The Project Gutenberg eBook of Der alten Sehnsucht Lied: Erzählungen

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Title: Der alten Sehnsucht Lied: Erzählungen

Author: Rudolf Herzog

Release date: December 30, 2021 [eBook #67048]

Language: German

Original publication: Germany: J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger

Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net

*** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK DER ALTEN SEHNSUCHT LIED: ERZÄHLUNGEN ***

Anmerkungen zur Transkription

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Der alten Sehnsucht Lied


Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger
in Stuttgart und Berlin

Rudolf Herzog:

Der Graf von Gleichen

Ein Gegenwartsroman. 5. u. 6. Auflage

Geheftet M. 3.50 In Leinenband M. 4.50

Die vom Niederrhein

Roman. 9.–11. Auflage.

Geheftet M. 4.– In Leinenband M. 5.–

Das Lebenslied

Roman. 9.–11. Auflage

Geheftet M. 4.– In Leinenband M. 5.–

Die Wiskottens

Roman. 19. u. 20. Auflage

Geheftet M. 4.– In Leinenband M. 5.–

Der alten Sehnsucht Lied

Erzählungen. 1.–4. Auflage

Inhalt: Deutsch und Fremd – Giuditta Africana – Auf der Fahrt nach dem Glück – Der Gruß des Lebens – Zweiter Frühling – Frühlingsabend

Geheftet M. 2.50 In Leinenband M. 3.50

Gedichte

Geheftet M. 2.50 In Leinenband M. 3.50

Die Condottieri

Schauspiel in vier Akten

Geheftet M. 2.– In Leinenband M. 3.–


Der alten Sehnsucht Lied

Erzählungen

von

Rudolf Herzog

Vierte Auflage

MDCXL

Stuttgart und Berlin 1906
J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger


Alle Rechte vorbehalten

Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart


Meinem lieben Vater Seiler


Inhalt

Seite
Deutsch und Fremd 9
Giuditta Africana 37
Auf der Fahrt nach dem Glück 75
Der Gruß des Lebens 105
Zweiter Frühling 127
Frühlingsabend 159

Dekoration

[9]

Deutsch und Fremd

[11]

Die frühe Dämmerung des Wintertages glitt über die weite Hochebene und griff spielerisch nach den verblassenden Sonnenlichtern, die sich langsam zurückzogen, sich noch einmal zusammenfanden und mit dem Hauch des gemeinsamen Abschiedsgrußes den Himmel in melancholische, rötlich-violette Töne spannten. Weißer leuchtete der gefrorene Schnee auf den breiten Ackerstrichen, die geradlinig, zu Würfeln zusammengezogen, dunkelgerändert sich am Horizont verloren.

Aus der schwarzen Masse des Tannenwäldchens, das die Felder umschlossen, zog das leise Singen des Frostes. Ein Zweig knallte dumpf in der Kälte. Und es war wie ein Aufhorchen in der meilenweiten Einsamkeit …

Am Ausgang des Wäldchens zeigten sich zwei Reiter. Ohne sich verständigen zu müssen, hielten sie gleichzeitig ihre Tiere an, rückten sich aufrecht und schauten in die weiße Herrlichkeit, die sich vor ihnen aufgetan hatte. Wie ein Schleier zog sich ein feiner Dampf um die Pferdeleiber bei der kurzen Rast.

»Gräfin …«

»Sprachen Sie, Oberst –?«

»Sagen Sie nichts mehr von Italien. Kein Wort mehr. Unsere Heimat ist die schönste.«

[12]

»Weil sie die stillste ist …«

»Im Winter. Damit wir Muße haben, abzuschließen und – neu zu erschließen. Das allein hält jung. Ah dieser Winter. Den kann uns Ihr gelobtes Italien nicht nachmachen. Nein, nein, nein, ich danke Gott, daß Sie wieder hier sind.«

»Wieder?« lachte sie kopfschüttelnd. »Das sind doch schon zehn Jahre.«

»Ich weiß es, Gräfin.«

»Sie sagen das so lyrisch, Oberst. Sie haben doch mit dem Dienst nicht etwa auch die Zeitrechnung quittiert?«

Er klopfte dem unruhig werdenden Braunen, vornübergeneigt, den dampfenden Hals. »Nur zurückgeschraubt, liebe Freundin.«

»En avant!«

»Wie Sie befehlen.«

Aber sie ließen die Tiere im Schritt gehen. Seite an Seite ritten sie über den knirschenden Schnee, und keiner sprach aus, was ihn bedrängte. Dann fiel der Pfad allmählich ab. Eine halbe Stunde war verronnen.

»Gleich werden wir im Tal das Städtchen sehen.«

Da griff sie in den Zügel seines Pferdes.

»Oberst, lieber Freund, das halte ich nicht aus. So nicht.«

»Was nicht – und – weshalb nicht?« Die Pferde beschnupperten sich müde.

»Also schnell. Weshalb haben Sie den Dienst quittiert, ein Mann, Mitte der Vierzig? Weshalb[13] haben Sie das Gut übernommen? Weshalb gerade jetzt?«

»Weshalb …?«

»Ja, weshalb!«

»Alles das wollte ich schon vor zehn Jahren.«

»Und heute – wollen Sie mehr? Sie schütteln den Kopf? Also wirklich nicht? Oberst, Freund, weshalb schütteln Sie nun den Kopf nicht mehr? Soll das heißen, daß Sie ja auch damals schon – mit noch anderen Wünschen kamen …«

Er wandte ihr mit einer energischen Bewegung sein Gesicht zu. Trotz der Dämmerung bemerkte sie, daß sich sein Haar an den Schläfen weiß gefärbt hatte.

»Frau Ella, wenn Sie mir zu reden gestatten – jetzt endlich …«

»Vom Sattel aus?« Sie gab seinem Braunen einen ermunternden Schlag und sprengte voraus. »Kommen Sie! Dazu sind wir zu alt. Die Jugend liegt hinter uns.«

»Die Jugend!« stieß er zornig hervor und warf den Gaul an ihre Seite. »Himmel, besteht denn das Leben nur aus dieser vergißmeinnichtblauen Jugend? Müssen wir denn absolut in Tränen und Seufzern schwimmen, wenn diese sentimentale Zeit –«

»Nicht schimpfen!«

»Soll ich mich etwa freuen, daß ich das zehn Jahre mit angesehen habe?«

»Was denn? Tränen und Seufzer? Von mir nicht!«

Frage und Antwort flogen hastig durch den aufgewirbelten[14] Wind … Ein kurzer Galopp über ein ebenes Wegstück, eine scharfe Biegung an einer buschbestandenen Stelle, und aus der Talmulde tief unter ihnen blitzten und blinzelten rot und gelb die Lichter des Städtleins.

Noch einmal parierte die Reiterin ihr Pferd. Mit einer Handbewegung umfaßte sie das Bild, mit einer ganz langsamen Bewegung der behandschuhten Rechten. Aber sie sprach nicht. Im Tal schlug die Kirchenuhr. Die Klänge schwangen sich in der Winterluft weit über Land.

»Der alte Pfarrer ist nun auch schon tot,« sagte der Oberst. »Das ist schon eine Reihe von Jahren.«

»Als sein Sohn starb.«

»Ja, als Sie zurückkehrten. Ich hatte Urlaub genommen, um Sie auf der gemeinsamen Heimatscholle zu begrüßen. Herr Gott, Gräfin, schlug mir das Herz auf der Herreise.«

»Sie haben mir damals ein Versprechen gegeben. Die Frage, die Sie hertrieb, nicht auszusprechen. Damit wir die alten Kindheitsfreunde blieben.«

»Kindheitsfreunde? Ich war Zeit meines Lebens zehn Jahre älter als Sie, das zählt in der Kindheit. Als ich Sie endlich gewahrte, waren Sie Gräfin. Ich habe Unglück mit Ihnen.«

»Ich werde Sie vor weiterem Unglück bewahren.«

Er achtete nicht auf den Einwurf. »Als der Graf am allzuraschen Leben starb, verschwanden Sie in der Freiheit. Als fahrender Ritter konnte ich Ihnen nicht folgen. Auch respektierte ich das Trauerjahr. Aber[15] Sie kamen nicht wieder. Die Illusionskraft Italiens hielt Sie ganz und gar. Und als Sie endlich kamen, hatten Sie auch die Illusionen für immer hinter sich gelassen. Wenigstens sagten Sie damals so: für immer.«

»Bemitleiden Sie mich, Oberst.«

»Bemitleiden Sie mich etwa? Nein, dafür danke ich in unser beider Namen. Trotz meiner fünfundvierzig Jahre –«

»Und trotz meiner fünfunddreißig?«

»– sage ich mir: das Leben fängt dann an, wenn man es packt.«

Sie sann einen Augenblick noch vor sich hin. »Und Sie – Sie haben alle die Zeit so gedacht? Und darauf gewartet?«

»Ich habe darauf gewartet, daß Sie sprechen würden, nachdem Sie mir das Sprechen verboten hatten. Und ich war fest überzeugt, daß Sie die ungleiche Verteilung der Karten, die Sie vorgenommen hatten, aus sich selbst heraus korrigieren würden. Dazu sind Sie ein zu stolzes und – zu gerechtes Menschenkind.«

»Werden Sie den heutigen Abend auf Ihrem verschneiten Gutshof zubringen, Oberst?«

»Wissen Sie mir Besseres vorzuschlagen?«

»Ob es Besseres ist, wenn ich Sie bitte, mit zu mir zu kommen? Ihrem Braunen werden nach dem langen Marsch ein paar Stunden Stallruhe gut tun.«

Er beugte sich aus dem Sattel, ergriff ihre Hand und drückte seinen bereiften Schnurrbart auf den Handschuh.

[16]

»Mein Brauner dankt Ihnen, gnädige Frau.«

»Das nenn’ ich diplomatisch. Und nun querfeldein! Der Frost hat den Schnee wie einen Parkettboden über die Ackerschollen gelegt. In fünf Minuten sind wir daheim. Trab!«

»Daheim? – Trab!«

Und zum ersten Male lachten sie miteinander. Ganz jung und gesund. Unter den Hufen der Pferde stäubte der Schnee, aus der Ferne tönte das leise Singen des Frostes, die Mondscheibe gewann an Leuchtkraft, und das tiefverschneite Land, Meilen hinaus auf dem Rücken des Berges, lag wie ein Geheimnis. Vor ihnen bauten sich die Umrisse des Herrenhauses auf. Das Licht des frühen Mondes schimmerte in der grünen Patina der Turmdachkappe. Die mächtigen Schieferdächer des Hauptbaues reckten sich kantig hoch. Das war stark und heimlich. In der Verborgenheit eine Geborgenheit. Und Ackerland ringsum.

Ein Knecht lief ans Tor und nahm vor den Stallungen die Pferde ab. Aber sie gingen beide mit hinein, bis die Tiere versorgt waren. Und als ob es sich so von selbst verstände, ging die Gräfin weiter, von Box zu Box, von den Wagenpferden zu den Ackergäulen, Futter und Stroh prüfend, den Tieren den Hals klopfend. Mit einem eigentümlichen, frohen Blick verfolgte der Oberst ihr ruhiges Tun. Dann schritten sie über den gefegten Hof, an der strohumwundenen Brunnenpumpe vorbei, und betraten das Herrenhaus.

[17]

»Sie müssen mich zwei Minuten entschuldigen, lieber Freund. Nur aus der Fessel des Reitkleides heraus!«

»Und ich –? Darf ich in meinem winterlichen Reiterflaus ins Heiligtum?«

»Dort ist die Bibliothek. Nein, nein, ich will Sie nicht erschrecken! Das Zimmer hat den gemütlichsten Kamin. Nur deshalb.«

Er war allein in dem Raum. Die Längswand war mit dichtgefüllten Bücherregalen besetzt. Die Ecke zum Fenster schnitt ein geschnitzter Schreibtisch ab. Darüber hing ein Ölbild: Das griechische Theater zu Taormina. Die andere Wand füllte der weitbauchige Marmorkamin.

Der Oberst starrte auf die Bücherreihen, wandte sich zum Kamin, in dem die Buchenkloben prasselten, wärmte sich gedankenvoll die Hände, betrachtete eine Zeitlang aufmerksam das Gemälde über dem Schreibtisch und fühlte sich endlich doch, gegen seinen Willen, zu den Bücherreihen zurückgezogen. ›Diese Gelehrsamkeit!‹ dachte er staunend. ›Freilich, da kann ich nicht mit.‹

»Ach, Unsinn,« sagte er plötzlich laut, »die Bücher tun’s nicht!«

»Die Bücher nicht?« – Die Gräfin stand in der Tür. Sie trug ein loses, weißes Wollkleid, das dicke, blonde Haar in einem griechischen Knoten. »Schauen Sie mich nicht so verwundert an. Ich bin die Gutsherrin von Schönhof. Also die Bücher tun’s nicht?«

[18]

»Nein, Gräfin, das Leben tut’s.«

»Das Leben, lieber Freund, steckt nirgends so schön wie in den Büchern.«

»Ja, wenn man achtzig ist – und hat selbst ein Lebensbuch geschrieben – und Punktum darunter gesetzt. Sonst – sonst …«

»Nun? Sonst?«

»Sich das Leben, das eigene Leben, aus fremden Büchern borgen – halten Sie es meinem Soldatenjargon zu gut, aber das käme mir wie Drückebergerei vor. Ein Leben, sein eigenes, das muß man selber leben und gestalten. Gräfin! Vorhin, als Sie durch den Stall gingen, wie Ihnen da die Augen glänzten. Und vorher schon, als wir über das Land ritten, das so warm unter der Schneedecke liegt! Sehen Sie, da waren Sie: Sie! Alles andere ist ja nur ein fremdes Kostüm, das Ihnen nicht sitzt, in das Sie trotzdem Ihre Jugend, Ihre Bestimmung hineinzwängen, weil Sie sich vor Jahren einmal in den Maskenscherz verliebt haben.«

»Ja,« sagte sie, »ich hatte mich verliebt … Und ob es ein Maskenscherz war, sollen Sie mir später sagen.« Sie sah ihn offen an. »Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig, weshalb ich Sie bat, Ihre Werbung nicht vorzubringen. Vor zehn Jahren war alles noch zu frisch. Ich selbst war wohl wieder im lieben Deutschland, aber meine Gedanken – nein, meine Gedanken nicht. Die irrten verstört in Sizilien.«

Sie saßen in den tiefen Juchtensesseln dicht vor[19] dem Kamin, der Oberst mit gefurchter Stirn, die Herrin des Hauses mit weitem, rückschauendem Blick.

»Als der Graf, mein Gatte, seine Besitzungen in der Altmark erschöpft hatte, zogen wir uns hierher, auf Gut Schönhof zurück, das mir meine Eltern hinterlassen hatten. Nie in meiner Ehe war ich so froh, wie an jenem Tage. Ich war von Haus aus ein schwerer Schlag, ein echtes Gutskind, wie Sie sich vielleicht erinnern. Die Weltdame zu spielen, habe ich nie gelernt. Das war der ewige Zorn meines Mannes. Und sonst hatte ich auch nicht allzuviel gelernt. Was mir die Gouvernante und der gute Pastor im Städtchen beibringen konnten, wenn der Stall und die Felder mich freiließen. Der enge, kleine Horizont des Städtchens im Tal zog auch den geistigen Horizont aus den höher liegenden Gutshöfen in Mitleidenschaft. Wenigstens war das früher so. Kurz, ich war ein dummes, derbes Landkind und wollte nichts anderes sein.

Damals begann das ›allzu rasche‹ Leben des Grafen – wie Sie sich vorhin ausdrückten – sich in seinen Folgen mit erschreckender Deutlichkeit bemerkbar zu machen. Die Gicht zog ihn, der längst nicht mehr der jüngste war, zusammen, und mit der Zunahme der Anfälle steigerte sich sein Zorn auf alles, was um ihn her gesund war. Ich wurde seine Gefangene, ich durfte das Zimmer nicht mehr verlassen. Dumpf und stumpf hockte ich neben seinem Krankenstuhl – denn er hatte sich das Reden verbeten – dumpf und stumpf, monatelang, ein Jahr[20] lang. Was in der Natur vor sich ging, mir blieb es verborgen. Blieb mir doch fast verborgen, was auf dem Gute getrieben wurde. Aber ich will Sie mit der Schilderung meines Martyriums nicht quälen. Wenn mir damals jemand das Sterben versprochen hätte, ich hätte genickt.

Der Zustand meines Mannes verschlimmerte sich. Es war Vorfrühling, denn die Mägde trugen Büsche von Birkenkätzchen in die Zimmer. Da wurde mir ein gleichgültiger Besuch gemeldet, der Sohn des alten Pfarrers, mit dem ich zusammen unterrichtet worden war. Georg, der Spätgeborene. Sie werden sich seiner entsinnen.«

Der Oberst sah auf und blickte wieder in die tanzenden Funken des Kamins.

»Er kam, um mich zu bitten, ihn bei seinem Vater zu entschuldigen. Irgendwo solle er in den nächsten Tagen als Hauslehrer eintreten. Aber er zöge es vor, den Geist der Enge mit dem der Weite zu vertauschen. – Ganz interesselos stellte ich eine Frage: ›Wohin wollen Sie?‹

›Nach Italien!‹ –

Nie vorher und nie nachher habe ich das Wort in solcher Betonung wiedergehört. Ich wurde aufmerksamer, ich sah ihn an. Und ich sah in ein unbekümmertes, strahlendes Jünglingsgesicht. So unbekümmert, so strahlend sein können! … Da rief drinnen der Kranke nach mir.

›Und Ihr Vater weiß nichts von dem Plan?‹

›Er würde mich ja gar nicht verstehen. Eine[21] Brotstelle im Stich lassen um eines seelischen Triebes willen! Frau Gräfin, das versteht hier ja überhaupt kein Mensch.‹ Und er lachte ganz glückselig.

›Was wollen Sie in Italien anfangen?‹

›Ein unsterbliches Werk schaffen. Oder besser: mein unsterbliches Werk.‹

Da rief der Kranke ungeduldig zum zweiten Male nach mir. Ich verabschiedete hastig den Besuch und versprach ihm, dem alten Pfarrherrn ein versöhnliches Wort zu sagen. Dann saß ich wieder in meiner Gefangenschaft. Aber seltsam: plötzlich roch ich den feinen Duft des Frühlings aus den Birkenkätzchen, sah ich durch die Gitterstäbe hindurch in sonnenbeschienenes Land, spürte ich eine mir fremde, uneingestandene Frühlingserwartung im Blut, und alles nur, weil ich den Klang im Ohr trug, aus Lachen und dem Jubelruf ›Italien!‹ gemischt, und ich wußte nicht: war es das Lachen, war es das Wort …

Als die Frühlingsstürme über unsere Hochebene dahingebraust waren und die Burschen Maibäume schnitten, zog man bei uns die Flagge auf Halbmast. Wir kamen vom Grabe des Grafen, und mitten in die Tröstungen des alten Pfarrers hinein fragte ich ihn nach seinem Sohn. Ja, es wären Briefe da. Der Georg läge in Rom herum oder in der Campagna und stehle dem Herrgott den Tag. Er nenne das zwar in seinem unverbesserlichen Leichtsinn ›dem Herrgott den Tag abgewinnen!‹ Trotz des sorgenden, zitternden Tones, es klang doch eine geheime Bewunderung für den Spätling durch. Dem Herrgott[22] den Tag abgewinnen! Ach, wer das auch vermöchte … Für sich selbst, für die eigene, mißhandelte, stumpf gewordene Seele einen Tag gewinnen …

Zum Herbst reiste ich nach Italien. Die Gutsgeschäfte übernahm unser langjähriger Verwalter, mein alter Onkel kam hin und wieder zum Inspizieren. In Florenz erkrankte meine Zofe an Heimweh. Ich mußte sie auf kürzestem Wege zurücksenden. Ich selbst fuhr nach Rom, lief einen, zwei Tage ziellos durch die Straßen, stand freudlos und noch viel verständnisloser vor den Denkmälern des Altertums und fand mich am Abend einsam, meine Zofe beneidend, ja in Tränen in meinem Hotelzimmer. Am anderen Morgen verhandelte ich mit dem Fremdenführer des Hotels. Ich versprach ihm für die Herbeischaffung von Georgs Adresse eine glänzende Belohnung, erklärte ihm, daß er sie wohl bei deutschen Künstlern in Erfahrung bringen könnte und blieb in ängstlicher Erwartung daheim. War der Helfer nicht herbeizuschaffen, so gedachte ich mit dem Abendexpreßzug heimzureisen.«

»Natürlich, der Halunke brachte die Adresse,« murmelte der Oberst grimmig.

»Nein,« lächelte sie, »er brachte sie nicht. Zwei Stunden darauf stand Georg selber vor mir.«

Der Oberst stieß mit dem Fuß einen vorwitzigen Buchenspan in den Kamin zurück, erhob sich und tat ein paar Schritte ins Zimmer. »Verzeihen Sie, die Lampe flackert.«

»Soll ich weiter erzählen?« fragte sie nach einer Weile.

[23]

Er wandte sich um. Männlich und straff stand er vor ihr.

»Darf ich mir eine Zwischenfrage erlauben, Gräfin?«

»Aber gewiß, lieber Freund.«

»Wird das, was folgt, keine – verzeihen Sie – keine reguläre Liebesgeschichte?«

»Wollen Sie also weiter hören?«

Er nahm seinen Platz vor dem Kamin wieder ein. Aber in seinem Gesicht war ein unruhiger Zug, den sie bemerkte und der ein sonderbares, mädchenhaftes Gefühl in ihr wachrief. Eine feine Röte lief über ihre Schläfen, als sie weitersprach.

