich alle Schrecken eines Gefängnisses aus alter Zeit in sich zu vereinigen schien. Das trübe Lampenlicht reichte mit seinem matten Strahle nicht bis zur gewölbten Decke, sondern leuchtete nur schwach von den feuchten Quaderwänden wider, von welchen dämmeriges Naß herunterträufelte. Auf dem Boden lag halbverfaultes Stroh, von den Steinquadern hingen schwere Ketten herab, mit denen die Gefangenen festgeschlossen wurden. »Ein schändliches Quartier!« rief der kleine, dicke Neunaugen, sich rings umsehend. »Ich denke, daß wir bald ein besseres bekommen werden.« »Am Galgen, ja,« antwortete trocken der Kerkermeister. »Soweit sind wir noch nicht,« warf Zuckerwastl übermütig hin. »Ich hoffe noch viel fröhliche Zeit zu verleben.« »Wird sich zeigen!« Die Gefangenen waren in Ketten gelegt, der Eisenmeister warf noch einen prüfenden Blick nach allen Seiten, dann trat er seinen Rückweg an. Immer düsterer ward es unten, -- und nun ist's tiefe -- tiefe Nacht. Und draußen heller, froher Sonnenschein mit Vogelsang und Lerchenjubel! -- -- -- Oben im Saale, wo gestern die Ammfrau Bernin den Anfang eines Bekenntnisses gewimmert, an dessen Vollendung sie eine Ohnmacht gehindert hatte, gehen in eifrigem Zwiegespräche zwei Männer auf und ab. Der kleine Hagere mit seinen unruhigen Augen und beweglichen, kurzen Armen ist der Oberschultheiß, der andere im langen, schwarzen Talar der Jesuit Spee. »Ich habe Euch bitten lassen, Pater, heute Zeuge der Vernehmung der alten Ammfrau zu sein. Ihr habt ja ein so außerordentliches Interesse an unsern Hexen,« fuhr er mit leichtem Hohne fort, »daß Ihr mir für solches Anerbieten nur dankbar sein werdet.« »Ganz gewiß,« entgegnete ruhig Spee; »denn um die Ärmsten in ihrem Kerker zu verstehen, ist es geradezu unerläßlich, zu sehen und zu wissen, wie mit ihnen hier verfahren wird.« »Ich verstehe. Man ist nicht sehr begeistert vom peinlichen Rechte; ich kenne das. Allein,« -- und er blieb stehen und tippte lebhaft mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf den Arm des Paters -- »allein man sage mir, was würde aus uns, wenn uns nicht dieses peinliche Recht helfend zur Seite stünde? Was? ich frage Euch, hochwürdiger Herr!« »Vernünftige, gerechte Richter,« antwortete Spee in dem Tone fester Überzeugung. »Ah, das klingt ja, als ob wir Richter jetzt nicht vernünftig, nicht gerecht urteilten!« rief der Oberschultheiß heftig aus. »Wißt Ihr, Pater, daß das ein kühnes Wort ist?« »Und wenn es wahr wäre? Wenn ich Euch hier vor Gott und meinem Gewissen sagen muß, daß jedes arme Menschenleben, das Ihr bisher dem Hexenwahn zum Opfer gebracht, nicht ein gerecht gerichtetes, nein, ein gemordetes war? Stellt Euch vor, wie durch die ganze Welt viele arme, gefangene Sünder und Sünderinnen, Schuldige und Unschuldige in Kerkern und Banden liegen. Gar viele werden unschuldig gefoltert, gepeinigt, gegeißelt, geschraubt und mit neuen unmenschlichen, grausamen Martern ihnen so hart zugesetzt, daß sie, der Wucht der Qualen unterliegend, sich selbst und andere dessen schuldig bekennen, was sie nie getan, ja nicht gedacht haben. Und sind sie auch vor Gott frei von jeder Schuld, sie finden bei euch Richtern keinen Glauben, sie müssen durch Gewalt und Zwang -- es gehe, wie es wolle -- schuldig sein, und erst, wenn sie sich schuldig lügen, finden sie Gehör. Nicht Wort, nicht Schwur, nicht Tränen, ja das gebrochene Herz selbst nicht -- nichts kann sie retten -- ^sie müssen^ schuldig sein! Man peinigt sie so lange, bis sie bekennen oder sterben. Ertragen sie die Martern, ohne zu bekennen, so saget ihr, der Satan stärke sie und binde ihre Zunge, und darum müssen sie erst recht, als mit dem Bösen eng verbündet, hingerichtet werden; bricht aber die Qual und der Schmerz des Widerstandes letzte Kraft, sehnt sich der arme Mensch hinaus aus den Martern nach dem Scheiterhaufen, der ja doch seines Schicksals sicherer Markstein ist, kommt ein Bekenntnis, das man nur Lüge heißen kann, über die todesdurstigen Lippen, dann -- dann hat der Ärmste sich dem sicheren Tod geweiht, und ihr frohlockt und sagt, das ^Recht^ hat gesiegt. Das Recht? O wenn ihr, die ihr hier oben strenge richtet, gleich mir hinabgestiegen wäret in die tiefe Nacht des Kerkers und hättet dort geschaut, was ich gesehen, und hättet hören können, was mir die Seele zerrissen, ihr sprächet nicht von einem Rechte, das durch euch gesiegt. Oder wollt ihr euer Herz mit eurem vermeintlichen Rechte waffnen, wenn euch gräßlichste Verzweiflung entgegengrinst? Denkt euch eine Seele, die sich rein und schuldlos weiß. Ihr quält und quält und kennt kein Erbarmen! Wie gerne kaufte sich die Todesmüde durch Bekennen die Erlösung, aber wie? Wenn du bekennst, was gräßlich ist und nie an dir einen Teil gehabt hat, bist du dann nicht für ewig, unrettbar verloren? -- So kämpft und ringt die Seele, bis die Kraft des Widerstandes schwindet, die des Schmerzes, der Verzweiflung siegt. Endlich -- es ist wie schauriges Totengeläute -- endlich sagt die Ärmste >Ja< auf alle euere Fragen, -- und ihr jubelt, indessen eine Seele in Betrübnis, Schmerz, Verzweiflung untergeht! Ich habe das geschaut und bebend mitempfunden und konnte nichts, als meinem namenlosen Wehe des Predigers Worte leihen: >Ich wendete mich zu anderem, und ich sah die Gewalttaten, welche unter der Sonne geschehen, ich sah die Tränen der Schuldlosen und keinen Tröster; sie können der Gewalt nicht widerstehen und sind allerseits der Hilfe beraubt. Da pries ich die Toten glücklicher als die Lebenden und hielt für glücklicher als beide den, der noch nicht geboren und die Übeltaten nicht geschaut hat, welche unter der Sonne geschehen.<« Der Oberschultheiß schaute finster. »Ihr predigt gut, sehr gut, mein werter Pater; nur schade, daß Ihr von Dingen redet, die Ihr nicht versteht. Glaubt Ihr, wir ^zwingen^ einem Angeklagten ein Bekenntnis ab? Wir fragen, fragen peinlich, ja, 's ist wahr! Im übrigen aber halten wir uns strenge an das Recht und an die vorhandenen Indizien.« »Ihr schlagt euch selbst,« sprach Spee. »Denn nichts ist armseliger, nichts ist himmelschreiender, als was ihr sichere Anzeichen für die Rechtmäßigkeit der Anklage nennet. Ist eine Angeklagte schlechten Rufes, so ist euch dies Beweis genug fürs Hexentum; denn eine Schlechtigkeit erzeugt die andere, sagt ihr. Ist aber ihr Ruf so rein wie Sonnenstrahlen, so ist euch dies erst recht ein Beweis für das, was ihr behauptet; denn also, sagt ihr, pflegen sich die Hexen zu verhüllen und streben jederzeit nach äußerm guten Scheine. Man führt sie in den Kerker. Zeigt sie keine Furcht, da sie doch weiß, welch großen Martern sie entgegengeht, so zeugt das davon, daß sie auf des Satans Hilfe hofft und ihrem eigenen Trotz vertraut. Quält aber Furcht und Angst die Seele, dann ist das ein stilles Bekenntnis ihrer Schuld, ihr eigenes Gewissen klagt sie an. Noch mehr! Ihr schreitet zum Verhöre. Bekenntnis besiegelt euch die Schuld als eine unfehlbare. Beteuerung der Unschuld ist euch nichts als Trotz, den nur der Satan in die Seele blasen kann. Und findet ihr kein Ja und Amen auf das grausame Fragespiel, so greift ihr zur Marter. Beugt sich der Schmerz, so habt ihr, was ihr wollt; und widersteht die Zunge und das Herz dem Zwang des Henkers, so ist's der Satan, der die Kraft zum Widerstande leiht.« »Ihr laßt nicht gelten,« zürnte der Oberschultheiß, »was dem Rechte feste Stütze ist. Ich hätte nie geglaubt, daß ein Gottesdiener mit dem Rechte so verfährt; freilich --« und seine Stimme nahm eine ganz eigene Färbung an -- »freilich, die Herren sind auch ganz eigene Leute.« »Wie meint Ihr das?« fragte mit größter Ruhe Pater Spee. »Weil Ihr mich fragt, mag ich es Euch wohl sagen,« gab rasch der andere zurück, mit seinen Armen um sich fahrend. »Ihr Herren nennt alles schlecht und unbrauchbar, was nicht von euch gemacht und gutgeheißen ist. Ihr wollt die Welt regieren, ihr wollt Gewalt über alles haben, alles wollt ^ihr^ ordnen und regeln, alles soll euch dienen, euch untertänig sein. Daß ich es Euch nur frei gestehe, es ist mir gar nicht lieb, daß überhaupt ein Jesuiter mit den Hexen zu verkehren hat, und daß gerade Ihr es seid, das ist mir mehr als leid.« Es trat eine Pause im Gespräche ein. Der Oberschultheiß sah in hellem Zorne auf den Boden. Eigentümlich; so keck die Rede war, er wagte doch nicht, dem Angegriffenen ins Auge zu schauen. Er fühlte wohl, er hatte seiner Zunge freieren Lauf gestattet, als es klug gewesen, und zu laut wohl das gesagt, was bisher nur als leises Geflüster von Ohr zu Ohr ging. »Ihr redet gut,« sprach Spee mit sanftem Lächeln; »nur schade, daß auch Ihr von solchem redet, was Ihr nicht gut versteht. Euch geht es wie so vielen: Ihr fürchtet das, was Ihr nicht kennt, und gebt schmähend wieder, was Euch die Verleumdung ins Herz geblasen. Wir Jesuiten sind die Männer nicht, vor denen Ihr zu zittern braucht. Wir wollen keine Herrschaft, wir wollen nicht regieren und dort nicht dazwischentreten, wohin unsere Pflicht uns nicht ruft. Aber wo es sich um Recht und Wahrheit handelt, wo Gottes Ehre auf dem Kampfplatz steht, wo es die Liebe Gottes und des Nächsten gilt: da werdet Ihr uns Jesuiten allzeit kampfgerüstet finden; da kennen wir kein kleinliches Wägen, ob es der Welt gefällt, ob nicht, ob man uns lobt oder nicht: hie Recht und Pflicht und Jesuit -- so ist's, so muß es bleiben.« »Nun ja,« entgegnete der Oberschultheiß höhnisch, »ihr Herren seid die Lämmlein, wir die Wölfe. Wir kennen das! Nur müßt ihr dafür sorgen, daß man euch auch alles glaubt, was ihr von euch behauptet. Kann euch versichern, ihr habt große Gegner hier!« »Das bringt der Name Jesuit mit sich,« scherzte Spee. »Seid überzeugt, wir fürchten keinen Gegner, wie wir keinen hassen. Das Maß der Liebe ist für alle gleich.« -- -- Der Eintritt der beisitzenden Räte unterbrach das Zwiegespräch. Spee verfügte sich in eine Ecke des Saales, um dort dem Gange der Verhandlung folgen zu können, indes die Herren ihre Plätze einnahmen und die Angeklagte, begleitet von zwei Schergen, eintrat. Der Stuhl des Rates Gering blieb unbesetzt; ein leichtes Unwohlsein hinderte den Ehrenwerten an Erfüllung seiner Richterpflicht. Die alte Ammfrau stand zitternd vor dem Gerichtshofe. Die Folgen der ausgestandenen Torturen zeigten sich noch deutlich an den geschwollenen Gelenken, das Antlitz deckte eine geisterhafte Blässe. »Die Angeklagte soll in dem Bekenntnis weiterfahren!« befahl der Oberschultheiß. Die Alte schüttelte den Kopf und sah mit schmerzlicher Miene zu Boden. »Ich kann nicht!« seufzte sie. »Gedenke Sie der Peinen!« mahnte der Richter. Sie zuckte zusammen und ein glühender Blick traf den Quäler. »Gibt's keine Gnade?« fragte sie zögernd. »Nein.« »Und wenn ich nichts mehr sage? Wenn ich all Euerem Drängen beharrliches Schweigen entgegensetze?« »Umsonst! Hat Sie denn nicht bereits bekannt daß Sie mit dem Satan einen Bund geschlossen, daß Sie Gott verleugnet hat? Hat Sie nicht damit schon den Tod verdient?« »Den Tod!« wiederholte tonlos die Ammfrau. »Ein eisigkaltes Wort -- der Tod! Ist's nicht schon Schrecken genug, wenn er am Lebensabend sich allmählich in die welken Glieder schleicht und Mark und Kraft mit wachsender Begierde frißt, bis sich die Augen brechend schließen und das kleine Ding da drinnen in der Brust sein Hämmern und sein Pochen endet? -- Muß denn der Tod als Flamme, Rad und Schwert das Leben morden? Wohlan,« -- und ihre Stimme wuchs an Kraft und schneidender Schärfe -- »wohlan, ihr Herren, ich frage euch, wollt ihr mich zwingen, eueren Fragen Rede zu stehen, auch dann zwingen, wenn über diese welken Lippen ein Strom von Jammer fließt, der euere ganze Stadt erzittern macht? Sagt, bebt ihr nicht zurück vor dem Gedanken, daß, wenn mein Mund sein letztes Wort gesprochen, des Klagens und der Tränen unter euch kein Ende sein wird? Ihr könnt mich quälen, foltern, unter euere Füße treten, ich kann es nicht verhindern. Aber ^eine^ Macht ist mir geblieben, die, wie der Fels hoch übers Meer, so über mein Elend weit hinausragt -- meine Zunge!« Ein kalter Schauer bemächtigte sich der Richter, als sie des Weibes Worte hörten und in das Antlitz schauten, aus dem die Rache und der Wahnsinn grinsten. »Hier steht das Kreuz,« sprach der Oberschultheiß mit leicht bebender Stimme. »Gott die Ehre -- uns die Wahrheit! Rede Sie!« Die Alte warf einen schnellen Blick nach dem Kruzifixe. »Laßt unsern Herrgott aus dem Spiele, er hat mit euch und mit mir nichts gemein. Gebt acht auf jegliches Wort, das ich zu euch nun rede, 's ist Blut und Mord. Und wenn es euch das Herz im Leibe erstarren macht, wenn hoch und immer höher des Elendes Fluten steigen, bis Ungezählte sie verschlungen, dann flucht nicht mir, flucht euch!« »In einer Erchtagnacht war's und um Andreastag, da führte mich der Satan in seinem Gespenste an die Wegscheid auf dem Kreidenberg. Die Nacht war grimmig kalt und rabenschwarz. Da sah ich, wie von allen Seiten rote Flämmchen niederzuckten; ein Licht, wie ich noch keines gesehen, warf seinen Schein rings auf den Plan. Ein Sausen und ein Schwirren zog durch die Luft, und ehe ich mich versah, füllte sich der Kreidenberg mit Hexen an. Es mögen an dreitausend dort gewesen sein. Der Teufel ließ zum Tanze spielen und alles drehte sich, wie wenn der Sturmwind, ist es Herbst geworden, mit dem Laube sein wirbelndes Spiel treibt. Dann ward gezecht. Es war Kinderfleisch, das uns gegeben wurde, doch ohne Salz. Der Wein war gut. Wir stahlen sieben Fuder aus des Fürstbischofs Keller. Darauf hielten wir geheimen Rat, wie wir die Frucht des Feldes verderben, Mensch und Vieh verzaubern und selbst der Kinder nicht verschonen wollten.« »Schrecklich,« stöhnte der Oberschultheiß. Das Weib sah ihn durchbohrend an. »Das Schrecklichste kommt erst. Ich soll euch auch wohl sagen, wer mit auf jenem Hexensabbat war? -- Daß ihr so schüchtern nickt, seid doch sonst so fest und hart! -- Nun hört! Ich habe dort gesehen über zwanzig Mädchen unter dreizehn Jahren. Die haben gräßlich Wehe über ihre Mütter ausgerufen. Dann das Göbel Babelin, die schöne, stolze Dirne, des Ratsherrn Gering blinde Elsa, den dicken Baunach, Batsch, den Gerber, meine Nachbarin, die Hüterin auf der Brücke, den Spittlmeister vom Dietricher Spital und des Dompropstes Vögtin.[M] Habt ihr genug gehört? -- Was sitzt ihr da, ihr harten Herren, als wäret ihr zu Stein geworden? -- Ich habe euch gewarnt, ihr sollet mich nicht zu reden zwingen. Ihr habt's gewollt -- nun sterb' ich nicht allein.« Die Richter saßen wie gelähmt vor Schrecken und Angst. Selbst der Oberschultheiß war in seinen Stuhl zurückgesunken und glich fast einer Leiche. Die Alte aber ließ einen triumphierenden Blick über alle gleiten, ihr Auge trank mit Wollust die ersten Tropfen eines Wehe, das nur zu bald zum Strome werden sollte. Pater Spee war bisher stille in seiner Ecke gestanden und hatte der Rede der Alten gelauscht. Seine Seele blutete, als er jene Worte hörte, aus denen die Rache drohend tönte. Dem tiefblickenden Manne war es klar, daß das, was hier als Geständnis gesprochen wurde, nichts anderes war als ein Massenmord, erst mit der Zunge begonnen, um dann mit Rad und Feuer vollbracht zu werden. Sein Herz duldete ihn nicht mehr in dem verborgenen Winkel, er mußte seinem Schmerze, seiner Entrüstung, wie seiner brennenden Liebe Worte leihen. »Bernin,« sprach er, neben die Angeklagte hintretend, »haben Euere Lippen nichts Böses gesprochen?« Die Alte fuhr bei seinem Anblicke erschrocken zurück. Dann maß sie ihn mit einem Blicke tiefen Hasses. »Was wollt Ihr hier?« grinste sie. »Hab' ich nicht an denen dort genug? Laßt mich in Ruhe!« »Seid nicht hart! Ich will Euch ja nicht quälen. Es ist die Liebe, die mich zu Euch sprechen heißt.« »Die Liebe?« rief die Ammfrau. »Herr, das Wort ist schön, wunderschön. Aber was Ihr Liebe nennt, das ist schon längst gestorben und begraben. Lügt mich nicht an, es gibt keine Liebe mehr, und auch in Euerem Herzen ist sie tot. Ja,« fuhr sie fort, »wenn die Liebe lebte, dann wäre es nicht Nacht auf Erden, dann rauchte nicht das Blut der Gemordeten und gäbe die Luft nicht alle die Seufzer wieder, die das Unglück ihr vertraut. Es gibt keine Liebe -- nein -- nein, sie ist gestorben -- tot -- und steht nicht wieder auf!« »Armes Weib!« klagte Spee; »wahrhaftig arm, weil sie den Glauben an die Liebe ganz verloren hat. O denket, wenn Ihr an den Menschen zweifelt, an die Gottesliebe, die nicht gemessen, nicht erschöpft werden kann. Legt Euer Elend in sie nieder, Ihr findet dort Heilung -- Friede!« »Zu spät -- zu spät!« sprach die Alte und ließ das Haupt auf die Brust herabsinken. -- »Ja, es war eine Zeit, da konnte ich glauben, beten und im Gebete glücklich sein! Da war ich noch ein Kind -- es ist lange her --, doch die Erinnerung ist in mir nicht gestorben. O schöne Zeit, daß du entschwinden mußtest! Dann kam es anders. Wild, wie die Jagd den Wald durchtobt, durchtaumelte ich das Leben -- immer schneller, immer rasender, berauscht von wermutbitterer Lust. Ein böser Mensch brachte mich auf böse Wege, nicht der Satan. Das hat ein Mensch getan! -- Er sei verflucht! -- Nun herrscht der Teufel über mich und tausend andere, die gleich mir sich ihm ergeben durch das Laster. Hu, wie mich friert, und doch, wie's drinnen brennt und wie im Kopfe hier sich die Gedanken drehen! Ja, ja, der Teufel herrscht!« Sie hatte die letzten Worte im schrillen Tone wachsenden Wahnsinnes ausgestoßen, dann sank sie auf das Pflaster nieder. Spee wollte ihr zu Hilfe eilen, doch sie wies ihn mit finsterem Blick zurück. »Laßt mich,« sprach sie, »ich bin nur müde. -- He, ihr Herren dort, setzt euch zu mir, wir wollen Hochzeit halten. Ihr wollt nicht? Was ihr spröde seid!« »Bernin!« sprach der Oberschultheiß mit zitternder Stimme. Die Alte horchte auf. »Wie ist's denn möglich, daß unschuldige Kinder bei eueren Hexentänzen sollen gewesen sein? Sie sprach doch von mehr als zwanzig Mädchen, die mit ihr den Hexentanz am Kreidenberge hielten?« »Geht mir erst aus den Augen, Pater,« sprach sie, Spee mit dem Arme von sich drängend. »Ich kann nicht reden, wenn ich Euch in meiner Nähe weiß.« »Ihr sollet auch nicht reden,« entgegnete der Jesuit. »Ihr Herren,« fuhr er, sich an die Richter wendend, fort, »fragt sie nicht mehr, es ist ja Wahnsinn, was sie redet.« »Pater,« gab stolz der Oberschultheiß zurück, »ich sollte Euch nicht erst darauf aufmerksam machen müssen, daß Ihr hier nichts zu sprechen und zu raten habt. Laßt es Euch belieben und ziehet Euch zurück! Und nun rede Sie!« »Es gibt Priester, die taufen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Dann setzen sie dazu: und in des Teufels Namen! Dadurch verfallen die Kleinen dem Satan.«[N] »Es ist nicht möglich!« rief Spee, vom Unwillen überwältigt, und verbarg das tränenfeuchte Antlitz in seinen Händen. »Warum nicht möglich?« gab der Oberschultheiß in spitzem Tone zurück. »Heutzutage ist alles möglich. Die Angeklagte nenne Namen!« »Die ich weiß, die will ich Euch wohl sagen. Da ist erstlich der Schwerdt, Vikarius im Dom, dann der Nikodemus Hirsch, Chorherr im neuen Münster, der Melchior Hammelmann, Vikarius zu Hach, und endlich Christophorus Barger, Vikarius im neuen Münster.[O] Mehr weiß ich nicht. Laßt's Euch genügen!« Die Ammfrau verfiel nach diesen Worten in ein dumpfes Brüten, aus dem sie nichts zu wecken vermochte. Sie kauerte auf dem Estrich und fuhr mit dem Zeigefinger der rechten Hand an den Fugen der Steinplatten auf und ab, schüttelte den Kopf, daß die grauen Haare über das Gesicht herunterhingen, und brach dann plötzlich in ein lautes Lachen aus, das grausig vom Gewölbe widerhallte. Zwei Schergen faßten sie und trugen sie auf des Oberschultheißen Befehl nach dem Kerker zurück. 7. Kapitel: ^Edle Menschen^ In einem prächtigen Gemache des alten Bischofshofes spielt ein einsamer, später Sonnenstrahl um reichvergoldete Möbel, seinen Glanz an ihrem Glanze messend. Dann hüpft er, froh des gewonnenen Sieges, über die schweren gewirkten Tapeten, tanzt auf den massigen Skulpturen des Plafonds und springt dann wieder auf den Boden nieder, um das Windspiel zu necken, das dort auf seidenen Kissen ruht. In der Mitte des Gemaches steht ein großer, ernster Mann. Der Sonnenstrahl huscht scheu an ihm vorüber, nur an den Diamanten des goldenen Pektorales tippt er mit flüchtigen Blitzen. Dann verkriecht er sich wie ein zu Tod erschrecktes Kind am Himmel hinter einer Wolke und will sich nicht mehr sehen lassen. Der Abend dämmert nieder und pflückt die letzten Lichter von der Erde. Der Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg tritt, aus seinen Gedanken erwachend, an den Schreibtisch, auf dem sich Aktenstücke befinden. Sein Auge ruht auf einem Blatte mit tiefem Ernste. Es sind nur wenige Zeilen, die, wie sie leblos ihm entgegenstarren, so ihm auch vom Tode reden. »Ein Urteil!« spricht der Kirchenfürst in halblautem Tone.... »Und allda an der Säulen durch den Nachrichter vom Leben zum Tode strangulieret, auch alsbald darauf der Körper mit dem Feuer zu Pulver verbrannt werden soll!«... »Mit dem Feuer zu Pulver verbrannt,« fuhr der Fürstbischof nach einer Pause, die letzten Worte des Urteils wiederholend, fort. -- »Es ist doch ein schreckliches Amt, zu richten über Leben und Tod! Gott gab die Gewalt dazu -- 's ist wahr; aber liegt in der berechtigten Gewalt auch schon die Bürgschaft, daß sie nicht irrt, ja, daß sie nicht von menschlicher Leidenschaft sich auf falsche Bahnen drängen läßt und zum gemeinen Mörder wird? Was geschah nicht alles im Namen des Rechtes und der Macht, daß es sich nicht getrost neben das Schlechteste stellen darf, das die Erde gesehen? Was ist Gesetz und Recht und Macht, wenn sie nicht ein reiner Ausfluß von Gottes Willen sind? Kann nicht auch das Gesetz zur Schmach der Menschheit werden, zum fluchwürdigen Tyrannen, der nicht das Gute will, sondern die Guten entehrt und knechtet? Hätte die Menschheit nicht immer mehr und mehr verlernt, in Gottes Wort Gesetz und Wahrheit zu erkennen, wir brauchten all den Wust von Menschensatzung nicht.....« »Ich kann nicht unterzeichnen, wenigstens heute nicht! Die Seele sträubt sich und der Wille! Wie schön, wie beneidenswert wäre des Fürsten Los, wenn er nur Liebe zu verteilen hätte, wenn nie die Hand, der Mund, das Auge strafen müßten! Das ist ein frommer Wunsch, wie ihrer Tausende im Menschenherzen leben; doch, kann er auch nicht ganz zur Wahrheit werden, so soll er doch soweit Gestalt und Leben haben, als es der Liebe möglich ist.« Zwei Edelknaben mit brennenden Wachskerzen traten ein und blieben ehrerbietig zu beiden Seiten der Türe stehen. Philipp Adolf wandte sich wohlwollend zu ihnen. »Nun, Kurt von Ratzenstein, wie gefällt dir der neue Dienst?« »Sehr gut, durchlauchtigster Herr,« entgegnete der frische, prächtige Knabe mit den großen, dunkeln Augen. »'s ist alles gar herrlich hier, hab' auch dem Heimweh Valet gesagt, nur --« »Nun, was fehlt?« »Ein Roß!« platzte der Junge heraus. »Seht, hoher Herr, es ist bei aller Pracht ein trostloses Leben, so fein demütig auf eigenen Socken schreiten müssen, sachte Schritt für Schritt und schön bedächtig, wie der Hofmarschall es will, statt auf einem stolzen Rosse reiten, wie ein Ritter alter Zeit oder ein kühner Feldhauptmann vor seinem Fähnlein Soldaten!« »Bist noch zu klein für Roß und Bügel,« scherzte der Fürstbischof. »Nein, nein, Durchlaucht! Bin nicht zu jung und klein,« rief der Page und streckte seine geschmeidige Gestalt. »Seht nur, wie groß ich bin!« »Und du, mein lieber Fischbaum,« sprach der Fürstbischof, sich zum andern Pagen wendend, »willst du auch gleich deinem Genossen dich auf einem Pferde tummeln?« Der Knabe schüttelte leicht das Haupt mit den langen, blonden Locken. »Verzeiht die offene Rede, mich lockt nicht Pracht, nicht Saitenspiel, nicht Schwerterklirren. Mein Sinn steht nach der Einsamkeit. Ich möchte Priester werden, kein so hoher Herr wie Ihr, auch nicht ein Domherr oder Propst; ein schlichter Priester ohne Namen und Rang, doch voll des heiligen Feuereifers für Gottes Ehre und für der Menschen Heil!« »Ein großes Wort aus Knabenmunde!« versetzte wohlwollend Philipp Adolf. »Gott segne dich und gebe deinem Wunsche gnädige Erfüllung! -- Sind die Herren schon versammelt?« »Ja, Durchlaucht!« In einem großen Saale, von dessen reichgeschmückter Decke schwere Kronleuchter mit brennenden Wachskerzen hingen, bewegte sich eine flüsternde Gesellschaft: Adelige, Domherren, Prälaten, Professoren, Gelehrte und Künstler. Das buntfarbige Bild der glänzend geputzten Menschen, wie der in ihrem einfachen Habite doppelt ehrwürdig schreitenden Mönche stach gar eigen von den Gobelins der Wände ab, von denen Saul und Salomon und David in starrer Verwunderung auf die wogende Menge herabsahen. Rings an den Wänden zogen sich mit roter Seide bezogene Stühle hin, deren schnörkelreiches Schnitzwerk und künstlich gebogene Füße in dem hellglänzenden Parkettboden widerstrahlten. In zwanglosen Gruppen standen die Herren beisammen, die Neuigkeit des Tages oder ihres Amtes oder eine weise Meinung bald mit einfacher Würde, bald mit hochgezogenen Augenbrauen und gar wichtiger Gebärde dem minder weisen oder erfahrenen Zuhörer gnädigst auseinandersetzend. »Seht, werte Herren,« sprach einer vom Adel, den Degen wagrecht an der linken Seite haltend und mit der Rechten, wohl dem goldenen Ringe mit dem großen Solitär zuliebe, beständig in den Lüften fuchtelnd, »ich liebe mein Vaterland gewiß aufrichtig, gar kein Zweifel, anerkenne auch, daß einige Kunst und Wissenschaft in Deutschland blüht, jawohl, aber fein, elegant, mit Genuß versteht man nur in Frankreich das Leben sich auszuschmücken. _Mon Dieu_, wir haben Schneider; was können sie? Einen Bürgerrock zusammenflicken! Sonst nichts! Ich frage, wo wird in Deutschland eine Leinwand gewoben, die so zart wäre wie die aus Frankreich? Ah, _messieurs_, ich beziehe seit einiger Zeit alles -- alles aus Frankreich, selbst Rasiermesser und Scheren, auch meine Hemden; sind sie doch schon darum besser als die deutschen, weil sie ein wenig von der französischen Luft parfümiert worden sind. Ja. Und erst unsere deutsche Sprache, ah, _messieurs_, wie barbarisch sie klingt, man kann wahrlich nur mehr Französisch sprechen, wenn man auf Anstand Anspruch machen will.[P] Ja. Es ist nur auf das tiefste zu bedauern, daß Durchlaucht diesen Ideen nicht zugänglich ist, seinen Hof nicht französisiert und ausländische Gelehrte, Künstler und Musiker beruft! -- _Voilà, messieurs_, sehen Sie nur unsere ehrenwerten Professoren da drüben in der Ecke an, sind sie nicht wie Eisbären oder wie die dicken schweinsledernen Bücher, aus denen sie ihre Weisheit holen? Wahre Nachteulen -- _n'est-ce pas_?« Der feine Herr war nicht wenig verblüfft, als ihn seine Zuhörer mit einer Miene ansahen, die alles eher als Zustimmung oder gar Bewunderung ausdrückte. »Laßt das tolle Zeug, Herr Graf,« antwortete ziemlich polternd der Ratsvogt Hillmann; »was soll das fremde Wesen bei uns? Verdamme mich Gott -- verzeiht, ihr Herren, ich glaube gar, ich hab' geflucht --, mir dreht sich immer Seele und Magen um, wenn ich von deutschem Maul auf deutschen Fleiß und deutsches Wissen schimpfen höre. Tut nicht gut. Wißt Ihr, was unser Walther von der Vogelweide singt? Ich will's Euch sagen, wenn's auch barbarisch Euren Ohren klingen mag. Gebt acht! Diutsche Mann sind wol gezogen, Rehte als Engel sind diu Wib getan, S' wer sie schiltet, der 'st betrogen: Ich enkan sie anders nicht verstan. Tugend und reine Minne, S' wer die suochen wil, Der soll kommen in unser Land: Da ist Wünne viel! So ist's! Deutsche Zucht geht vor allem, und nicht fremdes Zeug. Deutscher Mann -- Ehrenmann, deutscher Sinn ist Ehrenpreis, deutsches Herz Vergißmeinnicht, deutsche Treue Augentrost.« Der Edelmann wollte eben Antwort stehen, und daß diese nicht so fein geduftet hätte als sein Batisttaschentuch, dafür bürgten seine zornglühenden Augen; allein der Eintritt des Fürstbischofs ließ jede Unterhaltung verstummen, und so begnügte er sich damit, den deutschen Bären wenigstens mit einem Blicke tiefster Verachtung zu strafen. Philipp Adolf liebte es, von Zeit zu Zeit die hervorragenden Männer seiner Residenz um sich zu versammeln, um durch sie mit seinen Untertanen in steter Berührung und Fühlung zu bleiben, deren Wünsche, Klagen und Ansichten kennen zu lernen und überall nach Möglichkeit helfend, aufmunternd oder hemmend dazwischenzutreten. Die Zeit, zu welcher er über das schöne Frankenland herrschte, war eine sehr bewegte. Die Greuel des Dreißigjährigen Krieges befleckten deutschen Boden, Tilly hatte bei Lutter am Barenberge einen glänzenden Sieg über König Christians Heeresmassen erfochten, unbegreiflicherweise aber denselben nicht ausgenützt. Und wie die Erfolge der einzelnen Feldherren wechselten, so auch die Sorge der deutschen Reichsfürsten und ganz besonders der geistlichen Regenten, welche dem Verlaufe dieser langen, grausen Kriegszeit mit doppelt lebhaftem Interesse folgten. Zu dieser Sorge kam nun für Philipp Adolf eine weitere und wohl noch schwerere. Der Hexenwahn hatte sich im Bambergischen und Würzburgischen mit einer solchen reißenden Schnelligkeit verbreitet und eine so gräßliche Gestaltung angenommen, daß ein Ende der Schrecken kaum abzusehen war. Das arme Volk ward von dem Hexenwahne wie von einer erblichen Krankheit erfaßt, und das schreckliche Übel griff in immer weitere Kreise, schlug immer tiefere Wurzeln, trug immer blutigere Früchte. Man glaube nicht, daß man es hier mit einer psychischen Erscheinung zu tun habe, die auf katholischem Boden allein möglich war. Liebt man es doch, alle möglichen Erscheinungen schlimmer Art als eine notwendige Folge katholischen Glaubens und Denkens oder -- wie man noch geistreicher meint -- »Nichtdenkens« hinzustellen. Sowenig wir leugnen wollen, daß in katholischen Ländern die Verfolgung der Hexen stattfand, sowenig können wir -- und zwar zur richtigen Zeichnung jener bald finster dahinschleichenden, bald lawinenartig alles überflutenden Völkerkrankheit -- es verschweigen, daß auch in protestantischen Ländern jene Verfolgungen mit größtem Eifer und eiserner Härte geführt wurden. Der Hexenprozeß blühte so gut unter Calvin in Genf, wie unter dem hochkirchlichen Heinrich VIII. von England, im protestantischen Wolfenbüttel und Braunschweig, wie im katholischen Bamberg und Würzburg. Jakob I. von England sagt in seiner »Dämonologia«: »Es hat zwar mehr Gespenster im Papsttum gegeben, von denen man nach der Reformation nichts weiß, aber dafür ist jetzt die teuflische Macht der Hexen mehr kund geworden.