Title: Die Umsegelung Afrikas durch phönizische Schiffer ums Jahr 600 v. Chr. Geb.
Author: Willi Müller
Release date: April 17, 2021 [eBook #65093]
Language: German
Credits: Peter Becker, Jens Sadowski, and the Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net. This file was produced from images generously made available by The Internet Archive.
Willi Müller,
Dr. phil., Oberlehrer.
Rathenow.
Verlag von Max Babenzien.
Seite | |
Einleitung | 1 |
Die Quelle | 4 |
Die nennenswerthesten Zweifler | 4 |
Die namhaftesten Vertheidiger | 5 |
Die Glaubwürdigkeit Herodots | 6 |
Die Zuverlässigkeit der muthmasslichen Gewährsmänner Herodots | 11 |
Charakter der saïtischen Dynastie | 14 |
Charakter Nechos | 16 |
Nechos vermuthliche Ansichten über die Möglichkeit der Heimkehr seiner Sendlinge | 19 |
Abschliessendes Urtheil über Necho | 20 |
Andere Versuche der Umschiffung | 21 |
Warum fuhren nicht Aegypter? | 23 |
Seemännische Tüchtigkeit der Phönizier | 27 |
Vermuthliche Ansichten über die Gestalt und südliche Erstreckung Afrikas ums Jahr 600 v. Chr. | 33 |
Genauere Zeitbestimmung der Fahrt | 36 |
Abfahrtsort der Expedition | 38 |
Wo waren die ausgesandten Schiffer zu Hause? | 41 |
Unternehmungslust des Alterthums auf dem Gebiete des Reisens | 43 |
Antriebe zur Fahrt | 44 |
Folgenlosigkeit der Fahrt | 49 |
Zusammenstellung des Bisherigen und Uebergang zur Betrachtung der eigentlichen Fahrt | 64 |
Winde | 66 |
Meeresströmungen | 68 |
Konstellation | 69 |
Fehlen des Kompasses | 71 |
Brandungen und Klippen | 71 |
Grund für die Aussendung mehrerer Schiffe | 71 |
Art der Fahrzeuge | 72 |
Schnelligkeit der Schiffe des Alterthums | 73 |
Leitung der Expedition | 76 |
Welches Getreide haben die Phönizier gesäet und geerntet? | 78 |
Die Rastorte der Phönizier | 86 |
Was bedeutet Her. IV, 42 φθινόπωρον? | 89 |
Genauere Vertheilung der Zeit auf die einzelnen Abschnitte der Reise | 91 |
Länge des Aufenthalts an den Rastorten | 94 |
Sind Störungen seitens der Eingeborenen bei Saat und Ernte anzunehmen? | 96 |
Der Stand der Sonne | 97 |
Schlussbetrachtung | 107 |
Es giebt wenige Fragen in der Geschichte der Geographie, welche Gegenstand so lebhaft und so andauernd geführter Debatten gewesen sind, wie die nach der Wahrheit des herodoteischen Berichtes über die Umsegelung Afrikas, unternommen durch phönizische Schiffer auf den Befehl des ägyptischen Königs Nechos II. um’s Jahr 600 v. Chr.; über zwei Jahrtausende sind gegenwärtig seit dem Beginn des Streites verflossen. Wenn es nicht leicht ist, zu einem abschliessenden Urtheile in dieser Sache zu gelangen, so liegt das einmal an der Kürze der Notiz bei Herodot, in zweiter Linie trägt aber der Umstand die Schuld, dass die wenige Zeilen umfassende Nachricht die einzige Quelle ist, aus der wir schöpfen können; alles, was das Alterthum und die spätere Zeit sonst von der kühnen Fahrt zu erzählen wissen, muss auf diesen Originalbericht zurückgeführt werden. Für den Forscher, der heutzutage der angedeuteten Frage näher tritt, wird die Schwierigkeit der Arbeit aber wesentlich erhöht durch die Fülle von Schriften, welche für und wider die Glaubwürdigkeit dieser Erzählung in dem langen Zeitraume von Herodots Tagen bis auf uns der Scharfsinn und die Gelehrsamkeit Berufener veröffentlicht haben. Wer sich nicht in der leichtfertigen Weise, welche Vincent in seiner History of the commerce, navigation and discoveries of the Ancients in the Indian Ocean, Vol. II, p. 189 charakterisirt[1], an die Erörterung der Frage macht, sondern unter sorgfältiger Erwägung aller Verhältnisse, die für eine richtige Beurtheilung in Betracht kommen können, und unter Benutzung des Besten aus der umfangreichen Litteratur zu dieser Ueberlieferung, dem erwächst eine zwar sehr interessante, aber nicht minder mühevolle Arbeit. Ich habe es mir angelegen sein lassen, den Anforderungen, die man an einen gewissenhaften Forscher stellt, nach Möglichkeit gerecht zu werden, und hoffe, mich keiner der Erörterungen, die zur Klarstellung der Sachlage dienen können, entzogen zu haben, auch darf ich mich der Hoffnung hingeben, dass von den zahlreichen Schriften über das in Frage stehende Problem, sowie von den grösseren Werken, welche dasselbe im Vorbeigehen berühren, mir nichts Wichtiges unbekannt geblieben ist. Je mehr ich mich freilich in das Studium der Sache vertiefte, desto klarer wurde mir, wie Recht Bobrik hat, wenn er sagt (Geographie des Herodot, Einl., p. VI): „Es liegt in der Natur der Sache, dass eine altgeographische Monographie nicht vollständig und abgeschlossen sein kann. Einestheils steht niemand alles zu Gebote, dessen er bedarf, anderntheils, wenn’s auch der Fall sein sollte, reicht ein Menschenleben gar nicht zur Benutzung des vorhandenen Materials aus. Alle Alten, viele Byzantiner, die neueren Reisebeschreibungen und sonst noch über den Gegenstand Erschienenes durchzulesen und durchzuarbeiten übersteigt bei weitem die Kräfte des Einzelnen.“ Diese Worte bitte ich besonders Diejenigen zu beherzigen, welche vielleicht berufen sein sollten, die vorliegende Arbeit vor ihr kritisches Forum zu ziehen.
Was nun das Resultat der Untersuchung betrifft, so gestehe ich gleich hier, dass ich im Gegensatze zu vielen andern Beurtheilern, die sich theils völlig ablehnend, theils zweifelnd verhalten, nicht den geringsten Grund finden kann dem herodoteischen Berichte die Glaubwürdigkeit abzusprechen, sondern mich rückhaltlos denen anschliesse, welche die Fahrt der Phönizier als historisches Faktum anerkennen. Die Aufgabe einer Untersuchung, wie die vorliegende ist, wird im wesentlichen sein festzustellen, ob die inneren Unwahrscheinlichkeiten der Ueberlieferung so gross sind oder die Beschwerlichkeiten der Fahrt derartige sein mussten, dass das Vertrauen zu einem im allgemeinen zuverlässigen Schriftsteller dadurch in’s Wanken gerathen kann, ob der Umstand, dass irgend welche sichtbaren Folgen dieser Expedition für die Entwicklung der Geographie oder der Geschichte sich nicht ergeben haben, im Stande ist die Glaubwürdigkeit unseres vereinzelt dastehenden Berichtes zu erschüttern, oder ob nicht vielmehr eine sorgfältige Betrachtung aller einschlägigen Verhältnisse zu dem Resultat führt, dass von einer Unmöglichkeit der Fahrt nicht die Rede sein kann, ja, dass dieselbe mindestens in hohem Grade wahrscheinlich wird. Glückt es, das letztere nachzuweisen, so haben wir keinen Grund mehr an der Nachricht eines so zuverlässigen Gewährsmannes wie Herodot zu zweifeln. Ich meinestheils glaube, dass man nicht kritikloser Schwärmer und blinder Alterthumsfanatiker zu sein braucht, um an die Umsegelung zu glauben; und man befindet sich dabei – Gott sei Dank! – in ganz guter Gesellschaft. Zu leugnen ist ja nicht, dass oft genug, und gerade im Alterthum, Berichte über Seefahrten theils in wunderbarer Weise ausgeschmückt, theils auch wohl ganz und gar erfunden sind, wie Bunbury[2] deren einige anführt; ob auch der unsere dazu gehört, wird eine eingehende Untersuchung lehren. Wir werden die von Herodot überlieferte Nachricht auf ihre Glaubwürdigkeit prüfen an der Hand von Resultaten, welche sich aus einer gründlichen Erörterung der verschiedenen in Betracht kommenden Punkte ergeben, mögen diese die Charakteristik einzelner Personen und ganzer Völker ins Auge fassen, mögen sie geographische oder naturgeschichtliche Gebiete berühren oder endlich in Betrachtungen über die Leistungsfähigkeit der Matrosen des Alterthums, der Fahrzeuge jener Zeit und ähnliches übergehen. Für alle diese Fragen wird die Antwort sich zum Theil aus anderen Ueberlieferungen gewinnen lassen, zum Theil durch Kombination gefunden werden können, und, wie wir denken, bedarf es dazu nicht einer solchen, die in „die übergeschichtliche Region zeugnissloser Phantasieen und Ahnungen“[3] hineinragt.
Manches, was ich behaupte, wird bisher geäusserten Ansichten widersprechen. Wenn ich nun auch diesen letzteren nicht zustimmen kann, so fühle ich mich doch in aufrichtiger Anerkennung ihrer Verdienste den gelehrten Männern, welche sie veröffentlichten, zu grossem Danke verpflichtet für die Anregungen, die sie mir durch ihre Werke gegeben haben. Es ist nicht alles neu, was ich in meiner Abhandlung vorbringe; ich musste einige Hauptpunkte, die früher bereits festgestellt waren, wiederholen, um überzeugende Beweise in Händen zu haben; doch bleibt immer ein guter Theil übrig, den ich als mein geistiges Eigenthum in Anspruch nehmen kann. Durch gewissenhafte Forschung, getragen von Lust und Liebe zur Sache, ist es errungen, und so habe ich geglaubt, es nicht für mich behalten, sondern mit dem bereits früher Gewonnenen zu einem fest verbundenen Ganzen vereinigen und den Kreisen, die sich für derartige Fragen interessiren, zugänglich machen zu dürfen. Ueberzeugt bin ich, dass es an Angriffen, wenn sich die Kritik mit dieser Arbeit beschäftigen sollte, nicht fehlen wird; ich werde mich freuen, wenn sie mich über Irrthümer, denen ich mich hingegeben, in überzeugenderer Weise belehren, als es den Zweiflern an dem Berichte von der Umsegelung Afrikas bislang geglückt ist.
Herodot erzählt im 42. Kapitel des IV. Buches seines Geschichtswerkes Folgendes: „Es ist klar, dass Libyen vom Meere umflossen ist mit Ausnahme des Theiles, der an Asien grenzt, und dies hat Necho, der König von Aegypten, soweit wir wissen, zuerst bewiesen. Als dieser nämlich die Arbeiten an dem Kanale einstellen liess, der aus dem Nile in den arabischen Busen führen sollte, sandte er phönizische Männer zu Schiffe ab mit dem Befehl, auf der Heimreise durch die Säulen des Herakles zu fahren und so über das nördliche Meer nach Aegypten zurückzukehren. Die Phönizier segelten demgemäss aus dem rothen Meere ab und fuhren in das Südmeer. So oft die Saatzeit kam, landeten sie, bestellten das Feld, wo sie gerade in Libyen waren und warteten die Ernte ab. Wenn sie aber das Korn eingeheimst hatten, fuhren sie weiter, bogen nach Verlauf von zwei Jahren im dritten durch die Säulen des Herakles und gelangten nach Aegypten. Sie erzählten aber – was mir zwar nicht glaublich ist, vielleicht aber einem andern – dass sie bei ihrer Fahrt um Libyen die Sonne zur Rechten gehabt“[4].
Diese wenigen Zeilen sind es, an welche der gewaltige wissenschaftliche Streit anknüpft; die Zahl der Kämpfer, über die jede Partei verfügt, ist nicht gering, und hier, wie da finden sich Namen von gutem Klang. Auf der einen Seite, derjenigen der Zweifler, stehen zunächst einige Schriftsteller des Alterthums[5]; sicher ist nämlich, dass man seit dem vierten Jahrhundert v. Chr. an die Umsegelung Afrikas durch die Phönizier, sowie an die Thatsache, welche durch sie bewiesen werden sollte, die Halbinselgestalt Libyens, nicht allgemein geglaubt hat[6]. Seit jener Zeit schon existiren also in der Beurtheilung unserer Frage zwei Parteien. Die alexandrinischen Gelehrten leugneten wunderbarerweise die Umschiffung[7], ebenfalls Posidonius, wie uns Strabo erzählt[8], auch dieser letztere Schriftsteller selbst; wenigstens nimmt er einen Theil der afrikanischen Küste als noch unbefahren an[9]. Dieser Zweifel Strabos an der Umsegelung Afrikas ist um so auffälliger, als er z. B. die Argonautenfahrt ohne Beanstandung als geschichtliche Wahrheit gelten lässt[10]. Sein Zeugniss in betreff der phönizischen Reise wird aber verdächtig durch den Umstand, dass er an einer Stelle sagt[11], alle, die versucht hätten, vom rothen Meere oder von den Säulen des Herakles aus Libyen zu umsegeln, seien nicht um die Südspitze herumgekommen, während er doch gleich darauf Afrika im Süden für umschiffbar erklärt. Woher konnte Strabo denn das aber wissen? Es ist klar, dass dieser Widerspruch Misstrauen erwecken muss und seinen Zweifel an der Umsegelung ohne Gewicht erscheinen lässt. Von namhafteren neueren Schriftstellern erheben Bedenken gegen die Wahrheit der Erzählung Bunbury[12], der Verfasser des Artikels „Africa“ in „The Penny Cyclopaedia“[13], Gosselin[14], Lelewel[15], welcher meint, dass genauere Betrachtung „zu kühnerem Zweifel an der Umschiffung ganz Afrikas, worüber so viel schriftstellerischer Fleiss sich vergebens angestrengt hat, geneigt macht“, Malte-Brun[16], der die Ansicht vertritt, dass die Fahrt überhaupt nicht stattgefunden habe oder höchstens eine entstellte Ueberlieferung sei, Vincent in seinem interessanten Werke[17] und vor allen Dingen Vivien de St. Martin[18]. Diesen schliessen sich an unsere Landsleute v. Bohlen[19], Bredow[20], Forbiger[21], sowie Mannert[22], der die Umschiffung „vielleicht wahrscheinlich“ nennt, dessen Scheingründe für die geäusserten Zweifel aber von Heffter[23] gründlich widerlegt sind. Die hier angeführten Namen repräsentiren die gelehrten Zweifler jedoch durchaus nicht erschöpfend; sie nennen nur einige der bedeutendsten und lassen der Vervollständigung weiten Spielraum. Jedenfalls hat Wheeler Recht[24], wenn er die Ueberlieferung nennt: „a narrative, which was evidently believed by Herodotus and his contemporaries, but rejected by succeeding authors and doubted by many of the ablest geographers of modern times“.
Diesen zahlreichen Ungläubigen steht nun aber eine nicht minder stattliche Schaar von Schriftstellern gegenüber, welche mit grösserer oder geringerer Ueberzeugung für die Glaubwürdigkeit des herodoteischen Berichtes eine Lanze eingelegt haben. Aus dem Alterthum ist uns zwar nur ein Zeugniss durch Herodot selbst übermittelt, und dies ist nicht ganz unanfechtbar – denn ob die Worte IV, 43: „μετὰ δὲ Καρχηδόνιοί εἰσι οί λέγοντες“ bedeuten sollen, dass die Karthager die vorausgegangene Erzählung von der Fahrt der Phönizier bestätigten, oder nicht vielmehr, sie hätten die Umschiffbarkeit Libyens selbst ausgekundet, ist fraglich –; die spätere Zeit stellt uns deren aber eine reiche Fülle zur Verfügung. Ich erwähne Dureau de la Malle[25], Grote[26], Maspéro[27], Quatremère[28], Rennel[29], Wheeler, der nach seiner eigenen Aussage in den meisten Punkten sich an Rennel anschliesst[30], ferner Bähr[31], Gesner[32], dessen Abhandlung persönlich einzusehen mir leider nicht gelungen ist, Heffter[33], die treffliche Arbeit Junkers[34], Knös[35], Sandberg, von dem wir eine sehr verdienstvolle Dissertation besitzen[36], Duncker[37], Heeren[38], Lieblein[39], A. v. Humboldt[40], Löwenberg[41], Paulitschke[42], Peschel, welcher freilich hinzusetzt: „Wenn wir uns auch einigen Zwang auferlegen müssen an solch hohe nautische Thaten zu glauben“[43], und – last, not least – Karl Ritter[44]. Ich bemerke ausdrücklich, dass auch diese Reihe von Vertheidigern der Erzählung des Herodot keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit macht; der kurze Ueberblick zeigt uns aber schon, dass auch auf dieser Seite gewichtige Namen vertreten sind.
Naturgemäss werden wir uns nun beim Lesen eines Berichtes, der Zweifel an seiner Zuverlässigkeit erwecken kann und von irgend einer Seite verdächtigt wird, zunächst die Frage nach dem Charakter des Berichterstatters vorlegen und zu ergründen suchen, ob er unbedingtes Vertrauen verdient oder etwa die Vermuthung berechtigt erscheinen könnte, er habe uns täuschen wollen oder sei selbst getäuscht worden. Bei der Erörterung der Frage nach der Glaubwürdigkeit Herodots betreten wir nun zwar eine recht oft begangene Strasse; dies darf uns aber nicht abschrecken, denn ohne sie zu passiren, kommen wir nicht ans Ziel. Dass im allgemeinen aus seinen Werken grosse Wahrheitsliebe spricht, ist nur von Wenigen geleugnet worden, und diese Wenigen gehören dem Alterthume an; auch die neuere Forschung hat ihn vor ihr Tribunal gezogen, aber von dem Verdachte absichtlicher Täuschung völlig freigesprochen. Schon seine kindliche Schreibweise erweckt Vertrauen. Zwar verwirft er ja auch das Seltsamste nicht als unmöglich, aber „nicht aus Leichtgläubigkeit, sondern weil seine Erfahrung ihm die Wirklichkeit der sonderbarsten Dinge gezeigt hat, welche er innerhalb der Grenzen der Heimath für unmöglich gehalten haben würde“[45]. So findet sich in seinem Werke genug des Wunderbaren, ja des Fabelhaften, doch alles dieses ist nicht im Stande gewesen, in den gediegensten Forschern die Vermuthung wachzurufen, er habe seine Leser absichtlich täuschen wollen. Doch hat er das Schicksal vieler Reisenden getheilt, die von Dingen erzählten, welche der Mitwelt und zum Theil auch noch der Nachwelt als Wunder erschienen: Die ersten Zweifel an seiner Wahrheitsliebe sind das Signal gewesen, auf welches hin ein allgemeiner Angriff auf seine Zuverlässigkeit stattgefunden hat; wohl über keinen der alten Historiker ist mehr Zank und Streit gewesen, und erbittert ist oft die Fehde entbrannt[46]. Das Resultat war, dass man seine Glaubwürdigkeit im Allgemeinen nicht mehr anzweifelt, wenn ja auch dies oder jenes mit Recht jetzt noch Widerspruch erfährt und immer erfahren wird. Eine Betrachtung im Einzelnen wird dies mildere Urtheil begründet erscheinen lassen, denn offen und ehrlich bekennt Herodot in vielen Fällen seine Unwissenheit und verschweigt nicht, wo er nur Vermuthungen bietet. Er erzählt nur das als sicher, was er genau zu wissen meint[47], und gesteht ein, wenn er ungenau über etwas unterrichtet ist[48]; es liegt ihm gänzlich fern, in solchem Falle die Leser mit Märchen zu unterhalten[49]. Auch wenn ihm das eine oder das andere als nicht ganz zuverlässig gemeldet wird, registrirt er diesen Umstand sorgfältig[50]; ist er aber bei zwei Darstellungen einer und derselben Sache zweifelhaft, welche vorzuziehen sei, so prüft er sie entweder auf ihre Wahrhaftigkeit und trifft demnach seine Auswahl[51] oder theilt beide mit, dem Leser anheimstellend, für welche er glaubt, sich entscheiden zu müssen[52]. Vor allem aber macht Herodot stets als gewissenhafter Berichterstatter einen Unterschied zwischen dem, was er selbst gesehen und erlebt, und dem, was er nur von andern gehört hat[53]. Dass er bei Ueberlieferung von Nachrichten ersterer Art wahrheitsgetreu verfahren ist, können wir in vielen Fällen noch jetzt beweisen; so sind seine Angaben über asiatische Verhältnisse, die vielfach Angriffe erfuhren, grossentheils durch nunmehr entzifferte Keilinschriften bestätigt worden, und derartige Beglaubigungen seiner historischen Treue sprechen naturgemäss auch für Zuverlässigkeit in vielen andern Dingen. Wohl erscheint ja Herodots Erzählung manchmal wunderbar und sagenhaft und schreitet scheinbar mehr in dem Gewande phantasiereicher Dichtung als in dem ernster Geschichtsschreibung einher, doch würde man unrecht thun, ihn deswegen der Uebermittlung absichtlich lügenhafter Berichte zu zeihen; pflegt er doch, wo ihm Zweifel an dem, was er aufzeichnet, kommen, gewissenhaft dem allzu vertrauensseligen Leser durch eine passend eingeflochtene Bemerkung eine Warnungstafel zu errichten. Ja, an manchen Stellen verhehlt er seinen eigenen Unglauben keineswegs, wenn er sich deshalb auch nicht für berechtigt hält, seiner Pflicht als Geschichtsschreiber durch Verschweigen untreu zu werden, wie II, 123, wo es heisst: „Diese Geschichte mag glauben, wer will; ich theile mit, was überliefert ist.“ Mit vollem Rechte haben ihm daher auf Grund solcher Erwägungen berufene Beurtheiler der Neuzeit, wie beispielsweise unter den Litterarhistorikern Otfried Müller, unter den Geographen – was hier doch besonders wichtig – Vivien de St. Martin, der sich zwar, wie oben erwähnt, der Umsegelung Afrikas gegenüber zweifelnd verhält, und viele andere das Zeugniss grosser Wahrheitsliebe nicht verweigert[54].
Können wir demnach fest überzeugt sein, dass Herodot uns nicht absichtlich täuscht, so wollen wir uns andrerseits nicht verhehlen, dass er ein recht schwacher Kritiker ist. Er prüft und kritisirt wohl, aber eigentlich kritisches Talent besitzt er nicht, und Stein charakterisirt ihn treffend mit folgenden Worten[55]: „Jene unwandelbare Kritik, die in den Kern der Dinge dringt, unbekümmert, ob darüber die Form der Tradition zertrümmert wird, war seiner treuherzigen, schonenden Natur fremd.“ Dürfte uns die Ansicht gewisser Schriftsteller des Alterthums leiten, so würden wir freilich gezwungen sein, wie manches andere, so auch den Bericht über die phönizische Expedition mit starkem Misstrauen zu lesen; die Urtheile, welche seine mangelnde kritische Befähigung zumal bei zweien seiner Volksgenossen hervorgerufen hat, sind hart genug. Ich denke, indem ich dies schreibe, an Aristoteles und Plutarch; der erste hält ihn für einen Fabulisten[56], und der andere lässt an der ganzen Art seiner Berichterstattung kein gutes Haar[57]. Auf alle Fälle ist also beim Lesen seines Werkes Vorsicht geboten, und wir werden ihm daher die Nachricht über die Expedition auf sein Wort trotz seiner anerkannten Wahrheitsliebe nicht ohne weiteres glauben dürfen, sondern alle in Betracht kommenden Verhältnisse einer sorgfältigen Prüfung unterwerfen müssen.
So würde es sich z. B. empfehlen, zunächst zu fragen, wie es denn hinsichtlich der Zuverlässigkeit der übrigen Nachrichten aussieht, welche Herodot über Aegypten mittheilt, und da werden wir bei kompetenten Beurtheilern die Ansicht vertreten finden, dass diese, trotz mannigfacher Irrthümer im einzelnen, im ganzen und grossen durch spätere Forschungen bestätigt sind, und zwar sowohl die geschichtlichen, wie die dem Gebiete der Landeskunde angehörigen, so dass der Geograph Vivien de St. Martin eben so recht hat, wenn er über das, was Herodot in Aegypten erfahren, in seiner Histoire de la géographie, p. 85, urtheilt: „ses informations, içi comme partout d’une remarquable exactitude ...“, wie der Aegyptolog Lieblein, wenn er in seinem oben zitirten Werke, p. 77, sagt: „Die neuere historische Kritik ist übrigens zu der Erkenntniss gekommen, dass Herodot nicht, wie man früher wähnte, ein Fabler sei, den man ungestraft vernachlässigen kann, sondern ein in all seiner Naivetät wahrhafter Erzähler, zu dem man Vertrauen haben muss.“ Vor den Urtheilen so gewichtiger Autoritäten wird nun aber auch der Vorwurf in sich zusammensinken, dass Herodot seine Leser unabsichtlich getäuscht, indem er, der Sprache des Nillandes vielleicht nur oberflächlich kundig, seine ägyptischen Gewährsmänner nicht ganz richtig verstanden habe. Wir dürfen nach den Aeusserungen der eben zitirten Gelehrten mit Fug und Recht annehmen, unser Schriftsteller sei im Stande gewesen, einer ihn sicherlich wegen ihrer scheinbaren Absurdität in hohem Grade interessirenden Nachricht, wie diese Mittheilung war, auf den Grund zu gehen. Wesentlich ist ihm bei dem Bestreben, nur Zuverlässiges zu berichten jedenfalls auch die Menschenkenntniss, welche er auf seinen weiten Fahrten erworben, zu statten gekommen; als er in Aegypten weilte, hatte er bereits Assyrien, Medien und Persien bereist[58]. Der Verkehr mit den verschiedensten Volksstämmen und Individuen hatte sein geistiges Auge geschärft, so dass er ohne Mühe erkennt, wenn jemand ihm etwas aufbinden will und sich mit ihm nach dieser Richtung hin einen Scherz erlaubt[59]. Vor Täuschungen, welche in einem derartigen Bestreben ihren Ursprung haben könnten, dürfen wir uns daher als gesichert betrachten und können ohne Bedenken behaupten, dass Herodot nicht nur geneigt, sondern auch befähigt war, die Wahrheit zu erkunden und zu übermitteln[60].
Persönlich hatte er jedenfalls keinen Grund, an der Wahrheit jener Erzählung zu zweifeln. Seine ägyptischen Nachrichten hat Herodot nach der landläufigen Annahme grösstentheils von den dortigen Priestern erhalten. Dass diese Vermuthung richtig ist, lässt sich aus mehreren Stellen seines Werkes mit einiger Sicherheit schliessen[61]. Zu beweisen ist sie freilich nicht, und der Zweifel, den Junker in seiner Abhandlung[62] äussert, kann nicht strikte widerlegt werden; es erscheint aber doch nicht gerade wunderbar, dass Herodot sich, um Auskunft über dies und das zu erhalten, an diejenigen Männer wandte, welche er mit Recht als die gründlichsten Kenner ihrer Heimath und der Geschichte ihres Volkes ansah, und dass er bei dieser Gelegenheit auch von der phönizischen Expedition hörte. Auf alle Fälle werden seine Gewährsmänner – ob nun, wie in erster Linie zu vermuthen, Priester oder nicht – Leute gewesen sein, denen er glaubte vertrauen zu dürfen, denn nicht an der Fahrt selbst zweifelt er, sondern die ihm unerklärliche Stellung der Sonne scheint ihm unglaublich.
Aber auch aus innern Gründen die Nachricht anzuzweifeln, lag für ihn keine Veranlassung vor. Dass eine Umschiffung Afrikas im Süden – rein geographisch betrachtet – möglich sei, nahm das herodoteische Zeitalter wohl allgemein an, und das war nicht wunderbar. Homer und seine Zeitgenossen hielten für ausgemacht, dass im Westen und Osten die Landmassen vom Oceanus umgeben würden, der durch den Phasis und die Strasse von Gibraltar mit dem mittelländischen Meere in Verbindung stände. In Betreff der Begrenzung der Länder im Norden und Süden fehlte ihnen jede positive Kenntniss, nicht aber eine Vermuthung, dahin zielend, dass diese beiden Enden der Welt durch Umströmung mit den Gegenden des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs verbunden seien. Da konnte den Völkern zur Zeit des Herodot, denen die Meere, welche die Ost- und Westküste Afrikas bespülen, zum Theil bekannt waren, die Annahme nicht fern liegen, dass diese durch eine sie im Süden verbindende Wasserwelt eins seien und der Schifffahrt um die Südspitze Libyens kein Hinderniss im Wege stehe. Ebenso wenig konnte sich Herodot aber an dem Zeitmasse der Umsegelung stossen, denn zu dem, was die Schiffe des Alterthums an Schnelligkeit leisten konnten, stand die Dauer der phönizischen Reise, wie unten gezeigt werden wird, durchaus in keinem Missverhältnisse. Und sollte denn – bei aller Achtung, die auch er sicherlich der Kühnheit eines so grossartigen Unternehmens zollte – ihm diese Fahrt etwa wegen ihrer Gefahren und Beschwerden so unmöglich erschienen sein, dass er glauben musste, man erzähle ihm ein Märchen? Wir können dies nicht annehmen; wir werden vielmehr verstehen, warum Herodot der Erzählung ohne hierauf bezügliche Bedenken Glauben entgegenbrachte, sobald wir uns erinnern, dass unser Schriftsteller nach der Verbannung aus seiner Vaterstadt in Samos gelebt und hier gewissermassen eine zweite Heimath gefunden hatte. Von Samos war aber Koläos zu seiner berühmten Reise ausgefahren, und wer, dem, wie Herodot doch jedenfalls, die Erzählung von dieser kühnen Meerfahrt bekannt war, hätte zweifeln sollen, dass eine Expedition wie die der Phönizier möglich sei?
Fassen wir nun kurz zusammen, was sich als Resultat über die Glaubwürdigkeit unseres Berichterstatters ergiebt, so lässt sich dasselbe etwa dahin präzisiren, dass wir zwar seine Schwäche als Kritiker nicht leugnen können, andrerseits aber an seiner Wahrheitsliebe nicht zweifeln und keinesfalls ihm die Absicht zutrauen dürfen, uns mit Fleiss zu täuschen. Wir haben ferner keine Berechtigung, ihm die Fähigkeit abzusprechen, seine Gewährsmänner nach ihrem wahren Werth zu beurtheilen, seine ägyptischen Nachrichten im allgemeinen für unzuverlässig zu erklären oder Erstaunen darüber zu äussern, dass er speziell der Erzählung von der Umsegelung ohne Zweifel an ihrer Wahrheit lauschte und sie weiter verbreitete. Dagegen sind wir in der Lage, die oben über ihn verzeichneten ungünstigen Aeusserungen als durchaus unrichtig oder gar böswillig zurückzuweisen und von vorn herein der Prüfung des Berichtes näher zu treten ohne Vorurtheil gegen den, welcher ihn erstattet.
In zweiter Linie werden wir gut thun, um zu einem sichern Urtheil über die Glaubwürdigkeit der in Betreff der phönizischen Expedition uns überlieferten Nachricht zu gelangen, uns über die Zuverlässigkeit der muthmasslichen Gewährsmänner Herodots, der ägyptischen Priester, ein Urtheil zu bilden. Wir sind glücklicherweise bei dem Material, welches wir durch unsern Schriftsteller selbst und an andern Stellen aufgezeichnet finden, dazu im Stande. Dahin gehört zunächst eine Bemerkung des Strabo, der die ägyptischen Priester als „geheimnissvolle und ungern mittheilende Menschen“[63] bezeichnet. Hieraus dürfen wir vielleicht den Schluss ziehen, dass sie nur gegen die sich äusserten, welche sich ihres besonderen Wohlwollens erfreuten, können aber andererseits dann auch nicht annehmen, dass sie solche Männer zu hintergehen und durch falsche Berichte zu täuschen suchten. Da sie es nun, wie wir gesehen haben, höchst wahrscheinlich waren, welche dem Herodot Mittheilungen zukommen liessen, liegt die Vermuthung von vornherein nicht gerade nahe, dass diese auf Täuschung berechnet gewesen seien. Die weiten Reisen, welche Herodot bereits gemacht hatte, als er ägyptischen Boden betrat, mochten in einer Zeit, die an Verkehrsmitteln bequemer Art so arm war, wie das 5. Jahrhundert v. Chr., noch weit mehr imponiren als heutzutage und dem kühnen Wanderer von vorn herein eine begünstigte Ausnahmestellung in den Augen von Männern sichern, zu denen er kam mit der Bitte, ihn auch in ihres Landes Geschicke und Sitten einen Einblick thun zu lassen. Freilich lag ja unter diesen Umständen die Versuchung nahe, Bilder zu entwerfen, die mehr darauf berechnet waren, Bewunderung wach zu rufen, als die Verhältnisse der Wahrheit gemäss darzustellen, zumal wenn wir das natürliche Bestreben der Gewährsmänner in Betracht ziehen, über ihr Volk und ihre Heimath nicht minder Grossartiges und Interessantes zu berichten, wie der Hörer bereits über die mächtigen Reiche erkundet hatte, in die ihn sein Weg vorher geführt. Die Möglichkeit also, dass Herodot in Bezug auf die phönizische Expedition einer schlau berechneten Täuschung zum Opfer gefallen sei, könnte im ersten Augenblicke als ziemlich nahe liegend erscheinen, besonders wenn man die nicht wegzuleugnende Ruhmredigkeit der ägyptischen Priester in Betracht zieht, die trotz achtbarer Leistungen alter, wie neuer Zeit auf diesem Gebiete doch wohl unübertroffen dastehen möchte. Wem daran liegt, sich von der staunenswerthen Fertigkeit derselben nach dieser Seite hin eine Vorstellung zu machen, dem sei die Lektüre des Gedichtes auf Ramses II., vom Tempeldiener Pentaur verfasst, warm empfohlen[64]. Auch sonst hat jener Nationalheld herhalten müssen als Spiegelbild ägyptischer Grösse, und die Ausschmückung seiner Feldzüge zeigt uns auf Schritt und Tritt, wie die Historiographen des Nilthales – und das können doch nur die Priester gewesen sein – es verstanden, auf Kosten der Wahrheit Grossthaten ihrer Könige und ihres Volkes zu erfinden[65]. Auch das ist nicht unverdächtig, dass Herodot von den ägyptischen Verhältnissen meistens nur das für Aegypten günstig Lautende weiss; das weniger Ruhmreiche haben ihm seine Gewährsmänner wohlweislich verschwiegen, und wenn wir nicht durch andere Quellen darüber aufgeklärt wären, dass es auch sehr trübe Zeiten für das Land der Pyramiden gegeben hat, würden wir uns unter Zugrundelegung des herodoteischen Berichtes allein von manchen Perioden ein völlig falsches Bild machen. Beispielsweise hat Herodot sicherlich nicht das Geringste davon erfahren, dass jemals Assyrier über das Nilthal geherrscht hatten. Diesem Verschweigen von Demüthigungen – so wird mancher folgern – konnte nun aber ein Erfinden von Grossthaten, wie z. B. die Umsegelung Afrikas eine war, leicht nahe verwandt sein. Und doch ist es nicht wahrscheinlich, dass die Priester Herodot gegenüber eine solche Taktik befolgt haben. Einmal müssen sie gegen ihn von einer ganz besonderen Offenheit gewesen sein; das sehen wir daraus, dass ein Kollegium ihn sogar in seine Mysterien einweihte[66] – ein Beweis des Vertrauens, wie er grösser nicht gedacht werden kann. Dieses Kollegium, dem sicher eine absichtliche Täuschung des Fremdlings fern lag, war das saïtische, das, im Delta wohnend, jedenfalls über alle maritimen Vorkommnisse am besten unterrichtet sein konnte, und da zu Saïs der Palast des Necho, des intellektuellen Urhebers der phönizischen Expedition, gestanden[67], speziell auch von dieser Unternehmung jedenfalls die genaueste Nachricht hatte. Wir werden also kaum fehl gehen, wenn wir annehmen, dass in einem der Tempel zu Saïs die Quelle floss, aus der Herodot seine Kenntniss von der Umsegelung schöpfte. Sodann waren die Aegypter von einem förmlich krankhaften Nationalgefühl beseelt; alles Fremde, von dem sie fürchten mussten, dass es die von den Vätern überkommenen Sitten und Anschauungen beeinflussen könnte, war ihnen von vorn herein unsympathisch, und wir können fest überzeugt sein, dass die Einwanderer aus andern Nationen, welche, wie unten weiter erörtert werden wird, wohl schon vor Psammetich, jedenfalls aber unter diesem Könige und unter Amasis sich in Aegypten niederliessen, also auch die Phönizier, den Priestern, als den geborenen Vertretern und Vertheidigern altägyptischen Wesens, ein Dorn im Auge waren. Man mag es noch als einen Akt selbstbewusster Vaterlandsliebe betrachten, wenn ein Priester dem Perserkönige Darius trotz zweifellos grosser Thaten nicht das Recht zugestehen wollte, seine Bildsäule vor derjenigen des Pharao Sesostris, einer völlig mythischen Persönlichkeit, aufzustellen[68] – viele andere Züge, die uns das Alterthum überliefert hat, zeigen uns zur Genüge Ueberschätzung der eigenen Weise, verbunden mit Geringachtung alles anders Gearteten. So können wir mit voller Sicherheit annehmen, dass es nicht in der Absicht der Priester lag, den Phöniziern eine nautische Grossthat zuzuschreiben, wenn sie dieselbe nicht wirklich ausgeführt hatten; ihre pfäffische Unduldsamkeit war sicher eher geneigt, sie zu verkleinern als zu erheben, wenn auch von einem ihrer eigenen Könige der Befehl zu jener That gegeben war. Eben dass er Phöniziern, dass er Fremden Gelegenheit gegeben hatte, Ruhm zu erwerben, wird ihnen wenig angenehm gewesen sein. Endlich aber wirkt die Schlichtheit des Berichtes überzeugend; gerade so einfach, wie Herodot sie in Aegypten hörte und später aufzeichnete, klingt die Erzählung wahrheitsgetreu und zuverlässig. Hätten die Priester sie mit Fabeln ausschmücken wollen, wie leicht wäre ihnen das geworden! An Phantasie dazu fehlte es ihnen wahrlich nicht, das zeigt das von Eduard Meyer in der „Geschichte des alten Aegyptens“[69] in seinen Grundzügen mitgetheilte Märchen von dem ägyptischen Odysseus, der, allein von seinen Genossen aus dem Schiffbruch gerettet, den Versuchungen der Tochter des Schlangenkönigs widersteht und schliesslich die Heimath wiedersieht. So dürfen wir als Resultat dieser Betrachtung wohl die Ueberzeugung hinstellen, dass die ägyptischen Priester, wenn auch sonst manchmal mit der Wahrheit auf gespanntem Fusse, in diesem Falle wahrscheinlich eine Thatsache berichteten, keinenfalls aber, sei es nun wegen eines masslosen Chauvinismus – der freilich genau so die Modekrankheit des Alterthums gewesen zu sein scheint, wie er die der neuesten Zeit ist – sei es aus den andern oben erwähnten Gründen, eine phönizische Grossthat zu berichten sich geneigt zeigten, wenn sie nicht geschehen war. Ob sie aber geschehen war, darüber hatte man doch zunächst ums Jahr 600 nicht wohl im Zweifel sein können. Waren die phönizischen Schiffe, die man mit der Umsegelung beauftragt hatte, damals wirklich vom rothen Meere in den Nil eingelaufen, so mussten sie Afrika im Süden umsegelt haben; denn da es – wenn wir Herodot glauben dürfen – unter Necho eine Wasserverbindung zwischen dem arabischen Meerbusen einerseits und dem Nil oder dem Mittelmeer andrerseits nicht gab, hätten die Schiffer ja sonst ihre Fahrzeuge zu Lande bis an jenes Becken, bezw. den genannten Fluss schaffen müssen, und, ganz abgesehen von der Umständlichkeit, wird doch niemand glauben, dass sie dies völlig unbemerkt hätten thun können. Man wusste also in Aegypten zur Zeit Nechos jedenfalls ganz genau, wie man mit den Phöniziern daran war. Erzählten nun die Priester dem Herodot trotz ihrer ausgesprochenen Missgunst gegen fremde Verdienste von einer phönizischen Fahrt um Afrika, so können wir annehmen, dass ihr Bericht in wohl verbürgter Tradition aus jener früheren Periode wurzelte, die Schiffer durch die Nilmündungen heimgekehrt waren und also ihre Aufgabe wirklich gelöst hatten.
Die nächste Betrachtung, welche uns beschäftigen muss, wenn wir zu einem klaren Urtheile in der Frage nach der Glaubwürdigkeit der phönizischen Expedition gelangen wollen, wird die sein, ob Necho uns in seinen übrigen Thaten und in den Nachrichten, welche hinsichtlich seines Charakters uns sonst übermittelt sind, als ein Mann entgegentritt, dem wir so ausserordentlich grossartige Pläne, wie der Afrika umsegeln zu lassen einer ist, zuzutrauen das Recht haben, und da wird es zur Klärung dienen, wenn wir uns danach umsehen, welche Rolle das Herrscherhaus, dem er entstammte, denn überhaupt in der ägyptischen Geschichte spielt. Wir sahen bereits, dass das Königsgeschlecht, dem Necho angehört, aus Saïs stammte und hier seine Residenz hatte; es war die Dynastie, welcher von Königen, die in weiteren Kreisen bekannt sind, auch Amasis angehörte. In dieser Königsfamilie findet sich nun eine wunderbare Mischung vom Haften an altägyptischer Tradition und dem Uebergange zu einer Lebens- und Denkungsweise, welche den bisher über die Wahrung der königlichen Würde und die Bahnen, in denen sich die weitere Entwickelung des ägyptischen Volkes zu vollziehen habe, im Nilthale vertreten gewesenen Anschauungen diametral entgegenlief. Um nur ein Beispiel anzuführen für das Streben dieser Fürsten in die Fussstapfen der früheren Könige zu treten, genügt es, darauf hinzuweisen, dass Amasis hinsichtlich der Grossartigkeit seiner Bauten durchaus den alten Pharaonen sich würdig zur Seite stellt[70]. Dahingegen durchbrechen die Saïten in mancher andern Beziehung völlig die altägyptische Sitte, und so können wir uns nicht wundern, wenn wir vernehmen, dass die Wiege dieses Herrschergeschlechtes überhaupt nicht am Nil, sondern in Libyen gestanden hatte[71]. Als Söldner waren seine Vorfahren nach Aegypten eingewandert, und es erklärt sich demnach leicht, wenn die Nachkommen keinen Anstoss daran nahmen, sich über Hergebrachtes in vielen Stücken ohne Bedenken hinwegzusetzen. So hat Psammetich, der Vater des Necho, in das sonst so abgeschlossene Aegypten jedenfalls griechische Kriegsknechte[72], vielleicht auch Phönizier[73] aufgenommen; überhaupt stützte sich die saïtische Dynastie nicht auf die alte ägyptische Kriegsmacht, sondern auf Söldner, die sie in ihren Dienst nahm, und die bisher libyscher Abkunft gewesen waren[74]. Daneben wich auch auf andern Gebieten die Jahrtausende lang geübte Zurückhaltung der Aegypter einem freieren Auftreten; der Verkehr mit fremden Staaten und Völkern wurde begünstigt, der Handel gefördert. Ja, wir erkennen mit Staunen, wie die uralten Bande des Ceremoniels, welche die ägyptischen Könige seit undenklichen Zeiten wie mit eisernen Ketten gefesselt gehalten hatten, durch die leichtlebigen Anschauungen eines Amasis gelockert werden und fallen[75]. An dem Königthum dieses Fürsten ist nur noch die Hälfte ägyptisch; Amasis hielt sich – nach alter Anschauung ein Sacrilegium an der Würde des Thrones! – eine griechische Leibwache, und es kann nicht geleugnet werden, dass er philhellenischen Tendenzen in ausgiebigster Weise huldigte[76]. Kurzum die Zeit der Saïten ist eine Periode der gewaltigsten Reformen im ganzen ägyptischen Staatsleben; von dem, was die Ptolemäer dem Lande später sind, finden wir bereits eine Spur bei dieser Dynastie, der sechsundzwanzigsten im Lande der Pyramiden.