»Er sah sonnenverbrannt und hager aus, der gute Georg, auch war sein Anzug nicht ganz tadelsohne. Aber seine strahlenden Knabenaugen machten alles wett. ›Frau Gräfin,‹ rief er, ›wahrhaftig, es gibt bei uns noch mehr Leute, die sich aus der Stickluft von dannen machen? Und Sie! Gerade Sie! Nun können wir einmal an der Quelle revidieren, was mein alter Herr uns beim Unterricht alles zu sagen vergessen hat.‹

›Ich finde mich in Rom nicht zurecht. Wollen Sie mein Führer sein? Oder besser: mein Lehrer?‹

›Lehrer?‹ wiederholte er. ›Lehren kann hier allein die Natur. Hier sprechen die Steine. Haben Sie das bei Ihren Wanderungen noch nicht vernommen?‹

›Ich bin schwerhörig geworden. Und ob ich überhaupt noch aufnahmefähig bin – ich zweifle fast daran.‹

›Frau Gräfin,‹ sagte er respektvoll, ›ich weiß. Aber Sie sind doch immerhin erst fünfundzwanzig.‹

[24]

›Soll das ein Trost sein? Mit fünfundzwanzig schon so weit wie ich?‹

›Also Rom ist zunächst nichts für Sie,‹ fuhr er ruhig fort. ›Erst heißt es: sich akklimatisieren, Land und Leute kennen lernen, die Sonne lieb gewinnen, das blaue, sagenhafte Meer. Und später, wenn das Glück uns wohl will, rücken wir in langsamen Tagemärschen gegen Rom vor.‹

›Wir? – Wollen Sie denn mit mir reisen?‹

›Aber natürlich! Soeben haben Sie mich doch als Führer engagiert. Das heißt – halt – Frau Gräfin, ich habe kein Geld.‹

Da war sie wieder, diese nie gekannte lachende Stimmung, der ich entgegenreisen wollte.

›Das hat nicht Ihre Sorge zu sein,‹ erwiderte ich hastig, um nicht schon wieder den Mut zu verlieren, ›ich nehme Sie ganz einfach zum Reisemarschall.‹

›Topp, dann können wir zum Bahnhof.‹

›Aber – brauchen Sie nicht erst nach Hause?‹ fragte ich erschreckt. ›Ihre Reisevorbereitungen treffen?‹

›Menschen, die mit dem Glück segeln, sind immer reisefertig. Was ich brauche, erhalte ich überall.‹

Der Ton steckte an. Und der Mann, der ihn angeschlagen hatte, erschien meinen Augen, die so lange ins trübe Dunkel geblickt hatten, wie ein junger Sonnengott. Wir fuhren nach Neapel, wir fuhren im Wagen den Golf entlang nach Sorrent, nach Amalfi. Er lehrte mich sehen, Farben, Formen, Wunder über Wunder, und meine Seele erwachte zum Genießen. Das war das größte Wunder. Und[25] alles dankte ich ihm, der sorglos und heiter an meiner Seite lachte und sprach, die Sagen des Altertums mit der Natur in Verbindung brachte, geschichtliche Ereignisse einfließen ließ, mich die Kunst lehrte, sich der Künste zu freuen, sich des Lebens zu freuen, und der dennoch überall der sorgende, taktvolle Reisemarschall blieb. So kamen wir nach Sizilien.

›Wenn es Ihnen recht ist, Frau Gräfin, schlagen wir in Taormina auf längere Zeit unsere Zelte auf. Dort können Sie sich auf Rom vorbereiten.‹

›Weshalb gerade dort?‹

›Entsinnen Sie sich, was ich Ihnen als das herrlichste an Rom rühmte? Die Steine reden. Geben Sie acht, im alten Theater zu Taormina werden Sie es vernehmen.‹

›Wollen wir nicht Messina bewundern?‹

›Ach, Frau Gräfin, selbst das Meerungeheuer, die strudelköpfige Szylla, hat vor Langeweile diese Stadt verlassen.‹

Ich sah ihn an, verwundert über sein Drängen. Aber als ich die freudige Unruhe in seinen Augen bemerkte, trieb es auch mich. ›Kommen Sie, kommen Sie,‹ sagte er nur, ›wer zum Throne gelangen will, darf sich im Vorsaal nicht aufhalten.‹

Und am Abend standen wir hoch droben, an die Ringmauer des alten Theaters von Taormina gelehnt und blickten, staunten hinein in die erhabenste Schönheit Gottes. Phantastisch recken und strecken sich Felsen und Vorgebirge in die blaue See, die brandend an ihnen frißt. Blöcke schichten sich zu[26] Bergen, und auf jeder Bergspitze ein Städtchen, ein Kastell, immer eins das andere an malerischer Form besiegend. Und immer weiter wanderte der Blick, die sagenhafte Küste des Odysseus, des Griechen verschlingenden Polyphem entlang. Die rote Abendsonne warf ihre Purpurgarben durch die geborstenen Mauern des Theaters, ließ die Säulen der Bühne wie roten Marmor flammen, ließ unter uns die Küste des alten Naxos zu neuem Reiz erschimmern wie vor Jahrtausenden, als die ersten Griechenfüße von Neuland suchenden Schiffen hier an Land sprangen. Die Sonne huldigte im Farbenrausch dem Herrscher Siziliens, dem grünumgürteten schneebedeckten Ätna und ließ in weiter, weiter Ferne, im letzten Sonnendunst, den Schatten der gestürzten Königin Syrakus uns ahnen …

In dieser Stunde der Offenbarung empfand ich, daß die Schönheit nie wieder aus meinem Leben verschwinden dürfe, und ich sah mich nach meinem Helfer um. –

Auf die oberste Sitzreihe des Theaters gekauert, starrte der junge Freund auf die zertrümmerte, moosbewachsene Bühne, vor der wie ein der Auferstehung harrender Reichtum Marmorblöcke, Säulenschäfte und Kapitelle schlummerten. Seine Augen glühten. So mußten Künstleraugen glühen.

›Was schaffen Sie, Georg?‹

›Ja, ich schaffe …‹

›Was arbeiten Sie eigentlich, Georg? Ich habe Sie nie gefragt.‹

›Weshalb einen Ausdruck dafür suchen? Ob man[27] in Stein, Farben oder Worten dichtet – die Schöpferfreude tut’s.‹

›Lassen Sie mich teilnehmen,‹ bat ich leise, und er rückte zur Seite.

›Sehen Sie,‹ sagte er und beschrieb mit der Hand einen Kreis über all die leuchtende Herrlichkeit, ›hier ist Gottes Geschichtsbuch. Hier liegen die Kulturen von Jahrtausenden in Schichten aufeinander. Wen die Götter lieben, der darf ein Lied aus dem Buche singen, unzähligen Liedern das Leben wiedergeben. Vorwärts!‹ rief er und klatschte in die Hände. ›Den Vorhang hoch!‹

Er beugte sich vornüber, mit großen lachenden Augen und schlug befehlshaberisch mit der Hand auf die Mauer. Und ich beugte mich mit vor, erregt und lachend. ›So lassen Sie doch beginnen, Dichter!‹

›Schauen Sie hin! Der braune Kerl da ist ein Sikuler, ein Ureinwohner. Er fegt die Bühne sauber für die Gäste, die ihn aus dem Hause werfen. Hierher, armer, betrogener Bursche! Lagere dich zu den Füßen der Dame. Scheu bietet er Ihnen einen blühenden Orangenzweig aus seinen Wäldern, Frau Gräfin. Und jetzt! Hören Sie die feine Musik, die Flötenbläserinnen? Von der See herauf wallt ein Zug festlich gewandeter Griechen, über die Bühne schreitet der Chor, griechische Kultur in den feierlich erhobenen Händen, die Schar der lorbeergeschmückten Künstler inmitten. Götterbilder erheben sich, Tempel wölben sich über den Bildern, Städte wachsen um die Tempelhallen. Und die Menschen wachsen mit[28] und ihre Gedanken wachsen über sie hinaus, schon greifen sie nach dem Sitz der Götter, die Griechenknaben, da – da – Vernehmen Sie den Schrei? Sehen Sie, wie der Chor angstverzerrt über die Bühne stiebt? Die Götter haben den Arm gereckt. Karthager über euch! Weinend schleppt sich ein Griechenflüchtling heran. Er nimmt den Lorbeerkranz vom Haupt und legt ihn Euch zu Füßen, Herrin. Und auf der Bühne frißt der erzene Moloch Karthagos das Griechentum, und in seinem feurigen Bauche verschwinden Helden und Künstler …‹

›Wer naht dort?‹

›Kennen Sie nicht den »Schritt der Legionen«? Rom ist’s, das gestern hungrig war und heute. Es läßt die Völker sterben bis auf Nam’ und Art, ob es sich kaiserlich, ob es sich päpstlich nannte. Ah, wie es sich auf Aktschlüsse versteht! Es macht ganze Arbeit. Bildsäulen, Gold und Edelgestein packt es in seinen Räubersack. Keine Blume zur Huldigung? Verzeiht, Rom gibt nichts umsonst. Laßt den blutenden Karthager zufrieden! Er will zu meiner Herrin! Da bringt er Ihnen eine Aloe, die er aus der afrikanischen Heimat hierher verpflanzte. Wie sein letzter Blutstropfen glüht ihre Blüte …‹

Der Freund sprang auf und wies auf die See. ›Eine Zauberblume ist’s. Sie zwingt von neuem afrikanisches Blut über das enge Meer, und die Flut, die heranwogt, ist die Sarazenenflut. Hei, wie sie die Felsen, wie sie die Bühne erklettern, die sehnigen, geschmeidigen Kerle. Da wirft Ihnen der[29] Führer eine Rose zu. Fangen Sie auf, schöne Frau, diese moslemitische Bande versteht sich auf Frauenschönheit. Neue Dekorationen schleppen sie herbei. Wo weiße Griechentempel, wo semitische Götzen, wo römische Altäre standen, wölben sich die Kuppeln der Moscheen in bunter Mosaik und Mohammed wird gewaltiger als die Götter der Himmel. Noch einmal werden die Trümmer der Vergangenheit in Trümmer geschlagen, auf den Trümmern neu aufgebaut, Sarazenennamen verschlingen die Namen der Städte, das Halbmondbanner rauscht über Sizilien.‹

›Weiter, weiter!‹ drängte ich und griff nach seiner Hand. Er preßte sie, daß es schmerzte.

›Oho! Das Stück ist noch nicht zu Ende. Auf der Bühne drängen sie nach vorn, weichen taumelnd zurück. Blonde, blauäugige Männer erscheinen in der Kulisse. Sie stürmen vor, sie packen zu. Die Normannen sind da! Das Theater hallt wider vom Kampfgeschrei. Vom Jauchzen der blonden Sieger. Stille ringsum. Die Hohenstaufen reiten auf die Walstatt. Deutschlands Kaiser streckt das Schwert über das blutgedüngte Sizilien …‹

›Bringt er mir keine Blume mit? Sie haben mich verwöhnt.‹

›Er trägt eine vorn ins Panzerhemd genestelt. Die blaue Blume der Romantik! Ich hole sie Ihnen. –‹

– Wie es kam, lieber Freund?« sagte die Gräfin leise und berührte des Hörers Hand, der in sich versunken am Kamine saß. »Wir waren in Dichters Landen. Ein Prinz, so schien mir, hatte[30] ein Gänsemädel hineingeführt. Und der Prinz kniete vor mir, mit lachendem Gesicht, mit Augen, in denen die Freude über meine Freude stand, und ich nahm dies Antlitz in beide Hände …«

»Still,« sagte der Oberst, »ich fragte nicht danach.«

Die Gräfin hatte sich zurückgelehnt. Sie hielt die Augen geschlossen.

»Eine Frau muß eine Erinnerung haben. Ich hatte bis dahin keine. Nimmt es Sie wunder, daß da mein Herz aufsprang, staunend, hingerissen von der Natur und dem ersten Menschen, der sie mir kündete? Daß ich selig wie ein junges Mädchen war? ›Du …‹ stammelte es vor mir, unter meinen Händen hervor, auf denen ich seine Lippen spürte, und ich erwiderte ihm, wie einen Dank: ›Morgen, morgen – sollst du es wissen …‹

Arm in Arm gingen wir durch den Abend heim, das ›morgen‹ erwartend. Die Sonne kam, aber nicht der Freund. Er lag in seinem Zimmer, fiebernd. Man holte einen italienischen Arzt herbei, ein Männchen aus der alten Schule, das sich nicht zu helfen wußte. Mit Mühe schafften wir den Erkrankten im Wagen zur Station. Wir saßen im reservierten Abteil, sein Kopf hing matt auf meiner Schulter, und ich hielt seine fieberheißen Hände. In einer Stunde waren wir in Messina, ein Wagen erwartete uns am Bahnhof und brachte uns zum Hospital. Die Sonne ging unter …

Ich saß Tag und Nacht an seinem Lager und ließ mich nicht verscheuchen. ›Er hat zu wenig an[31] seinen Körper gedacht‹, sagte der Arzt, ›da hilft auch Chinin nicht mehr.‹ Der Kranke phantasierte. Er schuf ein Bühnenwerk und sprach Verse, die mich erschütterten. Dann fuhr er auf und legte mir den Arm um den Hals. ›Soll ich es dir kaufen, das Theater von Taormina?‹ – ›Ich habe es ja schon in Besitz genommen‹, und ich bettete ihn in die Kissen zurück. – ›Und mich, mich nahmst du auch in Besitz.‹ – ›Werde gesund,‹ bat ich, ›es wird Großes aus dir werden.‹ Und er antwortete sinnend: ›Wenn die Götter mich lieben – und ich früh sterbe – ein Dichter –! Ich weiß nicht, ob ich noch wünschen soll, gesund zu werden …‹ – ›Mein Dichter,‹ sagte ich und drängte die Tränen zurück. – ›Siehst du es,‹ meinte er, und in seinen Augen stand ein Licht, ›das bin ich geworden. Dein Dichter. Könnte ich noch mehr erreichen …?‹

In der Frühe, als die Morgensonne kam, starb er in meinen Armen. Er trug ein heimlich Diadem. Kein Mensch sah es als ich.«

Der Oberst erhob sich und trat ans Fenster. Er schob den Vorhang beiseite und blickte lange in die mondhelle Winternacht, in die klare, deutsche Landschaft.

»Frau Ella, nun möchte ich Ihnen auch ein Bild zeigen.«

Sie trat zu ihm, und ihr Blick flog über den stillen Gutshof, über die stillen Felder.

»Hier wurzeln Sie, Frau Ella. Haben Ihnen das die zehn Jahre pietätvoller Schwärmerei noch immer nicht gesagt?«

[32]

»Sie verstehen mich nicht, lieber Freund.«

»Ob ich Sie verstehe! Und Ihr Freund, der Dichter, hat Sie auch verstanden.«

»Ich glaube es.«

»Nicht so. Sondern wie ich Sie verstehe. Die Todesstunde schärft die Augen. Und als er sich mit seinen letzten Worten ›Ihren Dichter‹ nannte, fügte er in klarer Erkenntnis hinzu: ›Könnte ich noch mehr erreichen?‹ Gräfin, deshalb wollte er nicht gesund werden.«

»Weshalb …?«

»Weil er Ihres Wesens Kern kannte. Weil er wußte, daß bei Ihnen nach der Stunde poesievollen Schwärmens, nach der sich einmal jede Frauenseele sehnt, der Drang nach Betätigung, nach werktätiger Arbeit wiederkehren würde; daß die fröhliche Bohèmewirtschaft, zu der allein seine Natur veranlagt war, Sie trostloser gemacht haben würde, als die Gefangenschaft zuvor. Sie haben einen zu sehr auf Ordnung und Reinlichkeit gerichteten Sinn, liebe Gräfin. Der Farbenrausch des Südens hatte ihn nur benommen. Das klingt nüchtern. Aber es paßt zu unserer Landschaft. Und wir lieben diese Scholle in ihrer herben Schönheit, und wir lieben den geradblickenden, gesunden Schlag ihrer Menschen.«

»Oberst, Sie schätzen mich zu gering ein.«

»Nein, bei Gott nicht, und ich verehre Sie um Ihrer Treue willen nur noch mehr. Aber es ist die Treue, wie man sie einem schönen Gedicht aus der Mädchenzeit hält. Alle diese Bücher« – er wies[33] mit ruhigem Lächeln auf die Bücherreihen – »sollten Ihnen das Gedicht und die Freude an dem Gedicht wiederbringen. Fanden Sie das Glück wirklich in der abgeschiedenen Stille Ihrer Bücherei? Oder spürten Sie es im Sausen und Brausen, wenn die deutsche Gutsherrin auf kräftigem Fuchs über ihre Äcker galoppierte? Gräfin, betrügen Sie sich nicht ein ganzes, köstliches Leben hindurch mit einer Episode des Lebens. Man schlüpft nicht in ein Kleid, das einem nicht gehört. Man sprengt doch eines Tages die Nähte. Hierher gehören Sie, zu Frauen und Männern unserer Art. Ein Tröpfchen romantischen Blutes haben wir alle, und mich treibt es jetzt dazu, Ihnen trotz des Schattens, den Sie gegen mich kämpfen lassen, gerade in dieser Stunde auszusprechen: Ich liebe Sie mehr! Und ich will Sie glücklicher machen, als die Erinnerungen. Ich biete Ihnen kein Gedicht, ich biete Ihnen ein Leben.«

»Das bot er mir auch …«

»Nein, er bot Ihnen seinen Tod, ich Ihnen das Leben!«

»Kennen Sie das wehmütige Sprichwort, Oberst: ›Wen die Götter lieben, der stirbt jung‹?«

»So sollen die Götter mich mit ihrer Liebe ungeschoren lassen.«

»Nein, Oberst, Sie sind kein Dichter.«

»Gehört das zu den Forderungen, die Sie an Ihre Freunde stellen?«

»Sie verspotten mich.«

»Nur mich selber. Weil ich nur lernte, erst den Säbel, dann die Pflugschar führen. Denken Sie, ich[34] hielt das bis heute auch für Poesie. Aber da ich Anwartschaft darauf habe, steinalt zu werden – meine Vorfahren waren eine zähe Sorte und haben sich gewaltig ihres Lebens gefreut – so werden die Götter Taorminas wohl anders über meine Poesie denken. Gute Nacht, Gräfin, ich hole mir meinen Gaul selber aus dem Stall.«

Straff und aufrecht stand er vor ihr. Dann beugte er sich, küßte ihre Hand und ging hinaus.

»So warten Sie doch. Ich begleite Sie in den Stall.«

»Es ist ein ganz gewöhnliches Pferd, Gräfin, ohne Flügel. Aber dafür umso zuverlässiger.«

Von der Freitreppe aus sah sie, wie er sich in den Sattel schwang. Roß und Reiter verwuchsen in eins. Ganz feine Flocken tanzten. »Prachtvoll!« rief er zurück. »Das wird ein Ritt.« –

Als sie ins Haus zurückkehrte, blickte sie sich um. War es hier immer so leer? Sie ging in die Bibliothek, nahm ein Buch und setzte sich vor den Kamin. Nein, nicht lesen. Es war eine lebendige Stimme im Zimmer.

Sie stand auf und stellte sich ans Fenster. In der heimischen Winternacht sollten die Erinnerungen südlicher Sonnenstunden um sie sein. »Georg,« sagte sie vor sich hin, um seine Gestalt zu beschwören. Aber sie kam nicht. Sie sah nicht seine Augen, hörte nicht sein Lachen. Sie strengte sich an, das Dunkel zu durchdringen, zehn Jahre rastloser Gutsarbeit zu verscheuchen. Er kam nicht. Und vor wenigen[35] Augenblicken noch hatte sie von ihm erzählt, erzählt, wie man ein Gedicht erzählt, wie Mädchen erzählen. Nicht wie Frauen.

»Georg …«

Und Stunden hindurch stand sie am Fenster und wartete auf ein Gesicht, das nicht kommen wollte, das nicht kommen konnte, da die schwärmerischen Mädchenaugen, die es einst erschaut, auch nicht mehr waren …

Fernhin ein Klang, wie ein Liedklang …


Glänzend weiß lagen die Felder in der Morgensonne. Der Gutsherrin, die vom Tore aus Umschau hielt, fielen ein paar Worte ein vom gestrigen Tage. »Unsere Heimat ist die schönste.« – »Weil sie die stillste ist …« – »Im Winter. Damit wir Muße haben, abzuschließen und – neu zu erschließen.«

Lohnte sich das wirklich noch? ›Das Leben fängt dann an, wenn man es packt,‹ tönte es in ihrem Ohr. Ein Manneswort.

»Hallo, Friedrich, so früh? Ihrem Herrn geht es doch gut?«

Der Mann verhielt sein Pferd. »Der Herr Oberst haben die ganze Nacht geschrieben,« sagte er bekümmert. »Kein Bett angerührt.«

»Geben Sie her, was Sie für mich haben.«

Sie nahm dem Alten den Brief aus der Hand, ließ ihn stehen und eilte ins Haus. Ein Abschied? Nun zitterten gar die Hände. Dann riß sie das Kuvert auf. Lesen mußte sie doch.

[36]

Als sie das Blatt sinken ließ, standen ihr die Augen voll Tränen. »Mein Gott,« lachte sie, »mein Gott, wie fürchterlich! Ein – Liebesgedicht.« Und unter dem Gedichte stand in markigen Zügen: »Teuerste Gräfin, ist das schön? Oder ist das scheußlich? Und doch habe ich es, bevor ich das alles in diese vertrackten Worte zwang, wunderbar schön empfunden. Muß man Strophen drechseln können, um ein Dichter zu sein? Kommen Sie hinaus, auf die verschneiten Äcker. Dort liegt Gedicht an Gedicht. Und wer Augen hat, sie zu sehen, dem gehören sie, der ist ihr Dichter! Kommen Sie, Gräfin. Es ist ein Preiswettsingen. Ich stelle mich.«

Sie öffnete das Fenster, daß es klirrte.