« So waren denn die im Glauben Gespaltenen in der Hexenverfolgung einig. Kepler und Gustav Adolf glaubten an Hexen und Zauberer, und Tilly, der strenggläubige Katholik, ^galt seinen Gegnern^ als gefroren und im Bunde mit dem Teufel. Anfangs mag hüben wie drüben dem aufdämmernden Hexenglauben noch ein grübelnder, rechnender Gedanke gegenübergestanden haben; als aber jenes über alle Maßen traurige Völkerübel an Maß und Ausdehnung zunahm, gab sich nur zu bald auch das widerstrebende Denken gefangen, und wie man zu den Zeiten der Pest jeden mit dem größten Mißtrauen betrachtete und beim geringsten Anzeichen als der Krankheit verfallen ansah und ängstlich mied, so war auch in dieser Zeit niemand sicher vor dem Verdachte der Hexerei und Zauberei, und das Geringste genügte, den Verdacht zur häßlichen Gewißheit und dann zum Todesurteile zu steigern. War's doch, als hätte es dortmals keine erbarmende Liebe mehr unter den Menschen gegeben, sondern nur finstern Wahn und blasse Furcht, die ihre letzte Rettung in lodernden Scheiterhaufen sah. -- Nachdem der Fürstbischof einige der anwesenden Herren mit besonderem Gruße geehrt, den übrigen aber gnädig zugewinkt hatte, ließ er sich auf einen Stuhl nieder und befahl einige von den Gästen zu sich, die anderen bildeten nach Belieben plaudernde Gruppen oder ließen sich zum Brettspiele an einem der feingeschnitzten Tischchen nieder, die in den Ecken des Saales aufgestellt waren. Philipp Adolf befand sich in Unterhaltung mit einem Domherrn, dem Oberschultheißen und dem Kanonikus Philipp Schönborn. »Nun, mein Ehrenwerter,« sprach der Fürstbischof, »was könnt Ihr mir über den Verlauf der schwebenden Hexenprozesse mitteilen?« »Fürstbischöfliche Durchlaucht,« antwortete der Oberschultheiß mit gewichtiger Miene, »ich bin überglücklich, melden zu können, daß diese Angelegenheit endlich einmal nach meinem Wunsche geht!« »Ihr meint damit doch wohl,« unterbrach der Fürstbischof, »daß es damit zu Ende gehe?« »Zu Ende, gnädigster Herr? Nein, ich denke, wir sind jetzt glücklich bei einem tüchtigen Anfange angelangt. Ja, ich sage das mit großer Befriedigung, denn es kann kein ruhmvolleres Werk geschehen, als alle Hexen mit Schwert und Feuer zu vernichten.« »Ein schreckliches Wort!« seufzte Philipp Adolf. »Wie man es nehmen will,« fuhr achselzuckend der Oberschultheiß fort. »'s ist schrecklich, ja, daß es so arg verkommene Menschen gibt, die mit dem Satan sich verbinden; daß wir sie ausrotten, das ist Wohltat.« »Und glaubt Ihr, daß Ihr Euch in solchem Amte niemals irrt?« »Irren?« rief der Gestrenge und streckte seine schmächtige Gestalt -- »irren? Nein, ich irre nicht! Ich rede nicht zu meinem Lobe, es geziemt sich nicht in Euerer hohen Gegenwart; allein aus meinen Händen kommt nicht einer wieder in die Freiheit, denn jedem ringe ich das Geständnis seiner Schuld ab. Ich habe einen tiefen Blick, mit dem ich in die Tiefe der Seele schaue; ich habe einen Schlüssel, der mir jegliches Geheimnis offenbart, das ist unser unvergleichliches peinliches Recht, und endlich habe ich das rechte Richterherz, das nicht von des Mitleids Schwäche angekränkelt und zwischen Gerechtigkeit und Erbarmen weibisch schwankt. Nein -- kalt wie des Todes Hand ist auch mein Herz, wenn es zu richten hat, und ich wollte ihm nicht folgen, wenn es mir Mitleid flüsterte, und säße ich auch übers eigene Weib und über meine Kinder zu Gericht.« Der Fürstbischof sah mit einem Blicke voll Entsetzen nach dem Oberschultheiß. »Ihr, hoher Herr,« fuhr dieser eifrig fort, »Ihr fasset und begreift das nicht. Ihr seid gewohnt, dem Mitleid volle Herrschaft einzuräumen und dem Erbarmen Euere Macht zu leihen. Ich kann -- ich darf das nicht! Für mich ist jeder Mensch, der unterm Schwerte oder auf dem Scheiterhaufen stirbt, ein gesühnter Paragraph -- sonst nichts. Fragt der Mensch nicht sein Gefühl nach allen Seiten, ehe er zum Verbrecher wird, warum soll ich nach dem Gefühle fragen, wenn das Verbrechen seine Sühne fordert?« »Was Ihr da sagt, gestrenger Herr,« fiel Schönborn ein, »das hat nur einen Schein von Recht und Wahrheit. Ihr braucht aus Mitleid die Gerechtigkeit nicht zu verraten, Ihr sollt aber auch nicht aus Herzlosigkeit zu unbeugsamen Sklaven Euerer Gesetze werden. Ihr Herren seid zu hart, ihr seid wie totes Gestein, aus dem nicht eine Blume sprießt; ihr starrt verderbenbringend in das Leben rings um euch, und wo ihr glaubt, daß euer Recht verletzt sei, da stürzt ihr euch zermalmend auf das Opfer. Euch Richtern fehlt die Liebe, und doch sollte sie mit euch zu Gerichte sitzen, denn wo die Liebe fehlt, da fehlt auch die Gerechtigkeit.« »Euere fürstlichen Gnaden werden hoffentlich des jungen Herrn Kanonikus Ansichten gleich mir sehr kühne nennen?« sprach der Oberschultheiß, mit lauernder Miene nach Adolf Philipp schauend. »Immerhin,« antwortete dieser, »denn es gehört Mut dazu, euch Herren zu widersprechen. Und doch, was Schönborn sagt, versteht mein Herz viel besser, als mein Verstand, was Ihr gesprochen.« »Erlaubt,« fuhr Schönborn fort, »eine Frage aufzuwerfen. Gesetzt, es wären wirklich alle, die Ihr Hexen nennt, auch dieses Lasters schuldig. Kann man sie denn dann nicht vom Irrwege heim zum wahren Glauben, vom Satansdienste zur Gottesliebe führen? Warum dem Henker übergeben, was doch dem Priester angehört? Warum in Elend enden lassen, was doch vielleicht zu retten ist?« Der Oberschultheiß blickte hellen Zornes auf den jungen Priester. »Ihr wolltet wohl die Hexen leben lassen,« höhnte er, »und sie durch Euer Wort bekehren?« »Mit Gottes Hilfe, ja!« entgegnete Schönborn. »Und glaubt Ihr, daß Ihr Macht hättet über alle Teufel?« »Wenn sie der gottgeweihte Priester nicht besitzt, wer sollte dann in Gottes Namen noch dem Geist der Finsternis gebieten können? Und erst müßtet Ihr mir noch beweisen, daß wirklich hier der Teufel im Spiele ist. Ich glaube es nicht!« »Hm, und wenn der Priester die Teufel doch ^nicht^ besiegt? Was dann?« »Ihr zweifelt, weil Euch solcher Zweifel zum Systeme paßt.« »Hat nicht der Pater Spee, sooft er will, ganz freien Zutritt zu den Hexen?« fragte triumphierend der Oberschultheiß. Schönborns Auge leuchtete, als seines Freundes Name genannt wurde. »Ich glaube, ja. Doch klingt es fast wie Hohn, wenn Ihr verlangt, er solle unten in der Kerker grauser Nacht, und während die armen Opfer von Stumpfsinn, Gram, Verzweiflung gefesselt sind, wunde Seelen heilen! Gebt erst den Kerkern Licht, daß es das Kreuz bescheine, das der Priester rettend zu den Armen trägt. Gebt Licht, gebt Sonnenlicht, damit sie aus des Priesters Auge die Hoffnung der Erlösung lesen können; gebt Licht der schauerlich schwarzen Nacht, in der Ihr Euere Hexen lebendig begrabt, bis sie der Wahnsinn und die Verzweiflung am Herzen und am Verstande angefressen haben. Ist's da noch ein Wunder, wenn der Priester in des Kerkers tiefer Nacht nicht mehr verstanden wird, wenn dort das Wort der Liebe fruchtlos verhallt und wie vom fühllosen Gesteine, so auch von den zertretenen Herzen unverstanden abprallt? Schafft andere Kerker, wo der Mensch nicht dem Gewürme gleicht, vergeßt auch im Verbrecher nicht das Gottesbild; ist es auch verzerrt, so seid doch menschlich gegen Menschen, und das Erbarmen wird die Herzen heilen, es wird die Schuld versöhnen und den Wahnsinn bannen und das Elend enden.« »Wo ist Pater Spee?« fragte der Fürstbischof, aus tiefem Nachdenken erwachend. »Man sende nach ihm! Ich will aus seinem Munde Aufschluß haben über das, was Schönborn eben berührte.« Über des Oberschultheißen Angesicht flog dunkle Zornesröte. Er warf einen Blick unversöhnlichen Hasses auf den mutigen Kanonikus. Dieser aber hielt den Blick mit aller Ruhe aus, und so sehr ihn auch des Fürsten Wunsch, mit Spee selbst zu sprechen, mit hoher Freude und großer Befriedigung erfüllte, so war er doch edel genug, seine Freude nicht am Zorne seines Gegners zu messen. Das Erscheinen des Paters Spee am Hofe erregte allgemeines Aufsehen. Man hatte bisher noch nie einen Jesuiten bei den Abendzirkeln des Fürstbischofs gesehen; nicht als ob dieser jenen Ordensmännern nicht mit ganzer Liebe zugetan gewesen wäre, sondern weil diese es sich zum Grundsatze gemacht hatten, nie unbegehrt am Hofe zu erscheinen. Spee war keine imposante Gestalt. Die große Weichheit seines Gemüts hatte sich auch dem Körper mitgeteilt, der von einer Zartheit war, die auch das lange Habit nicht zu verbergen vermochte. Das einfache, aber edel geschnittene Gesicht widerstrahlte jene beneidenswerte Ruhe, die der Stempel einer mit sich und dem Schöpfer fertigen Seele ist. Aus seinem Auge leuchtete Friede, aber dennoch war ein leiser, schmerzlicher Zug über dasselbe gehaucht, der ihm einen eigenen Reiz der Liebe lieh. Philipp Adolf empfing den Jesuiten mit jener Herzlichkeit, mit der immer ein Priester den andern begrüßen soll. Spee war nicht frei von einiger Befangenheit, als er sich mitten in dem Prachtgemache als Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit sah, und dieses Gefühl wuchs noch, als ihm der Fürstbischof die Ursache mitteilte, um derentwillen er nach ihm gesendet hatte. »Ich soll Euch Rede stehen, gnädigster Herr, über meine Erfahrungen mit den Armen, die unter der Anklage böser Zauberei den Kerkern verfallen sind. Ich segne diese Stunde, da mein Mund vor einem edlen Fürsten der Wahrheit Zeugnis geben darf. Und doch -- ich bange! Glaubt nicht, daß mir der Mut gebricht, glaubt nicht, daß Menschenfurcht meine Zunge lähmt und meinen Worten klug berechnend die Spitze bricht. Nein! Gott und die Wahrheit über alles! Aber mein Wort wird nicht gesprochen werden können, ohne da und dort zu verwunden. Ich will nicht wehe tun, ich will nicht verletzen.« »Der Aberglaube, jener finstere Geist, der wie der Rost am Eisen, so am wahren Glauben frißt, hat über unser Volk, gleichviel welchen Glaubens, eine nicht genug zu beklagende Herrschaft gewonnen. Dazu gesellt sich der Neid, der nicht nur auf das Glück mit scheelem Auge schaut, sondern auch auf betende Lippen sein fressendes Gift träufelt; ihm steht zur Seite zischelnde Verleumdung, Ehrabschneidung und die ganze trübe Flut der Zungensünden, die ein verdorbenes Herz nach Tausenden erzeugt. Und keine Obrigkeit, kein Gottesmann erkennt hierin den Samen zum aufkeimenden Verdachte böser Zauberei! Nicht Gott, nicht die Natur sind die Quellen dessen, was wir sehen -- alles -- alles ist ein Zauberwerk und ist Hexentat. Und nicht bedenkend, daß in Herzen, die dem Glauben und der Liebe abgestorben sind, alles Böse keimt, daß all das wüste Flüstern von des Teufels Macht und seinen Verbündeten nur in der Menschen bösen Zungen, in ihren arg verworrenen Köpfen wurzelt und nicht in reiner Wahrheit, befehlen doch die Fürsten gegen Zauberer und Hexen einzuschreiten, als ob das wirklich lebte, was des Menschen böses Herz, sein wahnwitzig gewordenes Gehirn und seine schlechte Zunge schaffen. Da drängt sich alles dann mit Richterspruch und Schwert und Feuer an das arme Opfer. Der Fürst hat ja befohlen, das Volk hat mit Fingern da- und dorthin in flüsternder Anklage gedeutet -- das scheint Grund genug, zu glauben, daß es Hexen gibt, und dem Beklagten ohne weiteres jenen Stempel aufzudrücken. Da mag die Quelle noch so trüb und schmutzig sein, der Mund, welcher Kläger ist, von Gift und Neid geschwollen, der Kopf so wirr, wie der eines Fieberkranken -- was tut's? Die Hexe ist geschaffen! Und wenn den Richter nicht die reine Liebe zur Gerechtigkeit bewegt, wenn Ehrgeiz ihm das Auge blendet und Unerfahrenheit mit stolzem Geist sich paart; ja, wenn selbst gierige Habsucht mit im Spiele ist:[Q] dann wachsen rings die Hexen gleich dem Laub an den Bäumen!« »Und der Beweis, daß alle jene wirklich Hexen sind und Zauberer, die dem Gerichte verfallen? Dem Mörder gegenüber ist die blutige Tat, die er begangen, der bindende Beweis. Da liefert der Verbrecher ihn. Ganz anders bei den Hexen. Hier macht der Richter selbst sich den Beweis. Guter Ruf und reine Sitten, so sagen sie, sind stets der Deckmantel, mit dem die Hexen ihre Bosheit verhüllen; ein schlechter Ruf und ein zügelloses Leben sind nicht minderer Beweis, denn Schlechtigkeit erzeugt Schlechtes. Starkmut bei der Folter Qualen ist nur des Teufels Hilfe, der seine Getreuen gefühllos macht; Bekenntnis, das der Schmerz erpreßt, gilt aber für volle Wahrheit. So wird nicht aus dem Menschen heraus die Schuld bewiesen, sondern dieselbe um jeden Preis hineingelogen.« »Doch nicht genug! Man forscht nach Menschen, seien sie auch noch so schlecht, die über der Angeklagten Vorleben aussagen sollen. Und wissen sie eine üble Tat, ein unbesonnenes Wort zu erzählen, so wird das zum Beweis, ein solcher Mensch sei auch des Bundes mit dem Teufel fähig. Wie viele tragen Groll und Haß im Herzen! Ihr Feind ist in des Richters Gewalt; welch eine Gelegenheit, der Rache ungehinderten Lauf zu lassen! Der Richter aber leiht dem Feindesmunde offenes Ohr, als spräche dieser die Wahrheit! Es mag der Angeklagte unter der Wucht der auf ihm lastenden Ungerechtigkeit laut aufschreien, er mag bei Gott und seiner Seligkeit seine Unschuld beteuern, man glaubt ihm nicht! Und wenn ein anderer für ihn sprechen wollte, man hört ihn nicht! Dem Diebe und Mörder ist ein Fürsprecher gestattet, der Hexe nicht! Freilich wehe dem, der mutig vor die Richter träte als Anwalt jener Armen, welche die ^Dummheit^ Hexen nennt: er gälte jenen Weisen nur als Mitschuldiger, der sich selbst dem Tode überliefert. Und so schweigen jene, welche reden sollten; geschlossen sind die Lippen der Guten und Einsichtsvollen, und der Wahnwitz und die Bosheit triumphieren!« »Da möchte ich doch um des Allerbarmers willen wissen, welcher Weg, mag nun die Angeschuldigte mit oder ohne Bekenntnis sterben, sich hier zum Entrinnen öffne, ist auch das Herz so rein und schuldlos gleich dem eines Kindes? Unglückliche, worauf hast du gehofft? Warum hast du nicht beim ersten Schritte in den Kerker dich als schuldig bekannt? Armes Weib, warum willst du vielmals sterben, wenn du mit ^einem^ Male dich des Lebens entledigen kannst? Folge meinem Rate: ehe alle Pein in deinem Körper wütet, gib dich gefangen, schuldig -- und stirb! Entrinnen kannst du nicht mehr; du weißt ja, welches das Ziel des Gerechtigkeitseifers in Deutschland ist.« »Und die Richter möchte ich fragen: warum habt ihr euch doch erst umgesehen, warum nach Zauberern und Hexen gesucht? Ich will euch zeigen, wo sie sind! Wohlan, nehmt den ersten besten Kapuziner oder Jesuiten, den ersten besten Priester! Schlagt ihn an die Folter, quält ihn mit eueren Marterwerkzeugen -- sofort wird er bekennen. Und ist er anfangs stumm und schützt er sich nach euerer Meinung durch Zaubermittel, so fahrt mit eueren Martern fort: endlich werdet ihr ihn brechen. Wenn ihr noch mehr wollt, so nehmt die Prälaten, Domherren, nehmet Gottesgelehrte, und ich versichere euch, sie alle -- alle werden schnell bekennen.« Spee schwieg einen Augenblick. Sein Antlitz ging aus dem Feuer heiligen Eifers wieder in die gewohnte schmerzliche Weichheit über. Er nahm das Kreuz von seinem Rosenkranze und sprach, dasselbe küssend, mit milder Stimme: »Du, Herr am Kreuze, du weißt es allein, wie meine Seele blutet, daß ich dem Leid nicht Hilfe bringen kann. Wie gerne wollte ich niederknien und mein Haupt zum Opfer geben, könnte ich damit dem Wahn ein Ende machen und tausend Fesseln lösen! Du Quell der Milde, süßer Jesus, wie kannst du dulden, daß Unschuldige solche Qualen leiden? O komme durch dein Blut den tief Bedrängten zu Hilfe! Gib du Erkenntnis aller Obrigkeit, daß sie wohl sehe, wie sie richte, und nicht Gerechtigkeit in Grausamkeit und Gottlosigkeit verkehrt werde![R] Gib Priester, die den Ärmsten wahre Väter sind, und Tröster diesen Leidenden! Ja, ihr Priester Gottes, hebt die Hände bittend zu jenen Unglücklichen auf, damit sie euch vertrauen, sagt ihnen, daß ihr sie in euer Herz schließen wollt. O lernet Mitleid haben mit dem Jammer, fühlt die Leiden, als wären sie die eueren. Sagt, ihr wolltet euer Leben für sie opfern, wenn es euch gestattet wäre; versprechet, daß ihr sie niemals verlassen werdet. Es wäre schrecklich, könnten jene Opfer klagen, sie hätten selbst aus Priestermund keinen Trost empfangen. Wenn ihr der Gottesliebe Boten seid, dann bringt den Armen das, was Heilung jedem Schmerze ist, bringt Liebe!«[S] Des Paters Worte verursachten eine große Bewegung. Während der Fürstbischof sein sinnendes Haupt auf die Rechte stützte und in seinem Auge eine Träne glänzte, und während Schönborn in heiliger Begeisterung des Jesuiten Hände küßte, standen die anderen Herren rings mit finsteren Mienen, aus denen Groll, Zorn und Rache glühte. Spee aber war gleich dem Fels im brandungswilden Meere und blickte ruhigen Auges nach dem Fürsten. »Nun, ihr Herren,« sprach Philipp Adolf, den Blick langsam erhebend, »was sagt ihr zu des Paters Rede?« »Erlaubt, mein Herr und Fürst,« nahm, mühevoll nach Fassung ringend, der Oberschultheiß das Wort, »erlaubt, daß ich Euch Red' und Antwort stehe. Der Pater Spee hat früher schon in einer Weise sich der Hexen angenommen, die sehr verdächtig ist. Mit dem, was er vor Euch und uns gesagt, hat er sich offen auf ihre Seite gestellt. Das ist doch sehr auffällig. Während alle Welt, gleichviel ob katholisch oder lutherisch, mit Schwert und Feuer gegen das Hexenwesen zu Felde zieht, nimmt der fromme Pater die Unholde unter seinen Schutz. Das ist sehr bedenklich, gnädigster Fürst! Es ist nur eine Wahl: entweder wir bleiben bei unserer ausgezeichneten Praxis und töten alle Hexen und Zauberer und retten dadurch die Menschheit, oder wir folgen dem Rate des Paters, entsagen dem, was er in ^seiner^ Weisheit Hexenwahn nennt, und lassen uns dafür vom aufrührerischen Volk ermorden, das an Hexen glaubt und Schutz vor ihnen bei uns sucht. Ist's besser, daß ein junger Jesuiter recht behält, dafür aber das ganze Volk zugrunde gehe? Soll er allein die Wahrheit kennen, da doch die ganze Welt an Hexen glaubt? Soll alles des Satans werden, weil einer anderer Meinung ist? Wenn wir das Schwert, mein Fürst, aus unseren Händen legen, dann begebt Euch auch Eueres Zepters und Euerer Lande und laßt, verzeiht das Wort, den Satan herrschen. Es scheint,« fuhr er mit leisem Spotte fort, »die Herren Jesuiter haben unseres Heilandes Evangelium nicht gelesen, wo doch von Besessenen die Rede ist. Wir, die wir nicht jener Gesellschaft angehören, glauben noch an Teufel und an Hexen und lassen uns darin auch durch den Pater Spee nicht irremachen.« »Ganz richtig!« nahm ein Prälat das Wort. »Der junge Pater ist ein junger Brausekopf und mischt sich ungerufen in den Gang irdischer Gerechtigkeit. Ich rate ihm, sich seiner klösterlichen Einsamkeit mehr zu befleißen und mit seiner Zelle sich zu begnügen. Was draußen geschieht, was für ein Elend in den Kerkern ist, wie schwer die Ketten lasten, wie sehr die Werkzeuge der Tortur peinigen und wie groß die Klagen der Gefangenen sind, das überlasse er den Richtern und schweige über Hexentum; was kann er von solchen Dingen verstehen?«[T] »Er mehr als jeder andere!« rief Schönborn in hellem Eifer aus. »Wohlan, ihr Herren, steigt gleich ihm hinab in jene gräßlichen Gefängnisse, schaut kalten Herzens, wenn ihr's vermögt, das ungeheure Elend, hört unbewegt die Klagen und die Seufzer, hört, wie sie in rührenden Gebeten ihre Unschuld Gott befehlen und dann, von Grimm und Schmerz getrieben, ihren ^Henkern^ fluchen! Stellt euch hinein, ihr weisen Herren, ins Meer des tiefsten Elendes, laßt seine Wogen über eueren Häuptern branden, sprecht nicht hier unterm hellen Sonnenlichte solche kalte Sprache, nein, steigt hinab in rabenfinstere Nacht und hört den Aufschrei der armen Menschen! Und wenn ihr das getan habt gleich unserm Pater Spee, wenn ihr gleich ihm dem tiefsten Jammer euer Ohr und Herz geliehen habt, dann werdet ihr gleich ihm die Sprache der Erbarmung und Gerechtigkeit reden.« »Hab' Dank, mein edler Schönborn, für das Zeugnis, das du der Wahrheit gabst!« sprach Spee, dem jungen Kanonikus mit Innigkeit die Hand drückend. »Euch aber, hoher Fürst, und euch, ihr werten Herren, gebe ich ein offenes Geständnis, das so treu und wahr ist, als stünde ich vor Gott! Wenn ich mit größtem Fleiße untersucht und auch des Ansehens der Beichte mich bedient hatte, so habe ich doch noch in keinem der Unglücklichen, die ich zum Feuer begleitet habe, etwas entdeckt, was mich hätte überzeugen können, daß derselbe mit Recht des Verbrechens der Zauberei sei angeklagt worden. Alle haben mit herzzerreißendem Jammergeschrei die Bosheit und Unwissenheit der Richter und ihr Elend beweint und in ihren letzten Nöten zu Gott als dem Zeugen ihrer Unschuld gerufen.[U] Ich schwöre es bei Gott, daß ich wenigstens bis jetzt keine Hexe zum Scheiterhaufen geleitete, von der ich nach allseitiger Erwägung vernünftigerweise behaupten könnte, sie sei schuldig gewesen.«[V] * * * * * Hinter zerrissenem Gewölke glänzt in mildem Scheine die silberne Sichel des Mondes. Ihr Licht fließt wie Geisterkuß an den Kirchtürmen und Häusern herab und in manches stille Gemach, wo ein Ruheloser zu ihr aufschaut. Und da kommt der leise schreitende Wächter der Nacht zu einem Fürsten, den quälende Zweifel nicht schlafen lassen, zu einem Richter, der an einem finstern Racheplan gegen den Pater Spee brütet, und zu diesem selbst, der auf den Knien liegend betet: »Zu Gott ich hab' gerufen zwar Aus tiefen Todesbanden; Dennoch ich bleib' verlassen gar, Nicht Hilf' noch Trost vorhanden. Der schöne Mon will untergahn, Für Leid nicht mehr mag scheinen; Die Sterne la'n ihr Glitzen stahn, Mit mir sie wollen weinen. Kein Vogelsang noch Freudenklang Man höret in den Lüften; Die wilden Tier' trau'rn auch mit mir In Steinen und in Klüften.«[W] 8. Kapitel: ^Spürhunde^ »Und ich sag' Euch, es ist so!« »Meister Gothart, Euer Wort in allen Ehren und alle Achtung vor Eueren grauen Haaren, aber was Ihr sagt, ist gar nicht möglich; eher sollen Mond und Sterne vom Himmel fallen und meine Kühe auf dem Maine grasen, als daß ich sage, ich glaube Euch!« »Ihr seid ein Ehrenmann,« sprach Meister Gothart und nahm den Arm seines Freundes, des Goldschmiedes Winterholder, »jawohl, ein ganzer Ehrenmann seid Ihr; des ist Zeuge Euer Schmerz, der zu meiner Kunde so ungläubig das Haupt schüttelt. Ist aber doch so, wie ich gesagt habe. Wißt Ihr was? Wir gehen nach der Marienkapelle hin, da müssen sie uns begegnen.« »Ich habe die Kraft nicht,« entgegnete Winterholder mit halblauter Stimme, rang die Hände und ließ das Haupt sinken. »Ich kann nicht! Freund, mir ist's, als gelte das Elend meinem eigenen Kinde! Herrgott im Himmel,« fuhr er plötzlich auf, und seine Augen flammten, »sind wir denn wie Hunde geworden, mit denen die Herren am Gerichte machen können, was sie wollen? Da soll doch --« »Ruhig, Freund,« fiel Meister Gothart, der Bildschnitzer, seinem Freunde ins Wort. »Zürnet unserm Herrgott nicht, 's ist Frevel! Er hat das Ende aller Dinge in seiner Hand, und jedem Leide gibt er das Amen. Die Zeit ist blutig, und besser wäre es schier, im Grabe zu liegen, als dem Elend ins Auge zu schauen. Und doch -- ich sage immer wieder, -- unser Herrgott macht das Ende.« »Meister Gothart, Meister Gothart!« rief ein junger Bursche, der die Domstraße heruntergelaufen kam. Der Alte wandte voll banger Ahnung sein Haupt dem Lehrjungen zu, aus dessen blassen Zügen schlimme Märe sprach. »Was soll's, Friedrich?« »Sind gerade vom Schneidturme weg Knechte gezogen,« erzählte, nach Luft ringend, der Knabe; »sie wollen des alten Ratsherrn Göbel Edeltraut nach dem Gefängnisse führen.« »Du schwatzest wohl im Fieber!« zürnte Gothart. »Meister,« rief verletzt der Junge, »ich sage Euch reine Wahrheit!« Gothart stand einen Augenblick regungslos wie ein Bild aus Stein. »Und warum haben sie die Jungfrau gefangen genommen?« fragte er mit tonloser Stimme. »Ei, weil sie eine Hexe ist,« gab Friedrich rasch zurück. Der Alte zuckte zusammen. »Da,« rief er und gab dem Lehrburschen eine klatschende Ohrfeige, »da, bring' das den gelehrten Richtern und sage ihnen, sie seien entweder Esel oder Teufel!« Der Knabe sah mit einer Mischung von Zorn, Scham und Mitgefühl zu seinem Meister auf. »Warum schlagt Ihr ^mich^?« sprach er, »hab' ich's verdient?« »Geh', Friedrich, geh'!« entgegnete der Alte und reichte dem Jungen die Hand. »Geh' heim! Ich weiß nicht, was ich tue, noch was ich rede. Mir schwindelt Kopf und Herz. Freund Winterholder, Euren Arm! Wenn ich nur weinen könnte! -- Aber auch die Träne hat der Zorn mir aufgefressen! -- Göbels Edeltraut als Hexe! -- Freund, sagt mir, brennt Euch nicht der Boden unter Eueren Füßen, und ist's Euch nicht, als glühte die Luft? Ich meine just, ich stünde auf der Hölle!« »Wollt Ihr denn nicht nach Hause gehen?« fragte teilnehmend Winterholder. »Euch schüttelt Schmerz und Zorn, als läget Ihr im Fieber.« »Heim?« rief Gothart mit glühenden Augen; »ich nun heimgehen, indes der Satan unsere Stadt verwüstet? Geht, geht und schämt Euch dieses Wortes!« »Aber um des Himmels willen, was wollt Ihr hier auf offener Straße -- halb von Sinnen, schmerzgebeugt?« »Was ich will? Ich will mein goldenes Patenkind beschützen, daß nicht Henkershände es berühren. Seht hier diesen Dolch, der, denke ich, kann spitzig reden.« Aus der engen, winkeligen Judengasse, welche vom Marienplatze her in die Domstraße mündet, wälzte sich ein dichter Menschenstrom. Lautlos zogen dichtgedrängt dahin die Männer und Frauen, die jungen Burschen und Dirnen, Trauer, Mitleid und Entsetzen in den Mienen. Die alten Mütterlein, die mit der Menge gingen, und manche frische Maid hielten sich schluchzend das Tränentüchlein vor das Angesicht, in manchen Mannes Antlitz zuckte Schmerz und Zorn und Wut. Nun vier Knechte. Und zwischen ihnen Vater Gering, an seinem Arme Elsa und mit der Linken sein junges Ebenbild, die kleine Irma, führend. »Du zitterst, Vater!« sprach das blinde Mädchen. Der Alte antwortete nicht. »Vater, warum gibst du deiner Elsa keine Antwort?« fragte die Maid und schmiegte sich inniger an den Greis. »Ich kann nicht!« »Du weinst, Vater?« »Weil ich nicht sterben kann!« »Sterben?« wiederholte Elsa. »Dieser Trost wird uns zuteil werden.« »Sind wir noch nicht am Dome?« sprach das blinde Mädchen nach einiger Zeit. »Ja, mein Kind!« »Ich möchte beten.« »Darf nicht sein!« herrschte der den Zug begleitende Vogt. »Und warum nicht?« gab Elsa ruhig zurück. »Glaubt ihr Herren eure Macht so groß, daß ihr selbst das Gebet verbieten dürft? Ist's nicht genug, daß ihr Gewalt habt über Leib und Leben, wollt ihr auch unsere Seelen knechten? Vater, rede du, daß sie mir meinen Wunsch gewähren.« »Henker sind stets ohne Herz und Mitgefühl,« versetzte bitteren Tones der Greis. »Vorwärts!« rief befehlend der Vogt. Das Volk blieb vor den Stufen des Domes, die Gefangenen umringend, stehen. »Laßt sie beten!« riefen fordernde Männerstimmen, »laßt sie beten, Henker!« grollte drohend die Menge. Tiefe Stille rings. Das Volk liegt auf den Knien. Elsa, Irma und der Greis steigen die Stufen hinan. Unter dem offenen Portale sinken auch sie in die Knie. Tief zur Erde beugt das blinde Kind das lockenreiche Haupt und spricht zu seinem Schöpfer des Herzens stille Sprache. Nun erhebt Elsa ihr Antlitz, breitet weit die Arme betend aus und ruft: »Herr Jesu Christ, du süßer Gottessohn, du heilige Liebe meines ganzen Herzens! Sieh gnädig nieder auf meinen Schmerz, der zu dir um Hilfe aufschreit. Du, Gott der Liebe, des Erbarmens, sende einen Gnadenstrahl in mein Herz, das Leid und Todesangst umnachtet! Schau nieder auf die Erde! Die blinde Elsa, die dich reinen Herzens liebt, bringt sich zum Opfer für ihren armen Vater. Nimm mich an und rette ^ihn^, den Besten! Ein wilder Wahn hat die Welt erfaßt; ^sie^ kennt ^dich^ nicht mehr, ^sie^ versteht nicht mehr ^dein Wort^ und ^deine Liebe^. Statt unter dem Schatten deines Kreuzes allem Leide Heil zu holen, zwingt Aberglaube, Haß und Gottentfremdung den Satan auf die Erde und in die Herzen. Wie unter dem giftigen Hauche der Pest ungezählte Leben enden, nun altersmüde, nun zur vollen Knospe erst erblüht, und wie des Todes Sichel mäht, nicht achtend Kraft und Jugend: so faßt des Wahnes Wirbeltanz seine Opfer, gleichviel ob schuldig oder nicht, ob fromm, ob schlecht -- der wilde Wahn hat weder Herz noch Verstand, er mordet, er mordet Schuld wie Unschuld.« »Du weißt es, Herr, wie fremd mein Herz dem argen Frevel ist, dessen sie mich zeihen. Mein Weg führt auf die Richtstätte; denn Recht und Wahrheit sind der Erde jetzt fremd geworden. Noch bin ich nicht gehört, und doch bin ich verdammt. Ich weiß es. Aber ich klage nicht für mich. Ich steige aus dem Grabe, in welchem ich jetzt lichtlos atme, zu einem anderen Grabe nieder, aus dem die Seele lichtvoll zu dir sich aufschwingt. Darum zage ich nicht. Mir ist der Tod ein neues Leben. Aber, o Herr der Liebe, meinen Vater schirme, sein altes, ehrengraues Haupt, sein Herz voll treuer Liebe!