Ein Spross dieses Königshauses war also auch Necho, und das hilft verstehen, wie er auf den Gedanken einer Umsegelung Afrikas kam. Es ist aber nicht nur der Charakter seines väterlichen Geschlechtes, der diesem Fürsten seinen Stempel aufgedrückt hat, er war zweifellos persönlich ein hervorragender Mann. Ein kurzer Blick auf seine Regierung wird uns davon überzeugen. Wie viele der bedeutenderen ägyptischen Könige vor ihm, hat auch er seinem Unternehmungsgeiste die Zügel schiessen lassen durch einen Einfall in Syrien; dass er zu diesem Vorgehen die politische Konstellation benutzte, welche sich ihm zeigte, als Assyrien durch Kyaxares von Medien und Nabopalassar von Babylon angegriffen wurde, die drei grossen asiatischen Reiche also vollauf beschäftigt waren, beweist, wie er es verstand, von günstigen Umständen zur Erreichung seiner Zwecke Vortheil zu ziehen. Den König von Juda, Josias, der ihm bei seinem Beginnen zunächst entgegentrat, besiegte er mit leichter Mühe bei Megiddo[77], dann ging der Zug weiter an den Euphrat. Aber mittlerweile war das assyrische Reich gefallen, die Sieger hatten die Beute getheilt, und Nabopalassar fand nun Zeit, seinen Sohn Nebukadnezar dem ägyptischen Heere entgegenzusenden, um den unbequemen Feind in seine Grenzen zurückzuweisen. Durch die Schlacht bei Karchemisch wurde diese Absicht erreicht[78] und Necho gezwungen, ganz Syrien zu räumen und sich auf sein ägyptisches Gebiet zu beschränken. Wie schwer mag es ihm bei den Plänen, mit denen er sich trug, geworden sein, auch die für Handel und Schifffahrt so wichtigen phönizischen Küstenstädte wieder aufzugeben! Hatte er so als Feldherr wenig Lorbeern geerntet, und durfte er nicht daran denken, dem mächtigen Herrscher von Babylon noch einmal mit den Waffen in der Hand entgegenzutreten, so ist er doch staatsmännisch auch später gegen denselben thätig gewesen und hat ihm Schwierigkeiten bereitet, wo er konnte, zumal durch Schürung des Hasses, den man im Reiche Juda gegen die Chaldäer empfand, und der schliesslich zur Empörung führte[79]. Und weit entfernt sich durch den syrischen Misserfolg entmuthigen zu lassen, hat Necho seiner Thatkraft alsbald andere Bahnen eröffnet. Die Verwirklichung des grossartigen Planes, den wahrscheinlich schon vor ihm ein ägyptischer Herrscher auszuführen versucht hatte[80], den nachher mehrere intelligente und energische Regenten jenes Landes mit nur zeitweiligem Erfolge wieder aufgenommen haben, und der in unsern Tagen nun endlich, ein leuchtender Sieg des menschlichen Geistes über die erdgestaltenden Naturkräfte, definitiv der Vollendung entgegengeführt ist – die Verbindung des mittelländischen Meeres mit dem rothen Meere durch einen ägyptischen Nordostseekanal – hat Necho als wesentliche Aufgabe in sein Regierungsprogramm aufgenommen[81] und dadurch der Mit- und Nachwelt den Beweis geliefert, dass er dem thörichten Wahne, der Lorbeer der Unsterblichkeit werde nur auf blutgetränktem Schlachtfelde angesichts der feindlichen Lanzenspitzen gepflückt, entsagt hatte und klar erkannte, dass seine üppigsten Blätter gerade den Fürsten entgegengrünen, denen die Palme des Friedens als Symbol ihrer Thätigkeit dient, und die in der Erfüllung des hohen Berufes, unter ihren Zweigen die freundschaftlichen Beziehungen der Völker zu pflegen, ihre weltgeschichtliche Aufgabe erblicken. Freilich: si vis pacem, para bellum; das wusste auch Necho. Beabsichtigte er – und das zeigt ja der Kanalbau – den Verkehr seines Landes zu heben, trug er sich mit dem Gedanken, dem überseeischen Handel Aegyptens ein neues Gebiet zu eröffnen – und dass nur einem solchen Bestreben die Erzählung von der Umschiffung Libyens ihre Entstehung verdanken konnte, werden auch die zugeben, welche an ihre Ausführung nicht glauben – wollte er endlich einem unter Nebukadnezars Führung zu erwartenden Angriffe asiatischer Völker, der alle diese Pläne kreuzen musste, und bei dem sicherlich den Schiffen der Küstenstädte Syriens eine Rolle zugewiesen war, mit Erfolg die Spitze bieten, so war eine zahlreiche, wohl gerüstete Flotte dazu unbedingt das erste Erforderniss. Nur unter ihrem Schutze war es möglich, Handelsbeziehungen mit entlegenen Gegenden anzuknüpfen und zu erhalten, nur Kriegsschiffe in gleicher Anzahl und gleich wohl armirt, wie der Beherrscher Syriens sie ohne Mühe vom Mittelmeere aus zu einem Angriff auf das Nildelta verwenden und vom Nordende des rothen Meeres gegen die ägyptische Ostküste auslaufen lassen konnte, waren im Stande, einige Aussicht auf den Bestand des Reiches und eine wünschenswerthe Entwicklung seiner materiellen Interessen zu gewähren. So baute denn Necho eine Mittelmeerflotte und eine solche im arabischen Busen[82]. Nach Herodot hatten die Aegypter allerdings schon vor Necho eine Kriegsmarine[83], und es wäre demnach anzunehmen, der Letztere hätte dieselbe nur vergrössert; es ist aber anderweitig festgestellt, dass in älterer Zeit Kriegsschiffe nur auf dem Nil, nicht zur See vorkommen, demnach z. B. die grosse Seeexpedition, welche dem Sesostris zugeschrieben wird, ins Gebiet der Fabel verwiesen werden muss und in der That die ägyptische Trierenflotte für eine Schöpfung Nechos angesehen werden darf[84].
Das ist in grossen Zügen ein Bild dieses bedeutenden Herrschers. Nun wird es sich darum handeln: war er ein Fürst, von dem man sich den Befehl zur Umschiffung Afrikas ausgehend denken kann? Ich glaube es wird sich schwerlich jemand finden, der diese Frage zu verneinen wagt. Selbst die Bedenken Mannerts, hervorgerufen durch die ägyptische Vorliebe für Abgeschlossenheit innerhalb der eigenen Heimath[85], werden schwinden müssen, wenn der Persönlichkeit Nechos die nöthige Berücksichtigung zu theil wird. Freilich, der einzige Zweck, den er im Auge hatte, war der, für Handel und Verkehr den Weg zu ebnen; wissenschaftliche Begeisterung, welche späterhin so viele Reisen veranlasst hat und noch auf die gegenwärtigen Entdeckungsfahrten einen so grossen Einfluss ausübt, dürfen wir seiner Zeit noch nicht zutrauen, und mit Recht sagt Paulitschke: „Geistige Interessen, ein Verlangen, die Wohnstätte der Menschheit in einem auch nur mässigen Umfange kennen zu lernen, walten in dem Zeitraum bis Herodot nirgends vor“[86]. Nur das Bestreben, den materiellen Wohlstand seines Volkes durch die Theilnahme am grossen Weltverkehr zu heben, konnte selbst einen Herrscher wie Necho bewegen, Aegypten in stärkerem Masse mit dem Auslande zu engagiren. Bis jetzt gingen – abgesehen von den Fahrten nach Punt, von denen nachher die Rede sein wird – die Aegypter nicht in die Fremde zum Zwecke kaufmännischer Thätigkeit, sie liessen sich die Waren bringen, suchten sie aber nicht auf, oder sie verkauften im eigenen Lande ihre Erzeugnisse an die Nachbarvölker, die dorthin kamen, um sie zu holen[87]. Aber auch in diesem Verkehr zeigt sich ihre Abgeschlossenheit und die Scheu vor der Berührung mit Fremden; ich erinnere nur an die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern, denen man bei ihrem Besuche in Aegypten einen Tisch besonders deckte[88]. Wohl war es also ein wichtiger Schritt, den Necho that, wenn er sein Land in erweiterte Berührung mit der Fremde brachte, aber um seiner höheren Zwecke willen hat er den Bruch mit altägyptischer Sitte und Tradition nicht gescheut. Wir Deutschen der Gegenwart werden ihn verstehen; haben wir doch selbst erlebt, wie durch eine energische und weitsichtige Regierung seit dem Auftauchen der modernen Kolonialbestrebungen unserm Volke, unbekümmert um die Kirchthurmspolitik engherziger Bierbankphilister, in transozeanischen Ländern weite Gebiete zur Besiedlung erworben sind. Wer hatte früher in unserm Vaterlande – abgesehen von unbedeutenden Versuchen einer dafür noch nicht reifen Zeit – jemals an die Anlage von Kolonieen gedacht? Freilich, Widerspruch hat der grosse Kanzler, der Förderer dieser überseeischen Gründungen, so gut dabei erfahren, wie die altägyptische Partei mit Nechos Regierungsprogramme unzufrieden gewesen sein wird; aber das ist ja gerade das Charakteristische an grossen Männern, dass sie sich ihre eigenen Wege suchen. Und Necho ging noch unvermittelter vor als Bismarck, denn das Beweismittel für die Nothwendigkeit kolonialen Ländererwerbs, welches unserer Regierung aus der massenhaften Auswanderung erwuchs, fehlte dem ägyptischen Herrscher vollständig. Dagegen spielte sich hinter den Kulissen vielleicht etwas anderes ab; wir werden schwerlich fehl gehen, wenn wir annehmen, dass die Phönizier, unternehmend und erwerbslustig, wie sie waren, den König selbst zur Entsendung der Expedition angestachelt haben.
Ich schliesse hieran gleich die Zurückweisung eines Grundes, den man geltend gemacht hat, um die Unwahrscheinlichkeit der Fahrt darzuthun, und der entnommen wird aus dem Befehl des Necho, die Schiffer sollten durch die Säulen des Herakles zurückkehren. Man hat auf diese Ueberlieferung hin argumentirt, es liege in dem Wortlaut der Kursanweisung, dass Necho die Möglichkeit, Afrika im Süden zu umsegeln, gekannt habe[89]; da dies nun kaum denkbar ist, hat man hieraus einen Grund entnommen, den ganzen Bericht mit Misstrauen anzusehen. Dem gegenüber muss jedoch geltend gemacht werden, dass in einem derartigen Befehle die Möglichkeit, ihn auszuführen, noch keineswegs enthalten ist. Wie oft wird wohl beispielsweise bei kriegerischen Aktionen das Kommando ertheilt: „Der und der Truppentheil soll die und die feindliche Stellung nehmen“. Der Versuch wird natürlich gemacht, ob er aber glückt, das ist doch eine andere Frage. So wird auch der Befehl Nechos zu verstehen sein: Die Phönizier sollten eben versuchen, ob sie nicht Libyen umsegeln und durch die Strasse von Gibraltar heimkehren könnten. Gelang es ihnen nicht, so konnten sie nach Nechos vermuthlicher Ansicht, wenn sie nicht direkt umwenden wollten, auch noch auf einem andern Wege heimkehren. Das graueste griechische Alterthum lehrte, der Nil erhalte seinen Ursprung aus dem Ozeanus. Schwerlich ist nun freilich anzunehmen, die Sage habe dabei einen äussern Zusammenhang seiner Quelle mit dem Weltmeere im Auge gehabt; liess man in ältester Zeit doch alles lebendige Nass dem Ozeanus entstammen, eine Anschauung, welcher eine Ahnung von dem Kreislauf des Wassers in der Natur zu Grunde gelegen zu haben scheint. Ferner erzählten alte griechische Sagen, dass man vom indischen Ozean aus quer durch Afrika ins mittelländische Meer gelangen könne; so waren nach einer Lesart die Argonauten nach Hause zurückgekehrt[90]. Sollten diese Sagen dem Necho nicht bekannt gewesen sein, wo doch zu Naukratis und auch wohl an anderen Stellen des Deltas Hellenen wohnten, und sollten sie ihn nicht, zum Theil zu wörtlich genommen und in ihrem Kerne missverstanden, zu falschen geographischen Vorstellungen verleitet haben? Wie leicht ist das denkbar; und so mochte er die Rückkehr der Schiffer, welche er aussendete, auch wenn sie den Weg durch die Säulen nicht fanden doch auf der Route quer durch Afrika für gesichert erachten. War es dann nicht möglich, um den Süden des Erdtheils herum einen neuen Handelsweg an die Westküste zu finden, so konnte es den Bemühungen der Phönizier immer noch glücken, andere Märkte im Innern auszukundschaften.
Nach reiflicher Erwägung alles dessen, was vorhin über die saïtische Dynastie im allgemeinen und Nechos Charakter und Pläne im besonderen gesagt worden ist, werden wir nicht verkennen können, dass in Aegypten sich zur Zeit jenes Königshauses eine grossartige Umwälzung vollzieht, und dass Necho unbedingt zu den Herrschern im grossen Stile zu zählen ist. Sorgfältige Forscher haben dies auch rückhaltlos anerkannt, so Maspéro, der folgendermassen über ihn urtheilt[91]: „Necho II. war ein thatkräftiger König vom Schlage der grossen Pharaonen, der, wenn ihm nur ähnliche Hülfsquellen zu Gebote gestanden hätten, Thotmes und Seti an Ruhm gleichgekommen wäre“, und The narrative of discovery adventure in Africa by Murray, Jameson and Wilson[92]: „One of the most industrious of the native kings of Egypt was Necho, whose name ranks second only to that of Sesostris[93]. The habits and prejudices of the ancient Egyptians were unfavourable to maritime enterprises; yet this ruler, with the spirit of a great man, which raised him superior of the age, in which he lived, eagerly sought the solution of the grand mystery regarding the form and termination of Africa“.
Ist somit die Untersuchung, ob die Aussendung einer Expedition, wie die phönizische war, mit dem eben entworfenen Bilde Nechos in Einklang zu bringen sei, zweifellos in bejahendem Sinne abzuschliessen, so wird uns doch die Erzählung Herodots noch weit glaublicher erscheinen, wenn es uns glückt nachzuweisen, dass das Bestreben, das schwierige Problem der Umschiffbarkeit Libyens zu lösen, auch sonst im Alterthume auftaucht. Und in der That steht Nechos Unternehmung nicht vereinzelt da, wenn es sich bei den anderen, die wir kennen, auch schwerlich um mehr als Versuche gehandelt haben wird. Zunächst weiss Strabo[94] von einer Umsegelung zu melden, freilich nicht, ohne dass erhebliche Zweifel an ihr geltend gemacht wären. Eudoxus von Kyzikus soll (130 v. Chr.) von Gades bis zum arabischen Meerbusen um Afrika herumgefahren sein. Wahrscheinlich ist immerhin, dass er eine Ahnung von der wirklichen Gestalt des Erdtheils hatte, weil er trotz wiederholten Schiffbruches den Gedanken, Indien durch Umsegelung desselben erreichen zu können, nicht aufgab. Auch Plinius berichtet von mehreren Umschiffungen, deren Wahrheit freilich nicht minder angefochten ist[95]. Ja, selbst ein so eifriger Gegner der Glaubwürdigkeit der phönizischen Reise, wie Gosselin, hält es nicht für undenkbar, dass eine solche schon vor Necho stattgefunden habe, und glaubt, nur dieser, die er für eine Erfindung der Priester erklärt, die Wirklichkeit absprechen zu müssen[96]. Uebrigens machen die Einwürfe Gosselins an dieser Stelle seines Werkes, wie auch sonst, den Eindruck, als habe dem Verfasser mehr daran gelegen, seinen Scharfsinn in helles Licht zu setzen, als der Wahrheit die Ehre zu geben. Auch Bougainville meint[97], diese Umsegelung sei nichts Neues gewesen, wie der Wortlaut des von Necho ertheilten Befehles beweise, und die Vorsichtsmassregeln, welche die Phönizier angewendet hätten, um günstige Winde abzuwarten, zeigten, dass sie genugsam über die Natur des von ihnen zu befahrenden Meeres unterrichtet gewesen seien. Ich vermag hinsichtlich des ersten Punktes, wie oben gesagt, in den Worten Nechos nur eine Aufforderung zu einem Versuche zu erkennen, die eine wirkliche Bekanntschaft mit der vorgeschriebenen Fahrstrasse keineswegs voraussetzt, und was das Abwarten günstiger Winde anbetrifft, so steht davon zwar im Herodot nichts, doch ist anzunehmen, dass die Phönizier die wechselnden Luftströmungen des indischen Ozeans kannten und als gute Seeleute benutzten; ganz entschieden aber muss bestritten werden, dass sie diese Kenntniss nur durch frühere Reisen um Afrika herum erworben haben konnten. Auf etwaigen Handelsexpeditionen nach Indien sammelten sie jedenfalls Kenntnisse über diesen Punkt genau so gut, und dass wir Fahrten dorthin in der Zeit vor Necho weit eher annehmen dürfen, als solche, die mehr nach Süden gingen, denke ich weiter unten beweisen zu können. Mögen nun aber andere Versuche der Umsegelung Afrikas, die das Alterthum unternahm, geglückt sein oder nicht, auf alle Fälle beweisen sie, dass der Gedanke daran lebendig war und nichts Auffallendes darin liegen kann, wenn ein Mann wie Necho ihn verwirklichte. Ueber die gewaltigen Schwierigkeiten, vor deren Bekämpfung solche Afrikaumsegler bei dem damaligen Stande der Schifffahrt gestellt wurden, hat man sich freilich keineswegs getäuscht, das beweist, was Herodot über Sataspes erzählt[98]. Dieser, ein persischer Grosser, sollte wegen eines schweren Vergehens auf Befehl des Xerxes den Martertod sterben. Da bat seine Mutter für ihn und sagte, sie wolle ihm eine grössere Strafe auferlegen, als jene sei, nämlich die Umschiffung Libyens. Hiermit erklärte sich Xerxes einverstanden; wir werden uns aber gewiss nicht täuschen, wenn wir annehmen, dass er auf diesen Vorschlag nur einging, weil er die Ausführung des Wagestückes sicherem Tode gleich achtete. Sataspes segelte nun an der Nordküste Afrikas nach Westen, um, den Erdtheil zur Linken behaltend, um die Südspitze herum ins rothe Meer zu gelangen. Da ihm hierbei auf dem grössten Theile der Strecke Winde und Strömungen entgegen waren, verlor er den Muth, wandte sein Schiff und kehrte heim, hatte aber nun die Nichtausführung des Befehles am Kreuze zu bereuen. Aus diesem Umstande will Junker[99] schliessen, dass das Gelingen der phönizischen Expedition dem Grosskönige bekannt gewesen sein musste. Es hat dies etwas für sich; ein schlagender Beweis freilich ist es bei der Unberechenbarkeit von Despotenlaunen nicht. Jedenfalls wird aber auch hier wieder gegen Gosselin Opposition zu machen sein. Nicht wird, wie jener behauptet, durch den verunglückten Versuch des Sataspes bewiesen, dass noch keiner vor ihm die Fahrt gemacht[100], sondern nur, dass er, in der entgegengesetzten Richtung wie die Phönizier fahrend, mit grösseren äusseren Schwierigkeiten, hervorgerufen durch Wind und Wellen, zu kämpfen hatte, und allenfalls, dass er weniger Energie besass. Der Merkwürdigkeit wegen sei hier auch noch auf eine neuere Schrift hingewiesen, die zu wunderbaren Resultaten kommt[101]. Nach ihr hat Odysseus etwa im 15. Jahrhundert v. Chr. nicht nur Afrika umsegelt, sondern ist sogar im südlichen Polarlande gewesen, eine Leistung, die das weit hinter sich lässt, was Strabo[102], gestützt auf das XIV. Buch der Odyssee, Vers 81 ff., dem Menelaus zutraut, wenn er dessen Reise für eine Fahrt um das Kap der guten Hoffnung erklärt.
In Folge der vorstehenden Ausführungen werden wir einmal die Ueberzeugung gewinnen, dass der Gedanke, Afrika zu umsegeln, das Alterthum mehrfach beschäftigt hat, sodann aber auch die Vermuthung, die meisten dieser Versuche seien erfolglos gewesen, als berechtigt anerkennen und nach sorgfältiger Erwägung aller Umstände dem Ausspruch Paulitschkes[103] beistimmen: „Dass es vor der epochemachenden Fahrt Vaskos da Gama irgend einem Seefahrer gelungen wäre, das Kap der guten Hoffnung zu umsegeln, (wir sehen hier von der Fahrt der Phönizier ab) – eine Frage, welche viele Geographen beschäftigt hat – ist schwer glaublich“.
Gehörte nun aber König Necho zu den bevorzugten Männern des Alterthums, in deren Geist der Gedanke an die Lösung eines so schwierigen Problems Raum fand, hätte man dann nicht erwarten sollen, dass er sein Vertrauen in dieser Angelegenheit seinen Landsleuten schenkte? Muss es nicht auf den ersten Blick wunderbar erscheinen, wenn er Fremden die Ausführung eines so wichtigen Unternehmens übertrug? Eine Betrachtung der Volkscharaktere der betreffenden Nationen wird uns darüber aufklären und jedem Zweifel an der Wahrheit der Erzählung, der etwa aus dem Umstande entnommen werden könnte, dass von einem ägyptischen Könige nicht Aegypter, sondern Phönizier zu der Fahrt ausersehen seien, ein Ende machen.
Wenn Nechos Bestreben dahin ging, den Handel seines Landes zu heben – und dass dies seine Absicht war, zeigt der Kanalbau – so konnte er sich dazu unmöglich solcher Elemente bedienen, die voll hochfahrenden Nationalstolzes verächtlich, ja feindlich auf alles, was fremd hiess, hinabsahen, und denen die Seefahrt nicht nur unsympathisch, sondern auch völlig ungewohnt war. Solche Leute waren aber die eingeborenen Bewohner des Nilthales. Strabo sagt, die Könige der Aegypter, zufrieden mit dem, was sie hatten, und eingeführter Güter nicht eben bedürftig, seien gegen alle Heranschiffenden feindlich gewesen[104]; und wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, dass dies ungastliche Verhalten der Könige ein Ausdruck der Gesinnung des ganzen Volkes gewesen sei. So sind denn nach Herodot[105] die Jonier und Karer, welche sich unter Psammetich in Aegypten niederliessen – also nachdem das Reich etwa zwei und ein halbes Jahrtausend bestanden hatte – als die ersten Leute fremder Zunge in diesem Lande dauernd sesshaft geworden, und auch sonst pflichtet das Alterthum der Ansicht jenes Schriftstellers bei[106]. Neuere Aegyptologen sind allerdings geneigt anzunehmen, dass doch schon früher einigen heterogenen Elementen der Zutritt gestattet worden sei, nur nicht den Griechen[107]. Und in der That haben schon in sehr alten Zeiten die Aegypter Handel mit Fremden getrieben; ja, im neuen Reiche stand der Verkehr mit Syrien in vollster Blüthe[108]. Fremde werden jedenfalls schon vor Psammetich Aegypten wenigstens vorübergehend besucht haben. Wenn dieses Land hinsichtlich seiner Abgeschlossenheit während des Alterthums China und Japan an die Seite gestellt worden ist[109], so wird ein derartiger Vergleich nur zutreffend sein in Bezug auf die letzten Jahrhunderte vor Psammetich, wo die inneren Wirren und die dadurch herbeigeführte Rechtsunsicherheit den Besuch Aegyptens nicht räthlich erscheinen lassen konnten; vorher haben Fremde zweifellos dort verkehrt. Schon Homer führt ja den göttlichen Dulder Odysseus auch an den Nil[110], und wenn wir demselben Dichter in anderer Beziehung vertrauen dürfen, verkehrten zu jener Zeit auch bereits Phönizier dort. Freilich, mehr als geduldet sind die Fremdlinge wohl nicht gewesen, und erst unter Psammetich und mehr noch unter Amasis werden sie angefangen haben, eine Rolle zu spielen. Schwerlich wird man irren, wenn man meint, dass der Grund, aus welchem der erstere die Häfen Aegyptens fremden Schiffen öffnete, ein politischer war: er suchte ausserhalb des Landes Stützpunkte für seine Macht[111], und mit Amasis wird es wohl nicht anders gewesen sein. Es erklärt sich aber aus der nach jener Zeit von Seiten der Aegypter bewiesenen Gastfreundlichkeit die Ansicht Herodots[112], dass wir alles, was seit König Psammetich in Aegypten sich zugetragen, mit Zuverlässigkeit wüssten; während der Regierung dieses Herrschers traten sich eben auch Hellenen und Aegypter näher. Vorher werden vor allem die Bewohner der Nachbarländer – ich erinnere nur an Josephs Brüder – des Handels wegen nach Aegypten gekommen sein; ansässig sind aber auch sie wohl nur ausnahmsweise gewesen. Daher die Nachricht des Herodot, dass Naukratis vor Alters der einzige Stapelplatz im Delta gewesen sei[113]. Neuere Ansichten haben freilich hinsichtlich dieser Stadt allerhand Zweifel ergeben, nicht nur über ihre Abstammung von Milet, sondern – was hier ins Gewicht fällt – über die Zeit ihrer Gründung, die vielleicht richtig erst unter Amasis angesetzt wird. Was in dieser Beziehung das Zutreffende ist, mag dahin gestellt bleiben; jedenfalls lebten seit Psammetich Griechen in Aegypten, und zwar im Delta, und damit mag die Notiz Herodots zusammenhängen. Aber mögen auch schon in weit früherer Zeit Ausländer in Aegypten verkehrt haben und kleine Bruchtheile der ansässigen Bevölkerung des ägyptischen Nilthales stammfremd gewesen sein – fest steht doch, dass das Volk der Pharaonen, von dem Strabo sagt, dass es hinreichend eigene Hülfsmittel hatte[114], dem Verkehr mit Nichtägyptern abhold war und also zur Anknüpfung von Handelsbeziehungen in bisher unbekannten Gegenden wenig geeignet erschien. Die Aegypter waren eben ihrer Ansicht nach die grande nation unter den damals blühenden Völkern, wie das verschiedene Erzählungen Herodots beweisen[115]; sie werden auch an allen einen erspriesslichen Verkehr so sehr erschwerenden Schwächen der in solchen Anschauungen Befangenen in reichem Masse gelitten haben. Das einzige Verhältniss zu Fremden, in das sie sich ohne Mühe hineindenken konnten, war das von Herren zu Sklaven, ein Zusammenleben mit jenen als Gleichgestellten erschien ihnen unnatürlich und ihrer unwürdig; die Verwirklichung solcher Ideen im Handelsverkehr musste aber bei der andern Partei naturgemäss Misstrauen und Unbehagen erzeugen und eine befriedigende Entwicklung der Beziehungen von vornherein ausschliessen.
So ist es begreiflich, dass die Aegypter bis zu Nechos Zeit zu Koloniegründung und ausgedehnteren kaufmännischen Beziehungen nicht gekommen waren, und wenn auch schon Sethos und sein Sohn Ramses II. daran gedacht hatten, um des Handels willen, der auf dem rothen Meere getrieben wurde, einen Kanal von hier aus zum Nil zu graben[116], so dürfen wir daraus doch nicht schliessen, dass dieser ägyptische Handel sich weiter als an die Afrika gegenüber liegende Küste Arabiens erstreckt hätte. Der Aegypter zog nicht gern ausser Landes, und was von solchen Expeditionen – auch kriegerischen – die Sage erzählt, ist mit grosser Vorsicht aufzunehmen; es ist nicht wahrscheinlich, dass über das Amanosgebirge und den Euphrat jemals ägyptische Heere vorgedrungen sind[117]. Ja, so stark war der Aegypter in heimathlichen Anschauungen befangen, und so sehr legte er die Verhältnisse seines Landes als Massstab auch an die fremden an, dass ein ägyptisches Heer, als König Thutmosis I. auf seinem syrischen Feldzuge bis an den Euphrat gedrungen war, sich wunderte, dass dieser Fluss in umgekehrter Richtung floss, wie der Nil[118]. Und das war doch schon nach der Vertreibung des Hyksos! Man kann sich denken, wie einem Volke, dem die Verhältnisse daheim in dieser Weise massgebend waren, das Verlangen nach Erwerbung überseeischer Landstriche, der doch Phönizier und Griechen mit grossem Eifer oblagen, nicht kommen konnte, und so erklärt sich denn leicht die Erscheinung, dass trotz der vielen Handelsreisen, welche die Aegypter schon in ältester Zeit nach dem produktenreichen Lande Punt zu beiden Seiten Bab-el-Mandebs[119] zur Beschaffung nothwendiger Bedürfnisse unternahmen, und trotz der Erneuerung dieser Fahrten ums Jahr 1400 v. Chr. unter der Königin Hatasu – auch Hatschepsut genannt – im grossen Stil dieses Gebiet niemals von ihnen annektirt worden ist[120]. Was sonst von grossen Seeunternehmungen – z. B. zur Zeit des Sesostris – erzählt wird, der mit einer gewaltigen Flotte durch das erythräische Meer nach Indien hin bis an den Ganges gefahren sein soll[121], ist sicher in das Gebiet der Sage zu verweisen[122], und die Versuche, die historische Wahrheit derselben aufrecht zu erhalten müssen, nachdem jener König als Fabelwesen erkannt ist, für gescheitert gelten[123].
Es wird kaum nöthig sein, nach dieser Schilderung noch besonders darauf hinzuweisen, dass die Aegypter zur See nicht tüchtig sein konnten und keineswegs im Stande waren, ein Material an Matrosen zu stellen, wie es Necho zur Verwirklichung seiner weit ausschauenden Pläne bedurfte. Die Gleichgültigkeit seines Volkes gegen das Meer und alles, was damit zusammenhing, ging so weit, dass es nicht einmal eine Gottheit desselben kannte, wie etwa die Griechen ihren Poseidon[124], und in wie hohem Grade die Salzfluth den Priestern, die wir als die Inkarnation altägyptischer Anschauungen betrachten dürfen, ein Gegenstand des Abscheus war, erkennen wir daraus, dass sie es vermieden, mit Schiffern zu reden, da diese jener ihren Lebensunterhalt verdankten[125]. So kann es uns nicht wundern, wenn wir bei Herodot lesen[126], dass die Aegypter die Produkte ihres Landes nicht selbst ausführten, sondern den Vertrieb derselben den Phöniziern überliessen; durch Kombination werden wir allenfalls hinzufügen dürfen, dass diese sich in das Geschäft mit den im Delta ansässigen Griechen getheilt haben mögen. Mit Recht sagt daher Bougainville[127]: „Les Égyptiens n’etaient pas gens de mer“, und es wird bei der vorstehenden Charakteristik begreiflich erscheinen, wenn sie, wie oben gezeigt, erst sehr spät – eben unter Necho[128] – in den Besitz einer Kriegsflotte kamen. Dass sie nachher als tüchtige Seeleute hingestellt werden, ändert an diesem Urtheil gar nichts[129]. Herodot erzählt, sie hätten dem Xerxes auf seinem Zuge nach Griechenland 200 Schiffe gestellt, und nach demselben Berichterstatter[130] zeichnen sie sich in einem der Treffen bei Artemisium sogar besonders aus. Der Druck des fremden Despotenthums wird eben, nachdem er sie zu anderen Zugeständnissen genöthigt hatte, wie den Verlust ihrer Selbständigkeit, so auch den ihres eigenthümlichen nationalen Wesens herbeigeführt und sie aufs Meer gezwungen haben, das sie früher mieden; die im Delta ansässigen Phönizier und Griechen mögen ihnen aber Lehrmeister der Schifffahrt gewesen sein. So lernen wir das Urtheil Bougainvilles über eine spätere Zeit verstehen, welches lautet[131]: „Le commerce et la navigation ne fleurirent en Égypte que sous les Ptolémées, et les Égyptiens y avaient beaucoup moins de part que les Grecs d’Alexandrie“. Unter diesen Umständen kann ich nicht, wie Mannert[132] es thut, etwas Auffälliges darin sehen, dass Necho die Ausführung seines grossartigen Planes Ausländern übertrug; im Gegentheil, Aegypter zu verwenden, wo er die seekundigsten Leute zur Verfügung hatte, wäre eine arge Thorheit gewesen. Er war hinsichtlich der Bemannung der Schiffe, die zu einem so gefahrvollen Unternehmen auslaufen sollten, genau in der Lage wie Salomo bei seinen Ophirfahrten; beider Fürsten Völker waren nicht im Stande, Reisen, wie die Herrscher sie wünschten, mit Aussicht auf Erfolg zu machen, und so mussten diese Phönizier fahren lassen.
Und wenn es Männer gab, die einer solchen Aufgabe gewachsen sein mochten, so waren sie es. Kein Land war geeigneter, ein Volk zur Seefahrt zu erziehen, als ihre Heimath, der schmale Küstensaum Syriens mit seinen trefflichen Buchten, mit den Cedern und Cypressen des Libanon, die ein Material zum Schiffsbau lieferten, wie es besser kaum gefunden werden konnte, und mit seinem wenig ergiebigen Boden, der den Menschen seit den ältesten Zeiten gelehrt hatte, seine Blicke auf das Meer zu richten, das hier in nächster Nähe die hafenreichen Küsten dreier Erdtheile umfluthete. Daher erfreuten sich die vielen Städte dieses Gestades, von denen man im benachbarten Aegypten sagte, sie seien reicher an Fischen als an Sand, hoher Blüthe, und Sidon, Tyrus, Berytus, Tripolis u. a. bildeten, in ihrer besten Zeit frei von jeder fürstlichen Herrschaft, einen seemächtigen Bund, eine Hansa des Alterthums, welche mehr und mehr mit der See verwuchs, die vor ihren Thoren brandete. Kein Wunder, wenn in einem solchen Lande ein Volk erstand, dem wir die hervorragendsten Entdeckungen des Alterthums verdanken. Schon den Knaben, welche in diesen Küstenstädten das Licht der Welt erblickten, galt das Meer als zweite Heimath; so kannten sie, zu Männern herangereift, nicht nur alle Tücken, durch welche die bösen Geister der Luft und des Wassers die Schiffer zu necken und zu ängstigen pflegen, nein, sie verstanden auch – wohl unter allen Sterblichen die ersten – die Kunst gegen den Wind zu segeln[133]. Zunächst befuhren sie die Gestade des Mittelmeeres und gründeten hier Kolonieen und Handelsfaktoreien; die Küsten Siziliens und Sardiniens, die Balearen gehörten ihnen, in Afrika hatten sie Niederlassungen, und von der Pomündung holten sie den Bernstein, der auf uralten Handelsstrassen von Preussen über die Alpen hierhergebracht wurde. Nachdem sie so das heimische Gewässer nach allen Richtungen hin gekreuzt, genügte ihnen dieses rings umschlossene Becken nicht mehr; kühn segelten sie durch die Säulen des Herakles hinaus in den weiten atlantischen Ozean und landeten an der Küste von Tarschisch im südwestlichen Spanien[134]. Hier erbauten sie als ältesten Hafen Gadir, das heutige Cadiz, wahrscheinlich schon ums Jahr 1100 v. Chr.[135]. Ohne Rast und Ruhe aber, wie sie waren, ein echtes Handelsvolk, trieb es sie noch weiter in das unermessliche Weltmeer hinaus, und es liegt kein Grund vor, an der Nachricht Strabos zu zweifeln, dass sie von Britannien – genauer von den Scilly-Inseln vor der britischen Küste – Zinn geholt haben[136]. Doch selbst diese erweiterte Reise genügte ihnen nicht; sie schlugen noch eine andere Richtung ein und haben jedenfalls schon in sehr früher Zeit auch in das rothe Meer ihre Ruder getaucht, und zwar zunächst wohl auf ihren viel besprochenen Fahrten nach Ophir. Als sicher darf betrachtet werden, dass diese schon ums Jahr 1000 v. Chr. stattgefunden, weniger fest steht, was wir uns denn unter Ophir eigentlich zu denken haben. Die einen versetzen es nach Indien[137], andere nach Ostafrika, Madagaskar gegenüber[138] oder weiter nördlich ins Somaliland[139], und nach einer dritten Ansicht ist es im südwestlichen Arabien, in Jemen, zu suchen, wo in den ältesten Zeiten der Geschichte der Mittelpunkt für den indisch-äthiopisch-ägyptisch-arabisch-phönikischen Handel war[140]. Von einer Seite ist sogar die Entdeckungsfahrt Nechos als eine Reise nach Ophir angesehen worden[141]. Es kann natürlich nicht die Absicht des Verfassers dieser Abhandlung sein, in eine selbständige Untersuchung über die Frage einzutreten, wo Ophir gelegen haben mag, sie würde weit von unserm Thema abführen; die meisten kompetenten Beurtheiler haben sich allmählich wohl dahin geeinigt, dass es in der That in Jemen oder einem der andern Küstenländer in der Nähe von Bab-el-Mandeb zu suchen sei, eine Vermuthung, die wir theilen. Zwar sagt die heilige Schrift: „Das Meerschiff des Königs Salomo, das auf dem Meere mit dem Schiffe Hirams fuhr, kam in dreien Jahren einmal“[142], und man hat geglaubt, das Land Ophir deshalb in grösserer Entfernung vom Nordende des rothen Meeres, dem Ausgangspunkte dieser Expeditionen, suchen zu müssen; wenn man aber erwägt, dass die Schiffer auf diesen Fahrten gewiss sehr häufig anlegten, ans Land gingen und ausgiebigen Tauschhandel mit den Eingeborenen, vielleicht auch den weiter im Innern wohnenden, trieben, wird man an der langen Abwesenheit keinen Anstoss mehr nehmen. Kaum zu bezweifeln dürfte aber sein, dass die Phönizier auch bei Bab-el-Mandeb nicht Halt machten, sondern lange vor Necho durch diese Strasse hindurch in den indischen Ozean hineinsegelten, zwar nicht an der afrikanischen Küste entlang, aber, links umbiegend, an dem südlichen Gestade Vorderasiens hin; denn mit dem Verwerfen der Annahme, Ophir habe in Indien gelegen, soll keineswegs die Behauptung ausgesprochen sein, die Phönizier hätten dieses Land auf ihren Fahrten nicht berührt. Im Gegentheil, es ist sehr wahrscheinlich, dass sie bis hierhin gelangt sind. Indische Kaufleute fuhren früh, wie Lassen[143] nachweist, von ihrer Heimath nach Arabia felix, um hier die Produkte ihres Landes abzusetzen; scheint es da nicht nach allem, was wir sonst über die Phönizier wissen, schon von vornherein in hohem Grade glaubhaft, dass sie, den Spuren dieser Händler folgend, nach Indien gesegelt seien, um die Waren an Ort und Stelle zu kaufen? Wenn sie – Küstenfahrt vorausgesetzt – bei der Strasse von Ormus nach Persien hinübergingen und so den persischen Meerbusen abschnitten, war der Weg von Jemen nach Indien nicht annähernd so weit wie der von Phönizien nach den Kassiteriden. Ein präziser Beweis für diese phönizischen Reisen nach Indien ist zwar nicht zu erbringen und die Thatsache selbst darum viel angezweifelt worden; es liegt aber kein Grund vor zu der Annahme, dass dieselben Männer, welche die westliche Pforte der Mittelmeerwelt so bald durchsegelten, an der östlichen zaghaft Halt gemacht haben sollten. Dies ist um so weniger wahrscheinlich, als wir wissen, dass die Sabäer im südwestlichen Arabien schon in sehr alten Zeiten Seeverkehr mit Indien hatten; sie konnten die Phönizier über den Weg belehren oder ihnen als Führer dienen. Auch Lassen zieht diese Fahrten durchaus nicht in Zweifel, wenn sie ihm auch bei seinem Standpunkt in der Ophirfrage als Reisen in jenes Land gelten[144]. Man braucht ja nicht gleich anzunehmen, wie Grotefend dies thut[145], dass sie bis Ceylon hinab gefahren seien; es genügte für ihre Zwecke, etwa an die Mündung des Indus zu gelangen, wo sie zweifellos alle Produkte Indiens erwerben konnten. Wenn ich eben die Ansicht aussprach, die Phönizier seien vor Necho von Bab-el-Mandeb aus wohl nach Indien, nicht aber um das Kap Guardafui herum an der Ostküste Afrikas nach Süden gefahren, so denke ich das folgendermassen, wenn nicht zu beweisen, so doch wahrscheinlich zu machen. Die Produkte, welche die Schiffe Salomos aus Ophir – also Jemen oder nahe liegenden Ländern – holten, sind: Gold, Sandelholz, Edelsteine, Silber, Elfenbein, Affen und Pfauen. Von diesen Waren werden Sandelholz, Pfauen und wahrscheinlich auch Edelsteine aus Indien dorthin gebracht worden sein, Gold und Silber kamen in Südarabien vor, dessen Ruf als Produktionsstätte dieser Edelmetalle, zumal des Goldes, wie die Erzählung von der Königin von Saba beweist[146], im Alterthume weit verbreitet war, Elfenbein und Affen aber in Afrika, obgleich ersteres auch aus Indien und letztere aus Arabien zu haben waren. Jedenfalls konnten die Händler aber beides in der Gegend von Bab-el-Mandeb so gut erhalten wie weiter südlich. Waren sie an der Danakil- oder Somaliküste, so befanden sie sich bereits in dem Produktionsgebiet dieser Waren oder vermochten sie doch aus dem Innern des Landes ohne Mühe zu beziehen; warum sollten sie da versuchen, sie von den entfernteren Küstenstrichen zu holen? Zu einer Fahrt nach Süden musste ihnen erst aus späteren Verhältnissen ein Antrieb erwachsen. Ganz anders lag die Sache hinsichtlich Indiens. Die Produkte dieses Landes an Ort und Stelle, also jedenfalls billiger zu erwerben, als es in Ophir möglich war, musste ihr Bestreben sein, sobald sie deren Werth erkannt hatten, und frühere Fahrten dorthin sind also nicht unwahrscheinlich.