»Johann, meinen Fuchs!«

Sie zog den Reitrock über und drückte den Hut auf die Flechten. Und noch einmal las sie die stolpernden Verse. »Nein,« lachte sie, »dafür lieben dich die Götter nicht. Aber die Menschen müssen dich lieben.«

Sie sprengte aus dem Tor und freute sich ihrer Kraft, mit der sie den Gaul in den Zügeln hielt. Der Schnee stiebte unter den eiligen Hufen. Fern an der Feldmark, die die Güter schied, gewahrte sie einen Reiter, der Ausschau hielt. Da setzte sich sein Pferd auch schon in langgestreckten Galopp. Und sie riß den Hut vom Kopf und winkte dem Reiter entgegen …


[37]

Giuditta Africana

[39]

Regungslos lag die See … Und regungslos das halbverfallene Städtchen, das hoch über ihr an der Felswand klebte, leeren Auges die Vergangenheit suchend. Unbewohnt stand die Hälfte der kastenartigen roten und weißen Häuser mit den abgeplatteten Dächern maurischer Bauart. Von der Sonne verblaßt, vom Regen zerfressen war die einst leuchtende Farbe. Die Geschlechter hatten sich nicht erneut zwischen den kahler werdenden steinernen Wänden, deren Quadern aus dem Felsenleib des einsam das Städtchen überragenden Sant’ Angelo gebrochen waren. Waren sie ausgestorben, so verfiel der Besitz. Wer wollte sich eine Last aufbürden! Sie hatten Platz genug in den eigenen Häusern, die immer weniger werdenden Einwohner von Positano.

Nur die Gärten kannten das Sterben nicht. Über saftgrün wucherndem Lorbeer und weißgesterntem wilden Myrtengebüsch hingen die Blüten des Granatbaums wie dunkelglühende Blutstropfen. Ein Zweigegewirr mischte sich träumerisch ein, niedergezogen von der Fülle reifender Zitronen, goldgelber Orangen. In schwärzlichem Grün zwischen ihnen strotzende Feigen und langgeschotet die Frucht des Brotbaums. Schon blühten die Rosen aus, aber wie grelle Teppichfetzen[40] zogen sich Geranienbehänge über die lockeren Steine der Gartenmauern.

Tiefblau und regungslos, in gleichmütiger Schönheit, spannte sich der Sommerhimmel über Verfall und Leben, tiefblau und regungslos, in gleichmütiger Schönheit, lag die See. Nur in den verworrenen Felsschluchten des Strandes und drüben, zwischen den kleinen Inseln, die so schweigsam über das Meer lugten, seltsam grüne Flecke zeigend. Als hätte sie eine ausbrechende Unterströmung zurückgelassen.

Auf der Terrasse des Gasthauses stand ich als einziger Gast und blickte in die scheidende Sonne. Fern winkte in stolzem Linienschwung die Silhouette Capris, näher heran, in violettem Duft, das Gestade Sorrents, zu meinen Füßen, von der Abendglut purpurn geküßt, die kleinen, schweigsamen Eilande. Der Sarazenenturm auf der mittleren der Inseln schien in Flammen zu stehen.

Nicht ein Laut in der Luft. Totenstille. Aber ein Glühen in der Luft, das das Blut fieberhaft erregte und matt niedersinken ließ.

Über die Terrasse kam schlurfenden Schritts der Wirt. Lässig hob er die Arme über sich und pflückte Mispeln zur Abendmahlzeit.

»Schirokko, Herr.«

»Ich spür’ ihn. Wann wird er zu Ende sein?«

»Wenn der Regen fällt, Herr.«

»Und wann fällt der Regen?«

»In zwei, drei Monaten. Die Madonna sorgt.«

»Ihr haltet das aus?«

[41]

»O –« machte der Alte und hob die Achseln. »Man wird’s gewohnt. Und dann: es ist viel afrikanisch Blut an der Küste. Das hält’s schon aus.«

»Afrikanisch Blut? Woher?«

Der Alte trat an die Brüstung. Mit ausgestrecktem Finger wies er auf schattenhafte Punkte die felsige Küste entlang.

»Sehen Sie, Herr? Sarazenentürme! Wie der da vor uns, der in der Abendsonne loht, da – auf den Galli-Inseln.«

»Es ist lange her, daß hier die Sarazenen als Herren hausten. Wer wird davon noch wissen?«

»Was macht die Zeit! In Positano wohnen Leute, die man heute noch die ›Afrikaner‹ nennt. Blut bleibt Blut. Das verläuft sich nicht.«

Er nahm sein Körbchen mit Mispeln auf, wischte sich noch einmal die glühende Stirn und schlurfte von dannen. Plötzlich blieb er stehen. Auch ich war aufgefahren. Beide horchten wir …

Dann wandte sich der Alte um und deutete zur Höhe. Eine längst verlassene Kapelle verfiel auf einem Felsvorsprung. Die Fensterhöhlen starrten ohne Glas aufs Meer. Und durch die Fensterhöhlen drang eine Stimme, die Fistelstimme eines alten Weibes, in den langgezogenen, schluchzenden Tönen eines Kirchenliedes. Die Stimme wuchs an zu leidenschaftlichem Anruf, zu sehnsüchtigem Schrei, und wieder erstarb sie in lang ausklingendem wimmernden Laut. Totenstille wie vorher. Die Stadt ohne Leben. Felsen und Meer schweigsam.

[42]

»Die verrückte Francesca,« lachte der Wirt.

»Weshalb ist sie verrückt?«

»Ja, Herr, weshalb? Die Madonna mag’s wissen. Es sind an die zwanzig Jahr’ – heut zählt die Francesca ihrer achtzig –, da kam das alte Weib und wollt’ einen Mord auf dem Gewissen haben. Und hat keiner Fliege was zuleide tun können. Sie war die Amme der schönen Giuditta gewesen, der ›Giuditta Africana‹, die den Männern von Positano ins Gesicht lachte, wenn sie ihr von Liebe sprachen, und die eines Tages mit einem blassen Deutschen auf und davon war. Herr, ein Weib! Sarazenenblut. Das verleugnet sich nicht. Sie können’s mir glauben, Herr.«

»Und die Francesca?«

»Die Francesca, ich sagte es schon, war ihre Amme gewesen und hatte auch nachher mit der Giuditta, die eine Waise war, zusammen gehaust. Erst dort oben, in dem alten maurischen Palast. Nachher im Sarazenenturm auf der Galli-Insel, weil die Giuditta keine Menschen wollte. Es war aber der Deutsche, Herr. An einem glühenden Sommertag – der Schirokko drückte wie heute auf Mensch und Tier – kam die alte Francesca in ihrer Barke herübergerudert. Dort unten, an der ehemaligen Marine, landete sie. Wie eine Wahnsinnige raste sie zum Pfarrer. Sie habe gemordet, die Giuditta, den Deutschen, was weiß ich, und die Leichen mit Steinen beschwert ins Wasser versenkt. Einen Brief trug sie bei sich, den las der Pfarrer. Und in dem Brief schrieb die Giuditta,[43] daß sie mit ihrem Geliebten weit, weit nach Norden sei und nie zurückkehre. Die Francesca aber schrie und tobte und klagte sich an, und da der Pfarrer der Verrückten keine Absolution zu geben vermochte, ist sie für immer aus der Kirche gelaufen. Wenn Schirokko ist, flüchtet sie sich in die baufällige Kapelle und versucht Totenmessen zu singen. Das klagt die ganze Nacht. Hören Sie! Jetzt! –«

»Und man hat nicht sofort nachgeforscht? Nicht nach Leichen gefischt?«

»Herr, die verrückte Alte! Da war doch der Brief. Und dann, Herr, es war Schirokko. Da reißt sich keiner um unnütze Arbeit. Die Giuditta hätt’ sich ins Fäustchen gelacht. Ein Weib, Herr!«

Und er schlurfte, selbstgewiß vor sich hinnickend, ins Haus.

Kreischend, wie der Schrei eines Falkenweibchens, das sein Junges sucht, zog das Totenlied der alten Francesca über die stumpf dahindämmernde Stadt, über die zerklüfteten Felsen und das schweigende blaue Meer, das seitwärts der Inseln, dort, wo der Turm in der Abendsonne zu brennen schien, in seltsamen kristallgrünen Flecken schwamm.

Und schnell wie ein Vorhang senkte sich jäh die Nacht.


Kaum, daß ich einem Menschen begegnet war den ganzen langen Tag. Auf dem Sant’ Angelo wollt’ ich die Sonne sehen, wie sie fern aus Kalabriens Gründen heraufkam, von Zacke zu Zacke sich schwang[44] und tief unten das Meer überschwemmte. Aber es war eine Erregung in mir, der ich keinen Namen zu geben verstand. Waren es die gigantischen Formationen, die bezwingenden Farben der süditalienischen Landschaft? War’s die Schirokkoluft, oder war’s die Vergangenheit, die aus Trümmern von Menschensiedlungen, aus Schluchten und Grüften groß und bannend die Augen aufschlug?

Niederzwingen, das erregte Blut bezwingen! An den Felsen klebend, mit Händen und Füßen das bröckelnde Gestein prüfend, tastend, kriechend, kletternd geht es mit hart klopfendem Herzen und perlender Stirn von Zacken zu Zacken, von Wand zu Wand. Starr blickt das Auge vorwärts auf den Stein, steif streckt sich das Knie, kein Zittern darf hindurch. Tiefer, tiefer hinab! Schon hör’ ich durch einen Steinkrater das Gurgeln der See, die sich verfangen hat. Ein Felsblock schiebt sich weit in das Wasser hinaus. Nun hab’ ich ihn! Ausgestreckt lieg’ ich auf der durchlöcherten Platte, auf der grüne Eidechsen, hin und her huschend, mit den Sonnenkringeln um die Wette spielen. Einsamkeit! – Und in die Einsamkeit hineingesponnen, greifbar fast aus dem Wasser zu mir auftauchend, dunkel und geheimnisvoll die Galli-Inseln. Der Sarazenenturm schaut herüber. Wir starren uns an …

Aber am Abend, schrill die lastende Stille der Versunkenheit durchschneidend, wieder das sehnsüchtige Geschrei der verrückten Francesca. –

Und der nächste Tag wie dieser. – –

[45]

Da bin ich hinaufgestiegen durch den dunkelvioletten Abend zu der verlassenen Kapelle, und die Erregung lief mit. In wildem Gebüsch bluteten Granatzweige. Ich schnitt sie ab und trug sie in der Hand. Wie die kühlen Blütenblätter beruhigten …

Die Totenmesse der Alten war beim leisen Wimmern angelangt. Durch das zusammengebrochene Portal sah ich den kauernden Körper. Die vorgestreckten Arme hielten eine schwere Kerze, deren Licht grell ein Gnadenbild beschien, halb von der schmutzigen Wand heruntergeblättert.

Noch einen tiefen Atemzug, und ich schritt hinein und sah mich nicht um nach dem aufschreckenden Weib und ging geradenwegs bis zu der Stelle, an der vor dem Freskobilde der Maria der Altar gestanden haben mochte. Es war Phantasterei, ich empfand es. Und doch mußte ich sprechen, als ob ich mit den lauten Worten ihrer ledig werden würde. Und die blühenden Granatzweige auf die Altarstelle legend, sagte ich laut in der Sprache des Volkes: »Zum Gedächtnis Giudittas und meines deutschen Bruders, die auf dem Meeresgrunde schlafen.«

Die Worte liefen an den Wänden und verhallten. Und dann brach ein Schrei hinterher, wie ich ihn nie vernommen, nicht vordem und nicht nachdem: Staunen, Glückseligkeit, Erlösung. Die Achtzigjährige war an mich herangekrochen und umklammerte meinen Arm.

»Sein Bruder seid Ihr? Herr, Herr, und Ihr glaubt es?«

»Sag es mir, Francesca.«

[46]

»Daß sie auf dem Meeresgrunde liegen? Daß sie tot und nicht geflohen sind?«

»Ich glaube es, Francesca, und nun sollst du ihnen Ruhe geben.«

»Ich habe sie gemordet. Ich bin nicht verrückt, wie der Pater sagt und der Bürgermeister und die Leute. Ich habe alles gewußt und nichts verhindert. Darum habe ich sie gemordet.«

»Du warst die Dienerin. Du mußtest gehorchen.«

»Ich – war – die Dienerin. Heilige Mutter, bitte für mich und meine süße Herrin, die in die Irre ging,« murmelten die welken Lippen.

»Du brauchst nicht mehr zu singen, Francesca. Deiner Herrin ist wohl.«

Verständnislos sahen mich die müden, entzündeten Augen an.

»Kennst du die Bibel, Francesca? In ihr steht ein Wort des Heilandes: ›Wer viel geliebt, dem wird viel vergeben werden!‹ Du kannst dich darauf verlassen.«

»Wißt Ihr denn,« flüsterte die Alte mit stockendem Atem, »wie sie starben? Wißt Ihr von der Giuditta Africana?«

»Du sollst erzählen, Francesca, damit ich alles weiß.«

Die Kerze, welche die Alte an eine Stufe gelehnt hatte, knisterte. Ihr Licht spielte in den Granatblüten, die wie Blutstropfen in den Zweigen hingen. Die Greisin sah hin. Ihre Augen weiteten sich.

»Da – da – da! – Blut –«

[47]

»Sieh genauer hin, Francesca. Die Blutstropfen haben sich in Blumen verwandelt. Für jede Schuld gibt es eine Verzeihung.«

»Es sind – Blumen,« sagte die Alte.

»Nun mußt du Ruhe geben. Dir – und den Toten.«

Scheu ging der Blick der Alten zu den Granatzweigen. Dann hing er an dem abgeblätterten Madonnenbild. Und jedes Wort, stockend oft, oft jagend, sprach sie zu dem Bilde. »Gnadenmutter, sie konnte nicht mehr selber kommen. Es gebrach ihr an Zeit, Mutter Maria, so glaub es mir. Ich weiß es und ich schwör’s. Aber sie war nicht ohne Beichte! Da sie dich nicht mehr sprechen konnte, schrieb sie dir. O, sie hatte es erlernt. Neige dich zu mir, Madonna, und nimm es in Gnaden an.«

Aus einer Fuge im Stein nahm sie ein paar verknitterte Blätter und hob sie empor. Dann sanken ihre Arme müde.

»Gib sie mir, Francesca. Ich werde es der Madonna sagen.«

Und ich las. Ungeschickte Worte, die wie das Gestammel eines Kindes klangen und die verzweifelnde Leidenschaft, die grimmige Seelennot eines Weibes in sich bargen. Worte, in einer Stunde niedergeschrieben, die das erste, jähe Erwachen bedeutet haben mochte. Angstrufe, herrisches Aufbäumen – mit seltsam weichen Erinnerungen gemischt, die wie aufblitzende Sterne gegen das Dunkel der Seele anzukämpfen suchten. Der Brief eines Wildlings an die ferne Madonna …

[48]

Wo das Gewebe sich wirrte, befragte ich die murmelnde Alte. Und immer lebendiger hob sich das Bild und fügte sich in den Rahmen. Von der Kerze tropfte das Wachs. Als der Docht erlosch, schwebten durch die leeren Fensterhöhlen die ersten feinen Schleier des jungen Tages.


In dem rotgestrichenen Hause, das man Palazzo nannte, weil es aus Steinquadern errichtet war, lebte die junge Giuditta, die man die ›Afrikanerin‹ nannte, wie man Vater und Großvater, soweit das Gedächtnis der Positaner reichte, mit dem Beinamen die ›Afrikaner‹ bedacht hatte. Ob einer der Voreltern Giudittas, die von Vater auf Sohn das Mittelmeer befahren hatten, einst eine Frau der afrikanischen Küste mit heimgebracht, ob vor Jahrhunderten, als afrikanische Piraten die italienischen Gewässer beherrschten und ihre Raubnester von Sizilien bis Ligurien an die Felsen klebten, ein Sarazene das Geschlecht zurückgelassen, keiner wußte Genaues zu sagen. Nur Giuditta wußte es. Ihre Amme Francesca hatte, als die Mutter jung am Fieber zu Grunde gegangen und der Vater zwischen den Riffen bei Tetuan gescheitert und ertrunken war, das eigenwillige Kind mit alten Sagen zur Ruhe gebracht. Und die kleine Elternlose kannte ihre Macht über die Amme und Pflegerin, die mit schwärmerischer Verehrung an dem jungen, schönen Geschöpfe hing, das so schnell zu befehlen verstand.

[49]

»Erzähle mir, daß ich eine Prinzessin bin. Was in der Schule neben mir sitzt, sind Lümmel, und ich will nichts mit ihnen zu tun haben.«

»Mein Prinzeßchen hat recht. Es sind schmutzige Rangen, und es gab einmal eine Zeit, da sie flugs die Mützen herunterrissen, wenn sie nur dies Haus von weitem sahen.«

»Aber mein Vater war ein Seemann.«

»Was tut’s? Seine Vorfahren waren Könige der See. Sie kamen aus dem Lande der Mittagsonne und hatten Feuer im Blut. Herren waren sie, und die Positaner ihre Diener, die ihnen die Schuhe küßten.«

»Ich habe auch Feuer im Blut,« murmelte das Kind, und dann preßte es die Lippen aufeinander.

»Die Positaner,« fuhr die Amme fort, um dem schönen Eigensinn zu schmeicheln, »waren Sklavenseelen, die sich von Päpsten und Fürsten Gesetze geben ließen. Deine Vorfahren aber waren freie Häuptlinge und gaben sich selbst Gesetze nach ihrem Willen.«

»Das will ich auch.«

»Sie wählten sich nur Königinnen zur Frau.«

»Und ich will einen König! Hörst du, Francesca? Und wenn ich auf meinem Schlosse sitze, sollst nur du meine Hofdame sein.«

»O du süße Seele! Und was werden die Leute von Positano sagen?«

»Laß sie schimpfen.«

Und die Leute von Positano schimpften. Denn stolz und herrisch schritt die kleine Giuditta durch[50] die Reihen ihrer Altersgenossen, ohne einen Blick nach rechts und links, und nur wenn ein alter Fischer, überrascht von der seltenen Schönheit des Kindes, unwillkürlich nach der Mütze fuhr, fand sie ein Lächeln, dessen Zauber die Menschen in Banden schlug. Zuletzt ließ man sie gewähren, da sie mit ihrer alten Dienerin wenig aus dem Hause ging, es sei denn in ihren Limonen- und Olivengarten, von dessen Ertrag sie lebten. Nur wenn die Aveglocke erklungen war und bald darauf kaum ein Mensch noch in dem stumpfen Städtchen wachte, huschten Herrin und Dienerin an den Strand der ehemaligen Hafenbucht und blickten lange hinüber nach den märchenhaften Inselgebilden mit dem trotzigen Rundturm. Und wieder, im Flüsterton, mußte die Amme erzählen, und ihr bißchen Hirn entzündete sich an den glänzenden Augen des heranwachsenden Mädchens, das, die Hände um die Knie geschlungen, in den Steinen neben ihr saß, bis sie die Wahrheit ihrer Erzählungen hätte beschwören können.

Wenn der Schirokko aus Südosten kam, saßen sie die ganze Nacht. Dann fieberte das Blut Giudittas, daß sie meinte, wilde Piratenschiffe auf der leuchtenden See zu erblicken. Todmüde kehrten sie in der Frühe heim. Und wenn der Septembersturm durch den Golf fuhr, daß die Wellen brausend über den Strand glitten und gierig in den Schluchten an der Felswand fraßen, wenn die See fernhin auf der Höhe in weißen Kappen sprang und tanzte, daß die Boote, die heimwärts arbeiteten, in tollem Wechsel[51] aufgesogen und ausgespieen wurden, saßen sie nicht minder in Wind und Wetter, und Giudittas Mund grüßte durch Rauschen und Brausen hindurch jauchzend den Starken, der Boot und See zu zwingen verstand, und hatte ein verächtliches Zucken für den Feigen und Ungeschickten. Dann glaubten die Kühnen, es mit ihrer Liebe wagen zu können, aber wenn sie ihr unter die Augen traten und ihre wohlgesetzte Rede begannen, lachte sie ihnen ins Gesicht: »Nimm dich in acht, daß ich dich nicht verbrenne!« und wandte den Rücken.

»Sie hat im Schirokko gesessen,« sagten die Klugen Positanos bedeutungsvoll, und die noch Klügeren sagten nur: »Giuditta Africana« und machten dazu eine Gebärde.

Über zwanzig war Giuditta alt geworden, und wenn die Frauen der Südküste in diesen Jahren hastig alterten und verblühten, ihre Schönheit wurde wie zum Trotz gewaltiger und leuchtender. Groß war sie gewachsen, schlank und voll. Auf dem mattglänzenden Halse, den rote Korallen schmückten, trug sie den schmalen Kopf mit dem dunkeln, im Nacken schwer verknoteten Haar, auf beiden Seiten von einer einzelnen tiefroten Koralle gehalten. Wenn sie die langen Wimpern hob, sah man in ihren Augen ein stolzes geheimes Feuer. Aber selten nur flammte es nach außen. Es war, als ob es nach innen gerichtet sei. Längst schon wagten die Burschen Positanos nicht mehr, sie mit Liebesgedanken zu verfolgen, wenn sie, weißgekleidet, mit schnellem leichten Schritt durch die[52] Gassen kam. Die Altersgenossen waren früh verheiratet, der Nachwuchs gestattete sich nur scheue Bewunderung. Man hielt sie für gelehrt, da sie zu Hause Bücher las und das Schreiben erlernt hatte.

Und eines Abends spät kam die große Überraschung.