« »Und dieses Kind -- ein Engel noch an Unschuld, rein wie die Lilien des Feldes und edel wie die Rosen -- o schütze beide, Herr! Ich aber, großer Gott, ich will zum Opfer werden -- zur Sühne für den Frevel, den die Welt mit deinem Namen treibt. Und nun segne mich, Herr, mit deiner Liebe, mit deiner Allmacht, mit deines Herzens Allerbarmen!« »Wohlan,« sprach sie, sich erhebend und zum Volk sich wendend, »laßt uns gehen! Mein Blut, mein junges Leben gebe ich zum Opfer, zur Sühne -- möge Gott es gnädig nehmen!« Elsa stand hochaufgerichtet über der knienden Menge, ihr sonst so seelenloses Auge schien von einem himmlischen Strahle durchleuchtet, über ihrem Angesichte lagen Friede und Ergebung. Lautes Schluchzen drang zu ihren Ohren. Ein schmerzlicher Zug lagerte sich über Elsas Antlitz. »Ihr weint! -- Ich kann euch mit des Leibes Auge nicht schauen und euere Tränen nicht sehen. Aber euere Klagen, euer Schmerz spricht laut zu mir. Ich will, wenn ich vollendet habe, eueren Jammer drüben vor dem Throne Gottes niederlegen und beten, beten ohne Ende, daß die Schmach, die auf uns und unserer Stadt lastet, daß der Frevel, der mit Gottes heiligem Willen hier getrieben wird, zur Rüste gehe und Friede, Freude wiederkehre.« »Amen -- Amen!« rief das Volk mit lauter Stimme. Und weiter ging der Zug durch Gassen, über Plätze, bis dort am Schneidturme des Kerkers gähnende Nacht ihre Opfer verschlang. * * * * * Fast zu gleicher Zeit, als Elsa mit ihrem Vater und der Schwester die Schwelle des Gefängnisses betrat, banden die Schergen die schönen Hände der Edeltraut Göbel, um die Jungfrau als Hexe gefänglich einzuziehen. War Elsa Gering bei ihrer Gefangennahme das herrliche Bild edler Ruhe, unbedingter Hingebung in Gottes herbe Zulassung, so war Edeltraut, so sanft und milde sonst ihr Wesen war, bei der Ankündigung ihrer Schuld voll kraftvoller Entrüstung. Das Bewußtsein ihrer Unschuld erhob sich gegenüber der schmählichen Anklage und dem rohen Wesen der Schergen zu jenem Zorne, der nicht der Leidenschaft angehört, sondern dem strengen Rechtsgefühle, das jede Ungerechtigkeit verdammt. Stolz, ungebrochen, wenn auch das schöne Antlitz Totenblässe deckte, schritt sie, umgeben von den Schergen, nach dem Gefängnisse. Das Volk murrte laut und immer lauter. So sehr es sich bei seiner geistigen Verworrenheit um so sicherer fühlte, je mehr die Herren am Gerichte gegen Zauberer und Hexen wüteten, so konnte es doch nicht glauben, Elsa und Edeltraut seien gleich der alten Ammfrau und dem fahrenden Gesindel in jenes gräßliche Laster verstrickt. Die beiden Mädchen waren der Stolz der Stadt, Elsa durch ihre unbegrenzte Liebenswürdigkeit, Edeltraut durch ihre hervorragende Schönheit und Tugend, die sie damit verband. -- -- Der heutige Tag mit seinen Ereignissen hatte den Bürgern tief ins Auge und Herz gegriffen, und ein finsterer, banger, ahnungsvoller Geist durchzog die Stadt. Die Schenken standen leer, auf den Gassen schlichen die Menschen mit hängenden Köpfen dahin, hie und da stieß man auf flüsternde Gruppen mit zornglühenden Augen und schneidiger Rede. Jeden drängte es fort in sein Heim; denn wer war nun noch sicher, daß nicht im nächsten Augenblicke auch bei ihm die Henker eintreten und Weib und Kind als Hexen fesseln würden? Angstvoll scharten sich die Kinder in der Familienstube um die weinende Mutter, finster und wortlos stand der Vater in seiner Werkstätte und schaute in eine Zukunft voll banger Sorge. Mancher Geselle vom Rhein und der Donau schnürte sein Bündel und kehrte der armen, schönen Frankenstadt den Rücken und trug die traurige Märe von Würzburgs Hexen hinaus in die weite Welt. -- -- Und noch mehr Opfer! Nikodemus Hirsch, Chorherr im neuen Münster, saß mit seinem Freunde Christophorus Barger, Vikarius an selber Kirche, in trautem Zwiegespräche. Es war der Abend leise verdämmernd zur mondenklaren Nacht geworden. Im Rebgeranke, das sich um die Fenster schlang, schlug vollen Tones die Nachtigall ihr Lied, und draußen zirpten in den Gärten und den Wiesen muntere Grillen. Die beiden Priester sahen schweigend aus dem offenen Fenster, durch das der blühenden Rebe balsamischer Odem in das Gemach strömte, nach den dichtbelaubten Hügeln, über denen leichte Nebelwolken tanzend hingen, einem Schleier gleich, den die schlummernde Erde über ihre Stirne zieht. -- »Nun ist's erst wieder schön auf Erden, nun ruht das wogende, drängende Leben und des Menschen Seele fühlt aus dem Atem der Natur des Schöpfers Nähe.« »Sehr wahr, mein lieber Nikodemus. Der Mensch versteht seinen Gott am besten in der Einsamkeit. Und eben darum, weil der Mensch sich immer mehr dem Lärm der Welt vertraut, verliert er auch den Geschmack am Göttlichen und dessen Verständnis.« »Und doch, zum Teufel laufen die Menschen, zu Gott aber hinken sie. Es will sich keiner mehr selbst verlieren, darum findet auch keiner mehr seinen Gott.« »Und was man Gott entzieht, fällt dem Teufel zu.« »Ein traurig wahres Wort, besonders in unserer Zeit, die sich so sehr dem Aberglauben in seiner schlimmsten Gestalt überläßt. Es ist dem Menschen ein natürlicher Gedanke, an Hexen und an Wesen, die mit den Geistern der Finsternis verbündet sind, zu glauben. Das Bewußtsein, daß der Mensch durch die Sünde unter die Herrschaft der bösen Geister gekommen sei, ist zur gräßlichsten Entartung verzerrt worden. Und was nun der von Gott losgerissene Mensch von seinem Schöpfer nicht mehr erhoffen zu dürfen glaubt, das meint er durch ein Bündnis mit dem Bösen erreichen zu können. Das Eingreifen der Geisterwelt in die Geschichte der Menschheit ist unleugbar; aber der Glaube ist zum Aberglauben und schlimmsten Wahn, zu trauriger Täuschung und teuflischer Vorspiegelung ausgeartet. Auf der einen Seite tiefe Unwissenheit, auf der andern ein in Glaube und Sitte verwildertes Volk; Fürsten, die den Glauben ihrer Untertanen heute so und morgen wieder anders festsetzen, als gälte es einen Steuerzettel zu bestimmen; dazu der Krieg mit seinen Lastern und Greueln; die Entfesselung aller Leidenschaften und nirgend eine dämmende, hemmende Macht; Menschenblut und Menschenleben ohne Wert; Bosheit, Neid und Mißgunst, giftige Zungen, die an jeder Ehre lecken: -- wahrhaftig, solche Faktoren lassen allein die gräßliche Hexenkrankheit, an der die Menschheit leidet, erklärlich machen.« »Und das Salz der Erde?« Feste Männertritte, welche von der Stiege her ertönten, unterbrachen das Gespräch der beiden Freunde. Ihre Verwunderung war keine geringe, als sie den Vogt, der heute bereits eine so große Tätigkeit entwickelt hatte, bei sich eintreten sahen. Sein Wesen war etwas befangen, wenigstens fand er nicht den ihm sonst eigenen harten Ton, den er so meisterhaft verstand, wenn er im Namen »einer hohen Obrigkeit« seines Amtes waltete. Er rieb sich die Hände und machte einige Verbeugungen, die wohl mehr seine Verlegenheit verbergen, als seine Hochachtung ausdrücken sollten. »Ich komme in später Stunde,« stammelte er, nach Fassung ringend und nicht wagend, den beiden Priestern ins Auge zu schauen. »Nehmt es nicht ungütig, es ist die Pflicht, die mich hieher führt.« »Dann sollt Ihr uns doppelt bereit finden, Eurem Willen zu gehorchen,« sprach der Chorherr. »Was verlangt Ihr von uns?« »Daß die beiden Herren unverzüglich mit mir gehen.« »Und wohin?« »Ins Gefängnis.« »Ins Gefängnis?« wiederholte Nikodemus Hirsch nicht ohne Überraschung. »Herr Vogt, mir scheint, Ihr irret Euch!« »Nicht doch! Ich habe strenge Weisung, den Chorherrn Nikodemus Hirsch und den Vikarius Christoph Barger zu verhaften. Vier andere Priester sind bereits vor einer Stunde eingezogen worden.« »Und nun bei finsterer Nacht? Scheut Ihr des Tages Licht für Euer Tun?« rief Barger unmutig. »Nein! 's ist Rücksicht nur für eueren Stand, ihr Herren, daß ich zur Nachtzeit zu euch komme. Es gäbe zu viel Lärm und nutzloses Gerede unterm Volke, so man euch am hellen Tage nach dem Schneidturm führte.« »Nach dem Schneidturme?« stieß der Chorherr voll Unwillen aus. »Dort verwahrt man ja die Hexen!« »Und die Zauberer,« setzte der Vogt trockenen Tones bei. »Man wird uns doch nicht --« »Man weiß,« unterbrach der Vogt, der immer mehr seine Sicherheit wiederfand, »man weiß, daß ihr dem Teufel dient. Ja, ja, ihr Herren, das hohe Gericht kennt euere Schuld. Es ist freilich mehr als himmelschreiend, wenn selbst die Priester, statt das Volk zu lehren und zu retten, sich dem Dienst des Satans weihen und selbst unschuldige Kinder ins Verderben ziehen.« »Spart Euere Worte!« entgegnete der Chorherr mit Würde. »Aus Euerer Rede läßt das Unheil sich erraten, das über unsern Häuptern hängt. In Gottes Namen, lieber Freund,« fuhr er zu Barger gewendet fort, »gehen wir den Weg des Leidens und der Schmach. Du siehst, selbst bis ins Heiligtum dringt schlimmer Wahn, und auch den Priester schützt sein Stand nicht gegen böse Zungen. Die Unschuld geht mit uns in das Gefängnis und vor die Richter, sie wird uns dort zum Retter werden aus Schmach und Schande, und Gott, der einen Daniel der Susanna sandte, wird auch uns seine Hilfe nicht entziehen. -- Herr Vogt, wir sind bereit!« -- -- Ein trüber Morgen brütet über der Stadt. Der Regen fällt in schweren Tropfen aus dem grauen Gewölke und ein scharfer Nordwestwind fegt durch die Gassen. Es ist so frostig draußen, daß die Blumen die Kelche hängen lassen und ihre bunte Kleiderpracht durchnäßt am Stiele klebt. Was Wunder auch, wenn leise der Himmel weint und rings die Blumen trauern, wenn sich die Sonne in der Wolken Trauerschleier verhüllt und nicht mit klarem Lichte die Stadt begrüßen kann, die eine Nacht voll Schrecken durchlebt hat! Im hohen Rate hatte man der Ammfrau Bernin Aussage von den zwanzig Mädchen, welche dem Hexensabbate am Kreidenberge beigewohnt haben sollten, sehr ernst genommen. Man forschte nach Namen, und die Alte, stumpf geworden durch seelischen und körperlichen Schmerz und tief verbittert durch der Richter Unerbittlichkeit, nannte, was ihr an Namen eben in den Sinn kam. Möglich auch, daß Haß und Rache mit dabei im Spiele waren und sie, die ihren Tod gewiß vor Augen sah, ein möglichst zahlreiches Geleite nach der Richtstätte haben wollte. Neben dem großen Eifer, der den Gerichtshof ohnedies schon in Verfolgung der Hexen und Zauberer bis zur äußersten Grenze beseelte, kam noch eine tiefe Mißstimmung der Herren, die in jenem Abende, wo Pater Spee in Gegenwart des Fürstbischofs so einschneidende Worte geredet hatte, ihren Grund fand. Man wollte durch massenhafte Anhäufung des Hexenmaterials die Rede des Jesuiten Lüge strafen, man wollte zeigen, daß das schreckliche Laster des Satansdienstes immer allgemeiner werde und der menschlichen Gesellschaft der Untergang drohe. Dadurch sollte auf den noch wankenden Fürsten ein Hochdruck ausgeübt, er mit dem peinlichen Verfahren der Hexenrichter versöhnt und endlich, was im ganzen Plane nicht das Geringste war, hiebei ein Schlag gegen die Jesuiten und ganz besonders gegen den Pater Spee geführt werden. -- So viele Umstände nun der Verwirklichung dieser Absichten günstig waren, so war es doch geboten, mit äußerster Vorsicht zu Werke zu gehen; denn trotz all ihrer Macht waren sich die Herren nur zu wohl bewußt, daß Spee mit seiner apostolischen Unerschrockenheit und seinem scharfen Verstande ihnen um so gefährlicher werden mußte, je durchsichtiger ihre Pläne gehalten und je lockerer die Maschen gezogen waren. Während nun die Räte und ihre Gesinnungsgenossen in Würzburg selbst ihre Tätigkeit aufs äußerste anspannten, schickten sie vertraute Leute aufs Land hinaus, um die Gemüter der Bauern gegen die Hexen aufzureizen. Die geängstigten Landleute, denen von jenen Sendlingen die schauerlichsten Bilder vorgemalt wurden, wenn sie nicht mit aller Macht gegen die Hexen ankämpften, wandten sich an den betreffenden Inquisitor und flehten um seinen Beistand. Er ließ ihnen dann gnädigst melden, er werde kommen und diese Pest vertilgen. Hierauf sandte er Steuereintreiber voraus, die von Haus zu Haus gingen, um eine reiche Sammlung vorzunehmen, als Handgeld, wie sie sagten. Nach Empfang dieser Summe erschien der Hexenrichter, regte aufs neue die ohnedies schon schwer geängstigten Gemüter durch Erzählung der Greueltaten und Verschwörungen auf, welche die Hingerichteten bekannt hätten, stellte sich dann, als wollte er wieder abreisen, bis die Frauen flehentlich baten, der gnädigste Herr Hexenrichter möge doch bleiben, bis alle Hexen bei ihnen vertilgt seien; sie wollten ja gerne nach besten Kräften zahlen; man möge ihnen nur um Gottes willen alle Zauberer und Hexen wegbrennen.[X] In Würzburg selbst galt es, einen Hauptschlag zu führen. Gerings Elsa, sowie Göbels Edeltraut, als Hexen angeklagt, mußten nicht nur bei der öffentlichen Meinung -- und wo und wann gälte diese arge Törin nicht? -- sondern auch im Urteile des Fürsten schwer ins Gewicht fallen, noch schwerer die gegen einzelne Priester gerichtete Anklage des Bündnisses mit dem Satan: und nun erst noch die unschuldigen Kinder! Der Oberschultheiß hatte einzelne Schulmeister zu sich entboten, um mit ihnen über etwaige auffallende Erscheinungen an den Kindern Rücksprache zu nehmen. Und was war damals nicht alles auffallend? Dann denke man sich einen Schulmeister damaliger Zeit vor einem gestrengen Oberschultheiß -- die zitternde, ersterbende Demut vor der stolzen, kalten Macht! Der Gestrenge hatte schon ziemliche Ausbeute aus den Unterredungen mit den Schulmeistern gewonnen. Dem einen schien es auffällig, daß gewisse Kinder beten, und wieder, daß andere fluchen; dem andern, daß selbst die Kinder schon von Hexen reden. Ein dritter erzählte, er habe einmal mit hellem Entsetzen gesehen, wie seine Schüler in der freien Zeit »Scheiterhaufen« spielten; da habe der, welcher den Angeklagten gemacht, ganz merkwürdige Dinge geredet und ein gar eigenes Wesen zur Schau getragen. Nun habe er aber gar in Erfahrung gebracht, daß das Unwetter, welches gestern über der Stadt sich entladen hatte, von einem Schulknaben gemacht worden sei. Derselbe habe nämlich auf dem Nachhausewege von der Schule einem Mitschüler gegenüber die höchst verdächtige Äußerung getan, es werde heute noch ein großes Gewitter über Würzburg gehen. Und sei zu jener Stunde noch gar kein Gewölke am Himmel zu sehen gewesen, während in der Nacht wirklich ein ganz unnatürliches Donnerwetter gehaust habe. Diese und ähnliche Aussagen waren für den Hexeneifer des Oberschultheißen vollkommen ausreichend. Er ließ sich sowohl von der alten Bernin als auch von den einzelnen Schulmeistern jene Kinder bezeichnen, die im Verdachte des Bündnisses mit dem Teufel standen. Dann gab er Befehl, die bezeichneten Kinder zur Nachtzeit gefangen zu nehmen und nach dem Schneidturme zu bringen. Es war gegen Mitternacht und alles lag in ruhigem Schlafe, als die Schergen in die einzelnen Häuser eindrangen und die Auslieferung der armen Kinder von den tödlich erschrockenen Eltern verlangten. Die Mütter lagen händeringend auf den Knien und schrien und weinten zum Himmel um Schutz für ihre Kleinen; die Väter fluchten und verwünschten Richter und Gericht und schwuren Rache, blutige Rache; die Kinder selbst aber klammerten sich mit der Kraft der Verzweiflung an ihre Eltern an, bis sie der rohen Gewalt weichen und gar manche aus ihnen von den heftigsten Krämpfen befallen nach dem Gefängnisse getragen werden mußten. Dort hatte man bereits einen eigenen Raum für diese jungen Hexen und Zauberer bereitgehalten, und noch ehe der Morgen mit trübem Lichte durch die kleine, vergitterte Maueröffnung, die als Fenster diente, dämmerte, kauerten zwanzig Kinder in einem Alter von sechs bis elf Jahren weinend und wehklagend auf dem faulen Stroh, mit welchem der Boden des Gefängnisses bestreut war. Die Stadt lag in tiefer Trauer. Die Männer standen finster grollend zusammen und stritten und schmähten. Die Mütter umringten die Altäre und bestürmten den Himmel mit glühenden Gebeten. Die Schulen wurden geschlossen und die Kinder einer strengen Aufsicht unterstellt. Der Oberschultheiß aber stand in seiner Amtsstube und nahm mit hoher Befriedigung die Nachricht von der Gefangennahme der Priester und Kinder entgegen. 9. Kapitel: ^Der Jesuit im Gefängnis^ Pater Spee hatte sogleich, nachdem er Kunde von den neuen Gefangenen erhalten, sich aufgemacht um dieselben in ihren Kerkern zu besuchen, sie zu trösten und ihnen jede Hilfe zu bringen, die in seiner Macht stand. Für ihn, der die Leiden des Kerkerlebens aus täglicher eigener Anschauung kannte und sich schon glücklich fühlte, wenn er durch seine unermüdliche Liebe den Gefangenen einige Erleichterung verschaffen konnte, war der heutige Gang nach dem Schneidturme ein so unendlich bitterer, daß er zitternd und weinend erst in des Kerkermeisters Stüblein treten mußte, um sich dort zu fassen und Mut und Kraft zu sammeln, damit er all dem Elende ins Angesicht schauen konnte, das seiner heute wartete. Der Alte empfing den Jesuiten mit ehrerbietiger Vertraulichkeit. »Nehmt Platz in meinem Sorgenstuhle, lieber Pater! Ist's doch ein echter Sorgenstuhl geworden!« Dabei schüttelte er das Haupt und wischte mit dem Rücken der Hand über die Augen. »Ich wollte,« fuhr er fort, »ich könnte dem hohen Rate die Kerkerschlüssel zurückstellen. Meine ich doch, ich könne es nimmer übers Herz bringen, die da drunten zu besuchen. Pater, Kinder, arme, unschuldige Kinder haben sie mir heute nacht gebracht, 's ist zum Herzbrechen! Und Priester und die ehrbarsten Jungfrauen der Stadt haben bei mir Quartier neben dem schlechtesten Gesindel. Sollen sie alle Hexen und Zauberer sein? Sagt mir, lieber Pater, glaubt Ihr das?« »Gewiß nicht eines von ihnen!« antwortete Spee. »Seht, Pater, da denkt Ihr wie ich. Die armen Kinderlein und die Edeltraut und die Elsa... es ist zum Rasendwerden!« »Was machen die Kleinen?« fragte der Jesuit mit bebender Stimme. »Ach, du mein Gott!« rief der Alte und faltete die Hände, »die armen Würmlein rufen nach ihren Eltern, daß es einen Stein erbarmen möchte. Dann knien sie sich wieder zusammen auf den Boden und beten und weinen. -- Herr, ich konnt' es nicht mit ansehen, die hellen Tränen stürzten mir aus den Augen. O Pater, da müßt Ihr mit Euerer Liebe helfen, unsereiner hat für solchen Jammer wohl eine Träne, aber kein tröstendes Wort.« Spee erhob sich rasch. »Gott sei mit mir!« sprach er, einen flehenden Blick nach dem Himmel sendend. »Kommt, guter Alter, und führt mich zu den Kindern!« Die beiden Männer gingen über den Hof, dann eine enge Treppe aufwärts und traten in einen düsteren Raum, in welchem nur ein schwaches Tageslicht mit der Finsternis rang. Als der Kerkermeister die schwere Türe öffnete und die Kinder den Jesuiten erblickten, stürzten sie mit dem Rufe: »der gute Pater Spee!« auf ihn zu, hingen sich an seinen Talar und weinten und klagten ohne Ende. »O führt uns heim zu Vater und zu Mutter, lieber Pater! Hier ist's so schauerlich, zum Sterben schauerlich! O wir haben's alle dem lieben Gott so fest versprochen, wir wollen nun gar fromm und folgsam sein, nur möge er uns aus diesem schrecklichen Gefängnisse befreien!« Spee setzte sich zu den Kindern auf das Stroh und ließ es gerne geschehen, daß diese sich von allen Seiten an ihn drängten, ihre Ärmlein um seinen Hals schlangen, ihn küßten und immer wieder riefen: »Gelt, lieber, guter Pater, Ihr nehmt uns mit Euch fort, o bitte, bitte!« Der Jesuit weinte bitterlich. »Warum weinst du denn?« fragte ein Mädchen von acht Jahren. »Mußt du wohl auch hier im Gefängnisse bleiben? Dann bist du freilich so arm wie wir, guter Pater!« »Nein, liebes Kind,« antwortete Spee, »ich weine nur aus Mitleid, weil ich euch, die ich so innig lieb habe, gar so unglücklich sehe. Aber, Kindlein, ihr sollet nicht verzagen. Der liebe Gott führt euch recht bald zu eueren Eltern....« »Ach ja, recht bald, heute noch, gleich jetzt!« schrien die armen Kleinen. »Kinder, ihr müßt geduldig sein! Der liebe Gott bestimmt die Zeit, und so lange müßt ihr warten. Ich glaube gerne, daß ihr alle brav und gut seid; aber saget mir aufrichtig, habt ihr nicht doch zuweilen eueren Eltern mit eueren kleinen Fehlern Kummer bereitet?« »Freilich ja, aber nicht zanken, bitte!« »Nein, ich zanke nicht. Allein seht, der liebe Gott im Himmel droben will euch ganz brav wissen und hat euch nun gestraft. Nun müßt ihr ihm versprechen, nie mehr böse zu sein, und wenn ihr das tut, dann werdet ihr wieder zu eueren Eltern heimkehren dürfen.« »O, wir versprechen alles -- alles!« »Geh' du zum lieben Gott und sag' es ihm, daß die kleine Irma nicht mehr trotzen will.« »Schön, mein Kind!« lobte Spee. »Und Hans will nicht mehr lügen.... Und ich will schneller gehorchen!« »Gut, gut, ihr lieben Kinder! Nun muß ich euch noch etwas fragen. Sagt mir, habt ihr nie von Hexen gehört?« »Ach ja!« »Und wißt ihr, wie eine Hexe ist?« »Etwas recht Böses.« »Seid ihr auch Hexlein und Zauberer?« »Aber, Pater Spee, wie du nur so fragen kannst!« rief ein kleiner Junge voll Entrüstung aus. »Böse Menschen,« sprach der Jesuit mit liebevollem Tone, »haben von euch ausgesagt, ihr wäret mit dem Satan im Bunde und treibet gar schlimme Dinge. Ist das wahr, liebe Kinder?« »Nein, nein, es ist abscheulich, so auf uns zu lügen!« riefen die größeren, während die kleinen voll Angst sich an den Priester schmiegten. »Ich glaub' euch gern, Kinder. Wie solltet ihr denn auch so böse sein? Seid nur zufrieden! Bald, recht bald führe ich euch wieder zu eueren Eltern. Bis dahin verhaltet euch ruhig. Es ist so düster hier, daß euere kleinen Herzchen gar zu leicht der Traurigkeit verfallen. Da müßt ihr selbst euch helfen. Du, Trine, mußt als die Älteste wie eine Mutter für die Kleinen sorgen. Du mußt mit ihnen beten, spielen und sie trösten. Und du, Jörg, sollst der Knaben Vater sein. Ich komme heute abend wieder, und da soll es mich recht herzlich freuen, wenn ich höre, daß ihr alle geduldig und brav gewesen seid.« »Du lieber, guter Pater Spee!« riefen des Dankes voll die Kinder und umdrängten und küßten ihn von neuem. »Und nun laßt uns noch zusammen ein frommes Gebet sprechen, liebe Kinder!« Die Kleinen knieten sich um den Priester und falteten die zitternden Hände. »Ave Maria...« Spee erhob sich, segnete jedes Kind und schied. Vor der geschlossenen Kerkertüre blieb er stehen, lehnte das Haupt an die feuchte Wand und weinte. Der alte Kerkermeister stand in einer Ecke, auf den Pater wartend. Ihm gingen Herz und Augen über, als er des Jesuiten Schmerz und Tränen sah. »Das ist eine Liebe,« sprach er zu sich selbst, indes sein Auge an dem Priester hing, »die treuen Schrittes mit dem Elend geht. Was zwingt den Mann, Tag um Tag die Kerker heimzusuchen, als seine große Liebe! Möchte wissen, welchen reichen Erdenlohn ein anderer heischte, müßte er gleich unserem Spee solch traurigen Amtes walten! Er ist doch wohl der einzige und letzte Trost, der unseren Hexen wird; denn hätten sie den Pater nicht, sie verzweifelten an Gott! Mit diesem Jesuiten leben, wäre wohl nicht süß, aber mit ihm sterben, müßte herrlich sein. Denn wenn solche Liebe nicht den ganzen vollen Himmelslohn erkämpft, dann gibt es keinen Herrgott! -- Ei, was schwatz' ich da an mich selbst hin! -- Pater Spee, laßt euer Weinen! Ihr werdet sonst noch krank, und dann sind meine armen Gefangenen erst recht übel daran! Kommt mit mir! Im unteren Loche sitzt böse Gesellschaft; versucht auch an ihr Euer Wort; ich fürchte aber, Ihr erntet schlechten Dank!« Spee folgte dem Alten in ein schauriges Verließ. Der Kerkermeister stellte seine Öllampe auf einen Stein. Das trübe Licht wollte in der dumpfen Luft schier erlöschen und warf kaum so viel Schein, um die auf dem Stroh gelagerten Personen erkennen zu können. In einem Winkel kauerte Helena und die Schenkwirtin vom Waldhause bei Hettstadt. Auf der andern Seite saßen, an die Wand gefesselt, der Zuckerwastl, der Pappenheimer und der Neunaugen. Die drei Gesellen schauten wilden Auges auf, als sich die Türe ihres Kerkers öffnete; als sie aber den Priester eintreten sahen, blickten sie voll Trotz zu Boden und ließen den frommen Gruß des Paters unerwidert. Spee segnete die Gefangenen, doch keiner bezeichnete sich mit dem Kreuze; höhnisch lachte dazu der Zuckerwastl und geistlos stierte der Neunaugen. Der Jesuit fragte teilnahmsvoll nach dem Zustande der Gefangenen, deren Schuld ihm bekannt war. Er baute auf der Schuld das Glück der Sühne auf und zeigte, daß auch der bösen Tat die hoffnungsfrohe Zukunft nicht fehle, wenn die Reue des Menschen Herz vom Bösen abwendet. »Haha, Ihr macht mich lachen,« spottete der Zuckerwastl, »Ihr plaudert da von Reue und von Sühne. Mich reut auf Erden gar nichts, als der Wein, den ich nicht getrunken, und das Geld, das ich nicht gestohlen.« »Und deine Seele?« fragte Spee mit Nachdruck »Weiß ich denn, ob ich überhaupt eine solche habe? Ihr Herren, ja, ihr könnt prächtig predigen! Ihr sitzt in gutem Leben und im Überfluß. Wir armen Tropfen sollen uns mit einer Seele trösten, die doch am Ende zum Teufel fährt. Laßt mich in Ruhe! Ich will von euerem frommen Geplauder nichts wissen. Wenn mich die Raben draußen am Galgen fressen, so ist's mir einerlei. Denn Seele habe ich doch keine.« Der Jesuit sah in tiefer Trauer auf den Verstockten. »Verzeih',« sprach er, »ich wollte dir nicht lästig sein. Laß uns von anderem reden! Willst du mir wohl aus deinem Leben etwas erzählen? Dir kürzt das die Zeit, und ich lausche gerne deiner Rede.« »Meinetwegen,« gab der Zuckerwastl etwas freundlicher zurück, »plaudern wir eins; nur laßt alles fromme Zeug aus unserer Unterhaltung. Ich will euch einmal ein volles Gaunerleben schauen lassen. 's ist wahr, es hat gar oft an Rad und Galgen hart angestreift, aber der Zuckerwastl war stets klüger als die weisen Herren vom Rate. Wäre es möglich, daß ein Mensch als wilde Frucht vom Baume fällt, so wäre es wohl bei mir geschehen. Von Eltern weiß ich nichts. Ich hätte ihnen wahrscheinlich auch nur wenig Freude gemacht. Ein Bauernweib fand mich eines Morgens vor der Haustüre und zog mich mit ihren Kindern auf. Gibt es einen Herrgott und hat sie damit ein gutes Werk getan, so soll sie dafür gesegnet sein. Gelernt habe ich gar nichts,« fuhr er lachend weiter; »ich glaube nicht, daß je ein Menschenhirn weniger von Weisheit, Schulmeisterei und Katechismus heimgesucht worden ist, als das meine. Ist nicht schade darum; gibt gelehrte Leute genug, die die Welt verkehren und verderben. Als ich anfing, Kraft in meinen Knochen und Witz in meinem Gehirne zu verspüren, entlief ich meinen Pflegeeltern und flog wie ein Vogel in die weite, prächtige Welt. Der Wald war mein Haus und der Himmel mein Dach. Unter jedem rauchenden Schornsteine ward für mich gekocht, denn jeder gab mir gerne, um meiner wieder ledig zu werden. Den Gerichten ging ich scheu aus dem Wege, aber unter dem Galgen schlief ich so herrlich wie ein König in seinem Seidenbette. Gestohlen -- ihr reichen Herren nennt das Nehmen bei uns stehlen -- gestohlen habe ich nach guter Gelegenheit, und diese ergab sich schier alle Tage; zuweilen habe ich auch ein wenig gemordet. Anfangs wollte es mir so eigen da drinnen werden, wenn ich das fließende Blut und die brechenden Augen sah. Da schrie es in mir: es gibt einen Gott und eine Gerechtigkeit, eine Strafe und eine Hölle.« Der Erzähler machte hier eine Pause, kreuzte die Arme über die Knie und ließ das Haupt auf die Brust herabsinken. Es mochten wohl schreckliche Bilder der Vergangenheit in seiner Seele aufgestiegen sein, denn in seinem Angesichte spiegelten sich Ekel, Schmerz und Entsetzen. Spee legte leise seine Hand auf den Arm des Verbrechers. »Du bist so ernst,« sprach er mit dem Ausdrucke teilnehmender Liebe. »Was ist es, das deine Seele drückt?« »Also meint Ihr gewiß, ich hätte eine unsterbliche Seele?« fragte der Zuckerwastl mit einem stechenden Blicke nach dem Pater. »Ja.« »Wie bestimmt Ihr das saget!« murmelte er und schüttelte den Kopf. -- »Mit einer unsterblichen Seele müßte ich in eine Ewigkeit hinüber und vor einen Richter, der Gott ist. Nein, nein, das glaube ich nicht! -- Ich mag nicht,« grollte er mit leiser Stimme fort, »ich mag nicht glauben, nein, es darf keinen Herrgott geben! He, was meint ihr dahinten,« rief er, den Kopf nach seinen Mitgefangenen wendend, »hat der Pater recht und gibt es einen Herrgott?« »Wahrscheinlich,« unterbrach der Neunaugen sein dumpfes Brüten. »Und ich glaube gewiß, daß es einen Herrgott gibt,« sprach Helena und stützte das Haupt auf die Hand, um den Schmerz, der aus der Tiefe der Seele auf die Oberfläche des Antlitzes trat, zu verbergen. Spee hatte den Rosenkranz von seinem Gürtel gelöst und legte ihn mit dem daran befindlichen Kreuze in die Hand des Zuckerwastl. Ein leises Zittern durchbebte für einen Augenblick seine Glieder. Sein Auge aber haftete mit einer durchbohrenden Kraft auf dem Bilde des Gekreuzigten. »Es war um Weihnachten,« begann er in halblautem Selbstgespräche, »als ich mit drei Gesellen durch den Bayerischen Wald zog. Frost und Hunger quälten uns, und an den Türen der Menschen fanden wir karge Gaben und feindselige Worte. Ich sah, wie der Hofhund aus voller Schüssel fraß, und biß mit steigendem Grimme in die gefrorenen Brotrinden, die ich in meinem Schnappsacke trug. Und mit dem kalten, harten Brote aß ich heißen Zorn und Haß in mich hinein und ich schwur mir selbst, der erste Mensch, der mir des Weges käme, sollte sterben. Ich war so voll des wildesten Grimmes, daß ich schier vor mir selber Furcht empfand. Dicht fiel der Schnee vom Himmel, eisigkalter Frost schüttelte mir die starren Glieder, nur im Herzen kochte und brandete es, als säße der Teufel drinnen. Wir mochten etwa eine Stunde gegangen sein, der Wald fing an sich zu lichten und Glockengeläute drang zu uns herüber. Da trat an der Biegung des Weges uns ein junges Weib entgegen, einen Säugling auf den Armen tragend. In meiner Wut sprang ich mit gezücktem Messer auf sie zu, um sie zu morden; doch einer meiner Gesellen hielt mir den Arm. -- Tu's nicht, 's ist eine junge Mutter! -- Ich sah sie an. Sie lag auf ihren Knien, das Kind verzweiflungsvoll an ihre Brust gedrückt, und ihre Augen schauten so bittend zu mir auf, daß mir noch heute alle Sinne schwinden. -- O schone meiner um des Kindes willen! rief sie flehend -- es war ihr letztes Wort.