So treten uns die Phönizier als das kühnste Schiffervolk des Alterthums entgegen; wahrlich, wir können Männern unsere Bewunderung nicht versagen, welche die Meere von England bis Indien befuhren, ohne die hülfreiche Nadel Flavio Giojas zu besitzen, und ohne eine andere Seekarte als etwa diejenige, welche die kunstfertige Hand des Hephästus in Erz gebildet hatte, als er dem Sohne der Thetis seine neue Wehr schuf. Wohl geschult und furchtlos war also jedenfalls auch die Mannschaft, welche die Schiffe Nechos hinaussteuerte in die unbekannte Weite, und Alles, was uns sonst über phönizische Seeleute überliefert ist, spricht dafür, dass sie im Stande war, ihr gefahrvolles Unternehmen glücklich zu Ende zu führen. Freilich, Männer wie Vincent und ähnliche, wahre Fanatiker des Zweifels, haben den Phöniziern selbst seemännischen Muth absprechen wollen, eine Eigenschaft, die sie doch in so hohem Grade besassen, dass jedes Blatt der Kolonialgeschichte des Alterthums die leuchtendsten Beispiele davon zu erzählen weiss. Nicht weil zu besorgen wäre, dass jene mit ihrer Ansicht durchdringen könnten, sondern nur der Vollständigkeit wegen mögen hier diese Behauptungen zurückgewiesen sein. Ukert[147] führt die Furcht der phönizischen Schiffer auf Xerxes’ Flotte vor der Umsegelung des Athos an. Eine Quelle dafür nennt er nicht, und ich muss leider gestehen, so unwissend zu sein, dass ich eine solche nicht kenne; trotz eifrigen Suchens habe ich keine hierauf bezügliche Andeutung in irgend einem Schriftsteller gefunden. Doch gesetzt, Ukert kennte eine solche, wäre diese Furcht auffällig? Giebt es nicht Stunden, denen auch der Muthigste mit Besorgniss entgegensieht? Sagt nicht Herodot ausdrücklich[148], dass Alle, die vor Xerxes um den Athos gefahren, grossen Verlust erlitten hätten, und wird nicht speziell das Unglück des Mardonius jenen phönizischen Seeleuten, die im Jahre 480 den Zug nach Griechenland mitmachten, genügend bekannt gewesen sein? Wohl mag also die sonst so Kühnen beim Anblick jener Unglücksstätte einen Augenblick Zaghaftigkeit befallen haben – ein Charakterzug des Volkes war sie nicht, und dass die Phönizier im allgemeinen die Gefahren fremder Meere nicht fürchteten, beweist ihre Geschichte zur Genüge. Das andere Beispiel, das Ukert erwähnt, betrifft Nearchs Fahrt an den südlichen Küsten Vorderasiens, die ja in der That keine hervorragende nautische Leistung genannt werden kann. Mit Recht ist aber gegen eine zu ungünstige Beurtheilung derselben geltend gemacht worden, dass die Flotte dieses Admirals, aus zusammengerafften Schiffen bestehend, kein richtiges Bild von der Leistungsfähigkeit des damaligen Seewesens giebt, und die Bemerkung Ukerts, dass die Umsegelung Afrikas nicht an Wahrscheinlichkeit gewinne, wenn man diese Expedition betrachte, hat Sandberg[149] zurückgewiesen, indem er darlegt, dass Alexander, als er den Nearch entsendete, neben Cypriern, Kariern und Aegyptern freilich auch wohl Phönizier, aber doch schwerlich phönizische Matrosen in seinem Heere gehabt habe[150]. Dass übrigens dies Geschwader, welches Nearch von Indien her in den Euphrat führte, von Alexander selbst als untüchtig angesehen wurde, geht ganz klar daraus hervor, dass er nach dem Eintreffen desselben in Babylon noch phönizische Schiffe aus Syrien auf dem beschwerlichen Ueberlandwege bis Thapsakus kommen und ausserdem eine neue Flotte bauen liess. Auch die Bemannung zog er aus Phönizien und andern Küstenländern heran, alles, um zur Umschiffung Arabiens eine wirklich tüchtige Seemacht zur Verfügung zu haben[151]. Mit andern Bedenken, die ebenfalls Zweifel an dem Muthe der Phönizier erheben, tritt uns Vincent[152] entgegen. Er sagt, es sei nicht anzunehmen, dass Seefahrer aus diesem Volke in den Kanal von Mozambique mit seiner reissenden Strömung hineingesegelt seien, sowie sie ihn zuerst erblickten, während doch die Araber in der langen Zeit, wo sie die Ostküste Afrikas befuhren, das niemals gewagt und ihre Besitzungen nur bis zu seinem nördlichen Eingange ausgedehnt hätten. Er ist leicht widerlegt, denn was er über die Grenzen der arabischen Schifffahrt in diesen Gegenden sagt, ist einfach unrichtig. Die Araber sind wahrscheinlich bis zum heutigen Inhambane und dem Kap Corrientes gelangt, Punkten, die beide am Südende des Kanales liegen[153]. Es wird also schwerlich glücken, die Schiffer Nechos als Leute hinzustellen, denen der zu einer Umsegelung Afrikas nöthige Muth fehlte, und die „ausserordentlich dehnbare Vorstellung von der Seetüchtigkeit der Phönizier“, welche Berger[154] bespöttelt, braucht nur auf das durch das Alterthum gut beglaubigte Mass zurückgeführt zu werden, um an wirklich grosse Thaten derselben glauben zu machen. Waren sie, nach ihrem Verhalten beim Graben des Kanals am Athos zu schliessen[155], überhaupt anstellige und gewandte Leute, so ist es um so mehr über allen Zweifel erhaben, dass sie in der Führung von Schiffen unübertroffen dastanden[156]. Was die Venetianer und Genuesen dem Mittelalter, was die Holländer und Engländer der Neuzeit waren und sind, das ist jenes Volk dem Alterthume gewesen, und ohne Bedenken dürfen wir Heeren beipflichten, wenn er sagt[157]: „Der Zufall hat uns einen Bericht von ein paar solcher Unternehmungen erhalten, die Herodot gelegentlich anführt; aber wie viele mögen von einem Volke gewagt und glücklich ausgeführt sein, das so gut wie die Briten und Portugiesen seine Cooks und seine Vaskos da Gama gehabt haben muss!“ Wenn aber die Phönizier in Betreff aller zur Lösung der schwierigen Aufgabe erforderlichen Eigenschaften dem Volke des Necho so weit überlegen waren, fällt nicht nur jeglicher Grund des Staunens weg, dass er mit Uebergehung der eigenen Landsleute jene durch seinen Auftrag auszeichnete, sondern es wird auch Jeder, der nicht voreingenommen ist, zugeben müssen, dass vielmehr durch die Erwähnung dieses Umstandes einerseits die Erzählung glaubwürdiger und andrerseits die glückliche Vollendung der Fahrt wahrscheinlicher wird.
Mögen wir aber den Muth der phönizischen Schiffer noch so hoch stellen, mögen wir uns ihren Drang nach Abenteuern so unwiderstehlich wie möglich ausmalen, wir dürfen uns doch bei sorgfältiger Erwägung der Sachlage nicht verhehlen, dass sie sich die Umsegelung wahrscheinlich weit leichter vorstellten, als sie wirklich war, und ihnen vor allem die weite Süderstreckung Afrikas nicht bekannt gewesen sein wird. Hätten sie von letzterer eine Ahnung gehabt, möchte auch dem Kühnsten von ihnen wohl der Muth entsunken sein. Wie weit die Kenntnisse der Phönizier in der Geographie Afrikas und der dasselbe umgebenden Meere ums Jahr 600 v. Chr. gingen, können wir nur annähernd feststellen. Da uns direkte Nachrichten darüber nicht zu Gebote stehen, sind wir auf Rückschlüsse angewiesen, und auf Grund derselben dürfen wir wohl annehmen, dass das Wissen des Herodot in dieser Beziehung auch etwa das jener Phönizier gewesen sein mag, denn einmal ist der Zeitraum, der beide von einander trennt, nicht so erheblich, dass er bei der verhältnissmässig langsamen Erweiterung der Länderkunde während des Alterthums ins Gewicht fallen könnte, und zweitens waren sowohl phönizische Schiffer, wie auch Herodot weit umhergekommen, und die Vermuthung, dass beide Theile das, was die damalige Welt überhaupt von den Oberflächenverhältnissen der Erde kannte, etwa in gleicher Weise ihr geistiges Eigenthum nannten, scheint wohl berechtigt. Wenn wir also feststellen, was Herodot von afrikanischer Geographie wusste, so werden wir damit zugleich auch ungefähr den Kreis der phönizischen Kenntnisse umschrieben haben. Herodot weiss aber im ganzen von Afrika – oder wie er sagt, von Libyen – nicht viel. Was das Innere des Erdtheils anbetrifft, so ist ihm nicht fremd, dass sich die Wüste von Theben bis zu den Säulen des Herakles erstreckt, sonst aber wird er in den Aegypten ferner liegenden Theilen, wie jenseit Karthagos, schon ziemlich unsicher. Wie weit aber hinsichtlich der Gestadeländer seine und der Phönizier Kenntniss ging, darüber sind wir nicht durchweg genügend unterrichtet. Bis zu welchem Punkte ihnen z. B. die Ostküste bekannt war, ist unmöglich genau zu sagen; es herrscht wohl einige Uebereinstimmung, dass sich nur Vermuthungen darüber aufstellen lassen. Herodots mehr oder weniger gründliches Wissen ging wahrscheinlich bis Bab-el-Mandeb[158]; davon, dass den Phöniziern die südlicheren Gegenden bekannt gewesen seien, haben mich die aus Strabo und einigen anderen Schriftstellern von verschiedenen Gelehrten gezogenen Schlüsse nicht überzeugen können. Fest steht dagegen, dass Herodot und zweifellos auch schon den Phöniziern viel früherer Zeit die Nordküste im ganzen und grossen wohl bekannt war; in Betreff der Westküste sind die Nachrichten, welche er den Sataspes von seiner Fahrt mitbringen lässt[159], zu ungenau, als dass wir darauf irgend welche sichere Vermuthung gründen könnten. Die Frage nach seiner Kenntniss der Länder jenseits des Kap Soloeis[160] können wir wohl, ohne ihm zu nahe zu treten, dahin beantworten, dass er nur eine unklare Vorstellung von ihnen hatte; hinsichtlich dieses Vorgebirges dürfen wir aber mit grosser Sicherheit annehmen, er habe darunter das heutige Kap Spartel verstanden. Wenn nun das, was die Phönizier wussten, sich in einem Punkte mit der Kenntniss Herodots vielleicht nicht deckte, so war es eben in Betreff der Westküste, wo ihnen wahrscheinlich weiter nach Süden gelegene Gegenden nicht unbekannt waren. Es lässt sich dies aus einigen Stellen alter Schriftsteller folgern[161]. Isaak Vossius in seinen: Observationes ad Pomponium Melam de situ orbis[162] meint sogar, dass die Nachricht des Strabo, die Phönizier hätten bald nach dem trojanischen Kriege jenseit der Säulen des Herakles auf der libyschen Küste Kolonieen angelegt, mit dem Periplus des Hanno in Verbindung zu setzen sei; demnach hätten also wenigstens die karthagischen Stammesgenossen der Phönizier lange vor Necho einen grösseren Theil des westlichen Gestades befahren. Doch geht die Ansicht der meisten Forscher dahin, dass dieser Periplus weit später, erst nach der Umsegelung durch die Phönizier (etwa 470) angenommen werden dürfe. Nach Junker[163], der für seine Ansicht einen geistvoll erdachten Grund anführt, hätten die Karthager den von Herodot erwähnten Tauschhandel an der Goldküste betrieben, woraus wir schliessen könnten, dass wohl auch den verwandten Phöniziern das westliche Gestade Afrikas bis hierher bekannt gewesen sei, doch haben sich andere wichtige Stimmen erhoben, welche ihn nach Senegambien an den Rio do Ouro verlegen[164]. Auf alle Fälle ging aber die Kenntniss der Karthager – und damit wohl auch der Phönizier – über Kap Soloeis hinaus. Die dreieckige Südhälfte des Erdtheils war natürlich gänzlich unbekannt, und in Folge davon hat das Alterthum die für die projektirte Umschiffung so wichtige Frage nach dem Zusammenhange der Meere in jener Gegend sehr verschieden beantwortet; noch die Späteren stehen hierin in direktem Widerspruch unter einander. Hipparch[165] z. B., in der Mitte des zweiten Jahrhunderts v. Chr., und Ptolemäus[166], etwa 150 Jahre n. Chr., leugneten eine südliche Verbindung des Ost- und des Westmeeres, Strabo und andere[167] glaubten, dass sie vorhanden. Aus früherer Zeit ist die Ansicht Alexanders des Grossen interessant; auch er, dem auf seinen weiten Zügen sich manche Gelegenheit geboten haben mochte, der Lösung geographischer Streitfragen näher zu treten, war von der Einheit der Weltmeere überzeugt, wie wir aus einer Stelle Arrians ersehen, wo er sagt: „Das grosse Meer umgiebt die ganze Erde“[168], Worte, aus denen einige schliessen, er habe von der Umsegelung gewusst und den Bericht über sie für wahr gehalten. So gern ich dieser Ansicht als einem für meine Auffassung sprechenden Beweise beistimmen möchte, vermag ich es leider nicht. In Alexanders Worten spricht sich eine uralte griechische Anschauung aus; wer dieser huldigte, konnte an die Möglichkeit einer Umschiffung Libyens glauben, auch wenn er die That der Phönizier bezweifelte, und wenn der macedonische Welteroberer, wie man meint, wirklich daran gedacht hat, Afrika umsegeln zu lassen, so ist sein Heldenmuth vor einer solchen Expedition schwerlich zurückgeschreckt, auch wenn der Glaube fehlte, dass andere ihm die Pfade geebnet hätten. Herodot selbst vertheidigt die Ansicht von dem Zusammenhang der Meere[169], wenn auch seine fortgeschrittenere Bildung ihn den homerischen Ozeanusfluss belächeln lässt[170]; aber dieser Zusammenhang ist ihm erst durch die phönizische Fahrt festgestellt[171]. Schwerlich werden also die Phönizier, als sie absegelten, gewusst haben, ob wirklich ein Wasserweg ganz um den Erdtheil herum führte; es wird eben – wie vorhin schon angedeutet – ein Versuch gewesen sein, den sie machten. Waren doch zu Herodots Zeit in Aegypten noch wunderbare Märchen über manche Theile des erythräischen Meeres verbreitet, wie wir daraus entnehmen können, dass die Priester gläubig erzählten, Sesostris sei bei seiner See-Expedition an eine Stelle gekommen, die er wegen der Untiefen nicht habe befahren können[172]. Dass freilich auch die Phönizier an die Unwegsamkeit der Meere unter gewissen Himmelsstrichen geglaubt – Phantasieen, wie sie uns vor der Zeit der grossen Entdeckungen im Mittelalter wieder begegnen – wird nicht überliefert. Aber waren sie auch zu aufgeklärt, um solche Märchen für Wahrheit zu nehmen, die Gestalt Afrikas – das dürfen wir aus den vorstehenden Auseinandersetzungen schliessen – war sowohl ihnen, wie Herodot in tiefes Dunkel gehüllt. Der letztere spricht dies offen aus, wo er von dem Oberlaufe des Nils redet[173]; ebenso geht es hervor aus der Stelle III, 114, die Sandberg zitiert[174]. Herodot sagt hier, dass Aethiopien – d. i. Südafrika – sich von Arabia felix nach Südwesten erstrecke, als das letzte der bewohnten Länder; wie weit aber, das lässt er dahin gestellt. Wenn wir uns nun gar daran erinnern, wie noch Strabo über diese Frage dachte[175], dem die Südgrenze Libyens etwa bei 10° n. Br. liegt, so wird uns nicht länger zweifelhaft sein, dass die Phönizier 600 v. Chr. keinenfalls von dem wirklichen Sachverhalt eine Ahnung hatten, und diese Täuschung, in der sie sich über die wahre Gestalt des Erdtheils befanden, den sie umsegeln sollten, wird für sie ein neuer Antrieb gewesen sein, die Fahrt kühnen Muthes zu unternehmen, für uns aber ist sie ein Grund mehr, an ihr nicht zu zweifeln.
Ein anderer Punkt, der ins Auge gefasst werden muss, ist eine genauere Zeitbestimmung der Fahrt. Nun ist es meiner Ansicht nach zwar ganz unmöglich, bestimmte Jahre dafür anzusetzen, wie Wheeler es thut, der die Reise auf die Zeit von 613-610 fixirt; aber wir werden doch vielleicht entscheiden können, ob sie in die erste, kriegerisch gefärbte Regierungsperiode Nechos zu setzen oder der zweiten, friedlichen zuzutheilen sei. Die Untersuchung dieser Frage ist um so wichtiger, als wir aus ihr die Grundlage zur Beantwortung einer anderen gewinnen werden, nämlich der, ob wir die Phönizier des Mutterlandes oder die in Aegypten ansässigen als Vollender der kühnen Fahrt ansehen dürfen. König Necho hat nun wahrscheinlich von 609-594 regiert[176] und die Schlacht von Karchemisch im Jahre 604 stattgefunden. Demnach ist etwa das erste Drittel der Herrschaft dieses Fürsten auf die Züge in Syrien zu rechnen. Wenn wir nun die Umsegelung nicht in diese Periode, sondern in die folgende setzen, werden wir schwerlich einem Irrthum anheimfallen. Es ist undenkbar, dass Necho; als er im Felde stand, Zeit und Sinn für eine derartige Unternehmung gehabt habe; seine Absicht war, wie sein Zug an den Euphrat zeigt, nach Syrien das babylonische Reich zu erobern – ein Riesenplan, der in seinem Kopfe sicher für nichts anderes Raum liess –, und erst nachdem Nebukadnezars Schwert ihm nach dieser Richtung hin Entsagung aufgezwungen hatte, wird er äussere und innere Ruhe für die Werke des Friedens gefunden haben[177]. Auch aus einer Prüfung der Notizen des herodoteischen Werkes über den Kanalbau können wir in Verbindung mit einer anderen Ueberlieferung Schlüsse ziehen auf die Zeit der Umsegelung. Herodot erzählt an einer Stelle[178], Necho habe den Kanal vor seinem Kriegszuge gebaut und zu bauen aufgehört, als er nach Syrien gezogen sei. Diese Nachricht ist schwerlich richtig; denn wenn wir bei demselben Schriftsteller lesen[179], dass durch jenen Bau 120000 Menschen ihr Leben verloren, so musste er sich doch über einen längeren Zeitraum erstrecken. Lehrreich kann ein Vergleich mit dem Verluste an Menschenleben bei dem Bau des Mahmudiehkanals wirken. An ihm arbeiteten 250000 Mann ein Jahr lang, von denen 20000 gestorben sein sollen; eine erschreckend hohe Ziffer, aber immer doch nur der sechste Theil von dem, was Herodot als Opfer des Nilkanals anführt[180]. Nun hat Necho aber seinen Kriegszug, wie feststeht, sehr bald nach seinem Regierungsantritt begonnen; in einer ganz kurzen Spanne Zeit müsste also jene gewaltige Menschenmenge umgekommen sein. Das ist einfach unmöglich, selbst wenn wir die Zahl als etwas zu hoch gegriffen ansehen wollen und daneben noch in Betracht ziehen, dass in den Augen von Pharaonen der Werth von Menschenleben ein sehr geringer gewesen sein mag. Sicher ist also an dem Kanal mehrere Jahre geschafft worden; dann kann der Bau aber nicht vor den syrischen Feldzug gefallen sein, sondern nur in dieselbe Zeit mit jenem oder in die nach ihm. Dass letztere Annahme die wahrscheinlichere, ist oben nachgewiesen. Die Ereignisse werden demnach wohl folgendermassen zu ordnen sein: etwa ein Drittel seiner Regierungszeit war Necho in Syrien; als er dann nach Hause kam, begann er den Kanal, und als er – jedenfalls erst nach Jahren, wie man sagt, infolge eines Orakels[181] – aufhörte zu bauen, sandte er nach einer andern Mittheilung Herodots[182] die phönizische Expedition aus. Die Vermuthung, dass unser Gewährsmann sich in der eben angedeuteten Weise hinsichtlich der zeitlichen Aufeinanderfolge der Dinge geirrt, liegt also, wie die voraufgegangenen Auseinandersetzungen zeigen, nahe und würde sich uns aufdrängen auch ohne die Kenntniss einer Nachricht, die Strabo hinterlassen hat, und die in direktem Gegensatze zu Herodots Mittheilung steht. Dieser Schriftsteller giebt nämlich an, erst der Tod des Königs habe die Arbeiten am Kanal unterbrochen[183]; ein Widerspruch, den völlig zu lösen auf den ersten Blick nicht möglich scheint. Doch werden wir schwerlich fehl gehen, wenn wir auf Grund des oben Gesagten und an der Hand der erwähnten Zeugnisse annehmen, dass der Kanalbau erst nach dem syrischen Feldzuge begonnen und bis gegen das Lebensende des Necho gedauert hat, wo er vielleicht infolge eines Orakelspruches aufgegeben wurde. Dann aber, also in der letzten Zeit jenes Königs, ist die phönizische Expedition entsendet worden. Dass diese Anschauung die richtige sein dürfte, zeigt auch ein Vergleich mit dem, was über die Regierung des Sesostris erzählt wird; auch er soll friedliche Aufgaben zu seinem Ruhme und zur Sicherung Aegyptens, Tempelbau, Kanalanlage und anderes derart, erst nach Beendigung seiner Feldzüge[184] begonnen haben. Wenn nun auch jener König, wie erwähnt, eine ganz fabelhafte Figur ist, so zeigt doch diese Vertheilung seiner Thaten über sein Leben, wie man selbst bei dem mächtigsten Herrscher Aegyptens es nicht für möglich hielt, dass er Kriege und Grossthaten des Friedens zu gleicher Zeit unternommen und ausgeführt habe. Die Sage ist in solchen Dingen aber so feinfühlig, dass der Beurtheiler geschichtlicher Verhältnisse sehr wohl von ihr lernen kann, und was einem Sesostris, der Verkörperung ägyptischer Fürstengrösse, nicht möglich war, dürfen wir auch dem Pharao Necho schwerlich zutrauen.
Haben wir uns im Vorstehenden über die Zeit, in welche die Expedition fällt, Rechenschaft gegeben, so wird es nun nicht minder wichtig sein, den Ort festzustellen, von wo die Phönizier aussegelten. Trotzdem übergehen die meisten Forscher diesen Punkt mit Stillschweigen; doch kann man hie und da aus beiläufigen Bemerkungen den Schluss ziehen, dass sie der Ansicht sind, die Fahrt sei von der Nordspitze des rothen Meeres ausgegangen. Und in der That hat diese Vermuthung auf den ersten Blick etwas Bestechendes, denn da die Phönizier wohl hauptsächlich im Delta sassen, war ihnen der nordwestliche Ausläufer jenes Meerbusens nahe genug. Auch hatten, wie wir gesehen haben, die Saïten, zu denen ja Necho, der intellektuelle Urheber des ganzen Planes, gehörte, im Delta, also in der Nähe des heutigen Busens von Suez, ihre Residenz. Nichts desto weniger kann ich der bezeichneten Ansicht nicht beipflichten; denn der Verkehr Aegyptens mit den südlichen Ländern ist, wie ich gleich nachweisen werde, in älterer, wie in neuerer Zeit meist nicht von hier ausgegangen. Eine auffällige Vermuthung verfechten zwei Gelehrte in trefflichen Abhandlungen, Junker und Sandberg; sie sprechen sich mit Entschiedenheit für den Golf von Aden als Abfahrtsort aus[185]. Untersuchen wir, mit welchem Rechte! Herodot sagt: „οί Φοίνικες ἐκ τῆς Ἐρυθρῆς θαλάσσης ἔπλεον“; was haben wir nun unter den Worten „ἐκ τῆς Ἐρυθρῆς θαλάσσης“ zu verstehen? Sandberg – es mag genügen, einen von Beiden zu widerlegen – erwähnt mehrere Stellen, wo jener Schriftsteller ausdrücklich den arabischen Busen vom erythräischen Meere unterscheidet, und will damit beweisen, dass an ein Absegeln aus ersterem nicht zu denken sei. Zweitens führt er als Beleg für seine Ansicht das an, was Herodot über den Skylax überliefert[186], der auf der Rückkehr von seiner Entdeckungsreise nach Indien zuletzt nach Westen gefahren und so an dem Orte gelandet sei, von wo Necho die Phönizier ausgesandt hatte, während der Berichterstatter, wenn diese aus dem rothen Meere abgesegelt wären, ihn doch schliesslich nach Norden steuern lassen müsste. Mir scheinen beide Gründe nicht ganz einwandsfrei zu sein. Was den ersten anbetrifft, so nennt Herodot an einer Stelle das rothe Meer einen Busen – und das heisst doch so viel wie einen Theil – des erythräischen Meeres, wie er denn überhaupt unter dem letzteren augenscheinlich den ganzen indischen Ozean mit dem persischen und dem arabischen Meerbusen[187] versteht; wenn er also sagt: „Die Phönizier fuhren aus dem erythräischen Meere ab“, warum sollte es nicht erlaubt sein, an jenen Theil zu denken? Das zweite Zitat aber, in dem von Skylax die Rede ist, heranzuziehen halte ich für bedenklich, gerade wo es sich um Feststellung der Himmelsgegenden handelt, denn in dieser Beziehung ist Herodot hier sehr ungenau; den Indus, der doch nach Südwesten fliesst, lässt er nach Osten münden! Dazu kommt, dass König Necho wohl schwerlich am Busen von Aden Landbesitz hatte, wo er Vorbereitungen zu der phönizischen Expedition hätte treffen können, wohl aber besass er am rothen Meere dazu geeignetes Terrain – die Reste der dortigen Schiffswerfte sah ja Herodot noch[188] –, und schliesslich können wir behaupten, dass den Phöniziern das rothe Meer viel zu bekannt gewesen sein wird, als dass sie eine Fahrt auf demselben hätten zu scheuen brauchen. Sehen wir also von der Nordspitze des Meeres und vom Golf von Aden ab und suchen eine andere Stelle ausfindig zu machen, die mit grösserer Wahrscheinlichkeit den Ruhm für sich in Anspruch nehmen kann, der Abfahrtsort dieser denkwürdigen Expedition gewesen zu sein. Etwa unter 26° n. Br. liegt am Nil an einer Stelle, wo der Fluss sich dem rothen Meere auf 150 Km. nähert, die Stadt Keneh, ein wenig nördlicher, als im Alterthum Koptos lag. Von dieser Stadt führte, wie heute von Keneh, eine Strasse durch das Thal, welches jetzt Wadi Hamamat heisst, zum Meere[189] in der Gegend, wo Kosseir liegt, der Leukos Limen der Griechen[190]. Von diesem Hafen oder von seiner nächsten Umgebung wird die Expedition der Phönizier wahrscheinlich ausgegangen sein. Den Beweis für die geäusserte Ansicht wird ein Ueberblick über die Rolle geben, welche diese Stätte in der Geschichte des ägyptischen Handels und Verkehrs gespielt hat. Bereits vor und während der Pyramidenzeit war der Weg von hier aus an den Nil eine Hauptstrasse des Weihrauchhandels; jedenfalls schon in den Tagen der elften Dynastie, vielleicht noch früher, ist von Seiten der Regierung der Versuch gemacht worden, von hier aus direkte Beziehungen zu dem Lande Punt, der Heimath des Weihrauchs in Arabien, anzuknüpfen. Ob den Endpunkt der Strasse am Meer Kosseir oder ein nur wenig weiter nördlich gelegener Hafen bildete, mag dahin gestellt bleiben[191]; zur Zeit der zwölften Dynastie, wo der Handel auf dem rothen Meere in voller Blüthe steht, ist sein Ausgangspunkt jene andere Stelle. In den nächsten Jahrhunderten scheint der Verkehr mit Punt bald unterbrochen gewesen zu sein, bald aber lesen wir, dass er einen neuen Aufschwung nimmt, so besonders nach der Vertreibung der Hyksos, wo in Aegypten dasselbe geschah, was sich 3000 Jahre später in Spanien nach der Besiegung der Mauren wiederholte: das Selbstgefühl, gehoben durch die in schweren Kämpfen wieder errungene Freiheit, äusserte sich in kühner Seefahrt, und die Königin Hatasu, das Spiegelbild der kastilischen Isabella, beschloss wieder Schiffe ins Weihrauchland zu entsenden. Leider fehlen über den Abgangsort derselben alle positiven Angaben; erst das wissen wir wieder sicher, dass unter Ramses III. in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Expeditionen den alten Weg von Koptos zur Küste gehen, ja dass Ramses IV., der unmittelbare Nachfolger jenes Königs, sich durch Anlegung einer neuen Verbindungsstrasse besonders verdient gemacht hat. Nicht geringere Bedeutung hat der Verkehrsweg zur Zeit der 26. Dynastie, der saïtischen, eben der des Necho. Diese umfasst eine Periode der Restauration; im Kultus, in der Sprache, in der Schrift kommt man auf das Alte zurück. Das Staatsleben sucht man durch das Hervorholen archaistischer Titulaturen mit der Würde verflossener Jahrtausende zu umkleiden und tritt mit einer gewissen Ostentation auch auf anderen Gebieten in die Fussstapfen der älteren Königshäuser. Schon aus diesem Grunde würde es uns leicht glaublich erscheinen, dass man auch bei der Wiederaufnahme eines regeren überseeischen Handelsverkehrs hinsichtlich des Ausgangspunktes der alten Tradition nicht untreu wurde; aber wir haben sogar ausdrückliche Beweise dafür. An einer Felswand des Wadi Gasus auf dem Wege vom Nil zu dem alten Hafenplatze am rothen Meere finden sich nämlich aus der Zeit der 26. Dynastie die Namen mehrerer „Gottesweiber“ – das sind Königinnen, welche zugleich Gattinnen des Gottes Amon zu Theben waren –; Beweis genug, dass die Strasse von Koptos an die Küste damals wieder erhöhte Bedeutung gewann. Und wie zur Zeit der alten Pharaonen hatte auch unter den Ptolemäern der ägyptische Handel auf dem rothen Meere seinen Ausgangspunkt neben dem nördlicher gelegenen Heroopolis[192] hauptsächlich in Kosseir, ja, noch für die Periode um Christi Geburt schildert uns Strabo Koptos als den Stapelplatz für indische, arabische und äthiopische Waren, wenn auch die Verbindungsstrasse mit der Küste etwas weiter südöstlich lief, als früher, nämlich nach Berenice[193], und selbst in der Neuzeit bis zur Eröffnung des Suezkanales spielte Kosseir, über das auch eine wichtige Route für die afrikanischen Mekkapilger führte, als Verkehrsmittelpunkt dieser Gegenden seine Rolle. So liegt in der That die Vermuthung nahe, dass dieser Platz oder ein benachbarter Hafen, wie so vieler anderen Fahrten, auch der phönizischen Ausgangspunkt gewesen, und es dürfte nicht zu gewagt sein, unter Zurückweisung der oben erwähnten Ansichten für diese die grössere Wahrscheinlichkeit in Anspruch zu nehmen.
Zeit und Abfahrtsort der Expedition sind somit wenigstens annähernd festgestellt; es tritt nun an uns die Frage heran: woher nahm Necho die Mannschaft, welche er aussendete? Auch hierauf können wir jetzt Antwort geben. Ging das Geschwader erst nach der Rückkehr des Königs vom syrischen Feldzuge ab, so gewinnt damit die Vermuthung an Wahrscheinlichkeit, dass die Bemannung der Schiffe nicht von der phönizischen Küste Asiens, sondern aus dem Nildelta stammte, eine Ansicht, durch die ich freilich in Gegensatz zu einigen Gelehrten gerathe, welche sich ebenfalls mit der Umsegelung beschäftigt haben. Ein Theil der Beurtheiler übergeht diese Frage gänzlich mit Stillschweigen und lässt sich auch nicht andeutungsweise darüber vernehmen, andere, die sie nicht besonders erörtern, lassen wenigstens errathen, dass sie Phönizier aus dem Mutterlande für die Beauftragten halten, während eine dritte Kategorie dieses geradezu behauptet. Ihnen allen gegenüber möchte ich auf Folgendes hinweisen. Nechos Herrschaft über Syrien währte nur wenige Jahre[194]; nach der Schlacht von Karchemisch gab er mit seinen anderen Eroberungen auch die Herrschaft über die phönizischen Städte auf[195]. Da lag es ihm doch näher, falls er nun erst seine Expedition aussandte, die Phönizier im Delta, seine Unterthanen, mit der Ausführung zu betrauen, als sich an die im Mutterlande gebliebenen zu wenden, welche eben von seiner Herrschaft wieder frei geworden waren. Auch ist noch zu erwägen, dass in den nächsten Jahren nach der Schlacht bei Karchemisch Nebukadnezar Syrien in Besitz nahm[196]. Sobald dieser Herr der Phönizier geworden war, verstand es sich von selbst, dass sie für seinen Feind – denn der Friede, welcher folgte, war ein bewaffneter – nicht fahren durften; aber auch ehe sie wirklich das babylonische Joch trugen, werden sie schwerlich geneigt gewesen sein, auf etwaige Anerbietungen Nechos einzugehen und sich damit der Rache des von Osten gegen sie vordringenden asiatischen Machthabers auszusetzen. Und konnte Necho nicht die Dienstleistung der syrischen Phönizier recht wohl entbehren? Ganz gewiss. Nach Herodot[197] wohnten Landsleute von ihnen bei Memphis, ja nach Lieblein[198] waren Phönizier bereits 2600 Jahre vor Chr. von Südarabien – hier glaubt dieser Gelehrte seien sie ursprünglich zu Hause gewesen – über das rothe Meer nach Aegypten gekommen und hatten ausser an anderen Stellen auch in der Nähe von Koptos eine Kolonie gegründet; dass sie sich auch in dem wegen seiner vielen Wasserstrassen für Handel und Verkehr so sehr geeigneten Delta werden ausgebreitet haben, dürfen wir bei unserer Kenntniss des phönizischen Nationalcharakters mit Sicherheit annehmen. Sagt doch auch Curtius[199]: „Im unteren Nilthale waren die Phönizier seit ältesten Zeiten heimisch und besassen daselbst die einträglichsten Handelsstationen“. Und dass sie auf einem Terrain, welches ihrem amphibischen Charakter so zusagte, die alte Tüchtigkeit zur See, wie die syrische Heimath sie ihnen anerzogen hatte, sich bewahrten, bedarf kaum der Erwähnung. Wo wir auch immer phönizische Kolonisten auftauchen sehen, des Erbes ihres Stammlandes, der Kunst, den flüchtigen Kiel geschickt durch die wogende Fluth zu lenken, sind sie überall theilhaftig geblieben; sicherlich nicht am wenigsten diejenigen, welche an den tausend Wasseradern des Nildeltas neue Wohnsitze gefunden hatten. Geeignet für die in Frage stehende Fahrt waren auch diese also unbedingt, denn was werden sie anders gewesen sein als Kaufleute und Matrosen? Sicher verdankte die ägyptische Handelsmarine zum grossen Theile den im Delta ansässigen Phöniziern ihre Existenz. Diese wird Necho also ohne Zweifel auch zur Bemannung seiner neu geschaffenen Kriegsflotte verwendet, ihnen den Befehl zur Umsegelung Afrikas ertheilt haben. Fast unwiderleglich scheint mir aber der Beweis dafür, dass es ägyptische Phönizier gewesen waren, welche die Fahrt unternommen hatten, sich aus den Vorbereitungen zu ergeben, die Sataspes zu seiner Reise traf. Er ging, um ein Schiff für seine Umfahrt ausrüsten zu lassen, nicht, wie es doch näher gelegen hätte, in den Küstenstrich, wo die persische Marine ihren Hauptsitz hatte, nach Syrien, sondern ins Nildelta. Da es nun völlig ausgeschlossen erscheinen muss, er habe Aegypter heuern wollen[200], bleibt nur die Annahme übrig, dass er die hier ansässigen Phönizier für diejenigen Leute hielt, bei denen die Tradition von der Fahrt des Necho am lebendigsten war, und denen er am ersten zutrauen durfte, die Fährlichkeiten einer neuen gleichen Reise mit ihm zu bestehen.
Das passendste Werkzeug drängte sich also einem Könige Aegyptens, der seinem Lande durch Förderung des Handels bisher unbekannte Quellen materiellen Wohlergehens erschliessen wollte, gewissermassen von selbst auf, und diese Erwägung mag fördernd auf Nechos Pläne eingewirkt haben; bei sorgfältiger Betrachtung wird sich aber zeigen, dass auch manche andere Verhältnisse sowohl des Alterthums im Allgemeinen, als auch der Zeit Nechos im Besondern, die Aussendung der Expedition in einem nicht so wunderbaren Lichte erscheinen lassen, wie man auf den ersten Blick geneigt sein könnte zu glauben. Zunächst muss festgestellt werden, dass es heissen würde, einen grossen Irrthum begehen, wenn man dem Alterthum Mangel an Unternehmungsgeist auf dem Gebiete des Reisens vorwerfen wollte. Abgesehen von vielen über allem Zweifel erhabenen Fahrten der Phönizier und Griechen erinnere ich nur an ein Faktum, das Herodot selbst erzählt[201]. Aus dem Volke der Nasamonen, nomadischer Schafzüchter an den Syrten, unternahmen einst fünf Jünglinge die abenteuerliche Wanderung nach dem Niger, eine That, die erst in unserer Zeit durch Expeditionen, welche mit allen Hülfsmitteln moderner Kultur ausgerüstet waren, in Schatten gestellt ist. Diese Durchquerung der Sahara von Seiten der Nasamonen ist eine grossartigere Leistung als selbst die Umsegelung Libyens durch die Phönizier. Befähigt waren die Vertreter beider Völker für die Lösung ihrer Aufgabe, diese in Folge ihrer früheren ausgedehnten Fahrten zur See, jene durch ihre jährlichen Wanderungen nach Audschila, von wo sie Datteln holten[202]. Aber wenn es wahr ist, dass Wüsten die sie begrenzenden Länder mehr trennen als Ozeane die Küsten, welche sie bespülen, so wird auch zugestanden werden müssen, dass eine Wanderung durch das unbekannte afrikanische Sandmeer ohne Kamele, die damals in jenem Erdtheile noch nicht heimisch waren, mindestens eben so schwierig sein musste, wie eine Fahrt in eine fremde Wasserwelt, bei der man doch die Küste schwerlich auch nur einen Tag ausser Sicht verlor. An einem gewissen Wagemuthe, der die Schrecknisse aberteuerlicher Fahrten gering achtete, fehlte es also dem Alterthume entschieden nicht.