An einem Septemberabend war’s. Die Aveglocke war verklungen, und die Bewohner Positanos hatten ihre Häuser geschlossen. Giuditta saß allein zwischen den Felsen am Strand, denn die Alte plagte sich daheim mit einer Erkältung. »Sturm«, sagten ihre Lippen, aber sie selbst blieb regungslos. Sie blickte auf die See, die in der Ferne zu tänzeln begann. Sie sah es deutlich an den huschenden weißen Lichtern, die immer schneller wiederkehrten. Dann kam es näher, und die erste Dünung zog, bei flauem Winde noch, über die glatte Meeresfläche der Bucht. Für Sekunden Ruhe. Dem Winde war der Atem ausgegangen. Und plötzlich – hui – pfiff es aus Nordwest, daß die Felswand Echo gab, und nur des Signals gewärtig, warf das blaue Meer Farbe und Zahmheit ab, wandelte sich zu tiefem Schwarz und giftigem Grün und erfüllte sein Becken mit heiserem Grollen.

Aus der Richtung der Galli-Inseln arbeitete sich ein Boot heran. Es mußte weiter herkommen, vielleicht von Capri, denn die kleinen Inseln waren um diese Zeit unbewohnt. Auch hätte man dort den heraufziehenden Sturm bemerken müssen. Mit ungestümer Kraft legten sich die beiden Ruderer in die[53] Riemen. Das Segel war eingezogen, wohl zur rechten Zeit. Und aufrecht an dem dünnen Mast stand ein Mann, ein Fremder der Tracht nach. Giuditta hatte es mit scharfem Blick erkannt.

Sie war aufgesprungen und ließ ihr weißes Tuch flattern. Schon kämpfte die Dunkelheit das letzte Dämmer nieder.

»Hier – her!« schrie sie durch die hohle Hand. »Hier! – Hier! – Hier! …«

Einen Augenblick standen die vier Ruder wagrecht über dem Bootsrand. Dann schoß das Boot mit einer jähen Wendung auf den einstmaligen Hafenplatz zu. Der Fremde an der Maststange hatte wohl einen Befehl erteilt.

Giuditta kannte die seichte Stelle zum Landen. Ausladend genug, um vor den gierigen Klippen zu bewahren. Auf flüchtigen Füßen sprang sie hin. Der Wind riß ihr das Kopftuch in den Nacken. Sie ließ es. Wie aus Stein gehauen, weit vornübergebeugt, jede Sehne gespannt, stand sie und erwartete das Boot.

Da kam es heran, von wütenden Wellen verfolgt. Mit letzter Kraft hieben die Ruder, weit vorgreifend, in Ufersand und -gestein. Und Giuditta packte mit klammernden Fäusten die Spitze des Kahns.

Was war das? Fast hätte sie losgelassen, und noch war der Fremde im Boot.

Ein Lachen schlug an ihr Ohr, ein Lachen, so sündhaft übermütig, wie sie es nie für möglich gehalten. Und dann eine Stimme, in schlechtem Italienisch:[54] »Druff, druff! Heilig Kreuz, ist die Attacke schon zu End’?« Ein Husten, und die Stimme brach ab.

Der Fremde stand neben ihr, groß, hager, mit hellem, wehendem Schnurrbart in dem eingefallenen Gesicht, in dem die jungen, blaublitzenden Augen einen seltsamen Kontrast schufen. Erst dehnte er die Arme und Beine, um die steif gewordenen Gelenke geschmeidiger zu machen, dann trat er näher und klopfte dem Mädchen unbefangen die Wange.

»Gut gemacht, gut gemacht – ah, Pardon!«

Ein flammender Blick hatte ihn getroffen. Eine Sekunde nur. Und Giuditta wandte gleichmütig den Rücken und stieg den Steinpfad hinan.

»Stillgestanden!«

Unwillkürlich hielt sie den Schritt an. Da war er bei ihr, den Hut in der Hand.

»Verzeihung, mein Fräulein,« sagte er ernsthaft. Und sie sah ihm in die Augen und sah, daß die Augen lachten. »Ich habe Ihnen zu danken, daß Sie mich von der Verantwortung für diese beiden wackeren Capreser Familienväter entbunden haben. Machen Sie das Maß voll und weisen Sie uns eine Herberge. Das scheint hier ja ein gottverlassenes Nest zu sein.«

»Und für sich – danken Sie nicht?«

»Später,« sagte er kurz, »erst die Herberge.«

Die Fischer hatten ihr Boot auf den Strand gezogen, es angepflockt und traten mit dem Gepäck heran. Da ging sie stumm vorauf. Nur der Fremde blieb neben ihr und plauderte. Der Nachmittagsdampfer[55] von Capri nach Sorrent war ihm vor der Nase auf und davon gegangen. Kein Unglück weiter. Die Capreser Barkenführer wollen auch leben. So konnte er statt Sorrent gleich Positano erreichen. Man hatte es ihm empfohlen wegen des weichen und warmen Winterklimas. »Ich seh’ danach aus, was?« Da streifte sie schnell seine elastische Figur. »Unterwegs ging der Tanz los. Ein Kontertanz. Wechselt die Damen! Herrgott, war das schön! Und lustig obenein. Das Blut wurde aufgerüttelt – es war nämlich seit einem halben Jahr eingeschlafen – und man spürte den alten Adam wieder! Gekreuzt hin und her, aus dem Kurs geschlagen, wieder hinein, das knallende Segel beigeholt und dann mit Muck und Spuck in die Ruder! Ihre Landsleute, mein Fräulein, alle Achtung, hielten sich tapfer. Nur lachen wollten die Kerle nicht, wenn’s mit Heidi nach unten und mit Hallo nach oben ging. Na ja, ist auch kein Vergleich. Mein sogenanntes Leben –«. Er pfiff durch die Zähne.

Die Herberge war dunkel und verschlossen. Kein Mensch zeigte sich auf das starke Klopfen.

»Ob es erlaubt ist, die Tür einzuschlagen? Ich bin in den Landessitten noch unbewandert.«

»Kommen Sie,« sagte Giuditta.

Sie bog von der Straße ab zu dem einsamen steinernen Haus, in dessen rotem Anstrich der Regen fahle Striemen zog. Auf der Diele entzündete sie eine bereitstehende Kerze. Dann öffnete sie eine Tür zu einem leeren Gemach.

[56]

»Hier können die beiden Männer schlafen. Decken habe ich nicht. Ihr müßt euch schon die Jacken über die Ohren ziehen.«

Bereitwillig streckten sich die beiden auf den Fußboden. Sie schliefen fast im Stehen.

Giuditta ging die Treppe hinauf, und der Fremde folgte. Vor einer Tür zögerte sie. Dann drückte sie entschlossen die Klinke nieder.

»Hier!«

Der Gast schaute sich verwundert um.

»Entschuldigung, das scheint mir – Ihr eignes Stübchen zu sein. Da muß ich protestieren.«

»Hier ist mein Haus!« sagte sie herrisch. »Gute Nacht.«

Er lachte in sich hinein. Und plötzlich, bevor sie die Tür schließen konnte, stand er neben ihr.

»Ich versprach Ihnen meinen Dank –«

Nichts hörte sie mehr. Nur seinen Mund fühlte sie auf ihren Lippen. Bevor sie schreien, bevor sie aufatmen konnte, war die Tür im Schloß. Und als sie mit wildem Herzschlag weiterschritt, krampfhaft suchend, was auf der Stelle tun, kam ihr nur immer der eine Gedanke: ›Gut, daß er nicht gemerkt hat, daß ich nur dies eine Zimmer habe. Dies und die Kammer der alten Francesca. Und daß ich nun wie eine Magd auf dem Fußboden schlafen muß …‹

Aber sie schlief nicht. Sie horchte nur immer hinüber nach ihrem Zimmer, mit finsterem Gesicht. Und dann ertappte sie sich, wie sie lachte.

»Pirat, der! – Wenn ich ein Mann wär’!« –

[57]

Die Capresen hatten schon in aller Morgenfrühe das Haus verlassen. Der Lohn war ihnen vorherbezahlt samt Trinkgeld. Da hielt sie nichts, ohne Addio heimzusegeln.

Giuditta wartete vergebens, daß ihr Gast sich erheben möchte. Sie hatte der alten Francesca Bescheid gegeben, und die Alte war spornstreichs aus den Federn geschlüpft.

»Weshalb hast du mich nicht geweckt? Madonna, welch ein ungezogener Engel! Und die eigne Kammer? Was? Mein Prinzeßchen hat im Saal geschlafen? Auf der blanken Diele? Warte, ich treibe den Unhold hinaus.«

»Höre, Francesca, ich glaube, er ist krank. Er muß sich bei dem Unwetter erkältet haben.«

»So soll er sich eine Kutsche nehmen, bis er die Eisenbahn hat, und nach Neapel reisen. Hier ist keine Herberge.«

»Nein,« sagte Giuditta, »hier ist mein Haus.«

Da duckte sich die Alte und haschte nach ihrer Herrin Händen.

»Nicht böse sein, Herzchen, nicht böse sein. Wir wissen doch, was wir Gästen schuldig sind. Wir waren Könige.«

»Siehst du nun,« sagte Giuditta, und ihre Augen gingen ins Weite.

Drüben aus der Kammer drang ein Geräusch, ein Husten. Und die beiden Frauen standen vor der Tür und horchten … Noch einmal erscholl der Husten, trockener, quälender. Da gab Giuditta der[58] Amme ein Zeichen, und die Alte pochte leise an die Tür.

»Ruhe, Johann!« schnarrte es drinnen in deutscher Sprache.

Da nickte Giuditta zum zweiten Male mit dem Kopfe, und die alte Francesca schlüpfte lautlos in das Zimmer. Wenige Minuten, und sie kehrte zurück.

»Komm in die Küche, mein Seelchen, wir wollen Kräuter kochen.«

»Was ist es?«

»Es sitzt auf der Brust. Wenn du das Ohr auf sein Herz legst, hörst du eifernde Stimmen.«

Drinnen erschollen die fremden Laute. Kommandoworte – Lachen – ein Fluch. Giuditta beugte sich vor, mit blassem Gesicht. »Wie er befehlen kann!«

Die Alte rüttelte sie am Arm. »Was willst du noch hier?«

»Ich möchte die eifernden Stimmen hören. Wenn man das Ohr auf sein Herz legt, sagst du?«

»So verträume die Hilfe. Ich gehe jetzt.«

Da ging sie mit und war tätiger als die Alte. Aber mit halbgeschlossenen, nach innen gerichteten Augen. Das Feuer loderte auf dem Herd, das Wasser im Kupferkessel brodelte, stechend zog der Dampf der aufgebrühten Kräuter durch das Haus. Die Amme hinter sich, betrat Giuditta das Zimmer des Kranken. Der lag mit aufgerissenen, unruhig suchenden Augen, die nichts erkannten. Schweiß perlte auf seiner Stirn, noch eingefallener erschien das Gesicht.

[59]

»Guten Morgen,« sagte Giuditta, und dann nahm sie, als keine Antwort erfolgte, ihr Tüchlein aus dem Busen und wischte die Stirn des Kranken trocken. »Still,« sagte sie wieder, und legte ihm die kühlende Hand fest auf die Augen. Dann brachte sie den freien Arm unter seinen Kopf und hob ihn sacht empor. »Trinken – jetzt!« Die alte Francesca hielt ihm die Tasse an die Lippen. Er trank. Und behutsam bettete sie ihn zurück in die Kissen ihres Mädchenbettes.

Die Alte winkte ihr, und sie trat mit ihr an die Tür.

»Sein Puls fliegt, mein Täubchen. Er wird uns unter den Händen davongehen.«

»Nein! Er soll leben! Ich will es!«

»Die Madonna mög’ helfen. Ich will neue Medizinen kochen.«

Giuditta war mit ihrem fiebernden Gast allein. Sie stand aufrecht am Kopfende des Bettes und sah ihn an. Er war in Schlummer gefallen. ›Wenn ich ihn rette, gehört er mir,‹ ging es ihr durch den Kopf. Oder – ›ich kann ihn nicht sterben lassen, weil er mich geküßt hat.‹ Der Kranke lachte im Schlaf. Sie zog die Brauen zusammen. ›Was in ihm vorgehen mag …?‹ Ganz blaß wurde ihr Gesicht. Ein Beben ging durch ihre Hände. Und plötzlich beugte sie sich nieder, hob das Leintuch von der Brust des Kranken und legte ihr Ohr auf die Stelle …

Langsam richtete sie sich auf, ein wenig nur,[60] ihr Gesicht dicht über dem Schlummernden. Dann schloß sie fest die Augen und legte, leise tastend, die Hände weich um seine Wangen. Und mit festgeschlossenen Augen beugte sie sich vor und küßte ihn.

»Gut gemacht,« lallte der Fremde, »gut gemacht.« Und er hob die Arme und streichelte schwerfällig ihr Haar.

Dieselben Worte, die er ihr zugerufen hatte, als er aus dem Kahne sprang. Dieselbe Bewegung fast. Heute ließ sie Worte und Berührung über sich ergehen. Sie lächelte.

Und eine Woche ging hin. Giuditta war nicht aus dem Zimmer gewichen. Wenn der Schlaf sie übermannte oder die alte Amme sie zur Ruhe zwang, genügte ihr ein notdürftig Lager in einer Ecke der Kammer. Beim leisesten Geräusch, das der Kranke verursachte, sprang sie auf. »Es geht nicht ohne mich.« Tag für Tag legte sie ihr Ohr auf seine Brust und ihre Hände um seine Wangen. Minutenlang. Aber geküßt hatte sie ihn nicht wieder.

Eines Morgens schlug er ruhig die Augen auf. Aufmerksam betrachtete er seine Umgebung und besonders prüfend seine Pflegerin.

»Wie heißen Sie?«

»Giuditta.«

»Was tun Sie hier?«

»Ich bin in meinem Hause.«

»Pardon. War ich krank?«

Sie nickte.

[61]

»Demnach habe ich Ihnen wohl zu danken? Na, dann komm mal her, mein Mädchen.«

Sie verschränkte die Arme über der Brust und lächelte, wie man ein Kind belächelt.

Er hielt den Blick aus, wurde rot, dehnte sich und sagte: »Donnerwetter, ist das eine gemütliche Klappe.«

Gleich darauf war er wieder eingeschlafen.

Mit über der Brust verschränkten Armen stand sie noch, als die alte Francesca eintrat.

»Ist er aufgewacht?« flüsterte sie.

»Er ist gerettet.«

Die Alte wollte verschwinden. »Ich will eine Fleischbrühe richten.«

»Höre, Francesca.« Und die dunkeln Augen groß und fest auf ihre alte Dienerin richtend, sagte sie, jedes ihrer Worte ruhig betonend: »Er – gehört – mir!«

Das hatte die Alte nie im Leben vergessen. – –


»Also meinen Namen wollen Sie wissen? Warum? Das zerstört nur das Märchen.«

»Aber ich muß Sie doch nennen, anrufen können.«

»Das leuchtet mir ein. Ich bin der arme Heinrich.«

»Hein–rich? Das ist schwer. Wie würde man bei uns sagen?«

»Enrico, meine verehrte Giuditta.«

»Weshalb nennen Sie sich den ›armen Enrico‹?«

»Weil vor fast tausend Jahren ein Namensvetter von mir, der auch in seiner Jugend so fröhlich gewesen[62] war, daß sein leiblicher Mensch einen Knacks bekam, wie ich dieselbe Straße zog. Gen Salerno, jenseits der Bucht. Dort sprach ein berühmter Arzt zu ihm: ›Wenn sich ein reines Mägdlein dir zum Opfer bringt, wirst du ewig leben.‹ Das ist die Historie vom armen Heinrich.«

»Fand er solch ein Mädchen?«

»Mein Namensvetter war schlauer als ich. Er hatte es sich gleich mitgebracht.«

»Armer Enrico,« spöttelte sie.

»Meinen Sie – mich? Hierher! Hiergeblieben! Na, warten Sie, wenn ich erst auf die Beine komme.«

Wieder ging draußen ein Sturm. Er pfiff über das Meer und verfing sich wütend brüllend in den Felsen.

Sie saßen sich am Tisch gegenüber, die Lampe zwischen sich. Seit wenigen Tagen war er auf.

»Bei solchem Unwetter landete ich,« sagte der Genesende.

»Das taten meine Vorfahren auch, wenn sie als Sieger kamen.«

»Werd’s mir merken.« Er schaute sie unter der Lampenglocke an. »Übrigens – Ihre Vorfahren?«

»Waren die Herren Positanos. Die alte Francesca weiß es, und ich weiß es. Man nennt mich daher noch ›Giuditta Africana‹.«

»Aha – Piratenblut. Damit kann ich auch aufwarten.«

»Erzählen Sie, Herr Enrico.« Sie rückte den[63] Stuhl näher an den Tisch und stützte das Kinn in die Hände.

»Was denn? Einen Schuß Banditenblut haben wir alle in den Adern. Das ist wie Heimweh. Na, und ich? Ich fand auf unserm Schloß –«

»Schloß –?«

»Keine Angst. Es bricht bald zusammen. Unter der Last der Hypotheken nämlich. Also auf diesem unserm Schloß an der Ostsee, hoch droben im Norden, las ich in alten Urkunden, daß meine Vorfahren gar wacker als Piraten zur See gefahren waren, wie der Blitz bald hier, bald dort einschlagend. Es war eine erlauchte Gesellschaft. Die Blüte des Adels, selbst Herzöge und Fürsten darunter. Man nannte sie die ›Vitalienbrüder‹. Nachher wurde eine Banditenbande daraus, welche die Küsten von Freund und Feind brandschatzte und nur den eigenen Magen kannte. Hoho, mein Fräulein, aufzuwarten! Ich habe die Ehre!«

Die Arme aufgestützt, den Kopf in den Händen, saß sie und sah ihm auf die Lippen.

»Das ist wie ein verwandtes Blut,« sagte sie langsam.

»Richtig. Normannen und Sarazenen, wer kennt sich da aus! Sizilien und die ganze italienische Küste – überall Spuren gemeinsamer Tätigkeit. Normannen und Sarazenen. Sarazenen und Normannen.«

»Und Sie, Herr Enrico – sind Sie ein Seeheld?«

[64]

»Ich bin der arme Heinrich, der ein Mädchen sucht.«

»Antworten Sie ernsthaft.«

Da schlug er auf den Tisch.

»Nichts bin ich, nichts, nichts!« Und seine Augen blickten grimmig auf die geballte Faust. Giuditta rührte sich nicht in ihrer Stellung. »O ja,« lachte er auf, »einst, als ich die Welt erobern wollte, da saß ich auf meinem Rotschimmel, und hinter mir zog meine Schwadron. Dragoner, Mecklenburger Jungens. Der Trompeter bläst. Das Signal: Galopp! Und heisa heidi über die Brachäcker, daß uns die Erdklumpen um die Ohren sausen! Herrgott, hab’ ich in den Sturm hineingeschrien wie so ein alter Erobererkönig. Hat sich was! Eines Tages stach es mich beim Schreien in die Brust. Zu fröhlich gelebt, sagten die Ärzte. Als ob man anders leben könnte! Resultat: Dienst quittiert, auf nach dem Süden. Schluß: der arme Heinrich.«

Er brütete finster vor sich hin. Dann hob er den Kopf und begegnete dem Blick des Mädchens.

»Was haben Sie sich da aufgelesen, Giuditta! Strandgut –«

»Der Strand gehört mir.«

»Und was Sie finden?«

»Behalt’ ich.«

»Scherze nicht. Du bist zu schön dazu.«

»Ich behalt’ es.«

Er stand auf, rasch, elastisch. Und sie wie er. Dicht voreinander standen sie und maßen sich. Blaß,[65] mit glühenden Augen. Und langsam rötete sich bei beiden die Stirn, weil einer des andern zitterndes Lächeln sah. Da umschlangen sie sich und ließen sich nicht aus den Armen. –

Die Leute von Positano zischelten, wenn die beiden vorübergingen. Aber der deutsche Herr hatte eine so absonderliche Art, um sich zu blicken. Da ließen sie es. »Giuditta Africana,« sagten sie achselzuckend.

Aber Giuditta mochte die Menschen nicht, wenn sie sie auch übersah. So groß und gewaltig wuchs sie in ihrer Liebe, daß es in ihr nach der Einsamkeit der Großen verlangte. Und ihr Blick schweifte wieder und wieder zu den einsamen Galli-Inseln und heftete sich an den Sarazenenturm.

Es kam kein Winter in diesem Jahr. Im Dezember reiften die Orangen in den Gärten. Im Januar begann das Rosenblühen. Blau spannte sich der Himmel über das blaue Meer. Und die warme Luft war voll von Düften.

Giuditta stand in ihrem weißen Kleide, Korallen um den mattglänzenden Hals und zu beiden Seiten des schweren dunklen Haares. In ihren Augen war die Freude.

»Sag dem Haus ein Addio, Enrico. Wir beziehen unsere Sommervilla!«

»Willst du mich entführen? Gleich ist es Nacht.«

»Fürchtest du dich?«

»Mit dir in die Hölle oder ins Paradies.« Und er legte die Arme um ihren Leib und küßte sie, als sei es das erste Mal.

[66]

»Ins Paradies! Komm!« Und endlich entwand sie sich seiner Unersättlichkeit.

Er ging mit ihr, durch die menschenleeren Gassen, an den verfallenen Häusern vorbei. Immer weiter hinunter, bis sie an den verlassenen Hafen kamen. Er fragte nicht. Er hielt nur ihren Arm in den seinen gepreßt. An einer beladenen Barke trafen sie die alte Francesca. Die grüßte das schöne Paar tief wie ein Königspaar. Der Himmel war übersät mit silbernen Sternen.

Wortlos nahmen sie, ein jedes auf einer Bootsbank, Platz. Dann griffen die Ruderblätter tief ein.