« »Hoch auf spritzte das Blut und rötete den Schnee. Da lag sie sterbend, das Kind noch an sich drückend, und indes ihr brechendes Auge mir bis zum Grunde meines Herzens drang, rief sie mit der letzten Kraft ihrer Stimme: Gott sei dir gnädig, du Mörder, wenn ich dich einst vor seinen Richterstuhl fordere.« »Das Wort konnt' ich nicht ertragen. Ein zweiter Stoß, in blinder Wut geführt, durchbohrt ihr Kind. Pater, Pater, das war ein grauses Schauen, als der Mutter Blut mit dem des Kindes sich vereinte und niederträufelnd den Schnee auffraß, daß sich das Moos mit roten Perlen färbte. Das Messer war meiner Hand entfallen, und mit verschränkten Armen stand ich da, um glühenden Auges den Tod zu schauen, der sich zu beiden niederneigte. Das Kind am Herzen starb die Mutter, und ihr verglastes Auge hing noch fest mit seinem letzten Blicke auf mir. Ich war dem Wahnsinn nahe. Du bist ein Teufel! rief's in mir. -- So sei's! Ich will ein Teufel sein, da ich kein Mensch mehr bin. Ich nahm das Kind aus starrem Mutterarme und trug es fort mit mir. Vor dem Dorfe stand ein offener Backofen. Dort verbrannte ich das tote Würmlein zu Asche, nahm diese und die abgehauenen Händchen mit mir und ging hinein ins Dorf.« »Meine Gesellen hatten mich längst verlassen; ich glaube, es graute ihnen vor dem Muttermörder. Allein, in finsterm Grolle dahinbrütend, brachte ich die Nacht in einer Scheune zu. So arg der Hunger mich auch quälte, ich achtete seiner nicht. Mich quälte mehr als alles jenes jungen Weibes Wort: Gott sei dir gnädig, du Mörder, wenn ich dich einst vor seinen Richterstuhl fordere.« »Christnacht war's, als ich mit meiner Qual allein in jener Scheuer schlaflos lag. Der Klang der Glocken drang wie Friedensbotschaft durch die sternenhelle Nacht. Ich habe viel erzählen hören von jener Seligkeit, die in der Christnacht über alle Menschen komme, und wenn ich solcher Märe lauschte, ward ich wie ein Kind. Da war ich glücklich, wenn auch nur für Augenblicke; aber glücklich war ich doch, ich sag's mit Stolz. Auch damals dämmerte durch all mein Elend wieder jene süße Friedensbotschaft wie mildes Sternenlicht durch dichte, finstere Nacht, ich fing schon an, die brennende Träne in dem Auge zu fühlen, da trugen die Kirchengänger des Weibes Leiche, die sie auf dem Kirchengange gefunden, hart an mir vorüber, die einen weinten, andere aber fluchten auf den Mörder, und wieder stiegen Schmerz und Grimm in meinem Herzen auf. Ich eilte fort aus dem Verstecke, quer über Au und Feld, bis ich zum Tod ermattet niedersank. Da war's ein Weib mit einem Kinde, das mir Labung reichte. Ich dankte nicht. Hätte die Not mir nicht die letzte Kraft gebunden gehabt, ich hätte ihr Erbarmen nicht ertragen.« »Mein weiterer Lebenslauf war wild wie Teufelsleben. Ich log den Bauern vor, ich stünde mit dem bösen Geist im Bunde. Und jeder glaubte mir; und hätte ich gar gesagt, ich sei der Böse selbst, sie hätten es mir nicht widersprochen. Warum auch? War ich doch dem Satan gleich voll Menschenhaß und Wut und böser Tat. Ich trug den Teufelswahn landauf, landab, half Hexen schaffen in der Bauern und in der Richter dummen Köpfen, und trieb selbst Hokuspokus in des Satans Namen, daß den Leuten fast die Haare zu Berge standen. Geld gab's genug; was half's? Ich trank den besten Wein und glaubte Gift zu schlürfen; und was ich aß, das roch nach frischen Leichen; und sah ich eine Mutter, so schrie es in mir -- Gericht!« Er vergrub sein Angesicht in beide Hände und drückte dabei den Rosenkranz mit dem Kreuze fest an seine Lippen. Die Mitgefangenen sahen verwundert zu ihm herüber; nur der Neunaugen lächelte und grinste gleichgültig vor sich hin. Spee lag auf den Knien. Seine Seele flammte und flutete auf in heißem Beten für eine Menschenseele, die, so schlecht, so tief sie auch verdorben war, doch einen Angelpunkt noch hatte, an dem die Gottesgnade goldene Fäden anknüpfen konnte. -- Zuckerwastl erhob sein Haupt und schaute in starrem Staunen dem betenden Priester in das Angesicht, über welches bittere Tränen rollten. Und unwillkürlich kehrte dann sein Blick vom Pater auf das Kreuz zurück, das er noch immer fest in seinen Händen hielt. Es mochte ein eigenes Denken sein, das durch seine Seele zog; denn über dieses wetterbraune, von einem wilden Leben und jeder Leidenschaft zerrissene Gesicht kam allmählich ein Zug von weicher Milde, und das Auge gab nicht mehr den Blick des ungesöhnten Hasses, sondern den einer wenn auch noch unverstandenen Sehnsucht. Der Jesuit erhob sich und reichte dem Verbrecher die Hand. »Ihr habt gebetet?« fragte dieser. »Ja, für dich.« »Für mich? Das ist wohl eitle Mühe.« »Nein. Wenn du die Hand zur Versöhnung mit Gott bietest, so sei versichert, daß er dich mit unendlicher Erbarmung in seine Arme schließt.« Zuckerwastl schüttelte traurig den Kopf. »Willst du nicht?« fragte Spee. »Ich weiß, daß mir der Galgen diesmal gewiß ist. Die gemordete Hofbäuerin hat mir den Strick nur gar zu fest gedreht. Dazu bin ich der Zauberei auch angeklagt, und das allein genügt für sichern Henkerstod. Soll ich nun, weil's zu Ende geht, gleich einem Hunde winselnd zu Euerem Herrgott kriechen und um Gnade bitten? 's ist zu spät! Und jener Mutter Blut und letztes Wort -- Pater, das sühnt sich ewig nicht! Ich habe Euch mit rohem Trotz empfangen, als Ihr zu mir in das Gefängnis tratet. Ich zwang mich fast dazu. Als ich in Euer Auge schaute, da kam ein eigenes Rühren über meine harte Seele. -- Pater, ja, ich habe eine Seele -- und einen Augenblick konnte ich auch glauben, Ihr könntet Frieden für mich bringen. Aber je mehr ich meine Schuld abwäge, desto tiefer sinkt die Hoffnung -- Gott kann mir nimmer gnädig sein.« »Er ist dir gnädig und sein Erbarmen übersteigt die Größe deiner Schuld.« »Ihr lügt!« fuhr der Zuckerwastl heftig auf. »Ihr lügt auf Gott und auf sein Erbarmen.« Spee nahm das Kreuz aus des Gefangenen Hand und küßte es. »Nein, Ihr lügt und frevelt nicht!« rief jener wieder aus. »Ich habe -- 's ist wohl lange Zeit -- auf meiner irren Wanderschaft in einer Kirche das Wort gehört: Und wären euere Sünden rot wie Blut und zahllos wie der Sand am Meere -- ich will sie alle tilgen. Pater, ^das^ Wort wenn Wahrheit ist, dann gibt es auch für mich noch Versöhnung und Frieden. Ihr könnt mir beides bringen -- Ihr oder keiner. Gebt mir das Kreuz! Kann ich auch nicht verstehen, was es Euch, dem Reinen, sagt, so will ich doch so lange auf dasselbe schauen, bis auch in meine Seele das Licht der Hoffnung dringt.« Spee breitete die Arme aus, den Sünder zu umfangen und zu küssen. -- Das ist ja Priesterglück, verlorene Seelen retten! -- »Und ihr?« sprach der Jesuit, sich zu den andern wendend. »Wollt nicht auch ihr den Weg des Friedens gehen?« »An Eurer Hand läßt sich's zu Gott wohl wiederkehren,« antworteten der Pappenheimer und Helena. »Ich möchte schlafen, laßt mich!« murrte der Neunaugen und streckte sich gähnend aufs Stroh. 10. Kapitel: Elsa und Edeltraut vor den Richtern Elsa und Edeltraut waren zwei Treppen hoch in einem engen Gemache des Schneidturmes untergebracht worden. Im Gegensatze zu den gräßlichen Räumen, in denen die anderen Hexen und Zauberer gefangen lagen, war die Lage der beiden Mädchen immerhin noch eine erträgliche zu nennen. Die Wände waren getüncht, durch das stark vergitterte Fenster floß das Tageslicht ungebrochen herein, das Lager bestand nicht aus verfaultem Stroh -- es war also doch einige Milderung der für so hoch angesehene Jungfrauen immer noch schrecklichen Verhältnisse eingeräumt, die allerdings weniger auf Rechnung der gestrengen Richter, die bekanntlich mehr Kopf als Herz und manchmal keines von beiden hatten, als auf die Gutmütigkeit des alten Kerkermeisters zu setzen war. Die Sonne spielte mit ihrem Lichte auf dem Boden des Gefängnisses, als wollte sie die Gedanken der Gefangenen mit ihren goldenen Lichtfäden hinauslocken in die freie, herrliche Gotteswelt, hinaus in den Wald mit seinen laubreichen Hallen und efeuumschlungenen Säulen und seinen duftenden Kelchen und glühenden Beeren auf schwellendem Moose. Edeltraut sah mit bitterem Auge dem tanzenden Sonnenstrahle zu. Ihre Lippen waren zusammengepreßt, ihr Angesicht widerstrahlte ein tiefverwundetes Gemüt. Stolz stand sie inmitten des Gemaches, eine Königin im Kerker. Das volle blaue Auge blickte mit brennender Sehnsucht nach der Freiheit, die durch die kalten Eisenstäbe mit Himmelsbläue in den Kerker grüßte. In des Fensters Außennische saß eine Schwalbe und bog das Köpfchen voll Mitleid nach der armen Maid da drinnen, daß sie nicht auch gleich ihr in voller Lust der Freiheit Freuden trinken könne. »Elsa!« rief Edeltraut. »Schwester,« antwortete das blinde Mädchen, das Haupt langsam erhebend, »deine Stimme ist so scharf und dein Herz noch nicht im Frieden.« »Nein! Sage mir, wann kommt denn endlich über deine Lippen der Klage bitterer Laut? Bin ich es allein, welche ihrem Schmerze Worte leiht und welche die Sprache der getretenen Ehre führt? Indes ich zürnend meinem Schicksal und meinen Quälern grolle und über den Wahn und die Bosheit jener Menschen klage, welche dich und mich an diesen Ort der Schmach gezerrt; indes meine Seele gleich dem Meere stürmt und brandet und hohe Wellen schlägt; und während über meiner Seele ein düsterer, sternenloser Himmel brütet: bist du der Ruhe voll und gleich dem Spiegel des stillen Sees in tiefem Tannengrund, den nicht der Sturm erregt und der keine Woge schlägt. Du bist wie eine Blume, welche aus der Flut der Wetter sich ihren Demant bricht und ihn als lieben Schmuck in ihrem Kelche wiegt.« »Ich klage nicht,« gab Elsa mild zurück. »Glaube nicht, daß nicht auch hier an dieses Herz das Leid mit unbarmherzigem Finger pocht; glaube nicht, daß nicht auch mir die Seele blutet, wenn ich meines armen Vaters gedenke. Treu seiner Liebe ging er an meiner Seite, als sie mich zum Gefängnisse führten. Doch an der Schwelle, welche die Freiheit von dem Kerker scheidet, mußte er mich verlassen. Sein Wort war damals arm und doch so endlos reich. »Mein armer Engel, Gott mit dir! Mir bricht das Herz!« So sprach er und gab mir eine große, volle Träne zum Geleite ins Gefängnis. Nun sitzt er einsam in der Stube und sucht die blinde Elsa und die kleine Irma und kann sie nur dann finden, wenn sein Gedanke sich zu Schmach und Kerker wendet. Schmucklos ist die stolze Eiche geworden. Die Krone brach, als meine Mutter starb. Und nun sinkt Ast um Ast vom lebensmüden Stamme, und an dem Marke nagt der Wurm des Harmes und des Todes. Und ich kann ihn nicht trösten! Siehe, süßes Herz, du liebe Blume du, sieh, das ist Leid, dem kein Wort genügend Ausdruck gibt; das ist wie Grabesläuten, und du begräbst dich selbst dabei, dein Herz, dein Hoffen und dein Lieben!« »Das, dächte ich, wäre Grund genug zu bitterer Klage,« entgegnete mit Schärfe Edeltraut. »Grund genug; du hast wohl recht. Doch Recht dazu? sag' mir den Grund!« »Kind, ich versteh' dich nicht. Du zählst selbst einen Teil der Leiden auf, welche deine Seele drücken und deine Liebe tief verwunden. Nimm noch dazu das schreckliche Geschick, das auf uns lastet, den häßlichen Verdacht, der unserem Namen anklebt, die Schmach, die wir ertragen. Nimm dann dazu, was uns erwartet: Richter, grausam, wahnbefangen, unerbittlich; Qualen, wie sie nur die größte Gefühllosigkeit erdenken kann, und endlich Flammen, die den jungen Leib zu Asche brennen und all das reiche Hoffen, das in einer jungen Menschenseele knospt, ertöten. Sterben ist ein schauriges Wort, am Scheiterhaufen enden, schrecklich; aber in der Jugend süßer Blüte dem Tode unschuldig verfallen, ist ungerecht von Gott!« Elsa erwiderte nichts. Ihr Antlitz war von Schmerz und Mitleid erregt. Sie richtete das Auge, aus dessen toten Sternen eine klagende Seele sprach, nach der Freundin. »Du antwortest mir nicht,« sprach Edeltraut verletzt. »Was sollte ich dir sagen? Der Schmerz, der aus dir redet, ist mit Bitterkeit gemischt. Da laß mich schweigen, bis die Seele ruhig geworden ist und ein Wort des Friedens Widerhall in dir zu finden vermag.« »Das klingt wie Tadel, Elsa?« »Es soll gewiß nicht Tadel sein, mein armes Herz,« besänftigte die Blinde. »Du, Edeltraut, bist stolz gebaut an Leib und Seele und deiner Gefühle Wellenschlag ist ein lauterer und stürmischerer als der in meiner Brust; du bist wie eine Palme, ich wie des Feldes Blume; dich faßt des Sturmes wilde Vollkraft, über mich aber fegt er hinweg, kaum meinen Herzenskelch berührend. Komm her zu mir und laß dir sagen, wie es kommt, daß deine kleine Elsa inmitten solchen Leidens den Frieden und die Ruhe nicht verliert!« Edeltraut kniete sich vor das blinde Mädchen, die Hände auf deren Schoß kreuzend und mit den blauen Augensternen bewundernd auf die liebe Maid schauend. »Hier bin ich, Engel,« sprach sie mit voller Innigkeit. »Hier ist die stolze Palme; gib ihr von deiner Kraft, von deinem Frieden!« »'s ist tiefes Leid,« sprach Elsa, »das seine dunklen Schwingen über uns breitet. Wir sind, wie heute der menschlichen Gerechtigkeit verkehrte Wege gehen, dem Tode verfallen, und unser Andenken wie unser Name gehört der Schmach und Schande, bis eine spätere Zeit die Schmach den Richtern zuwendet und dem Wahne, dessen fügsame Diener sie gewesen, dagegen den armen Opfern eine Träne warmen Mitleids weiht. Die Welt wälzt trübe, schmutzige Wellen vor sich her. Das Laster steigt, und stolzer hebt von Tag zu Tag der Sinne kecker Übermut das Haupt. Der Kirche Leib ist frevelhaft zerschnitten. Da sie den Glauben, wie sie sagen, reinigten, schnitten sie ihm die Lebenswurzeln ab und ließen üppig alles Unkraut wuchern. Der Gottesglaube ward zum Schleierbilde, das jeder sich nach seiner Willkür deutet. Und siehe, je mehr ringsum das Bild des wahren Gottes und seiner hehren Lehre in Erdenlust, in Übermut, ja selbst in haderndem Gezänke untersank, mit desto stolzerem Mute drang des Glaubens Fratze, der Aberglaube, vor. Gott haben sie verkannt; nun glauben sie dem Teufel und seiner Macht. Nicht Gott regiert das Weltall; nicht er gibt Sonnenschein und Regen und Mißwachs oder Segen; nicht er verteilt des Glückes Gaben, das Leid, die Lust, den Schmerz. 's ist alles Satanswerk, getan durch böse Kunst und schlimmen Bund. Die Menschen schwören ihrem Gotte ab, dem Teufel zu, und haben Gewalt, die Ordnung Gottes aufzuheben, und der Satan sitzt auf dem Throne. Das ist die Frucht der Glaubensdürre, an der die Menschheit heute sterbend siecht. Das Blut Gemordeter schreit nicht ^mehr^ zum Himmel auf, als jener finstere Geist, der nun die Welt beherrscht. Es ist das Opfer Kains, das auf zum Himmel qualmt, und auf das der liebe Gott nicht segnend schauen kann. Es fehlt Abels Opfer, das Gott zu sühnen strebt. Ich will es sein. Ich weiß, wie arm, wie klein und schwach ich bin dem Riesen gegenüber, der Gottes Rache herausfordert. Und doch verzage ich nicht.« »Du edle Seele!« rief Edeltraud »Du willst dein junges Leben, dem so wenig Freuden blühten, für eine Missetat zum Opfer bringen, die nie an deiner Seele Anteil hatte! Wie groß und schön du bist im Lichte deiner Liebe!« »'s ist wahr, mein Leben wiegt nicht schwer, sind Freuden, die mir geworden, das Maß, nach dem sein Wert gemessen werden soll. Und schaue ich in die Zukunft, so sehe ich nichts, das einer Freude gliche. Mein Vater ist ein Greis. Bald graben sie am Friedhof draußen sein Grab und ich stehe allein in fremder Welt. Sein Tod bricht meine letzte Erdenliebe, und das Herz kennt nur mehr der Himmelssehnsucht Pulsschlag. Doch nicht nach Freuden soll man des Lebens Wert messen, sondern nach Opfern, die das Herz entsagend bringt.« »Ist's nicht des Opfers überviel,« unterbrach Edeltraut, »daß dir der Augen Licht versagt und deine Welt in finsterer Nacht begraben ist? Selbst deines Vaters Angesicht zu schauen ist dir versagt. Und allem, was du liebst, fehlt die Gestalt, selbst deine Schwestern, des Feldes Blumen, denen du dich so gerne vergleichst, sind dir ein ungelöstes Rätsel. Du lebst nur, wenn dich Träume mit ihren Bildern laben, wachend bist du des Leides voll.« »Daß ich nicht Gottes Pracht in seiner Schöpfung und meines Vaters Antlitz sehe, ist ein Opfer, mit dem ich längst die Rechnung abgeschlossen habe. Gott, der euch Menschenkindern lichte Augensterne gab, gab mir die Nacht. Er tat's, ich bin's zufrieden. Und ist es ein Opfer, das ich Gott darbringe, so mag es für meine eigene Schuld als Sühne gelten. Doch für die Schuld, die nun auf vielen lastet, und deren Sühne zum Himmel schreit, will ich mein junges Leben zum Opfer bringen. Ist's auch nur wenig, wie wenn ein Tropfen Tau die dürre Erde tränken wollte, so habe ich doch getan, was in der Schwachen Kraft gelegen, und ist mein Tod die Rettung ^eines^ Lebens, so bin ich reich belohnt -- denn ich habe gelebt vor Gott.« »Wenn ich dich schaue, goldne Elsa, in deiner Seele hohen Pracht, so bricht der Stolz, die Lebenslust, der wilde Grimm über meine Quäler machtlos zusammen. Kind, du bist groß! Du schreitest mit festem Fuße über Leid und Gram und Schmach, und selbst der Tod ist dir nur eine Brücke, die zu Paradiesesauen führt. An dich willst du nicht denken. Die Welt, die du nicht siehst, umfängst du mit einer Liebe, die aus dem Herzen Gottes stammt.« »Wie arm« -- fuhr Edeltraut in leisem Tone fort -- »wie arm muß sich die Erde dünken, wenn sie dich, liebes Blümchen, tot in ihrem Schoße birgt! Mag ihr wohl sein, als wär' der Lenz gestorben und alle Blüte sei zu Eis geworden und alles Leben starr und alle Liebe welk. Du hast mich viel gelehrt, Elsa. -- Die Menschenliebe bricht vor deinem Wort und Geist in morsche Stücke, die Gottesliebe baut sich herrlich auf. Nun faß ich dich, nun dank' ich dir aus voller Seele, daß nie ein Laut der Klage deinen Mund bewegte. Ja, Gott ist groß in seinen Werken, am größten doch in jener Liebe, die er in reinen Herzen für sich weckt.« -- -- Ein Geräusch an der Kerkertüre störte das Gespräch der beiden Jungfrauen. Der Kerkermeister trat ein. Ihm folgten Pater Spee und Elsas Vater. »Gott sei mit euch!« sprach zum Gruß der Jesuit. Elsa erhob das Haupt. »'s ist Sonnenstrahl,« rief sie, »den Gott mir schickt. Mein Pater, segnet mich!« Spee hob die Augen auf zum Himmel. »Gott segne dich,« sprach er. »Und wenn mein Segen je auf ein frommes Herz fiel, so gelte er heute vor Gott.« Der alte Gering sah mit feuchtem Auge seine Tochter auf dem Estrich knien. »Elsa,« sprach er zitternd. »Mein Vater!« Der Alte weinte bitterlich, als er des Lieblings Haupt an seine Brust drückte. »O weine nicht, du treues Herz,« sprach Elsa; »nun hat die Träne jegliches Recht verloren. Wir gehen hinüber, Vater, zu unserem Gott, zum Licht, zum Paradiese. Miß nicht die Zeit, die uns noch an die Erde bindet; gedenke nicht der Augenblicke, da noch der Leib der Seele Schwingen hemmt. Der Tod -- das Grab, sie sind für uns goldene Schlüssel zu einem Liebesleben, das nimmermehr durch ein Leid uns stört. -- Wie gut du bist, du lieber, lieber Vater, du suchst dein Kind im Kerker heim! Sei nur getrost, es naht die Zeit, da die Schwalbe in die Heimat kehrt!« »Du bist die Schwalbe,« bestätigte tiefbewegt der Alte, »und der Himmel ist dein Heim. Fürwahr, du bist zu gut für diese Erde!« »Elsa,« sprach Pater Spee, »du hast wohl recht, die Schwalbe zieht zur Heimat. Die Richter rufen dich und Edeltraut.« Letztere erblaßte und ein heftiges Zittern schüttelte ihre Glieder. Aus Elsas Augen trat eine große Träne, ein Demant, den der Schmerz aus tiefem Seelenschachte sich gebrochen. »Gott ruft, laßt uns nicht zögern!« rief sie heiter blickend. -- »Mein teuerer Vater, deinen Kuß; und Eueren Segen, Pater!« * * * * * Die Richter sitzen stumm und ernst. Es liegt wie schwere Anklage auf ihnen, da sie nun über die edelsten Jungfrauen der Stadt in so schmählicher Sache richten sollten. Fühlten sie vielleicht selbst, daß sie auf dem betretenen Wege zum himmelschreienden Massenmorde kommen müßten? Oder fingen sie an zu begreifen, daß sie über ein Verbrechen zu Gericht saßen, in welchem sie blindlings umhertasteten, ohne irgend welches Verständnis, ohne irgend einen Halt als den, den ihnen die Torheit gab? Ahnten sie vielleicht, daß sie mit dem, was sie Gerechtigkeit nannten, in den Blättern der Geschichte in der Reihe der Henker, ja der Mörder stehen würden? Sahen sie das ferne Wetterleuchten jener ungeheuern Schmach, die ihrem Namen ankleben würde? Dachten sie vielleicht an jenen jungen, kühnen Jesuiten, der mit dem Schwerte der wahren Liebe und Aufklärung sich ihrer blinden Wut entgegengestellt hatte? Nur der Oberschultheiß sah mit kaltem Auge auf die Angeklagten, seine Seele bewegten weder Leidenschaft noch Mitleid, sein starrer, stolzer Sinn kannte nichts, wovor er sich beugte, als das, was er seine Pflicht nannte, und das peinliche Recht. Ihm galt es gleich, wer vor ihm als Angeklagter stand; ^so spricht der Paragraph, so richte ich^, das war seine höchste Weisheit! »Elsa Gering,« brach er das Schweigen, »du weißt, was dich an diese Stelle führte!« »Euer Befehl.« »Und dein Verbrechen,« ergänzte der Richter. »Was ich an Sünde an mir habe, das klage ich in Reue meinem Gotte und meinem Beichtiger. Von schwerer Schuld jedoch weiß ich mich frei, und jenes schreckliche Verbrechen, dessen Ihr mich zeihet, hat keinen Teil an mir.« »Du leugnest, jedoch vergebens! Die alte Ammfrau Bernin sah dich und Edeltraut Göbel mit vielen anderen auf dem Kreidenberge, wo sich die Hexen um den Satan scharen.« Edeltrauts schönes Antlitz färbte tiefes Rot. Ein edler Zorn blitzte aus ihren stolzen Augen. »Ihr Herren,« sprach sie mit hoher Würde, »was ihr die arme Elsa fraget, werdet ihr auch mir entgegenhalten. Ich will euch darum zuvorkommen und ungefragt euch antworten. So hört! 's ist eine Schmach, die ewig über Würzburgs Mauern schweben wird, daß Männer zu Gerichte sitzen, die nicht viel besser sind als Mörder. 's ist eine Schmach, daß man, um dem tollen Wahne stets neue Opfer zu schlachten, jedem Worte Glauben beimißt, das wilder Schmerz, Verzweiflung, das euere Grausamkeit erpreßte. Noch mehr! Es ist eine Schmach, daß man an Hexen glaubt, wie ihr, daß man von dieser Stelle aus das Volk in seinem Glauben, seinem Glücke, in seinem Leben mordet. ^Ihr stolzen, harten Herren seid es^, die in dem armen Volke das Gift nicht sterben lassen, ^ihr seid es^, welche die Scheiterhaufen bauen und die Schwerter schleifen. ^Ihr habt nicht Herz noch Hirn^; denn hättet ihr eines, so säßet ihr nicht hier. Ihr stürztet schamerfüllt hinaus aus diesem Saale und suchtet einen Erdenwinkel, wo euch die Schande nicht erreicht. Ich weiß, ich spreche kühn, und euere Augen sprühen Zorn. Und doch ist mein Wort, und tauchte es auch in Wermutfluten, nicht so herb als euer Tun! ^Euch ist nichts heilig mehr als euere Torheit.^ Den Räubern gleich dringt ihr in die Häuser und ^stehlt, um dann zu morden^. Mich habt ihr herzlos weggerissen aus meines Vaters Armen, den nun der Schmerz um seine Tochter aufs Krankenlager warf. Daß Göbels Haus und Ruf ein Schmuck für unsere Stadt gewesen ist, daß an dem Namen, den mein Vater trägt, und der mir als heiliges Erbe galt, kein Makel hängt, das habt ihr schnell vergessen, seit euch ein altes Hirn im Schmerzenswahnsinn grause Märchen erzählte. Wo ist der Mensch, der mich auf schlimmen Wegen sah, wo ist die Zunge, die, ohne falsch zu zeugen, mir auch nur den Schatten des Lasters aufbürden kann, dessen ihr mich zeihet? ^Stolz^ nannten sie mich, die Edeltraut Göbel, weil sie nicht zum gemeinen Haufen niederstieg mit Kopf und Herz, ^stolz^ schalten sie mich, da ich mit Verachtung auf die klugen Köpfe niedersah, die keine höhere Weisheit kennen, als Hexen spüren. Jetzt sollt ihr recht bekommen. Ja, ^stolz^ will ich euch gegenübertreten, will euch sagen, daß ich euch tief verachte. Ich weiß, dies Wort macht euere Herzen noch bitterer; auch das verachte ich, ^wie ich die Welt verachte, die solche Richter trägt^.« »Laßt mich; noch bin ich nicht zu Ende. Bis jetzt sprach ich für mich. Nun laßt mich auch für Elsa Gering sprechen. Wenn in euch noch nicht der letzte Funke von Gefühl erloschen ist, ^wenn ihr als Väter noch^ von Liebe gegen Kinder wißt, so schaut mit kaltem Auge dieses Mädchen an, ^wenn ihr es vermögt^. Als Kind der >kleine Engel< von allen Lippen genannt, war sie der Schmuck der Stadt. Zur Jungfrau aufgeblüht, fand man sie nur im Gottes- und im Vaterhause. Auch nicht die schlimmste Zunge wagte sich an ihren Ruf. Sie ist wie eine Lilie, die aus dem Sumpfe blüht. Habt ihr sie beten sehen? Wohl kaum. Dazu habt ihr nicht Lust noch Zeit! Und hättet ihr sie beten sehen, so sprächet ihr nicht jenen Wahnwitz aus, Elsa Gering sei zur Hexe geworden. Ich will euch etwas sagen, gar weise Herren, was ihr wohl nicht versteht. Wollt ihr des Menschen inneren Wert ermessen, wollt ihr wissen, wie fest er in der Tugend begründet ist, so schaut ihn beten. Hier tritt des Menschen Seele auf die Oberfläche, hier könnt ihr wägen ihren Wert. Und hättet ihr nur einmal meine Elsa beten sehen, ihr hättet euch geschämt, sie als Hexe vor euch zu rufen. Dann nehmt das Leid, das auf ihr lastet. Ihr ist die Welt ein Buch mit ungelösten Siegeln. Sie kennt die Nacht mit ihrer Finsternis, doch nicht den Tag mit seinem Sonnenlichte. Was immer hier auf Erden lebt und was Schönes aus des Schöpfers Hand das Weltall schmückt, ist ihr ein Geheimnis, wie sie dem Bösen, das des Menschen Geist erdenkt, nicht Form noch Gestalt zu geben weiß. Sie, die die Nacht der Augen mit der Geduld des Engels erträgt, und deren Leben Liebe, Opfer und Gebet ist, sie soll im Bunde mit dem Satan stehen! Welche Weisheit! Oder sagt, ist Elsa wohl ein fahrendes Weib, das heimatlos aus unbekannten Fernen kam, und von dem ihr Herren gar nichts wißt, als was die böse Zunge einer Alten vor ihr redet? Ist sie nicht unter eueren Augen aufgewachsen, habt ihr sie nicht bis noch vor kurzer Zeit den Engel euerer Stadt genannt? Und nun? Fürwahr, ihr Herren seid große Geister, und euer Urteil ist fest wie Kartenhäuser, die das Kind sich spielend baut. Ein starkes Geschlecht fürwahr sind die Männer, nur schade, daß sie gleich den Windfahnen sind!« »Ihr blicket finster, und euer Auge widerleuchtet Groll und Zorn. Immerhin! Wer hier, wie ich und Elsa, an der Scheide seines Lebens steht, der hat ein Recht zu offenem, freiem Worte. Ich hab's gesagt, ihr habt's gehört. Tut nun, was ihr nicht lassen könnt, an Recht und Pflicht ermahne ich solche Richter nicht.« Die Räte und der Oberschultheiß sahen in der Tat mit zornglühenden Augen nach der kühnen Maid, die solche Worte sprach, als sei sie Richter und diese die Verbrecher. »Ihr seid wohl mehr als kühn, Ihr seid geradezu frech,« stieß der Oberschultheiß in heller Wut hervor. Edeltraut zuckte heftig zusammen, und tiefe Blässe deckte ihre schönen Züge. »Frech!« rief sie, »frech nennt Ihr eine edle Jungfrau Euerer Stadt! Herr Oberschultheiß, dieses Wort entehrt mich nicht, es schändet den, der es gesprochen. Ich beuge gerne jeder Obrigkeit mein Haupt und meinen Sinn. Doch fordere ich für den Gehorsam, den ich leiste, und für die Achtung, die ich zolle, mein ganzes, unverkürztes Recht. Wo die Obrigkeit jedoch nach blinder Willkür waltet und Unrecht Recht und Wahnsinn Weisheit nennt, da hat der mißhandelte Untergebene wohl noch jenes letzte Recht, ^das des freien Wortes^. Ihr könnt auch dieses nehmen, Ihr dürft ja nur zum Schwerte greifen, zu Galgen, Rad und Scheiterhaufen, denn gegen diesen Eueren letzten Machtspruch schweigt jede Widerrede.« »Ihr tolles Geschwätze läßt vermuten, daß Sie beim Pater Spee sich Rats erholte,« bemerkte in höhnischem Tone der Oberschultheiß. Über Elsas Antlitz zog tiefer Unmut. »Herr,« sprach sie, »Herr, wie könnt Ihr jenen schmähen, der nur die Lippen öffnet, um von Liebe und Verzeihung zu uns Gefangenen zu reden? Wie könnt Ihr glauben, das, was Edeltraut gesprochen, sei Widerhall von dem, was Spee uns lehrte? Was Ihr gehört, das war die Sprache eines zum Tod gekränkten Frauenherzens, ein Priester spräche anders. Wenn Euch mein Wort noch Glauben wecken kann und wenn Ihr einer Jungfrau glaubt, die nie der Lüge diente und nun, da sich ihr Leben schnell zur Rüste wendet, sich nicht mit falschem Zeugnisse beflecken will, so nehmt aus meinem Munde die Versicherung, daß nie aus Spees Munde ein bitteres Wort über euch, ihr Herren, kam. Wenn sich die Klagen der Gefangenen zur hellen Zornesflamme steigerten, wenn sie, von Schmerz verwirrt, euch verfluchten und euch Henker, Mörder nannten, dann war es Pater Spee, der solche Rede ernst verwies und mit des Kreuzes Balsam allen Unmut heilte. O seid nicht ungerecht! Jeder Arme, der in eueren Kerkern schmachtet, trägt ^seine^ Leiden nur und stirbt nur ^seinen^ Tod. Doch Spee trägt aller herbes Leiden in voller Liebe mit und stirbt mit jedem seinen blutigen Tod. Schmäht auf die Priester nicht, die unsere Wunden heilen, und legt nicht neue Dornen ihnen auf den Weg der Liebe! ^Dankt Gott aus voller Seele, daß noch Priester sühnend in den Abgrund steigen, in welchem die Torheit und die Sünde gleich giftigem Gewürme die Menschheit morden.^ Nehmt dem tiefsten Elend, das sich hier in eueren Kerkern häuft, den letzten Trost des Priesters, dann mögt ihr sehen, wie der Wahnsinn euere Opfer schüttelt und der Selbstmord sie euerem Spruche entzieht; dann mögt ihr hören, wie euch glühende Lippen fluchen, wie sie euch Henker und Satane nennen. Und habt ihr das geschaut und eueren Fluch gehört, dann ringt die Hände und ^dann ruft wieder nach Priestern, welche mit der Liebe Wort die Wunden des Herzens heilen und jede Leidenschaft zum stillen Opfer kehren^.