Wenn aber ein König wie Necho das, was er an Unternehmungsgeist besass, gerade der Förderung der Seefahrt zu gute kommen liess, wenn es ihn antrieb, fremde Meere und Länder in den Bereich ägyptischer Thätigkeit hineinzuziehen, so werden sich speziellere Beweggründe dafür unschwer finden lassen. Seit Psammetich waren in Aegypten Karer und – was für uns vielleicht wichtiger ist – Jonier ansässig[203]; in Jonien aber blühte Milet vor allen anderen Städten, und die Grundlage dieser Blüthe bildeten ihre Beziehungen zum Auslande. Von diesem glänzenden Emporium Kleinasiens zog der strebsame Kaufmann zu Tausch und Handel in die Fremde hinaus, und hierher trug ihm die dienstbare Meereswelle von allen Gegenden der Windrose Schätze der fernsten Erdstriche als Lohn der überstandenen Mühen und Gefahren herbei. Lassen wir es dahin gestellt, ob gerade Naukratis eine milesische Kolonie war oder nicht; als sicher dürfen wir betrachten, dass die Verbindung, wie sie zwischen der bedeutendsten Handelsstadt der kleinasiatischen Westküste und Aegypten durch die jonischen Söldner eingeleitet war, die Milesier bewogen haben wird, auch die Gegenden an den Mündungen des Nils in den Kreis ihres Handelsverkehrs hineinzuziehen. So wird Necho, über die Segnungen kolonialer Thätigkeit durch die Berührung mit einem der Hauptzentren damaliger griechischer Besiedlungskunst belehrt, sicher dazu angeregt sein, seine auf das gleiche Gebiet gerichteten Bestrebungen um so eifriger zu verfolgen. Dass er gerade auf eine Umsegelung Afrikas verfiel, dazu hat die irrige Anschauung seines Zeitalters über die Gestalt jenes Erdtheils wahrscheinlich das ihrige beigetragen. Ob Necho sicher wusste, dass dieser im Süden zu umsegeln war, muss trotz A. v. Humboldts Einwendungen[204] als zweifelhaft gelten; in hohem Grade wahrscheinlich ist aber, dass man ums Jahr 600 nicht nur das annahm, sondern – wie oben erwähnt – seine Süderstreckung für weit geringer hielt, als sie in der That ist. Naturgemäss ergab aber diese irrige Anschauung für Necho eine Anregung mehr, die Fahrt zu befehlen, und für die Phönizier einen neuen Antrieb, dem Befehle nachzukommen. Sie werden, von Kap Guardafui durch das rothe, das mittelländische Meer und den atlantischen Ozean bis zu den Handelsplätzen der Karthager in Senegambien rechnend, wahrscheinlich angenommen haben, den Umfang des Erdtheils über die Hälfte hinaus, vielleicht bis zu zwei Dritteln zu kennen, und es ist klar, dass diese Annahme einerseits sie reizen musste, auch den Rest zu erforschen, andrerseits ihren Muth für die gefährliche Reise stählte. Es fordern, wie in manchem andern Punkte, so auch in dieser Beziehung die Fahrten der Portugiesen an der Westküste Afrikas im 15. Jahrhundert zu einem Vergleich heraus. Tappend von einer Station zur andern, suchten sie vorsichtig und bedächtig ihren Weg und haben über siebzig Jahre gebraucht, um bis an das Kap der guten Hoffnung zu gelangen, dann aber legten sie den Rest des Seeweges nach Indien, ihres Sieges gewiss, in kurzer Zeit zurück. Aehnlich haben wir uns auch das Vorgehen der Phönizier zu denken. Jahrhunderte lang wird es gedauert haben – und bei dem damaligen unentwickelteren Standpunkte der Seefahrt ist das begreiflich – bis dieselben einerseits mit ihren Vettern vom Bagradas über das Mittelmeer bis nach Senegambien, andrerseits allein auf dem rothen Meere bis Bab-el-Mandeb vorgedrungen sind. Nachdem sie an letzterem Orte lange Zeit Handel getrieben hatten, mag in Folge äusserer Veranlassung, vielleicht halb durch Nechos Befehl geweckt, halb aus anderen gleich zu erwähnenden Gründen, die Lust in ihnen erwacht sein, den Rest Libyens zu umsegeln, und in der Voraussetzung, der Erdtheil schlösse viel weiter im Norden ab, als er es wirklich thut, werden sie, belebt von der sicheren Hoffnung des Gelingens, wie nach ihnen Vasko da Gama, den vermeintlich kurzen Weg angetreten und, trotzdem er sich wider Erwarten lang erwies, glücklich vollendet haben. Den angedeuteten anderen Gründen dürfte es nun passend erscheinen, ein paar Worte zu widmen. Zunächst war es gefährlich, dem Befehl eines Despoten – und ein solcher war doch zweifellos auch Necho – nicht Folge zu leisten; das Schicksal des Sataspes zeigt dies zur Genüge. Dazu kommt, dass, wenn nicht alles täuscht, des Königs Aufforderung die Phönizier getroffen haben wird, als sie sich selbst mit dem Gedanken, über Kap Guardafui hinaus die Fahrt zu versuchen, bereits vertraut gemacht hatten; es wird also zu einem längst von ihrer Seite geplanten Unternehmen der Pharao den äusseren Anstoss gegeben haben. Dass aber gerade damals den Phöniziern der Gedanke nahe gelegt wurde, eine Probefahrt in bisher unbekannte Gegenden zu unternehmen, um eventuell ihr Handelsgebiet über diese auszudehnen, lag in den politischen Verhältnissen begründet. In den ältesten Zeiten gehörte ihnen das mittelländische Meer unumschränkt, und ohne Konkurrenz befuhren sie es von einem Ende zum andern. Das hatte sich aber in den letzten Jahrhunderten, die vor Necho liegen, sehr zu ihrem Nachtheile geändert. Mehr und mehr fing die griechische Seemacht an, den Kampf um das Prestige siegreich aufzunehmen, weiter und weiter spann sich das Netz, mit dem hellenischer Unternehmungsgeist und hellenische Thatkraft die Ufer des Mittelmeeres kolonisirend überzogen, und ums Jahr 600 v. Chr. war der östliche Theil dieser früher ausschliesslich phönizischen Domäne bereits verloren, der westliche schwer bedroht. Schon um die Mitte des siebten Jahrhunderts war Koläos von Samos durch die Säulen des Herakles nach Tartessos verschlagen worden[205], und der Schätze, die er mitbrachte, waren so viele, dass der zehnte Theil hinreichte, ein grosses Weihgefäss von Erz im Tempel der Hera zu Samos aufzustellen. Er war der erste Hellene, der den atlantischen Ozean beschifft, der den wichtigsten Marktplatz der Phönizier besucht hatte. Dass nach solchen Erfolgen die Griechen den Westen des Mittelmeeres mehr frequentiren würden, dies vorauszusehen, bedurfte es keiner prophetischen Beanlagung, und in der That wurde schon im Jahre 628 im Westen Siziliens Selinus gegründet[206]. Das Naturgemässe würde nun gewesen sein, die Phönizier hätten ihre Schiffe bemannt und mit des Schwertes Schärfe ihre vermeintlichen Ansprüche den Eindringlingen gegenüber zur Geltung gebracht; doch nichts derartiges geschah. Semiten sind geschmeidig; der Druck, der ihnen die Waffen in die Hand zwingen soll, muss schon ziemlich stark sein, und alles, was phönizisch hiess oder nur entfernt von Phöniziern seinen Ursprung ableitete, war Krämervolk und huldigte der Politik der Duldung. Wir sehen es an der Geschichte der Karthager. Waren sie schneidige Leute, so mussten sie, als das erste griechische Schiff durch die Strasse zwischen Sizilien und Afrika fuhr, diesen Vorfall als einen casus belli betrachten und eine Monroe-Doktrin des Alterthums aufstellen, indem sie mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln die Einmischung der hellenischen Osthälfte der damaligen Mittelmeerwelt in ihre westlichen Gebiete zurückweisen. Sie thaten es nicht. Erst als sich ums Jahr 537 die Phokäer in Alalia auf Korsika niedergelassen hatten und der Handel dieser griechischen Kolonie den Puniern aufs ernstliche gefährlich zu werden schien, verbündeten sie sich mit den Etruskern zu einem Waffengang gegen die Fremdlinge und zwangen sie durch eine Seeschlacht, ihre Ansiedlung aufzugeben[207]; dann aber trat wieder Ruhe ein, und erst 60 Jahre später entbrannte auf der ganzen Linie der Kampf zwischen der phönizischen und der hellenischen Welt, als Xerxes an der Spitze seiner Flotte gegen das griechische Mutterland zog und gleichzeitig die Karthager die von dort ausgegangenen sizilischen Kolonieen bedrängten. So weit war man zu Nechos Zeit aber noch lange nicht, und keineswegs dachten damals die Phönizier an gewaltsame Abwehr; sie versuchten vielmehr sich Ersatz zu schaffen für die verloren gegangenen Handelsgebiete, und bei einem Volke, dessen Schiffer gewohnt waren, die weiten Wege nach Indien und Britannien ohne Furcht zurückzulegen, ist ein solcher Entschluss in der That weniger wunderbar, als er auf den ersten Blick erscheinen mag. So mochten sie leicht auf den Gedanken einer Umsegelung Afrikas verfallen, und wir werden schwerlich irren, wenn wir behaupten, dass Necho, in seinen Plänen vielleicht von den Phöniziern beeinflusst, ausgesprochen hat, was diese längst wünschten, ja, dass die Fahrt binnen Kurzem zu Stande gekommen wäre, auch wenn er sie nicht befohlen hätte. Die ganze Lage drängte dazu, und es war nur natürlich, dass die Phönizier sich anderen Meeren zuwandten, da sie das mittelländische nicht behaupten konnten oder wollten. Bis zu Nechos Zeit wird ihr Seeverkehr über Bab-el-Mandeb hinaus nicht sehr lebhaft gewesen sein. Was ihnen an der Pforte des Mittelmeeres zum atlantischen Ozean fehlte, ein Stapelplatz für die aus weiter abliegenden Ländern einzuführenden Waren – denn darüber, dass Gades etwa für die Produkte der Kassiteriden und anderer westlicher Gebiete dies gewesen sei, ist nichts überliefert – das hatten sie an dem Thor, welches den Verkehr mit dem indischen Meere vermittelte, in dem Lande Punt. Hierher wurden die Erzeugnisse Indiens, auch nachdem die Phönizier den Seeweg dorthin gefunden hatten, jedenfalls öfters von den Händlern des produzirenden Landes gebracht, als jene sie holten; auch die Waren, welche die in der Nähe von Bab-el-Mandeb gelegenen afrikanischen Küstenorte ausführten[208], strömten hier zusammen, und dass es mit den Handelsartikeln der weiter südlich liegenden produktenreichen Länder wahrscheinlich ebenso der Fall war, haben wir schon oben gesehen. Daher gingen selten Schiffe aus dem rothen Meere in den indischen Ozean hinaus, wie Strabo, der doch weit später lebte (um Chr. Geb.), dies noch von seiner Zeit berichtet[209]; geschah es dennoch, erregte es Aufsehn, und wenn die Nachricht von der phönizischen Umsegelung Afrikas der Nachwelt erhalten ist, so mag dies als einer der Gründe dafür angesehen werden. War also bis zu Nechos Zeit der östliche Seehandel der Phönizier im Wesentlichen auf Punt beschränkt und griff höchstens ab und an nach Indien hinüber, so lenkte dieses Königs Gewinnsucht ihn in neue Bahnen. Ob es ein Versuch ins Blaue hinein war, oder ob ihm die Erreichung bestimmter Gegenden als Ziel vorschwebte, kann unentschieden bleiben. Unmöglich ist das Letztere nicht, denn an der Westküste Afrikas waren durch phönizische und karthagische Expeditionen allerlei reiche Länder bekannt geworden, mit denen in Verbindung zu treten Necho reizen konnte. Es lag nun aber nicht fern zu fürchten, dass ihm der ungehinderte Verkehr dorthin auf der nächsten Strasse, der des Mittelmeeres, verlegt werden könnte; so kam er auf den Gedanken zu versuchen, ob das Ziel nicht auch durch Umsegelung Afrikas im Süden zu erreichen sei. Da Necho wahrscheinlich meinte, die Küste Libyens ziehe gleich beim Kap Guardafui nach Westen, lässt sich sein Plan verstehen. Wenn er recht hatte, war der Weg von Punt bis Senegambien um Südafrika herum in der That kaum weiter als der von den Nilmündungen durch das mittelländische Meer dorthin. Was nun die Sperre der nördlichen Strasse anbetrifft, so glaubt Maspéro[210], die ersten Entdecker jener Länder an der Westküste, Phönizier und Karthager, würden schwerlich den mediterranen Verkehr ägyptischer Schiffe nach ihren Ansiedlungen, den sie leicht hindern konnten, gestattet haben. Mir erscheint dies fraglich, da doch Landsleute sie führten; weit eher könnte es, wie oben gezeigt, die wachsende Seemacht der Griechen gewesen sein, die ihn befürchten liess, dass für Phönizier die Fahrt auf dem Mittelmeere in Kürze ihr Ende erreicht haben möchte. So war Aegypten unter König Necho hinsichtlich dieser westafrikanischen Gebiete in einer ähnlichen Lage wie das Abendland seit dem Vordringen der türkischen Horden nach Vorderasien in Bezug auf Indien; war im Mittelalter der nächste Weg nach diesem Lande durch die Söhne der hinterasiatischen Steppe verlegt, so bedrohte im Alterthum den in jene Gebiete die Eifersucht der griechischen Seefahrer. In beiden Fällen blieb als Auskunftsmittel die Umsegelung Afrikas im Süden. Mag man also über die Beweggründe Nechos denken, wie man will: Gewinnsucht, die auri sacra fames, ist höchst wahrscheinlich nicht die geringste der Triebfedern zu dieser, wie zu so vielen andern Thaten gewesen, und wie dem Kolumbus bei seiner epochemachenden Entdeckung als Ziel die Gestade Zipangus, des Goldlandes Marco Polos, vorschwebten, so sind die ersten Umsegler Afrikas möglicherweise durch die Schätze Senegambiens zu ihrer abenteuerlichen Reise verlockt worden.
Trotz der grossen Hoffnungen aber und der weit ausschauenden Pläne, welche Necho und die Phönizier mit dieser Fahrt verknüpften, ist sie doch nicht nur für die allgemeine Weltgeschichte, sondern auch für die des ägyptischen Landes ohne alle Folge geblieben; es zeigt sich uns hier einer jener Fälle, wo einer wirklich grossen That der gebührende Lohn versagt geblieben ist. Alle diejenigen aber, welche geneigt sind, aus was für Gründen immer, der Nachricht Herodots mit Zweifeln gegenüberzutreten, haben sich aus dieser Folgenlosigkeit eine Waffe geschmiedet, der allerdings auf den ersten Blick die Fähigkeit, schlimme Wunden zu schlagen, nicht abgesprochen werden kann, die aber bei sorgfältigerer Prüfung sich doch als stumpf und nur zu einem Scheingefecht verwendbar erweist. Betrachten wir die Sachlage etwas eingehender! Der erste Grund, den die Gegner geltend machen, ist der, dass kein Schriftsteller des Alterthums von dieser Umsegelung weiss, es sei denn, dass er die Nachricht aus Herodot entlehnt hätte. Sie argumentiren nun, ein so wichtiges Ereigniss habe nicht ganz vergessen werden können, und daraus, dass keiner es erwähne, sei mit Sicherheit zu schliessen, dass keiner daran geglaubt habe[211]. Die ganze Erzählung von der Umsegelung sei also eine Fabel oder bezöge sich im günstigsten Falle auf einen Versuch, gegen dessen Gelingen das Schweigen der alten Quellen auf das beredteste spräche[212]. Sicherlich kann man nun aber daraus, dass nur einer irgend ein Ereigniss kennt, nicht schliessen, dass es überhaupt nicht stattgefunden habe; manchmal wird es bei genauerer Prüfung sogar auffällig erscheinen, dass dieser eine es kennen gelernt hat, und der Fall scheint mir hier vorzuliegen. Es ist, eben weil die Fahrt ohne jede Nachwirkung geblieben war, einerseits als ein besonders glücklicher Zufall zu betrachten, dass die Priester bei Herodots Anwesenheit in Aegypten sich der vor 150 Jahren gemachten Reise erinnerten, andrerseits ist es wunderbar, weil diese Gewährsmänner aus Gründen, die später zu erörtern sein werden, selbst die Thatsachen nur oberflächlich kannten und anzunehmen ist, dass schon um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. bei jedem Fehlen eines greifbaren Erfolges die ganze Geschichte nicht viel mehr als ein dunkles Gerücht gewesen sei. Wenn nach dieser Zeit Griechen, die Aegypten bereisten, etwa durch Herodots Erzählung angeregt, nach der Sache fragten, haben sie sicher nichts erfahren: die späteren Generationen hatten selbst keine Kenntniss davon. Es könnte hiergegen eingewendet werden, dass die Bewohner des Nilthales doch von den Grossthaten ihrer Könige aus viel früherer Zeit zu berichten wussten, aber es waren ja eben Aegypter gewesen, die jene vollbracht hatten, und – mochten die alten Erzählungen nun Wahres oder Unwahres berichten – jene Nachrichten waren eben so viele Blätter in dem Ruhmeskranze der ägyptischen Geschichte. Welchen Glanz konnte aber der Vergangenheit ihres Landes diese Heldenthat phönizischer Schiffer verleihen, zu welcher der Pharao doch höchstens die Anregung gegeben hatte, bei der alle Mühen und Gefahren aber von Fremden erduldet worden waren, denen naturgemäss deshalb auch der Ruhm und die Ehre gebührte? Man hatte – durch die Brille ägyptischer Selbstsucht gesehen – demnach wenig Interesse daran, dieser Fahrt eine länger dauernde Erinnerung zu widmen. Unser Gewährsmann, der doch persönlich am Ausgangspunkte der Expedition war und ihr zeitlich im Verhältniss zu den andern Historikern und Geographen des Alterthums nahe stand, erfuhr also wenig genug, und das ist nicht auffällig; eher wäre denkbar, dass vor Herodots Zeiten dieser oder jener Grieche, der sich in Aegypten aufhielt, Genaueres von der Reise gehört hätte; ist es denn aber wunderbar, wenn bei dem gänzlichen Mangel einer griechischen Historiographie in jenen Zeiten weiteren Kreisen davon nichts bekannt wurde?
Man hat ferner erwähnt, der Umstand, dass nach der Zeit, in welche die Umsegelung gesetzt wird, der Standpunkt der geographischen Kenntnisse genau derselbe geblieben, dass auch nicht der geringste Fortschritt auf diesem Gebiete zu konstatiren sei, lege es nahe, die Fahrt der Phönizier als nicht geschehen zu betrachten. Eine genauere Prüfung wird die Hinfälligkeit auch dieses Grundes erweisen. Zugegeben muss selbstverständlich werden, dass weder Herodot, noch manche spätere dies Gebiet berührende Schriftsteller des Alterthums eine Ahnung von der südlichen Ausdehnung und wahren Gestalt Afrikas hatten. Die alten Geographen kannten zwar natürlich die Erzählung von der Umsegelung des Erdtheils und wussten wohl, dass er sich bis in eine Gegend erstrecken solle, wo die Sonne dem an der Südküste von Osten nach Westen Fahrenden mittags zur Rechten erscheinen konnte; es war das aber – wie ihnen bekannt – für einen Theil des Jahres schon der Fall, wenn er sich bis über den Wendekreis des Krebses ausdehnte, und indem sie ihn bei ihren Kartenentwürfen soweit verlängerten, glaubten sie der Nachricht Herodots genüge zu thun. Wir konstatiren bei dieser Gelegenheit, dass aus den verkehrten Anschauungen über die Süderstreckung des Erdtheils, die wir bei nachherodoteischen Geographen des Alterthums finden, also keineswegs – wie es thatsächlich geschehen ist – geschlossen werden darf, dass diese sämmtlich jene Erzählung für eine Lüge ansahen; sie konnten dieselbe für wahr halten, konnten glauben, dass der Schiffer die Sonne im Norden erblickt, und doch den Erdtheil nördlich vom Aequator seinen Abschluss finden lassen. Und selbst die Besten haben sich in dieser Beziehung die verkehrtesten Bilder gemacht. So denkt sich noch Strabo Libyen als ein rechtwinkliges Dreieck, dessen lange Kathete am Mittelmeer liegt, und dessen kurze sich in der Richtung des Niles erstreckt, während die Hypotenuse etwa von Gibraltar nach Südosten verläuft. Die Südspitze des Erdtheils verlegt er etwa unter den 10. Grad n. Br.[213]. Eine andere beliebte Annahme war die, dass Südafrika sich nach Osten hin mit Vorderindien verbinde und also der indische Ozean ein Binnensee sei. Schon Hipparchus von Nikäa, der zu Alexandria lehrte (um 200 v. Chr.), hat sich dieser irrigen Vorstellung hingegeben, und wenn auch Strabo und Posidonius dieselbe verwarfen, so haben doch Polybius, Marinus von Tyrus und endlich Claudius Ptolemäus sie vertheidigt[214]. Polybius, einer der hervorragendsten Geographen des Alterthums, behauptet geradezu, dass Afrika „in Aethiopien“ mit Asien zusammenhänge[215], woraus klar hervorgeht, dass zu seiner Zeit nicht einmal der Verlauf der Ostküste des Erdtheils unmittelbar südlich von dem heutigen Kap Guardafui bekannt war, denn hier beginnt ja Aethiopien nach der Anschauung der Alten[216]. Auf diesen Gründen fussend, hat nun die Zweifelsucht den Kampf eröffnet, freilich, wie wir gleich sehen werden, ohne Aussicht auf Sieg. Plinius erzählt uns nämlich[217], dass Ptolemäus Philadelphus der erste gewesen sei, der Troglodytice – d. i. die Westküste des rothen Meeres – genauer untersuchen liess. Nun hatten aber an dieser Küste entlang die Aegypter nicht Jahrhunderte, nein, wahrscheinlich Jahrtausende hindurch Schifffahrt nach Punt getrieben und sie dabei ohne Zweifel bis ins Kleinste hinein kennen gelernt. Wenn nun jener König Veranlassung nahm, ein Land aufs neue erforschen zu lassen, das man 1000 Jahre und früher, bevor er zur Regierung kam, schon gründlich gekannt hatte, wenn noch in den letzten Zeiten vor der Perserherrschaft diese Kenntniss durch neue Fahrten in jener Richtung völlig gesichert erscheint, so geht daraus hervor, dass in den Wirren, welche mit dem Zuge des Kambyses für Aegypten begannen, die früher erworbene Kunde wieder verloren gegangen war. Wenn das aber dem Lande Troglodytice geschehen konnte, so ist nicht einzusehen, warum es nicht auch die weiter südlich gelegene Ostküste Afrikas hätte treffen sollen. Die Kenntniss jener Gegenden, wohl nur durch die eine phönizische Fahrt vermittelt, war sicherlich weit oberflächlicher als die hinsichtlich Troglodytices erworbene; konnten die hochgehenden Wogen des Stromes der politischen Ereignisse diese fortreissen, so war es kein Wunder, wenn jene ihnen nicht hatte widerstehen können. Daraus also, dass die Ostküste Afrikas südlich vom Kap Guardafui zur Zeit des Polybius unbekannt war, kann unmöglich geschlossen werden, die phönizische Expedition habe nicht stattgefunden. Wenn aber feststeht, dass man später in Aegypten von der Umsegelung nichts mehr hat wissen wollen, wenn besonders betont worden ist, dass auch die grossen Geographen der alexandrinischen Schule an die Wahrheit der herodoteischen Erzählung nicht geglaubt haben[218] – vor allen andern wird Claudius Ptolemäus, der ebenfalls den indischen Ozean in ein asiatisch-afrikanisches Binnenmeer verwandelte[219], als Zeuge für die Ansicht der Gegner aufgeführt. Und in der That ist einerseits nicht darüber zu streiten, dass er die Erzählung gekannt, andrerseits, dass er ihr keinen Glauben beigemessen hat. Der Grund seines Zweifels hat freilich wohl weniger in Bedenken gelegen, die er in Bezug auf die Wahrheitsliebe Herodots hegte, als vielmehr in der häufig wiederkehrenden Anschauung, dass das Gleichgewicht der Erdkugel ohne ein grosses antarktisches Festland, welches den um den Nordpol lagernden Landmassen entspräche, nicht aufrecht erhalten werden könne. An die Existenz eines solchen Landes, das sich mit Südasien und Südafrika verbinden sollte, mag Ptolemäus geglaubt haben, wie nach ihm noch so viele, bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts Cooks zweite Reise das Phantastische dieser Hypothese nachwies. Trotzdem könnten wir uns wundern, dass er einer solchen blossen Vermuthung zu Liebe durch seine Konstruktion des afrikanischen Festlandes der herodoteischen Ueberlieferung die Wahrheit bestritt, wenn wir nicht wüssten, dass er sich auch andern hochbedeutenden und völlig gesicherten Resultaten wissenschaftlicher Forschung gegenüber ablehnend verhielt. So hatte vier Jahrhunderte vor ihm Aristarchos von Samos die Lehre von einem heliozentrischen Weltsystem aufgestellt und niemand wird bezweifeln, dass sie Ptolemäus bekannt war. Wenn dieser Gelehrte nun trotzdem auf den geozentrischen Bau zurückging, werden wir deswegen doch gewiss nicht annehmen, dass der samische Astronom Falsches gelehrt, sondern vielmehr, dass sein Gegner geirrt habe. Ein Mann aber, der solche Irrthümer beging, wird durch seine abweisende Haltung schwerlich Zweifel an dem Faktum der Umsegelung Afrikas in uns wachrufen können; es ist ihm hier gegangen, wie mit dem Sonnensystem: hat er nicht geschlafen, so hat er doch geschlummert. Wir erkennen also in der ptolemäischen Gestaltung Afrikas nur einen bedauerlichen Irrthum, einen Rückschritt der geographischen Erkenntniss, der dadurch verschuldet wurde, dass jener Gelehrte die zur Zeit des Königs Necho bereits geglückte Lösung eines schwierigen Problems nicht anerkannte. Diese Negierung darf uns aber keineswegs stutzig machen und etwa erneute Zweifel an der Wahrheit des von Herodot Mitgetheilten in uns wachrufen. Ein derartiges Zurückversinken in unreifere Anschauungen steht in der Geschichte der Geographie leider keineswegs vereinzelt da; brachten uns doch die Zeiten der ersten christlichen Geographen „das drückende Schauspiel eines Verfalls der Wissenschaft und ihres Zurücksinkens in das Kindesalter der jonischen Schule“[220]. Sehen wir doch hier unter dem Einfluss der naiven Darstellungen der Bibel die Erde aus einer Kugel wieder zur gewölbten Scheibe werden, deren Mittelpunkt die heilige Stadt Jerusalem ist, wie einst den Griechen ihr Apollositz Delphi „der Nabel der Erde“ war, und über ihr die Engel die Gestirne am Himmel hinauf- und herabführen und dafür sorgen, dass Tag und Nacht sich richtig ablösen und dann und wann zur Unterbrechung des monotonen Einerlei eine Sonnen- oder Mondfinsterniss in Szene geht[221]. Es wird schon aus diesen Ausführungen, wie ich denke, klar hervorgehen, dass der Mangel an Erweiterung unseres geographischen Horizontes in Folge der phönizischen Fahrt uns keineswegs veranlassen darf, an dieser selbst zu zweifeln; wenn sie aber nach dieser Richtung hin ohne alle Folgen blieb, so liegt ein anderer Grund wohl noch in dem Umstande, dass die Phönizier sich schwerlich Zeit genommen haben, die Küsten und die Lage des Erdtheils im Vorbeifahren auch nur oberflächlich aufzunehmen, ganz abgesehen davon, dass sie zur Anfertigung einer nur halbwegs richtigen Skizze jedenfalls nicht annähernd befähigt waren. So werden sie auf die Frage, wie weit sich Afrika nach Süden erstrecke, selbst nicht im Stande gewesen sein, genaue Auskunft zu geben; die Nachwelt blieb darüber erst recht im Dunkeln und konnte, da neue Fahrten in das Südmeer nicht unternommen wurden, noch lange meinen, der Erdtheil reiche nur etwa bis in die Nähe des Aequators. Als man dann später über die weite südliche Ausdehnung Afrikas mehr und mehr ins Klare kam, diente diese Erkenntniss naturgemäss der Ansicht zur Stütze, dass die ägyptische Priestererzählung eine Fabel gewesen sei, gedichtet auf Grund der früheren irrigen Vermuthung über jenen Punkt, die ja allerdings eine Umschiffung weit leichter erscheinen lassen musste, als sie es in Wirklichkeit war[222]. Auffallend ist bei diesen Erwägungen für den modernen Menschen vor allem das Eine, dass zur Zeit der Ptolemäer – also nach 300 Jahren –, wenn wir die Gelehrtenkreise, denen das Werk Herodots bekannt war, ausnehmen, augenscheinlich niemand von der Umsegelung etwas wusste, und auf den ersten Blick könnte ein gewisses Erstaunen über diesen Umstand berechtigt erscheinen, wenn man die Verhältnisse der neueren Zeit in Betracht zieht. Eine so kühne Seereise, in den letzten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung unternommen, würde nicht nur niemals der Vergessenheit anheimfallen können, sondern vielmehr jedem halbwegs Gebildeten unbedingt geläufig sein. Um aber ein richtiges Urtheil zu gewinnen, dürfen wir nicht an den unendlichen Reichthum der litterarischen Publikationsmittel, wie er uns heute zu Gebote steht, denken, sondern müssen uns die im wesentlichen auf mündliche Tradition angewiesene Zeit des Königs Necho vergegenwärtigen; erst dann werden wir uns klar machen können, wie es möglich war, dass die Erinnerung an diese Fahrt nur durch Vermittlung einer einzigen, und noch dazu so spärlich fliessenden Quelle auf uns gekommen ist und die Nachricht von einer hochinteressanten, wenn auch wissenschaftlich und politisch folgenlosen Begebenheit nach 300 Jahren schon vergessen sein konnte.
Der Fall, dass an und für sich bewundernswerthe Expeditionen folgenlos verliefen, steht übrigens nicht so vereinzelt da, wie man bei oberflächlicher Betrachtung glauben sollte, und keinenfalls wird es gestattet sein, daraus, dass die phönizische Fahrt ohne weitere Nachwirkung geblieben ist, den Schluss zu ziehen, sie habe überhaupt nicht stattgefunden. Wir brauchen uns nur im Herodot umzusehen, so finden wir für diese Behauptung gleich einen Beweis: die Wanderung der Nasamonen, so kühn sie war, blieb ohne Folgen; wir lesen wenigstens nirgends, dass durch sie Handelsbeziehungen mit den Stämmen jenseits der Wüste angeknüpft wären. Und wenn wir an die drei grossen Entdeckungsfahrten denken, welche die alte Welt von ihrem Zentrum, dem Mittelmeer, aus zur Erforschung der begrenzenden Erdtheile ausgesandt hat – die des Pytheas von Massilia nach dem Norden, Alexanders des Grossen in östlicher Richtung und der Phönizier dem Süden zu – so finden wir, dass es nur dem einen Alexander geglückt ist, die von ihm eröffneten Gebiete als Vertreter vorgeschrittener Staatskunst und höherer Bildung durch äussere oder geistige Bande dauernd mit jenem Mittelpunkte der Kultur zu verbinden. Den Ländern, welche Pytheas besuchte, vermochte der verwegene Forscher ein gleiches Glück nicht zu schaffen; geschichtlich sind seine Reisen so folgenlos geblieben wie die Fahrt der Phönizier. Wer aber vorzieht, eine ausschliesslich maritime Expedition zum Vergleiche zu wählen, den erinnere ich an die erste Erkundung Amerikas, die bekanntlich von normannischen Schiffern ausging; auch sie ist der Umsegelung Afrikas in so fern ähnlich, als sie für den Gang der Geschichte so gleichgültig geblieben ist, dass Christoph Kolumbus mit Recht von aller Welt als der wahre Entdecker gepriesen wird. Und ist es nicht begreiflich genug, dass die Normannen dem genuesischen Kapitän ihren Ruhm haben abtreten müssen, da die Küsten Winlands nicht jene Edelmetalle hervorbrachten, welche den Ländern Mittelamerikas Jahrhunderte lang als Magnet für die Bevölkerung Europas gedient und somit die ersten näheren Beziehungen zwischen der alten und der neuen Welt vermittelt haben? Aber eben so wenig wie die nordischen Schiffer fanden die Phönizier auf ihrer Fahrt – so weit wir wissen – ein besonders reiches Land, wie es später Vasko da Gama glückte, der dieselbe Strasse, aber in entgegengesetzter Richtung, segelte. So preist man, gleich dem Kolumbus, auch jenen Portugiesen; die Phönizier aber theilen das Schicksal der Normannen. Es dürfte sich übrigens empfehlen, wenn wir zu einem richtigen Urtheil über die Folgenlosigkeit der phönizischen Expedition gelangen wollen, die Parallele zwischen ihr und der Fahrt des Vasko noch etwas weiter zu ziehen. Leitete die letztere einen dauernden Verkehr zur See mit Ostindien ein, eine Folge, die als selbstverständlich erscheint, wenn man bedenkt, dass die von dort bezogenen Handelsartikel den Europäern längst Bedürfniss geworden, aber durch das Erscheinen der Türken in Vorderasien der Ueberlandweg verschlossen war, wenn man ferner erwägt, dass die Eröffnung des neuen Weges nach jenen reichen Gegenden den Beweggrund für die nautischen Anstrengungen der Portugiesen während des ganzen 15. Jahrhunderts gebildet hatte und dies Volk im Vollgefühle seiner eben gegen die Mauren erkämpften nationalen Selbständigkeit sich nach gewinnbringenden Beziehungen zur Fremde sehnte, so stand es in dieser Hinsicht mit den Folgen jener von Necho veranlassten Reise wesentlich anders. Auch die Phönizier werden freilich nach reichen, zur Kolonisation geeigneten Landstrichen ausgeschaut haben, ohne dass uns überliefert ist, sie hätten solche gefunden; wenn es aber auch der Fall war, in dem andern Punkte sind sie jedenfalls nicht gleich glücklich gewesen: es kamen für Aegypten und damit doch auch für die Phönizier im Delta bald Zeiten, wo die traurigen politischen Verhältnisse der Heimath ihnen den Gedanken an grössere Unternehmungen nach aussen hin fern halten mussten und sie selbst und ihre Mit- und Nachwelt um die Folgen ihrer kühnen That betrogen. Auch an die Holländer möchte ich erinnern, die bald nach 1600 den Erdtheil Australien berührten, eine Entdeckung, die so wenig Einfluss auf die Kulturvölker geübt hat, dass beinahe noch zwei Jahrhunderte verflossen sind, bis dieser Kontinent – durch James Cook – in die Geschicke der zivilisirten Welt verflochten wurde. Wer darf sich da wundern, wenn im Alterthume, wo der Schauplatz der Geschichte sich sehr allmählich erweiterte, wo noch Jahrhunderte nach Necho das kleine Becken des Mittelmeeres und die dieses begrenzenden Länder im wesentlichen die historisch wichtigen Ereignisse zeitigten, von einer Wiederholung der Umsegelung Afrikas nichts gemeldet wird und im Mittelalter, das zunächst durch eine Umgestaltung aller politischen Verhältnisse, sodann durch den Riesenkampf gegen den Muhammedanismus vollauf in Anspruch genommen wurde, sich erst ganz am Ende Gelegenheit fand, Südafrika in die Interessensphäre der gebildeten Welt zu ziehen, so dass es im ganzen zwei Jahrtausende gedauert hat, bis das Nadelkap aufs neue umsegelt wurde! Es ist dem Alterthume mit dem Wege um Afrika gegangen, wie den letzten Jahrhunderten mit der Passage der sogenannten nordwestlichen Durchfahrt. Necho strebte danach, eine Verbindung zwischen dem rothen und dem mittelländischen Meere durch die Umsegelung herzustellen, die Neuzeit aber hoffte, den Weg um Nordamerika zu finden zum Zwecke eines bequemeren Verkehrs zwischen dem atlantischen und dem grossen Ozean. Beide Versuche ereilte dasselbe Geschick: während einerseits die Möglichkeit nachgewiesen wurde, stellte sich andrerseits heraus, dass für Handel und Verkehr nichts zu hoffen sei, für das Alterthum, weil der Weg um Afrika in anbetracht der damaligen beschränkten Verhältnisse des Schauplatzes der Weltgeschichte zu weit war, für die Neuzeit wegen der Ungunst des Klimas in den Gegenden nördlich vom amerikanischen Kontinent. Man mag also die Sache betrachten, wie man will, ruhiger Ueberlegung wird die Folgenlosigkeit der phönizischen Expedition nicht als Grund zum Zweifel an ihr erscheinen.
Es dürfte sich empfehlen, den Beweis für diese Behauptung dadurch weiter zu führen, dass wir auf die angedeutete Entwicklung der politischen Verhältnisse des unteren Nilthales nach jener Reise einen kurzen Blick werfen. Er wird uns überzeugen, wie sie nothwendigerweise die Erweiterung des ägyptischen Handelsverkehrs hinter näher Liegendem zurücktreten lassen mussten, und wie wenig berechtigt z. B. Mannerts Staunen[223] über diese Gestaltung der Dinge ist. Nach Nechos Unterliegen bei Karchemisch erforderten die vitalsten Interessen des ägyptischen Reiches, den Vorgängen im Osten die gespannteste Aufmerksamkeit zuzuwenden; das letzte Ziel, nach welchem der Ehrgeiz der asiatischen Eroberer trachtete, war der Besitz von Memphis aus Theben, so dass zunächst Nebukadnezar als Gebieter Syriens die Existenz Aegyptens stets gefährdete[224]. Wie dringlich geboten es war, die Kräfte des Reiches unzersplittert zur Abwehr bereit zu halten, zeigt der von Nebukadnezar gegen Amasis geführte Kampf[225], in dem Aegypten noch seine Selbständigkeit zu bewahren vermochte, und bald darauf der unglücklichere des Psammenit gegen den Kambyses. Unter so gefährdeten Verhältnissen wird die Lust an Entdeckungsfahrten begreiflicherweise den Aegyptern vergangen sein; und wenn sie, wie die Geschichte lehrt, nach ihrem unglücklichen Perserkriege mehr daran dachten, die Sklavenketten zu zerreissen, als phantastischen Träumereien von der Beherrschung einer neuen Welt sich hinzugeben, wie sie die Macht und Herrlichkeit eines Reiches erzeugt hatte, das nun in Trümmern lag, so ist dies doch gewiss zu verstehen. Naturgemäss wurden in die wechselnden Geschicke Aegyptens aber auch die Phönizier im Delta hineingezogen und fanden weder Zeit, noch Gelegenheit, aufs neue das südafrikanische Meer zu befahren. Nicht besser erging es den Schwesterstädten im Mutterlande, auch sie kamen nicht in die Lage, den Spuren ihrer Stammesgenossen zu folgen; bald sanken sie unter der babylonischen Fremdherrschaft von ihrer Höhe herab, und später unter den Persern wurden ihre Kräfte durch Darius und Xerxes in anderer Weise vollauf in Anspruch genommen. Es waren aber diese drohenden Wolken im Osten nicht allein, die Aegypten von den kaum gefassten Kolonisationsplänen wieder ablenkten und es unmöglich machten, dass die phönizische Fahrt irgend welche praktischen Folgen nach dieser Richtung hinterliess; hinzu trat bald eine allgemeine Zerrüttung der inneren Verhältnisse. Nachdem Nechos Sohn Psammis einen wohl kaum erfolgreichen Zug gegen Aethiopien unternommen hatte[226], kam bald der Enkel Apries zur Regierung, erlag aber binnen Kurzem der Revolution des Amasis[227]. Unter diesem Könige kommt dann zwar eine neue Blüthezeit, aber seine Interessen sind besonders auf das mittelländische Meer und dessen Küsten gerichtet[228]; auch hat er augenscheinlich mehr Sinn für Architektur und Plastik gehabt, als für die Förderung nautischer Interessen[229]. Dessen Sohn war Psammenit, unter dem Aegypten von Persien abhängig wurde. So dachte man an eine Wiederholung der Fahrt nicht; es ging den Aegyptern in dieser Beziehung wie dem auserwählten Volke mit seinen Ophirfahrten: innere Wirren und äussere Verwicklungen haben bei beiden die ersten Blüthen überseeischer Handelsbeziehungen im Keime erstickt, und als am Nil während eines neuen Aufschwungs das glänzende Herrschergeschlecht der Ptolemäer die Erbschaft Nechos auch in geistiger Beziehung antrat, da war im Sturme der Zeit die Spur jener grossen Tage verweht, und neue Pfade mussten gesucht werden für den alten Plan, dem ägyptischen Handel auch in der Fremde eine Stätte zu schaffen. Aber – so wird man einwenden – konnten es denn nur Aegypter oder Phönizier sein, die, nachdem gezeigt worden war, dass die Passage um Südafrika möglich sei, nun auch diese Kenntniss praktisch verwertheten? Ist es nicht auffallend, dass sich kein anderes Volk fand, welches in dieser Beziehung für sie eintrat, und sind wir nicht vielleicht berechtigt, aus dieser ablehnenden Haltung den Schluss zu ziehen, dass die Umsegelung doch am Ende keine ganz verbürgte Thatsache sei? Erinnern wir uns, um diese Frage zu beantworten, an einige Verhältnisse der Welt des Alterthums! Wenn Aegypten darauf verfiel, mit Hülfe der Phönizier seinen Handel in das südliche Meer hinein auszudehnen, so war das, wie oben auseinandergesetzt ist, aus mancherlei Gründen begreiflich. Anders lag die Sache für die übrigen Staaten; weit wichtigere Aufgaben mussten von den sonst noch am Becken des mittelländischen Meeres ansässigen Völkern erst gelöst werden, und noch auf Jahrhunderte hinaus hatten sie damit zu thun. Noch viele Menschenalter hindurch war hier ausschliesslich die Bühne für die Entwickelung des grossen geschichtlichen Dramas, war hier das Herz, das Zentrum der damaligen Welt. Und wie klein sind die räumlichen Verhältnisse dieses Schauplatzes, wie riesengross dagegen die Entfernungen, welche Südafrika von ihm trennen! Wie nahe waren dagegen England und Indien; sie lagen, so zu sagen, vor den Thoren des Mittelmeeres im Verhältniss zum Kap und zur Südwestküste Afrikas. So war es natürlich, dass diese Länder noch viele Jahrhunderte dem Kreise fremd blieben, welcher den Ursprung seiner Kultur von den Ufern des Mittelmeeres herleitete, selbst dann noch, als römische Politik und hellenische Bildung um die Stämme dieser eng begrenzten Welt ein äusserliches, wie ein geistiges Band geschlungen hatten und so der wichtigste Theil ihrer Bestimmung erfüllt war. Wie dürfen wir uns da wundern, wenn die phönizische Fahrt, die in eine Zeit fällt, wo die Gegensätze unter jenen Völkern noch unausgeglichen mit einander rangen, die fernen Länder, die sie berührte, dem Herde der Kultur nicht näher brachte! Und welche Nation hätte in die Fussstapfen der Phönizier treten sollen? Die Perser? Sie richteten ihre Blicke mehr nach Westen als nach Süden, und nach den Niederlagen, welche die Hellenen ihnen beibrachten, waren sie eines neuen Aufschwungs nicht mehr fähig. Oder die Griechen? Die heillosen Bruderkriege dieses Volkes liessen eine Erstarkung desselben nicht zu; nur Alexander, dem sie ja alle gehorchten, hat sich vielleicht mit dem Plane der Erneuerung jener Fahrt getragen, da warfen ihn die Götter, neidisch, dass dieses Sterblichen Haupt noch ein neuer Ruhmeskranz schmücken sollte, aufs Todtenbett. Nun wurden die Römer Herren des Mittelmeeres. Selbstverständlich konnte man von einem Volke, dessen Kern in seiner Glanzperiode aus Ackerbürgern bestand, nicht die nautischen Heldenthaten der Phönizier erwarten; für solch’ unsichere Unternehmungen waren sie zu praktisch veranlagt und freuten sich naturgemäss mehr der Furche, die ihr Pflug in der Erde, als derjenigen, welche der Kiel eines Schiffes in der Meerfluth zog. So stand es im Alterthume; als dieses aber zur Ruhe gegangen war und am rothen Meere nun ein neues mächtiges Reich entstand, das der Chalifen, da wurde auch die alte Tradition dieser Länder wieder lebendig, und Araber segelten weit nach Süden an der Küste Afrikas entlang. Freilich, ehe sie das Nadelkap erreichten, sank die Macht des Islam dahin, aber aus der Zertrümmerung des Maurenreiches der Pyrenäenhalbinsel erwuchs, wie wir gesehen, den Portugiesen der Muth, nun die gefährliche Fahrt um Afrika von Westen her zu unternehmen und glücklich zu vollenden.
Die Folgenlosigkeit jener ersten Umsegelung Afrikas hatte aber wohl noch andere Gründe. Ein schriftliches Resumé, wie etwa das über den Periplus des Hanno, welches in den kommenden Geschlechtern die Erinnerung an die Einzelheiten der Fahrt hätte lebendig erhalten können, ist wohl keineswegs abgefasst ohne ausdrücklichen königlichen Befehl; die Phönizier hatten ohne ihn keine Veranlassung dazu. Dass aber ein solcher Befehl gegeben sein sollte, ist, wie ich bald zeigen werde, nicht gerade wahrscheinlich. Wenn aber schriftliche Ueberlieferung vollständig fehlte, wie hätte die Quelle der mündlichen Tradition, die doch auch nur tropfenweis sickerte, die nachfolgende Zeit mit Gedanken oder Thaten befruchten können, die als Folgen jener Reise bezeichnet werden dürften? So mochten bis zu Herodots Zeit Generationen von Priestern dahingegangen sein, ohne dass man der Expedition eingehender gedachte; die, welche den Tempeln vorstanden, als unser Schriftsteller in Aegypten war, wussten selbst nicht viel von ihr, und mit Unrecht wundert sich Vivien de St. Martin[230], dass er diese wichtige Sache in ein paar Reihen abthut: er konnte eben nicht mehr erzählen, als er selbst erfahren hatte, und mit seinen Bitten um weitere Mittheilung, an denen er es gewiss nicht fehlen liess, wird er durch ein „non possumus“ der heiligen Männer abgewiesen worden sein. Sie waren gewiss überzeugt, dass die Fahrt stattgefunden hatte, aber die Einzelheiten derselben waren verschollen[231].