Und als nach heißer Fahrt die Inselküste vor ihnen aus dem Meer sich hob und die Mauern des Sarazenenturmes aus dem Dunkel sich lösten, ließ Giuditta ihre Ruder über dem Wasser schwingen, lehnte sich zurück und begann ein Lied. Zum ersten Male, daß sie sang. Eine wilde, ergreifende Melodie. Die zog auf breiten Schwingen über das Wasser, umflatterte den harrenden Turm und legte sich über den Strand, auf den das Boot auffuhr. Es war wie ein großes, wunderbares Geheimnis.

Sie schritten über den Strand und betraten den Turm. Zwischen den Mauern, über dem Schutt, war ein Nest hergerichtet. Notdürftig zwar, aber genügend, um Schutz zu gewähren. Ein alter bunter Teppich deckte den Boden. Durch die fensterlose Turmluke, die wie der Eingang durch eine Wolldecke zu sperren war, schwebte die weiche, laue Nachtluft und der Sternenschein. Unaufhörlich sang das Meer.

[67]

»Nimm Besitz, Enrico. Das ist unser Reich. Dort in der Holzhütte schläft unser Hofstaat, Francesca. Wir brauchen das Dach nur zur Nacht. Am Tage haben wir den Sonnenhimmel zu Häupten und zu Füßen die blühende Insel. Sprich ein Wort, ob du zufrieden bist.«

»Ja, nur ein Wort: – Giuditta!«

Und sie in seinen Armen: »Mein Enrico … Mir gehörst du!«

Früh mit der Sonne durchstreiften sie ihr Reich. Oft eng aneinandergeschmiegt, oft wie ausgelassene Kinder sich jagend und haschend. Auf jedem Punkte, der neue Aussicht bot, hielten sie an und schrien auf vor Entzücken. Mit jedem Baum, jedem Strauch, mit der ganzen Blütenwildnis umher machten sie feierlich Bekanntschaft. Auf einer Steinplatte, die sich über das Meer hinausreckte, lagerten sie eng verschlungen, den Blick auf die hochgeschwungene Silhouette Capris gerichtet, oder südwärts, in der Richtung, in der sie Salerno wußten.

»Dorthin mußte der arme Heinrich, Giuditta. Ich konnte mir den Weg sparen. Hoho! Ich bin gesund!«

»Ruhig, ich bin dein Arzt!«

»Mein Mädchen bist du! Aber her nur mit deiner Medizin.« Und sie jubelten über die See.

Alle zwei, drei Tage, wenn es Abend wurde, kam ein Boot zu ihnen herüber und brachte Trinkwasser und die wenige Ware, deren sie benötigten. Die alte Francesca schwatzte mit dem Mann, nachdem sie ihm[68] für die Fahrt eine Silberlira gezahlt. »Es ist ein ›Afrikaner‹,« sagte Giuditta, »aus der Sippe der Francesca. Er tut es gern.«

Während die Alte in den Morgenstunden das Hauswesen besorgte, sprang das junge Paar von geschützter Stelle in die See, schwamm spielerisch hinaus oder rund um die kleine Insel. Nachher lagen sie in der Sonne. Wurde es heißer, so suchten sie den Schatten der Bäume oder die runden Höhlen, die das Meer in den Fels gewaschen. Von hier aus warfen sie die Angel, meist aber träumten sie Schulter an Schulter, glücklich, daß sie ihr Beisammensein fühlten, und merkten nicht, wenn ein Fisch an den Köder ging. Und in dem seligen Nichtstun erstarkte der Mann, seine Brust war gesundet, und zuweilen schon blitzte es wie Tatendrang aus seinen Augen. Giuditta aber dachte an nichts als an die Stunde, die um sie war.

»Du gehörst mir, Enrico.«

»Du hast mir das Leben doppelt geschenkt, mit dem Glück die Gesundung.«

»Wenn ich mein Ohr auf deine Brust lege, höre ich nichts mehr von eifernden Stimmen.«

»Tust du das?«

»Jede Nacht.«

Und immer schöner wurde der Frühling, und immer stärker entfaltete sich das Leben. Wenn sie auf der überragenden Steinplatte saßen und über das Meer blickten, sahen sie die Dampfer, die den Strom der Fremden nach Messina und Palermo führten, die[69] großen Segler, die von der afrikanischen Küste nach Neapel und Livorno strebten. Oft war die Ferne erfüllt von kleinen Booten, welche die Frühjahrsgäste Capris bis nach Sorrent spazieren fuhren. Und die Fischerflottillen aller kleinen Küstenstädte der Runde standen am Horizont wie lange schwarze Striche, umglitzert von der Sonne, die sich in den weißen und roten Segeln fing. Heimlich dehnte der Deutsche die Arme. Die Kraft wurde überschüssig. Einmal sie wieder erproben, einmal nur …

Neben ihm, die Hände unter dem Haarknoten verschränkt, lag Giuditta, mit großen Augen in die Sonne blickend. Er sah das ruhige Atmen des schlanken, frauenhaften Körpers. Er sah das stille Lächeln des Glücks um ihren Mund. Und er ließ die sich dehnenden Arme leise sinken.

»Höre, Giuditta,« begann er an einem Abend, während die alte Francesca mit dem ihr verwandten Fischer aus Positano am Landungsplatze plauderte, »wer bestreitet denn eigentlich den Haushalt?«

Sie sah ihn überrascht an.

»Das ist Frauensorge. Nimm fürlieb.«

»Oho! So schüttelst du mich nicht ab. Du willst doch nicht, daß ich mich vor dir schäme?«

Sie sah ihm noch immer in die Augen wie in einem jähen Schreck.

»Was dein ist und was mein ist, darin weiß ich keinen Unterschied. Wo bliebe da die Liebe, die eins ist? Wenn es dich jedoch beruhigt, Enrico: ich habe ein kleines Vermögen, und wir brauchen fast nichts.«

[70]

Er war nicht darauf zurückgekommen. Er wollte sie nicht kränken. Aber umso stärker spürte er die eigene, neugeborene Kraft, die sich nicht betätigen konnte. Und als der Frühling weiter und weiter schritt, dem Sommer entgegen, wurde er ganz still.

Der Schirokko meldete sich. Der legte sich ihm ins Blut wie Blei. Stundenlang konnte er, ohne zu sprechen, auf der Felsplatte liegen und nach Norden schauen.

»Was ist dir, Enrico?« fragte sie angstvoll, und doch bemüht, die Angst in der Stimme zu bändigen.

»Ich hatte ein Gesicht.«

»Erzähle doch …«

»Jetzt schneiden sie daheim das Korn. Dann folgt die Kartoffelernte. Wie schnell die Zeit da sein wird.«

»Was plagst du dich um Korn- und Kartoffelernte? Du bist doch kein Landmann.«

»Nein, aber Offizier bin ich – nein, nein: war ich. Ich seh’ die Stoppelfelder und den Brachacker. Die Schwadronen ziehen aus mit klingendem Spiel. Es geht ins Manöver. Ach was – ich bin ja doch nicht dabei.«

»Du gehörst mir, Enrico,« sagte sie mit zitternder Stimme.

Er nickte. –

Seit Wochen lag der Schirokko wie ein glühender Hauch über Land und Meer. Der Deutsche sprach nicht mehr. Er sah an Giuditta vorbei. Und sie wußte, daß er unablässig grübelte. Längst hatte sie begonnen, jeden Zug in seinem Gesicht zu belauschen. Da trat sie vor ihn hin.

[71]

»Du küssest mich nicht mehr, Enrico. Du sehnst dich heim.«

»Ich muß – fort!« stieß er hervor.

»Mit mir –?«

»Ich will wieder Dienste nehmen. Bei meinem alten Regiment. Ich bin gesund und lungere herum.«

»Willst du – mit mir – fort?«

»Giuditta – ich komme wieder.«

Sie stand blaß und aufrecht. Ihr Blick umfaßte seine ganze Gestalt. Glühend lastete der Schirokko über den beiden Menschen.

»Morgen abend,« sagte sie, »kommt der Verwandte der Francesca. Er kann dich nach Positano rudern oder nach Sorrent. Es ist besser, unser Boot bleibt hier. Bist du es zufrieden?«

»Giuditta!« schrie er. Alle Mattigkeit war von ihm abgefallen. Er schlang die Arme um die Willenlose und preßte sie an sich, als wollte er sie erdrücken. Er überschüttete sie mit Zärtlichkeiten.

»Dieser Tag und die Nacht gehören mir,« sagte sie leise.

Den Kopf in ihrem Schoß gebettet, lag er lang ausgestreckt, haschte nach ihren Händen, die er küßte, und sang deutsche Lieder über das Meer. Sie sah auf ihn hinab mit demselben steten, starren Blick. Als es Abend wurde, erhob sie sich.

»Bleibe. Ich will Francesca sagen, daß sie uns nicht umsonst erwartet. Die Nacht ist so warm. Wir wollen sie im Freien verbringen.«

[72]

Sie ging zum Turm zurück und kramte in ihren Sachen. Die alte Amme schaute ins Gelaß.

»Giuditta –!« rief sie erschreckt.

»Du schweigst! Ich bin die Herrin!«

»Giuditta –,« wimmerte die Alte und hob die Hände.

Die aber setzte sich nieder und schrieb mühsam ein paar Zeilen auf ein Blatt Papier, das sie verschloß.

»Morgen in der Frühe fährst du hinüber nach Positano und übergibst das dem Pfarrer. Kein Wort! Es muß sein. Enrico ist schwer krank.«

Und plötzlich nahm sie die Alte fest in die Arme und küßte sie wieder und wieder. »Schwöre mir bei allen Heiligen, schwöre mir, daß du tust, wie ich will. Du wendest dich nicht nach mir um. Und morgen in der Frühe ruderst du hinüber. Bei meiner Liebe, die ich dir entziehen würde.«

Die Alte machte das Zeichen des Kreuzes. »Ich bin deine Dienerin,« flüsterte sie stumpf. »O Madonna, Madonna …«

»Ich schrieb auch ihr. Gestern nacht. Nimm.«

Und Giuditta lag auf der die See überragenden Felsplatte neben dem Geliebten. Wie ein Sturm waren seine Zärtlichkeiten über sie dahingebraust. Nun schlief er in ihrem Arm.

Sie richtete sich auf und legte ihr Ohr auf seine Brust. Dann drückte sie die Lippen auf die Stelle.

»Was tust du?« fragte er und öffnete schlaftrunken die Augen.

»Ich küsse dein Herz.«

[73]

Und er hob die Arme zu ihrem Halse und entschlummerte aufs neue.

Giuditta saß unbeweglich. Ihr Auge grüßte den blauen, sternenbesäten Himmel und das blaue, schweigende Meer. Es grüßte die Küste und die schattenhaften Türme, die Zeichen alter Sarazenenherrlichkeit. Die Hand senkte sich in ihr Kleid und tastete nach dem Herzen des Schläfers. Dann beugte sie sich rasch vor, preßte die Lippen auf den Mund des Geliebten und stieß ihr Stilett tief in sein Herz.

Der Mann gab keinen Laut. Im Todesschlaf lächelnd lag er vor ihr.

»Giuditta Africana,« flüsterte sie. Und sie erhob sich und ging leisen, schnellen Schrittes den Felspfad zur anderen Seite hinab, wo ihre Barke auf dem Strande lag. Leise löste sie die lange Kette, legte sie, um das Klirren zu hindern, um die Schultern und stieg wieder hinan. Vor dem Toten kniete sie nieder.

»Du gehörst mir! Wir bleiben zusammen.«

Schwere Steine befestigte sie an der Kette. Sie schlang sie fest um den Toten und sich und verhakte sie. Da vernahm sie das Heranhasten der alten Francesca.

Sie umklammerte das blasse Haupt des Geliebten. »Komm,« sagte sie, »wir sind Könige –«

Mit aller Kraft hielt sie die Füße gegen die Steinplatte gestemmt. Es klirrte und klang. Dann war die Steinplatte leer. Unten seufzte das Meer auf wie unter einer allzuschweren Last, die es nicht zu[74] halten vermochte. Die alte Dienerin, die sich mit wildverstörten Augen über den Felssturz beugte, sah nur noch die seltsam grünen Flecke des Meeres, die im Mondlicht stille, weite Ringe zogen …


Ich hatte die Achtzigjährige in der verfallenden Kapelle zurückgelassen. Als ich nach heißer Wanderung zurückkehrte, lag die Alte noch auf demselben Platz. Friedlich schlief sie. Und sie erwachte nicht mehr, als ich sie rüttelte.

Die Leute von Positano sträubten sich gegen das Begräbnis der Verrückten, die seit zwanzig Jahren wie eine Heidin gehaust hatte und nicht einmal zur Osterbeichte gekommen war. Da fragte ich nach ihrem Verwandten und fand einen alten Fischer. In der Nacht haben wir den leichten Körper ins Boot getragen.

»Schirokko,« sagte der Alte und wischte sich die glühende Stirn. Und ich dachte, als wir hinausruderten zu den Galli-Inseln, und der Sarazenenturm aus dem Dunkel stieg, an das schöne, einsame Weib, das ›Feuer im Blut‹ hatte von ihren Vorfahren her.

Dort, wo die grünen Flecke im blauen Wasser leuchten, haben wir die Leiche der alten Dienerin versenkt. Dort ruht sie auf dem Grunde zur Seite ihrer angebeteten Herrin, Giuditta Africana.


[75]

Auf der Fahrt nach dem Glück

[77]

Der Straße von Gibraltar zu steuerte ein Schiff. Rosenrote Streifen liefen über das Meer, leise zitternd, als ob die gewaltigen Wasser den Atem anhielten vor der Schönheit der untergehenden Sonne. Schon dunkelte es über der Küste Afrikas. Nur die weißen Häuser Tangers leuchteten aus den mit tiefen Schatten erfüllten Gebirgsfalten des kahlen Atlas. Spaniens Felsenküste rückte näher und näher. Im Norden wuchs, immer deutlicher erkennbar, das Löwenhaupt Gibraltar.

Lautlos fast durchschnitt der mächtige Schiffsrumpf die Wasser. Aus den glitzernden Wellen, die er aufwarf, hob sich ein Kopf, ein zweiter. Ein Delphinenpaar schnellte sich in graziösem Bogen von Welle zu Welle. Hinter ihm drein ein anderes. Und nun, links und rechts, vor- und rückwärts Hunderte von silbrigen Leibern, in weiten, elastischen Sprüngen sich folgend und überholend, wie eine Koppel schlanker Windhunde an den schäumenden Flanken des Jagdrosses dahinsausend. – –

Unbeachtet glitt das blitzende Spiel durch die Stille. Der Ruf der Schiffstrompete hatte eine Stunde früher als sonst zum Diner geladen. Auf dem Promenadendeck arbeiteten hastig die Elektrotechniker,[78] überspannten den breiten Gang mit schwankem Segeldach und schufen einen Sternenhimmel aus bunten Beleuchtungskörpern. Alles klar zum Ball an Bord, waren die Säulen des Herkules passiert! Irgend einem hohen Herrn zu Ehren, dem mit der technischen Leistungsfähigkeit nicht minder die Eleganz der Lebensführung eines deutschen Ostasiendampfers verdeutlicht werden sollte.

Oben auf dem Sonnendeck lehnte ein Reisender. Sein Blick ging über das Meer und haftete an dem geheimnisvollen Gebirgszug, der fern an der marokkanischen Küste mehr und mehr zurückblieb. »Der Atlas – –« sagte er gedankenlos vor sich hin. Aber das Wort umflatterte ihn, als trüge es den Hauch einer Erinnerung in sich, so daß er, aufmerksamer werdend, die Gedanken spornte und endlich mit einer zähen Angestrengtheit, die ihm bald ein Lächeln entlockte, hinter dem Worte hersann. Und dann verflog das Lächeln, und er hatte die Erinnerung. Eine Strophe, eine Heinesche Strophe – – Fort, fort mit ihr! Er zwang den Blick, daß er sich dem buntglitzernden Wasser zukehrte. Aber das Spiel der Delphine bemerkte er nicht. Das Auge suchte aufs neue den Bann des Bergrückens auf, der nach der Sage der Alten das Himmelsgewölbe trug, und immer wieder krochen die Verse in sein Gehirn und klammerten sich darin fest:

»Ich unglücksel’ger Atlas! eine Welt,
Die ganze Welt der Schmerzen muß ich tragen,
Ich trage Unerträgliches, und brechen
Will mir das Herz im Leibe.«

[79]

Seine Augen weiteten sich, als müßten sie eine unaufhörliche Kette von Bildern ertragen. Über sein von der Seeluft gebräuntes Gesicht ging ein nervöses Zucken.

Was denn nur? Was denn nur? dachte er. Du hast es ja gewollt! – »O …« machte er ironisch, denn ihm war eingefallen, daß die Heinesche Strophe ebenso sprach.

»Du hast es ja gewollt –
Du wolltest glücklich sein, unendlich glücklich,
Oder unendlich elend, stolzes Herz,
Und jetzo bist du elend.«

Er wandte sich kurz ab.

Über ihm war ein Rauschen und Flattern. Großbritanniens Flagge wehte vom Mast, grüßend stieg die deutsche auf und nieder, über die Toppen hißte das Schiff paradierend den Wimpelschmuck der Nationen. Und von der Reede Gibraltars erwiderten englische Kriegsschiffe die Höflichkeitsbezeigungen mit kurzem Flaggengruß.

Die Passagiere waren an Deck geeilt. Lachend und lärmend um die Schiffskapelle geschart, die mit aller Kraft »God save the king« ertönen ließ, winkten sie mit den Tüchern den drohenden Felsbatterien zu, bis der Dampfer in stolzer Fahrt einen Streifen freien Mittelmeers zwischen sich und die gewalttätige Europaspitze gebracht hatte und das Dunkel der hereinbrechenden Nacht das Land verschlang. Und plötzlich durchbrach ein Blitzen die Dunkelheit, feurige Blumen strahlten, lockten und flammten, süße Walzerklänge[80] schmeichelten sich wiegend über Deck – »Rosen aus dem Süden« …

Eine Stunde schon jauchzte die Musik durch das Schiff. Der Mann auf dem Sonnendeck horchte. Leichte Schritte kamen die Treppe herauf, schwerere hinterdrein. Dann stand im Licht der einsamen elektrischen Lampe eine überschlanke Erscheinung in schleppender, meergrüner Seide, mit einem feinen blassen Köpfchen, das brünette Haar nach Knabenart kurz geschnitten. Neben ihr der Kapitän, mit der Zuvorkommenheit des aufmerksamen Gastgebers. Sie sprachen Englisch.

»So, Miß Turnbull, hier können Sie Luft schöpfen. Das ist ein ganzes Reservoir.«

»Danke, Kapitän. Und nun kehren Sie zu Ihren Pflichten zurück. Es war sehr schön.«

»Fallen Sie mir nicht über Bord, Miß Turnbull, und lassen Sie sich nicht vom Wassermann stehlen. Auf Wiedersehen! Hallo, ist da jemand – –?«

»Jawohl!«

»Ah, sieh da. Das trifft sich. Sie unterhalten wohl Miß Turnbull. Darf ich vorstellen? Herr Wilhelmi, Doktor oder Professor, das weiß ich wirklich nicht.«

»Nehmen Sie an: beides.«

»Auf Wiedersehen, meine Herrschaften. Versäumen Sie nicht den ganzen Ball!«

Sie lehnten schweigend an der Brüstung. Bis dem Manne das Schweigen peinlich wurde.

»Verzeihen Sie, Miß Turnbull, aber ich spreche nicht gern Englisch.«

[81]

»Und ich nicht gern Deutsch.«

Wieder eine längere Pause. Dann suchte der Mann heimlich den Gesichtsausdruck der Reisegefährtin, die bewegungslos auf ihrem Aussichtsposten verharrte.

»Mein Fräulein …«

»Mein Herr …«

»Ich hoffe, Sie haben mich vorhin nicht mißverstanden. Ich würde das sehr bedauern. Meine Worte sollten keine Unhöflichkeit enthalten.«

»Oh – ich würde das von einem Gentleman auch nicht erwartet haben.«

»Ich danke Ihnen. Aber mein Englisch ist tatsächlich derart, daß es Ihnen keine Freude bereiten würde.«

»Mein Deutsch ist von gleicher Beschaffenheit.«

»Nicht doch! Ich verstehe Sie ohne Mühe.«

»Aber wir brauchen ja gar nicht zu sprechen. Das Meer besorgt die Konversation für uns.«

»Schön. Da naht eine Welle. Ein bißchen demütig. Sehen Sie sie? Das ist meine Frage.«

»Und dort eine andere. Sie macht einen Knix. Sehen Sie? – Das ist meine Antwort.«

»Aha, ich verstehe. Das soll heißen: In Gnaden aufgenommen.«

Sie lachte und schüttelte den Kopf.

»O nein. Das soll heißen: Bemühen Sie sich nicht.«

»Zur Strafe wird die kokette Welle von der eben noch demütigen plötzlich verschlungen.«

[82]

»Möglich. Aber ich bin nicht kokett. Ich habe durchaus keinen Grund dazu.«

»Mit anderen Worten: Ich komme nicht in Betracht. Ob ich anwesend bin oder nicht.«

»Sie sind böse über den Scherz, Herr Wilhelmi …«

»Gewiß nicht. Ich finde mich eben mit meinem Schicksal ab.«

»Nun kokettieren Sie. Nun wollen Sie eine Schmeichelei hören.«

»Ich …? Ach du lieber Gott! Mache ich wirklich einen so schlechten Eindruck?«

»Sie sind bitter, Herr Wilhelmi. Das paßt nicht zu der schönen Nacht.«

»Die schönen Nächte sind für die glücklichen Träumer. Sie haben das Leben vor sich.«

»Und Sie? Machen Sie sich nicht älter, als Sie sind.«

»Ich habe es hinter mir. Es kommt nicht auf die Jahre, nur auf die Erlebnisse an.«

»Erlebnisse bleiben keinem erspart. Damit müssen wir uns abfinden.«

»Ja, mit den ehrenhaften.«

Sie sah ihn erschrocken an. Dann sagte sie, während ihre feinen Nasenflügel bebten: »Kann man denn anders handeln?«

»Nein. Aber man kann passiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Zum Beispiel: wenn man Schmutz anfaßt.«

Sie richtete ihren Blick fest auf ihn.