« Elsa hatte diese Worte mit einer so hohen Begeisterung, mit solcher Wärme und Innigkeit gesprochen, daß selbst die Richter tief beschämt zur Erde sahen. Der Oberschultheiß blätterte mit fieberhafter Hast in einem Akte, um seinem Zorne Zeit zu gönnen, sich zu legen. Dann erhob er sich in seiner kalten Strenge und sprach: »Ich frage Euch, Edeltraut Göbel, ob Ihr Euch schuldig gebt des Bundes mit dem Satan, der Hexerei und bösen Zauberkünste?« »In Ewigkeit, nein!« erwiderte mit unvergleichlicher Würde Edeltraut. »Euch, Elsa Gering, frage ich dasselbe.« »Ich diene meinem Gotte; ihm gehöre ich. Ich habe nie dem Bösen einen Teil an mir gegeben, Gott ist mein Zeuge, mein Herz drückt keine Schuld.« »Und wenn ich euch nicht glaube?« fragte spitz der Oberschultheiß. Edeltraut warf einen empörten Blick nach demselben. »Habt Ihr den Glauben an ein reines Herz verloren, so nennt Lüge, was wir sagten. Doch glaubt Ihr noch an Wahrheit und Treue, so ist es Euere Pflicht, daß Ihr Euch unserem Worte beugt.« »Ich verweise auf den Henker!« drohte der Oberschultheiß. »Er kann, er wird uns nicht zum Lügner machen,« sprach Elsa mit mildem Ernste. »Ihr wollt also die Wahrheit nicht gestehen?« »Wir haben sie gesagt!« »Der Henker trete ein!« »Gerechter Gott!« rief Edeltraut und fiel der zitternden Elsa um den Hals. »O laß mich sterben!« -- -- Und er trat ein! -- -- 11. Kapitel: ^Der Richter im Gefängnisse^ Das war ein Tag der Schande. Die Sonne tat wohl gut daran, daß sie hinter dichtes Gewölke trat und nicht mit hellem, vollem Glanze auf ein Schauspiel niederleuchten wollte, das jeden fühlenden Menschen aufs tiefste empören mußte, nur nicht jene erbärmlichen Hexenrichter. Aus den Wolken fiel erst leichter Regen nieder, der, immer mehr anwachsend, zum strömenden Gusse wurde. Ja, der Himmel verhüllte sein Angesicht und weinte; war doch, was er auf Erden schauen sollte, gleich schändlich und gleich schrecklich. Der Henker hatte an beiden Jungfrauen sein Werk getan. Nur wer Spees _Cautio Criminalis_ gelesen hat, weiß, welch eine Schmach in jenem Worte liegt. Der Hexenwahn trieb die Richter zu Dingen, die jeder Scham unbarmherzig Hohn sprachen. Es war ja nicht genug, der Mädchen jungen, zarten Leib mit ausgesuchter Pein zu martern, es mußten auch die Peinen der Seele sich noch dazu gesellen! ^Aber auch das geschah im Namen des »Gesetzes«, und so heilig dieses Wort an sich dem Menschen sein muß, so große Niedertracht hat es schon in sich geschlossen.^ Elsa und Edeltraut ertrugen die Folterqualen, mit denen sie körperlich mißhandelt wurden, mit einer Geduld, die nur als eine besondere Gottesgnade angesehen werden konnte; denn der rohe Henker ließ sich die Gelegenheit, so seltene Delinquenten unter seinen Händen zu haben, ganz besonders angelegen sein. Was sie aber nicht ertrugen, das war jene »gesetzmäßige« Gemeinheit, die ihrer weiblichen Ehre aufs verletzendste Hohn sprach. Die Geisteskräfte der armen Opfer gingen in diesem schmutzigen Meere von Qualen unter, Nacht und Bewußtlosigkeit hielten ihre Sinne gefangen -- es war eine wahre Erbarmung, daß sie eine tiefe Ohnmacht umfing, und daß man sie wie leblos in ihren Kerker zurücktrug. Da lagen sie auf sprödem Stroh, und neben ihnen kniete des Kerkermeisters Weib und suchte die Wunden zu verbinden und die zarten, so arg mißhandelten Körper durch Balsam und stärkende Wasser neu zu beleben. -- Es war ein eigenes, tiefwehmütiges Bild, die gute Alte, dem sterbenden Herbste gleich, neben den geknickten, mit blutigem Tau bedeckten Blumen des Frühlings zu sehen! -- Ein trüber Morgen dämmerte nach einer leidenvollen Nacht durch die kleinen Fenster des Gefängnisses. Edeltraut lag, das Haupt auf den rechten Arm stützend, in einer Ecke. Ihr sonst so sonnenhelles Auge schien wie mit einem Nebel umzogen und sah glanzlos auf den Estrich nieder. Die langen, goldenen Haare waren dem Schermesser des Schergen zum Opfer gefallen; denn »an den Haaren hängt des Teufels Macht über den Menschen«, so behauptete jener souveräne Blödsinn, den man hohe Weisheit nannte. Zuweilen leuchtete noch der alte, stolze, edle Blick aus den beiden Vergißmeinnichtaugen; aber es war nur mehr das Aufflackern einer sterbenden Kraft, es war das Ringen eines untergehenden Lebens mit dem aufsteigenden Tode, es war wie das hoffnungsleere letzte Aufleuchten des erlöschenden Lichtes. -- -- -- »Was ist aus dir geworden, arme Edeltraut?« flüsterte das Mädchen in leisem Selbstgespräche. »Was ist aus dir geworden? -- -- -- Ich weiß es nicht. -- -- -- Mir glüht das Hirn, indes mein junges Herz zu Eis erstarrt. -- -- -- Wo bin ich nur? -- -- -- O wie es öde und kalt und schaurig hier in diesen Räumen ist! -- -- -- Vater, lieber Vater!« rief sie schmerzlich und breitete die Hände bittend aus. »Edeltraut,« entgegnete die blinde Elsa sanft, »rufe auf zum Vater, der im Himmel ist!« »'s ist Elsas Stimme!« frohlockte Edeltraut. »Wo bist du, liebe Blume? -- -- -- Komm, komm zu mir und küsse meine Lippen; vielleicht bringt es Ruhe in meine arme Seele, wenn eines Engels Hauch mich liebevoll umweht! -- -- -- 's ist gut! Hab' tausend Dank! -- -- -- Sag', liebe Elsa, wie kommt es doch, daß ich noch lebe? Glaubte ich doch, ich sei gestern gestorben, als sie mir im Gerichtssaale -- -- --« Sie sprang von ihrem Lager auf und starren Auges sah sie nach der Decke. -- -- -- »Und du dort im Himmel droben hast es zugelassen, daß die Henker mich mit einer Grausamkeit quälten, daß kein Wort zum Dolmetsch des Schmerzes werden kann. Meinen jungen Leib haben mir die Schergen zerrissen, und alle Pein kam über meine Glieder. Allein darüber wollte ich nicht klagen; denn wer Wölfen und Hyänen in den Rachen fällt, kann nur Schmerz und Blut und Tod erwarten. Aber daß sie mir auch mit frevelhafter Hand in das Heiligtum der Seele gegriffen und eine Flut von Schmach und Schande über mich ausgegossen haben, daß sie auch an meiner Reinheit und Ehre zu Henkern wurden: das klage ich mit gebrochenem Herzen dir, o Gott! Hast du die Blumen nur darum so rein und zart geschaffen, hast du sie nur darum gelehrt, ihren Kelch selbst dem Silberauge des Mondes zu verschließen, damit dann eine rohe Hand den Blütenstaub von ihren Blättern streift und Gift und Tod in ihren Kelch versenkt?« »O klage nicht!« bat Elsa. »Und warum nicht?« fuhr stolz das Mädchen auf. »Nimm einem Menschen alles, was er hat und liebt, nimm ihm sein Glück, den Frieden, ja selbst den Himmel: das Recht der Klage kannst und darfst du ihm nicht nehmen. Es ist der letzte, wenn auch arme Trost, welcher jedem Leide bleiben muß. Und diesen letzten Trost will ich in vollen Zügen genießen -- es ist der letzte Lichtstrahl vor dem gewissen Tode!« Edeltraut war wieder in sich zusammengebrochen; seelenlos blickte das Auge aus den rotgeweinten Höhlen, und schlaff hingen die Arme an dem zitternden Körper herab. »Elsa, du bist so stille,« flüsterte das Mädchen. »Ahnst du die Ruhe des Grabes?« »Und mehr noch die Wonne des Himmels,« ergänzte lächelnd die Blinde. »Die Wonne des Himmels!« wiederholte Edeltraut und schüttelte nachdenklich das Haupt. »Qualen, gräßliche Qualen hat meine Seele verkostet, und meinen Leib haben sie gemartert, sie, die Menschen ohne Herz und Ehre und Erbarmen -- aber Wonne des Himmels? Ich verstehe das nicht! -- -- Gut Elschen, arme, süße Blume, was sagst du von Himmelslust?« »Dein Geist ist wirr und deine Seele müde, liebe Edeltraut,« sprach Elsa. »Darum laß dir von dem Frieden sagen, den wir im Jenseits finden. Dir mag die Erde noch vor kurzer Zeit ein Garten voll Blumenpracht gewesen sein; mir war sie stets ein düsteres Grab. Die Anker, welche der Mensch aus seinem Herzensmeere auf der Erde sandigen Boden senkt -- sie halten niemals stand in Sturm und Leiden. Hin über alle Sterne, teure Freundin, muß die Hoffnung schauen. Gott muß unser Kompaß und Anker und Segel sein, das Ziel unserer Sehnsucht und unseres Lebens, unserer Leiden Unterpfand, die goldene Abendröte nach dem wetterschweren Tage. Sieh, teure Schwester, wenn die Stunde gekommen ist, in der wir durch Tod und Grab zum Leben eingehen, in unseren Händen nichts als arg geknicktes Hoffen tragend, das sich in herbem Leide zur Dornenkrone flocht; wenn wir alle die Tränen vor unseres Herrgotts Füßen ausschütten, die wir geweint; wenn wir unser Herz zeigen, das der Schmerz wund gerissen, und, ohne unsere Lippen an dem sündigen Kelche der Erdenfreude je genetzt zu haben, bettelarm an irdischer Lust vor unseren Richter treten; noch mehr, wenn alles Leid, das die Tage unseres Lebens ausgefüllt hat, wenn die Träne und der Seufzer und jede welk gewordene Hoffnung zum stillen Opfer werden, das der Mensch aus seinem Leben in das Jenseits trägt: dann breitet Gott die Arme seiner Liebe zum Willkommen und teilt die angemessene Herrlichkeit, die er in sich genießt, mit einer solchen treuen Seele.« »Einst hätte ich wohl erfaßt, was mir dein Wort schmeichelnd in das Herz zu reden weiß. Das war in jenen Tagen, da das Leid gleich flüchtigen Wolken über meinem Himmel zog, und noch nicht Schmach und Schande und Entehrung meine reine Seele drückten. Seit sie den Frieden und des Herzens Frühling mir gestohlen haben, ist auch mein Geist gebrochen, und die Schwingen meiner Seele sind erlahmt. Ist's doch, als läge düstere Nacht über meinem Geiste und erstarrte der Gedanke in meinem Gehirne. Es ist, als stünde alles Leben in mir stille, ich weiß, daß ich nicht zu den Toten zähle, und fühle doch mein Leben schon erstorben. O Elsa -- Elsa, wenn zu allem Elend, das ich stöhnend trage, auch noch des Wahnsinns Schrecken kämen! Und sie werden kommen, ja, sie müssen kommen; warum soll die stolze Edeltraut nicht auch dieses Leid noch kosten? Vielleicht liegt ein süßes Erbarmen in der Nacht, die meinen Geist umschatten wird, vielleicht sind jene Bilder, die des Wahnsinns Griffel zeichnet, nicht so häßlich, nicht so schrecklich, als was ich zu tragen kaum mit letzter Kraft vermag!« »Sei dir nicht selbst zur Qual, du müde Taube,« tröstete Elsa. »Frage nicht, was kommen wird. Sage du dir nur, Gott ist's, der Licht und Nacht verteilt, der Kraft dem Schwachen gibt und Mut dem Sinkenden. Wohlan, sei groß und stark, wie du in schöneren Tagen es gewesen bist. Sei du das Opfer mit ganzer Seele, zu dem dich Gott erkoren. Demut stärkt den Geist und schirmt ihn gegen Untergang.« »Du bist mir unfaßbar, du hohe Seele! Wo andere von Schmerz und Leid verwirrt sich selbst verlieren, da wachsest du an innerer Pracht. Dich stärkt das, was andere schwächt, dich hebt zum Himmel, was andere tief zu Boden drückt.« »Das tut der Glaube, der hoch über allem Erdenleide steht,« antwortete demütig Elsa. Tritte vom Gange her unterbrachen das Gespräch der beiden Mädchen. Die Kerkertüre knarrte träge in ihren schweren Angeln, und der Oberschultheiß trat ein. Sein Wesen war heute sanft und geschmeidig, seine Stimme bewegte sich im Gegensatze zu der sonst gewohnten Härte in den weichsten Tönen, und sein Antlitz, dem nur Rad und Galgen und ein erbarmungslos geschriebenes Todesurteil Farbe und Leben geben konnten, war in Traurigkeit und tiefes Mitleid gehüllt. Die Mädchen empfingen ihren obersten Henker schweigend, ja Edeltraut warf ihm einen Blick zu, in dem ihr ganzer edler Stolz wieder aufzuleben schien. Dann wandte sie sich von ihm ab und trat zum Fenster. »Ich komme nicht als Richter,« begann der Gestrenge nicht ohne Befangenheit zu sprechen, »ich komme vielmehr als Freund -- mein graues Haar gibt mir zu diesem Worte ein Recht, -- um euch, edle Jungfrauen, nach Möglichkeit zu trösten und euch zu dienen.« »Wir danken euch für eueren Willen,« entgegnete Edeltraut mit Würde, ohne ihre Stellung zu ändern. »Wir beide, Elsa sowie ich, verzichten leichten Herzens ^auf Euere Freundschaft und auf Euere Dienste^.« »Ihr seid stolz!« versetzte überrascht der Oberschultheiß. »Wir werfen uns wenigstens nicht weg und heucheln nicht.« Der Gestrenge biß sich auf die Lippen. »Ich dächte doch, die Macht, die mir als Richter verliehen ist, ließe mich als Freund nicht wertlos erscheinen. In ^meiner^ Hand zumeist liegt euer Schicksal, ^ich^ kann es wenden, wie ich will.« Edeltraut drehte sich rasch um. Ihr Auge leuchtete in gerechter Entrüstung. »Und ich dächte, ein Richter hat zu richten, wie er ^muß^, und nicht so, wie er ^will^.« »Ich will jetzt nicht Richter sein,« erwiderte etwas ungeduldig der Oberschultheiß. »Ich will euch zeigen, daß auch in mir ein fühlendes Herz schlägt.« »Gemeine Seele!« rief Edeltraut. »Du, Alter, willst uns lügen, du hättest ein fühlendes Herz? Geh', geh' und suche einen Winkel Erde, wo dich die Schande nicht erreichen kann und wohin der Fluch nicht dringt, der sich an deine Ferse heftet. Du und ein fühlendes Herz? Hörst du die Teufel in der Hölle lachen ob deiner Heuchelei? Ja, hättest du ein Herz in deiner Brust, du hättest nicht mit kalter Stirne unsere Scham und Ehre an den Henker ausgeliefert! Hast du noch einen Tropfen Blut in deinen Adern, der nicht so schlecht geworden ist wie du, so bitte ihn, er möge dir als Schamröte in die Wangen steigen. Doch du hast keinen mehr, du bist durch und durch ein feiler Wicht, der nur als Freund noch schlechter ist denn als Richter.« »Jungfrau, Ihr vergesset, daß, was ich als Richter tat, im Namen des Gesetzes geschah!« »Im Namen des Gesetzes? Herr, dieses Wort deckt Euere Schande nicht. Was Ihr Gesetz und Recht nennt, ist zu oft nur rohe Macht, welcher die Gemeinheit zum Gevatter stand. Nennt nicht Gesetz, was allem Rechte Hohn spricht und was dem ewigen Gesetze, das jeder Mensch in seinem Herzen trägt, schroff gegenübersteht wie dunkle Nacht dem sonnenklaren Tage.« »Ihr, Edeltraut, seid tief verbittert, und Euer Wort kennt keine Schranke. Ich will an Euch, Elsa, meine Rede richten; Euer Geist ist nicht so stürmisch und Euer Wort behutsam und versöhnlich. Es liegt in meiner Macht, für Euch ein gutes Wort zu sprechen und Euerem Lose manchen Trost zu bieten, wenn Ihr dazu Euch verstehen wollt, mir die Namen derjenigen zu nennen, die mit Euch am Kreidenberge waren.« Der Alte sah mit seinen kleinen, stechenden Augen nach dem blinden Mädchen hinüber, indes er die Lippen erwartungsvoll zusammenpreßte. »Wenn Euch nichts anderes zu uns geführt hat,« antwortete Elsa, »als ^diese^ Frage, so mögt Ihr immerhin wieder nach Hause gehen. Wer selbst jeglicher Schuld bar und ledig ist, kann nicht von Schuldgenossen reden.« Ein zorniger Blitz wetterleuchtete über des Oberschultheißen Antlitz. »So nehmt doch Vernunft an,« drängte er. »All Euer Leugnen nützt Euch nichts!« »Ich würde sagen,« fiel Edeltraut darein, »Ihr solltet Ehre annehmen, wenn es Euch möglich wäre. Doch an solchem Stoffe klebt nur der Schmutz sich an. Ich will Euch Rede und Antwort stehen. Ihr heuchelt Mitleid gegen uns, da Ihr uns doch im Grunde Euerer Seele hasset. Wißt Ihr, was Euch in diesen Kerker geführt hat? Die Habsucht ist es, ganz gemeine Habsucht! Ihr hoffet, unser Geist sei so gebrochen, daß wir zu blinden Werkzeugen Euerer Hände würden und an den letzten Strohhalm uns anklammernd in fremdem Elend unsere Rettung suchten? Nein, selbst Euere Nähe, Herr, macht uns nicht schlecht, obwohl der Raum, den Euer Atem berührt, vergiftet ist. Ihr bezieht von jeder Hexe sieben Gulden Schergenlohn; um dieses Geldes willen seid Ihr gerne bereit, das Kind im Mutterleib zu schlachten und Stadt und Land zur Wüstenei zu machen. Sieben Gulden! Ein schönes Sümmchen jedenfalls für den, der nur nach Stücken rechnet und der nicht Ehre und Gewissen kennt. Ei, wenn wir hundert Namen Euch der Reihe nach anführten, wie sie der Zufall uns erfassen ließe, Ihr dächtet auch nicht einen Augenblick darüber nach, ob Ihr Lüge oder Wahrheit gehört habt, Ihr dächtet einzig nur daran, daß siebenmal hundert ein herrlich Sümmchen sei. Ja, Herr, so ist's; und daß es dahin kommen konnte, daß um des Geldes willen Scheiterhaufen rauchen, ist eine Schmach, so reich an Ekel, daß jene Stunde wahrhaftig zu segnen ist, die uns von solchen Richtern befreit. Doch, wenn Ihr in der Tat uns einen Dienst erzeigen wollt, so geht von dannen. Nie schien mir dieser Kerker häßlicher, als da Ihr, Oberschultheiß, in seiner Mitte standet.« Der Gestrenge warf einen langen Blick unversöhnlichen Hasses nach dem kühnen Mädchen; dann verließ er polternd den Kerker. Draußen blieb er stehen und versank in tiefes Sinnen. Was war es, das diese alte, rostige Seele so ernst stimmte? Schlief vielleicht doch ein Funke von Ehre und Gefühl in dieser Brust, und fand in diesem Gehirne vielleicht doch noch ein anderer Gedanke Raum als der an Blut und Geld? Vielleicht stieg es wie Scham und Reue in ihm auf, wenn er zurückdachte an jene zwei armen Opfer, deren Gefängnis er soeben verlassen hatte? O nein! All das bewegte nicht des Richters Sinn und Seele, sein ganzes Denken galt der Zahl sieben, und wie sie sich zu Silber machen ließe! Er befahl dem Kerkermeister, jenes Verließ zu öffnen, in welchem Zuckerwastl mit seinen Genossen sich befand. »Wie geht es euch?« sprach er, in den Kerker tretend und einen prüfenden Blick auf die kauernden Gestalten heftend. »'s ist schlimme Wohnung, nicht wahr, Zuckerwastl; aber solchen Vögeln baut man solchen Käfig. Es geht nun in der Welt nicht anders.« »Was wollt Ihr?« murrte der Zuckerwastl. »Ei, was werde ich wollen?« sprach unbefangen der Oberschultheiß; »euch besuchen, nach euch sehen, fragen, ob euch nichts fehlt, ob ihr mir nichts zu beichten habt, ha, so ein kleines Geständnis! Hm, Zuckerwastl, wie meinst du?« Der schüttelte den Kopf und höhnte: »Euch, Herr, sollt' ich beichten? Nein! Hab's überhaupt verlernt; und wollt' ich es je vor meinem Tode noch einmal tun, müßte es doch ein Priester sein und just nicht Ihr.« »Nun, nun, so war's auch nicht gemeint! Ich dachte nur, der Zuckerwastl ist zwar ein großer Spitzbube --« »Danke, Herr!« »-- Aber auch ein sehr vernünftiger Mensch.« »So, und warum paßt es Euch, mich für sehr vernünftig zu halten?« »Du bist kein Winseler und kein Schwachkopf. Du siehst nur zu gut ein, daß deine Karre unterm Galgen steht.« »Ihr irrt, das sehe ich gar nicht ein.« »Beruhige dich nur, es ist doch so!« Zuckerwastl strich sich mißvergnügt die Stirne und sah nach dem Fensterloche hinüber. »Die Eisenstäbe dort sind sehr fest,« fuhr der Oberschultheiß, der jenen Blick wohl verstanden hatte, mit scharfer Betonung fort. »Mache dir keine überflüssige Mühe oder Hoffnung. Einmal kommst du noch ins Freie, wenn du deinen Gang nach der Richtstätte machest; das lasse dir genügen. -- Aber du könntest,« setzte er freundlicher werdend bei, »die Tage, die du noch zu leben hast, dir angenehmer machen. Was meinst du zu einer Flasche Wein?« Zuckerwastl schaute sehr mißtrauisch den Schmeichler von der Seite an. »Hm,« brummte er, »ich habe gegen den Wein nie eine Feindschaft getragen, ich bin ihm auch jetzt noch herzlich gewogen. Aber, verzeiht, ich fürchte, Ihr möchtet mir Eueren Wein zu teuer verkaufen.« Der Oberschultheiß stieß ein heiseres Lachen aus. »Bewahre Gott! ich frage dich ganz einfach, ob du mir keine Hexlein oder Zauberer zu nennen weißt, und ich zahle dir für den Kopf eine Flasche. Gewiß ein schönes Angebot.« Zuckerwastl wiegte sein Haupt hin und her und lächelte bitter; dann fuhr er mit dem Rücken seiner Hand über den Mund und sprach ein kurzes »Nein!« »Wie töricht!« grollte der Gestrenge. »Willst du durstig an den Galgen?« »Ist mir alles einerlei.« »So sei vernünftig!« mahnte jener. »Mag nicht!« war die kurze Antwort. »So; und warum?« »Ich will's Euch sagen. Euch liegt wenig daran, ob ich Wasser oder Wein saufe; Ihr wollt nur neue Vögel für den Käfig haben. He, Alter, das ist dein ganzer Plan! Nein, nein, aus meinem Munde sollst du nichts erfahren; da bin ich mir trotz aller Schlechtigkeit doch zu gut dazu, und es müßte wohl ein Teufel sein, der selbst in Euerer heißen Küche sitzend Euch den Braten in dieselbe jagen wollte. Bin mein Lebtag wenig nutz gewesen, aber da meine Lebensuhr auf zwölfe steht, will ich doch nicht zum schlechten Kerl werden. Sauf' deinen Wein nur selbst, du alter Gauner; mich aber laß in Ruhe!« Der Oberschultheiß warf einen vernichtenden Blick auf den Sprechenden. »Wir treffen uns,« knirschte er. »Vielleicht am Galgen?« fragte Zuckerwastl und drehte sich auf die andere Seite, um zu schlafen. »Ich mag Wein,« stotterte faul der Neunaugen aus einer andern Ecke. Der Gestrenge wandte sich rasch nach ihm. »Und was kannst du mir dafür sagen? Weißt du Hexen?« »Hexen? Hexen? Hm, also so etwas möchtest du wissen? Muß alles wahr sein, was ich dir sage? Ich hab' einmal gehört, ihr Herren wäret auch um Lügen froh, wenn sie euch in eueren Kram passen. Ich will Euch vorlügen, soviel Ihr wollt. Das ist doch gewiß so schön als Euer Anerbieten.« »Ei, zu lügen brauchst du gerade nicht,« tadelte der Oberschultheiß. »Aber es ist auch nicht notwendig, daß du gewiß weißt, was du sagst. Wir Herren vom Gerichte wissen auch aus einem Verdachte etwas zu machen.« »So, so,« gähnte der Neunaugen. »Was wisset Ihr denn daraus zu machen?« »Esel,« schimpfte der Pappenheimer, »was man aus uns gemacht hat.« »So!« grinste der Tölpel. »Ich kratze dir die Augen aus, wenn du dein Maul dem gegenüber noch einmal aufmachest, alter Taugenichts!« eiferte Helena. »Sei nur nicht so grob,« knurrte der Neunaugen verdrießlich. »Und ich haue dir alle Knochen entzwei,« brummte Zuckerwastl in ruhiger, aber sehr überzeugender Weise. »Ja, dann kann ich Euch freilich nicht anlügen. Tut mir wirklich leid,« stammelte der Neunaugen. »Laßt mich schlafen,« fuhr er gähnend weiter. »Schlafen ist auch gut; aber Wein wäre besser.« -- »Nun will ich's bei den Kindern noch versuchen,« murmelte der Oberschultheiß zwischen den Zähnen. »He, Kerkermeister, führt mich zu den Kleinen!« Der gute Alte zuckte schmerzlich zusammen. »Nehmt es nicht ungnädig, hoher Herr,« sprach er, »bringt Ihr wohl den armen Kindern die längst ersehnte Freiheit?« Der Gestrenge blieb in hellem Erstaunen stehen. »Freiheit?« rief er. »Wer kann hier von Freiheit reden? Ihr seid ein alter Schwachkopf und wäret imstande, gerade den gefährlichsten Hexen und Zauberern das Wort zu reden. Denkt Euch nur, wenn wir die Kinder freiließen, welche Summe von Unheil in dem langen Leben, das noch vor ihnen liegt, sie stiften könnten? Nein, nein, mein Alter! Hier gilt nicht das, was man ein gutes Herz nennt, hier gilt nur kaltes, strenges Recht.« »Und was wird nach Euerem Rechte aus den Kleinen?« fragte zitternd der Kerkermeister. »Nun, was wird werden?« entgegnete jener, heftig mit den Armen um sich fahrend; »man verbrennt sie einfach, basta!« Der Kerkermeister blieb stehen und hielt sich an der Wand des engen Ganges fest. »Verbrennen?« stammelte er. »Herr, ich habe Euch wohl falsch verbanden, oder Ihr habt Euch nur versprochen?« »So, und warum? Man verbrennt das Lumpenpack und erweist damit der ganzen Stadt den besten Dienst.« »Herr, solche harte Rede ertragen meine alten Ohren nicht. Wie mögt Ihr die Kinder unserer besten Bürger Lumpenpack benennen? Vielleicht um des Verdachtes willen, der auf ihnen ruht? Und wenn es nur Verdacht wäre! Herr, es ist Verleumdung, die diesen Kleinen angelogen wurde, es ist Lüge, die sich an die armen Kinder wagte. Glaubt meinen grauen Haaren: die Kinder, die Ihr als Hexen in dem Kerker haltet und für den Scheiterhaufen aufspart, haben ihren Schutzengel noch nicht verloren. Noch hat er nicht trauernd sein Angesicht von ihnen abgewendet, noch hat der Satan nicht des Engels Stelle eingenommen. Ist's nicht genug, daß Laster, Frevel, dummer Wahn an unserem Glücke fressen, daß die Stadt mit Greueln sich erfüllt, ist's nicht genug, daß wir Erwachsene stets mehr und mehr dem tiefsten Elende verfallen, müssen nun auch die Kleinen ermordet und die letzten Engel aus unserer Mitte vertrieben werden? Hier, Herr, hier sind wir an der Stelle, wo die armen Kinder schmachten; geht nur hinein zu ihnen und schauet Euch ihr Elend an. Seht ihnen in die klaren Augen und fragt Euch selbst, ob Teufelslist aus ihnen schaut. Hört ihre Bitten, ihre herzzerreißenden Klagen, zählt all die bitteren Tränen, die sie weinen, und bleibt hart, wenn Ihr's vermögt; verbrennt des armen Würzburg letzte Unschuld; dann aber schüttelt den Staub von Eueren Füßen und meidet Euer Leben lang die Stätte, auf welcher der Fluch Gottes in seiner ganzen Schwere lastet.« 12. Kapitel: ^Das Elend und der Wahn wachsen^ Der Oberschultheiß stand in Gedanken versunken inmitten seiner braungetäfelten Wohnstube. Nun, da er den Nimbus der Amtsherrlichkeit abgelegt und die strenge Miene mit einer mehr häuslich gestimmten vertauscht hatte, war der Ausdruck seines Gesichtes zwar weniger unangenehm als sonst, wenn er seines Amtes waltete und ganz in demselben aufzugehen schien; allein dennoch grinste immer noch ein lauernder Dämon aus seinen Augen. Von Zeit zu Zeit trat er an einen schwerfälligen Schreibtisch, von dem er immer wieder dasselbe Blatt Papier nahm, um es stets mit demselben tiefsinnenden Blicke zu betrachten. »Sie wollten lange nicht plaudern,« sprach er halblaut vor sich hin, »endlich habe ich doch einigen von den Kindern die Zunge gelöst. Im Grunde ist das, was sie mir zitternd erzählten, nichts, gar nichts, kindliche Einfalt, gejagt von wirren Phantasien, harmloses Geplauder über Geister und Gespenster, vermischt mit Namen, ohne böse Absicht genannt, aber doch in dem großen Gewebe wertvolle Fäden. Es ist mir so eigentümlich zumute; ich möchte fast ärgerlich werden über -- ja über was denn? Über mich selbst? Oder über die Hexenprozesse? Oder über der Kinder in blasser Furcht gestammeltes Geplauder? Ei was, dumme Grillen! Ich bleibe bei dem, was ich mir als Pflicht gesetzt habe, mögen andere darüber denken wie immer. Und die Skrupel? Nun, die verachtet man als vorübergehende Schwächen des Geistes, denen man kein Gehör schenken darf, ohne seiner richterlichen Ehre und Unabhängigkeit zu schaden. Es gilt nun, aus dem Gerede der Kinder etwas zu machen; allerdings keine zu leichte Aufgabe, sie erfordert immerhin einen so scharfen Kopf, wie der meinige ist; aber man versteht das, aus nichts etwas Verdächtiges und aus etwas Verdächtigem eine vollendete Tatsache zu machen.« »Es war mir doch zuletzt recht unheimlich unter den Kindern. Wie sie zitterten und weinten und mit aufgehobenen Händen baten, ich möchte sie ihren Eltern wiedergeben, sie seien gewiß unschuldig. Ich wollte es ihnen auch gerne glauben, wenn ich nicht der Oberschultheiß wäre. Hm, sie sahen wirklich zum Erbarmen aus; das Elend hat ihnen die Wangen gebleicht und eingebrochen, und ihre Augen sind vor Weinen wie tot. Aber was ist da zu machen? Warum sind sie Hexlein? Ob sie's wirklich sind? Ja!« Er ging einigemal in der Stube mit schnellen Schritten auf und ab; dann blieb er wieder stehen und stützte das Kinn auf die rechte Hand. »Wir verklagen dich beim Pater Spee, haben mir die Kinder zugerufen, als ich ihnen sagte, ich könne sie nicht freilassen. Dieses Wort hat mich tief geärgert. So muß mir dieser Jesuit überall in den Weg treten, sogar aus Kindesmunde wird er mir zur Drohung. Ob er mir wirklich gefährlich werden könnte? Sein Anhang wächst, wächst unter dem Volke wie bei den Großen. Wie lange noch, und er und seine Ideen sind stärker als ich. Verflucht,« rief er und stampfte den Boden, »wenn mir der junge Naseweis über den Kopf wachsen sollte! Und behält er recht, und verliert das Volk den Glauben ans Hexentum und die dummblöde Furcht vor demselben, fängt es an, an der Gerechtigkeit unserer Urteile zu zweifeln, und beginnen die Lücken, die wir in so viele Familien gebrannt haben, zu schmerzen, und tritt zum Schmerz der Zorn und die Rache, entfesselt sich des Volkes wilder Sinn gegen uns, und werden wir, zu denen es bisher mit scheuer Ehrfurcht aufschaute, ihm als ungerechte Richter erscheinen, und flammt dann hoch des Pöbels Wut, wer schützt uns? Niemand. Hier gibt es nur ^eine^ Rettung; Spee muß fallen! Ist er auch Jesuit, so gefeit sind doch diese Herren nicht, daß man sie nicht verderben könnte. Wohlan, ^er oder ich^. ^Nein, er, er allein!^« Der Eintritt seiner Ehefrau störte den Gestrengen aus seinem Gedankengange auf. »Du scheinst ganz darauf zu vergessen, daß du heute in der Weinstube erwartet wirst,« sprach sie milden Tones. »Sei vernünftig, Alter, und gönne dir eine Erholung. Je länger diese leidigen Prozesse dauern, desto auffallender wird die Veränderung, die ich an dir wahrnehme.« Der Oberschultheiß sah verwundert auf. »Du staunst?« fuhr die geschwätzige Alte fort. »Ja, du siehst nicht, was ich sehe, und du hast auch nicht gehört, was ich hörte.« »So, und was denn?« platzte der Ehegatte ungeduldig werdend heraus. »'s war heute nacht,« versetzte jene, etwas befangen an ihrem Rocke die Falten streichend. »Dummes Zeug! Wir waren heute nacht in unserer Schlafkammer, was kannst du da Sonderliches gehört haben?« »Ich will dir's erzählen, Alter; aber du mußt nicht unwirsch tun, versprich mir das!« »Sei ohne Sorge,« versetzte er mit einem Anfluge von Wärme in seiner Stimme. »Du lagst in deinem Bette,« erzählte die Hausfrau, »und schienst ruhig zu schlafen, indes ich mich ruhelos auf meinem Lager umherwarf. Dein Atmen war erst ruhig; dann ging es in ein ängstliches Stöhnen über, und bald begannst du wirr durcheinander zu reden. Du magst wohl schwer geträumt haben, denn was du sagtest, klang gar schrecklich.« »Und was war das?