Daneben mag noch eine andere Erwägung Platz finden. Ich habe soeben behauptet, es sei nicht gerade wahrscheinlich, dass König Necho ein schriftliches Resumé über die Reise verlangt habe. Dieser Ansicht huldigt auch Wheeler, freilich aus einem ganz anderen Grunde wie ich[232]; er meint, der Pharao habe, als die Phönizier heimkehrten, noch in Syrien im Felde gestanden, eine Annahme, die, ganz abgesehen davon, dass er dann doch später nach seiner Heimkehr den Bericht hätte einfordern können, nach dem, was wir oben über den muthmasslichen Zeitpunkt der phönizischen Reise festgestellt haben, entschieden zurückgewiesen werden muss. Mir scheint ein weit triftigerer Grund für das Fehlen eines solchen Rapportes über die Erlebnisse jener Phönizier vorzuliegen: meiner Ansicht nach war bei der Rückkehr derselben ihr Auftraggeber bereits todt. Den Beweis für diese Behauptung hoffe ich führen zu können. Wie oben gezeigt, wurde die Expedition wahrscheinlich erst ganz gegen das Ende der Regierung Nechos ausgesendet. Da nun dieser König, wie uns Maspéro belehrt[233], bereits betagt war, als er die Herrschaft antrat, ist es begreiflich, dass ihn, einen Greis, nachdem er sechzehn Jahre die Krone getragen, der Tod ereilte; als die Phönizier nach beinahe dreijähriger Abwesenheit heimkehrten, herrschte schon Psammis. So war es Necho in Bezug auf die Umsegelung Afrikas gegangen, wie Prinz Heinrich dem Seefahrer; sie starben beide, ehe ihnen die frohe Kunde wurde, dass ihren Anstrengungen der Erfolg nicht versagt geblieben sei. Psammis aber sass nur sechs Jahre auf dem Throne und führte in dieser Zeit einen Krieg gegen Aethiopien[234]; er wird unter solchen Umständen schwerlich so viel Zeit und Interesse für die phönizische Expedition gehabt haben, dass er sich über die Erfolge derselben hätte mündlichen Vortrag halten oder schriftlichen Bericht abstatten lassen, und da die Phönizier, durch triftige, gleich zu erörternde Gründe bewogen, unaufgefordert schwerlich redeten, verscholl die Kunde von der Umsegelung bald. So ist eine neue Erklärung dafür gefunden, dass nichts auf die Nachwelt kam von all dem Interessanten, das jene kühnen Schiffer gesehen und erlebt hatten, von all den Wundern, welche eine neue Welt ihnen erschloss.
Noch anders versucht Quatremère[235], der selbst meint, dass diese Reise „quelque chose d’extraordinaire et même de romanesque“ gehabt habe, die Dürftigkeit des Berichtes zu erklären, indem er darauf hinweist, dass derartige See-Expeditionen der Alten sich wesentlich von denen der Neuzeit unterschieden; diese seien wissenschaftlich, jene seien es nicht gewesen, diesen seien Naturforscher, Physiker und andere Gelehrte zu allerhand interessanten Beobachtungen beigegeben, jene phönizische habe vielleicht einen Führer gehabt, ausgestattet mit allerhand für die damalige Zeit hervorragenden Kenntnissen in der Nautik, aber ohne die wissenschaftliche Bildung, die ihn in Stand gesetzt hätte, über Gegenstände, welche diesem Gebiete fremd gewesen seien, Beobachtungen anzustellen. Dagegen lässt sich aber mit Recht einwenden, dass zum Verständniss von unendlich vielem, was die Phönizier sahen, sicherlich ein scharfer Blick und eine gute Auffassungsgabe genügten, Eigenschaften, deren erstere man den Seeleuten im allgemeinen, deren letztere man dem mit der Führung einer solchen Expedition betrauten Kapitän schwerlich wird absprechen wollen; es brauchte das alles ja gar nicht wissenschaftlich registrirt zu werden. Unbedingt befanden sich die Phönizier in der Lage, allerhand interessante Mittheilungen zu machen, sie waren nur nicht geneigt dazu. Ihre Verschwiegenheit, nicht die der Priester, ist in erster Linie schuld, wenn die späteren Geschlechter sehr wenige Resultate der Expedition kannten[236]. So waren, um nur dies eine zu erwähnen, die Schiffer trotz des Fehlens aller bezüglichen Instrumente möglicherweise in der Lage zu verrathen, dass sich Afrika weit südlicher erstrecke, als man bis dahin angenommen hatte, aber dies Wissen blieb ihr Geheimniss, wie ihr ganzer Kurs. Es hat nicht an Beurtheilern gefehlt, welche aus ihrem Schweigen den Schluss haben ziehen wollen, sie hätten nichts erzählen können, weil die Reise überhaupt nicht von ihnen gemacht worden sei, aber mit Recht hat Quatremère dem gegenüber betont, dass ein Fälscher, der eine derartige Geschichte hätte erdichten wollen, zweifellos seinen Roman mit tausend wunderbaren Anekdoten und Einzelheiten ausgeschmückt haben würde, geeignet, die Neugier der Leser zu befriedigen, und dass die Einfachheit der Erzählung der beste Beweis für ihre Wahrheit sei. Die Phönizier waren wenig geneigt zu Mittheilungen, weil sie kluge Männer waren und wussten, dass Schweigen unter Umständen Gold ist: wollten sie ihre Handels- und Kolonialinteressen ungestört verfolgen, so durften sie ihre darauf bezüglichen Geheimnisse nicht preisgeben. Zwar auch diese so nahe liegende Vermuthung haben die Zweifler nicht gelten lassen wollen, und Berger spottet über „die allbereite Lehre von den Lügen und der Verheimlichungspolitik“[237] der Phönizier; es wird uns dies jedoch nicht hindern, darauf bezüglichen Erwägungen auf den Gang unserer Untersuchung Einfluss zuzugestehen, sofern sie an der Hand sicher überlieferter Thatsachen oder fest verbürgter Eigenthümlichkeiten des phönizischen Charakters angestellt werden. Das Faktum aber, dass die Phönizier sich Mühe gaben, die von ihnen eröffneten Handelswege nicht bekannt werden zu lassen, ist nicht nur genügend beglaubigt, sondern entspricht auch völlig allem, was wir sonst über die Art dieses Stammes wissen. Es ist nun zwar nicht anzunehmen, dass die Reisenden viele Schätze als Lohn ihrer Mühen mitbrachten, sonst hätten sie gewiss, um andere abzuschrecken von unendlichen Mühen und Gefahren erzählt, und wir besässen ausführlichere Nachrichten über die Fahrt, wenn auch fabelhafte – haben doch schon im Alterthume, wie wir aus einer Stelle Herodots[238] vermuthen können, weit gereiste Seeleute wohl öfter die daheim Gebliebenen mit allerhand Märchen unterhalten –, auch mochte, was sie im flüchtigen Vorbeifahren von den Gestaden kennen gelernt hatten, kaum zur Wiederholung der Reise einladen; dass sie aber an den Orten ihres längeren Aufenthaltes einen günstigeren Eindruck von dem fremden Lande gewannen, ist wohl anzunehmen, und wir werden schwerlich irren, wenn wir vermuthen, dass sie an spätere gründliche Untersuchung des Ganzen und dann vielleicht, wie nach ihnen der Karthager Hanno[239], an die Anlage von Kolonieen an geeigneten Stellen gedacht haben. Wollten sie lästige Konkurrenz vermeiden, war Schweigen über ihren Weg und ihre Erlebnisse natürlich die erste Bedingung, und um so mehr, wenn sie, wie Necho gehofft haben wird, das Vorhandensein von Gold an der Westküste Afrikas, vielleicht in Senegambien, wirklich feststellten[240]. „Was einzelne in glücklichen Fahrten entdeckt hatten, wurde von Handelsvereinen ausgebeutet“ sagt Curtius[241]; so lag ihnen der Gedanke an die Gründung einer Gesellschaft zur Bearbeitung der westafrikanischen Minen vielleicht nicht so fern, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. Wollten sie aber andere ins Vertrauen ziehen, so standen ihnen ihre Volksgenossen in der Heimath näher als die Aegypter; die Geschichte kennt ja Beispiele genug für den freundschaftlichen Verkehr zwischen dem phönizischen Mutterlande und den Kolonieen[242]. Im Grunde werden bei dem im Alterthume so scharf ausgeprägten Nationalitätsgefühle der Völker, das alle heterogenen Elemente über die Achsel ansah, die Phönizier im Delta so wenig ägyptisch gedacht und gefühlt haben wie etwa die Griechen in Naukratis, und wie diese in dem mächtigen Pharao schliesslich doch nur einen weit unter ihnen stehenden Barbaren erblickten, haben auch die Phönizier ohne Zwang ägyptische Männer schwerlich zu ihren Vertrauten gemacht. Mochte aber auch die Sorge vor der Konkurrenz dieses Volkes die Phönizier bei der Abneigung desselben gegen die Seefahrt weniger drücken, wohnten nicht auch Griechen im Delta, Leute des Stammes, mit dessen Rivalität sie schon die bösesten Erfahrungen gemacht hatten? Wenn sie daher, wie uns Strabo lehrt[243], ihre Handelswege überhaupt auf das sorgfältigste geheim hielten, so ist gewiss zu verstehen, dass sie in diesem Falle doppelt vorsichtig verfuhren. In hohem Grade unbegreiflich erscheint mir daher Mannerts[244] Erstaunen einerseits darüber, dass nicht eine richtigere Erkenntniss wenigstens von der wahren Lage der Küsten aus dieser Fahrt resultirte und von Herodot ab lange Zeit die Geographen geglaubt haben, Afrika reiche nicht einmal bis zum Aequator, sowie andrerseits über den Umstand, dass die Umschiffung nach 150 Jahren nicht viel mehr als eine Volkssage war[245]. Nichts ist doch verständlicher als diese handelspolitische Eifersucht der Phönizier, welche sie das, was mit so grossen Gefahren errungen war, auch allein besitzen lassen wollte. Steht doch derartiges in der Entdeckungsgeschichte keineswegs vereinzelt da. Noch in der Neuzeit haben seefahrende Völker die von ihnen erkundeten Meerespfade und Länder ängstlich vor der Kenntniss etwaiger Konkurrenten gehütet, wie die Spanier ihre ums Jahr 1600 von Torres und anderen in der Südsee gemachten Entdeckungen. Doch genug davon; dem objektiven Beurtheiler werden die angeführten Gründe für die Folgenlosigkeit der phönizischen Fahrt genügen, wen aber das erwähnte Zusammentreffen von mancherlei Umständen noch nicht darüber belehrt haben sollte, wie es kam, dass sich absolut niemand gefunden hat, der unmittelbar nach Vollendung der Fahrt etwas mehr Einzelheiten über dieselbe zu sammeln und zu überliefern versuchte, dass von keiner Seite ein Bestreben hervortritt, diese bewundernswerthe nautische That zu fruktifiziren und so die auf den verschiedensten Gebieten zu erwartenden Folgen gänzlich ausblieben, der mag eine endgültige Erklärung dafür in der bekannten Thatsache sehen, dass es Leistungen giebt, die zu gross sind, um von der Nachwelt gebührend gewürdigt zu werden. Die Phönizier Nechos sind ihrer Zeit, welche nicht im Stande war, die Wichtigkeit der Entdeckung zu verstehen, eben um ein Bedeutendes vorausgeeilt.
Nachdem wir so die Charaktere der Träger dieser Nachricht von der Umsegelung, sowie diejenigen der an derselben hauptsächlich betheiligten Persönlichkeiten und Völker einer sorgfältigen Prüfung unterzogen, auch ihre Veranlassungen beleuchtet, den vermuthlichen Zeitpunkt und Abgangsort festgestellt, das Fehlen aller Folgen erklärt, auch diesen und jenen andern minder wichtigen Punkt flüchtig berührt und so den Hintergrund, auf dem sich das ganze Ereigniss abspielt, gezeichnet haben, bleibt uns zunächst die Aufgabe, einige auf das nautische Gebiet bezügliche Fragen zu erörtern, deren richtige Beantwortung uns über die Möglichkeit, die Fahrt glücklich zu vollenden, neue Aufschlüsse geben wird.
Zwei Faktoren, denen bei jeder Seereise die allerhöchste Bedeutung beigelegt werden muss, sind Wind und Wellen. So wird es selbstverständlich auch für uns von Wichtigkeit sein, wenn wir von den grösseren oder geringeren Schwierigkeiten, mit denen die Phönizier zu kämpfen hatten, ein klares Bild gewinnen wollen, zu erforschen, in wie weit diese beiden elementaren Kräfte das Vorhaben derselben entweder begünstigt oder gehindert haben. Hierüber aber zu einem richtigen Urtheil zu gelangen wird uns nur dann glücken, wenn wir – eingedenk der im Laufe des Jahres an vielen Stellen des Meeres im Luftkreise, wie in der Wasserwelt wechselnden Erscheinungen – uns die Frage beantworten: Zu welcher Jahreszeit sind denn die Phönizier abgefahren? Doch auch ihr wird wunderbarerweise von den meisten Gelehrten, welche sich mit dieser Expedition beschäftigt haben, keine Beachtung geschenkt. Ganz allgemein unterrichten uns Movers[246] und Duncker[247], dass die Phönizier die Schifffahrt im Februar eröffneten und im Oktober schlossen; in den Wintermonaten blieben sie wegen der durch stürmisches Wetter hervorgerufenen Gefahren zu Hause. Selbstverständlich beziehen sich diese Angaben aber nur auf ihre Thätigkeit im mittelländischen Meere. Zu der Umsegelung Afrikas sind sie gewiss nicht erst im Februar ausgefahren; sie wussten entweder in Folge eigener Reisen nach Indien oder konnten durch Vermittlung der Sabäer, die dorthin Schifffahrt trieben, leicht erkunden, dass sie in den südlichen Meeren von den Stürmen des Winters nichts zu befürchten hätten und ihnen die Monsune bei einer Fahrt an der Ostküste Afrikas hinab während dieser Jahreszeit sogar von entschiedenem Vortheil sein würden. Wheeler[248] setzt in Erwägung dieses Umstandes ihre Abfahrt auf den August fest; sie hätten dann, meint er, im Oktober im indischen Ozean eintreffen können. Seinen Ausführungen liegt gewiss ein richtiger Gedanke zu Grunde, wenn man ihnen deswegen auch nicht in allen Einzelheiten zuzustimmen braucht. Sicher sind die Phönizier bestrebt gewesen, aus den atmosphärischen Verhältnissen des indischen Ozeans für ihre Fahrt den möglichsten Vortheil zu ziehen; sie haben aber daneben – die Engländer des Alterthums – zweifellos dem Grundsatze, dass Zeit Geld ist, so gut gehuldigt, wie die praktischen Söhne Albions es heut zu Tage thun, und sind demnach gewiss erst auf die Reise gegangen, als die Schifffahrt auf dem mittelländischen Meere stockte. Dies war, wie gesagt, etwa Ende Oktober der Fall, und da zu derselben Zeit gerade die Windverhältnisse auf dem indischen Ozean ihren Plänen besonders günstig wurden, hiesse es, die Schlauheit der Phönizier ausserordentlich unterschätzen, wenn wir nicht annehmen wollten, dass sie etwa zu dieser Zeit ihre Expedition unternahmen. Der Herbst war ihnen jedenfalls die genehmste Zeit zur Abfahrt, und dass Necho ihnen nach dieser Richtung hin freie Hand liess, dürfen wir als gewiss annehmen; gewann doch nur durch kluge Benutzung aller günstigen Umstände die gefahrvolle Reise Aussicht auf Erfolg. Begaben sich also die Phönizier nach Schluss der Schifffahrt auf dem Mittelmeer, also etwa Ende Oktober, an den Ort, von wo sie aussegeln wollten, stellten dort ihre Schiffe in Dienst und verproviantirten sich genügend, so werden sie – auf dies Alles einen Monat gerechnet – etwa Ende November von Kosseir abgefahren sein und, nachdem sie die bekanntlich schwierige Passage durch das rothe Meer mit Hülfe der Ruder glücklich überwunden hatten, so recht bei dem kräftigsten Wehen der NO-Monsune den indischen Ozean erreicht haben.
Es wird sich nun empfehlen, im einzelnen zu erwägen, welche Vortheile oder Nachtheile bei einer Ausfahrt im Spätherbst den Phöniziern Wind und Wellen boten. Bevor wir aber in die Untersuchung hierüber eintreten, muss ich vorausschicken, dass eine im Vergleich zur Gegenwart etwas andere Vertheilung der Wärme und der Wassermassen auf der Erdoberfläche, wie sie ums Jahr 600 v. Chr. möglicherweise bestanden hat, sowie eine dadurch bedingte geringe Abweichung der Luft- und Wasserströmungen hier, weil theilweise hypothetisch und jedenfalls unbedeutend, nicht berücksichtigt worden ist. Was nun den ersten Theil der Fahrt anbetrifft, so weit sie innerhalb des rothen Meeres stattfand, werden die Phönizier, wie oben angedeutet, wesentlich aufs Rudern angewiesen gewesen sein, da die Segelschifffahrt hier mancherlei Schwierigkeiten bietet[249]; von Bab-el-Mandeb bis Socotra hatten sie sogar entschieden ungünstigen Wind, nämlich NO-Monsun, dann aber für lange Zeit theils vortrefflichen, theils wenigstens leidlich guten. Bis zum Aequator wehte nämlich in der Jahreszeit, in welcher sie diese Gegenden passirten, der erwähnte NO-Monsun, der ihnen von Kap Guardafui ab gerade günstig war; nach dem Ueberschreiten der Linie gelangten sie dann gegen den nördlichen Frühling hin in die Zone des SO-Passates, welcher sie zwar nicht direkt begünstigte, aber als ein seitlich wehender Wind von geschickten Schiffern immerhin mit einigem Vortheil benutzt werden konnte. So erreichten sie das Kap und damit ihre erste Station. Indem ich hinsichtlich der weiteren Ausführung der hier und im Folgenden über die Rastorte der Phönizier und die Vertheilung der Zeit auf die einzelnen Jahre von mir ausgesprochenen Vermuthungen auf später verweise, bitte ich, zunächst die Einwirkung der Winde auf die phönizische Fahrt weiter mit mir verfolgen zu wollen. Meiner Ansicht nach werden sie vom Kap im Dezember des zweiten Reisejahres weiter gefahren sein und hatten bis zum Aequator höchst günstigen Wind, da der Südostpassat an der Westküste Südafrikas in Südwind abgelenkt wird. Sie werden also die erstere, kürzere Strecke ihrer zweiten grossen Tour – vom Kap bis zum Atlas, wo sie meiner Ansicht nach im November des nächsten Jahres, also nach zweijähriger Abwesenheit aus Aegypten, Halt machten – mit günstigem Winde gefahren sein; daher rechne ich bis zum Busen von Biafra etwa ein Drittel der ganzen Zeit – vom Dezember des zweiten bis zum November des dritten Reisejahres – die sie auf jene Tour mögen verwandt haben. Sie kamen in dem genannten Busen also Ende März an. In den nächsten Monaten hatten sie dann, an der Küste von Oberguinea und Kap Palmas vorbei fahrend, ziemlich konträren SW-Wind oder befanden sich im Gürtel der Kalmen[250], der ihnen, trotzdem er sie zum fleissigen Rudern zwang, doch weniger unangenehm gewesen sein mag, da sie seine hemmende Kraft in unmittelbarer Nähe der Küste wegen der durch die ungleiche Erwärmung von Land und Wasser hervorgerufenen Bewegung der Luft wohl nicht in ihrer vollen Stärke empfunden haben werden. Im weiteren Verlaufe der Fahrt stellte sich dann bis zum zweiten Rastplatze die Windrichtung für sie immer ungünstiger: je weiter sie kamen, desto mehr wehte ihnen der NO-Passat gerade entgegen. Diese Luftströmung blieb ihnen sogar noch bei ihrer Abfahrt, die ich in den Juni des dritten Reisejahres setze, bis zur Strasse von Gibraltar; von hier ab aber bis zu den Mündungen des Nil werden die durch die sommerliche Auflockerung der Luft über der Sahara aus dem mittelländischen Meere angezogenen Winde unsern Schiffern weder nennenswerthen Vortheil, noch Nachtheil gebracht haben, bis dieselben schliesslich wohl noch beim Wehen dieser Etesien ins Delta einliefen[251]. Wir können demnach behaupten, dass, abgesehen von den Strecken vom Ausfahrtsort bis Guardafui und vom Busen von Biafra bis zur Strasse von Gibraltar, die herrschenden Windrichtungen einer Fahrt um Afrika in der von den Phöniziern eingeschlagenen Richtung nirgends direkt ungünstig, meistens sogar förderlich waren und ein Gelingen des Unternehmens als höchst wahrscheinlich erkennen lassen.
Zu demselben Resultate werden wir auch bei Betrachtung der für die Umsegelung jedenfalls nicht minder wichtigen Meeresströmungen kommen, worauf schon Rennell hingewiesen hat. Eine Ausnahme macht freilich sogleich das rothe Meer, in welchem von Oktober bis April ein der Route unserer Reisenden entgegengesetzter Strom herrscht, der diese bei den wenig günstigen Windverhältnissen bestärken musste, sich der Ruder zu bedienen. Von Kap Guardafui an bis zur Nordspitze von Madagaskar hatten sie dann aber die periodische Strömung für sich, welche hier die Küste zur Zeit des südlichen Sommers begleitet. Ganz unverständlich ist mir, wie der sonst so sorgfältige Heffter dazu kommt, die Fahrt an dem östlichen Gestade Afrikas in der Richtung von Nord nach Süd für besonders schwierig zu erklären; Winde und Strömungen waren entschieden günstig, und es bleibt somit kaum etwas anderes übrig, als die Annahme, dass statt Westküste durch ein Versehen Ostküste gesetzt ist. Die Bewältigung der nun folgenden Strecke bis zum Aequator auf der Westseite des Erdtheils wurde den Schiffern erleichtert zunächst durch die Mozambique-, später durch die Agulhas- und die atlantische Strömung, die ihnen alle von Vortheil waren. Die erste von diesen steigert sich im Kanal von Mozambique und weiter südlich zu bedeutender Schnelligkeit, so dass sie an einzelnen Stellen über 130 km in 24 Stunden zurücklegt, und von der gefürchteten Agulhas- oder Kapströmung wissen wir durch eine von Sandberg aus „Uitkomsten van Wetenschap en Ervaring, uitgegeven door het Koninklijk Nederlandsch Meteorologisch Instituut 1857“ ausgezogene Notiz von Andrau, dass sie für die in unmittelbarster Nähe der Küste Fahrenden viel von ihren Schrecken verliert[252]; der atlantischen Strömung aber kommt zwar an der Westküste ungefähr von 25-15° s. Br. dicht am Ufer ein nördlicher Strom entgegen, doch ist dieser nicht so stark, dass die Phönizier ihn nicht mit Hülfe des günstigen Windes leicht hätten überwinden können. Vom Aequator bis zur Strasse von Gibraltar hatten sie dann freilich gegen eine starke Strömung, die nordafrikanische, anzukämpfen – bei Kap Palmas legt diese ca. 50 km in 24 Stunden zurück –, doch vermindert sich später diese Schnelligkeit und beträgt bei Kap Blanco nur noch 20 km in derselben Zeit. Die Gewalt dieser Strömung, so bedeutend sie ist, wird unsern Schiffern aber keine Schwierigkeiten bereitet haben, deren sie nicht hätten Herr werden können; sind doch die Portugiesen unter Vasko da Gama im Kanal von Mozambique gegen die erwähnte bedeutend stärkere angefahren, und ihre Hülfsmittel zur Bekämpfung solcher Hindernisse waren doch schwerlich wesentlich andere als die der Phönizier. Der Vortheil, der sich den Portugiesen, als sie den südlichen Eingang zur Strasse von Madagaskar durchsegelten, durch den SO-Passat im Gegensatze zu den Phöniziern bot, welche bei Kap Palmas halb konträren Wind hatten, wird durch die fast dreimal stärkere Mozambique-Strömung aufgewogen. An der Nordküste Afrikas fuhren unsere Schiffer dann wieder bis zum Nil hin mit dem Strom[253]. So war also auch, was die Strömungen anbetrifft, der Theil der Fahrt vom Aequator an der Nordwestküste entlang bis zur Strasse von Gibraltar bei weitem der schwierigste[254]. Im allgemeinen lagen aber in dieser Beziehung, wie aus Vorstehendem erhellt, die Verhältnisse genau so, wie hinsichtlich der Winde: ein ernstliches Hinderniss für die Phönizier konnte aus ihnen nicht erwachsen, und Bähr hat Recht, wenn er sagt[255]: „cum navigatio hac ex parte (vom rothen Meere um das Kap nach der Strasse von Gribraltar) instituta totidem fere praebeat commoda, quot incommoda exsistunt, contraria a parte si navigationem instituere velis“.
Wenden wir uns nun von der Luft und dem Wasser dem Firmamente zu! Einen der vielen Gründe zum Zweifel an der Fahrt der Phönizier hat man aus dem Umstande herleiten wollen, dass in dem Berichte über dieselbe garnicht von Veränderungen der Konstellation die Rede ist. Aber auch hierin kann ich nichts Auffallendes entdecken. Die Phönizier benutzten zwar, wie Strabo erzählt, als Leitgestirn, nach dem sie sich orientirten, den kleinen Bären[256], genauer gesagt, wohl den Polarstern[257], bekanntlich einen Bestandtheil jenes Sternbildes, nicht, wie Gosselin[258] wunderbarerweise aus der Notiz über den Stand der Sonne schliessen will, diesen Himmelskörper. Wenn aber der genannte Gelehrte fragt, ob es nicht einleuchtend sei, dass die Phönizier die Fahrt überhaupt nicht gemacht, da sie nichts davon verlauten liessen, dass sie diesen ihren Führer auf der südlichen Halbkugel nicht mehr erblickten, so werden wir, ohne mit der Wahrheit in Konflikt zu gerathen, ruhig antworten können: keineswegs. Selbstverständlich werden sie freilich das Verschwinden desselben bemerkt, vielleicht auch unangenehm bemerkt haben – denn es erinnerte sie ja an die grosse Entfernung von der Heimat –, aber eine nennenswerthe Bedeutung für sie hatte es nicht. Der Polarstern war ihnen, soweit er überhaupt zur Orientirung benutzt werden konnte, also nördlich vom Aequator, natürlich unentbehrlich, wenn es galt, sich auf hoher See zurechtzufinden und den richtigen Kurs innezuhalten; bei dieser Expedition aber würde er erst in zweiter Linie gestanden haben, selbst wenn sie ihn hätten sehen können; ihre Reise war ja eine Küstenfahrt und die Uferlinie der Ariadnefaden, der sie unter allen Umständen, im schlimmsten Falle durch Wenden der Schiffe, aus dem Labyrinth des unendlichen Meeres der Heimath wieder zuführen musste. Wer aber meint, sie würden erstaunt gewesen sein, den erwähnten Stern unter der Linie aus den Augen zu verlieren, irrt sicher; waren sie doch schon durch ihre Reisen auf dem rothen Meere gewohnt, ihn bei Fahrten in südlicher Richtung tiefer und tiefer sinken zu sehen. Wenn sie daher dieser Erscheinung nicht Erwähnung thaten, so liegt darin nichts Auffälliges, und es würde ganz verkehrt sein, hieraus einen Beweis dafür entnehmen zu wollen, dass die Reise überhaupt nicht von ihnen ausgeführt sei. Aber selbst in dem Falle, dass sie von dem Verschwinden jenes Himmelskörpers erzählt haben, dürfen wir uns nicht wundern, wenn die ägyptischen Gewährsmänner Herodots davon nichts wussten; für ein Volk, welches der Seefahrt so fern stand, wie das der Pharaonen, hatte der Polarstern eine viel zu untergeordnete Bedeutung, als dass eine auf ihn bezügliche Bemerkung der phönizischen Schiffer besonderen Eindruck hätte machen können und wir erwarten dürften, die Erinnerung an dieselbe nach 150 Jahren noch lebendig zu finden. Für die Aegypter war die Sonne ungleich wichtiger, daher wandte sich ihr Interesse naturgemäss in erster Linie den auf sie bezüglichen Nachrichten zu, und das Wunder ihrer nördlichen Stellung wurde der Nachwelt überliefert, während eventuelle Nachrichten über das Verschwinden des Polarsterns der Vergessenheit anheimfielen.
Genau so unüberlegt, wie die eben zurückgewiesene Ansicht, sind einige andere Behauptungen, durch die gezeigt werden soll, wie wenig Glauben der herodoteische Bericht verdiene. Ich rechne dahin diejenige, dass eine so weite Reise ohne Kompass garnicht hätte gemacht werden können. Dem gegenüber möchte ich fragen: Was nützte bei einer Fahrt am Ufer entlang ein solches Hülfsmittel? Rennell sagt mit Recht: „although it may be admitted as an unsurmountable obstacle to the discovery of America, in the way to which an extensive ocean was to be crossed, yet the voyage in question was a coasting voyage“[259].
Ich erwähne ferner die Bedenken, welche Andere, eben durch den Umstand veranlasst, dass die Expedition eine Küstenfahrt war, darauf gegründet haben, dass den Phöniziern Feinde erstanden, welche die Seeleute mehr fliehen als Sturm und Unwetter, nämlich Brandungen und Klippen. Aber, bemerkt hiergegen Junker sehr richtig[260], die Schiffer des Alterthums werden ihrer weit leichter Herr geworden sein als unsere Matrosen, da sie in Küstenfahrten eine ungleich grössere Uebung hatten.
Trotzdem war natürlich die Reise sehr gefahrvoll, und es lag nahe, die Möglichkeit eines Schiffbruches ins Auge zu fassen. So erklärt sich wohl, dass mehrere Fahrzeuge – die genauere Zahl kennen wir nicht – abgesendet wurden; hatte eins Unglück, so brauchte deshalb die Expedition noch nicht aufgegeben zu werden, sondern die Mannschaft konnte sich auf ein anderes retten. So fuhr auch Demokedes, als er seine Fahrt zur Erforschung Griechenlands unternahm, mit drei Schiffen aus[261]. Sataspes freilich hatte nur eins[262]; aus welchem Grunde, wissen wir nicht. Vielleicht war es ihm so vorgeschrieben, damit die Gefahr der Reise gesteigert würde. Möglich ist es, vielleicht wahrscheinlich, dass auf der langen Fahrt der Phönizier das eine oder das andere Schiff verloren gegangen ist. Man wird nach 150 Jahren bei dem vermuthlichen Mangel an schriftlicher Ueberlieferung schwerlich noch die Zahl der ausgesandten Schiffe gekannt haben; das Gros der Flotte war heimgekehrt und das Problem der Umschiffung gelöst, das genügte; der Verlust eines Schiffes oder auch mehrerer war dagegen so verschwindend, dass man sich begreiflicherweise nicht die Mühe gegeben hat, darüber der Nachwelt besondere Mittheilungen zu hinterlassen.
Welcher Art diese phönizischen Fahrzeuge waren, werden wir aber mit ziemlicher Sicherheit feststellen können. Wheeler nimmt an, es seien Kauffahrteischiffe gewesen[263], eine Ansicht, der ich nicht zustimmen kann, denn unsere Expedition sollte, soweit wir ihren Charakter zu erkennen vermögen, wohl nicht selbst Handel treiben, sondern vielmehr zukünftigem kaufmännischem Verkehr die Wege ebnen. Wehrlose und schwerfällige Schiffe, wie die phönizischen Handelsleute sie häufig benutzten – der Name γαυλός, der etwa so viel wie „Wanne“ bedeutet, sagt schon genug –, konnte man auf einer so gefahrvollen Expedition nicht brauchen, zumal Tauschgegenstände, die man dem etwas unsicheren Geschick eines Transportes in völlig unbekannte Gegenden und zu voraussichtlich barbarischen Nationen hätte aussetzen müssen, schwerlich mitgenommen wurden. Man hat sich vielmehr höchst wahrscheinlich phönizischer Pentekontoren bedient, die, Ruder- und Segelschiffe zugleich, sich durch einen hohen Grad von Schnelligkeit auszeichneten[264]. Schon in den homerischen Gedichten lesen wir ja, dass Schiffe theils durch Ruder, theils durch Segel, die man bei günstigem Winde aufzog, bei ungünstigem herunterliess, getrieben wurden; im Laufe der Jahrhunderte, welche seit der Entstehung jener Lieder verflossen waren, hatten die Phönizier beide Arten der Fortbewegung aber in hohem Grade vervollkommnet. Das Urtheil Movers’, eines sehr gründlichen Kenners des phönizischen Alterthums, über die Pentekontoren lautet: „Für weite Seefahrten an unbekannten und gefährlichen Küsten, wozu weder die grossen und schwerfälligen Gauloi, noch auch die Triremen wegen ihres Tiefgangs taugten, war die leichtgebaute mit Rudern und Segelwerk versehene, dazu mit Kriegsmannschaft ausgerüstete Pentekontore ganz das geeignete Fahrzeug“[265]. Die Behauptung Vincents, die Phönizier hätten mit diesen kleinen Barken niemals ums Kap fahren können[266], ist leicht widerlegt. Zunächst kann man im allgemeinen annehmen, dass Schiffe, die von Syrien nach Indien und Britannien fuhren, auch gross genug gewesen sein werden, die Reise um Afrika zu machen trotz all der Schrecknisse und Gefahren, welche Vincent[267] anführt, und wenn auch vorauszusetzen ist, dass der Verkehr zwischen Phönizien und jenen Ländern hauptsächlich durch Kauffahrteischiffe, also durch Gauloi, vermittelt wurde, so wird doch schwerlich jemand bestreiten, dass auch Pentekontoren, sei es als Pfadfinder, sei es zur Bedeckung jener, dorthin gekommen sind. Als speziellen Beweis für die Möglichkeit, auch auf einem kleinen Fahrzeuge eine ähnliche Strecke wie die Phönizier zurückzulegen, erwähne ich aber noch, dass im Jahre 1539 Diego Botelho, ein Portugiese, sich zu Goa auf einem Boote von etwa 5 Meter Länge und 3 Meter Breite einschiffte und glücklich nach Lissabon gelangte[268]. Auch der in tausend Gefahren erprobte Muth phönizischer Seeleute mag die Zweifel derjenigen überwinden helfen, welche meinen, dass die benutzten Schiffe für eine solche Reise zu schwach gewesen seien. Es ist eine unleugbare Thatsache, dass die Erfahrung und Kühnheit der Bemannung in gewissem Grade die Schwäche ihrer Fahrzeuge zu kompensiren vermag; das zeigt uns das Beispiel der Normannen, die an allen Küsten Europas Schrecken verbreiteten, obgleich ihre Schiffe so klein waren, dass sie mit ihnen auch auf Flüssen fahren konnten, oder das der Malayen, die in ihren kleinen Barken um die halbe Erde gewandert sind[269]. Wir dürfen also annehmen, dass die Phönizier auf ihren Pentekontoren allen Eventualitäten der Reise, welche an die Leistungsfähigkeit ihrer Fahrzeuge appellirten, gewachsen waren, und werden schwerlich irren, wenn wir hinzufügen, dass der König Necho ihnen durchaus seetüchtige Schiffe zum Zwecke der Umsegelung auf dem rothen Meere wird haben bauen lassen.
Um uns aber ein richtiges Bild von der ganzen Expedition zu machen, werden wir diese Fahrzeuge auf das, was sie an Schnelligkeit leisten konnten, einer genaueren Prüfung unterziehen müssen; wir werden dann feststellen können, ob sie im Stande waren, in der angegebenen Zeit die ja immerhin bedeutende Strecke um Afrika herum zurückzulegen. Die Gegner haben auch dieses bezweifelt und zum Beweise für die Richtigkeit ihrer Ansicht ein naheliegendes aus Herodot entlehntes Beispiel, das des Skylax von Karyanda, angeführt[270], der zu einer Reise von Kaspatyros den Indus hinab bis zu der Stelle, von wo Necho seine Expedition ausgesendet hatte, also zu einer weit kürzeren Fahrt, etwa eben so viel Zeit gebrauchte, wie unser Gewährsmann den Phöniziern bewilligt, nämlich 30 Monate. Es ist nun die Behauptung aufgestellt worden, dass die Phönizier unmöglich ihre Reise in der angegebenen Zeit hätten vollenden können, wenn etwa hundert Jahre später Skylax zu der seinigen eben so viel aufwenden musste. Aber diese Behauptung ist nur scheinbar richtig. Wie es gekommen sein mag, dass Skylax so lange Zeit zum Durchsegeln einer verhältnissmässig geringen Entfernung brauchte, wissen wir nicht, vielleicht wird es sich aus öfterem Anlegen erklären lassen. Das aber wissen wir glücklicherweise, dass die Schiffe des Alterthums in Betreff ihrer Schnelligkeit weit leistungsfähiger waren, als es nach dieser Notiz Herodots scheinen könnte, und damit wird der von gegnerischer Seite angeführte Grund hinfällig. Den Beweis für meine Behauptung werde ich sogleich erbringen. In dem Periplus des Skylax findet sich eine Stelle[271] des Inhalts, dass im fünften Jahrhundert eine Küstenfahrt von Phönizien bis zu den Säulen des Herakles bei einer Entfernung von etwa 5300 km 80 Tage dauerte. Das würde auf den Tag 66 km ausmachen. Diese Angabe dürfen wir, da es sich um eine Reise nach Spanien handelt, wohl auf ein schweres, sogenanntes Tarsisschiff beziehen; leichte Fahrzeuge fuhren schon früher weit schneller. Bereits bei Homer[272] segelt ein phönizisches Schiff in sieben Tag- und Nachtfahrten von einer der Inseln nördlich von Delos bis Ithaka. Freilich wird gegen die Heranziehung dieses Beispieles geltend gemacht werden, dass die Angaben Homers in der Schilderung des Lebenslaufes des Eumäus, welche die angeführte Stelle enthält, soweit sie sich auf Lokales beziehen, jedes topographischen Untergrundes entbehren und reine Phantasiegebilde seien, sodann, dass es sowohl gewagt erscheinen dürfte, Dichterstellen zu benutzen zur Bildung geographischer Begriffe, als auch im besondern einen Epiker als Zeugen zu zitiren, dessen Existenz von der wissenschaftlichen Kritik längst als Sage hingestellt ist. Dem gegenüber mag es aber gestattet sein, darauf hinzuweisen, wie doch auch die Interpreten unserer deutschen Heldenlieder vielfach nicht nur den allgemeinen Schauplatz mancher Begebenheiten, sondern auch bestimmte ursprünglich sagenhaft erscheinende Lokalitäten mit Sicherheit als wirklich vorhanden festgestellt haben und kein Grund vorliegt, beim griechischen Epos auf die gleiche Möglichkeit zu verzichten, wie ferner gerade die letzten Jahrzehnte durch ihre überraschenden Resultate auf dem Gebiete der Ausgrabungen den Beweis geführt haben, dass bei Homer manches wörtlicher zu nehmen ist, als es früher den Anschein hatte, und also mit den in jener Erzählung aufgeführten Punkten in der That recht wohl Inseln des ägäischen Meeres gemeint sein können, vor allem aber, wie niemand – mag die homerischen Gedichte geschrieben haben, wer will –, dem Dichter oder den Dichtern gründliche Kenntniss aller nautischen Verhältnisse, also auch der Entfernung zwischen zwei durch Schifffahrt verbundenen Oertlichkeiten wird absprechen wollen. Der Weg von Delos bis Ithaka ist nun etwa 560 km lang, sie fuhren also in 24 Stunden ca. 80 km. Wer aber diesen Beweis aus Homer nicht gelten lassen will, den verweise ich auf Herodot. Er giebt an[273], dass ein Schiff in 24 Stunden weit über 200 km fährt, eine Stelle, die freilich nicht ganz unverdächtig ist wegen des Verhältnisses zwischen Tag- und Nachtfahrt, das schwerlich stimmen kann. Es soll nämlich das betreffende Fahrzeug unter ca. 41° n. Br. – das ist die Lage des südlichen Pontos, und von dieser Gegend ist die Rede – zur Zeit des Hochsommers bei Tage etwa 130, bei Nacht etwa 110 km – also im ganzen 240 – zurücklegen, und daher scheint es, dass hier ein Irrthum untergelaufen sei, da sich sonst in der erwähnten Jahreszeit unter jenem Breitengrade die Länge des Tages zur Länge der Nacht etwa wie 7 : 6 verhalten würde. Das ist aber nicht der Fall, sie verhält sich etwa wie 5 : 3[274]. Doch steht die Gesammtleistung, wenn der Bericht wahr ist, nicht vereinzelt da; bei Xenophon[275] legt eine unter Segeln und Rudern gehende Triere den Weg von Byzanz nach Heraklea Pontica – über 200 km – in einem Tage zurück, ohne die Nacht zu benutzen, ja, Graser[276] schätzt in seinem mustergültigen Werke die höchste Schnelligkeit der Schiffe zur Zeit des Xenophon auf 9-10 Knoten (Seemeilen) in der Stunde, das ergiebt auf 24 Stunden die erstaunliche Summe von 450 km. Interessant ist auch die Notiz in Arrians Periplus Ponti Euxini[277], wo an einem Vormittage, noch dazu bei zeitweise ungünstigem Wetter, über 90 km zurückgelegt werden, so dass auf 24 Stunden – gleiche Fahrgeschwindigkeit zur Nachtzeit vorausgesetzt – 360 km kommen würden. Diese Schnelligkeit unter erschwerenden Umständen ist so erstaunlich, dass der Herausgeber hier einen Irrthum vermuthet. Schliesslich sind noch einige Mittheilungen des Plinius erwähnenswerth[278]. Von der Strasse von Messina ging, wie er erzählt, ein Schiff bis Alexandria in 6 Tagen, das macht über 260 km auf den Tag, von Gades nach Ostia in 7 Tagen, das würde etwa eben so viel ausmachen, von Afrika nach Ostia aber in 2 Tagen, so dass auf den Tag gegen 300 km kommen. Nur bei solcher Schnelligkeit wird die Anekdote von der Feige des Cato glaublich, die den dritten punischen Krieg veranlasst haben soll[279], und nur so lässt es sich erklären, dass der alte Fanatiker die römischen Senatoren glauben machen konnte, die Epigonen Hannibals ständen vor den Thoren der Stadt, wenn sie in Afrika mit König Masinissa um ihre Grenzen haderten.