»Dafür gibt es Wasser.«

[83]

»Wasser allein tut’s nicht immer.«

»Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe,« murmelte sie, und eine rasche Blutwelle ging ihr durch die Wangen. »Ich wollte keine häßlichen Erinnerungen in Ihnen erwecken. Verzeihen Sie.«

»Gute Nacht!« sagte er freundlich und verbeugte sich.

»Gute Nacht!« Einer schnellen, weiblichen Empfindung folgend, streckte sie ihm die Hand hin. »Morgen wollen wir heiterer plaudern.«

Er drückte seine Lippen auf ihre Hand …

Vom Promenadendeck tönte die Musik. Dazwischen das Scharren und Schleifen tanzender Füße. Champagnerpfropfen knallten, ein ungestümes Lachen scholl herauf. Und wieder Musik …

Die beiden standen und sahen sich an. Um sie her das dunkle Meer, vom Mond mit glitzernden Maschen überspannt. Zur Linken tauchte geheimnisvoll die schneebedeckte Kette der Sierra Nevada auf. Ein Signalfeuer blitzte auf und verschwand.

Da nickten sie sich zu wie alte Bekannte und gingen. –

In der Frühe des Morgens saß Wilhelmi an seinem Lieblingsplatz auf Sonnendeck. Er sah nach der spanischen Küste hinüber und den Schneebergen. Aber er sah nicht ihre gigantische Schönheit, er wollte nur einen Ruhepunkt für seinen Blick. Der trug an einem Bilde, und er dachte nicht daran, es zu tauschen. Eine knabenhaft schlanke Gestalt mit einem ernsten, blassen Köpfchen stand vor ihm und reichte ihm die[84] Hand. Das ist eine feste, treue Hand, dachte er. Eine Frauenhand ist nicht wie die andere. Manche kühlen wie ein Segen, andere brennen wie ein Fluch …

Da floh die Heiterkeit der Morgenstimmung von seinen Zügen. Er starrte auf die himmelanragende Küste, und er fand sie abwehrend, unwirtlich und öde.

»Guten Morgen,« hört er eine Stimme neben sich. Er wandte hastig den Kopf.

»Was ist das für ein bitterböses Gesicht! Ich dachte, heute wollten Sie heiter sein?«

»Nun bin ich es.«

»Das ist gut. Also bin ich noch etwas nütze auf der Erde.«

Er war aufgesprungen und hielt ihre Hand. Das einfache weiße Leinenkleid ließ die Gestalt elastisch wie eine junge Birke erscheinen. Auf dem kurzen brünetten Haar trug sie ein weißes Jockeimützchen.

»Sie sind wie ein frischer Morgengruß,« sagte er.

»Aber ein Gruß erfordert eine Antwort.«

»Die habe ich Ihnen schon gegeben. Mit meiner Freude.«

»Dann beanspruche ich den Gruß den ganzen Tag.«

Er nötigte sie in den langgestreckten Stuhl und wollte einen zweiten herbeiholen.

»Wissen Sie was, Herr Wilhelmi? Unsere Mitpassagiere schlafen ihren Tanzrausch aus. Wollen wir hier oben frühstücken?«

»Ah – ich besorge den Tee.«

[85]

»Nein, das ist Frauengeschäft.«

»Sie sollen sich nicht von der Stelle rühren.«

»Und Sie noch weniger! Ein Mann mit einem Präsentierbrett!«

»Es wäre nicht das erstemal.«

»Dann muß es das letzte – gewesen sein.«

»Sonderbar,« sagte er, »ich hatte mir die englischen Damen ganz anders vorgestellt.«

»Ach, das kommt nicht auf die Nation an. Und im übrigen – ich glaube, ich habe gar keine Nation.«

»Sie sind doch Engländerin?«

»Von den Eltern her. In England selbst war ich immer nur wenige Monate. Mein Vater wurde als Diplomat bald hierin, bald dorthin versetzt. Augenblicklich lebt er in Japan. Dort war ich auch zuletzt.«

»Aber Sie sind in Southampton an Bord gekommen. Sie befinden sich also auf der Rückreise?«

»Nein,« sagte sie, »ich bin überflüssig geworden. Mein Vater hat sich zum zweitenmal vermählt. Eine Dame meines Alters. Da habe ich stillschweigend das Feld geräumt.«

»O – war das notwendig …«

»Ich muß immer etwas zu sorgen haben,« gab sie mit einem leisen Lächeln zurück.

»Und auch in England fanden Sie nicht den richtigen Boden?«

»Man lebt nicht ungestraft sein ganzes Leben im Süden. Ich konnte das heimatliche Klima nicht mehr vertragen und wurde krank. Wie Sie mich hier sehen, bin ich eine Rekonvaleszentin.«

[86]

»So,« sagte er, »dann werden Sie sich von nun an auch als solche behandeln lassen. Trotz Ihrer Antipathie gegen Männer mit Präsentierbrettern. Keine Widerrede!«

»Rufen Sie doch den Steward,« bat ihre Stimme hinter ihm her, und er hörte ein stilles, wohliges Lachen aus dem Klang. –

Den ganzen Vormittag saßen sie beieinander. Oft rann eine halbe Stunde hin, ohne daß sie sprachen. Nur das Meer rauschte leise zu ihnen empor. Dann beugten sie sich über die Brüstung und lauschten. Wenn sie sprachen, geschah es, daß einer die Sprache des anderen versuchte. Wie in zarter Rücksichtnahme.

»Sie behandeln mich wie eine Kranke. Ich bin ganz gesund.«

»Sie sollen es werden. Und deshalb sollen Sie sich nicht anstrengen.«

»Weil ich Deutsch spreche? Macht es Ihnen keine Freude?«

»Halten Sie mich nicht für undankbar. Ich bin im Leben nie verwöhnt worden. Daran liegt es.«

»Wollen Sie mir nicht erzählen? Ich möchte Ihnen helfen.«

»Nein,« sagte er, »ich kann mir nur allein helfen. Ich hätte es schon früher tun sollen.«

Dann verstummten sie. –

Nach dem Diner trafen sie sich wie auf Verabredung am alten Platze.

»Sie sehen müde aus, Miß Turnbull. Still! Sie sollen mich gar nicht bemerken.«

[87]

»Die Menschen waren so laut heute abend,« gab sie wie zur Entschuldigung zurück. »Kann man sich nicht verstehen ohne vieles Sprechen?«

»Ja, das kann man. Und wir werden auf der Stelle den Beweis antreten. So, nun strecken Sie sich gemütlich in Ihrem Tropenstuhl aus. Ich werde eine Decke um Ihre Füße hüllen. Und jetzt: kein Wort!«

»Nur eins … Sie sagten vorhin, Sie seien nie im Leben verwöhnt worden. Ich bin’s! Heute!«

Sie schloß schnell die Augen und rührte sich nicht. Wenige Minuten darauf war sie eingeschlummert.

Er saß aufgerichtet neben ihr. Wie eine Schildwache. Seine Augen wurden nicht müde, sie anzusehen. Als müßte er hinter den geschlossenen Lidern die offenen Augen ihrer Seele erblicken. Und er sah sie, und es begann eine stille Zwiesprache.

»O du, wie kann ich dich verwöhnt haben … Das sagtest du nur, um mir wohlzutun.«

»Ja, ich möchte dir wohltun.«

»Und bist selbst der Erholung bedürftig.«

»O – ich! Mich macht die Sonne gesund. Du aber hast eine arme, kranke Seele.«

»Eine Frau hat sie krank gemacht.«

»Nein, das war keine Frau. Frauen sind Heilbringerinnen.«

»Es gibt Frauen, die uns vergiften, gleichgültige, untreue …«

»Nenne sie nicht mit dem Ehrennamen ›Frau‹. Du mußt uns keinen Schimpf antun.«

[88]

»Weshalb – weshalb bist du so gütig zu mir – –«

»Das kannst du keine Frau fragen. Sie weiß keine Antwort.« –

Er beugte sich über sie mit angehaltenem Atem. Wie friedlich sie lag, den schlanken Körper gestreckt, den brünetten Knabenkopf ein wenig zur Seite geneigt, und in dem stillen Gesicht feine Zeichen … War es wirklich erst seit gestern, daß er diese Frau kannte? Erst seit heute, daß er diese Zeichen zu deuten wußte? – –

Der Matrose hoch oben im Ausguck gab das Stundenzeichen. Da erwachte Miß Turnbull. Sie regte sich nicht. Nur die Augen schlug sie auf. Verloren hing ihr Blick an seiner Hand, mit der er die Lehne ihres Stuhles umspannt hielt.

»Haben Sie Schönes geträumt?« fragte er.

»Geträumt – –? Haben wir uns denn nicht unterhalten?«

»Ja – im Traum.«

»Das ist seltsam. Mir war, als erzählten Sie mir. Aus Ihrem Leben. Und dann brach es ab.«

Ihr Blick war noch immer auf seine Hand geheftet, die am Ringfinger einen schmalen, goldenen Reifen trug. Sein Blick folgte dem ihren. Und tief atmend, ohne sich Rechenschaft zu geben, sagte er: »Ich will weiter erzählen.«

Es war ganz still an Deck. Die Passagiere, ermüdet von den Strapazen der Ballnacht, hatten frühzeitig ihre Kabinen aufgesucht. Nur der Schritt des diensttuenden Offiziers scholl in schwerem Gleichmaß[89] von der Kommandobrücke. In der Ferne signalisierte ein Schiff und verschwand in der Nacht.

»… Ich war gewarnt. Aber was wußte ich von der Frau! Nicht mehr als von meiner Mutter. Und das genügte mir. Denn ich war stolz auf meine Mutter. Als ich Hanna zum erstenmal sah, nahm sie keine Notiz von mir. Ich war noch Student, im letzten Semester, und sie hatte ohne mich Tänzer genug. Damals hieß es, sie würde einen Hauptmann heiraten, und ich beneidete den Mann, denn sie hatte etwas an sich, das verwirrte und fesselte. Zwei Jahre später – ich war Dozent geworden – verlautete, ihre Hochzeit mit einem Diplomaten stünde bevor. Ich weiß, daß ich damals einen heftigen Schmerz verspürte und eine ebenso heftige Freude, als ich wenige Wochen darauf vernahm, die Verlobung sei in letzter Minute zurückgegangen. Und wieder hörte ich lange Zeit nichts von ihr. Bis mein erstes Geschichtswerk herauskam, das meinen Namen bekannt machte und mir die Professur eintrug. Ich war der jüngste Professor. Da öffneten sich manche Türen, an denen ich früher nur scheu vorübergegangen war. Und bei einer Abendgesellschaft traf ich Hanna – –

Sie begrüßte mich, als ob sie sich meiner noch entsinne. Das schmeichelte mir, obwohl ich genau wußte, daß ich ihr persönlich nie vorgestellt worden war. Sie begann sofort über mein Buch zu sprechen und die glänzende Laufbahn, die sich mir damit eröffnet hätte. Bei Tisch war sie meine Dame. Sie hatte ihren besonderen Tag. Obwohl sie mit mir gleichaltrig war,[90] überstrahlte sie die jüngste der Damen. Oder mir war nur so, und meine Augen sahen alles nur in dem Lichte, in dem sie es gesehen haben wollte. Nie habe ich solchen Bann gespürt. Das tat, sie behandelte mich wie einen Vertrauten. Wenn sie mich etwas fragte, geschah es schnell und leise, als wäre ihr Wort nur für mich berechnet. Wollte sie mich auf etwas aufmerksam machen, so winkte sie mir mit den Augen und dirigierte lächelnd meinen Blick. Dazu der Ton der vornehmen Welt, die schillernde Art, mit Gedanken zu spielen oder an sich gleichgültige Dinge wie Gedanken einzukleiden. Ich hatte nie Frauen dieser Sphäre gekannt. Ich war wie berauscht.

Anderen Tags erhielt ich den Besuch eines älteren Kollegen, den ich hochschätzte. Er sagte mir, daß er wegen eines selten gewordenen Buches käme, und sprach – von Hanna. Ich ging mit Freuden auf die Unterhaltung ein und dann mit Zorn. Wie konnte ein Mensch wagen, diese Frau zu verdächtigen? Wo waren die Beweise? Daß sie zweimal verlobt gewesen sei? Das sprach nur gegen die Männer. Daß sie kokettiere? Ach Gott, das sagt man den Frauen nach, die beweglicheren Geistes sind als andere. Wir aber sollten uns schämen, derartig müßiges Gerede weiterzugeben.

›Die Scham,‹ sagte der alte Kollege, ›äußert sich bei manchem Manne früher, bei manchem Manne später. Bei mancher Frau gar nicht.‹ Damit ging er und grüßte mich ernst.

Ich blieb in wildester Erregung zurück. Das Blut[91] brauste mir bis in die Ohren. Und dann nahm ich meinen Hut und rannte durch die Straßen und ohne weiteres zu ihr, zu Hanna. Sie stand vor mir, mit der leichten Röte der Spannung auf den Wangen. Und ich sprudelte heraus, was ich gehört, was man mir zugetragen hatte, und ich sah das Rot auf ihren Wangen aufsteigen und hielt es für das Rot der Scham und forderte, als sei ich an ihrer Statt der Beleidigte gewesen, Antwort. Ganz fest sah sie mich an, und sie las in meinen Augen die Antwort, die ich hören wollte …«

Der Erzähler machte eine Pause.

»Eine halbe Stunde darauf waren wir verlobt.«

Die Zuhörerin fuhr auf. Dann ließ sie sich leise in ihre alte Stellung zurücksinken.

Er aber sah an ihrem blassen Gesicht vorbei auf das nachtdunkle Meer, das das Schiff in unaufhaltsamer Eile lautlos fast durchschnitt.

»Wenige Monate darauf waren wir verheiratet. Kaum einen anderen Menschen habe ich in dieser Zeit zu Gesicht bekommen als Hanna. Sie behauptete, auf jeden eifersüchtig zu sein, der sich mir nahen wollte. Und diese Eifersucht machte mich glücklich. Wo wir Männer mit dem Herzen lieben, sind wir Kinder.

Jetzt sind es drei Jahre, daß ich verheiratet bin, fuhr Professor Wilhelmi fort. Die fürchterlichsten Jahre meines Lebens. Nein, nein, lassen Sie mich zu Ende erzählen. Es ist gleich so weit, und es hätte schon eher so weit sein können. Aber ich war eben ein Kind. Aus dem Kind wurde ein Diener. Diese[92] Art Avancement befremdete mich zunächst in keiner Weise. Dann erst fiel mir auf, daß sie einseitig war. Aus meinem Elternhause wußte ich, daß sich zwischen Vater und Mutter ein Sport entwickelt hatte, sich gegenseitig zu bedienen. Bei uns blieb die Beschäftigung mir allein zugedacht. Aus der ernstesten Arbeit wurde ich herausgerissen, um Aufträge zu empfangen, und alle zielten auf Geselligkeit und den Aufwand hierzu. Das Interesse an meinen historischen Forschungen, das sie mir in den Tagen unserer Brautzeit so sehr entgegengetragen, daß ich leicht auf alle Kollegen Verzicht leisten konnte, war mit dem Tage der Hochzeit verschwunden. Und doch sollte ich arbeiten, mußte ich arbeiten, um die immer höher steigenden Ausgaben zu decken. Da war es kein Wunder, daß ich ihr nicht in alle Gesellschaften, zu Waldpartien, zu Eisfesten und was weiß ich, folgen konnte. ›Wir haben einen berühmten Namen‹, pflegte Hanna zu sagen. ›Ich sorge dafür, daß er nicht in Vergessenheit gerät, während du in deinem Gelehrtenstübchen über deinen unsterblichen Werken hockst.‹ Ich ließ sie gehen, wohin sie wollte, denn ich gewann dadurch die Ruhe, die ich brauchte, um durch Arbeit Geld zu schaffen. In diesen Tagen aber packte mich ein neuer Neid. Der Neid auf den Schuster unten im Hof, der nach Feierabend sein lachend sich sträubendes Weib auf den Schoß nahm.

Und dann – nach drei Jahren fast – erhielt ich zum zweiten Male den Besuch meines alten Kollegen, zu dem ich die Hochschätzung wiedergefunden[93] hatte. Er nannte mir einen Namen. Und dann nahm er mich fest in den Arm. ›Sie haben Hoffnungen zu erfüllen,‹ sagte er, ›wissenschaftliche Hoffnungen. Sie sind mir zu schade, daß Sie so untergehen. Sonst wäre ich wahrhaftig nicht wiedergekommen.‹ Da habe ich mich zusammengerissen.

Als Hanna von einer Ausfahrt heimkam, ging ich ruhig und gefaßt in ihr Zimmer. Ihre glitzernden Augen sahen mich an, während ich sprach. Aber sie lasen nicht mehr die Antwort aus meinen Augen, die Antwort, die ihr am bequemsten gewesen wäre, wie damals bei unserer Verlobung. Und plötzlich waren die Rollen gegen damals vertauscht. Die Worte überstürzten sich auf ihren Lippen, sie leugnete, sie schwor, sie fand Worte voll Schimpf und Hohn. Nie sah ich je einen Menschen in solcher Ekstase des Häßlichen. Da wußte ich: wahr oder unwahr! – dies Bild wirst du nie im Leben mehr vergessen.

In der Nacht kam sie zu mir, kalt und überlegen. ›Du quälst dich umsonst, mein Lieber, aus einem unschuldigen Flirt eine Haupt- und Staatsaktion zu konstruieren. Ich könnte deinen verehrten Herrn Kollegen vor Gericht fordern, wenn mir an einem Skandal läge. Ich habe Zeugen, er nicht.‹

›Ich werde deinen Hauptzeugen morgen von Angesicht zu Angesicht sehen.‹

›Ach – du denkst wohl gar an eine Herausforderung? Du wirst gegen Windmühlen fechten.‹

›Das wird sich finden. Hast du sonst noch einen Wunsch?‹

[94]

›Den, mich nicht lächerlich gemacht zu sehen. Der Assessor, dessen Namen du vorhin genannt hast, wird dir sein Ehrenwort geben, daß er mich nicht mit der Spitze des Fingers berührt hat.‹

›Woher weißt du das?‹

›Weil es die Wahrheit ist! Nur, weil du mich stets allein in die Gesellschaften entließest, durfte sich der Klatsch an mich wagen. Du trägst die Schuld, du allein!‹

Alles in mir schrie auf gegen diese gehässige Umkehrung der Dinge. Es zuckte mir wie ein Krampf in den Fingern. – Aber da sah ich eine Frau vor mir. Die anerzogene Ritterlichkeit siegte.

›Reise,‹ sagte ich, ›so können wir nicht mehr miteinander leben. Zeige mir, daß ich im Unrecht bin. Ich will es uns beiden wünschen.‹

›Du kommst mir zuvor,‹ entgegnete sie. ›Ich werde morgen abreisen und irgendwo an der Riviera diese Attacke auf meine Nerven kurieren. Bis du selber zu mir kommst.‹«

Er stand auf und blickte in die Stille der Nacht. Kein Laut um sie her. Nur der schwere Schritt des diensttuenden Offiziers über ihnen.

»Nun bin ich auf dem Wege,« sagte er dann …

Ein Schatten fiel über ihn hin. Jetzt wird sie sich still entfernen, dachte er. Aber er spürte eine Hand in der seinen.

»Ich wünsche Ihnen – von Herzen – Glück auf den Weg …«

»Was für ein Glück? Sie wissen ja nicht, um[95] was es sich für mich handelt. Ich bin auf dem Wege, mir meine Ruhe wiederzuholen. Mehr habe ich nicht zu verlangen.«

»Sie wollen Ihre Ruhe – von der Frau verlangen, von der Sie mir sprachen?«

»Ja, das will ich. Ich will wieder arbeiten können, wieder Hoffnungen haben dürfen. Denn das ist alles hin. Alle Frische, alle Zuversicht. Meine Gedanken laufen im Kreis, und sie ist der Mittelpunkt. O, staunen Sie nicht. So jämmerlich bin ich, bei aller meiner Naivität den Frauen gegenüber, doch nicht geworden, daß ich mich mit aller Gewalt an das Schürzenband anklammere, das einmal mein war. Nein, ich will nur wissen, daß es nicht mehr mein ist! Ich will das ehrliche Bewußtsein haben, mich keiner unritterlichen Handlung schuldig bekennen zu müssen, vor allem nicht der gegenüber, die dieses Bewußtsein, das unter Gleichwertigen als Stärke gilt, als meine Schwäche auffaßt und damit rechnet. Und dann – dann will ich wieder frei aufatmen und von neuem beginnen.«

»Wie wollen Sie das von der Frau verlangen …«

»Es sind jetzt drei Monate,« sagte er leise, »daß sie an der Riviera weilt. Zweimal erhielt ich eine Korrespondenzkarte als Quittung für die übersandten Monatsbeträge. Das drittemal nicht. Ich hätte sofort durch Deutschland und die Schweiz reisen können und wäre schneller am Platz gewesen. Aber die Meerfahrt klärt uns ab und vertieft unsere Gedanken. Darum gab ich mir selbst, als letzte Frist,[96] diese Bedenkzeit auf, diese Zeit des Bedenkens. Mehr kann ein Mensch nicht an sich selber tun.«

»Nein, mein Freund.«

»Ich werde kommen und sehen. Finde ich, was ich erwarte, daß sie mit der Elastizität ihrer Natur in diesen Dingen über das Vergangene zur Tagesordnung übergegangen ist und unbekümmert um den schwerfälligen Narren im Norden die schöne, leichtlebige Dame weiterspielt, so werde ich ihr, selbst gegen ihren Willen, die Freiheit zu allen ihren Abenteuern verschaffen. – Miß Turnbull, das ist ein altes Lied. Nur für den, der plötzlich zum Mitsingen kommandiert wurde, erhält es mit einem Mal den Reiz der Neuheit. Als ob es nie im Leben zuvor erklungen wäre. Verzeihen Sie, aber die alltäglichsten Schmerzen kommen dem Betroffenen immer als unerhörte und nie dagewesene vor. Menschliche Eitelkeit, Miß Turnbull. Als Historiker sollte ich eine größere Weltanschauung haben – ich habe auch bei der Philosophie eine Anleihe zu machen versucht –; aber wir setzen uns schneller über ein ganzes Schlachtfeld voll Leichen hinweg als über einen einzigen Mord.«

Sie faßte seine Hand. »Ich sage nur nochmals: Glück auf den Weg! Jedes weitere Wort wäre leer. Glück auf den Weg!«

Er spürte den festen Druck ihrer Hand, und es tat ihm wohl, daß sie keine mitleidsvollen Worte suchte. Da stand ein Mensch, der hatte den Glauben an seinen Weg.