« fragte finster der Oberschultheiß entgegen. »Erst war deine Rede unverständlich, bald aber sprachst du gar vernehmlich. Was ihr nur habt, zanktest du, so laßt mich doch in Ruhe. Geht, geht, bleibt fort in eueren Gräbern, bleibt am Galgen, und ihr, die ihr zu Asche verbrannt seid, wer hat euch denn gelehrt, aus euerem Staube wieder euere Körper zu formen und mich zu quälen? Schweigt, schweigt, ich habe euch nicht gemordet, es ist nicht wahr, ich habe nur nach Recht und nach Gesetz mit euch getan!... Ob ihr auch leugnet und mit eueren hohlen Stimmen ruft, ihr seiet keine Hexen, ja es gäbe keine, ihr seid es doch. Geht hin, woher ihr gekommen seid, und lasset ab, mich so zu quälen!« Die Alte hielt einen Augenblick inne; ihr Gatte stand abgewandt von ihr mit verschränkten Armen und ließ das Haupt tief auf die Brust herabsinken. »Weiter!« »Da plötzlich strecktest du die Hände flehend aus und riefst: O nehmt mich nicht mit euch hinaus zur Richtstätte, ich kann nicht! O wie mir schaudert, laßt mich, laßt mich! -- -- Du erwachtest, und als ich dir den kalten Schweiß von deiner Stirne trocknete und dich um dein Traumbild befragte, da wandtest du dich unwirsch ab.« »'s ist wahr, ich hatte einen bösen Traum,« sprach der Gatte und trat ans Fenster, durch das eben die letzten Sonnenstrahlen grüßend in die Stube fielen. »Es war eine schlimme Nacht; allein ich halte ganz gewiß dafür, daß mir die Hexen diese Traumqual angetan haben, um mich zu schrecken und einzuschüchtern.« »Ei, du mein lieber Gott,« jammerte die Alte händeringend, »so meinst du wirklich, das sei Hexenwerk und Hexenrache gewesen?« »Ohne Zweifel,« bestätigte, die Brauen hochaufziehend, der Gestrenge. »Übrigens sei ohne Sorge, ich werde mir schon Ruhe zu verschaffen wissen. Ein tüchtig Brennen nach dem andern wird doch wohl endlich mit den Unholden ein Ende machen. Und ist Stadt und Land von diesem Höllengesindel gereinigt, dann wird man mit Stolz und Ruhm meinen Namen nennen als den eines weisen und gerechten Mannes und eines Wohltäters hiesiger Stadt. Gib mir Hut und Mantel und laß mich hinter einem Glase Wein für eine Stunde jener Sorgen vergessen, die zwar meinen Geist erdrücken müßten, wäre er nicht von seltener Stärke, die aber auch einen unvergänglichen Ruhm um meinen Namen flechten. Gott mit dir, liebes Ehegespons!« -- -- Über den Gassen und Gäßlein lag tiefes Dämmerlicht. Da und dort brannte schon vor einem Madonnenbilde in der Mauernische ein rötlich flackerndes Öllicht. Munter scherzend zogen die Gesellen, den Arbeitsschurz zurückgeschlagen, Arm in Arm durch die Straßen, ein fröhliches Lied singend oder den vor den Haustüren sitzenden Mädchen ein ehrbar neckisches Wort zum Gruße zurufend. »Bst, Martin,« stieß einer den andern an, »siehst du ihn dort den Marktplatz herunterkommen?« »Herrgott, der Oberschultheiß! Gehen wir ihm aus dem Wege!« »Warum nicht gar? Hat auch nicht mehr Recht auf der Gasse als unsereiner.« »Mir graut vor dem Menschen.« »Ja, ja, so recht liebenswürdig sieht er nicht aus!« »Und sein ewiges Hexenbrennen! Der Mensch muß ein Stück vom Teufel im Leibe haben.« Der Gestrenge ging vorüber. Die Burschen grüßten kecklich mit einem »Guten Abend, Herr!« Der Gruß ward gar ernst und würdevoll erwidert. »Möcht' auch nicht mit ihm sterben,« flüsterte der eine Geselle. »Schau nur, wie er einherschreitet, lauter Macht und Herrlichkeit! Wo ^der^ hintritt, wächst auch kein Gras mehr.« »Pfui Teufel!« sprach der erste wieder und spuckte aus. »Die Luft stinkt nach Blut und Menschenfett, seit der zweibeinige Galgen an uns vorübergegangen ist. Komm mit mir auf einen Schoppen, Kilian; der Henker vertrage den Henker mit leerem Magen!« -- In der Weinstube herrschte bereits fröhliches Leben und Treiben, als der Gestrenge dort eintrat. Der Wirt, ein dicker Mann mit einer sehr bedenklichen Weinnase, empfing seinen Gast mit vielen Bücklingen, so tief, als es eben der stattliche Bauch erlaubte. Er öffnete die Türe eines langgestreckten Kneipgemaches, das, von dem Lärme der allgemeinen Schenkstube abseits liegend, den Herren als heimische Zufluchtsstätte diente, wenn sie Sorgen vertrinken oder einer zänkischen Ehehälfte entgehen wollten. Die niedere, getäfelte Decke hing schwer über dem Gemache, die breiten Fenster waren mit altem, rundem Glaswerke eingelassen, die Mitte des Gelasses nahm ein langer Eichentisch mit gespreizten Beinen ein, um welchen die hochlehnigen, gepolsterten Stühle standen. Die aufgepflanzten zinnernen Kannen, die stillvergnügten Mienen der alten Herren und der lebendige Redefluß der Jüngeren bewiesen, daß die Würzburger auch damals schon ganz prächtig den Wein zu schätzen und zu trinken verstanden. Schmeckt doch guter Wein dreimal wohl und kommt auf einen richtigen Trunk dieses flüssigen Goldes Leib und Seele wieder zusammen! »Ehrerbietigen Gruß, Euer Gestrengen!« rief der Spittlmeister vom Dietericher Tor, ein gar gelehrter Mann mit einer allzeit frohen Lebensader, dem Eintretenden entgegen. »Laßt es Euch an meiner Seite belieben! Was wollt Ihr trinken? Frankenwein Krankenwein, Neckarwein Schleckerwein, Rheinwein fein Wein. Herrgott, am besten wäre es, es tränke einer alle drei!« »Ei, ei, macht Euch der Wein schon wild?« neckte der Oberschultheiß mit kaltem Lächeln. »I bewahre; wollte mir der Wein zu wild werden, ich schlüge ihn mit der Wasserstange. Übrigens drei Kannen für einen Mann, wie ich bin! Hei, seht nur mein Bauchfäßlein an und sagt, ob nicht Wein genug Platz hat.« »Und der Kopf?« fragte der Gestrenge, mit voller Würde an seiner Kanne nippend. »Der Kopf? sagt Ihr. Seht, der arme Schädel sitzt den ganzen Tag über den Büchern und brütet Weisheit, daß es ganz erstaunlich ist. Will es aber Abend werden, so geht mir richtig immer das Öl in der Hirnlampe aus, und gösse ich nicht Wein auf, weiß Gott, ich würde trotz all meiner Weisheit in einem Jahre wieder so dumm, als ich war, da mir meine selige Mutter zum dritten Geburtstage Schläge gab, weil ich ihre liebste Katze halbtot geschunden habe. Herr, der Wein ist an sich selber gut; trinkt ihn aber ein Mensch ziemlich und mit Maß, so schärft er den Verstand. So ist's! Komm, alter Junge,« rief er in seliger Weinlaune, »komm und sag' mir was ins Ohr!« Dabei setzte er die Kanne an den Mund, trank, stieß sie auf den Tisch und sprach: »Der Wein allein schon beweist, daß es einen Herrgott im Himmel geben muß.« Der Oberschultheiß konnte sich eines leichten Lächelns nicht erwehren, als er diese Rede seines Nachbars hörte. »Ihr seid ein glücklicher Mann,« sprach er, bedächtig mit dem Zeigefinger an seiner Kanne auf- und abfahrend. »Freilich, Ihr wißt kaum, was Sorgen heißen; aber ich kann davon erzählen.« »Ja, ja, Euere Hexen, nicht wahr, lassen Euch nicht ruhig schlafen,« neckte der Spittlmeister. Der Gestrenge sah ihn mit einem Blicke voll Erstaunen an. »Was wißt Ihr?« fuhr er seinen Nachbar an. Dem aber lachte der Schelm aus den Augen. »Ei, ich weiß alles,« versetzte der Spittlmeister. »Wenn Ihr den ganzen Tag hinter Eueren Blutakten gesessen seid und kommt nach Hause, so schleichen Euch ein Dutzend Hexlein nach; und legt Ihr Euch zu Bette und vermeint schlafen zu können, so kommen sie über Euch im Traume und quälen Euch zum Lohn dafür, daß Ihr mit ihnen so unbarmherzig verfahret.« Des Oberschultheißen Augen ruhten stechend auf dem Spittlmeister. »Hört,« sprach er, »Euere Rede ist vermessen oder verdächtig.« »Am Ende haltet Ihr mich auch für einen Hexenmeister,« spottete der Spielmeister. »Weiß Gott, man dürfte schier ein Hexenmeister sein, um in diesen Zeiten noch den frohen Sinn aus all dem Elende zu retten, das uns umgibt!« »Hm,« knurrte der Gestrenge. »Heutzutage kann man von keinem Menschen wissen, wer und was er ist. Denkt an Edeltraut und Elsa; haben diese nicht für die tugendhaftesten Jungfrauen unserer Stadt gegolten und haben sich dennoch als ganz gefährliche Hexen entpuppt?« Der Spittlmeister trommelte Sturm auf dem Tische mit seinen dicken Fingern. Auch die übrigen Gäste wandten ihre Aufmerksamkeit immer mehr dem Gespräche der beiden zu, um so mehr, als die Hexenbrände das ganze Interesse der Bewohner Würzburgs in Anspruch nahmen. Am Ende der Tafel saß ein großer, feister Mann. Das rötliche, kurzgeschnittene Haupthaar war schon stark mit Grau untermischt; unter der gebogenen Nase hing, den Mund verdeckend, ein gewaltiger Schnurrbart, den der Alte beständig zwischen den Fingern drehte. Eine schlecht verharschte Narbe zog sich vom rechten Ohre über den Backen nach dem Mundwinkel, die von starken Brauen beschatteten, katzenartigen Augen waren von einer durchbohrenden Kraft. Der heruntergekommene Anzug ließ den ehemaligen Feldhauptmann erraten, einen Menschen, halb Soldat, halb Bramarbas, in Summa aber ein kecker Geselle. »Alle Wetter,« schrie er mit seiner schnarrenden Baßstimme, »Herr Oberschultheiß, ich habe so etwas gehört, als wollte Euch ein Pfäfflein von den Jesuitern in Euerem Handwerk unbequem werden. Hm, nette Leute das, die Jesuiter! Was? Will Euch was sagen. Der Gescheiteste von euch zweien ist der dritte, das bin ich. Der eine glaubt zuviel an unsern Herrgott, der andere zuviel an den Teufel. Ist beides Unsinn. Ich glaube an mich und für den Augenblick an meine Kanne Wein; ist diese leer getrunken, glaube ich auch nicht mehr an sie, bis sie der Wirt wieder gefüllt hat. Das ist Lebensweisheit, und alles andere ist Narretei. Aber begierig wäre ich doch, wer von euch den andern unterkriegt, Ihr den Spee oder der Spee Euch. Ist wahrlich schade, daß ihr um des Kaisers Bart streitet, und Ihr, Gestrenger, Euere Schrift mit Blut schreibt und mit Menschenasche bestreut; Ihr solltet eigentlich das Ding mit dem Schwerte ausmachen, gäb' ein herrlich Schauen, euch im Kampfe zu sehen.« Des alten Haudegen plumpe Rede fiel wie ein grober Steinhaufen unter die Gäste. Niemand antwortete. Da räusperte sich gar behutsam eine spindeldürre, hektische Gestalt, ein Aktuarius in Ehren und in Nöten, und sprach: »Ich möchte für den Augenblick ganz davon absehen, wer in besagter Hexenfrage recht behält. Wollte ich nach den Grundsätzen wahrer Aufklärung urteilen, so müßte ich sagen, der Jesuit hat recht; allein ich halte dafür, daß ein Jesuit auch dann, wenn er das Rechte will, es nie aus guter Absicht will, und daß man allzeit am besten tut, nein zu sagen, sooft ein Jesuit ja sagt. O,« rief er und legte gar gelehrt den Zeigefinger an die Nase, »o, ich sage, man sollte lieber die Hexen sein lassen und auf Vertreibung der Jesuiter hinarbeiten. Haben wir sie gebraucht und gerufen? Nein! Wir haben genug an den anderen Mönchen in unserer Stadt. Und was nützen sie? Kaum hatten sie sich ihr Nest warm gerichtet, waren sie auch schon die Herren von ganz Würzburg. Ich rede gar nicht davon, daß sie das Frauenvolk ganz in ihrer Gewalt haben, aber denken die Herren an unsere Studenten, welch verschrobene, andächtige Köpfe aus ihnen gebildet werden! Und die Wissenschaft? Es ist geradezu zum Lachen, was die frommen Jesuiter unter Wissenschaft verstehen, und wieviel sie davon gnädigst zu naschen gestatten. Sie sind wahre Schergen aller freien Forschung. Mit ihrem thomistischen _Distinguo, nego, concedo_ ersticken sie den letzten Funken selbständigen Denkens. Freilich brauchen sie für ihre Zwecke keine Denker, sondern willenlose Maschinen, und daß sie diese sich aus unserer Jugend heranziehen, ist ebenso wahr als traurig. Darum meine ich, man sollte vor allem auf Vertreibung der Jesuiter hinarbeiten, ehe man sich mit untergeordneten Fragen befaßt.« Der junge Mann ließ seinen Blick triumphierend über die Versammelten schweifen, gleich als wollte er mit voller Genugtuung den Eindruck seiner Rede in einem in sich aufnehmen. »Herr Aktuarius,« platzte da der Spittlmeister vom Dietericher Tore heraus, »was schwatzt Ihr da für Unsinn! Hätte gemeint, wer als Student Jesuitersuppe gegessen hat, sollte nicht in die Schüssel speien, aus der er sein Futter geholt hat. Wenn die Jesuiter just aus Euch keinen hellen Kopf gemacht haben, so bedankt Euch dafür nur bei Euch selbst. So. Und was Ihr von Vertreibung der Jesuiter meint, das ist, mit Vergunst, barer Blödsinn. Ihr, Herr, solltet Euch mit vernünftigerem Denken befassen und nicht daherschwatzen, als sei Euch ein Rad im Hirnkasten gebrochen.« »Haut ihn nur gleich in die Pfanne,« rief der Feldhauptmann. »Was ist's, wenn der Aktuarius die schwarzen Raben nicht mag? Mag sie auch nicht leiden, und wäre es mir just ganz lieb und angenehm, so sie aus Stadt und Land davonflögen.« »Wenigstens einzelne,« ergänzte der Oberschultheiß. »Wenn so zum Beispiele der Pater Spee auf die eine oder andere Weise veranlaßt werden könnte, unsere Stadt zu verlassen, und zwar recht bald, so wäre das ein gar großer Gewinn für uns.« »Das sehe ich nicht ein,« stritt der Spittlmeister entgegen. »Der Spee ist gerade ein rechter Segen für unsere Stadt. Alle Achtung vor den andern Priestern, aber nennt mir einen, der mit solch rastloser Aufopferung sich der Armen und Kranken annimmt, der so eifrig im Beichtstuhle und auf der Kanzel ist wie unser Spee? Der Mann ist aus reiner Gottesliebe zusammengesetzt, und ich kann gar nicht begreifen, warum gerade der Spee aus Würzburg fort sollte. Oder ist er Euch, Gestrenger, vielleicht unbequem, weil er nicht so dick an Hexen glaubt als Ihr? Ja, ja, in dem Punkte mag er Euch ein wenig im Lichte stehen; ist aber wahrlich kein geringes Verdienst von dem jungen Priester, der Wahrheit auch dann Zeugnis zu geben, wenn man allein gegen viele steht. Übrigens halte auch ich es in der Hexensache mit dem Spee. Ich weiß nicht, hat der edle Mann mehr Verstand oder mehr Liebe, aber Weisheit und Wahrheit ist es, was er gegen das Hexenwüten sagt. Ja, gestrenger Herr, wenn der Spee nicht wäre, Ihr brenntet uns zuletzt noch Stadt und Land aus.« Der Oberschultheiß schoß Blitze auf den Sprechenden. »Hätte nimmer geglaubt,« höhnte er, »daß ein reifer Mann so Ungereimtes reden kann. Es mag Euch um des genossenen Weines willen nicht zu hoch angerechnet sein, was Ihr gesprochen. Doch warne ich Euch in Freundschaft vor dem Pater Spee und vor dessen Verteidigung.« Das war dem Spittlmeister nun zu viel. Voll Zornes fuhr er von seinem Platze auf und maß den Gestrengen mit stolzem Auge. »Ihr, Herr, vergesset, wer ich bin, und daß Ihr gar kein Recht besitzt, hier guten Rat auszuteilen. Behaltet den für Euch, sonst müßte ich Euch zum Danke auch einen Rat erteilen, der Euch aber weniger zur Ehre gereichte als mir der Euere. Ich habe Euch wohl durchschaut; glaubt mir, was Ihr vermögt, vermag ein anderer auch noch. Und da Ihr Euch einen besonderen Zorn und Grimm auf Pater Spee einbildet, so wisset, daß mit nächstem Morgengrauen mein Weg mich zu dem Jesuiter führt, um ihn zu warnen, und dann zum Fürstbischofe, um auch mit ihm ein ehrliches Wort zu reden.« Ohne Abschiedsgruß schied der brave Mann aus der Schenkstube. Fest, wie sein Sinn, war auch sein Schritt, und so hochauf auch seine Seele flammte, in seinem Wesen blieb er ruhig und gemessen. »Wollt Ihr mich begleiten, Herr Aktuarius?« fragte der Oberschultheiß, seinen Mantel umhängend. »Es soll mir hohe Ehre sein,« antwortete dieser und öffnete dem Gestrengen die Türe. Und draußen sann über der vieltürmigen Stadt des Himmels nächtige Sternenpracht, wie eine Mutter an der Wiege eines schlummernden Kindes sinnen und Liebesträume denken mag. All die ungezählten flimmernden Lichtäuglein waren wie Gottesgrüße, die zur Erde niederschauten, ein so unendliches _Sursum corda_ für reine Herzen! Zwischen den Türmen des Domes brannte in mildem Silberfeuer des Mondes Sichel, ein Wächter überm Heiligtume, ein Lichtkuß vom Himmel auf die Wohnung des eucharistischen Gottes. Im Schatten einer Kirche standen zwei Männer in flüsterndem Gespräche. Der Nachtwächter hatte sie angetreten und zum Nachhausegehen ermahnt. »Schert Euch zum Teufel!« war die kurze Antwort, die er erhielt. Ein Oberschultheiß durfte schon sagen, was in eines einfachen Bürgers Mund sehr verbrecherisch geklungen hätte. »-- Warum nicht?« fuhr der Aktuarius flüsternd im Zwiegespräche weiter. »Man muß eben nicht so engherzig sein und Beweise verlangen, wo einfache Verleumdungen denselben Dienst tun. Man hängt dem Manne etwas Ergiebiges an, hundert gegen eins, er geht, d. h. seine Obern versetzen ihn.« »Ganz gut,« entgegnete der Oberschultheiß mit teilweiser Befriedigung; »aber was hängt man dem Pater Spee an? Ich gestehe aufrichtig, daß, so sehr ich diesen Mann hasse, ich doch keinen wunden Fleck an ihm finde, an dem sich -- 's ist ein elendes Wort -- an dem sich die Verleumdung kristallisieren könnte.« »Ist auch nicht notwendig,« gab der an Leib und Seele Fadenscheinige zurück. »Wir brauchen dem Jesuiten gar nichts Arges nachzusagen; man würde uns seinem heiligmäßigen Wandel gegenüber auch gar nicht Glauben schenken, wollten wir ihm eine Weltsünde anlügen. Wir sagen einfach, der Pater ist gut, der Pater ist fromm, der Pater ist sehr barmherzig, aber --« »Nun, aber -- ich brenne vor Neugierde.« »Aber er hat nicht den rechten Glauben.« »Mit Vergunst, Ihr seid ein Esel!« rief der Gestrenge. »Bitte sehr,« erwiderte der Aktuarius, »Euer Gnaden belieben mir unrecht zu tun. Man beweist dem Volke, der Pater glaubt nicht an Hexen, alle Welt aber glaubt daran -- _ergo_ --« »Hm, das Ding klingt besser, als ich gemeint hatte. Und glaubt Ihr, mit Euerer Sache durchzudringen?« »Ja. Das Volk ist dumm gemacht durch all die Hexenhetze. In diesem Zustande bringt man ihm alles bei. Es glaubt alles, was nicht vernünftig ist.« Der Oberschultheiß biß sich auf die Lippen. »Aber der Fürstbischof?« Der Aktuar lächelte und blies über seine flache Hand. »Meint Ihr?« fragte der Gestrenge. »Ich meine nicht. Ich weiß.« »Gut.« »Noch eines! Belieben Euer Gestrengen noch etwas Silber an die Sache zu gießen, damit sie einen besseren Klang und Glanz bekomme!« Der Oberschultheiß räusperte sich sehr unzufrieden. »Hm, ich kann nicht recht einsehen, wozu das Silber notwendig ist. Mein Kampf gegen den Pater ist ein rein geistiger.« »Soll ich die Menge bearbeiten, so muß ich sie in den Schenkstuben aufsuchen. Hinter dem Arbeitstische ist der Mensch zu nüchtern und vernünftig. Erst wenn ein Zug über Durst getan ist, findet auch die Dummheit den Schlüssel zum Gehirne.« »Nun ja, zugestanden. Also geht fleißig in die Schenken.« Der Aktuar konnte nur mit Mühe seiner Ungeduld Meister werden. »Herr,« sprach er, »ich weiß nicht, ob Ihr auch schon das Brot eines Aktuars gehungert habt. Wenn nicht, so glaubt mir freundlichst, wenn ich Euch sage, daß unter den Groschen, die ich erschwitzen muß, kein Weingroschen sich befindet.« »So? Kommt morgen zu mir. Aber ich ersuche Euch, hetzt, was Ihr könnt, die Zeit drängt.« Die beiden schieden mit stummem Gruße. Der Oberschultheiß ging nachdenklich seines Weges, der ihn am Kloster der Jesuiter vorüberführte. Dort angelangt, blieb er mit verschränkten Armen stehen. »Da wohnen sie und ruhen sie; ruhen gewiß sanfter, als ich je ruhen werde. Diese Jesuiter sind ein Rätsel, das ich nicht zu lösen vermag. Man kann sie in einem Atemzuge hassen und beneiden. Sehe ich einen von ihnen, so komme ich mir vor wie ein schwankendes Schilfrohr neben einer Eiche. Sind denn diese Menschen ohne Leidenschaften geboren, daß sie so ruhigen, sicheren Fußes über die Erde und durch das Leben gehen? Oder ist diese Seelenkraft eine errungene? Weiß Gott, da stünde ich lächerlich klein neben einem Jesuiter da! -- -- Ich kann sie hassen, aber ich muß sie auch achten; und stünde mir der Pater nicht unausgesetzt im Wege, ihn achtete ich am meisten. Warum kämpft er auch gegen mich, oder besser gesagt, gegen meine Stellung und Amtstätigkeit? Er oder ich! Ich kann, ich will nicht zurück.« Mit hastigen Schritten ging er seiner Wohnung zu. War es der Wein oder die Aufregung oder der Rest von Gewissen, was ihn so unruhig machte? In seiner Stube angekommen, zündete er ein Licht an und trat an seinen Schreibtisch. »Spittlmeister,« sprach er, »wie konntest du wissen, daß mich die Hexen im Schlafe quälen? Alter, Alter, wir werden doch vielleicht noch guten Rat miteinander tauschen, vielleicht auch schlechten.« Er setzte sich und schrieb. »Der Spittlmeister am Dieterichertor ist angesichts dieses wegen dringenden Verdachtes der Gemeinschaft mit Hexen und Zauberern zu verhaften und in den Schneidturm abzuführen.« Ein Diener trug den verhängnisvollen Zettel nach der Wachstube -- in einer Stunde lag der Spittlmeister unter dem Dache des Schneidturmes. Der Mond trat hinter aufsteigendes Gewölke und ein Stern nach dem andern löschte sein Licht aus. Der Morgen dämmerte trüb und träge aus dem Osten herauf. 13. Kapitel: »Priester im Bunde des Satans« Die Aufregung in der Stadt wuchs von Tag zu Tag. Die gefängliche Einziehung des Spittlmeisters am Dietericher Tor beschäftigte die Würzburger aufs lebhafteste. Jedermann war dem hochgelehrten, treuherzigen Herrn aufrichtig gewogen, jedermann dachte sich ihn ohne Fehl und Arg, und besonders die Kinder vermißten ihren lieben Freund sehr schmerzlich. »Da haben sie just den Rechten eingefangen,« meinte ein Alter, der unter einer Gruppe von Männern und Frauen vor dem Hauptportale des Domes stand, wo sie eben die Frühmesse gehört hatten. »So, und warum?« fragte ein anderer heftig entgegen. »Will euch was sagen. Wir haben ein wahres Schandregiment in der Stadt; Gauner, Spitzbuben, fahrendes Gesindel lauft lustig in unseren Gassen umher und treibt, was ihm gefällt; die besten Männer dagegen reißt man des Nachts aus ihren Betten und wirft sie in den Kerker! Ist das nicht eine Schmach? Und es wird nicht besser, bis nicht wir Bürger der Stadt fest zusammentreten und zum Fürstbischofe gehen und ihm sagen: Gnädigster Herr, wir Bürger möchten ein anderes Regiment.« »Und doch sage ich,« wiederholte der erste, »sie haben am Spittlmeister den Rechten eingefangen. Seht, da glotzt ihr mich an und streckt die Hälse und versteht mich nicht. Ich sage euch, der Spittlmeister mit seinem scharfen Verstande und mit seiner gewaltigen Rede wird den Herren beim Malefizgerichte ein solches Licht aufstecken, daß ihnen die Augen aufgehen.« »Glaub's nicht; denen geht nicht Herz noch Auge und Verstand auf. Die sind hartgesotten wie wahre Teufel, und solange der Fürstbischof nicht unter die ganze Rotte fährt und sie auseinanderfegt, geht kein Ende mit dem Einfangen und Hinrichten her. Herrgott, ist es jetzt doch schon schier, als sollte unsere Stadt zum Grabe werden! Nirgend mehr Lust und froher Sang, überall finstere, traurige Gesichter; und die Geschäfte erst; alle liegen sie danieder, der Henker ist der einzige, der jetzt guten Verdienst hat, Kreuzsternbombenelement -- --« »Ob du ruhig bist,« herrschte ihn seine Alte an und legte ihm die knochige Hand auf den Mund. »Ich will dir als ehrsamer Bürger fluchen!« »Frau, halte dein Maul,« gab der zurück und stieß die Hand weg; »du verstehst das gar nicht. Gegen einen richtigen Zorn hilft oft gar nichts als ein tüchtig Scheltwort.« »Das sagen alle Fuhrknechte und Soldaten,« zürnte die Alte vorwurfsvoll. Der Aktuarius trat fast demütig grüßend zu den Plaudernden. Er trug ein gewaltiges Aktenbündel unter dem Arme und legte sein langes, hageres Gesicht in gar bedenkliche Miene. »Besten guten Morgen!« sprach er, nach allen Seiten grüßend. »Schon andächtig gewesen? Schön, schön! Ernste Zeiten jetzt; es tut Gebet wirklich not. Jawohl! Ist nur das Traurigste, daß auch unsere Priester zu wanken beginnen. Und was soll aus dem armen Volke werden, wenn die Geistlichkeit aufhört, dessen Stütze und Richtschnur zu sein?« »Was könnt Ihr über unsere Priester klagen?« murrte der Alte unzufrieden. Der Aktuarius deutete mit seinen Spinnenfingern nach den Aktenstücken, die er unter seinem Arme hielt. »Heute wird man mit dem Chorherrn Nikodemus Hirsch und dem Vikarius Christophorus Barger ins Gericht gehen. Ich sage Euch, das sind ganz schreckliche Zauberer. Und stünden sie allein! Aber man hat bereits an vierzig Priester im Verdachte, daß sie's mit dem Teufel haben.« Er ließ den Kopf gar wehmutsvoll auf die flache Brust herabsinken, seufzte tief auf und wischte sich über die halbgeschlossenen Augen. »Das glaub' ich nicht,« schmähte eine Frau, »und wenn es auch klügere und größere Herren sagten, als Ihr seid. Habt Ihr nicht genug daran, daß Ihr die halbe Stadt bereits um Ehre und guten Namen gebracht habt, wollt Ihr nun auch unsere Priester schlecht machen?« »Euer Unwille ehrt Euch, beste Frau,« sprach der Aktuarius und verdrehte die Augen. »Ihr habt vollständig recht, daß, wenn alles zu Trümmern geht, wenigstens unsere Priester als Wächter des Glaubens unerschütterlich feststehen sollten; wir haben ein heiliges Recht, dies von ihnen zu fordern; allein dies schließt weiter die Möglichkeit nicht aus, daß auch das Salz der Erde schal wird. Spricht man doch von einem Priester, der sich die Hochachtung aller, die ihn kennen, zu erwerben verstand, daß auch seine Rechtgläubigkeit angefangen hat, verdächtig zu werden.« »So. Und wer wäre dieser Priester?« fragte gereizt ein Bürger. »Ein Jesuit ist es,« antwortete der Aktuarius und rieb sich die Hände. »Was nicht gar?« lachte der andere; »wollt Ihr uns nicht am Ende vormachen, der Pater wolle lutherisch werden?« Der Aktuar sah mit stolzer Überlegenheit seinen Gegner an. »Was würdet Ihr sagen,« begann er, seiner Stimme einen besonderen Nachdruck verleihend, »wenn ein katholischer Priester, ein Ordensmann, behaupten würde, es gäbe keinen Teufel?« Er hielt einen Augenblick inne und blickte forschenden Auges auf seine Zuhörer. »Bedenkt,« fuhr er sehr gelehrt fort, »bedenkt, daß, wer den Teufel leugnet, notwendig -- wir Gelehrte sagen logisch -- auch unseren Herrgott leugnen muß. Und ist einer einmal dahin gekommen, so bricht aller Glaube zusammen.« »Ja, ja,« meinte ein alter Bürger, »soweit habt Ihr ganz recht. Es muß einer alles glauben; Stückwerk führt zum Unglauben. So etwas versteht auch ein einfacher Handwerkerverstand. Aber wer ist denn der Jesuit, von dem Ihr da redet?« »Das ist der Pater Spee!« entgegnete der Aktuarius. »Oho, Ihr beliebt mit uns zu scherzen, Herr! Wenn Ihr uns doch ein Märchen aufbinden wolltet, hättet Ihr wenigstens den Spee weglassen sollen; der paßt nun einmal gar nicht hinein.« »Und doch ist es so, wie ich gesagt habe,« gab mit kaltem Stolze der Aktuar zurück. »Ihr sagt, was ihr wollt und wünschet, ich, was ich ^weiß^.« Dabei deutete er sehr wichtig tuend auf sein Bündel Akten. »Es ist bereits so weit, daß sich das Gericht mit dem Pater Spee befassen muß, und es wird am besten sein, wenn man den Pater veranlaßt, Würzburg, je eher je lieber, zu verlassen. Er muß fort,« fuhr er leidenschaftlich werdend weiter, »er ist an all dem Elende schuld, das über unsere Stadt gekommen ist. Der Fürstbischof hat ihm nicht umsonst seine Gnade entzogen; -- ein höchst gefährlicher Mann -- betet, daß uns Gott von ihm erlöse!« Leicht grüßend ging er seines Weges weiter und berechnete die Ernte, welche wohl aus dieser Aussaat aufgehen könnte. Und diese war nicht auf ganz unfruchtbaren Boden gefallen. Die Bürgersleute standen gar nachdenklich beieinander, und jeder wog die Zweifel ab, die seine Seele bewegten. Der Pater Spee war ihnen bisher eine höchst ehrwürdige Erscheinung gewesen, der sie mit allem Vertrauen entgegenkamen; eine einzige Rede genügte, um über den Mann einen trüben Schein zu breiten und Zweifel an seiner Ehrenhaftigkeit zu wecken. »Hätte es mein Lebtag nicht gedacht,« sprach der eine kopfschüttelnd, »daß sogar ein Pater Spee im Glauben verdächtig sein könnte! Hm, was man nicht alles erleben kann.« »'s ist doch ein wahrer Trost,« meinte ein zweiter, »daß unsere Herren am Gerichte noch auf Strenggläubigkeit halten; um dessentwillen kann man ihnen wieder gar viel verzeihen.« »Ich glaube es noch nicht ganz fest,« keifte eine Alte, »daß der Spee nicht ganz rechtgläubig ist. Aber ich mag ihn doch nicht mehr recht leiden. Er täte wohl am besten, er ginge fort aus Würzburg. Mit dem Respekt ist es doch zu Ende. Du mein Gott, wenn wir Bürgersfrauen nicht zum rechten Glauben stünden, es wäre zuletzt um unseren Herrgott geschehen. Die richtigen Frommen sind doch immer wir Frauen der Stadt.« Der Aktuar rieb sich sehr vergnügt die Hände, als er durch die kleinen Scheiblein des Malefizsaales auf die Straße heruntersah. Hatte er doch mit der Lösung seines Versprechens, gegen Spee zu arbeiten, wie er hoffen durfte, mit gutem Erfolge begonnen, und wußte er doch, daß das Volk seiner Zeit nicht weniger wankelmütig sei, als jenes war, das aus einer Kehle »Hosanna« und »Kreuzige« rief. Der Henker trat in den Saal und ordnete an seinen Marterwerkzeugen herum. Er tat dies mit jener vollen Seelenruhe und Gleichgültigkeit, als wären es Äpfel, die er auf ihren Platz legte. »Guten Morgen, Herr Aktuarius!« grüßte er. »Die Gestrengen gehen heute frühe ans Tagewerk. Wie ich gehört habe, kommen diesen Morgen die zwei Priester an die Reihe, die im Schneidturme gefangen sitzen.« »Ganz richtig,« bestätigte mit Amtsmiene der Aktuar; »die zwei Priester und der Student.« »Das junge Studentenblut könnte mir fast leidtun,« meinte der Henker, die Folterbank prüfend. Der Aktuar zuckte mit den Achseln. »Mir tut kein Mensch leid, der in unsere Hände fällt.« Der Henker lachte grinsend. »Hätte es mein Lebtag nicht gemeint, daß ich so vornehme Kundschaft bekäme. Da seht mal den prächtigen Daumenschrauben! Ob der nicht ein ganz kostbares Handwerkszeug ist! Und all die anderen schönen Sächlein! Es ist eine wahre Lust, die eisernen und spitzigen Dinger zu sehen.« Vom Dome her schlug die Glocke die achte Morgenstunde. Der Henker zog sich zurück, der Aktuarius begab sich an seinen Tisch, und alsbald trat der Gestrenge, begleitet von seinen Räten, in den Saal. Sein Blick begegnete fragend dem des Aktuars, der mit leichtem, bejahendem Kopfnicken antwortete. »Die Delinquenten!