Nachdem wir uns so ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Schiffe des Alterthums gemacht, werden wir im Stande sein, ein Urtheil darüber zu gewinnen, ob die phönizischen Pentekontoren in dem von Herodot angegebenen Zeitraume die Umsegelung vollbringen konnten, verschieben aber die Beantwortung dieser Frage auf später, um dann mit ihr zugleich eine genauere Vertheilung der gesammten Zeit auf die einzelnen Abschnitte der Fahrt vorzunehmen, und lenken unsere Aufmerksamkeit zunächst auf einen anderen Punkt, nämlich auf die oberste Leitung der Expedition. Wer war der Führer dieses zur Lösung eines so wichtigen Problems ausgesandten Geschwaders? Herodot nennt seinen Namen nicht, und es fehlt jede Handhabe, darüber Vermuthungen aufzustellen. Wenn ich nun doch bei diesem Punkte noch ein wenig verweile, so geschieht es, um die Angriffe zurückzuweisen, welche er hervorgerufen hat. Es ist behauptet worden, man könnte doch erwarten, dass bei einem so hervorragenden Unternehmen, wenn es wirklich stattgefunden hätte, auch der Name des Führers überliefert wäre; da er fehle, sei die Erzählung von der Fahrt einer Fabel gleich zu achten. Dagegen lässt sich aber Folgendes erwidern. Dass der Name nicht erhalten ist, scheint weniger wunderbar als betrübend, und keinenfalls kann dieser Umstand als Beweis dafür gelten, dass die Umsegelung nicht stattgefunden habe. Auch die Stellen bei Strabo[280] und in der Bibel[281], wo von den wohl allgemein als historisch anerkannten und gewiss für das Alterthum sehr hervorragenden Fahrten der Phönizier nach Tarsis, den Kassiteriden und Ophir die Rede ist, nennen die betreffenden Führer nicht. Das Fehlen des Namens ist somit ganz gewiss kein Beweis gegen die Glaubwürdigkeit des Berichtes; eher würde es unter Umständen das Anführen eines solchen sein können, wie die von Vincent[282], wie mir scheint, nicht sehr glücklich herangezogenen mythischen Beispiele zeigen. Er argumentirt: Bei den Fahrten aus älterer Zeit nennt man Herakles, Jason u. a. als Führer, obgleich deren Thaten sich doch auf einem weit kleineren Raume abspielten; da durfte bei unserm Unternehmen ein Hinweis auf den Leiter doch erst recht nicht fehlen. Dem gegenüber meine ich, dass eben die Namen jener Helden gegen die ihnen zugeschriebenen Thaten leicht Misstrauen erwecken werden. Herakles und Jason sind doch nur Vertreter von Kulturperioden; wenn ersterer eine Personifikation der Zeit ist, die den Kampf gegen das Ungeheuerliche in der Natur, wie in der Menschheit siegreich aufnahm, so erblicken wir in dem letzteren den Vertreter der Epoche, in welcher der Grieche die Scheu vor dem trügerischen Meereselemente überwinden lernte und zuerst seinen Kiel nach fernen Gestaden lenkte. Historische Wirklichkeit wird man keinenfalls diesen beiden oder ähnlichen Gestalten zugestehen dürfen. In unserm Falle scheint mir nun das Fehlen des Namens gerade ein Beweis für die Glaubwürdigkeit der Gewährsmänner Herodots zu sein. Bezweifeln dürfen wir kaum, dass letzterer bei seiner Gründlichkeit Erkundigungen über den Leiter einer so wichtigen Expedition einzuziehen versucht hat. Nun wäre es seinen Berichterstattern ja ein Leichtes gewesen, irgend einen Namen zu erfinden, so gut man ein paar Jahrhunderte früher sich den Herakles und Jason konstruirt hatte. Trotzdem nannten sie einen solchen nicht, sonst hätte Herodot ihn uns sicher überliefert, und dass sie es nicht thaten, spricht für ihre Wahrhaftigkeit und damit zugleich für die Wahrheit des Faktums, das sie berichteten. Aber, wird eingewendet werden, es sind doch z. B. die Namen des Sataspes und Skylax bekannt, der Leiter von Expeditionen, welche sich an Bedeutung mit der phönizischen nicht annähernd messen können. Wie das gekommen sein mag, ist nicht schwer zu erklären. Verweilen wir einen Augenblick bei Sataspes. Leicht mag Herodot, wie Berger[283] aus dem, was jener Schriftsteller selbst mittheilt[284], meint schliessen zu dürfen, von einem Samier, der durch einen Eunuchen des unglücklichen Prinzen in den Besitz der Schätze und wohl auch der Nachricht von der verunglückten Umsegelung desselben gekommen war, seine Information erhalten haben. Es scheint mir aber nicht undenkbar, dass er noch direktere Quellen hatte. Er selbst war am persischen Hoflager zu Susa, wie aus einigen Stellen seines Werkes hervorgeht[285], und hier war jedenfalls der Name des Sataspes noch wohl bekannt; sorgte dafür nicht sein nautisches Fiasko, so that es sicher die chronique scandaleuse des Achämenidenhofes. Das Vergehen, wegen dessen ihm die Umschiffung Libyens auferlegt war, bestand in der Vergewaltigung einer Perserin aus einer der ersten Familien des Reiches. Da nun die Hofgesellschaft in der persischen Residenz unter dem Einfluss der Haremsdamen sicherlich für derartige pikante Stoffe ein treffliches Gedächtniss hatte, lebte auch Sataspes noch in der Erinnerung dieser Kreise, wenn seine misslungene Expedition ihm auch erst in zweiter Linie dazu verhalf. Es ging ihm ähnlich wie dem Paris, der ja auch mehr wegen seiner Heldenthaten im Boudoir der Helena, als durch seine Erfolge auf dem Schlachtfelde bekannt ist. Auch Berger[286] giebt zu, die Erzählung von der Fahrt des Sataspes trüge den Charakter einer Hofgeschichte. Dazu kommt, dass seit dieser Reise beim Aufenthalt des Herodot in Susa wohl erst etwa zwei Dezennien verflossen waren, seit der Umschiffung Libyens durch die Phönizier, als er in Aegypten weilte, aber anderthalb Jahrhunderte. So kann es uns nicht wundern, dass man sich des Sataspes trotz seines Misserfolges noch erinnerte, während man den leitenden phönizischen Kapitän, der doch ungleich mehr geleistet, nicht zu nennen wusste. Was aber den zweiten Namen anbetrifft, der herangezogen werden könnte, um den herodoteischen Bericht auffallend lückenhaft erscheinen zu lassen, den des Skylax von Karyanda[287], der vom Indus zum rothen Meere fuhr, so wird folgende Erwägung am Platze sein. Dieser kühne Entdecker war unserm Schriftsteller sicher am wenigsten unbekannt. Karyanda lag ja von Halikarnass, dem Geburtsort desselben, nur etwa 20 km entfernt, und die Fahrt des Skylax wird doch nur etwa ein Menschenalter vor Herodot stattgefunden haben. Die nautische That, welche der berühmte Landsmann im Dienste des Perserkönigs vollbracht hatte, wird nun zweifellos nicht nur in seiner Vaterstadt, sondern auch im benachbarten Halikarnass jedem Kinde geläufig gewesen sein, und so erklärt sich meiner Ansicht nach sehr natürlich, wie es kam, dass Herodot über ihn genau unterrichtet war. Für die Erinnerung an den phönizischen Anführer fehlte es an solch günstigen Vorbedingungen, so ist begreiflicherweise sein Name versunken und vergessen, und nur seine grosse That lebt im Munde der Nachwelt fort.
Wenden wir uns nun der Betrachtung der Fahrt selbst in ihren Einzelheiten zu, so wird es zur Gestaltung eines deutlichen Bildes von derselben vor allem nöthig sein, über die Punkte ins Klare zu kommen, wo die Phönizier Rast gehalten haben. Es heisst in dem Bericht: „So oft die Saatzeit kam, gingen sie ans Land“; meiner Ansicht nach – die Gründe werde ich später darlegen – geschah dies im ganzen zweimal. Die Frage, wo die Rastorte gelegen haben mögen, ist nun in den meisten mir zu Gesicht gekommenen Abhandlungen über unsere Expedition wunderbarerweise gar nicht erörtert, in einigen andern oberflächlich berührt, aber, wie ich glaube, ganz verkehrt beantwortet worden. Eine direkte Auskunft lässt sich aus Herodots Berichte ja auch unmöglich herauslesen, doch auf einem Umwege hinter das Richtige zu kommen, scheint mir nicht ausgeschlossen zu sein. Auf diesem soll uns die Frage leiten: Was haben die Phönizier an ihren Ruhepunkten wohl gesäet und geerntet? Durch die Beantwortung derselben werden wir vielleicht einen Fingerzeig zur Lösung des andern Problems gewinnen. Zunächst wird es sich darum handeln, was wir an dieser Stelle des Herodot unter σῖτος zu verstehen haben. Die Antwort hierauf mit Sicherheit zu geben ist nicht ganz leicht und wird eine längere Betrachtung erfordern. σῖτος bedeutet überhaupt „Kornfrucht“, auch bei Herodot, wo an einer Stelle[288] darunter Weizen, Gerste, Hirse und Sesam begriffen werden; ausgeschlossen ist dabei von vornherein eine Pflanze, welche nach Diodor[289] in Aegypten, wenigstens im Delta, wo unsere Phönizier doch wahrscheinlich ansässig waren, zur Brotbereitung diente, der Lotos. Es versteht sich auch von selbst, dass diese, die nur bei ausgiebigster Bewässerung gedeiht, von Schiffern nicht zur Aussaat mitgenommen werden konnte, wenn sie nicht wussten, ob sie die für das Fortkommen derselben erforderlichen Bedingungen antreffen würden. Ausser dem, was Herodot an der erwähnten Stelle unter σῖτος versteht, könnten wir nun etwa noch an Roggen, Hafer, Reis und – wenn wir z. B. Duncker folgen wollen – auch an Mais denken; eine nur oberflächliche Betrachtung der einschlägigen Verhältnisse genügt jedoch, uns zu überzeugen, dass keine dieser Körnerfrüchte die Phönizier auf ihrer Reise begleitet haben wird. Was die erstgenannte Pflanze anbetrifft, so soll sie nach Luther zwar in Altägypten gebaut worden sein, denn er übersetzt, als von dem Hagelwetter bei Gelegenheit der ägyptischen Plagen berichtet wird: „Aber der Weizen und Roggen ward nicht geschlagen“[290], doch liegt hier sicher ein Irrthum vor und statt „Roggen“ muss es heissen „die Wicke“, eine Frucht, die wohl wesentlich als Zusatz zum Viehfutter verwendet wurde[291]. Der Roggen kam überhaupt schwerlich im alten Aegypten vor; in den Monumenten wenigstens ist er nicht aufgefunden[292]. An Hafer darf noch weniger gedacht werden; er wird zwar jetzt in Aegypten gebaut, im Alterthume war dies jedoch nicht der Fall[293], ganz abgesehen davon, dass sich das Mehl dieser Frucht zum Brotbacken wenig empfiehlt. Was den Reis anbetrifft, so wäre es nach de Candolles Ausführungen[294] nicht wunderbar, wenn die Aegypter zur Zeit des Necho die Kultur dieser Pflanze gekannt hätten, obgleich sich in den Sämereien der Denkmale und auf den altägyptischen Gemälden kein Anzeichen dafür findet. Auch hätten die Phönizier aus seinen Körnern, wenn nicht Brot, so doch brotähnliche Kuchen herstellen können, aber er gedeiht bekanntlich nur in sumpfigen Gegenden, und der Verproviantirung mit diesem Lebensmittel wenigstens zum Zwecke der Aussaat, stellten sich jedenfalls die bei dem Lotos geltend gemachten Bedenken entgegen. Hinsichtlich des Mais aber irren Duncker u. a., welche ihn dem alten Aegypten zuertheilen, entschieden[295]; er ist ursprünglich in der ganzen alten Welt nicht heimisch, sondern ein Geschenk der neuen an diese[296], und in Europa beispielsweise erst seit dem 16. Jahrhundert eingebürgert[297]. Fassen wir nun die Pflanzen ins Auge, die Herodot selbst, wie oben erwähnt, als zum σῖτος gehörig bezeichnet, so sind Sesam und wohl auch Hirse – sowohl panicum italicum, wie auch miliaceum – von der Debatte auszuschliessen, obwohl beide in Altägypten vorkamen; die erste, weil man sie nur der Oelgewinnung wegen baute[298], die zweite, da es, obgleich sich wohl ein brotartiges Gebäck aus ihr herstellen lässt, nicht wahrscheinlich ist, dass die Phönizier sich davon hauptsächlich genährt haben sollten[299]. Es bleiben demnach noch Weizen und Gerste übrig, die beide sowohl für die Verproviantirung, wie auch zur Saat von vornherein ganz geeignet erscheinen dürften. Trotzdem haben Rawlinson[300] und Sandberg[301] vorgezogen, an Durrah zu denken. Da es nun zur Bestimmung der Stellen, wo gesäet, und somit, wo gerastet wurde, von der höchsten Bedeutung ist, ob diese Pflanze oder jene Getreidearten von den Phöniziern mitgenommen worden sind, wird es unsere Aufgabe sein müssen nachzuforschen, mit welchem Recht jene Gelehrten dies gethan haben. Der letztgenannte, der allein sich auf eine längere Begründung einlässt, führt als Beleg für seine Ansicht Niebuhrs Beschreibung von Arabien an, wo erzählt wird, dass zu der Zeit, als dieser berühmte Reisende jenes Land besuchte, die grosse Menge des arabischen Volkes aus Durrah gebackenes Brot ass. Aber jeder unbefangene Beurtheiler wird zugeben, dass aus dem Umstande, dass die Araber Mitte vorigen Jahrhunderts Durrahbrot gegessen, schwerlich gefolgert werden kann, die Phönizier in Aegypten hätten zweitausend und einige hundert Jahre früher das Nämliche gethan. Ferner beruft sich derselbe Herr auf eine Stelle der Genesis[302]; es scheint mir aber eine ziemliche Portion guter Wille vorausgesetzt zu werden, wenn man aus dieser das Säen von Durrah herauslesen soll. Interessant sind die völlig entgegengesetzten Urtheile über die Verwendbarkeit der Durrah als Nahrungsmittel. Viktor Hehn[303] meint, dass sie wesentlich als Thierfutter Werth habe und nur in Theurungsjahren zu anderm Mehl gemischt werde. Dem gegenüber bekundet sich in Ungers Ansicht[304] die alte Wahrheit, dass über Geschmacksrichtungen nicht zu streiten sei; er behauptet, Durrah gebe ein schmackhaftes Brot. Ihm stimmt Delile bei durch seine Aeusserung[305]: „il (dourrah d’Égypte) donne une farine bonne pour faire des gâteaux“, fährt dann freilich gleich fort: „mais dont on ne fait point de pain levé (aufgegangenes Brot), comme avec le blé“. Es kann nicht schwer sein, trotz dieser sich entgegenstehenden Ansichten zu einem Urtheil darüber zu kommen, ob die Phönizier Durrah mitgenommen haben werden oder nicht. Ich glaube entschieden, annehmen zu dürfen, dass sie es nicht thaten; entweder gab das Mehl ein unschmackhaftes Brot, dann verbot diese Wahl sich von selbst, da eine zusagende Nahrung durchaus erforderlich scheinen musste, um die physischen Kräfte und damit auch den Muth der Matrosen für die gefährliche Fahrt aufrecht zu erhalten, oder es war nur zum Kuchenbacken geeignet, dann handelten sie thöricht, wenn sie sich mit so weichlichem Proviant versahen, da ihnen kräftige Speise mehr nützte und „toujours perdrix“ für die Menschen zu Nechos Zeit gewiss ein eben so wenig anheimelnder Gedanke war, wie für die modernen. Vor allem wird sich aber die Frage zur Beantwortung drängen: Stand denn den ägyptischen Phöniziern Durrah überhaupt zur Verfügung, d. h. wuchs sie um 600 v. Chr. in Aegypten? Die Ansichten darüber gehen weit auseinder; Unger[306] meint, es sei sicher der Fall gewesen, dahingegen behauptet Alphons de Candolle[307] unter „Holcus saccharatus oder Sorghum saccharatum (Moorhirse, Durrahgras)“, dass kein Beweis einer so frühen Kultur dieser Pflanze im Nilthal vorliege. Einige Denkmäler zeigen die Ernte einer Kornfrucht, welche allenfalls Durrah darstellen könnte[308]. Diesem bedauerlichen Zwiespalt der Meinungen gegenüber werden wir gut thun, von der Gegenwart ausgehend, zunächst festzustellen, was sich über den Anbau der betreffenden Frucht in Aegypten für die näher liegenden Zeiten sagen lässt, und da werden wir denn finden, dass sie heute dort massenhaft gepflanzt wird. De Candolle[309] schreibt unter „Holcus Sorghum oder Sorghum vulgare (Kafferhirse)“: „Dies ist eine der am meisten von den Aegyptern der Neuzeit unter dem Namen Durrah, im äquatorialen Afrika, Indien und China angebauten Pflanzen“ und Delile[310] sagt, dass die Durrah (oder Sorgho) das Getreide oberhalb Thebens ersetzt. Im mittelalterlichen Aegypten dagegen wurde diese Frucht, so viel wir wissen, nur an einer Stelle gebaut[311]; der arabische Arzt aus Bagdad, Abd-Allatif, der gegen das Jahr 1200 n. Chr. lebte und eine Beschreibung des unteren Nilthales herausgab, theilt ausdrücklich mit, dass sie hier mit Ausnahme der oberen Gegend des Saïd – d. i. Oberägypten – fehle. Demnach dürfte es nicht wahrscheinlich sein, dass sie im Alterthume in grösserem Umfange gebaut wurde, da kein Grund ersichtlich ist, warum die Kultur einer so nützlichen Pflanze zurückgegangen sein sollte. Ist diese Annahme aber richtig und erst unter der türkischen Herrschaft dies Korn in Aegypten allgemein angebaut, so werden die im Delta wohnenden Phönizier, welche die Fahrt unternahmen, allenfalls Durrah gekannt, sicherlich aber daraus nicht ihr Brot verfertigt haben. Schlosser[312], den Sandberg anzieht, meint freilich, die alten Aegypter hätten das Mehl jener Pflanze zum Backen verwendet, und wenn er recht hätte, würden Rückschlüsse auf die Phönizier ja nicht allzu fern liegen. Das Citat aus Schlosser lautet: „Das gewöhnliche Brot, von welchem man neuerdings noch einiges in Gräbern gefunden hat, war aus Durrah oder Moorhirse bereitet; ausserdem hatte man auch Brot von anderen Getreidearten“. Ganz entgegengesetzter Ansicht ist de Candolle[313], welcher meint: „In den Gräbern des alten Aegypten hat man das Vorkommen der Kafferhirse nicht mit Sicherheit nachgewiesen“. Mir scheint die Stelle aus Schlosser ohne Quellenangabe, wie sie ist, und ganz allgemein gehalten, wenig überzeugende Kraft zu haben. Es fehlt jeder Nachweis darüber, in welcher Gegend Aegyptens diese Durrah enthaltenden Gräber lagen, ob im Delta oder weiter oberhalb, und das würde doch, wenn wir für das Alterthum in Betreff dieser Pflanze dieselben Verhältnisse annehmen, wie sie uns für das Mittelalter verbürgt sind, von grosser Wichtigkeit bei der Entscheidung der Frage nach dem Backmaterial sein. Der Fellah in Oberägypten mag sein Brot aus Durrah hergestellt haben, ohne dass der phönizische Schiffer an der Mündung des Flusses dasselbe that. Auch wird es nicht gleichgültig für die Beurtheilung unserer Frage sein, welchem Stande die Leute angehört haben, in deren Gräbern man Durrahbrot gefunden hat. Im alten Reiche war es ein Privilegium der besseren Kreise, sich eine Art der Bestattung zu vergönnen, welche den Zweck erfüllte, den Stürmen der Zeit Widerstand zu leisten; im mittleren und noch mehr im neuen Reiche ist diese Sitte allgemein geworden, alle Schichten des Volkes nehmen an ihr Theil, vom hohen Beamten bis zu den Inhabern der niederen Stellen herab; selbst Gräber von Privatleuten und Handwerkern sind mit Sicherheit nachgewiesen, und leicht mögen sich auch die Bauern in ähnlicher Weise haben bestatten lassen[314]. Diese letzteren befanden sich aber in einer kümmerlichen Lage; sie waren grösstentheils unfrei, wie die Natur des Landes es mit sich bringt, welche in Folge der grossen Ueberschwemmungen, gegen die der einzelne machtlos ist, die Menschen zwingt, sich zusammenzuthun zum gemeinsamen Kampfe, in dem sich dann naturgemäss der weniger Bemittelte dem Wohlhabenden unterordnet. Kurzum, es war mit der Bauernbevölkerung am Nil vor zwei bis drei Jahrtausenden genau wie heute: die Lebensweise dieser Leute war ausserordentlich dürftig. Nun mag Durrah dem einen absolut nicht munden, dem andern wie Kuchen schmecken, eine für den täglichen Konsum minderwerthige Sorte Brotes als Weizen und Gerste giebt sie auf alle Fälle[315], und ist es nicht unwahrscheinlich, dass der ägyptische Ackersmann der alten Zeit in seinen traurigen Verhältnissen gezwungen war, sich des Mehles dieser Pflanze zum Backen zu bedienen. Leider theilt uns Schlosser nun nicht mit, welches Standes die Leute gewesen sein mögen, in deren Gräbern man Durrahbrot gefunden hat; waren es vielleicht bäuerliche Grabkammern, so würde das für die Ernährungsweise der Phönizier noch gar nichts beweisen. Dieser wesentlich Handel und Seefahrt treibende Bruchtheil der ägyptischen Bevölkerung wird in einer finanziell ungleich günstigeren Lage gewesen sein als die armen Fellahs, und es leuchtet ein, dass demnach die Ernährungsweise der letzteren auf die jener besser situirten Leute keine Rückschlüsse gestattet. Die hinsichtlich des Proviantes und des Saatkornes aufgestellte Behauptung Sandbergs wird sich also auch durch das Citat aus Schlosser nicht stützen lassen, und dieser Umstand im Verein mit dem, was sonst gegen die von jenem Forscher vorgebrachte Ansicht gesagt ist, dürfte die Mitnahme von Durrah in hohem Grade unwahrscheinlich machen. Ich komme also darauf zurück: Die Kornfrucht der Phönizier entstammt den Pflanzen, welche Herodot[316] in erster Linie als σῖτος bezeichnet, dem Weizen oder allenfalls der Gerste, die man beide, wie die heilige Schrift bezeugt, und wie das Stroh beweist, das man in ungebrannten Ziegeln findet[317], im Alterthume in Aegypten baute. Nun wissen wir zwar durch Herodot[318], dass die Aegypter das aus diesen Pflanzen hergestellte Brot verschmähten, was ja nach Delile[319], der ausdrücklich bestätigt: „L’orge est le grain que les Égyptiens donnent aux chevaux“, hinsichtlich der Gerste auch heute noch der Fall ist, aber es liegt nicht der geringste Grund zu der Annahme vor, dass die Phönizier diesen Abscheu getheilt hätten. Im Gegentheil, wir dürfen aus der bekannten Thatsache, dass in vielen Mumiengräbern sich Weizenkörner gefunden haben, vielmehr mit Sicherheit schliessen, dass garnicht einmal alle Aegypter, sondern vielleicht nur die gesellschaftlichen Kreise oder die Landstriche, mit denen Herodot in Berührung kam, sich ablehnend gegen Brot aus diesem Getreide verhielten. Weizen, das Hauptprodukt Aegyptens, haben meiner Ansicht nach also die Phönizier mit auf die Reise genommen, von dieser Frucht ihr Brot gefertigt und die Körner derselben gesäet. Daneben könnte man noch an Gerste denken, wenn auch deren Name „oberägyptisches Getreide“[320] ihre Verwendung weniger wahrscheinlich macht; da diese sich aber in allen für unsere Abhandlung wichtigen Fragen – Säen, Fortkommen und Ernten – ganz ähnlich verhält wie der Weizen, werde ich im Folgenden nur letzteren ins Auge fassen, wobei ich die eventuelle Substituirung jener andern Getreideart jedem Leser überlasse.
Zur Bekräftigung der eben vertretenen Ansicht, σῖτος bedeute an unserer Stelle Weizen, wird es sich noch empfehlen, im Folgenden zu untersuchen, ob die Bewohner des unteren Nilthales sich vorwiegend von Brot aus dem Mehle dieser Pflanze nährten; lautet die Antwort bejahend, so muss die Annahme, die Phönizier hätten anderes Getreide mitgenommen, von selbst ausgeschlossen erscheinen. Nach der soeben mitgetheilen Behauptung Herodots, betreffend die Abneigung der Aegypter gegen Weizenbrot, könnte es nun zwar – zumal da sie, wie wir aus den Opferlisten der Gräber wissen, mindestens 16 verschiedene Arten Brot und Kuchen kannten[321] – den Anschein haben, als wenn dieser Nachweis schwerlich glücken dürfte, und doch ist er möglich, denn in den allgemeinen Begriff Weizen können wir zweifellos die Abart des Spelzes oder, wie man in andern Gegenden Deutschlands sagt, des Dinkels hineinbeziehen, und diese wurde in Aegypten als Nahrungsmittel in ausgiebigster Weise verwendet: malte sich doch die Phantasie des dort ansässigen Bauern das Paradies als ein Gefilde, wo sie sieben Ellen hoch würde[322]. Die Griechen hatten – wie wir – zwei Namen für den Spelt, und Herodot sagt ausdrücklich[323]: „Die Aegypter leben von ὄλυρα, welche andere ζειά nennen“. De Candolle bezweifelt zwar das Vorkommen des echten Spelzes in Altägypten und den benachbarten Ländern[324], aber der angeführte Ausspruch Herodots lässt es mindestens sehr zweifelhaft erscheinen, ob er recht hat. Sehr erschwert werden Untersuchungen wie die vorliegende leider dadurch, dass die griechischen Autoren die Cerealien in so kurzer und nichtssagender Weise beschrieben haben und in Folge davon der Sinn, den sie mit ihren Worten haben verbinden wollen, häufig genug ganz unsicher erscheint[325]. Immerhin aber gewinnt aus mancherlei Gründen die Ansicht, dass in Aegypten irgend eine Weizenart – gleich viel welche – gebaut wurde und diese an unserer Stelle unter σῖτος zu verstehen sei, grosse Wahrscheinlichkeit. Nicht nur wies der fette Boden seine Bewohner wesentlich auf die Kultur dieses Getreides hin[326], sondern auch die Denkmäler zeigen Weizen als Ernteprodukt, wie ja auch heute noch diese Kornfrucht für das Land des untern Nil von hoher Bedeutung ist. Thomé bezeugt dies ausdrücklich, wenn er sagt: „Weizen und Mais, zu denen in Oberägypten die Mohrenhirse und im Delta Reis hinzutreten, sind die am meisten gebauten Getreide“[327]. War doch auch Aegypten während des ganzen Alterthums von den Zeiten Josephs[328] bis auf die des römischen Kaiserreiches[329] die Kornkammer seiner Nachbarländer, deren Bedarf an Weizen es grossentheils deckte, und wie sehr diese Erdstelle als Hauptproduktionsstätte jener nützlichen Pflanze angesehen wurde, zeigt uns das Urtheil Diodors[330], der sie geradezu als Vaterland der Weizenkultur rühmt. Ist seine Ansicht nun auch keineswegs richtig, so mag sie doch als Beweis dafür gelten, wie gut das fragliche Bodenerzeugniss dort gedieh. De Candolle[331] belehrt uns, dass sehr alte Denkmäler Aegyptens, aus der Zeit vor der Invasion der Hyksos, diese Kultur als eine schon begründete hinstellen, und wenn – wie erwähnt – in den Mumiensärgen vielfach Weizen gefunden wurde, so ist das bezeichnend genug für die Rolle, welche ein Getreide spielte, das Unger[332] mit Recht als die wichtigste der ägyptischen Kornfrüchte hinstellt. Wie unerschöpflich die Produktionsfähigkeit des Landes in Bezug auf Weizen war, zeigt uns die Notiz des Plutarch in seiner Vita des Perikles[333], wo er erzählt, der König von Aegypten habe den Athenern 40000 Scheffel dieses Getreides geschickt. Der betreffende König kann nur Amyrtäus gewesen sein[334], und er konnte das Geschenk machen, nachdem Theile Aegyptens 20 Jahre lang vom Kriege verheert worden waren. Hier wird übrigens nicht im allgemeinen von σῖτος gesprochen, sondern es heisst τετρακισμυρίουσ πυρῶν μεδίμνους, und wenn Link[335] nachweist, dass in den späteren Zeiten des Alterthums σῖτος geradezu für πυρός gebraucht wurde, also die besondere Bedeutung „Weizen“ annahm, so ist dies gewiss ein Grund mehr für die Richtigkeit der Vermuthung, das Wort könne auch bei Herodot dasselbe bezeichnen. Dafür dass die Phönizier sich wesentlich aus diesem Getreide ihr Brot gefertigt haben, spricht übrigens ferner der Umstand, dass in ihrer syrischen Heimath Weizen und Gerste am häufigsten gebaut wurden[336]; und wenn Herodot erzählt, die Aegypter hätten das Mehl jener Früchte nicht zum Backen benutzt, und dies als etwas besonders Bemerkenswerthes hinstellt, das sie von andern Leuten unterschied, so dürfen wir daraus doch ebenfalls schliessen, dass die erwähnten Getreidearten andern Völkern, also doch auch wohl den seekundigen Fremdlingen, ihr wichtigstes Nahrungsmittel gewährten. Zu der Annahme aber, die Phönizier, welche ihre Heimath verliessen und in Aegypten Kolonieen gründeten, hätten ihre Lebensweise geändert, liegt gar kein Grund vor. Wenn wir für ausgemacht halten dürfen, dass die ägyptische Handelsflotte, so weit es überhaupt eine solche gab, bei der Abneigung der Aegypter gegen das Meer, in Händen phönizischer Kaufleute und Schiffer war, so ist damit zugleich gesagt, wo diese sassen, nämlich im Delta, und hier fehlte es zur Zeit des neuen Reiches sicherlich an dem trefflichsten Marschboden für Weizenbau nicht. Kurz, man mag die Frage erörtern, wie man will; es wird stets dasselbe resultiren: die Phönizier lebten, was ihre vegetabilische Nahrung anbetraf, wesentlich von Weizenbrot, und σῖτος kann hier nichts anderes bedeuten als Weizen eventuell Spelz – oder – wie ja immer mit eingeschlossen – Gerste.
Mit dieser Erkenntniss ist aber unendlich viel gewonnen; wir können nun einen grossen Theil Afrikas von vornherein als ausgeschlossen in Bezug auf die Stationen der Phönizier bezeichnen. Wir wissen nämlich, dass innerhalb der Wendekreise mit Ausnahme einiger Gegenden, die in Folge besonderer lokaler Eigenthümlichkeiten, wie z. B. frischer Winde, eine exzeptionelle Stellung einnehmen, Weizen erst in solchen Höhen gebaut werden kann, die hinsichtlich ihrer klimatischen Verhältnisse den subtropischen Zonen entsprechen[337]. Murzuk z. B. ist einer der südlichsten Punkte nördlich des Aequators, wo in Afrika noch Weizen und Gerste gedeihen, aber nur im Winter[338]. Da nun innerhalb der Tropenzone der Küstensaum Afrikas durchweg niedrig und auch sonst der angedeuteten Vergünstigungen nicht theilhaftig ist, da ferner die Annahme, die Phönizier hätten sich von ihren Schiffen weg weiter ins Innere des Landes auf die zum Plateau führenden Terrassen begeben, um dort zu säen und zu ernten, ganz unhaltbar erscheint, können wir mit Sicherheit behaupten: innerhalb der Wendekreise haben die Phönizier ihre grossen Ruhepausen nicht abgehalten. Auch einige Küstenstrecken in den gemässigten Zonen können sogleich ausgeschlossen werden. In der nördlichen einmal die kleine Stelle an der Ostküste vom Abfahrtsorte bis zum Wendekreise des Krebses, weil da eine Ergänzung des Proviantes noch nicht nöthig war, sodann an der andern Seite des Erdtheils das Gebiet vom nördlichen Wendekreise bis zum Atlas hin als der Sahara angehörig; in der südlichen gemässigten Zone aber die Partie westlich von der Kalahari. Hier kann zwar Ackerbau getrieben werden, aber nur mit Hülfe künstlicher Bewässerung[339]. Wenn nun die Phönizier solche auch höchst wahrscheinlich kannten[340], so wird doch niemand behaupten, sie hätten dieselbe hier angewendet, denn die Anlage solcher Irrigationen erfordert Zeit. Da nun jedenfalls wohl zweimal gerastet wurde – in den beiden ersten Jahren je einmal – und diese Rastorte unbedingt auf der Strecke vom Abfahrtsorte bis zur Strasse von Gribraltar zu suchen sind – denn erst im dritten fuhren sie durch die Säulen des Herakles –, kann der erste nur in dem südlichen Zipfel des Erdtheils, der zweite im Atlasgebiet gelegen haben. Im Kaplande, wo das Klima bereits subtropisch ist, gedeiht Weizen schon in geringer Höhe über dem Meeresspiegel. Vivien de St. Martin sagt in seinem Dictionnaire de géographie universelle[341] über diese Stelle unseres Planeten: „Pendant la plus grande partie de l’année là ou il y a de l’eau la terre rend presque tout ce qu’on lui demande“. Nun zerfällt dieses Land hinsichtlich der Niederschlagsvertheilung in einen Ost- und einen Westtheil[342]; in ersterem regnet es in der Zeit vom September bis April, in letzterem im Winter (unserm Sommer). Wie ich später nachweisen werde, sind die Phönizier nun wahrscheinlich im Mai des ersten Jahres ihrer Fahrt in Südafrika angelangt; liessen sie sich hier im westlichen Kaplande nieder und säeten etwa Anfang Juni, so hatten sie die sicherste Aussicht in Betreff des Aufgehens der Saat. Es hat sich in den wärmern Ländern im allgemeinen der Gebrauch herausgestellt, zur Zeit des niedrigsten Sonnenstandes zu säen, wenn die folgenden Monate zugleich angenehme Feuchtigkeit bieten; die Periode, in welcher das Getreide wachsen soll, ist ja naturgemäss die milderer Temperatur, wie ansteigenden Lichtes und muss stets im Anfang viel, nachher weniger Feuchtigkeit bieten[343]. Das trifft alles für jene Gegend zu; wenn zu Beginn des Juni gesäet wurde, hatte man bis August ausgiebige Feuchtigkeit, von da an nahm sie bei steigender Temperatur allmählich ab[344]. Da der Zwischenraum zwischen Saat und Ernte von Weizen und Gerste in diesen Gegenden nun ungefähr 5-6 Monate beträgt, würden sie etwa im November geerntet haben. Der zweite Rastort wird im Atlasgebiete südlich der Strasse von Gibraltar, also etwa im heutigen Marokko zu suchen sein. Auch von dieser Gegend ist es, wie vom Kaplande, bekannt, dass sie zur Produktion von Weizen sehr geeignet ist. Hier mögen die Phönizier, wie weiter unten ausgeführt werden soll, etwa im folgenden November angekommen sein, und da die Aussaat in diesen Gegenden im Dezember stattfindet, konnten sie, wenn sie dies Geschäft rechtzeitig vornahmen, im Juni ernten[345].
Nach diesen Ausführungen wird die Ansicht Rennels, sie hätten zuerst in Angola und später in Senegambien Station gemacht, die, wie so manche andere, sein Landsmann Wheeler theilt, hinfällig[346]. Sein Irrthum ist übrigens verzeihlich; er publizirte sein Werk im Jahre 1800, also zu einer Zeit, wo der Gedanke an eine Wissenschaft der Pflanzengeographie in A. von Humboldts Kopfe noch unausgesprochen schlummerte. Ebenso unhaltbar ist natürlich auch die Vermuthung Junkers[347], dass sie auf der Küste von Mozambique oder Sofala und später in Oberguinea gesäet und geerntet haben könnten, und nicht minder diejenige Peschels, der von einem zweimaligen australischen Frühlinge[348] spricht. Wie dieser scharfsinnige Gelehrte zu der Annahme kommt, die Phönizier hätten an beiden Rastorten sich südlich vom Aequator befunden, ist mir, da er Gründe für seine Behauptung nicht anführt, leider unklar geblieben. Wunderbar könnte es auf den ersten Blick erscheinen, dass die Sendlinge Nechos die passenden Stellen und die richtige Jahreszeit für die Aussaat des Weizens erkannten; bei genauerer Betrachtung erklärt sich aber auch dieses leicht. Dass sie im Kaplande zu säen beschlossen, dazu mag sie der Stand der Sonne veranlasst haben, die sie hier bei ihrer Ankunft mittags etwa eben so tief im Norden erblickten, wie in Aegypten und in ihrer syrischen Heimath im Süden, wenn man dort im Dezember zur Aussaat des Weizens schritt[349]. Auch war die Temperatur der heissen Zone, die sie vorher durchsegelten, jedenfalls zu verschieden von der heimathlichen, als dass sie zu einem Versuche hätte einladen können; die des Kaplandes hingegen entsprach jener ungefähr, und dasselbe wird in Marokko der Fall gewesen sein. Ferner dürfen wir annehmen, dass die Phönizier mit dem Lande fortgesetzt in Verkehr standen; abgesehen von mancherlei Bedürfnissen, die sie gezwungen haben werden, hier und da anzulegen, musste ihnen bei ihren auf die Eröffnung eines neuen Handelsgebietes gerichteten Plänen eine möglichst genaue Erkundung von Land und Leuten am Herzen liegen. Sie wären nicht Phönizier gewesen, wenn sie darauf verzichtet hätten. In der Ausübung dieser Thätigkeit werden sie nun ohne Mühe aus den Beschäftigungen der Küstenvölker und dem Stande der Felder erkannt haben, wo und wann es angängig sein könnte, Weizen zu säen, und so in der westlichen Hälfte des Kaplandes als der ihrem Vorhaben günstigeren gelandet sein. Im Atlasgebiet kam ihnen aber vielleicht noch ein anderer Umstand zu Hülfe. Strabo[350] erzählt, die Phönizier hätten kurze Zeit nach dem trojanischen Kriege an der Westküste Libyens Städte angelegt. Nun äussert zwar derselbe Schriftsteller an anderer Stelle hinsichtlich dieser Gründungen Bedenken, aber seine Zweifel können nicht ins Gewicht fallen, denn Junker[351] weist nach, dass er auch sonst Glaubwürdiges verwirft. Diese Kolonieen, von denen ein Theil sehr wohl im heutigen Marokko liegen mochte, oder wenigstens Reste derselben, werden nun die nechonischen Phönizier berührt haben und durch den Rath ihrer Landsleute hinsichtlich der Zeit der Feldbestellung sicherlich unterstützt worden sein.
Die vorstehenden Auseinandersetzungen zeigen zur Genüge, dass das Wort φθινόπωρον an unserer Stelle nicht den Herbst im meteorologischen Sinne bezeichnen kann, sondern in der Bedeutung von „Saatzeit“ aufzufassen ist. Herbst – nach ägyptischen Verhältnissen gerechnet – haben unsere Schiffer überhaupt während ihres Aufenthalts auf den Hauptstationen nur einmal gehabt und zwar im zweiten Jahre in Marokko. Als im ersten Jahre der ägyptische Herbst kam, also in unserem September, rasteten sie auf der Südspitze und hatten demnach Frühling; als aber im März der Herbst der südlichen Halbinsel begann, waren sie sicher bereits wieder von dort abgefahren. Schon aus diesen Betrachtungen ergiebt sich, dass unter φθινόπωρον nicht das verstanden werden darf, was der Kalender als „Herbst“ bezeichnet. Gosselin[352] freilich behauptet, da das Fallen der Jahreszeiten in andere Monate, wie es doch auf der südlichen Halbinsel stattfinde, an der Stelle, wo von Saat und Ernte die Rede ist, garnicht erwähnt sei, könne man mit Sicherheit annehmen, dass die Phönizier von dieser Erscheinung selbst nichts gewusst und also die Fahrt überhaupt nicht gemacht hätten. Ich möchte dem gegenüber darauf hinweisen, dass wir in der kurzen Notiz bei Herodot schwerlich alles besitzen, was über jene Reise anderthalb Jahrhunderte vor dessen Aufenthalt in Aegypten in die Oeffentlichkeit gedrungen war. Da die Fahrt aber nicht die geringste Konsequenz für die Geschichte Aegyptens gehabt hatte, waren die Einzelheiten verschollen und wären es vielleicht für immer gewesen, wenn nicht die Priester dem wissensdurstigen Fremdling zu Liebe die wenigen Trümmer der Ueberlieferung, die man noch besass, wieder ans Tageslicht gezogen hätten. Wie viel Wunderbares mag den Phöniziern auf ihrer Fahrt in den fremden Gegenden aufgestossen sein! Und doch erfahren wir – sei es, dass sie absichtlich schwiegen, sei es, dass die Kunde im Laufe der Zeit verloren ging – über alle diese Dinge, abgesehen von dem veränderten Stande der Sonne, nichts. Wie dürfen wir nun eine Mittheilung gerade darüber erwarten, dass die Schiffer die Aussaat ein einziges Mal zu anderer Zeit vornahmen als daheim? Ich muss also dabei beharren: φθινόπωρον bedeutet hier „Saatzeit“; diese deckte sich im ersten Jahre der phönizischen Reise, als am Kap Halt gemacht wurde, keineswegs mit dem ägyptischen Herbste, wohl aber im zweiten bei Gelegenheit der marokkanischen Rast. Bähr sagt[353], φθινόπωρον bezöge sich „ad illud omnino tempus, quo sua quisque in terra maturos percipiat fructus“, vergisst aber dabei, dass nicht unter allen Himmelsstrichen und nicht für alle Früchte der Herbst die Zeit der Ernte ist; seine Erklärung passt hinsichtlich des Weizens weder für das Kap, noch für die Länder des Atlas. Die Gewährsmänner Herodots aber, welche zwar wussten, dass die Phönizier mehrmals gesäet und geerntet hatten, hinsichtlich der Einzelheiten sich jedoch völlig im Unklaren befanden, nahmen, da sie die klimatischen Verhältnisse der betreffenden Länder nicht kannten, mit einem gewissen Rechte an, ersteres sei zur Zeit des Herbstes ihrer ägyptischen Heimath geschehen, wo man im Dezember, spätestens im Januar, wenn das Wasser abgelaufen war, die Felder bestellte und Weizen Ende März[354], eventuell während des April oder Anfang Mai, Gerste etwas früher einheimste[355]. Vor allen Dingen erscheint es aber garnicht ausgemacht, dass die Priester dem Herodot gegenüber ein Wort mit der Bedeutung „Herbst“ gebraucht haben; vermuthlich sprachen sie nur von einer Zeit des Säens, und unser Schriftsteller bezog dies auf den ägyptischen Herbst, da auch ihm unmöglich bekannt sein konnte, dass z. B. am Kap die Saatzeit eine andere sei[356]. Dies ist um so wahrscheinlicher, als es nach Diodor fraglich erscheinen muss, ob die Aegypter überhaupt den Herbst als besondere Jahreszeit betrachtet haben. An einigen Stellen dieses Schriftstellers[357] ist nämlich nur von einem ägyptischen Frühling, Sommer und Winter die Rede, auch sagt er bei anderer Gelegenheit[358] ausdrücklich, die Aegypter hätten nur drei Jahreszeiten angenommen. Ich denke, aus allen diesen Erwägungen wird klar hervorgehen, wie sehr Gosselin und seine Anhänger[359] irren, wenn sie das Schweigen unseres Berichtes über die veränderte Lage der Jahreszeiten in Südafrika so auslegen, als ob die Phönizier die Fahrt überhaupt nicht gemacht hätten.