»Liebe Freundin …«, sagte er, als sie schieden.

[97]

Das Schiff fuhr dicht unter Land, die französische Riviera entlang, und weiter, immer weiter an der in goldener Morgensonne erstrahlenden italienischen Schwesterriviera vorbei. Staunend und stumm standen die Passagiere vor der Gottesherrlichkeit der Natur. Dort, nur dort konnte das Menschenglück zu Hause sein …

Um zehn Uhr tauchten die Bergterrassen Genuas auf, wie ein schneeweißer Traum aus blauem Meer. Der Lotsendampfer brauste heran. Eine alte verwitterte Gestalt übernahm neben dem Kapitän das Kommando. Langsam und majestätisch fuhr das Schiff in den Hafen Frederico Guilelmo.

»Leben Sie wohl, Miß Turnbull. Ich sagte am liebsten: Auf Wiedersehen.«

»So sagen Sie es.«

»Wohin werden Sie sich wenden?«

»Zum Lago di Como. Ich werde auf Wochen in Bellagio Quartier nehmen, in der Villa Serbelloni.«

»Gott mit Ihnen!«

»Und mit Ihnen.«

Sie waren auf das Gespräch der Nacht nicht mehr zurückgekommen.


Es war eine Woche später, als Wilhelmi mit dem Dampfer von Como in Bellagio landete. Er hatte von der Herrlichkeit des Sees nichts bemerkt. Er war erschöpft von Seefahrten.

[98]

Er ließ sein Gepäck ins Hotel Genazzini bringen und stieg den Treppenweg hinauf, der zur Villa Serbelloni führt. In der kleinen Holzschnitzerei am Wege erstand er seine Einlaßkarte. Diese vornehmen Parks schützten sich gegen unberufene Fremde. Sie wollten abgeschiedene Stätten der Ruhe bleiben.

Beim Pförtner erkundigte er sich nach Miß Turnbull und ließ sich hoch hinauf in den dichten Park weisen, der in Duft und Blüten schwamm. Die einsame Bank, hoch oben über dem Felssturz zum See, sei ihr Lieblingsplätzchen. Dort traf er sie. Er dachte an Feuerbachs Bild der Iphigenie, die, weißgewandet, vom Felsen aus sehnsüchtig über die Wasser blickt …

»Da bin ich wieder, liebe Freundin.«

Sie machte eine jähe Bewegung. Dann sah sie die tiefen Schatten unter seinen Augen und hielt ihre Freude zurück.

»Ich habe Sie erwartet. Jetzt müssen Sie ruhen. Blicken Sie um sich. Ist das nicht alles die Ruhe?«

Er ließ sich neben ihr auf die Bank nieder, nahm seinen Hut ab und strich sich mechanisch über die Stirn. Da berührte sie leise seine Hand. »Lieber Freund …«

»Ja, ja, ja – hier ist die Ruhe.«

»Wissen Sie noch, was ich Ihnen einstmals erzählte? Daß ich in die Welt gegangen sei, weil ich daheim nichts mehr zu sorgen fand? Ich muß immer eine liebe Sorge haben, lieber Freund.«

[99]

Er blickte sie an, unbeweglich, ohne ein Wort zu erwidern.

»Ich glaube – ich habe sie gefunden.«

Wie wohl das tat – diese Ruhe … Als Knabe war er einmal aufgewacht, nach langem, schwerem Fieber. Da saß die Mutter an seinem Bett, und ihre kühle Hand lag auf seiner Stirn. Es war so still um ihn her, daß er die Fliegen summen hörte, die sich im weit geöffneten Fenster in der Sonne badeten. Aus dem Garten zog der Duft einer Sommerrose herein. Und durch sein Blut zog die Gesundung … Damals hatte er der Mutter seine wilden Fieberträume erzählt. Und ihre kühle Hand hatte sie alle von seiner Stirn weggenommen. Daran dachte er jetzt, und er begann zu sprechen.

»Ich war in Nizza – und man wies mich nach Mentone. Ich war in Mentone – und man wies mich nach Nervi. Und von dort nach Como. So bin ich zu Ihnen gekommen. Auf der Fahrt nach dem Glück.«

»Die Ruhe – –« sagte sie, und ihr Blick ging über den See zu den stillen Bergen.

»Ja, die Ruhe! Jetzt will ich sie haben! Weshalb ich allein nicht? Nur, weil diese Frau es nicht will? Mag sie ihre Marionetten am Drahte ziehen. Ich scheide aus dem Spiel aus.«

»Sie sollten jetzt hier bleiben.«

»Ja, das will ich.«

»Wir werden den Lario befahren und durch die stillen Gärten wandern. Die Azalien sind wie eine[100] rote und weiße Flut, und die Blüten der Magnolienbäume brechen auf. Oft ist es, als ob die Berge ringsum ein Zaubereiland behüteten. Man möchte wie Kinder sein und sich Märchen erzählen. Man kann ja gar nicht anders.«

»Das können …«

»Sie müssen nicht zweifeln. Wenn Sie es wieder gelernt haben, werden Sie nicht wissen, daß Sie es je verlernt hatten. Das ist das Schönste im Leben. Es gibt Wunden – und es gibt Heilkräuter. Kommen Sie!«

Er bot ihr den Arm, und sie gingen durch den waldigen Park, der wie ein stillatmendes Schweigen war. Und am Nachmittag, als die Sonne im Westen stand, nahmen sie ein Boot und fuhren in den Leccoarm und zum Park der Villa Giulia, dessen schwere Blütentrauben über die Mauer bis ins Wasser hingen, als könnten sie sich nicht satt sehen an der eigenen Schönheit. Und am nächsten Vormittag trug sie das Boot hinüber nach Cadenabbia, und sie besuchten den Wunderpark der Villa Carlotta, die die Königin des Lario heißt und in köstlich kühler Kamelienpracht schwelgt. Und wieder am Nachmittag wanderten sie die schattenspendende Platanenallee entlang, die von Bellagio aus in den Zedern- und Agavenpark der Villa Melzi führt. Gärten um sie her. Und jeder Schritt war ein Ausruhen.

Sie sah, wie er auflebte in diesem Gottesfrieden. Und sie sprach mit ihm von den Blumen, Sträuchern und Bäumen, die sie in Urwaldspracht kannte von[101] ihren Reisen im Süden und im fernen Osten. Indien grüßte herüber und das märchenhafte Japan. Und dann begann er von der Geschichte der Länder zu reden, die sich aus ihrem Boden entwickelt.

»In acht Tagen,« sagte er, »geht mein Urlaub zu Ende. Aber ich komme wieder, zum Herbst. Werde ich Sie dann noch finden?«

»Ich werde Sie hier begrüßen.«

Als die Woche zu Ende war, bat er sie, in der Frühe mit ihm hinüberzufahren nach Varenna. Dort, im Rücken des Städtchens, das seine ragenden Zypressen bis hart an den See vorschiebt, hebt sich eine steile Bergkuppe. Auf ihr ein trotziger Turm, von zersplittertem Mauerwerk umkränzt.

»Soll ich den Namen des Kastells erfragen?«

»Nein, es ist so geheimnisvoller. Man kann alte Sagen hineindichten, aus grauen Zeiten, da noch die große Sonne auf große Menschen schien und ein Graf hier hauste wie ein König des Sees.«

»Die Schulkinder werden uns Lügen strafen.«

»Ich aber behaupte es. Es wird ein Heckenritter gewesen sein. Denn wie ein Wall, wie eine Hochwacht ist der Berg, und von der festen Burg war ein beherrschender Blick über den Como- und den Leccoarm und über die vereinigten Wasser des Lario, von den Dörfern und Städten, von den Weingärten und Olivenhügeln bis zu der drohenden Kette der Schneeberge. Nichts auf dem See konnte geschehen, ohne daß der Graf es wußte und wollte. Und er nahm von den Tonnen Weins, die auf[102] dem See verladen wurden, die besten und trank sie aus und von den Frauen des Sees die schönsten. Und auch sie sprachen, wenn er sie heimwärts ließ: Du hast mich ausgetrunken wie einen Becher Weins. – Es war einmal. Die Zeiten und ihre Sitten haben sich gewandelt …«

Sie drangen in den letzten Hohlweg, der zum Gipfel führte, und sie lächelten über ein Liebespaar, das, wie eine Illustration ihres Gesprächs, eng umschlungen ihnen entgegenkam.

»Ein italienischer Offizier. Wohl aus Como –«

Und ein Ruf hüben – ein Schrei drüben!

Vor dem Paare stand Wilhelmi. Der Offizier verstand seine Bewegung falsch und riß an seinem Säbel. Da beugte sich Wilhelmi weit vor, und mit furchtbarem Hieb seines Stockes schlug er über die bewaffnete Hand, daß der Säbel auf die Steine klirrte.

Wie eine Wildkatze hatte sich die Frau an die Brust des Verwundeten geworfen und deckte ihn.

Und noch immer weit vornübergebeugt und auf die Gruppe starrend, sagte Wilhelmi: »Frei!«

Dann wandte er sich nach seiner totblassen Begleiterin um und bot ihr den Arm.

»Ich habe um Entschuldigung zu bitten, Miß Turnbull. Kehren wir nach Bellagio zurück.«

Sie gingen. Und er spürte die Schläge ihres Herzens gegen seinen Arm stürmen. Dann hatten sie die Wegbiegung hinter sich.

»Ich muß Sie schwer geängstigt haben, liebe Freundin. Verzeihen Sie mir. Ich glaube, der[103] genius loci, der Geist des Heckenritters mußte in mich gefahren sein.«

Er versuchte zu scherzen.

Da löste sie sich von seinem Arm, hob ihre Hände und zog seinen Kopf zu sich. Hastig, fiebernd.

– – – Und ihre Tränen strömten über sein Gesicht … – – –

Am anderen Morgen wartete sie hoch oben im Park der Villa Serbelloni vergebens auf ihn, daß er käme. Als es Mittag wurde, eilte sie hinunter ins Hotel Genazzini. »Der Herr,« beschied sie der Torhüter, »habe noch gestern abend spät Besuch erhalten. Heute morgen in der Frühe sei er mit den Herren fortgegangen. Die Rechnung sei bezahlt. Aber wegen seines Gepäcks habe der Herr noch nichts bestimmt. Er müsse also noch einmal zurückkommen.«

Und er kam.

Als die brennende Mittagsglut die Menschen in den Häusern hielt, hinter geschlossenen Läden die heißen Stunden zu verschlafen, kam er auf einem Maultierkarren. Durch die Brust geschossen. Ein Karabiniere trug ihn mit Hilfe des Friedhofwärters in die kleine Totenkapelle. Kein Neugieriger war zugegen. Nur die englische Dame, die seit Mittag in brennender Glut den Weg auf und ab gegangen war.

An sie auch lautete der Brief des Toten.

»Wenn ich falle, so sollst Du wissen, daß ich auf der Fahrt nach dem Glück gefallen bin. Ich liebe Dich.«

[104]


Sommer und Winter wechseln, Sonne und Sturm. Die Blumen in dem ruhevollen Park und die Scharen der Menschen, die die Gestade des Lario besuchen. Nur eine englische Dame bleibt Sommer und Winter, jahraus, jahrein. Der mädchenhaft schlanke Wuchs ist ihr geblieben und das junge Gesicht mit den feinen Zeichen. Durch das kurze brünette Haar ziehen sich Silberfädchen.

»Die Natur hat es ihr angetan,« sagen mit Stolz die Barkenführer, und die Fremden nicken, überwältigt von dem Zauber der Landschaft.

Und wissen nicht, daß sie den stillen Schläfer, der am Berge ruht, zu trösten hat, jahraus, jahrein … –


[105]

Der Gruß des Lebens

[107]

Dicht neben dem Schloßpark lag das kleine weiße Haus im Zopfstil des Rokoko. Von der Anlage aus, die nur in den Nachmittagsstunden von den bequem gewordenen Residenzlern aufgesucht wurde, sah man über die mehr als hundertjährige, mannshohe Taxushecke hinweg zwischen den üppigen Platanen die geschweiften, von Muschel- und Schneckenornamenten schier erdrückten Fenster blinken, während die Fenster der Rückseite den Einblick in eine Lichtung des fürstlichen Parkes gestatteten wie in ein der Sehnsucht so nahes, der Wirklichkeit verschlossenes Märchenland. Als der Hof von Versailles für Europa die Losung verschwiegener Üppigkeit ausgab, war der Park über Nacht entstanden, aus altem, gepflegtem Forst heraus, und dem Schloß erreichbar, vom Park und vom Spazierweg aus zu betreten, hatte der lebens- und liebeslustige Erbauer ein Schmuckkästchen aufführen lassen für ein entzückendes Dämchen mit hochtupiertem, schneeweiß gepudertem Haar, getuschten Augenbrauen, Schönheitspflästerchen neben dem Grübchen der Wange und inmitten der feingeschwungenen Buchtung der kokett aus indiskretem Seidenleibchen lugenden kleinen Büste. Und in dem zierlichen, über dem Erdgeschoß nur ein Stockwerk aufweisenden Häuschen[108] war mehr Leben, Lieben und Lachen gewesen als in dem großen Schlosse. Aber weit über ein Jahrhundert war es her, selbst um die Gespensterstunde spukte kaum noch ein Echo, und im Parkwinkel hatte brünstig umarmender Efeu längst die Goldlettern von dem Stein geküßt, der den Namen der kleinen Sünderin trug, welche selig unter ihm schlief.

Die Tugend war in der kleinen Residenz eingezogen und mit der Tugend die schadenfreudige Nachrede. Vom Schlosse her wehte ein strenger Wind. Man ging in hochgeschlossenen Kleidern und strickte daheim Leibchen für die Missionen, häkelte wohl auch einmal, um den Sinn für das Schöne zu bekunden, an einem kunstreichen Sofaschoner, der vor leichtfertiger Liebe warnt und den Segen der Häuslichkeit preist. Dreimal auf einem Ballabend hatte im vorletzten Winter die junge Frau Hofrat mit dem Hauptmann der Leibkompanie getanzt. Das bildete noch immer das Tagesgespräch. Und die junge Frau Hofrat lachte auf der Straße nur noch mit rotgeweinten Augen …

Am stärksten aber hatte das kleine, weiße Rokokohaus am Parkrand den Wechsel der Zeiten erfahren. Es war dem Konservator der fürstlichen Sammlungen als Dienstwohnung überwiesen worden, einem ältlichen, sorgfältig rasierten Herrn mit hochgeknoteter schwarzer Krawatte und langem, peinlich gebürstetem Gehrock. Er hieß Herr Direktor, Herr Direktor Hubertus, aber von seinem weidmännischen Namenspatron hatte er nur ein Jagdfieber ererbt, das sich auf verstaubte, vergilbte Beute erstreckte. Einer alten Handschrift,[109] mehr noch eines seltenen Kupferstichs wegen vergaß er sich selbst und seine Umwelt, das der Freude erbaute weiße Rokokohaus, durch das eine junge Frau wie im Traum einherschritt, wenn sie nicht stumm am Fenster saß, die Blicke ziellos und zwecklos auf die Spazierwege der Anlage gerichtet oder durch den Parkeinschnitt auf das heimliche Treiben des Hofhalts. Vor fünf Jahren hatte er sie geheiratet, die Tochter eines Studienfreundes, der sich über den drohenden Bankerott eines allzu lustigen Lebens durch eine zu hoch bemessene Portion Digitalis hinweggeholfen hatte. »Herzschlag«, hatte der alte Hausarzt der vor Schreck erstarrten Tochter gegenüber mitleidsvoll geäußert. Dem Freunde des Verstorbenen aber, der aus der Residenz angereist gekommen war, mußte er die Art dieses Herzschlages doch etwas näher erklären. Es handelte sich um rasche Hilfe für die von allen Mitteln entblößte hinterbliebene Tochter.

Damals gerade war dem emsigen Konservator der fürstlichen Sammlungen die neue Dienstwohnung angewiesen worden. Das Haus hatte Platz für zwei und drei. Es lag still und abseits genug, um einem Kindesschmerz Muße zu gewähren, das Gedächtnis eines teuren Toten zu pflegen. Direktor Hubertus war daran, den Vorschlag einer einstweiligen Übersiedelung zu machen, als ihm die Tugend der Stadt und die leicht entzündbare üble Nachrede einfiel. Er rieb sich das Kinn und sah das schlanke Geschöpf mit den großen, fragenden Augen mit Bedauern an. Und während er sie so betrachtete und ihm bei der Kürze[110] der Zeit, über die er verfügte, kein anderer Vorschlag geläufig werden wollte, fiel ihm bei einer müden Wendung, die sie machte, die Ähnlichkeit ihres Profils mit einer köstlich geschnittenen Gemme auf, seinem Lieblingsstück in der fürstlichen Sammlung. Dieser Vergleich ließ ihn nicht mehr los. Mit der Miene des Kunstkenners studierte er die edle Linie des Kopfes, die reingeprägten Züge ihres Gesichtes. Es war der Sammler, der ihn drängte, den Vorschlag einer einstweiligen Übersiedelung in den einer dauernden umzuwandeln. Besaß das Kabinett seines Herrn den Stein, so konnte er in der Stille des Hauses sein Auge an der lebendigen Form weiden. Und nicht die scharfäugigste Tugend vermochte einen entstellenden Flecken nachzuweisen.

»Mein Fräulein, Ihr Sachwalter wird Ihnen gesagt haben, wie – leider – die Dinge hier liegen.«

»Ich werde mich als Gesellschafterin vermieten müssen.«

»Dazu – meine Jahre erlauben mir wohl, davon zu sprechen – dazu dürften Sie zu hübsch sein. Und um traurige Erfahrungen zu machen, dazu ist Ihre Jugend nicht da und mir das Andenken meines Freundes zu wert. Wie alt sind Sie jetzt, mein Fräulein?«

»Zwanzig Jahre,« sagte sie ohne Anteilnahme.

»Hm – ich zähle fünfzig. Das ist ein beträchtlicher Unterschied. Aber ich bin allein, lebe in wohlgeordneten Verhältnissen in einem angenehm liegenden[111] Hause, nehme eine angesehene, pensionsberechtigte Stellung ein und pflege mich wenig um laute Geselligkeit zu kümmern. Wollen Sie sich das einmal überlegen?«

»Was hilft mir das?« meinte sie und schloß die Augen.

»Mein Fräulein, gestern erst ist Ihr Herr Vater beerdigt worden. Da ziemt es sich wohl nicht, angesichts des frischen Grabes vom Leben zu reden. Und doch – die Umstände entscheiden. Ihnen ist die Heimat genommen worden und die Möglichkeit, sich eine neue zu gründen. Ich biete Ihnen eine neue. Nicht aus leidenschaftlicher Übereilung heraus – Leidenschaft wäre heute nicht am Platz –, sondern einer starken Sympathie wegen, die Sie mir einflößen. Meine Studien und mein auf das Sinnende gerichtete Temperament gestatten mir nicht, Ihnen übermäßig lästig zu fallen. Es wird eine wohltemperierte Freundlichkeit und Behaglichkeit zwischen uns walten. Keiner wird den anderen in seiner stillen Beschaulichkeit stören.«

»Sie wollen mich – heiraten?«

»Erscheint es Ihnen nicht lockender, im Hause eines Ihnen väterlich zugetanen Freundes frei als Gattin zu schalten, statt in fremden Häusern sich unter Launen zu demütigen, immer das Bündel in der Hand?«

»Bleibt mir denn nichts? Gar nichts?«

»Ich glaube, mein liebes Kind, nicht einmal das Bündel, von dem ich sprach.«

[112]

»Hat denn wirklich Vater nichts für mich hinterlassen?«

»Liebes Kind, es sind hohe Schulden vorhanden. Aber ich will sie übernehmen.«

Ein heftiges Weinen überkam sie.

»Und mich dazu!«

»Und Sie dazu. Stellen Sie sich das nicht so unmöglich vor. Das, was die Jugend bieten könnte, werden wir in gesammelter Form in der Kunst genießen. Wir werden am Abend beieinandersitzen, die Kunstblätter werden von Hand zu Hand gehen, wie die Schatzgräber werden wir bei jedem neuen Funde erstrahlen, während draußen in der rauhen, wilden Welt die Menschen mit finsteren Gesichtern an den Schönheiten vorüberrennen. Und das reine Gedächtnis an den Vater bewahren Sie als Ihren höchsten Schatz.«

Sie stand am Fenster und blickte in den rotglühenden Sonnenball, der sich fern über den Dächern senkte.