« befahl der Oberschultheiß. Nikodemus Hirsch, der Chorherr im neuen Münster, und Christophorus Barger, Vikarius an derselben Kirche, wurden den Richtern vorgeführt. »Ihr Herren seid angeklagt,« begann der Gestrenge, »mit dem Teufel im Bunde zu stehen. Die alte Ammfrau Bernin hat, peinlich gefragt, über euch ausgesagt, ihr hättet nicht wenige Kinder getauft: Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, ganz besonders im Namen des Teufels. Die armen Kinder seien dadurch der Macht und Gewalt des bösen Feindes anheimgefallen und somit das schändliche Übel der Zauberei und des Hexenunwesens gerade durch euch in besonderem Grade gefördert und gestärkt worden. Was sagt ihr nun zu solcher Anklage?« »Daß sie falsch ist.« »Ich habe diese Antwort erwartet,« entgegnete der Oberschultheiß mit Geringschätzung, »obwohl es Priestern besser anstünde, die Wahrheit zu sagen, als zu lügen. Freilich,« setzte er mit schneidendem Hohne bei, »wer mit dem Teufel in Geschäftsverbindung steht, pflegt sein Gewissen auf keine Goldwage zu legen.« »Herr,« sprach der Chorherr mit einer vor Entrüstung bebenden Stimme, »was gibt Euch ein Recht, in solcher Weise mit Priestern zu sprechen? Ihr scheint zu verdammen, ehe Ihr gerichtet habt, Ihr sprechet mit voller Gewißheit von dem, was Ihr nicht wißt, noch wissen könnt. Fürwahr, die Flut der Schmach steigt hoch, wenn sie selbst das Priestertum in ihre schmutzigen Wellen hinabzieht, und mit der Schmach steigt auch das Elend, das erdrückend auf uns lastet. Mich decken graue Haare, und lange Zeit ist's her, daß mir der Bischof weihend seine Hände auf den Scheitel legte. Was er mir dort als heilige Pflicht auf meine Seele band, und was ich Gott mit vollem Herzen geschworen, habe ich durch vierzig volle Jahre treu gehalten. Ich bin nicht frei von Sünde, auch meine Seele glitt zuweilen einen Augenblick, denn der Gerechte selbst bleibt nicht frei von jedem Fehl; doch daß ich meinen Eid durch böse Tat verleugnet, daß ich die Treue, die ich Gott gelobt, dem Teufel zugewendet hätte, daß ich das hohe Amt, die pflichtenschwere Würde, die mir Gott gegeben, im Dienste des Satans führte, daß ich die armen Kleinen, die man zur Entsühnung von ererbter Schuld mir gebracht, daß ich der Taufe heiligen Quell auf sie ergösse und sie zu Kindern Gottes machte -- statt meiner Pflicht zu walten, dem Teufel weihte: das, Herr, ist ein Wort, so unsagbar abscheulich, daß es nur in der Hölle tiefster Tiefe seine Heimat hat. Und wie für mich, so spreche ich auch mit gleichem Mute, weil mit gleichem Rechte, für die Unschuld meines Freundes, der hier vor euch als Angeklagter steht. Sein Leben liegt gleich einem offenen Buche vor meinen Augen, und was in seiner Seele sich an Sturm und Sonnenschein gefunden hat, wir lebten es gemeinsam: kein Geheimnis liegt fremd zwischen uns, ja selbst der Zweifel, der des einen Geist bewegte, ward in des andern Seele übertragen, daß er dort seine Lösung finde. Ich schwöre es für mich und ihn bei Gottes heiligem Namen und bei unserer Seelen Seligkeit, daß wir keinen Teil an dem Verbrechen haben, dessen man uns zeiht.« »Und wenn ich Euch nicht glaube?« fragte der Oberschultheiß mit einer Stimme, in der auch nicht eine Spur von Gefühl lag. »Wer kann Euch dazu zwingen, wenn nicht die Ehre und die Pflicht?« rief Barger mit jugendlichem Feuer. »Wir haben nichts, das wir Euerer Anklage entgegensetzen könnten, als unser Wort und unser reines Gewissen. Das Wort mögt Ihr verachten, dazu habt Ihr Gewalt und einen Schein von Recht. Doch wenn Ihr wagt, mit Euerer Henkershand auch des Gewissens Heiligtum anzutasten, dann wehe Euch! Den Leib mögt Ihr töten, Ihr tragt das Schwert; doch dem Gewissen sprecht nicht Hohn, Ihr schändet sonst den Staat, den Ihr vertretet, die Macht, die Euch verliehen ist!« »Denkt an die Folter!« mahnte abgewandten Angesichts der Richter. Der alte Chorherr ließ sein Auge auf den Marterwerkzeugen, die ihm zur Seite lagen, ruhen. »Die Folter,« sprach er, »ist menschlicher Verirrung ärgste Ausgeburt. Seit die Folter in das Buch der richterlichen Weisheit eingeschrieben ist, seit jener Zeit spricht man von Zauberern und Hexen, und jenes Marterwerkzeug, mit dem Ihr einen selbstgeschaffenen Feind besiegen zu können hofft, ist eben jenes Feindes Ursprung. Seid ehrlich, schafft die Folter ab, und Euer Hexenwahn zerfällt in nichts. Es ist ein tiefbeschämendes Schauen, wenn man die Menschheit nach so langem Ringen, ja wenn man die, die unterm Kreuzesschatten stehen, bei dem Wahnwitz einer Folterbank stillstehen sieht, als habe sie damit der Wahrheit und dem Rechte, der Menschenwürde und Gerechtigkeit den sichern Thron erbaut. Ihr Toren, die ihr glaubt, der Satan habe ungehinderte Gewalt über Gottes schönstes Werk, den Menschen; ihr Frevler ohne Glauben, die ihr meint, ein Teil der Menschheit stünde gegen den andern mit dem bösen Geist im Bunde; ihr, die ihr mit euerer Blindheit Gott vom Throne stoßet, ihm das Zepter seiner Macht entreißet und den Teufel damit schmücket; ihr, die ihr keine Ahnung davon habt, wie weit die Gottesmacht steht über Teufelsmacht; ihr, die ihr Hexen schafft, um sie zu töten -- geht aus der Welt mit eueren Marterwerkzeugen, nehmt euer peinliches Gesetz und Recht mit euch, und holder Friede kehrt wieder und all der Wahn von Hexentum und Teufelsherrschaft bricht in sich zusammen. Wohlan, mögt ihr vor Gott am Jüngsten Tag so leicht bestehen ob euerer Richtermacht, die ihr jetzt übt, wie hier mein Freund und ich vor Gott bestehen werden vor dem Ewigen der Kinder wegen, die wir in Gottes Namen tauften, und an denen der Satan keinen Teil hat! Ja, wenn die Welt das wäre, was euer Wahnsinn aus ihr macht, wenn selbst der Priester das Sakrament der Entsündigung zum Teufelsdienst mißbrauchte, dann möchte ich selbst vom Himmel Feuer erbeten, daß es die Welt verzehre. Ihr Herren habt noch viel mehr Schiffbruch am Glauben gelitten, als die, welche ihr mit stolzem Sinn und kaltem Herzen auf euere Scheiterhaufen werft. Fangt wieder an, Gott zu erkennen und seiner Macht wie seiner Liebe unbegrenzte Allgewalt, verweist den Teufel dorthin, wohin sein Fluch ihn bindet, in die Hölle, glaubt wieder, was die Kirche lehrt, und nicht, was euch -- verzeiht das Wort, es ist das einzig wahre -- was euch die Dummheit in die Seele predigt.« »Ihr seid verstockt; so mögt ihr mit der Folter euch abfinden!« sprach finster der Gestrenge. »Nein,« entgegnete mit Würde der Chorherr, »nein, Ihr sollt nicht zu der Schmach, die schwer genug schon auf Euch lastet, auch die noch fügen, daß Ihr an den Gesalbten des Herrn Euch vergreift. Wir würden auf der Folter Euch dasselbe sagen, was Ihr als Schwur aus unserem Munde gehört, das Zeugnis unserer Unschuld. Glaubt Ihr dem ^Schwure des Priesters^ nicht, so fügt Euch selbst nicht jene Schmach zu, daß Ihr der ^Folter^ glaubtet. Könnt Ihr nach dem, was Ihr Gesetze nennt -- die Nachwelt wird es als rohe Macht bezeichnen -- uns nicht der Freiheit und der Ehre wiedergeben, so laßt uns heute noch sterben. Doch ladet nicht auf Euch den Fluch, die Hand an die Gesalbten Gottes gelegt zu haben. Laßt die Folter!« »Ihr beharret also fest darauf, daß ihr ohne Schuld seid?« »Ja!« »Und seid bereit zu sterben?« »Jeden Augenblick!« »Auch ohne den gewohnten Gang des Rechtes?« »Wo es kein Recht gibt, läßt sich leicht darauf verzichten, des Unrechts Stufengang an sich zu erproben.« Der Gestrenge sah lange Zeit in tiefem Ernste vor sich nieder. Es lag wie Bitterkeit, wie tiefste Scham auf seinem Antlitze. Aber bald erstarrte jeder Zug zur alten Härte, das graue, stechende Auge blickte mit ungeschwächter, kalter Ruhe nach den Priestern, und ohne Beben sprach der Mund das Urteil. »Macht euch mit euerem Gott fertig! Der nächste Morgen ist der Abend eueres Lebens.« Einen Augenblick standen die beiden Priester wie gebannt; dann aber breiteten sie die Arme und umfingen sich. Der Henker trat herzu, legte seine Hände auf ihre Schultern -- sie waren ihm verfallen! Nach einer kleinen Pause ward auch der Student, den man bereits zu wiederholten Malen dem peinlichen Verhöre unterzogen hatte, vorgerufen. Aus dem frischen, lebensvollen Jünglinge war ein wankender Greis geworden; durchlebt man doch im Kerker in einer Stunde Jahre! Wie immer, so blieb er auch jetzt auf dem Bekenntnisse seiner vollen Unschuld. Und als der Richter sagte, des Studenten außerordentliche Kenntnis vieler Sprachen und seine herrliche Musik seien der deutlichste Beweis seines Bündnisses mit dem Teufel, denn alles dieses sei auf unnatürliche Weise von ihm erworben, da hatte der Jüngling als Antwort nur ein wehmütig mitleidiges Lächeln. »Laßt mich sterben,« sprach er -- »laßt mich sterben gleich der Blume, die des Frühlings Pracht geahnt hat. Ob sie voll den Kelch erschlossen, ob die Sonne sie geküßt, ob der Mond ihr still gelächelt und die Sterne sie beschaut haben; oder ob sie knospend und ungekannt welkte, was liegt daran! Drüben in der wahren Heimat blüht sie neu zu schöner Pracht. Laßt mich sterben!« -- -- Der Oberschultheiß stand im Vorzimmer des Fürstbischofs. Ein Heft Akten ruhte in seiner Hand, aber diese zitterte. Ein Zug tiefen Unbehagens strahlte aus seinen Augen. Ein Page saß in einer Ecke und spielte mit dem Lieblingshunde des Fürsten. »Glaubst du wohl, daß ich noch lange warten muß?« fragte der Gestrenge den Knaben. »Kann nicht dienen, Gnädiger,« antwortete dieser, ohne übrigens sein Spiel zu unterbrechen. »Euer Gestrengen täten überhaupt besser daran, heute nicht auf einer Audienz zu bestehen, wenn es nicht unbedingt sein muß.« »Warum?« »Warum? Seine fürstlichen Gnaden geruhen heute sehr ungnädig zu sein.« »Sehr unangenehm!« »Nicht wahr? Ich finde das auch. Um Vergebung, Euer Gestrengen, sind diese Papiere in Eueren Händen Todesurteile?« »Ja.« »Hm, ich hätte mir das auch ungefragt denken können. Ich hatte noch nie die Ehre, Euer Gestrengen ohne Todesurteil zu sehen. Das gibt Euch ein ganz schauerliches Ansehen. Ich denke mir, die Leute in der Stadt müßten Euer Gestrengen so sehr fürchten, daß alles in die Häuser läuft und sich versteckt, wenn Ihr über die Straße geht.« Die Glocke des Fürstbischofs unterbrach des Pagen Gespräch. Der Oberschultheiß ward zur Audienz befohlen, und er trat mit einer tiefen Verbeugung in das Prunkgemach. »Dringende Angelegenheiten?« fragte der Fürst, an einem Marmortische stehend und den rechten Arm auf dessen Platte stützend. »Zu dienen, Durchlaucht, sehr dringende Angelegenheiten.« »Nun, und?« »Hexenangelegenheiten!« Der Fürstbischof fuhr ungeduldig auf und ging mehrere Male im Zimmer auf und ab. Sein sonst so wohlwollendes Antlitz hatte sich in tiefen Unmut gehüllt. »Immer und immer diese traurigen Hexenprozesse! Wann wird endlich einmal in dieser Sache Ruhe werden?« »Wann die letzten Hexen ausgerottet sind.« »Und wann wird das sein?« »Ich hoffe bald. Sind erst diese gefallen, deren Todesurteil nur der Bestätigung Euerer Durchsucht bedarf, so wird dem Malefizgerichte wenig mehr zu tun übrigbleiben.« »Und wenn ich nicht unterzeichne?« Der Oberschultheiß zog die Achseln in die Höhe. »Durchlaucht möchten sich wohl zuletzt doch dazu gezwungen sehen, die Urteile zu unterzeichnen.« »Gezwungen?« rief der Fürst voll Erstaunen. »Und von wem gezwungen?« »Von den Verhältnissen und von dem Volke. Gerade die Hexen und Zauberer, deren Akten ich Euerer Durchlaucht unterbreite, sind von einer so ausgeprägten Bosheit, daß jede Stunde Verzug neue Gefahr bringt.« »Aber Spee sagt, alle jene, die in Euerem Kerker liegen, seien keine Hexen.« »Durchlaucht, der Jesuit führt mit seiner irrigen Meinung eine solche Verwirrung und Aufregung der Gemüter herbei, daß ihm entweder Stillschweigen geboten werden muß, oder ich sehe mich gezwungen, mein Amt zu dero Füßen niederzulegen.« »Spee wird nicht schweigen; seine Seele glüht für das, was er als Recht und Wahrheit erkannt hat.« »Dann muß er aus der Stadt!« »Oberschultheiß, ich sage, was geschehen muß, und sonst niemand! Wohl verstanden!« »Zu Befehl, Durchlaucht! Nur bitte ich, mich gnädigst aller Verantwortung zu entheben, wenn das Volk in seiner Aufregung die Grenzen des Erlaubten überschreitet.« »Was meint man damit?« »Aufruhr, Durchlaucht.« Der Fürst sah nachdenklich vor sich nieder. »Ist das Wahrheit, was Er mir sagt?« »Volle Wahrheit!« »Die Akten!« befahl der Fürstbischof, trat an einen Tisch und durchlas die Berichte. Sie waren ganz im Geiste des Hexenwahns abgefaßt, jeder tolle Verdacht als Wahrheit hingestellt und Beweise von Schuld angeführt, die wahrlich nicht existierten. »Ich kann mich nicht überzeugen,« sprach Philipp Adolf. »Ich bürge für die Wahrheit,« entgegnete der Oberschultheiß. »Mit Euerem Gewissen?« »Mit meiner Seligkeit!« Der Fürstbischof schritt zum Tische; mit zitternder Hand schrieb er seinen Namen unter das Todesurteil der alten Bernin, der armen Kinder, der beiden Priester, des Studenten, der Gauner von Heidingsfeld und unter das von -- Elsa und Edeltraut. Triumphierend verließ der Oberschultheiß den Fürsten, dieser aber brach auf einem Stuhle zusammen und weinte bitterlich. 14. Kapitel: ^Blutiges Morgenrot^ Im Hofe des Schneidturmes herrschte noch am selben Abende, da der Oberschultheiß mit den Todesurteilen vom Fürstbischofe geschieden war, ein hastendes, geräuschvolles Leben. Der Henker stellte in einen Winkel einen Block zurecht, der überreiche Blutflecken an sich trug; dann brachte er aus einer Gewölbekammer zwei sargähnliche Truhen, die ebenfalls schon Spuren häufigen Gebrauches zeigten; an den Block lehnte er sein langes Richtschwert, nachdem er es zuvor noch ein paarmal prüfend in der Luft geschwungen hatte. Der alte Kerkermeister stand etwas abseits und sah den Vorbereitungen des Henkers mit trübem Auge zu. »Um neun Uhr, Alter?« rief der Henker. Der Angeredete nickte stumm mit dem zitternden Haupte und wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Morgen wird es heiß hergehen,« fuhr der Henker fort; »so viele auf einmal sind noch nie von mir zur Richtstätte geführt worden. Sind ja an die Dreißig, die verbrannt werden!« »Und alle unschuldig!« setzte der Kerkermeister mit einer vor Erregung zitternden Stimme bei. »Oho, Alter, das Heidingsfelder Gaunervolk wird doch nicht unschuldig sein!« lachte der Henker. »Insoweit sie der Zauberei angeklagt sind, sind auch sie ohne Schuld.« »Schau, Alter, das gilt mir ganz gleich. Ich frage nicht, warum, ich frage nicht, ob schuldig oder unschuldig; schenkt mir das Gericht einen Missetäter, so tue ich mein Amt, und damit Punktum!« Der Kerkermeister schüttelte den Kopf. »Mir geht das Ding tiefer zu Herzen als dir. Ich habe meinen Dienst gekündigt. Morgen gehe ich.« Der Henker blickte verwundert auf. »Du bist wohl nicht bei Trost, daß du von deinem guten Brote laufst, und gar jetzt noch in deinen alten Tagen.« »Gutes Brot!« rief der Kerkermeister mit bitterem Lachen. »Gutes Brot, an dem das Blut der Unschuldigen klebt! Nein, lieber sterbe ich Hungers, als daß ich noch länger in diesem Schanddienste bleibe.« »Und wohin gehst du?« »Fort, weit fort aus dem würzburgischen Lande. 's ist ein Schmachland geworden!« Vom Toreingange her tönte ein Glöckchen. Pater Spee trat, die heilige Wegzehrung tragend, von einem dienenden Knaben begleitet, in den Hof. Der Kerkermeister warf einen Blick tiefen Schmerzes nach dem Jesuiten und schritt ihm dann voraus, um ihm das Gefängnis des Chorherrn und des Vikars zu öffnen. Dort waltete nun der Pater seines erhabenen Amtes und bereitete zwei Seelen zum Gange in die Ewigkeit. -- Es schlug vom Neumünster her die neunte Abendstunde, und die übrigen Glocken der Stadt fielen ein. Dann läuteten sie von allen Türmen das Ave; aber es klang heute so wehmütig und freudearm, als klagten all die Glocken tiefes Leid zum Himmel. Aus einer Türe des Turmes trat ein stillernster Zug. Voran ging der Kerkermeister, ihm folgte Spee, begleitet von dem Chorherrn Nikodemus Hirsch und dem Vikarius Christophorus Barger. Die drei Priester beteten mit lauter Stimme den Psalm _Miserere_. Ihr Antlitz war ruhig, und eine himmlische Ergebung lag darüber ausgegossen. Der Henker ließ, auf sein Schwert gestützt, den Zug an sich herankommen. Als die Priester neben dem Blocke standen, trat er an sie heran, reichte jedem die Hand und sprach: »Verzeiht dem Henker, wenn er an euch seines Amtes waltet!« »Du bist ein braver Mann,« sprach Nikodemus Hirsch, jenem die Hand drückend. »Wir scheiden in Liebe und Frieden.« Und nun knieten die Priester vor Pater Spee nieder. Ihre gefalteten Hände zitterten, die Häupter waren tief zur Erde gebeugt. Mit bebenden Lippen beteten sie nochmals das _Confiteor_. Jedes Wort des demütigen Gebetes war von Glaube und Ergebung durchglüht. Spee breitete seine Hände segnend über sie. »_Misereatur vestri omnipotens Deus_ -- -- --« Und nun erhoben sie sich. »Wir sterben unschuldig und ohne Groll im Herzen. Pater Spee, Gott möge Euere Liebe Euch vergelten! Auf Wiedersehn im Paradies!« Ein langer, heißer Kuß aufs Kreuz -- ein Blick voll Sehnsuchtsglut nach oben -- ein im Mondlicht aufblitzender Schwertstreich, und nun noch einer -- rings am Boden heißes, dampfendes Blut, und in ihm zwei Leichen! -- Der Henker legte die entseelten Körper der Priester in die Truhen. Es war das erstemal in seinem Leben, daß ihm Hand und Herz bebten und eine Träne in seinem Auge stand. Spee besprengte die Leichen mit geweihtem Wasser und betete das _De profundis_. Dann hoben zwei Knechte die Truhen auf einen Wagen, und nun ging es in langsamem, traurigem Zuge hinaus durch die Stadt nach dem Richtplatze, wo bereits ein großer Scheiterhaufen errichtet war. Auf diesen wurden die Leichen gelegt und dann das Holz angezündet. Bald züngelten die Flammen hinauf und hüllten alles in Feuer und Rauch. Blutrot sah der Mond vom nächtigen Himmel zur Erde nieder, verhängnisvoll leuchtete des Scheiterhaufens Flamme von der Anhöhe hinab in die Stadt, und alle, welche die züngelnde Lohe und den schwarzqualmenden Dampf, der wie eine dunkle Säule zum Himmel aufstieg, sahen, beteten ein stilles, schmerzliches Gebet für die Gerichteten. Und als es Mitternacht war, da erloschen die Flammen, und nur ein Häuflein Glut leuchtete noch durch die Nacht. Und als auch dieses erstarb, war es Morgen geworden -- der Morgen eines schrecklichen Tages. Der Tod der beiden Priester durchlief wie eine Schauermäre am frühen Tage die ganze Stadt. Allenthalben stieß man auf ängstlich flüsternde Gruppen und Mienen voll Trauer und Gram. Besonders aber unter der Geistlichkeit war der Schmerz ein ebenso großer als gerechter; denn die beiden hingerichteten Mitbrüder hatten als fromme und liebenswürdige Männer die Hochachtung und aufrichtige Verehrung aller genossen. Man begriff sehr wohl, daß die geheime Hinrichtung weniger eine Rücksicht auf den Stand der armen Priester, als eine Tat der Vorsicht war, da die öffentliche Enthauptung und Verbrennung von Geistlichen leicht zu schlimmen Volksauftritten, mochten sie sich nun gegen die weltliche Obrigkeit oder gar gegen den Priesterstand richten, hätte führen können. Weniger, ja gar keine Rücksichten glaubte man dagegen bei der Urteilsvollstreckung an den übrigen Gefangenen hegen zu müssen. Im Gegenteile. Der Tag und die Stunde der Massenhinrichtung ward mit Absichtlichkeit in Würzburg bekannt gemacht. Es sollte möglichst viel Volk Zeuge des schrecklichen Schauspieles sein, und zugleich sollte der Menge durch Entfaltung aller richterlichen Macht neuerdings tiefste Ehrfurcht vor dem Malefizgerichte beigebracht und der teilweise bereits wankend gewordene Glaube an Hexen und Zauberer neu bestärkt werden. Es war ein trüber Morgen, der über der Stadt brütete. Der Himmel war von fliegendem Gewölke umzogen, das sich zuletzt zu dunkeln Massen anstaute und regenschwer über Würzburg hing. Das Licht des wachsenden Tages war dämmerig, die Luft feucht und kalt, und stoßweise fegte ein brausender Westwind durch die Gassen. Die Kirchentüren standen schon am frühesten Morgen weit offen, und die heiligen Räume waren unablässig von Betenden gefüllt, welche einem frommen Gebrauche gemäß vor dem hochwürdigsten Gute für jene zu Gott flehten, welche heute dem Tode durch den Henker verfallen sollten. Immer dichtere Menschenmassen wogten nach der Gegend des Schneidturmes hin und drängten sich dort um das alte, finstere Gebäude. Kein froher Scherz, kein heiteres Lachen tönte aus der Menge heraus; allenthalben war Trauer und aufrichtiger Schmerz sichtbar, und über viele Wangen perlten Tränen, von tiefem Mitleide mit den armen Opfern geweint. Es mochte die achte Morgenstunde sein, als der Oberschultheiß, begleitet von zwei Bütteln, am Schneidturme erschien. Er hatte seine volle Amtstracht angetan und schritt mit unvergleichlichem Stolze durch die drängende Menge. »Platz gemacht!« rief er einigen Bürgern zu, die ihm den Weg versperrten. Murrend traten diese auseinander. »Der Oberhenker!« brummte ein Grobschmied. -- »Herrgott, ^der^ wenn ein Stück Eisen wäre und ich hätte ihn auf meinem Ambos!« Kein Mensch grüßte den Gestrengen. Überall, wohin er blickte, begegnete er finsteren, feindseligen Mienen. Er atmete hoch auf, als er unter den Torbogen des Schneidturmes trat und dort vom Aktuarius mit einem tiefen Bücklinge empfangen wurde. »Das Volk scheint mir eine etwas bedenkliche Haltung anzunehmen,« sprach der Oberschultheiß in leisem Tone zum Aktuarius und ließ sein Auge langsam und prüfend über die Menge gleiten. »Ah bah! sie schauen finster,« antwortete dieser verächtlich. »Das ist auch alles, wozu sich der Witz und Mut dieser Leute aufzuschwingen vermag. Lassen wir ihnen das wohlfeile und unschädliche Vergnügen!« »Und doch möchte ich die Sache ernster nehmen als Ihr. Es sind noch zwei Stunden bis zur Hinrichtung, Zeit genug, daß das Volk aus finsterem Brüten zu lauter Auflehnung übergehen könnte. Ich beauftrage Euch daher, ein wachsames Auge auf die Leute zu haben, und sobald Ihr etwas Verdächtiges bemerkt, mir sogleich Mitteilung zu machen.« Nach diesen Worten trat er in des Kerkermeisters Stube. »Sind alle Gefangenen, die ich bezeichnete, im untern Saale versammelt?« »Ja, Euer Gestrengen,« antwortete abgewandten Gesichtes der Alte. »Ihr habt uns ja den Dienst gekündet?« »Ja.« »Und warum?« »Weil ich nicht Mördern dienen will!« »Alter, ich warne Euch!« »Und ich danke Euch nicht darum.« »Aber wovon wollt Ihr in Eueren alten Tagen leben?« »Von der Schande gewiß nicht!« »Ihr seid ein mürrischer Kopf!« »Aber ehrlich, Herr!« »Vorwärts!« -- In einem niederen, mit Quadern belegten Saale waren die vorgerufenen Delinquenten versammelt. -- Nur die armen Kinder hofften, man werde sie nun endlich einmal ihren Eltern wiedergeben, die Erwachsenen ahnten nur zu sehr, warum man sie hieher berufen. Der Oberschultheiß trat ein, gefolgt vom Kerkermeister, der einen Stab trug. Er räusperte sich und las: »Auf unseres durchlauchtigsten, gnädigsten Fürsten Befehl wird zu Recht erkannt, daß sämtliche hier anwesende Kinder ohne Ausnahme, dann die Jungfrauen Elsa Gering und Edeltraut Göbel, der Studiosus Heinrich und die Ammfrau Bernin wegen Bündnisses mit dem Teufel, ferner der Zuckerwastl, der Pappenheimer, der Neunaugen und die Streunerin Helena wegen eines Mordes und dringenden Verdachtes höchst verwerflicher Zauberei und Hexengemeinschaft zu der gewöhnlichen Richtstatt geführt und allda die Kinder an der Säule durch den Nachrichter vom Leben zum Tode stranguliert, auch alsbald die Körper mit dem Feuer zu Pulver verbrannt werden, die Erwachsenen aber bei lebendigem Leibe dem Scheiterhaufen übergeben werden sollen.« Bei den letzten Worten nahm er den Stab aus des Kerkermeisters Händen, brach ihn entzwei, warf ihn den Verurteilten vor die Füße und verließ eiligst den Saal. Warum fliehst du, der du dich Wächter des Gesetzes nennst, warum fliehst du und schaust nicht den Jammer, der deinen Worten folgt? Fehlt dir der Mut, die Klagen anzuhören, die steinerweichend über Kinderlippen fließen? Willst du nicht die Tränen sehen, die über edler Mädchen Wangen perlen, nicht sehen, wie der Schmerz ihre Augen erstarren macht und ihre Lippen bleicht? Und willst du nicht sehen den Jüngling, der sein Haupt dort an die Mauer lehnt und dessen Zunge des Fieberwahnsinns Sprache redet? Hast du nicht so viel Mut, das hoffnungsreiche Leben mit kaltem Auge anzuschauen, das du mit deinem Narrenrechte in den Staub getreten hast? Du hast wohl Furcht vor giftigen Blicken und jenen wilden Flüchen, die über heiße Gaunerlippen rollen und die zu Tod und Hölle dich tausendmal verwünschen? Du hast ja deine Pflicht getan, gestrenger Richter -- nun -- ^nun kannst du auch getrost dem Leid den Rücken wenden^! -- Der Student lehnte noch immer an der Mauer, sein glühendes Haupt an den feuchten Steinen kühlend. Sein Denken war zerrissen, wie sein Herz zerfleischt in seinem Leibe blutete. Wilde, wirre Phantasien jagten durch sein brennendes Gehirn, und wieder war's, als griffen Engel in der wunden Seele Saiten und sängen drin die herrlichsten Akkorde. Edeltraut war neben ihn getreten. Aus ihrem Auge strahlte die Sonne der Liebe. »Heinrich!« »Wer ruft mich?« fragte mit hohler Stimme der Student. »'s ist die Edeltraut!« Der Jüngling wandte sich rasch um. »O Edeltraut, ^meine^ Edeltraut!« rief er, die Arme ausbreitend. »Du, Engel, bist wohl aus des Himmels Höhen herniedergestiegen, um meine Seele mit dir fortzunehmen! Nimm mich fort auf deinen reinen Schwingen, o bitte, bitte!« Er sank zum Boden nieder und hob die Hände flehend auf. »Hör' mein Leid! Ich trug einst ein reiches Hoffen in meiner Seele, dem Frühling gleich, der tausend Knospen schwellt. Es war so wundersüß! Ich hoffte, dich, reine Blume, an dieses Herz zu legen und dort so treu und warm zu betten. Die Hoffnung wuchs zur Seligkeit, da ich aus deinen Augen meiner Wünsche Himmel leuchten sah. Nie sprachst du ein Wort der Liebe zu mir -- es war ja besser, edler so. Wozu das Wort auch, wenn die Herzen ihre reiche Sprache reden! Da kam ein wilder Sturm verheerend über meine Hoffnung und brach die Knospen, und all mein Hoffen fiel wie welkes Laub vom Baume. Rings starrt der Tod, und da -- da, Edeltraut, am Morgen fange langsam auch ich zu sterben an. Noch bin ich nicht zu Ende mit dem Sterben, ein winzig Teilchen Leben kämpft noch mit dem Tode. Der Kampf wird bald zu Ende sein, die junge Sonne geht zur Rüste -- Abend wird's -- dann tiefe Nacht im Grab!« »Wir sterben miteinander!« schluchzte Edeltraut. »Du? du mit mir?« stammelte Heinrich, und aus seinen stieren Augen dämmerte der neu erwachende Wahnsinn. »Am Scheiterhaufen!« Der Jüngling schüttelte das Haupt. »Das begreife ich nicht, daß Engel sterben.« »Sie haben mich als Hexe zum Feuertode verdammt.« Des Jünglings Augen schienen aus ihren Höhlen zu treten, seinem Munde entströmte glühender Atem. »Dich, dich,« rief er, »nennen sie eine Hexe! Ja, ja, ich fühl' es, die Welt dreht sich im wirren Wahnsinnswirbel, nur ich allein bin frischen, heilen Geistes. Du, eine Hexe -- haha ha --« Er stieß ein gräßliches Lachen aus. Dann hielt er seine Hand vor die Lippen und flüsterte: »Sei klug, mein Kind, und breite deine Schwingen und flieh hinauf hoch über alle Sterne! O flieh, flieh, die Erde ist so voll des Schmutzes und der Schande, daß sie nicht Lilien auf ihrem Boden tragen kann.« »Ich kann nicht fliehen, teurer Heinrich; und könnte ich auch, ich möchte nicht. Ich sterbe gerne, sterbe ich doch mit dir. Gott wird uns gnädig seinen Himmel öffnen und dort in seiner Liebe unsere Liebe segnen. Leb' wohl, mein Freund, auf Wiedersehen im Jenseits!« Sie reichte ihm die beiden Hände. Der Jüngling ergriff sie mit Inbrunst und ließ seine glühende Stirne aus ihnen ruhen. »Leb' wohl, mein Herz, mein Lieben und mein Hoffen; du Blume Gottes, lebe wohl! -- -- Du scheidest, wie der Tag, der tief in Feuergluten seine letzte Stunde hüllt, um dann als schönerer Morgen der Erde tauige Tränen aufzuküssen! -- -- Leb' wohl -- ich sterbe gerne, freudig des Lebens letzten Rest, -- auf Wiedersehen bei Gott!« Edeltraut entzog ihm leise ihre Hände. Er schien es kaum zu fühlen. Gleich einem Marmorbilde kniete er, das Haupt geneigt, und seine Seele trank Entzücken. -- -- Die dem Tode Geweihten wurden von dem Kerkermeister nach ihren Gefängnissen zurückgebracht. Als Edeltraut und Elsa in ihren Kerker traten, fanden sie dort Pater Spee. »Ich bringe euch den Leib des Herrn,« sprach er, auf das Kreuz an seiner Brust zeigend, in dessen Mitte sich das Heiligste befand. »O, Gott ist gut, unsäglich gut mit uns,« rief Elsa und sank anbetend auf die Knie. »Nun, Kinder, reinigt euere Seelen von jedem Makel durch das Beichtgericht. Hat auch der Erde Verderben keinen Teil an euch, so denkt, daß auch der Reinste nicht vor Gott besteht, wenn sein Erbarmen nicht den letzten Hauch der Sünde von uns nimmt!« -- -- -- »Ich arme Sünderin« -- -- -- »Gott sei mit dir, -- mit euch! Mit euch sein Friede!« sprach der Priester und reichte beiden Mädchen den Leib des Herrn. -- »Nun laßt den letzten Schmerz ums Irdische vernarben, ihr traget Gott in euch; noch eine Stunde, eine lange, lange, und ihr schaut den in seiner Herrlichkeit, der in des Brotes demutsvoller Hülle euch im Kerker zum reinsten Troste geworden! Zaget nicht, zittert nicht, ihr lieben, reinen Tauben! Zum Himmel auf geht euer Flug, ^zum Schauen euer Glauben^!