Es wird nun unsere Aufgabe sein nachzuweisen, wie sich die Zeit genauer auf die einzelnen Abschnitte der Reise vertheilt. Ich weiss recht wohl, dass die bisherigen Rekonstruktionsversuche heftigen Angriffen von Seiten derer, welche die Wahrheit der ganzen Erzählung bezweifeln, ausgesetzt gewesen sind; sehr mit Unrecht. Auch dem meinen wird es, obgleich er in einigen wesentlichen Punkten von den früheren abweicht, schwerlich besser gehen. Das kann mich aber nicht abhalten, ihn anzustellen. Ob ein solcher Versuch das Richtige trifft, darüber kann man ja freilich verschiedener Meinung sein, im Prinzip muss er aber gebilligt werden, denn solche Rekonstruktionen tragen nicht nur wesentlich dazu bei, ein klares Bild der Reise in uns zu erzeugen, sondern verhelfen uns auch in Folge davon zu einem sichern Urtheile über die Möglichkeit, bezw. die Wahrscheinlichkeit der Umsegelung und damit über die Frage, ob der Bericht eines zuverlässigen Schriftstellers einem Phantasiegebilde gleich zu achten oder als Mittheilung über ein historisches Faktum zu begrüssen sei. Was nun zunächst das gesammte Zeitmass von zwei bis drei Jahren anbetrifft, so musste dies unserm Gewährsmanne Herodot schon deswegen völlig ausreichend erscheinen, weil er sich Afrika nicht mal bis zum Aequator reichend dachte; dass es aber auch zur Umsegelung des Erdtheils in seiner wirklichen Gestalt genügte, glauben wir beweisen zu können. Mannerts und anderer Ansicht[360], dass die Zeit zu kurz sei, wird nach allem, was früher über die Schnelligkeit der Schiffe des Alterthums gesagt ist, keinen Anspruch auf Berücksichtigung mehr erheben dürfen, und eben so wenig kann die oben erwähnte, oft zitirte Fahrt, die Skylax von Karyanda auf Befehl des Darius Hystaspes von Kaspatyros, dem heutigen Kabul[361] aus, nach der Stelle unternahm, von wo Necho die Phönizier ausgeschickt hatte – also doch wohl nach dem nördlichen Theile des rothen Meeres –, und die trotz der verhältnissmässigen Kürze des Weges 30 Monate dauerte, gegen die Wahrheit der phönizischen Umsegelung als Beweis herangezogen werden, da es ganz ungewiss ist, ob jener Seeheld Phönizier als Matrosen hatte. Es ist leicht möglich, dass – ganz abgesehen von anderen früher erörterten Gründen für diese Langsamkeit – seine Mannschaft aus Persern bestand, die der Seefahrt unkundig waren. Eben so wenig sind Schlussfolgerungen aus den Fahrten nach Ophir gestattet, denn diese waren ausgesprochene Handelsreisen, auf denen selbstverständlich die Händler oft anhielten, um zu kaufen oder zu verkaufen[362], während unsere Umsegelung nicht selbst eine Handelsexpedition war – sonst wäre die Zeit ja freilich zu kurz bemessen –, sondern nur die Gelegenheit, Verbindungen merkantilen Charakters anzuknüpfen, auskundschaften sollte. Bei der Vertheilung der Zeit auf die einzelnen Jahre wird es nun nöthig sein, die Länge der Küstenlinie zu berechnen. Es genügt natürlich für unsern Fall, diese ganz allgemein anzugeben, da wir nicht wissen können, ob jede kleine Biegung wirklich ausgefahren ist; vermuthlich hat man dies nicht gethan. Ich rechne daher rund bis zum Kap 10000, von dort bis nach Marokko abermals 10000 und weiter bis zur Nilmündung 5000, also im Ganzen 25000 km. Als Rastpunkte liegen auf dieser Strecke fest das westliche Kapland und Marokko. Man könnte nun vielleicht hoffen, die Länge der einzelnen Tagfahrten sei durch einen Vergleich mit dem Periplus des Hanno zu bestimmen, aber bei der Unklarheit, in welcher wir uns hinsichtlich der in diesem Berichte erwähnten Lokalitäten befinden, erweist sich die Unmöglichkeit, einigermassen Sicheres aus ihm herauszulesen, nur gar zu bald. Versuche dieser Art, wie sie von Seiten Rennells und anderer gemacht worden sind, führen zu nichts. Ausserdem dürfen etwaige Resultate doch nur unter einem gewissen Vorbehalte zum Vergleiche mit unserm Fall herangezogen werden, da die Flotte des Hanno, welche zum Zwecke der Kolonisation mit 30000 Männern und Weibern an Bord von 60 Schiffen ausgeschickt war, erheblich schwerfälliger gewesen sein wird als die phönizische Expedition, für welche Agilität erste Bedingung war, da ihr Gelingen bei eventuellen Fährlichkeiten auf der weiten Fahrt leicht von möglichster Schnelligkeit der Bewegung abhängen konnte. Pentekontoren freilich hat Hanno so gut verwendet, wie es wahrscheinlich unsere Phönizier thaten[363]. Hinsichtlich der Vertheilung der Fahrzeit auf die einzelnen Tage sind wir also auf ziemlich willkürliche Kombinationen angewiesen. Sehen wir zunächst, wie Rennell sich mit der Frage abfindet! Er schätzt den Küstenumfang auf 3360 deutsche Meilen = 25200 km[364] und berechnet als kleinstes Mass für die Tagfahrt 6 d. M. = 45 km; so würde eine Zeit von 560 wirklichen Reisetagen nöthig gewesen sein, das sind 18⅔ Monate. Dann nimmt er 12 Monate für Saat und Ernte, für Erholung, Ausbesserung der Schiffe usw. an und erhält somit für die ganze Fahrt 2 Jahre 6⅔ Monate. „Doch“ – sagt Rennell – „wollen wir diese bestimmten ökonomischen Angaben nicht so zuversichtlich angenommen wissen“. Will man überhaupt solche Berechnungen, die ja einer sichern Grundlage entbehren, gelten lassen, so wird sich gegen die vorstehende nicht allzu viel einwenden lassen. Diejenige, welche ich mir aufgestellt habe, weicht daher von der Rennell’schen nur in wenigen Punkten ab. Wenn die Phönizier von Kosseir Ende November abfuhren und Ende Mai am Kap landeten, hatten sie 10000 km in etwa 180 Tagen gesegelt, das macht auf den Tag ca. 55 km. Sie stachen dann vom Kap ungefähr Anfang Dezember des zweiten Jahres wieder in See, landeten in Marokko wegen ungünstiger Strömungen und Winde aber erst gegen das Ende des folgenden November; auf dieser Tour legten sie also eine Strecke von 10000 km in 12 Monaten, rund 360 Tagen, zurück, das würde für den Tag etwa 28 km ergeben. Nach meiner Berechnung hat die ganze Reise also etwas länger gedauert als Rennell annimmt, nämlich 8 Monate Fahrt + 6 Monate Aufenthalt + 12 Monate Fahrt + 6 Monate Aufenthalt = 32 Monate, und dann noch so viel, wie sie brauchten, um von Marokko nach Hause zu gelangen. Hierzu genügte jedenfalls sehr wenig Zeit, da sie von den Säulen an sich in völlig bekanntem Fahrwasser bewegten. Die drei Jahre werden also auch bei dieser Eintheilung nicht überschritten. Das im Verhältniss zu der oben besprochenen Leistungsfähigkeit der Schiffe des Alterthums ausserordentlich langsame Segeln während des grössten Theiles der Strecke erklärt sich leicht aus dem Kurs in völlig unbekannten Gegenden, in denen die grösste Vorsicht geboten war. Auch müssen wir annehmen, dass nachts wohl selten gefahren wurde und die Nähe der Küste zum öfteren Rasten verlocken mochte. Häufiges Landen war ja, abgesehen von der Befriedigung mancher Bedürfnisse, schon durch den nächsten Zweck der Expedition geboten. Ein kurzer Ueberblick über die Zeitvertheilung auf der ganzen Fahrt würde demnach etwa Folgendes ergeben. Wenn sie mit dem Schluss der Schifffahrt auf dem Mittelmeer sich zu der Reise nach dem Süden zu rüsten anfingen, können sie sicher etwa Ende November mit ihren Vorbereitungen fertig gewesen sein. Nun rechnet Herodot 40 Tage auf die Fahrt von der Nordspitze des rothen Meeres bis Bab-el-Mandeb, und er konnte in Aegypten, wo man in Folge der Fahrten nach Punt über die Erstreckung dieses Busens jedenfalls gut unterrichtet war, wohl Gelegenheit gehabt haben, sich genügend zu informiren. Da die Phönizier aber nicht aus dem äussersten Norden abfuhren, rechnen wir nicht ganz 40 Tage bis Bab-el-Mandeb[365] und von da gegen den Wind halb so viel bis Guardafui, das sie also etwa Mitte Januar werden umsegelt haben. Ende Mai landeten sie dann in der Nähe der Kapstadt, von wo sie Anfang Dezember des zweiten Jahres wieder abfuhren, um, nordwärts haltend, Ende März in den Busen von Biafra zu gelangen und von hier, gegen Wind und Strömung ringend, Ende Juni Kap Palmas zu passiren, worauf sie im Kampfe mit dem schwächer werdenden Strom Ende September am Wendekreise und im Laufe des November im heutigen Marokko angekommen sein werden. Im Juni des dritten Jahres setzten sie dann die Reise fort, segelten durch die Säulen des Herakles und gelangten, bei völlig bekanntem Fahrwasser ihr Tempo beschleunigend, jedenfalls in kürzester Zeit nach Hause.
Die Wegstrecken, welche laut vorstehender Eintheilung auf die einzelnen Segeltage gerechnet sind, werden keinenfalls zu lang erscheinen, eher könnte dem Verfasser der Vorwurf gemacht werden, bei dem Aufenthalt auf den beiden Stationen hinsichtlich der Zeit zu freigebig gewesen zu sein, und da möchte ich wenigstens den Einwurf Vincents[366] zurückweisen, die Phönizier hätten während der Rastzeit mehr Getreide verzehrt, als bei der Ernte gewonnen. Sobald wir annehmen, dass sie beim Eintreffen auf ihrer ersten Station ausser dem, was sie während des Aufenthalts daselbst zum Leben brauchten, eine genügende Menge Saatkorn hatten, um reichlich, d. h. so viel zu säen, dass sie mit der gewonnenen Frucht bis zur nächstjährigen Ernte auskamen und doch noch Korn für die zweite Saat übrig behielten, wird dies Bedenken hinfällig. Dass sie aber so wohl versehen waren, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen. Die Phönizier werden selbst bei ihrer verkehrten Ansicht über die Süderstreckung Afrikas schwerlich angenommen haben, binnen Jahresfrist wieder daheim zu sein, und eben so wenig konnten sie, da ihnen die zu befahrenden Küsten gänzlich unbekannt waren, bei ihrer Abreise mit Sicherheit darauf rechnen, unterwegs Gelegenheit zur Saat und Ernte zu finden. Jedenfalls werden sie sich also einen grossen Vorrath Korn mitgenommen haben, und es kann kein Bedenken erregen, die nothwendige reichliche Verproviantirung als einen der Gründe dafür anzusehen, dass mehrere Schiffe ausgerüstet wurden, in denen, da sie Waren zum Tausch oder Handel schwerlich enthielten, für reichliche Versorgung mit Getreide genügender Raum blieb. Kamen sie nun während des Mai im Kaplande an, so hatten sie von ihren Vorräthen erst sechs Monate gelebt und gewiss noch so reichlich Korn, dass sie ein grösseres Areal bestellen und doch noch bis zur Ernte von dem Rest des Mitgebrachten leben konnten. Was sie aber von der umfangreichen Fläche einheimsten, wird mit etwaigen Ueberbleibseln des alten Getreides nicht nur für die marokkanische Saat, sondern auch zum Lebensunterhalt bis zur dortigen Ernte gereicht haben. Konnten sie am Atlas nicht mehr so ausgiebig säen – denn sie waren ja zwischen der ersten und zweiten Rast ein volles Jahr (Dezember bis November) unterwegs und mussten noch für 6 Monate Korn zum Unterhalte zurückbehalten (Dezember bis Mai) –, so schadete das nichts, da sie an der kleineren hier gewonnenen Ernte doch gewiss bis zur Rückkehr in die Heimath genug hatten.
Der Einwurf Vincents dürfte damit als erledigt betrachtet werden, aber auch abgesehen von ihm könnte man an der Länge des Aufenthaltes Anstoss nehmen, da die Alten Weizen kannten, den δίμηνος und τρίμηνος, der schon zwei oder drei Monate nach der Saat in jenen wärmeren Gegenden reif wurde, ja sogar eine auf Euboea heimische Abart, welche nur 40 Tage dazu brauchte. Lassen wir nun dahin gestellt, ob die Phönizier zufällig eine von diesen Sorten mit sich führten, ob sie Sommer- (ἠρινός) oder Winterweizen (χαιμερινός)[367], ob sie sechszeilige Gerste – wahrscheinlich die einzige, die man in Altägypten kannte[368] – oder endlich irgend eine andere Weizen- oder Gerstenart gebaut haben, immerhin können wir auf einen jedesmaligen halbjährigen Aufenthalt rechnen, denn ausser dem Säen und Ernten des Getreides, dessen Vegetationsperiode in Südafrika, wie oben gezeigt, im allgemeinen 5-6 Monate beträgt[369], blieb ihnen noch genug andere landwirthschaftliche Arbeit, wie Dreschen und Ausworfeln; sodann werden aber auch vor allem die Schiffe einer gründlichen Reparatur bedürftig gewesen sein. Sie hatten wohl zu viel Tiefgang, als dass sie an jeder beliebigen Stelle ohne grosse Mühe aufs Land gezogen werden konnten; um so nöthiger wird dies nach monatelanger Fahrt an den beiden Hauptruhestätten gewesen sein.
Aber nicht nur die Frage nach der Länge des Aufenthaltes hat Veranlassung zu Erörterungen gegeben; es finden sich auch in einigen Beurtheilungen dieser Expedition Zweifel darüber ausgesprochen, ob das Säen und Ernten seitens einer verhältnissmässig kleinen Schar von Männern in fremdem Lande inmitten barbarischer Völkerschaften ungestört habe von statten gehen können[370]. Diese Bedenken sind um so unbegreiflicher, als bekannt ist, mit welch’ ehrfurchtsvoller Scheu gerade einfache Naturvölker zivilisirteren Fremdlingen entgegenzutreten pflegen, falls sie von ihnen nicht gerade gereizt werden. Der Respekt, den die eingeborenen Küstenbewohner vor Männern gehabt haben werden, die mit gewaltigen Schiffen über das weite Meer gewissermassen aus einer andern vollkommneren Welt zu ihnen kamen, mochte, auch wenn jene in geringer Anzahl erschienen, doch wohl die paar Monate vorhalten, welche die Phönizier sich an ihren Ruheplätzen aufhielten. Man denke nur an den Eindruck, den Cortez’ Spanier auf die Bewohner des Plateaus von Anahuac machten. Und ohne Zweifel werden die Phönizier sich nicht nur aufs äusserste gehütet haben, mit den Eingeborenen in Konflikt zu gerathen, während ihr Korn auf dem Halme stand, sondern sie werden sogar, wenn sie Gelegenheit fanden, sicher bemüht gewesen sein, durch kleine Aufmerksamkeiten – und wie leicht ist das kindliche Gemüth solcher Wilden zufriedengestellt! – ein gutes Einvernehmen zu erkaufen, was freilich nicht gehindert haben mag, dass sie beim Absegeln, getreu ihrer alten Piratenart, die erwiesene Gastfreundschaft lohnten, indem sie mitnahmen, was nicht niet- und nagelfest war. Nach dem, was wir über Sataspes’ Fahrt wissen, ist übrigens kaum anzunehmen, sie seien mit den Eingeborenen persönlich in Berührung gekommen. Herodot erzählt[371], dass dieselben beim Nahen jener Expedition, ihre Städte preisgebend, auf die Berge flohen, so dass die Matrosen ihnen ihr Vieh ungehindert nehmen konnten. Und solche Leute sollten die Phönizier bei Saat und Ernte gestört haben? Schwerlich. Es kann nach diesen Auseinandersetzungen wohl nicht mehr zweifelhaft erscheinen, dass die Versorgung der Expedition mit Getreide in der von Herodot angedeuteten Weise vor sich gegangen ist und Wheeler irrt, wenn er meint[372], König Necho habe den Phöniziern zunächst am Gestade des rothen Meeres Stationen zur Verproviantirung errichtet, später aber hätten sie auf ihrer Fahrt an der Ostküste Afrikas entlang durch irgend welche Beziehungen zu den südlicher wohnenden Völkern Nahrungsmittel erhalten. Sie bedurften sicherlich keiner Zufuhr, bis sie das Kap, und später, bis sie das Atlasgebiet erreicht hatten.
Ich komme jetzt zu demjenigen Punkte des herodoteischen Berichtes, der seit alten Zeiten mehr als alles andere von sich hat reden machen, zu dem unsern Reisenden so auffälligen Stande der Sonne. Die Phönizier erzählten bekanntlich, sie hätten, als sie Libyen umsegelten, diese zur Rechten gehabt. Fragen wir zunächst, wie das zu verstehen ist. Einige Forscher glauben, es sei die Morgensonne gemeint[373], ohne jedoch Gründe für ihre Ansicht anzugeben. Mir scheint es, da die Worte τὸν ἥλιον ohne irgend einen diese Anschauung rechtfertigenden Zusatz stehen, näher zu liegen, an den gesammten täglichen Lauf, speziell an den Höhepunkt desselben, die Stellung zur Mittagszeit, zu denken, und ebenso wird augenscheinlich die Sache von der Mehrzahl der kompetenten Beurtheiler aufgefasst. Demnach würden die Phönizier, als sie um die Südspitze Afrikas fuhren, die Sonne um Mittag im Norden gesehen haben. Welche Beweiskraft nun diese Mittheilung für die Wahrheit der ganzen Erzählung habe, darüber ist heiss gestritten worden. Die einen behaupten, es sei hierdurch unumstösslich dargethan, dass die Reise ums Kap wirklich gemacht sei, die andern wollen darin nicht die Spur eines Beweises erblicken. Meiner Ansicht nach haben beide Parteien unrecht.
Ich muss darauf verzichten, wenn ich dem Vorwurfe zu grosser Weitschweifigkeit entgehen will, einen Ueberblick über alles zu geben, was geschrieben ist, um der einen oder der andern Behauptung grösseren Nachdruck zu verleihen, aber dieser Verzicht wird mir nicht allzu schwer. Neben wenigen guten Körnern findet sich unendlich viel Spreu, und man erinnert sich bei manchem der vielen Versuche, auf Grund der erwähnten Ueberlieferung einerseits die Wahrscheinlichkeit, andrerseits das Fabelhafte der Umsegelung nachzuweisen, der Worte Bredows: „Quo maior ars, eo minor fides“.
Erwägen wir zunächst den Werth des Zweifels, den Herodot dieser Sache gegenüber äussert! Er war in allen Fragen, welche die mathematisch-astronomische Geographie betreffen, ein reines Kind. Erst zu seiner Zeit fing ja das Dunkel, welche diese Geheimnisse der Natur bedeckte, allmählich an, sich zu lichten. Parmenides von Elea nahm zuerst aus bessern Gründen die Kugelgestalt der Erde an und unterschied die Zonen[374], aber dessen unteritalische Heimath lag für die damaligen Verkehrsverhältnisse und bei der Langsamkeit, mit der sich in alter Zeit geistige Errungenschaften verbreiteten, zu weit ab von der Reiseroute Herodots, als dass man annehmen könnte, diese Wahrheiten, die ca. 460 ausgesprochen wurden, seien bald zu seinen Ohren gedrungen. Als er aber später sein Heim nach Thurii verlegte, wo er leicht Gelegenheit haben konnte, die neue Anschauung kennen zu lernen, brachte er wahrscheinlich mancherlei Ausarbeitungen über seine Reisen schon fertig mit und mochte der frisch auftauchenden Theorie nicht genug Vertrauen entgegenbringen, um danach seine früheren Aussprüche zu modifiziren. Jedenfalls erkannte er die Lehre von der Kugelgestalt der Erde nicht an, und dass ihm auch die Gesetze, nach denen sich die wichtigsten Himmelskörper bewegen, nicht klar waren, geht aus mehreren Stellen seines Werkes deutlich hervor[375]. Demnach hatte er auch keine Ahnung von der Schiefe der Ekliptik und ihren Ursachen und Folgen[376]; die Worte Her. II, 19: τροπέων τῶν θερινέων verbürgen, wie längst nachgewiesen ist, nicht etwaige Kenntniss jener Verhältnisse[377]. Es kann auffallend erscheinen, wenn Herodot, der weit gereiste und wissensdurstige, in dieser Beziehung so ganz im Dunkeln tappte, aber dass er es that, steht fest, und vielleicht war es gut so, er hätte sonst wohl das wichtige Faktum des nördlichen Sonnenstandes als etwas Alltägliches und Bekanntes garnicht registrirt und dadurch eine für die Wahrscheinlichkeit der Umsegelung in hohem Grade überzeugende Thatsache unserer Kenntniss vorenthalten. Wie Herodot aber nicht im Stande war, aus wissenschaftlichen Gründen einen nördlichen Sonnenstand zu erklären, so hat er auch keinenfalls Gelegenheit gehabt, sich auf andere Weise von der Möglichkeit eines solchen zu überzeugen; denn er ist weder selbst jemals über den Wendekreis des Krebses hinausgekommen, noch wird er glaubwürdige Leute gesprochen haben, welche aus eigener Anschauung ihm versichern konnten, dass eine derartige Stellung in der That möglich sei. Selbst in Elephantine, das nicht mal 60 km vom Wendekreis des Krebses entfernt lag, und wo doch sicher Menschen lebten, die einmal innerhalb der Tropen gewesen waren, hat er augenscheinlich dazu keine Gelegenheit gefunden. Er dachte sich die Erde als eine Art Scheibe, über welcher das Firmament als eine hohle Halbkugel ruhe, eine Anschauung, die nicht wunderbar, im Gegentheil vielen Naturvölkern, welche die Himmelserscheinungen nur nach der sinnlichen Wahrnehmung beurtheilen, geläufig ist. Dass das scheinbare Himmelsgewölbe eine Hohlkugel sei und sie von ihm nur die eine Hälfte kennen, ahnen diese so wenig, wie etwa die Menschheit vor Magelhans berühmter Reise wusste, dass ihr erst die halbe Oberfläche der Erde bekannt war. An diesem Gewölbe geht die Sonne dem Herodot von Osten nach Westen[378], aber nicht in der Mitte, sondern mehr südlich. Da er sie mittags stets im Süden sah, stand sie seiner Ansicht nach zu dieser Tageszeit über den dort liegenden Erdräumen senkrecht[379]. Dass es jenseits jener Gebiete Länder oder Meere gäbe, wo man sie nördlich sähe, konnte er nicht annehmen, am allerwenigsten aber, dass dies der Fall sei in den Gegenden, wo er die Südküste Afrikas vermuthete, d. h. weit nördlicher, als sie wirklich liegt. So kommt es denn, dass Herodot über die ganze phönizische Expedition im Tone des Gläubigen berichtet und ihm nur dies eine, der nördliche Standpunkt der Sonne, Bedenken erregt[380]. Dieser Zweifel wird bei seinen mangelhaften Kenntnissen berechtigt erscheinen; uns, die wir mit fortgeschrittenerem Wissen ausgestattet sind, braucht er an der Wahrheitsliebe der Phönizier nicht irre zu machen.
Wir gehen daher über ihn hinweg und treten der Frage näher: Ist die Nachricht, wie viele wollen, ein unumstösslicher Beweis dafür, dass die Phönizier wirklich ums Kap gefahren sind? Die Antwort wird lauten: Nein. Zwar ist nicht nur von älteren Gelehrten darauf hingewiesen, dass bei dem damaligen Standpunkte der astronomischen Geographie, die zur Zeit der Umsegelung noch in den Windeln lag, Schiffer, um den Glauben an eine Fahrt zu erwecken, die sie garnicht gemacht, unmöglich auf die Erscheinung hätten verfallen können, die selbst dem erfahrenen und durch seine Reisen vielseitig gebildeten Herodot nicht glaublich erschien[381], sondern auch einer der bedeutendsten neueren, Karl Ritter, äussert: „Leute, die keine astronomisch-geographische Theorie besassen, aus der sich ergiebt, dass dies (der nördliche Standpunkt der Sonne in der Mittagsstunde) nur auf der südlichen Halbkugel stattfinden kann, konnten dies nicht erzählen, ohne es wirklich gesehen zu haben“; aber doch scheint mir der hieraus für unsere Untersuchung gezogene Schluss, dass damit die Wahrheit des Berichtes unumstösslich bewiesen werde, etwas voreilig. Unbestreitbar ist freilich auch meiner Ansicht nach, dass wir Kenntniss der einschlägigen Gesetze und Verhältnisse anderthalb Jahrhunderte vor Herodot keinenfalls bei phönizischen Schiffern voraussetzen dürfen, die sich wohl mit Astronomie zum praktischen Gebrauche für die Seefahrt beschäftigen mochten, denen aber das Studium wissenschaftlicher Probleme der Sternenwelt sicherlich nicht zuzutrauen ist. Aber – werden wir fragen müssen – konnten nicht unsere Seeleute, auch ohne die Gesetze der astronomischen Geographie zu kennen, bei den auf früheren Fahrten gemachten Erfahrungen und den damals landläufigen Ansichten über die geringe Süderstreckung Afrikas auf die Vermuthung eines nördlichen Sonnenstandes für die jenen Erdtheil Umsegelnden mit Leichtigkeit verfallen? Ich glaube, unbedingt. Seit Jahrhunderten, vielleicht seit Jahrtausenden, gingen phönizische Schiffe südlich bis Bab-el-Mandeb; so war es den Phöniziern jedenfalls bekannt, dass das Tagesgestirn für diese Gegend unter gewissen Umständen um Mittag nördlich stehe. Gesetzt nun, sie nahmen an – und dass sie es wahrscheinlich thaten, ist oben gezeigt –, die Südküste Afrikas liege etwa unter gleicher geographischer Breite wie jene Pforte des rothen Meeres, so konnten sie leicht die aus ihren Beobachtungen bei Bab-el-Mandeb gewonnenen Resultate auf die mittäglichen Gestade jenes Erdtheils übertragen und, wenn sie eine Umsegelung fingiren wollten, auch ohne wirklich dort gewesen zu sein, von dem in jenen Breiten, wo sie die Südküste vermutheten, wahrzunehmenden nördlichen Standpunkte der Sonne sprechen, ohne Furcht, damit irgend etwas Unmögliches zu behaupten. Einen vollgültigen Beweis für die Wahrheit des Berichtes der Phönizier liefert dieser Theil ihrer Erzählung also keineswegs; ja, Beurtheilern, die zum Zweifel neigen, wird sich noch die Frage aufdrängen, ob nicht, wenn auch nicht die ganze Mittheilung, so doch wenigstens jener Herodot so sehr mit Bedenken erfüllende Zusatz über die Sonnenstellung als eine Erfindung anderen Ursprungs, nämlich der ägyptischen Priester, zu betrachten sei. Um hierüber zu einem Schlusse zu kommen, werden wir zunächst den Umfang ihres Wissens auf dem Gebiete der astronomischen Geographie feststellen und fragen müssen: Berechtigte dasselbe sie zur Annahme eines nördlichen Sonnenstandes? So weit wir vermuthen dürfen, war es so wenig wie das der Phönizier aus irgend welchen Theorieen geschöpft, sondern rein der Praxis des Lebens entnommen. Zwar hat man behauptet, die Schiefe der Ekliptik und ihre Wirkungen seien den Priestern bekannt gewesen und dies durch Zeugnisse aus dem Alterthume zu bekräftigen versucht, so des Strabo, der als Gewährsmann dafür angeführt zu werden pflegt, dass sie über die Bewegung und Stellung der Himmelskörper eingehende Kenntniss besessen hätten[382]. Aber er sagt nur ganz allgemein, sie seien sternkundige Männer gewesen, wie weit ihr Wissen im einzelnen ging, erfahren wir durch ihn nicht. Der andere ist Diogenes Laertius in seiner Vita des Thales[383]. Daraus, dass dieser für das Jahr 610 v. Chr. eine Sonnenfinsterniss vorherzusagen vermochte, hat man geschlossen, dass er sich über die Bewegung von Erde und Mond schon völlig klar gewesen sei. Knös[384] folgert demgemäss nach dem Vorgange von Gosselin: Wenn Thales eine Sonnenfinsterniss vorhersagen konnte, musste er die Schiefe der Ekliptik kennen. Thales, ein Zeitgenosse des Necho, hatte aber, wie in seiner Vita steht, bei den ägyptischen Priestern Geometrie, also wahrscheinlich auch Astronomie, studirt. Demnach werden diese Priester schon zur Zeit des Necho die Schiefe der Ekliptik gekannt und gewusst haben, dass die Sonne bald über dem einen, bald über dem andern Wendekreise senkrecht steht.
Diese Beweisführung aus der Prophezeiung des Thales ist nicht stichhaltig, und die Schlüsse, welche aus ihr auf die astronomischen Kenntnisse der ägyptischen Priester gezogen werden, sind unrichtig. Zunächst folgt aus dem Umstande, dass Thales jene Sonnenfinsterniss vorhersagte, noch keineswegs, dass er die Schiefe der Ekliptik und überhaupt die Gesetze, nach denen sich die Erde um die Sonne und der Mond um die Erde bewegen, kannte. Eine genauere Prüfung des herodoteischen Berichtes über jene Prophezeiung wird dies ergeben. Er erzählt[385], Thales von Milet habe den Joniern diese Finsterniss vorher verkündigt und als Zeit das Jahr angegeben, in dem sie sich wirklich zutrug. Nun ist aber Folgendes über jeden Zweifel erhaben: Kannte Thales in der That die vorhin bezeichneten Gesetze der Bewegung der Erde und des Mondes, also unter anderm auch die Schiefe der Ekliptik, so war er im Stande, nicht nur das Jahr, sondern auch den Tag und die Stunde der Finsterniss vorherzusagen und hätte dies sicherlich gethan; daraus, dass er sich auf die Angabe des Jahres beschränkte, können wir ohne Bedenken entnehmen, dass ihm die Kenntniss der betreffenden Gesetze abging und er die Kunde von dem zu erwartenden Eintritt jenes Naturereignisses andern Umständen verdankte. Ueber diese dürfte es gestattet sein, folgende Vermuthung auszusprechen. Bekanntlich sind die Sonnenfinsternisse an bestimmte Perioden gebunden, und es ist leicht denkbar, dass sich viele Jahrhunderte vor Thales, als noch niemand an eine wissenschaftliche astronomische Geographie dachte, schon Männer gefunden haben, welche durch Tradition überlieferte Erfahrungen über die Wiederkehr solcher Erscheinungen mit den Beobachtungen ihres eigenen Zeitalters zusammenstellten und der Nachwelt gewisse Formeln überlieferten, nach denen man die Jahre berechnen konnte, welche in Zukunft ähnliche Ereignisse mit sich bringen würden. Wer sich im Besitze dieser Formeln befand und durch sie die Perioden kannte, in denen die Finsternisse wiederkehren, war nun natürlich in der Lage, auch ohne irgend etwas von den Bewegungen der betreffenden Himmelskörper zu wissen, das Jahr einer solchen Erscheinung vorher zu verkünden. Derartiger Formeln wird sich auch Thales bedient haben. Dass er nur auf diese Weise zu seiner Prophezeiung befähigt sein kann, ist unbestreitbar; es geht das klar daraus hervor, dass Diogenes ihn zum Schüler der ägyptischen Priester in der Geometrie macht, womit ja zugegeben wird, dass er noch weniger mathematische Kenntnisse besass, als jene Männer, und das will viel sagen. Man hat die Höhe, bis zu welcher sich wissenschaftliche Leistungen im Lande der Pyramiden schon frühe aufgeschwungen haben sollten, ehedem weitaus überschätzt, wie ja lange Zeit hindurch die ganze altägyptische Kultur in unsern Augen mit dem Nimbus des Wunderbaren umkleidet war; jetzt sind wir besser unterrichtet und wissen sicher, dass im alten, und können mit grosser Wahrscheinlichkeit behaupten, dass auch im neuen Reiche die Kenntnisse der Aegypter in der Mathematik so ausserordentlich dürftig waren, dass jede Vermuthung, sie hätten den Lauf von Himmelskörpern berechnen können, als völlig absurd zurückgewiesen werden muss. Die ersten Anfänge einer wirklichen Astronomie – doch auch nur diese – hatte man zwar im alten Aegypten[386], aber die Mathematik diente dort rein der Praxis des Lebens; wie die Grösse eines Ackers berechnet, wie als Besoldung dienende Esswaren unter eine Anzahl berechtigter Empfänger angemessen vertheilt wurden, derartige Aufgaben wusste man annähernd richtig zu lösen[387], was darüber hinauslag, war den Leuten am Nil ein Buch mit sieben Siegeln, und mit wohl begründetem Erstaunen erkennt man die unglaubliche Schwerfälligkeit, mit der die einfachsten Aufgaben, welche bei uns jeder Knabe vor seinem Eintritt in die Sexta gewandt im Kopfe zu lösen weiss, schriftlich ausgerechnet werden. Und die Verfasser der Rechenbücher, welche solcher Umständlichkeit zur Bewältigung der leichtesten Operationen bedurften, sind doch jedenfalls nicht beliebige Leute aus der grossen Masse, sondern sicher die Gebildeten der Nation, d. h. die Priester gewesen. Wer aber noch mit den vier Spezies im Kampfe liegt, wird selbstverständlich nicht an die Lösung von Aufgaben aus der höheren Mathematik denken, und somit muss die Vermuthung, welche Knös äussert[388], die Priester hätten die Gesetze von der Bewegung der erwähnten Himmelskörper zwar wohl gekannt, aber dem Herodot als einem Manne, „cui facta historica, non astronomiam discendi desiderium fuit“ vorenthalten, für hinfällig erklärt werden; sie konnten nicht lehren, was sie selbst nicht wussten. Wenn nun Thales nach Aegypten ging, um bei diesen Männern Geometrie und allenfalls Astronomie zu studiren, wenn er also glaubte, von ihnen noch lernen zu können, wie ausserordentlich gering muss dann der Umfang seines eigenen Wissens gewesen sein! Geradezu Lachen erregend wirkt der Gedanke, ein Mann, der die Schiefe der Ekliptik kannte, habe in den Tempeln des Nillandes sich weiter bilden wollen. Es darf nach diesen Erwägungen als ganz unmöglich bezeichnet werden, dass er – gesetzt auch, er habe die in Aegypten eingeheimsten Kenntnisse später selbständig fortentwickelt und seine Lehrer an Gelehrsamkeit weit übertroffen – jemals auch nur annähernd auf den Standpunkt gekommen sei, die Bahnen von Himmelskörpern berechnen zu können; genau eben so wenig wird aber die Annahme gestattet erscheinen, seine ägyptischen Lehrer hätten dies vermocht.
Im Vorstehenden ist nachgewiesen: aus wissenschaftlichen Gründen konnten die Gewährsmänner Herodots den nördlichen Stand der Sonne nicht erklären; damit ist aber keineswegs gesagt, dass sie die Thatsache selbst für undenkbar hielten. Denn sicherlich haben sie, da sie das innerhalb der Tropen gelegene Meroe kannten[389], und auch in Folge der ägyptischen Züge nach Aethiopien, wie der Fahrten nach Punt – also aus der Praxis des Lebens – gewusst, dass nicht allzu weit südlich von ihrer Heimath Gegenden lägen, wo es unter gewissen Umständen möglich sei, die Sonne mittags im Norden zu erblicken. Also auch von ihrer Seite erscheint eine Täuschung nicht absolut ausgeschlossen. Die Sache wird so gelegen haben, dass es beiden, den Phöniziern, wie den Priestern möglich war, von der auffallenden Stellung des Tagesgestirns zu erzählen, ohne dass jemand die Fahrt gemacht hatte. Es fragt sich nur, ob wir es auch für wahrscheinlich halten dürfen, dass sie es thaten. Und das glaube ich nicht. Denn was zunächst die Phönizier betrifft, so konnten sie durch die Erwähnung einer Thatsache, die sie, wie die Priester ohne Zweifel wussten, leicht durch Kombination hatten zurecht konstruiren können, ihren eventuellen Zweck, die Aegypter von der Ausführung der Umsegelung zu überzeugen, schwerlich erreichen. Es lag sehr nahe, zu vermuthen, dass in den Gegenden, die sie durchsegelt haben wollten, die Erscheinung der nördlich stehenden Sonne so gut zu beobachten sei wie im südlichen rothen Meere; darum hätten sie, wenn es galt, den Bericht über eine nicht gemachte Reise mit Wahrscheinlichkeitsbeweisen auszustatten, dazu sicher irgend etwas anderes gewählt, als dieses im Kreise ihrer Zuhörer seit Jahrhunderten bekannte Faktum. Die Phönizier sind also meiner Ansicht nach von einer auf Grund dieser Nachricht beabsichtigten Täuschung unbedingt freizusprechen; was sie erzählten, haben sie wirklich erlebt. Wenn aber der Bericht von der Fahrt ein Märchen war, das den Priestern seinen Ursprung verdankte, wenn diese wussten, dass die Phönizier weder jemals die fragliche Reise unternommen, noch, heimgekehrt, von dem Stande der Sonne erzählt hatten, wie sollten sie dann dazu gekommen sein, an ihre schmucklose Erzählung, die sie, wie oben gezeigt, so leicht durch allerhand märchenhaften Aufputz hätten interessanter färben können, schliesslich noch die Erwähnung eines Ereignisses anzufügen, das bei Ausführung der Reise nicht nur faktisch so eingetreten wäre, sondern auch nach ihrem eigenen Ermessen gerade so eintreten musste, wie sie es darstellten? Die Lüge verfügte doch über einen zu reichen Schatz phantastischer Vorstellungen, als dass sie bei der Wahrheit hätte zu borgen brauchen. Ich glaube also, auch den Priestern dürfen wir böswillige Erfindung nicht zutrauen; sie haben wahrheitsgetreu überliefert, was ihren Vorgängern im Amte durch die heimkehrenden Phönizier berichtet worden war.
So bleibt nur noch die Frage zu beantworten, was diese, nachdem sie die Reise wirklich gemacht hatten, veranlasst haben mag, die nördliche Stellung der Sonne, die sie während ihrer Fahrt zu finden jedenfalls erwartet hatten, und die auch den Aegyptern nicht überraschend erscheinen konnte, noch ausdrücklich zu erwähnen. Die Antwort ist bald gegeben: Die Phönizier haben einen Sonnenstand beobachtet, der alles, was sie bislang in dieser Hinsicht gesehen oder wovon sie gehört hatten, weit hinter sich liess. Wenn sie nun auch noch so verschwiegen waren in Betreff aller Erfahrungen, die sie bezüglich der Verwirklichung ihrer kolonialen Pläne gemacht hatten, diese interessante Erscheinung zu verheimlichen, lag kein Grund vor. Worin aber das Wunder bestand, das sie so anstaunten, ist leicht gesagt. Mochten die Phönizier das südliche rothe Meer befahren und selbst Bab-el-Mandeb passirt haben, mehr als etwa 10° entfernte sich die Sonne hier nie vom Zenith. Nun wird zwar für den, der um die Zeit des längsten Tages der nördlichen Halbkugel in diesen Gegenden sich von Osten nach Westen bewegt, der eigene Schatten zur Linken fallen, und wir müssen annehmen, dass die Phönizier dies so gut beobachtet haben, wie wir wissen, dass das spätere Alterthum es beobachtet hat. Aber die Abweichung der Sonne vom Zenith erscheint so gering, dass ein unbefangener Beurtheiler immer noch mehr den Eindruck haben wird, sie stehe ihm zu Häupten als zur Seite. Jeder, der den Versuch machen, einen Punkt am Himmel, 10° vom Zenith, suchen und sich dort die Sonne denken wird, dürfte mir Recht geben, und auch die Phönizier werden bei Bab-el-Mandeb diesen Eindruck gehabt haben. Wenn sie aber um die Südspitze Afrikas fuhren – und es traf sich ja so, dass sie dies zur Zeit des nördlichen Sommers thaten, wo für jene Gegenden die Sonne zur Mittagszeit möglichst tief stand –, hatten sie natürlich ein ganz anderes Schauspiel; passirten sie im Mai das Nadelkap, so erblickten sie die Sonne um Mittag etwa 50° vom Zenith entfernt. Sie sahen das Tagesgestirn also dem nördlichen Horizonte etwa eben so nahe, wie es zur Zeit des ägyptischen Winters dem südlichen stand. Aehnliches war ihnen noch nicht vorgekommen, und da sie eine Erklärung dafür nicht kannten, wird es ihnen als ein Wunder erschienen sein, das sie, zurückgekehrt, als das seltsamste Erlebniss ihrer langen Reise den staunenden Aegyptern verkündeten, die ihrerseits das, was die kühnen Schiffer erzählten, bei dem bisherigen Mangel aller Nachrichten aus südlichen Breiten für interessant genug hielten, um es der Nachwelt zu überliefern. So blieb die Erinnerung an diese seltsame Erscheinung anderthalb Jahrhunderte lang in Aegypten lebendig, und um so mehr, weil sie eine der wenigen Einzelheiten war, die man über die Reise erfahren hatte.
Es scheint mir nach diesen Erwägungen gänzlich ausgeschlossen zu sein, dass die Phönizier zu einer wesentlich andern Jahreszeit als der angegebenen, etwa gar um den südlichen Sommeranfang das Kap passirt haben; in letzterem Falle wäre die Abweichung der Sonne vom Zenith kaum grösser gewesen, als sie dieselbe bei Bab-el-Mandeb oftmals gesehen, und hätte schwerlich Veranlassung gegeben, ihrer besonders zu gedenken. Je weiter nördlich unsere Schiffer das Gestirn erblickten, um so auffallender und bemerkenswerther musste dies ihnen erscheinen; wenn sie nun etwa im Mai an der Südspitze des Erdtheils entlang fuhren, um in der Nähe der heutigen Kapstadt zur ersten Saat und Ernte zu landen, so hatte die Sonne ihren nördlichsten Standpunkt für diese Gegenden beinahe erreicht. In der Annahme, dass die Phönizier um die Zeit, wo dies geschah, das Nadelkap umsegelten, finden wir aber auch den Schlüssel dafür, dass die ganze Erscheinung nicht als eine zweimalige erwähnt wird, obgleich sie sich doch an der Nordguineaküste den Schiffern zum zweiten Male gezeigt haben muss. Denn, wie oben erwähnt, werden sie an dieser zu einer Zeit entlang gefahren sein, als die Sonne in der Nähe des Wendekreises des Krebses senkrecht stand, und etwa um den nördlichen Sommeranfang Kap Palmas passirt haben. Hier erschien ihnen in dieser Jahreszeit das Gestirn mittags etwa 20° vom Zenith entfernt, was sie sicher nach den bei Bab-el-Mandeb gesammelten Erfahrungen mit dem grössten Staunen erfüllt haben würde, wenn sie nicht am Kap einen weit grösseren Zenithabstand kennen gelernt hätten. Nach dem, was sie dort erlebt hatten, imponirte ihnen der Stand der Sonne in Oberguinea jedenfalls nur noch wenig, und so werden sie den Priestern nach ihrer Rückkehr wohl von einer auffällig sich dem nördlichen Horizonte nähernden Stellung jenes Weltkörpers, schwerlich aber auch von derselben im zweiten Jahr mit weit geringerer Intensität auftretenden Erscheinung gesprochen haben. Daher berichtet Herodot einfach, sie hätten die Sonne im Norden gesehen, oder, wie er sich ausdrückt „zur Rechten gehabt“, macht aber durch diese kurze Notiz, wenn auch – wie gezeigt – ein absoluter Wahrheitsbeweis damit nicht erbracht wird, die Umsegelung jedenfalls ohne sein Wissen und vielleicht auch gegen seinen Willen in hohem Grade wahrscheinlich.