« -- Pater Spee hatte auch die übrigen Kerker besucht, um überall den gleichen Himmelstrost zu spenden; doch ward derselbe nicht von allen gerne angenommen. -- Der Student zeigte sich innigst dankbar für den Empfang dieser Gottesgnade, auch der Zuckerwastl nahm den Pater freundlich auf. Die übrigen aber wiesen ihn mit unbeugsamem Trotze von sich. Gott habe sich nie um sie bekümmert, meinte Helena; nun wolle sie auch nichts von ihm wissen und trage gar keine Sehnsucht nach ihm; es sei ihr ganz gleichgültig, ob sie zum Teufel fahre oder nicht; sie finde dort jedenfalls bessere und vornehmere Gesellschaft, als sie je auf Erden gehabt. Auch der Neunaugen ließ sich nicht aus seinem blöden Brüten aufrütteln, während der Pappenheimer die ganze Laune seines Spottes über Gott, Glaube und Priestertum ausgoß. Wenn ihm der Pater Spee denn doch noch einen Gefallen erweisen wolle, so möge er sich von ihm den Hals umdrehen lassen, denn er hoffe sicherlich, die beste Aufnahme in der Hölle zu finden, wenn er erst einen Jesuiten geschunden habe. Spees Herz blutete ob der hartgesottenen Verstocktheit dieser armen Menschen, die mit vollem Bedachte einem zweifachen Tode entgegengingen. Alle seine innige Liebe blieb unverstanden, all sein flehendes Bitten unerhört, alle Hinweisungen auf einen barmherzigen wie auch einen gerechten Gott fanden nur eine höhnende Antwort. Herzzerreißend war der Kinder Jammer und Klage, als Spee auch bei ihnen eintrat. Es bedurfte langer Zeit, ehe ihn sein eigener Schmerz jene Worte der tröstenden Liebe sprechen ließ, von denen seine Lippen sonst so herrlich überflossen. »Kinder, ihr kommt zu Gott!« das war der beste Trost, den der Priester den jungen Seelen geben konnte. Und endlich kam auch in die Kinderherzen stille Ergebung; wohl mag auch des Schmerzes lange ertragenes Übermaß die zarten Seelen ermüdet haben, so daß sie, wenn auch stille weinend, doch gottergeben zu des Priesters Füßen von ihrer Himmelsheimat sich süße Worte sagen ließen. Edeltraut und Elsa hatten, ehe sie dem Tode verfielen, noch eine schmerzenschwere Viertelstunde zu bestehen. Beide Mädchen lagen betend auf den Knien, als deren Väter zu ihnen in den Kerker traten. Edeltraut warf sich mit dem ganzen Ungestüm ihrer hocherregten Seele in ihres zitternden Vaters Arme und schluchzte, als wollte ihr das Leid das arme Herz abstoßen. »O Vater, Vater!« stöhnte sie, das Haupt an seine Brust bergend, »o bete, daß mich Gott an deinem Herzen sterben läßt. O diese eine -- eine Gnade soll mir Gott erzeigen! Ich will ja gern mein junges Leben sterben lassen, und alles, was ich hoffte -- liebte, mit mir zu Grabe tragen, aber lebend von den Flammen aufgefressen werden -- an jedem Gliede tausend Todesqualen leidend -- dieser Gedanke ist so unfaßbar gräßlich, daß mir das arme, von Leiden totgehetzte Herz im Leib erstarrt!« »Ich kann dir, armes, teures Kind,« sprach mit tränenerstickter Stimme der alte Göbel, »keinen Trost geben als Gottes reiches Erbarmen. Es wird deine Leiden kürzen, Edeltraut, und deine reine Seele wird der weißen Taube gleich sich zu den Himmeln schwingen. Mein Kind, ich bin so eigen ruhig gestimmt. Ich weiß, daß du mir stirbst und mit dir meines Lebens höchste, letzte Freude welk zur Erde fällt, und dennoch klage ich nicht. Ich fühle es an meiner Herzensuhr; sie schlägt die letzten Viertelstunden; dann bricht auch dieses morsche Räderwerk in Stücke, und bald folge ich durch des Todes Pforte dir zu einem schöneren Leben.« -- Elsa hing lange Zeit an ihres Vaters Hals und tauschte mit ihm der scheidenden Liebe heißen Kuß. Dann aber entwand sie sich seiner Umarmung und kniete nieder. »Nun deinen Segen, teuerer Vater! Mit ihm will ich hinübergehen zu meinem Gotte. Ist doch der Elternsegen des Kindes herrlichster Geleitsbrief, wenn es vor Gott erscheint. Und nun noch meines ganzen großen, treuen Herzens vollen Dank für deine Vaterliebe. Sie war mein Licht, mein Trost und meine reinste Freude in der Nacht des Lebens. Du warst so innig gut mit deiner armen blinden Elsa, und was dein reiches Herz an Liebe an sich trug, war mein schönster Reichtum. Ich gehe zu Gott -- ich sage es mit Seligkeit! -- Ist auch die Pforte grauenvoll und begleitet tiefstes Weh den letzten Lebensschritt, so kennt doch meine Seele keine Furcht. Ich gehe zu Gott, und wenn ich dort den ersten Blick ins tiefe Meer der Gottesliebe schaue, dann, Vater, wird deine Elsa betend sprechen: »O guter, großer, lieber Gott, mir lebt auf Erden einsam trauernd ein treues Vaterherz. Tröste und segne es und gib ihm aus dem Schatze deiner Liebe reichen Lohn für all das Gute, das seine Hand an mir tat.« -- Und also will ich beten, bis der Tag gekommen, an dem ich mit lautem Jubel drüben an der Schwelle des Himmels dich begrüßen kann. Dann, Vater, dann hat alles Leid ein Ende und jede Träne wird zur Seligkeit! Noch einen Kuß, ein Kreuz von deiner Hand auf meine Stirne, dann sage deinem Kinde gute Nacht -- auf Wiedersehen!« Die Zeit der Hinrichtung war gekommen. Sämtliche zum Tode Verurteilten waren in Totenhemden gekleidet und bestiegen die für sie bereitgehaltenen Wagen. Pater Spee saß auf dem ersten derselben inmitten der armen Kinder, die weinend und schluchzend sich um ihn drängten. Auf einem zweiten befanden sich Elsa und Edeltraut, wieder auf einem andern die alte Ammfrau Bernin und der Student, beide von der Nacht des Wahnsinns umschattet, und endlich auf dem letzten der Pappenheimer, der Zuckerwastl, der Neunaugen und Helena. Der Zug hatte sich in dem großen Hofraume des Gefängnisses geordnet und bewegte sich nun durch das enge, finstere Tor hinaus aus die Gasse. Ein Fähnlein Landsknechte eröffnete denselben. Die langgezogenen Töne einer Trompete schnitten durch Mark und Bein. Darauf folgte hoch zu Roß der Oberschultheiß, das Todesurteil zusammengerollt in seiner Linken, indes die Rechte die Zügel hielt. Hinter ihm gingen Schergen und der Henker, und diesen folgten die einzelnen Wagen mit den Verurteilten. An den letzten schlossen sich die Mitglieder der Armenseelenbruderschaft betend an. Zu beiden Seiten schritten enggeschlossen Stadtsoldaten mit gezückten Schwertern. Erst war es tiefstille, als der Zug ins Freie kam, als wäre jeder Laut erstarrt, bald aber brach ein lautes Schluchzen aus, das immer mehr zur herzzermalmenden Klage anschwoll, und dem sich das neugeweckte Weinen der Kinder anschloß. Es war, als zitterten nicht nur alle Menschenherzen vor Leid und Gram, sondern als zöge auch ein geisterhafter Wehruf durch die Luft und hallte von den Häusern wider. Ein leiser Regen fiel hernieder, es waren Tränen des Himmels! Kein Auge blieb trocken, auch die Wangen der härtesten Männer netzte des Schmerzes bitteres Naß. Nur der Oberschultheiß überschaute mit kaltem Blicke, dem kein Mitgefühl innewohnte, die drängende, klagende Menge. An der Ecke der Domstraße staute sich der Zug. Dort stand, in sich versunken, der alte Bildschnitzer Meister Gothard an die Mauer gelehnt. Des Greises graues Haar hing wirr um die faltenschwere Stirne, und aus den Augen brannte ungesöhnter Haß. Als der Zug, sich langsam vorwärts wälzend, um die Ecke bog, da trat der Bildschnitzer vor, fest, mit ruhigem, sicherem Schritte, ging auf den Oberschultheiß zu, hielt die Zügel von dessen Pferd an und rief mit lauter Stimme: »Bluthund von einem Menschen, sei verflucht! Dich, aller Henker schlechtesten, sollen die Teufel ewig quälen, und schon auf Erden soll deine Seele keine Ruhe finden! Gleich giftigen Schlangen sei dir dein Gewissen, ein jeder Bissen, den du issest, wandle sich in Unrat, und jeder Tropfen Wassers, den du auf deine Zunge bringst, schmecke nach Menschenblut! Wachend soll dich aller Menschenhaß verfolgen, und deine Träume sollen dir die Teufel malen. Und wenn du stirbst, soll kein Priester dir zur Seite stehen, und bist du tot, kein Kreuz die Stätte zeichnen, wo dein elendes Herz verfault. Geh' hin, du Satan, geh' und morde deine Opfer, geh', und sei verflucht!« Sprach's und trat zurück unter die Menge, die einen schützenden Wall um ihn schloß. Der Oberschultheiß saß weiß wie eine Leiche und starr vor Schrecken auf seinem Rosse, den Blick zu Boden geschlagen. In demselben Augenblicke stürzte ein junges Weib händeringend und mit aufgelösten Haaren durch die Soldaten nach dem Wagen, auf welchem die Kleinen saßen, und rief mit einer Stimme, wie sie nur dem höchsten Mutterschmerz eigen ist: »Mein Kind, mein Kind, o gebt mein Kind mir wieder!« Dabei klammerte sie sich mit der Macht der Verzweiflung an den Wagen, da die Soldaten den Versuch machten, sie loszureißen und fortzuführen. Plötzlich verließ die Ärmste alle Kraft, sie brach zwischen den Rädern zusammen, die Pferde zogen zu gleicher Zeit den Wagen an, -- er ging der Mutter übers Herz. Sterbend hob man sie vom Boden auf, sie warf noch einen Blick nach ihrem Kinde, flüsterte dessen Namen und schloß das brechende Auge für ewig! -- -- »Vorwärts!« herrschte der Gestrenge in höchster Erregung und trieb den Zug zur Eile an. Fürchtete er doch, es möchte sich das Volk zuletzt in Masse auf die Wagen stürzen und die Gefangenen befreien. Und fürchtete er wohl nicht auch für sein Leben, das dem Fluche verfallen war? Endlich langte der Zug auf der Richtstätte an. Die Kinder wurden von starker Henkershand vom Wagen gerissen, unter den Galgen gebracht, jedem eine Schlinge um den Hals gelegt, ein Zug am Stricke -- und -- -- -- -- Die Feder will den Dienst versagen! -- Inmitten des großen Planes waren fünf Scheiterhaufen aufgerichtet, mächtig groß. Aus jedem ragte ein starker Pfahl empor. Die zum Tode Verurteilten wurden auf die einzelnen Scheiterhaufen geführt, auf denen sie enden sollten. Pater Spee ging noch zu einem jeden, reichte das Kreuz zum Kusse und segnete alle mit der ganzen Inbrunst seiner heiligen Liebe. »Mut, Mut, liebe Kinder,« sprach er, »Gott ist euch nahe; euere Unschuld --« Der Oberschultheiß trat glühend vor Zorn auf den Pater zu. »Ein Wort noch wenn Ihr von Unschuld redet, lasse ich Euch gefänglich abführen!« »Sie sind unschuldig,« sprach mit ruhiger, fester Stimme Spee und trat von den Gefangenen zurück. Die Opfer bestiegen die einzelnen Scheiterhaufen. »Laßt mich mit Elsa sterben!« flehte Edeltraut den Henker an. Dieser nickte Gewährung, half den beiden Mädchen auf einen gemeinsamen Holzstoß und band sie darauf an den Armen und Füßen um den Pfahl fest. Und nun ward Feuer an die einzelnen Scheiterhaufen gelegt. Das Reisig, das zwischen den großen Holzstücken lag, loderte knisternd auf, und bald züngelte die Flamme um die Füße der armen Opfer. Die Rauchwolken ringelten sich erst in Wirbeln auf, dann wuchsen sie zur mächtigen Säule, deren schwarze, qualmende Wolken von den roten Flammen schauerlich durchzogen waren. Ein leiser Aufschrei und ein Seufzer, namenlos wehklagend, drang zitternd durch die Luft. »Elsa -- Edeltraut!« riefen zwei Väter schmerzlich aus -- und wankten zu dem Scheiterhaufen. »Edeltraut... Geduld, mein Kind... ich komme ... nur noch... ein paar müde... letzte Herzensschläge ... o Gott ... sei gnädig ... Amen!« Tot sank er nieder! Sein Herz war gebrochen, seine Seele flog mit der seines Kindes gegen Himmel. Der alte Gering stürzte in stummem Schmerze über der Leiche seines Freundes zusammen. Der Gram hatte ihn zwar nicht getötet, aber die Kräfte seiner Seele wie seines Leibes waren gelähmt. * * * * * Nacht ist's, dunkle, finstere Nacht. Das Feuer der Scheiterhaufen ist erloschen, fünf Häuflein Asche kennzeichnen den Platz, an dem menschlicher Wahnwitz »im Namen des Gesetzes« zum ewig verächtlichen Mörder geworden war. Rings tiefe Stille! Zuweilen schreit ein Käuzlein, und Raben krächzen um den Galgen, an welchem die Kinder hängen, und unter dem zwei Henkersknechte finster brütend sitzen. »Hat es noch nicht die zwölfte Stunde der Nacht geschlagen?« »Ja.« »So schneide die Kinder ab und wirf ihre Leichen dort auf den frischen Scheiterhaufen. Die Nacht ist kalt und schwarz, frisch vorwärts, daß der Haufen brennt, mich friert an Leib und Seele!« Und bald züngeln neue Flammengarben in rotem Scheine durch die Nacht zum Himmel auf -- o Würzburg, deine Kinder sind's, die nun zu Asche brennen! -- -- Im Namen des Gesetzes! -- -- * * * * * 15. Kapitel: ^Der Wahrheit Sieg^ Die Aufregung der Bewohner Würzburgs hatte den höchsten Grad erreicht! Spees Wort -- sie sind unschuldig, hatte den aufgehäuften Zündstoff außerordentlich vermehrt. Man stritt überall über die Schuld oder Nichtschuld der Gerichteten, beide Ansichten wurden mit der äußersten Hartnäckigkeit verfochten, die zuletzt geradezu in unheilbare Erbitterung auszuarten drohte. Zu dieser bittern, gereizten Stimmung kam noch die tiefe Trauer um die Gerichteten. Alle die Angehörigen der armen Opfer waren der Gegenstand tiefsten Mitleides, das in der wohlgemeinten Geschäftigkeit fortgesetzten Tröstens den Schmerz nicht vernarben ließ. Die ohnehin schon traurigen Vorgänge jenes verhängnisreichen Richttages wuchsen im Munde des Volkes von Stunde zu Stunde an Schauerlichkeit, und statt daß Schmerz und Leid sich in ergebender Demut Trost an den Stufen des Altares und in der stillen Zurückgezogenheit der Familie geholt hätten, wurden sie nimmerruhend vom Volke hin und her gezerrt und die Wunden stets neu zum Bluten gebracht. Acht Tage nach der Hinmordung seiner Tochter Elsa starb auch der alte Gering. Ein Schlagfluß hatte ihn gerührt, und in Spees Armen hauchte er seine müde Seele aus. Ein seliges Lächeln lag auf des Alten Angesicht erstarrt, da man ihn zu Grabe trug. Eine ungeheure Menschenmenge gab seiner Leiche das Geleite, und ward auch viel um den Gestorbenen gebetet und geweint, so ward noch mehr gemurrt. Man sah auch in ihm, und nicht mit Unrecht, ein Opfer jenes Hexengerichtes, das viele verfluchten und verwünschten. Spee hielt auf besonderen Wunsch des Verstorbenen, den dieser schon früher geäußert hatte, die Grabrede. Er schilderte mit ergreifenden Worten die Vorgänge der jüngsten Zeit und suchte nicht nur Balsam in die wunden Herzen, sondern auch Friede und Versöhnung in die aufgeregten Gemüter zu träufeln. Der Erfolg war nur ein teilweiser. Während sich wirklich bei vielen der wilde Schmerz in stille Ergebung kehrte, benutzten die Feinde Spees einige Äußerungen desselben, sie verdrehend und schärfend, um neuerdings gegen die Jesuiten aufzureizen. Bei der stets wachsenden Schärfung der Gegensätze gelang dies auch nicht unschwer; will doch das Volk für alles und für jedes, was ihm mißfällt, einen persönlichen Sündenbock haben. Und je mehr die einen an Pater Spee hingen, ihn liebten und verehrten, weil er sich der armen Hexen so mutig und liebevoll angenommen, desto mehr haßten und verfolgten ihn die anderen aus dem gleichen Grunde. Am tätigsten war der Haß des Oberschultheißen, der den ganzen Ingrimm, den die jüngste Zeit in ihm angehäuft hatte, auf den Pater Spee zu entladen geschworen hatte. Sooft der Gestrenge sich auf öffentlicher Gasse sehen ließ, durfte er gewiß sein, den verschiedensten Demütigungen und Zeichen tiefster Verachtung ausgesetzt zu sein; und so sehr des stolzen Mannes harter Sinn dadurch tödlich verletzt wurde, so freute er sich doch andererseits wieder dieser Beleidigungen, weil sie ihm stets neue Waffen boten, den ihm verhaßten Jesuiten zu stürzen. Der Aktuarius tat sein möglichstes, um unter dem Volke den Namen des Pater Spee und dessen Wirken zu verdächtigen; der Oberschultheiß besorgte dies in den höheren und einflußreicheren Kreisen. Und mit Erfolg! Denn wo fänden sich nicht solche, die mit Freuden die hilfreiche Hand bieten, wenn es sich darum handelt, einen Menschen zu verderben! Als er seine Minen in ausreichender Zahl gelegt zu haben glaubte, ließ er sich beim Fürstbischofe zur Audienz melden. Der Fürst empfing ihn kalt. »Es scheint, wir haben beide viel gelitten, seit wir uns das letzte Mal gesehen,« sprach Philipp Adolf, den prüfenden Blick fest auf den Oberschultheiß richtend. »Mir wird die Last zu schwer, Durchlaucht,« entgegnete der Gestrenge finster schauend. »Ich habe nicht darum mein ganzes langes Leben dem Schutze und der Pflege des Rechtes geweiht, um nun als Greis ein Gegenstand des Hohnes und der Verachtung zu sein. Auf offener Straße spuckt mir das Volk vor die Füße und nennt mich Mörder und Henker. Bluthund hat mich ein Mann geschmäht und mich verflucht vor allem Volke, mit einem Fluche, daß mich seitdem alle Ruhe flieht.« »Ich weiß davon, ich weiß!« unterbrach der Fürst. »Um so mehr werden fürstliche Durchlaucht meine Klage wie meine Bitte gerechtfertigt finden,« erwiderte nicht ohne scharfe Betonung der Oberschultheiß. »Soweit ich kann, recht gerne, mein Werter; aber sagt mir, wer hört des Fürsten Klage, wenn er den Gram, der ihn tief drückt, in fremde Herzen schütten will? Wer ist's, der zum Throne hinansteigt und sagt, ich tröste dich? Und glaubt Ihr nicht, es hätte auch mein Fürstenherz in diesen Tagen die schwerste Sorge heimgesucht? Der schönste Glanz, womit ein Fürst sich schmücken kann, sind treue Räte, die zu Recht und Wahrheit stehen. Alle andere Herrlichkeit ist eitel Hohn! Ich kann mich nicht des Glückes rühmen, daß meine Räte mir die Wahrheit sagen. Nur einer war's, der treu zum Rechte stand, und dieser war nicht unter meinen Räten, sein Rat war gut, ich sehe es, doch leider viel zu spät.« Der Oberschultheiß schwieg und schaute den Fürsten mit fragendem Blicke an. »Ihr wollt den Namen wissen? Recht gerne willfahre ich Euerem Wunsche. 's ist Pater Spee. Das ist mein bester Freund und Rat.« Des Gestrengen Auge blitzte zornig auf. »Was ist Euch?« fuhr Adolf Philipp verwundert fort. »Euer Blick widerstrahlt des Zornes Glut?« »Der Pater ist mein Feind!« stieß jener heftig heraus. »Euer Feind? Nein. Pater Spee ist niemandens Feind. Er ist ein Feind der Sache, die ihm böse scheint, doch Menschen haßt er nicht!« »Ich hasse ihn!« »Das ehrt Euch nicht!« »Mein Fürst, verzeiht, Ihr seid hart. Wenn Ihr wüßtet, welche Flut von Leiden der Jesuit auf mich gehäuft, Ihr würdet mein Gefühl natürlich finden.« »Natürlich, ja; doch christlich, nein! Ihr urteilt über Spee ganz irrig. Ihr wähnt, das Recht befände sich auf Euerer Seite, und jener irre; ^Ihr^ irret, und Pater Spee sagt Wahrheit.« Der Oberschultheiß trat einen Schritt zurück. »Dann bleibt mir nichts mehr übrig, als Euerer Durchlaucht meine Stelle ehrerbietigst zu Füßen zu legen.« Diese Worte waren mit einer vor Zorn und Ingrimm zitternden Stimme gesprochen. »Gut!« antwortete der Fürst. »Ihr seid ein weiser Mann, Ihr gebt, ehe man von Euch verlangt.« Der Gestrenge sah finster zu Boden. »Also in Ungnaden entlassen,« murrte er halblaut. »Durchlaucht,« fuhr er mit erhobener Stimme fort, »Durchlaucht, das alles verdanke ich jenem Jesuiten!« »Sprecht deutlich!« »Der Spee hat mich bei Euch verdächtigt und mir die Sonne Euerer Gunst verdunkelt. Er hat mit seinem Worte Euch bestochen, Ihr solltet seiner Meinung sein, und mich stellt er als Mörder Eueres Volkes dar.« »Weiter!« »Er war's, der Euch geflüstert, die Nachwelt würde mit Verachtung unserer Zeit gedenken und der Richter, die auf Zauberer und Hexen schworen. Er hat Euch klar bewiesen -- wie eben Jesuiten alles klar beweisen, was sie wollen --, er hat Euch klar bewiesen, daß ich die Leute erst zu Hexen mache, und daß alle, die ich richten ließ, unschuldig starben.« »Das saget ^Ihr^,« entgegnen Philipp Adolf lächelnd, »und Euerer Rede wohnt viel Weisheit inne. Doch Spee hat nicht vor mir gegen Euch gesprochen, seit jenem Abende, da ich ihn rufen ließ, um gegen Euere Meinung sich zu äußern. Ihr Herren müßt fürwahr nicht gar so kleinlich sein und glauben, daß, wenn in euerem Leben Mißgeschick sich findet, ein Jesuit dahinterstecke. Da seid ihr fast so klug wie das arme Volk, das hinter allem, was es nicht versteht, die Hexen und den Satan riecht.« »Durchlaucht, Spee ist Euch gefährlich!« »Ei, was Ihr sagt? Ich wollte, es wären es alle so wie er!« »Er wiegelt Euer Volk auf!« »Ich warne Euch, seid mit Euerer Rede vorsichtig!« »Geht in die Stadt und schaut Euer Volk drin an! Finster brütend lebt es Tag um Tag im Kampfe mit sich selbst. Indes die einen sagen, es sei ein gutes Werk, daß wir die Hexen töten, murren laut die anderen und plaudern jenem Jesuiten nach und sagen, wir hätten nicht gerichtet, wir hätten gemordet; denn alle seien unschuldig dem Tode verfallen.« »Ich glaube es nun selbst,« sprach Philipp Adolf mit dem Ausdruck bitteren Seelenschmerzes. »Wächst die Aufregung,« fuhr jener fort, »nur noch ein geringes, so kann das Volk gar leicht zum wilden Tiere werden, das sich in seinem Grimme auf seine Quäler wirft und sie zerreißt. Und diese Gefahr ist so lange vorhanden, als Spee in Würzburgs Mauern weilt. Mein letztes Wort an Euch ist, Spee muß fallen!« Ein Page trat unter die Türe und meldete, sich tief verneigend, der Pater Spee bitte, ihn zu empfangen. »Ganz gut; er soll sogleich eintreten; Ihr, Oberschultheiß, bleibt!« Spee grüßte den Fürsten ehrerbietig. »Ich komme, Durchlaucht, Euch den Scheidegruß zu bringen; der nächste Morgen führt mich fort aus Euerer Stadt.« »Spee,« rief Philipp Adolf mit der Miene schmerzlicher Überraschung, »Ihr wolltet wirklich von hinnen scheiden? O tut das nicht, ich bitte Euch!« »Ihr wißt, hoher Herr, ich bin ein Jesuit, und Jesuiten leben strenge im Gehorsam ohne eigenen Willen. Meine Oberen gaben mir den Wanderstab nach Köln, ich nehme ihn freudig aus ihrer Hand.« »Und warum so plötzlich?« »Ich weiß für mich von keinem Warum. Euch, edler Fürst, kann ich die Frage lösen. Ich habe, sagen meine Oberen, mein Tagewerk getan, den Samen ausgestreut; die Ernte mögen andere in die Scheuern bringen. Dazu erkennen wohl meine Vorgesetzten, daß meines Körpers Kräfte fast verbraucht sind -- ein junger Greis mit weißen Haaren scheide ich aus Euerer Stadt, die ich als Mann in voller Kraft betreten.« Der Fürstbischof sah mit einem Blicke dankbarer Liebe in das Auge des Jesuiten. Dann ging er auf ihn zu und ergriff dessen Hände und sprach: »Mein lieber Pater Spee! ich darf als Fürst euch nicht verhindern, dem angelobten Gehorsame treu nachzukommen. Scheidet denn in Gottes Frieden! Mein Dank, mein wärmster Herzensdank folgt Euch, wohin Ihr geht. Ihr habt, ein wahrer Priester der reinen Gottesliebe, mit freiem Mut für den Sieg der Wahrheit gekämpft.« »Gott sei die Ehre, edler Fürst! Dankt, wenn ein Reis des Guten mehr in Euerer Stadt erwachsen ist, nicht mir, der ich nur ein Werkzeug bin, dankt Gott, dem Herrn und Meister. Ihr seid so gnädig, daß ich nun, ehe ich scheide, noch eine Bitte Euch tief ins Herz senken möchte. Ich bitte nicht für mich -- ich will und brauche nichts als meinen Gott, -- Euerem Volke soll meine Bitte gelten. Bekämpft, was ich mit aller Kraft bekämpfte, bekämpft den Hexenwahn! Ich weiß als Priester nur zu gut, daß die Dämonenwelt in unsere Welt herüberragt; ich leugne nicht den Satan und nicht dessen Macht. Doch was ich stets bestreite und bestritt, ist jener irre Glaube, der überall des Teufels Bündnis mit den Menschen sieht, wo Dummheit oder Bosheit ihm die Brillen leihen. Ich schwöre es Euch, von allen, die ich in des Kerkers düsterer Nacht besuchte, und die ihr ganzes großes Leid in meine Seele übertrugen, und die ich dann zum Scheiterhaufen führte, hat auch nicht einer jene Schuld auf sich gehabt. Ja, schuldlos sind sie gestorben, als Opfer eines Wahnes, und düstere Schatten bleiben sie für alle Zeit. Mein Fürst! seid groß und sprecht das Wort, das Euch stets ehren wird, sagt laut, Ihr ^wollet^ keine Hexen mehr -- ^dies eine Wort vernichtet sie^. ^Verbietet, daß man Hexen suche, und es wird sich nirgend eine finden^, verbietet, daß man Hexen richte, und rings in Eueren Landen wird kein Mensch im Bunde mit dem Satan stehen. O daß mein Ruf durch alle Lande tönte! Wehe Deutschland, so vieler Hexen Mutter! Was Wunder, daß es sich vor Gram die Augen ausweint, um sie nicht zu schauen! Daß alle mich rufen hörten: Wehe den Fürsten, die, statt Völkerhirten zu sein, die unmenschlichen Greuel unter ihren Schutz nehmen! Wehe den Richtern, deren Kastengeist aus den Hexenprozessen ein Privilegium und eine Erwerbsquelle gemacht hat! Und doch sollten sie die Schuld bedenken, mit der ein übereiltes Todesurteil das Gewissen belastet! Wehe jenen Rechtsgelehrten, die in ihren Büchern nur von Hexen und Zauberern sprechen, überall verbrecherischen Spuk erblicken und mit Gewalt zur Verfolgung anfeuern! O der Blindheit und Dummheit solcher Weisen! Da sitzen sie hinter dem Ofen in behaglicher Ruhe und hecken Kommentare aus. Sie selbst empfinden keinen Schmerz, reden aber viel von Qualen, die man den Unglücklichen antun soll, gerade wie ein Blindgeborener, der weise über Farben spricht. Auf sie kann man mit Recht des Propheten Amos Wort anwenden: Sie trinken Wein in Schalen, und mit dem Öle salben sie sich und kümmern sich nicht um Josephs Leiden. Aber setzt sie doch einmal nur ein halbes Viertelstündchen dem Feuer aus, dann werdet Ihr sehen, wie all ihre Weisheit und großmächtige Philosophie zusammenbricht. Sie philosophieren über Dinge, von denen sie nichts verstehen. Und auch die Beichtväter müssen anders zu Werke gehen, als sie es bis jetzt getan. Sie müssen sich als Mittelspersonen zwischen ^Gott^ und dem ^Schuldigen^, nicht aber zwischen diesem und dem ^Richter^ betrachten. Die geistlichen und weltlichen Obrigkeiten müssen dafür sorgen, daß der ewigen Zuträgerei, Ehrabschneidung und Verleumdung ein Ende gemacht wird, weil dadurch die christliche Liebe so tief verletzt, die Unschuld gefährdet und die Gerichte unsicher gemacht werden. Wehe! welche Strafe wird nicht allein die Richter, sondern auch die Beichtväter treffen, welche meinen Worten nicht folgen, nicht nur ihren Geist nicht anstrengen zum Erforschen, sondern auch darüber knirschen, daß sie unterwiesen werden.[Y] Gebt, hoher Herr, dem Volke den vollen, wahren Gottesglauben, laßt alle Kanzeln widerhallen von der Liebe des ^Gekreuzigten^, sorgt dafür, daß das Volk aus seinem dumpfen Brüten sich erhebe zum lebendigen Glauben wie zum vernünftigen Denken!« »Mein fürstlich Wort lege ich in Euere Seele nieder,« sprach tiefbewegt der Fürstbischof, »daß Würzburg von nun an, solange Philipp Adolf hier das Zepter führt, nicht wieder unter jenen Greueln seufzen soll, die lange genug auf ihm gelastet. Mein Volk soll Gott erkennen und lieben lernen mehr und mehr, und seines Geistes Schwingen sollen frei sich erheben; die Nacht verschwindet, heller goldener Tag bricht an. Und einst, wann kommende Geschlechter dankend jene Stunde segnen, da hier der Bann des Hexenwahnes brach, so können sie dies nur, wenn sie auch dessen gedenken, der in unermüdlicher Liebe den Menschen Licht und Friede brachte, ^des wahrhaft edeln Jesuiten Friedrich Spee^!«[Z] [Illustration: Dekoration] Inhaltsverzeichnis Seite 1. Fahrendes Volk 5 2. In stiller Zelle 24 3. Jahrmarkt 35 4. Eine Hexe 50 5. Ein blindes Kind -- ein blinder Richter 68 6. Richterweisheit 87 7. Edle Menschen 105 8. Spürhunde 129 9. Der Jesuit im Gefängnis 147 10. Elsa und Edeltraut vor den Richtern 163 11. Der Richter im Gefängnisse 181 12. Das Elend und der Wahn wachsen 198 13. »Priester im Bunde des Satans« 217 14. Blutiges Morgenrot 234 15. Der Wahrheit Sieg 256 [Illustration: Dekoration] FUSSNOTEN: [A] Eine der Hexerei angeschuldigte Frau wäre wegen ungenügenden Beweises freigesprochen worden, wenn sie nicht bei Pater Spee gewesen wäre. Sie hatte ihre Heimat verlassen, um sich mit dem Jesuiten zu beraten. »^Dadurch legte sie ihre Schuld an den Tag und erlitt mit vollem Rechte die Todesstrafe.^« _Cautio criminalis. Dub. XXVIII._ [B] _Spee, caut. crimin. Dub. VII._ [C] Der protestantische Superintendent D. E. D. Hauber sagt in seiner _Bibl. Magica III, 2_: »Unter anderen Mitteln, dieser schrecklichen Hexenverfolgung zu steuern und die Gewalt des Teufels zu hemmen, hat sich die göttliche Vorsehung besonders des Buches >_Cautio criminalis_< bedient und durch dasselbe nicht nur viele Gelehrte und Richter, sondern auch verschiedene Regenten also erleuchtet und zur Erkenntnis der bis dahin fast verborgen gebliebenen und, wo sie hervorscheinen wollte, unterdrückten Wahrheit geführt, daß sie von dieser Sache, der leiblichen Gewalt des Teufels und der vermeinten Hexerei, ganz andere Gedanken bekommen und der Hexenprozeß in verschiedenen Ländern eingestellt oder gemildert worden, ^welcher vielleicht ohne solches Buch^ noch viele Jahre gewährt und zum Verderben und Abnehmen des menschlichen Geschlechtes gewütet haben würde.« [D] Hauber, _Bibl. Mag. II, 794_. [E] Nach einem Horoskope aus Haubers _Bibl. Magica III, 771_. [F] Hauber, _Bibl. Mag. III, 357_. [G] Dieser Vorgang wie dessen Erklärung findet sich in Haubers _Bibl. Mag. II, 493_ ff. [H] Haubers _Bibl. Magn. II, 497_. [I] Hauber, _Bibl. Magica III, 808_. [J] Im 28. Brande wurde ein Student hingerichtet, von dem es in Haubers _Bibl. Mag._ heißt... »so viel Sprachen gelernt und ein vortrefflicher Musicus _vocaliter_ und _instrumentaliter_.« _T. III, 810_. [K] Rotwelsch -- aus eine Hexenprozesse von 1616. _Penopel_ = sage nichts. _Pendl spendl_ = wiederhole, was du gesagt hast. _Schienglei_ = die Herrn kommen. [L] _Gestranzt_ = aufziehen bei der Tortur. _Genabist_ = geköpft, getötet. [M] Alle diese Personen sind neben anderen Hunderten als Hexen und Zauberer angeklagt und hingerichtet worden. [N] Diese boshafte Anklage wurden gegen eine nicht geringe Anzahl von würdigen Priestern erhoben und fand -- Glauben. In Würzburg allein wurden in wenigen Jahren 18 Geistliche als Zauberer verbrannt! [O] Diese historischen Namen mögen hier genügen. [P] Becher, Politischer Diskurs. [Q] Einige Fürsten setzten für jede gerichtete Hexe den Richtern eine Geldbelohnung aus. [R] Güldenes Tagebuch, _II_, 88. [S] _Cautio Crim. Dub. XXX._ [T] _Cautio Crim. Dub. XV._ [U] _Vincentii Placcii Theatr. Anonym. Hamb._ 1708, 233 ff. [V] _Cautio Crim. Dub. XXX._ 19. [W] Spee, Trutznachtigall. [X] _Spee, Cautio Crimin. Dub. XVI._ 3. [Y] _Spee, Caut. Crim. D._ 29, 35. [Z] In Würzburg hörten gleich nach Spees Abreise die Hinrichtungen auf. ^Diel^, Friedr. von Spee. 55. Notizen des Bearbeiters: Gesperrter Text wird markiert durch: ^...^ Antiqua-Text wird markiert durch: _..._ End of Project Gutenberg's Die Hexenrichter von Würzburg, by Franz von Seeburg *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DIE HEXENRICHTER VON WÜRZBURG: HISTORISCHE NOVELLE *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. 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