Geben wir nun einen Ueberblick über die Stellung der Sonne zu den Phöniziern an den verschiedenen Punkten ihrer Reise! Wenn sie etwa Ende November abfuhren und Mitte Februar den Aequator erreichten, hatten sie dieselbe natürlich während dieser ganzen Zeit mittags südlich gesehen. Bald nachdem sie die Linie gekreuzt hatten, passirten sie dann, so zu sagen, jenen Himmelskörper, welcher der Stellung der Tag- und Nachtgleiche entgegen eilte. Nun begann allmählich das Auffällige. Je weiter die Phönizier südwärts fuhren, und je mehr die Sonne zugleich sich ihrer Stellung zur Zeit des nördlichen Sommeranfangs näherte, desto intensiver mussten Erscheinungen eintreten, welche die Aufmerksamkeit der Schiffer in steigendem Masse in Anspruch nahmen. Am meisten wird dies selbstverständlich der Fall gewesen sein, als sie die Südspitze des Erdtheils erreicht hatten, während zugleich das Tagesgestirn über den Gegenden in der Nähe des nördlichen Wendekreises senkrecht stand. Zur Zeit der ersten langen Rast, die sie hielten, stieg dann die Mittagssonne von Tag zu Tag höher, und im Dezember sahen sie dieselbe bei ihrer Abfahrt in nördlicher Richtung mit geringer Abweichung vom Zenith vor sich; als sie aber im März in der Gegend der Nigermündung anlangten, stand sie ziemlich senkrecht über ihnen. Vom Kap bis hierher wird also nichts für Ophirschiffer Merkwürdiges sich ergeben haben. Auf der folgenden Strecke bis zum Kap Palmas erblickten sie dann die Sonne mittags wieder zur Rechten, doch der grösste Abstand vom Zenith betrug noch nicht 20°, und das war nach dem, was sie in Südafrika erlebt hatten, nicht der Rede werth. Je mehr sie aber, den letzten Theil ihrer Fahrt zurücklegend, sich den heimathlichen Breiten näherten, desto bekannter mussten ihnen die Vorgänge am Firmament erscheinen, und desto weniger auffallend war ihnen natürlich der Sonnenstand.
So denke ich mir nach dem leider so kurzen Berichte Herodots jene merkwürdige Fahrt. In vielen Punkten werden die Ansichten anderer von den meinigen wesentlich abweichen, in einem alle Beurtheiler, die überhaupt an die Umsegelung glauben, rückhaltlos mit mir übereinstimmen: an Gefahren wird diese Entdeckungsreise so reich gewesen sein wie je eine. In unbekannte Weiten ging der Weg, über Meere, die wohl nie zuvor der Kiel eines Schiffes durchfurcht hatte; nicht überall waren Wind und Wellen den kühnen Schiffern gewogen, gegen widrige Strömungen in der Atmosphäre und im Meer galt es stellenweise anzukämpfen; mühsam musste die Mannschaft, was sie zum Leben brauchte, erst mit eigener Hand säen und dann im Schweisse ihres Angesichts einheimsen; ja selbst die Quelle des Lichts, das dem Menschen in Noth und Gefahren neuen Muth in der Seele erweckt, schien in dieser fremden Welt aus ihrer alten Bahn gedrängt zu sein. Vincent[390] führt Namen an, welche die Schiffer des Alterthums Marktplätzen an der Ostküste Afrikas gegeben haben sollen; er nennt sie: the prison, the straits of burial, the port of death, the gate of affliction, bezeichnend genug auch für die Fährlichkeiten der phönizischen Route, und welchen Eindruck das Kap der guten Hoffnung auf die macht, welche es zuerst erblicken, besagt der Name, den ihm die Portugiesen unter Bartholomäus Diaz gaben; sie nannten es: „Cabo da todos los tormientes“[391]. Und doch wird es auch den Phöniziern zu einem Kap der guten Hoffnung geworden sein; nachdem sie es umsegelt hatten, ging die Fahrt ja heimwärts gen Norden, und dem väterlichen Herde waren die Schiffe zugekehrt. Wohl mochte die kühnen Männer die westliche Erstreckung der Küste vom Busen von Benin bis zum Kap Palmas mit neuem Schrecken erfüllen, da sie durch dieselbe von ihrem Ziele abgelenkt zu werden schienen, und wenn jemals, mag ihnen hier, wo Wind und Meeresströmung konträr waren, der Gedanke an Umkehr gekommen sein; sie werden sich aber andrerseits verständigerweise gesagt haben, dass sie nach dem Wenden der Schiffe bis zum heutigen Kap Guardafui fortgesetzt gegen den Strom anzufahren hätten, zeitweise – im Kanal von Mozambique – gegen einen stärkeren, als der an der Küste von Nordguinea war, nicht minder auch einen Theil des Weges gegen den Wind, und werden demgemäss vorgezogen haben, der eingeschlagenen Richtung muthig weiter zu folgen, in der Hoffnung, nach nicht allzu langer Zeit wieder günstigere Verhältnisse zu treffen. Als sie dann am Kap Palmas vorübergesegelt waren, werden sie mit neuem Muthe erfüllt worden sein, da nun die Küste eine nördliche Wendung nahm und der Polarstern, sich mehr und mehr aus dem Meere hebend, ihnen baldige Ankunft in bekannteren Gewässern verhiess. Freilich darf man, um die Reise der Phönizier im rechten Lichte zu sehen, in einer Beziehung nicht den Massstab der heutigen Seefahrt anlegen. Der moderne Seemann mit seinem tiefgehenden Fahrzeuge sucht, gestützt auf sein Arsenal von Instrumenten, sich möglichst auf offener See zu halten und meidet die Nähe des Landes; dem des Alterthums hingegen, der weit flachere Schiffe benutzte und im offenen Meer viel leichter seinen Kurs verfehlen konnte, gewährte die Nähe des Landes ein Gefühl der Sicherheit: kam ein Unwetter, lief er an und zog seine Barke ans Land. So dürfen wir uns die Schwierigkeiten und Gefahren, welche diese Reise mit sich brachte, wenn sie auch enorm waren, doch nicht so erheblich vorstellen, dass aus diesem Grunde die ganze Fahrt hätte unterbleiben müssen; unüberwindlich waren sie nicht. Und sicher wussten die Sendlinge des Aegypterkönigs recht wohl, dass eine Aufgabe wie die gestellte ohne die Bewältigung ausserordentlicher Hindernisse nicht zu lösen war; sie werden sich darüber so wenig im Unklaren gewesen sein, wie man sich am Hofe des Xerxes in dieser Beziehung Täuschungen hingab[392]. Aber sollten sie deshalb vor der Fahrt zurückschrecken? Hatte ihr Volk nicht schon Aehnliches vollbracht? Eben in der Gefahr mag für so wagehalsige Männer, wie diese alten phönizischen Seefahrer gewesen sein müssen, ein besonderer Reiz gelegen haben, und Strabo sagt ja geradezu, als er von der Schwierigkeit der Seefahrt an den Syrten spricht[393]: „Die Keckheit der Menschen macht, dass alles versucht wird, besonders die Küstenfahrten“. Eins allerdings war nöthig, wenn das Unternehmen gelingen sollte, nämlich Glück, und das haben unsere Schiffer, wie unbedingt zugegeben werden muss, in hohem Grade gehabt. Es ist allein schon als ein besonders günstiger Zufall anzusehen, wenn sie in den beiden einzigen Gegenden der langen Küste zwischen dem rothen Meere und der Strasse von Gibraltar, wo überhaupt Weizenbau möglich ist, gerade zu den Zeiten anlangten, in welchen die Aussaat sich am besten vornehmen liess. Ohne Glück sind derartige Unternehmungen überhaupt nicht ausführbar. Man erinnere sich nur der epochemachenden Fahrt, deren zehnjährige Vollendung wir nun bald feiern; was die Phönizier zuerst für den Süden der alten Welt geleistet, das that Ende der siebziger Jahre unseres Jahrhunderts Nordenskiöld für den Norden derselben. Und so wenig jemand an dem entschlossenen Muthe und der grossen nautischen Geschicklichkeit dieses hervorragenden Entdeckers zweifeln wird, so gewiss wird doch jeder, der die einschlägigen Verhältnisse kennt, zugestehen, dass ohne Glück selbst er den arktischen Breiten nicht entronnen wäre und die „Vega“ vielleicht heute noch festgeklemmt zwischen Eisschollen und Schneefeldern sässe. Aber selbst die Annahme, dass durch das Zusammentreffen mannigfacher Glücksumstände den Phöniziern die Lösung ihrer Aufgabe erleichtert sei, vermag nicht, ihren Ruhm zu schmälern. Sie haben ausgeführt, was erst über zweitausend Jahre nach ihnen der Menschheit aufs neue zu vollbringen gelang, eine Reise, die Rosellini[394] sehr richtig charakterisirt: „tremendo passaggio non solo all’ antica arte marinaresca, ma a quella eziandio di circa tre secoli fa“; die Fahrt, welche die Schiffer des Königs Necho 600 Jahre vor Christi Geburt auf ihren Pentekontoren glücklich vollendet haben, ist erst am Ende des 15. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung den portugiesischen Galeeren und den Matrosen aus der Schule Heinrichs des Seefahrers aufs neue geglückt. Die Geschichte der Geographie, speziell der Entdeckungen, ist nicht arm an bedeutenden Ereignissen; es hat nie an Beweggründen edelster oder minder edler Art gefehlt, welche kühne Männer hinaustrieben zur Erforschung unbekannter Theile der Oberfläche unseres Planeten, aber schwerlich ist jemals eine That zu verzeichnen gewesen oder wird zu verzeichnen sein, welche grösser wäre als diese phönizische Fahrt. Mit Recht winden wir grünen Lorbeer um die Stirne der Helden, die auf dem Felde der Ehre mannhaften Muthes dem Feinde entgegentreten als Beschützer der heimathlichen Penaten, und wenn die Geschichte denen einen Platz in ihren Annalen gönnt, die für ihren Glauben oder ihre wissenschaftliche Ueberzeugung willig ihr Leben dahin geben, so wird ihnen zu Theil, was sie verdienen; aber der Muth dieser Männer, die, ohne irgend welche nennenswerthe nautische Hülfsmittel zu besitzen, zuerst die unbekannten Wasserwüsten des südlichen indischen und atlantischen Ozeans durchfuhren und so eins der schwierigsten Probleme der Erdkunde lösten, verdient – wenn auch Gewinnsucht unter den Beweggründen eine hervorragende Rolle gespielt haben mag – nicht geringere Bewunderung. Das sind Heldengestalten, wie sie dem Horaz vorschwebten, als er sein: „Illi robur et aes triplex etc.“ sang, und es ist tief zu beklagen, dass der Name des hervorragenden Seemannes, welcher diese Expedition leitete, der Nachwelt nicht erhalten ist; er stände billig dem Vaskos und Nordenskiölds zur Seite.
Ich hoffe, es ist mir im Vorstehenden gelungen, etwaige Zweifel an der Wahrheit des von Herodot über die phönizische Expedition Mitgetheilten zu besiegen. Ich vermag Lewis nicht beizustimmen, welcher äussert[395]: „we may conclude that the circumnavigation of Africa in the time of Neco is too imperfectly attested and too improbable in itself, to be regarded as a historical fact“; im Gegentheil, mögen die Ansichten im einzelnen auch noch so weit auseinandergehen, an der Thatsache selbst zu zweifeln, dürfte kein Grund vorliegen, und der Vorwurf der Leichtgläubigkeit oder Kritiklosigkeit, der den Gläubigen durch Lewis Worte gemacht wird, und in den der ganze Chorus seiner Gesinnungsgenossen im volltönenden Unisono einstimmt, wird nach sorgfältiger Erwägung der massgebenden Verhältnisse endgültig verstummen müssen. Wer aber überzeugt ist, dass wir es hier nicht mit einer Fabel, sondern mit einem historischen Faktum zu thun haben, der wird den kühnen Männern, die den grossen Gedanken des Königs Necho zur That werden liessen, das zuerkennen, was ihnen gebührt: einen unverwelklichen Ruhmeskranz.
[1] „Nothing is more easy than to affirm the accomplishment of these great attempts (die Umsegelungen Afrikas im Alterthum), where an author logs himself with neither circumstances or particulars“.
[2] History of Ancient Geography. I, p. 296.
[3] cf. Berger: Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen. Erste Abtheilung: Die Geographie der Jonier, p. 40.
[4] Λιβύη μὲν γὰρ δηλοῖ ἑωυτὴν ἐοῦσα περίρρυτος, πλὴν ὅσον αὐτῆς πρὸς τὴν Ἀσίην οὐρίζει, Νεκῶ τοῦ Αἰγυπτίων βασιλέος πρώτου τῶν ἡμεῖς ἴδμεν καταδέξαντος, ὃς ἐπείτε τὴν διώρυχα ἐπαύσατο ὀρύσσων τὴν ἐκ τοῦ Νείλου διέχουσαν ἐς τὸν Ἀράβιον κόλπον, ἀπέπεμφε Φοίνικας ἄνδρας πλοίοισι, ἐντειλάμενος ἐς τὸ ὀπίσω δί Ἡρακλέων στηλέων διεκπλέειν, ἕως ἐς τὴν βορηίην θάλασσαν καὶ οὕτω ἐς Αἴγυπτον ἀπικνέεσθαι. ὁρμηθέντες ὧν οἱ Φοίνικες ἐκ τῆς Ἐρυθρῆς θαλάσσης ἔπλεον τὴν νοτίην θάλασσαν· ὅκως δὲ γίνοιτο φθινόπωρον, προσίσχοντες ἄν σπείρεσκον τὴν γῆν, ἵνα ἑκάστοτε τῆσ Λιβυής πλέοντες γινοίατο, καὶ μένεσκον τὸν ἄμητον· θερίσαντες δ ἂν τὸν σῖτον ἔπλεον, ὥστε δύο ἐτέων διεξελθόντων τρίτῳ ἔτεϊ κάμψαντες Ἡρακλέας στήλας ἀπίκοντο ἐσ Αἴγυπτον καὶ ἔλεγον ἐμοὶ μὲν οὐ πιστά, ἄλλῳ δὲ δή τεῳ, ὁς περιπλώοντες τὴν Λιβύην τὸν ἥλιον ἔσχον ἐς τὰ δεξιά.
[5] Siehe darüber Wheeler: The Geography of Herodotus, p. 336, wo die ablehnenden Ansichten des Plato, Ephorus, Polybius, Strabo und Ptolemäus aufgeführt sind. Zu vergl. Bunbury: History of Ancient Geography, I, p. 290.
[6] cf. Berger, a. a. O., pp. 37 n. 41.
[7] cf. Gosselin: Ueber die Kenntniss der Alten von der West- und Ostküste Afrikas und über die Umschiffung dieses Erdtheils (bei Bredow: Untersuchungen über einzelne Gegenstände der alten Geschichte, Geographie und Chronologie, II, p. 338).
[8] Strabo II, 3.
[9] ibid. I, 1.
[10] ibid. I, 2.
[11] ibid.
[12] Bunbury: Hist. etc.
[13] Hier wird die Behauptung ausgesprochen, dass eine ursprünglich anders lautende Erzählung im Laufe der 150 Jahre, welche zwischen der ihr zu Grunde liegenden Thatsache und dem Aufenthalt Herodots in Aegypten verflossen wären, zu dieser Umsegelung umgestempelt worden sei. Die für die Unwahrscheinlichkeit der Umsegelung an dieser Stelle angeführten Gründe sollen weiter unten widerlegt werden.
[14] a. a. O.
[15] Die Entdeckungen der Karthager und Griechen, aus dem Polnischen übersetzt, p. 2.
[16] Précis de la Géographie Universelle, Tome I, p. 68 f.
[17] History of the commerce, navigation and discoveries of the Ancients in the Indian Ocean.
[18] Histoire de la géographie, p. 30 f.
[19] Das alte Indien.
[20] Handbuch der alten Geschichte.
[21] Handbuch der alten Geographie, I, p. 41.
[22] Geogr. der Griechen u. Römer, Einleitung, p. 19.
[23] cf. dessen Abhandlung in: „Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik“ von Seebode und Jahn, p. 428 ff.
[24] Wheeler: The Geography of Herodotus, p. 344.
[25] Géographie physique de la mer noire.
[26] History of Greece, III, p. 377 ff.
[27] Histoire Ancienne des peuples de l’orient, p. 488 ff.
[28] In den Mémoires de l’Institut Royal de France, Académie des Inscriptions et Belles-Lettres, tome XV, p. 380 ff.
[29] The Geographical System of Herodotus.
[30] Wheeler, a. a. O., p. 342, Anm.
[31] In seiner Ausgabe des Herodot (s. den Exkurs zu IV, 42).
[32] De navigationibus extra columnas Herculis.
[33] a. a. O.
[34] „Die Umschiffung Libyens durch die Phöniker“ in: „Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik“, Supplementband VII.
[35] Disquisitio de fide Herodoti, qua perhibet Phoenices Africam navibus circumvectos esse.
[36] Disputatio historica de Africa a Phoenicibus circumnavigata.
[37] Geschichte des Alterthums4, II, p. 476.
[38] Ideen über die Politik, den Verkehr und den Handel der vornehmsten Völker der alten Welt.
[39] Handel und Schifffahrt auf dem rothen Meere in alten Zeiten.
[40] Kosmos II, p. 103 u. Anm. 23.
[41] Geschichte der Geographie.
[42] Die Erforschung Afrikas2, p. 2 f.
[43] Geschichte der Erdkunde2, herausgegeben von S. Ruge, p. 20 f.
[44] Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen, herausgeg. von Daniel.
[45] Niebuhr, kl. Schriften, I, p. 135.
[46] cf. Ulrici, Charakteristik der antiken Historiographie, p. 35, Anm. 1.
[47] cf. I, 140; III, 115, 116; IV, 16, 187.
[48] cf. I, 160; VI, 14, 81, 124, 137; VIII, 8; IX, 32, 81, 84.
[49] cf. II, 19.
[50] cf. II, 119.
[51] cf. I, 95, 214; VII. 214.
[52] cf. II, 125.
[53] cf. II, 29, 99, 147, 148.
[54] Vivien de St. Martin, Histoire de la Géographie, p. 88 beurtheilt das Werk des Herodot im allgemeinen dahin: „Ce caractère de souveraine exactitude dans les faits de détail appartient à l’oeuvre tout entière d’Hérodote; il est marqué dans les descriptions géographiques aussi bien que dans les parties purement historiques.“ – C. O. Müller, Geschichte der griechischen Litteratur3, I, p. 454: „Dass Herodot bei diesen Mittheilungen, wo er nicht das selbst Gesehene und Beobachtete beschreibt, mannigfachen Täuschungen ... ausgesetzt war, wer könnte dies leugnen?“, aber weiter unten: „Wie oft haben neuere Reisende, Naturforscher, Ethnographen Veranlassung gehabt, die Wahrheit und Genauigkeit von Beobachtungen und Erkundigungen zu bewundern, welche in scheinbar abenteuerlichen und seltsamen Erzählungen Herodots enthalten ist!“
[55] a. a. O., p. XXXIX.
[56] μυθολόγος; Aristot. de gener. anim., III, 5.
[57] cf. De Herodoti malignitate.
[58] cf. Steins Ausgabe des Herodot, 3. Aufl., Einleitung, p. XIV f.
[59] cf. II, 28.
[60] cf. Creuzer: Die historische Kunst der Griechen, p. 100 ff.
[61] cf. II, 3, 55, 102.
[62] cf. Anm. 31.
[63] cf. XVII, 1.
[64] In: Brugsch: Gesch. Aegyptens, p. 501 ff. Nach anderer Ansicht hat Pentaur mit diesem Gedichte nur dadurch zu thun, dass er es abgeschrieben hat. cf. Eduard Meyer: Gesch. des alten Aegypten, p. 304, Anm. 1. Der priesterliche Ursprung ist aber keinenfalls zu bezweifeln.
[65] Eduard Meyer, a. a. O., p. 292.
[66] cf. Her. II, 171.
[67] cf. Duncker: Gesch. des Alterthums4, II. 469.
[68] cf. Her. II, 110.
[69] p. 184.
[70] cf. Her. II, 175 u. 176.
[71] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 363.
[72] cf. Her. II, 152.
[73] S. darüber weiter unten.
[74] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 363.
[75] cf. Her. II, 173.
[76] cf. Her. II, 154, 178.
[77] 2. Kön., 23; 29. – 2. Chron. 35; 22 ff. – Her. II, 159.
[78] Jerem. 46; 2.
[79] Maspéro, a. a. O., p. 493.
[80] cf. Her. IV, 42.
[81] cf. Her. II, 158. – Ob Necho den Kanal erst graben oder den versandeten hat wiederherstellen lassen wollen, wie andere meinen – cf. Lieblein, a. a. O., p. 105 – ist für die in Frage stehende Untersuchung gleichgültig. – Warum ich den Kanalbau nach dem syrischen Misserfolge ansetze, werde ich unten ausführen.
[82] cf. Her. II, 159.
[83] cf. II, 102, wo Sesostris’ Züge erzählt werden.
[84] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 370.
[85] a. a. O. I, p. 21.
[86] a. a. O., p. 8.
[87] cf. Duncker, a. a. O., I, p. 172.
[88] Genes. 43; 32.
[89] cf. Mannert, a. a. O., Einleitung, p. 20.
[90] cf. C. und Th. Müller, Hecataei fragmenta, 187, und Hesiod. Fragm. LXXXVI, ed. Göttling, Schol. Apoll. IV, 259.
[91] a. a. O., p. 488.
[92] p. 38.
[93] Sesostris – gänzlich sagenhaft – ist die Gestalt, zu der die grossen ägyptischen Eroberer den Griechen zusammenschmolzen; die bedeutendsten Thaten werden ihm beigelegt.
[94] II, 3.
[95] II, 67.
[96] a. a. O., p. 344.
[97] „Réflexions sur le commerce de Carthage en particulier et sur celui des Anciens en général“ in den „Mémoires de l’Académie des Inscriptions“, Tom. XXVIII, p. 308.
[98] IV, 43.
[99] a. a. O., p. 384.
[100] wie Gosselin, a. a. O., p. 338 behauptet.
[101] Anton Krichenbauer: Die Irrfahrt d. Odysseus als eine Umschiffung Afrikas.
[102] I, 2.
[103] a. a. O., p. 58.
[104] XVII, 1.
[105] II, 154.
[106] cf. Diodor, I, 67.
[107] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 366.
[108] cf. Erman: Aegypten, II, p. 681.
[109] cf. Duncker, a. a. O., I, p. 172.
[110] Od. XIV, 285-291.
[111] cf. Duncker, a. a. O., II, 469.
[112] II, 154.
[113] II, 179.
[114] XVII, 1.
[115] cf. II, 121 u. 160.
[116] ibid., p. 119.
[117] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 242.
[118] ibid., p. 231.
[119] cf. Lieblein. a. a. O., p. 61 f.
[120] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 244.
[121] cf. Her. II, 102-106.
[122] cf. Heyne: De fide Diodori, in den Comment. Soc. Gott. VII, 83, und v. Bohlen: Das alte Indien, I, p. 62.
[123] cf. Karl Ritter: Geschichte der Erdkunde und der Entdeckungen, herausgegeben von Daniel, 2. Aufl., p. 9 ff.
[124] cf. Her. II, 50.
[125] cf. Plutarch: Isis und Osiris, Kap. 32.
[126] I, 1.
[127] a. a. O., p. 308. cf. Lenormant: Histoire Ancienne de l’Orient9, VI, p. 491.
[128] cf. Her. II, 159.
[129] VII, 89.
[130] VIII, 17.
[131] a. a. O., p. 309.
[132] a. a. O., Einleitung, p. 21.
[133] cf. Movers: Die Phönizier, II, 3, p. 184.
[134] cf. Strabo III, 5.
[135] cf. Duncker, a. a. O., II, p. 46, u. I, p. 516.
[136] cf. Strabo III, 5.
[137] cf. Junker, a. a. O., p. 372, wo auch die einschlägige Litteratur angeführt ist.
[138] Besonders geschieht dies seit Mauchs afrikanischen Reisen.
[139] cf. Brugsch: Ophir, in der Sonntagsbeilage zur „Voss. Zeitung“ vom 17. März 1889.
[140] cf. Riehm: Bibl. Handwörterbuch, Art. „Ophir“, u. Lieblein, a. a. O., p. 60.
[141] cf. Grotefend: Vorrede zu Sanchuniathons Auszuge, herausgegeben von Wagenfeld, p. XX.
[142] 1. Kön., 10; 22.
[143] Indische Alterthumskunde, II, 579 ff.
[144] ibid., p. 584 ff.; I. p. 784. cf. Ed. Meyer: Geschichte des Alterthums, I, p. 225.
[145] In der Vorrede zu Sanchuniathons Auszuge, herausgegeben von Wagenfeld, p. XIX.
[146] cf. 2. Buch der Chronika, 9; 9.
[147] Geogr. der Griechen und Römer, I, 1, p. 46 ff.
[148] VII, 21.
[149] a. a. O., p. 24.
[150] cf. Arriani Exped. Alex., VI, 1.
[151] cf. ibid. VII, 19.
[152] a. a. O., p. 198 f.
[153] cf. Peschel, a. a. O., p. 123.
[154] a. a. O., p. 39.
[155] cf. Her. VII, 23.
[156] cf. ibid., VII, 44 u. 96.
[157] a. a. O., I, p. 703.
[158] cf. III, 114.
[159] cf. IV. 43.
[160] cf. ibid. u. II, 32.
[161] cf. Strabo I, 1, III, 5 u. Diod. V, 19 u. 20.
[162] p. 333.
[163] a. a. O., p. 375.
[164] cf. Peschel, a. a. O., p. 22, Anm. 2, u. Hennicke, De Geographia Africae Herodotea, p. 36.
[165] Strabo, I, 5.
[166] cf. Peschel, a. a. O., p. 60.
[167] cf. Strabo I, 5 u. II, 3.
[168] Exped. Alex., V, 26.
[169] cf. I, 202.
[170] cf. IV, 36 u. II, 23.
[171] cf. IV., 42.
[172] cf. Her. II, 102.
[173] II, 31.
[174] a. a. O., p. 38.
[175] II, 5.
[176] cf. Ed. Meyer, a. a. O.
[177] cf. Sandberg, a. a. O. p. 15.
[178] II, 159.
[179] II, 158.
[180] cf. Erman, a. a. O., II, p. 631.
[181] ibid.
[182] Her. IV, 42.
[183] XVII, 1.
[184] cf. Her. II, 102-110 u. Diod. I, 53-58.
[185] Junker, a. a. O., p. 365; Sandberg, a, a. O., p. 31.
[186] IV, 44.
[187] cf. II, 11 u. 158.
[188] cf. II, 159.
[189] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 50.
[190] cf. Lieblein, a. a. O., p. 11.
[191] cf. über die Geschichte dieser Strasse und ihren Endpunkt am rothen Meere: Ed. Meyer, a. a. O., pp. 153 ff., 183 f., 296, 320, 369, 373.
[192] cf. Lieblein, a. a. O., p. 127, Anm. 1.
[193] Cf. XVII, 1.
[194] cf. Maspéro, a. a. O., p. 491.
[195] 2. Kön., 24; 7.
[196] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 381.
[197] II, 112.
[198] a. a. O., p. 92 ff.
[199] Griech. Gesch.5, I, p. 40.
[200] cf. Sandberg, a. a. O., p. 50.
[201] II, 32.
[202] cf. Her. IV, 172, 182.
[203] cf. Her. II, 152.
[204] cf. Kosmos II, Anm. 23.
[205] Cf. Her. IV, 152.
[206] cf. G. Gilbert: Handbuch der griech. Staatsalterthümer, II, p. 248.
[207] cf. Mommsen: Röm. Gesch., I6, p. 143.
[208] cf. Lieblein, a. a. O., p. 65 f. u. viele Stellen des von ihm angezogenen Periplus Maris Erythraei.
[209] XVII, 1.
[210] a. a. O., p. 489.
[211] cf. Bredow: Geogr. et Uranolog. Her. specimen, p. XXXIV, u. Vincent, a. a. O., Vol. II, p. 14.
[212] Forbiger: Handbuch der alten Geographie, I, p. 63. Diese Notiz, wie einige andere, war Herr Kand. d. höh. Schulamts Franz Jänicke so freundlich für mich auszuziehen. Ich sage ihm auch an dieser Stelle für seine Gefälligkeit meinen besten Dank.
[213] cf. XVII, 3.
[214] cf. Paulitschke, a. a. O., p. 18, p. 29, Anm. 6 u. das von ihm angeführte Werk: Letronne: Discussion de l’opinion d’Hipparche sur le prolongement de l’Afrique an sud de l’Équateur etc. im Journal des Savants 1831.
[215] III, 38.
[216] cf. Her. 114.
[217] Hist. natur. VI, 33.
[218] cf. Peschel: Gesch. der Erdkunde, 2. Aufl., p. 21.
[219] cf. ibid., p. 60.
[220] cf. ibid., p. 79.
[221] cf. ibid., pp. 97 u. 101.
[222] cf. Gosselin, a. a. O., p. 352.
[223] a. a. O., I, p. 23.
[224] cf. Maspéro, a. a. O., p. 492.
[225] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 384.
[226] cf. Her. II, 161.
[227] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 383.
[228] cf. Her. II, 182; I, 77; III, 47.
[229] cf. Her. II, 175, 176, 182.
[230] Histoire de la géographie, p. 30.
[231] cf. Knös, a. a. O. p. 18, annot.
[232] a. a. O., p. 339, Anm. 1.
[233] cf. Maspéro, a. a. O., p. 488.
[234] cf. Her. II, 161.
[235] a. a. O., p. 380 ff.
[236] cf. dagegen Mannert, a. a. O., I, p. 23.
[237] Gesch. der wissenschaftl. Erdkunde der Griechen. Erste Abtheilung: Die Geogr. der Jonier, p. 39.
[238] IV, 44.
[239] cf. Hannonis periplus in: Geographiae veteris scriptores Graeci minorea, I.
[240] cf. Her. V, 116.
[241] Griech. Gesch., 5. Aufl., I, p. 36.
[242] cf. Her. III, 19.
[243] III, 5.
[244] a. a. O., I. p. 23.
[245] ibid., p. 21.
[246] Die Phönizier III, p. 185.
[247] a. a. O., I, p. 537 u. II, 191.
[248] a. a. O., p. 339 ff. – cf. Rennell, b. Bredow, p. 693.
[249] cf. Guthe-Wagner: Lehrbuch der Geographie, 5. Auflage, p. 328; auch Brugsch: Ophir, in der Sonntagsbeilage zur „Vossischen Ztg.“ vom 17. März 1889, der sagt, dass wegen häufiger Windstillen und ungünstiger Winde noch gegenwärtig ein arabischer Segler 5-6 Monate braucht, um das rothe Meer von einem Ende bis zum andern zu durchschiffen.
[250] Hann, v. Hochstetter und Pokorny: Allgem. Erdkunde, 2. Aufl., p. 58.
[251] cf. die Karte der Winde auf Berghaus: Chart of the World.
[252] Es ist mir trotz vielfacher Bemühungen nicht gelungen, dies Buch einzusehen.
[253] cf. Guthe-Wagner, a. a. O., p. 417.
[254] cf. über die Strömungen: Berghaus, Chart of the World und die Uebersicht der wichtigsten Meeresströmungen in Andrees Handatlas, p. 6.
[255] in einer adnotatio seiner Herodotausgabe zu IV, 42.
[256] I, 1.
[257] cf. Movers, a. a. O., II, p. 184 und John Kenrick: Phoenicia, p. 235.
[258] a. a. O., pp. 546 u. 347.
[259] a. a. O., p. 691.
[260] a. a. O., p. 368.
[261] cf. Her. III., 136.
[262] cf. ibid., IV., 43.
[263] a. a. O., p. 337.
[264] cf. Movers, a. a. O., II, 3, p. 174.
[265] a. a. O., II, 3, p. 175.
[266] a. a. O., p. 189.
[267] cf. Bougainville, a. a. O., p. 190 f.
[268] a. a. O., p. 311.
[269] Quatremère, a. a. O.
[270] cf. IV, 44.
[271] c. 110.
[272] Od. XV, 474 ff.
[273] IV, 86.
[274] cf. Guthe-Wagner, a. a. O., p. 42.
[275] Anab, VI. 2, 2.
[276] De veterum re navali, p. 76, annot.
[277] in: Geographi Graeci Minores ed. Müller, I, p. 372.
[278] Hist. natur. XIX, 1.
[279] a. a. O., XV, 20.
[280] III, 5.
[281] 1. Kön. 9; 27 u. 28, auch 10; 11.
[282] a. a. O., p. 200.
[283] a. a. O., p. 37.
[284] IV, 43.
[285] III, 102, u. V, 52 ff.
[286] a. a. O., p. 49.
[287] Her. IV, 44.
[288] I, 193.
[289] I, 34.
[290] Exodus, 9; 31 u. 32.
[291] cf. Riehm, a. a. O., I, p. 19.
[292] cf. Alphons de Candolle: Der Ursprung der Kulturpflanzen, p. 448.
[293] cf. ibid. p. 472.
[294] ibid., p. 488 f.
[295] cf. Duncker, a. a. O., I, p. 169.
[296] cf. Guthe-Wagner, a. a. O., p. 118. Ueberzeugend nachgewiesen auch durch Alphons de Candolle: Géographie botanique, p. 942 ff.
[297] cf. Viktor Hehn: Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Uebergange aus Asien nach Griechenland und Italien, 2. Aufl., p. 437 f.
[298] cf. A. de Candolle: Der Ursprung usw. S. 531 ff. und Leunis: Synopsis, Botanik, 2. Band, 1885, p. 638.
[299] cf. A. de Candolle: Der Ursprung usw., p. 475, u. Unger: Sitzungsberichte der Kaiserl. Akademie der Wissenschaften zu Wien, mathem.-naturw. Klasse, Bd. XXXVIII, 1859: Die Pflanzen des alten Aegyptens, p. 100.
[300] The History of Herodotus. IV, 42, n. 8.
[301] a. a. O., p. 34.
[302] 26; 2.
[303] a. a. O., p. 439.
[304] a. a. O., p. 100.
[305] Histoire des plantes cultivées en Égypte, p. 8.
[306] a. a. O., p. 99.
[307] Der Ursprung usw., p. 484.
[308] Cf. Erman, a. a. O., II, p. 578.
[309] a. a. O., p. 481.
[310] a. a. O., p. 2.
[311] cf. Viktor Hehn, a. a. O., p. 536.
[312] Weltgesch. 3. Aufl., I, p. 76.
[313] Der Ursprung: usw., p. 482.
[314] cf. Ed. Meyer, a. a. O., p. 167 f. u. Erman, a. a. O., I, pp. 149-150, 182-185 u. II, 425.
[315] cf. Riehm, a. a. O., p. 620. – Dafür spricht auch, was Pietschmann: Gesch. der Phönizier, p. 141 sagt. Der bis jetzt erschienene Theil dieses neuesten Werkes über jenes Volk kommt in meine Hand, während sich die vorliegende Abhandlung schon beim Drucker befindet. Es wird dort mitgetheilt, dass Kamh, der Name einer Brotart, die in uralten ägyptischen Formeln als Speise der Götter erwähnt wird, ursprünglich „Weizen“ bedeutet. Wenn aber die Aegypter meinten, dass das Brot der Götter aus Weizenmehl gefertigt werde, mussten sie dies doch für das feinste halten.
[316] I, 93.
[317] Exodus, 9; 31 u. 32 u. Erman, a. a. O., II, p. 578.
[318] II, 36 u. 77.
[319] a. a. O., p. 4.
[320] cf. Erman, a. a. O., I, p. 270.
[321] ibid. p. 265.
[322] cf. ibid. II, p. 414.
[323] II 36. – cf. de Candolle: Der Ursprung usw., p. 458, u. derselbe: Géogr. botanique, p. 933 unter L’épautre.
[324] Der Ursprung usw., p. 459.
[325] cf. ibid., p. 458.
[326] Exodus, 9; 32.
[327] Thier- und Pflanzengeographie, p. 269.
[328] cf. Genesis, 42 ff.
[329] cf. Mommsen: Röm. Staatsr., 2. Aufl., II, 2, p. 994.
[330] I, 14 u. 20.
[331] Der Ursprung usw., p. 448.
[332] a. a. O., p. 79.
[333] Cap. 27 u. 34.
[334] cf. Duncker, a. a. O., Bd. 9, p. 99.
[335] a. a. O., p. 67 f.
[336] cf. Riehm, a. a. O., I, p. 19.
[337] cf. Wappaeus: Handbuch der allgem. Geogr. u. Statistik, I, pp. 132 u. 133.
[338] Cf. Thomé, a. a. O., p. 300.
[339] cf. Grisebach: Die Vegetation der Erde, 2. Aufl., II, p. 144 u. 543, Anm. 1.
[340] cf. Riehm, a. a. O., d. Abbildungen unter „Ackerbau“. Dass die Aegypter künstliche Bewässerung kannten, geht hervor aus Strabo XVII, 1.
[341] p. 609, Spalte 3.
[342] cf. ibid., Spalte 2.
[343] Diese Notizen verdanke ich Herrn Prof. Drude in Dresden; für seine freundliche Bereitwilligkeit mir aus dem reichen Schatze seines Wissens mitzutheilen, sage ich demselben auch an dieser Stelle meinen Dank.
[344] cf. Guthe-Wagner, a. a. O., I, p. 368.
[345] Diese Angaben habe ich dem oben angeführten trefflichen Werke Grisebachs entnommen, I, p. 539, Anm. 50; sie beziehen sich zunächst auf Madeira, können aber sicherlich ohne Bedenken auf die gegenüberliegende festländische Küste übertragen werden.
[346] b. Bredow, pp. 695 u. 701.
[347] a. a. O., p. 367.
[348] a. a. O., p. 20.
[349] cf. über die Zeit Duncker, a. a. O., I, p. 180.
[350] I, 3.
[351] a. a. O., p. 369.
[352] a. a. O., p. 350.
[353] a. a. O., adnot. zu IV, 42.
[354] cf. Duncker, a. a. O., I, p. 169.
[355] cf. Delile, a. a. O., pp. 2 u. 4.
[356] cf. Knös, a. a. O., p. 20 nebst adnot.
[357] I, 11, 12 u. 26.
[358] I, 16.
[359] cf. Bredow: Handbuch der alten Geschichte, 3. Aufl., p. 173, Anm. 2.
[360] a. a. O., Einltg., p. 21 u. „The Penny Cyclopaedia“, Art. Africa.
[361] cf. Kruse: Indiens alte Geschichte, p. 33.
[362] cf. Sandberg, a. a. O., p. 29.
[363] cf. Hudson: Periplus Hannonis in Geographiae Veteris Scriptores Graeci Minores, I.
[364] b. Bredow, p. 688.
[365] Von Kosseir bis Bab-el-Mandeb beträgt die Entfernung 1800 km; hatten sie, um diese zurückzulegen, volle 40 Tage, so mussten sie täglich 45 km fahren, im vorliegenden Falle also etwas mehr. Sie konnten dies zweifellos, auch bei Windstille, wenn sie in dem bekannten Fahrwasser die Nacht zu Hülfe nahmen und die Mannschaft sich häufig ablöste. – cf. auch Erman, a. a. O., II, p. 675, der annimmt, dass die nach Punt bestimmten ägyptischen Schiffe etwa einen Monat brauchten, um ihr Ziel zu erreichen.
[366] a. a. O., p. 195, Anm. 316.
[367] cf. Link: Ueber die ältere Geschichte der Getreidearten in den „Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften“ zu Berlin, 1826, phys. Klasse, p. 75.
[368] cf. Alphons de Candolle: Der Ursprung usw., p. 466.
[369] Private Mittheilung des Herrn Prof. Drude.
[370] cf. Rennell, a. a. O., p. 677 und „The Penny Cyclopaedia“, Art. Africa.
[371] IV, 43.
[372] a. a. O., p. 343.
[373] cf. Peschel, a. a. O., p. 20, u. Rawlinson: The History of Herodotus, IV, 42, n. 4.
[374] cf. Diog. Laert.: Parmenides, lib. IX, cap. III, u. Peschel, a. a. O., pp. 34 f. u. 72.
[375] cf. I, 74, 103; VII, 37.
[376] cf. Paulitschke, a. a. O., p. 2 f., u. Stein, a. a. O., Anm. zu IV, 42.
[377] cf. Bredow: Geographiae et Uranologiae Herodotea specimina, p. XVIII, seq.
[378] cf. II, 98 u. 104.
[379] cf. II, 24.
[380] cf. Histoire d’Hérodote par M. Larcher, Tome III, p. 404 f.
[381] cf. Schlichthorst: Geographia Africae Herodotea, p. 110.
[382] cf. XVII, 1.
[383] Diog. Laert.: Thales, ed. Firmin Didot, p. 6.
[384] a. a. O., p. 26 f.
[385] I, 74.
[386] cf. Erman, a. a. O., II, pp. 466-468.
[387] cf. ibid., II, pp. 486-492.
[388] a. a. O., p. 18 annot.
[389] cf. Her. II, 29.
[390] a. a. O., p. 190 f.
[391] cf. Paulitschke, a. a. O., p. 55.
[392] S. das oben über den Auftrag des Sataspes Erzählte.
[393] XVII, 3.
[394] cf. Monumenti Civili, 1836, Tome III, p. 120.
[395] History of Ancient Astronomy, p. 515.
Berichtigung. S. 32, Zeile 9 v. oben lies: Arabiens statt: Afrikas.
A. Haase’s Buchdruckerei (Max Babenzien), Rathenow.
Anmerkungen zur Transkription
Die Berichtigung auf Seite XI wurde in den Text eingearbeitet.
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