»Ich habe ihn so lieb gehabt, den schönen, fröhlichen Vater … Und selbst seinen Leichtsinn hab’ ich lieben müssen …«

»Darum sorgen Sie dafür, daß jetzt nicht schmutzige Hände an ihm herumzerren.«

Sie blickte starr in die rotglühende Sonne, bis der letzte Streifen geschwunden war. Dann wandte sie sich um.

»Wann – dachten Sie – daß ich zu Ihnen – übersiedeln sollte?«

[113]

»Die Umstände entschuldigen, daß wir von dem Trauerjahr absehen. Sie sollen sich so bald als möglich in Sicherheit fühlen.«

»In zwei, in drei Monaten –?«

»Ich werde alles vorbereiten.« Er erhob sich, und sein sinnender Blick hing lächelnd an ihrem klaren Profil. »Seien Sie so frohen Mutes, als es Ihnen diese Zeit erlaubt. Ich werde mich jetzt zu den Gläubigern Ihres Vaters begeben und die Schuld auf mich übertragen lassen. Leben Sie wohl.« –

Um ein Vierteljahr später zog die junge Frau Maria in das kleine, weiße Rokokohaus, das unter den von alten Zeiten raunenden Platanen hinter der hohen Taxushecke träumte. Und bald träumte die junge Herrin mit … Wenn der Konservator der fürstlichen Sammlungen im Amte weilte oder daheim über Mappen alter Kupferstiche saß, die nach Alter rochen wie die Wäscheschränke des Hauses nach Lavendel, horchte sie auf das Wispern zwischen Taxus und Platanen, das von Leben, Lieben, Lachen erzählte, von kleinen Menschensünden und großen Menschenfreuden zu den Zeiten des entzückenden Rokokodämchens, das seine Jugend mehr liebte als seine Tugend. Dann wurden ihre Augen weit, einer fremden Sehnsucht voll, und sie ließ den Abendwind, der aus dem verschwiegenen Schloßpark kam, um Hals und Wangen schmeicheln.

»Du wirst dich noch erkälten, Maria. Bitte, schließ das Fenster. Und sieh einmal her. Wer, glaubst du[114] ist der Autor dieser höchst originellen Serie von Kupfern …?«

Sie schloß das Fenster und setzte sich zu ihm an den Tisch. Zu antworten brauchte sie nicht. Der eifrige Sammler hatte bereits die Lupe wieder eingeklemmt, um nach wegweisenden Merkmalen zu fahnden, die ihm den Namen des Kupferstechers verraten könnten. Der Abend ging hin.

Und Woche auf Woche, Monat auf Monat schloß sich an. Sorgfältig rasiert, im peinlich gebürsteten Rock wandelte der fürstliche Konservator in sein Amt, wandelte heim, warf einen frohen Blick auf das edelgeschnittene Profil der Gattin, dem der Schnitt der fürstlichen Gemme nicht standhalten konnte, und vergrub sich in seine Forschungen. Und draußen juchheite der Frühling in den Bäumen, kamen des Sommers Düfte in Strömen aus dem Schloßpark geflossen, färbte sich das Laub purpurn im Auskosten letzter Wonne und fiel braun in den Schnee, der geheimnisvoll die Decke breitete, damit sich neue Seligkeit zu neuen Kräften sammle.

Frau Maria schritt durch das Haus. Nur an den Fenstern zögernd. Wie der Gefangene, der immer wieder nach dem Stückchen blauen Himmel blickt. Tag für Tag schritt sie durch das Haus, ruhelos, vom Keller zum Söller, von Gedanken umsponnen wie von einem unsichtbaren Hofstaat. In der Einsamkeit wurde ihr Blut heißer und lauter, ihr Gesicht blasser und stiller. Mit Menschen kam sie kaum zusammen. Der Herr Konservator war ein Einsiedler gewesen Zeit seines[115] Lebens, die späte Ehe sollte ihm seine Gewohnheiten nicht stören. Die Selbstsucht des Alters war in ihm. Die Vorstellung, daß die Jugend neben ihm, weil sie nun doch einmal an seiner Seite einherschritt, nicht mit seinen Augen sehen, nicht mit seinen Gefühlen empfinden, nicht seine Liebhabereien und Abneigungen teilen sollte, lag ganz abseits seiner Begriffswelt. Weil er sich wohl und warm fühlte, glaubte er dasselbe von seiner jungen Genossin. Da sein Alter nichts entbehrte, wähnte er ihre Jugend in heiterer Zufriedenheit. Nur so verstand er ihren Blick, der schweifend ins Blaue ging oder starr auf einen nahen Punkt gerichtet blieb.

»Freue dich, Maria, heute abend – heute abend bring’ ich dir ein seltenes Blatt.«

Und sie nickte und dachte, während sie ruhelos durch das Haus schritt, an den fürstlichen Erbauer, und ob er der die Arme öffnenden Frau auch Raritäten aus seinen vergilbten und verstaubten Sammlungen gebracht oder den Pulsschlag des Lebens …

Einmal nur, einmal nur einen Gruß erhalten aus dem Liebesjauchzen der Welt! Wie ein Geschenk würde sie ihn bewahren, ihn mit warmen Händen umhüllen wie ein heimliches Licht, wenn auf der Tischplatte die schwarzen Bilder raschelten, und das Haus mit seinem Glanz erfüllen, wäre sie allein und – nicht mehr allein.

Und die Jahre reihten sich aneinander.

Die Stimme des Lebens, die eilig durch die Hauptstraße[116] der Stadt zum Schlosse fuhr und eilig zurück, fand den Weg nicht zu dem vergessenen Häuschen des Rokoko. So angstvoll die Jugend in Frau Maria auch aufhorchte, immer war es nur das eigene Blut, dessen wehes Weinen sie vernahm. Es kam keine Antwort von draußen.

Die Zeiten des Rokoko waren dahin. Die Tugend schlurfte auf lautlosen Socken von Haus zu Haus und äugte durch die Schlüssellöcher. Und die unkundige Frau Hofrat, die vor Jahren einen Ballabend lang einen Verehrer von der Leibkompanie gehabt hatte, lächelte noch immer mit rotgeweinten Augen.

Da wurde Frau Maria so müde, daß ihr das Wispern des Taxus und der Platanen, das Duften des Schloßparks Schmerzen bereitete. Und ihr Wunsch an das Leben wurde immer kleiner, scheuer und bescheidener, der Dornröschenschlaf gewann immer leichtere Arbeit.

»Rate, Maria, was ich dir heute bringe?«

»Einen Kupfer,« sagte sie, »wenn es hoch kommt: eine Radierung.«

»Das wäre mir auch lieber. Die Arbeit wächst und wächst, und jede Art Ferien sind mir ein Greuel.«

»Willst du Ferien machen?« fragte sie, und ihr Atem ging auf einmal schneller.

»Einen kostbaren Abend lang. Es ließ sich nicht umgehen. Die höhere Beamtenschaft vereinigt sich Dienstag mit ihren Damen zu einem Festessen, zu Ehren eines Dienstjubiläums des Fürsten. Liebste,[117] es wird dir gerade wie mir schwer fallen, unser Tuskulum zu verlassen. Aber es muß sein.«

Sie trug Sorge um ihre Toilette. Die Zeit war knapp. Aber er beruhigte sie. »Das einfachste Kleid wird das schönste sein. Ein Sammler hütet seine Schätze.«

Aber eine geheime Mädchenunruhe ließ sich doch nicht bannen. Jeden Tag, wenn sie allein war, stand sie vor ihrem Kleiderschrank, prüfte, verwarf, entschied sich und begann zu ändern und zu verschönern. Der Spiegel lachte sie an, und sie lachte den Spiegel an. »Ein Sammler hütet seine Schätze,« klang es in ihrem Ohr. »Für wen? Wofür …?« Sie schloß die Augen. An dem Kleide änderte sie nicht mehr. – –

Der Tischnachbar, der ihr bestimmt war, hatte im letzten Augenblick wegen eines Podagraanfalles absagen müssen. Aber der Frau Hofrat war unerwartet der Besuch ihres Bruders zugefallen, und ihr Gatte hatte ihm eine Einladung verschafft. So wurde der leere Platz neben Frau Maria besetzt. Es kam fast wie eine Verwunderung über sie, daß sie nicht auch hier allein blieb.

»Gnädige Frau, ich meine, Sie wiederzuerkennen. Habe ich den Vorzug mit der Tochter des Geographen Professor Neuhoff?«

»Er war mein Vater.«

»Und ich, gnädige Frau, war sein Schüler. Ich habe Ihrem Herrn Vater vieles zu danken. Vor allen Dingen die Begeisterung.«

»Die – Begeisterung?«

[118]

»Wundert Sie das? Und Sie sind seine Tochter?«

»Ich habe es in der Zurückgezogenheit dieser Stadt fast vergessen.«

»Sie scherzen, gnädige Frau. So etwas vergißt sich nicht. Ich habe ja nicht einmal vergessen, daß ich sein Schüler war. Und ich habe ihn weidlich bestohlen. Ja, ja, schauen Sie nur so erschreckt. Bestohlen um seine frohe Lebensanschauung, seine Begeisterung und nicht zuletzt um den Drang, die Welt zu durchqueren, Länder und Meere zu durchforschen wie er. Ach, Sie hätten ihn im Kolleg und auf Spaziergängen schwärmen hören sollen.«

»Sie wollen eine Forschungsreise unternehmen?«

»Ich habe mich auf drei Jahre einer Expedition durch Zentralasien verpflichtet. Eine ebenso lange Reise durch Afrika liegt hinter mir. Morgen um diese Zeit führt mich der Schnellzug nach Genua. Dort geht’s zu Schiff.«

»Sie Glücklicher« – –

»Und Sie, gnädige Frau? Treibt es Sie nicht auch zuweilen, als müßten Sie auf Forschungsfahrten hinaus?«

»Ich streife täglich durch mein Haus, vom Keller bis zum Söller.«

Er sah sie an. »Da ist nicht das Leben.«

»Nein, da ist es nicht.«

Sie spielte stumm mit den Brotkügelchen auf der damastenen Tischdecke, und er drehte den Fuß seines Weinrömers hin und her. Dann suchte er ihren[119] Blick. Der ruhte auf einem ältlichen, glattrasierten Herrn in altmodischem Frack.

»Ihr Herr Gemahl?« fragte er und beugte sich kaum merkbar zu ihr.

»Mein Gatte, Direktor Hubertus, Konservator der fürstlichen Sammlungen.«

»Ah – –.« Er lehnte sich zurück und schwieg. Nur seine hellen Augen gingen von ihr zu ihm, von ihm zu ihr. Und er hörte ihr tiefes, langes Atemholen.

»Wollen Sie mir nicht etwas vom – Leben erzählen, Herr Doktor Bracht? Ich werde eine aufmerksame Zuhörerin sein.«

Er trank hastig sein Weinglas aus.

»Vom Leben? Das läßt sich nicht erzählen. Das muß man selber erleben.«

»Es kommt nicht hierher. Wenigstens nicht bis an mein abseits gelegenes Haus. Ich glaube – es fürchtet sich vor den vielen toten Kupferstichen meines Mannes.«

Es sollte scherzhaft klingen, aber es hatte einen zitternden Unterton.

»Damit, freilich, verträgt sich das Leben nicht. Es gibt Herzblut, und es verlangt Herzblut.«

»O, wenn es nur darauf allein ankäme« – –

Er sah, wie ihr das Blut unter der Haut emporstieg und ihr langsam Hals und Wangen rötete. Welch eine seltsame Frau! …

»Sie sind mir Schadenersatz schuldig, Herr Doktor. Sie haben meinen Vater bestohlen, und nun müssen[120] Sie mir von den aufgelaufenen Zinsen zurückgeben.«

Da begann er zu erzählen. Von den Wundern des Mittelmeeres und seinen Gestaden, von dem sonnendurchglühten Leben des Südens, von der Pracht der Welt und der Freude der Menschen. Und wie jede Gefahr, selbst die nervenzerrüttenden Strapazen im mittelafrikanischen Hochgebirge, immer wieder zur Freude würde, weil man seine Kraft gespürt hätte, ach, diese herrliche Kraft!

Sie saß ganz still und trank ihm die Worte vom Munde.

»Ich glaube, Sie wären ein prachtvoller Kamerad, gnädige Frau. Jung und gesund und nicht klein zu kriegen.«

»Ich bin sehr klein geworden.«

»Aber Sie würden wachsen, in der Sonne, in dem frischen Seewind, hoch oben auf dem freien Gebirgskamm. Dort lohnt sich das Alleinsein, hier unten nicht.«

»Ja, ich würde wachsen,« sagte sie ganz ruhig. »Ich danke Ihnen, Herr Doktor.«

Die Tafel wurde aufgehoben. Aber Robert Bracht blieb an Frau Marias Seite.

»Wissen Sie auch, daß das auffällt, Herr Doktor? Ihre Frau Schwester hat an einem Ballabend dreimal mit einem Hauptmann getanzt. Davon geht hier heute noch die Sage.«

»Ich weiß. Und sie weint sich heute noch die Augen deshalb rot. Als wir uns zum Feste rüsteten,[121] hat sie es mir wieder klagen müssen. Würden Sie sich deshalb auch die Augen rot geweint haben?«

»Ich? O nein. Ich würde in dieser Trostlosigkeit dankbarer sein. Selbst für eine kurze Erinnerung.«

Nun sah er sie mit offenem Staunen an. Ihre Schönheit hatte etwas Schmerzendes. Das rief den Mann in ihm auf, den Ritter der Hilfsbedürftigen und Bedrängten.

»Gnädige Frau, ich war der Schüler Ihres Herrn Vaters, in der Wissenschaft und in der Lebenskunst. Gestatten Sie mir, daß ich die tiefe Freundschaft, die ich für ihn empfand, und die durch seinen Tod vakant geworden ist, Ihnen, seiner Tochter, zur Verfügung stelle?«

Seine hellen Augen blitzten sie an. Unwillkürlich reckte sie ihren schlanken Körper, als ginge ein Lebensstrom hindurch. Dann nahm sie seine Hand. »Ich will es Ihnen gedenken, wenn Sie draußen, in der Wildnis sind.«

»Und ich will aus meiner Wildnis heraus an Sie in Ihrer Einöde denken. Das wird uns beiden gut tun.«

»Ja,« sagte sie und gab seinen Händedruck zurück. – –

Hatte sie ein Erlebnis gehabt? War doch der Gruß des Lebens zu ihr geflattert, und sie hielt ihn in bebenden Händen? Sie sann im Dunkel ihres Schlafzimmers vor sich hin, mit ganz feinfühligen, feinhörigen Sinnen. Draußen raunten die Platanen[122] und wisperte der Taxus. Von dem ausgelassenen Fürstenliebchen? Von der stillen Maria, die zum ersten Male in ihrer Schlafkammer leise gelacht? –

Sie hatte einen Freund, an den sie denken durfte. Sie war nicht mehr allein. Den Altersgeruch der Kupferstiche würde sein frischer Odem aus der Ferne wegwehen. – –

»Das Bankett, meine liebe Maria, ist mir nicht günstig bekommen. Auch du siehst nicht aus wie sonst. Doch nicht Fieber?«

Sie lächelte, daß er ihre Jugend für Fieber nahm.

Als er, wie alltäglich, sein Amtszimmer in den fürstlichen Sammlungen aufgesucht hatte, wanderte sie, wie alltäglich, durchs Haus. Und dennoch nicht wie sonst. Ihre Füße schritten leichter, ihre Augen blickten lebendiger, und wenn sie an einem Fenster in Gedanken versunken stehen blieb, hatten ihre Gedanken ein Ziel. Den Freund!

Noch wenige Stunden, und er würde sich reisefertig machen. Jetzt dachte er her. Das war wie ein Gruß. – –

Und in ihren Ohren klang es wieder: »Frau Maria –«

Sie wandte sich um. Wurden ihre Träume körperlich? »Herr Doktor – – gerade dachte ich an Sie.«

»Und daß ich es auch tat, sehen Sie daran, daß ich vor Ihnen stehe.«

»Ich soll diese Rosen haben, diesen wundervollen Strauß?« Sie vergrub ihr Gesicht in den Kelchen.[123] »Ich kann Ihnen gar nicht danken,« murmelte sie in die Blätter, »ich bin nicht daran gewöhnt.«

»So unglücklich sind Sie, Frau Maria?«

»Jetzt nicht mehr« …

»Weshalb mußten Sie diese Heirat eingehen?«

»Um nicht zu verkommen.«

»Ich bin mit hundert Mark in der Tasche aus dem Elternhaus gegangen und nicht verkommen,« stieß er zornig hervor. »Hatten Sie denn überhaupt keinen Mut?«

»Ich meine, ich habe ihn gezeigt,« sagte sie ohne Auflehnung, und sein Zorn tat ihr wohl.

»Eine gute Versorgung eintauschen, ist das ein Mut? Was wollen da später die Klagen!«

»Ich habe den guten Namen meines Vaters, Ihres Freundes, eingetauscht.«

»Vergebung,« stammelte er betroffen. »Das habe ich nicht gewußt.«

»Sie sehen also, der Handel hat seine Früchte getragen. Kein Mensch, der nicht heute noch das Andenken meines Vaters ehrt. Meines schönen, fröhlichen Vaters … Und ich habe mich zur Buße in eine Raritätensammlung begeben.«

»Frau Maria – können Sie sich – nicht frei machen?«

»Den Käufer um seinen Preis betrügen? Lieber Freund, er hat im guten Glauben gehandelt. Soll ich kleiner denken?«

»Frau Maria, ich habe die ganze Nacht, den ganzen Morgen an Sie gedacht.«

[124]

»Und ich – an Sie.«

»Maria, spotten Sie nicht?«

»Soll ich Sie dasselbe fragen?«

»Maria« – er streckt die Hände nach ihr – »welch ein Zauber geht von dir aus!« – –

»Und welch ein Zauber von dir!«

»Ich werde die Sehnsucht nicht mehr los werden.«

»Und ich nicht mehr das Glück. Da bin ich reicher.«

Er hielt sie in seinen Armen, ganz fest, als müßte er sie sich in dieser einen Umarmung zu eigen machen. Er küßte ihre Lippen, ihr Haar, und die Linien ihres Körpers streichelnd, sagte er nur: »So schön bist du – so schön bist du.« – –

Da stiegen ihr die Tränen in die Augen und hingen wie strahlende Perlen an ihren dunklen Wimpern.

»Geh jetzt, Liebster. Nun hat mich das Leben geküßt und gesegnet. Nun wird mir alles leicht.«

»Auch das, mich aufzugeben?«

»Ich dich aufgeben? Wo ich jetzt immer bei dir sein werde? Nun kannst du mich ja gar nicht mehr verlassen, und ich dich nicht. Während du die Welt durchquerst und im rauschenden Leben stehst, sitze ich hier in meinem kleinen, weißen Rokokohaus und träume von meinem fahrenden Ritter, der mir Welt und Leben hereinholt. Ich brauche dich nur zu rufen, ganz unhörbar, und du bist bei mir, und meine Kammer ist voll Sonne und frischem Lebensduft. Und wenn ich mich um dich ängstige, mache ich mich in[125] Gedanken auf und nehme teil an deinen Gefahren und deinen Siegen. Und an deiner Freude, die nun die meine ist.«

»Ich werde lange fortbleiben« …

»Was tut das? Es gibt für mich keine Zeit mehr.«

»Und wenn ich dich noch immer unfrei wiederfinde?«

Sie schüttelte den Kopf. »Selbst wenn du unfrei würdest, ich würde es gar nicht bedenken. Ich würde trotzdem Tag und Nacht mit dir wandern, mit meiner Liebe und mit meiner Sorge. Und mein Haus würde immer voll von dir sein.«

Er preßte sie an sich und küßte sie auf Lippen und Haar.

»O du Träumerin, du wirst meine Sehnsucht nach der Stille sein.«

Und sie schlang ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn wieder. »Ich habe dich ja so lieb. Ich habe in dir ja das Leben so lieb.« … – – –

Und Herbst kam und Winter. Und wieder der Frühling, wieder der Sommer. Frau Maria merkte es nicht. Sie merkte nicht die Dumpfheit der kleinen Residenz und nicht die Einsamkeit des kleinen, weißen Hauses. Sie merkte nicht die Langeweile der Kunstblattbetrachtungen und nicht den Altersduft, der aus den Blättern stieg, die dem emsig forschenden Gatten das Leben bedeuteten. Mit leuchtenden Augen ging sie umher, mit horchenden Ohren blieb sie stehen, sie lachte, sie sang, mit geschäftiger Seele von früh[126] bis spät. Sie war nicht in der Einsamkeit, sie war in der brausenden Welt, die seiner seligen Kraft bewußt werden läßt den, der sie überwindet. Denn ihre Seele schwang sich hoch über Stadt und Land und tauschte mit dem Leben Grüße. Mit dem Leben, von dem sie geküßt worden war und in dem einen berauschenden Kuß stark gemacht, es zu ertragen. – – –


[127]

Zweiter Frühling

[129]

Über den Ponte Vecchio von Florenz schritt an einem glühenden Junimorgen ein junger blonder Mann in grauem Touristenanzug, den weichen, breitkrempigen Filzhut weit in den Nacken geschoben. Die Szenerien am Arnoufer mußten ihm bereits bekannt sein, denn er wandte die Augen weder rechts noch links, hielt die Hände in den Taschen seines Jacketts vergraben und pfiff beim Gehen leise vor sich hin. Er bog in die Via dei Guicciardini ein und strebte, wie selbstverständlich, die Anhöhe hinan, auf der im Schmucke des Boboligartens der Palazzo Pitti seine mächtige Fassade streckt. Hier wartete er, die Uhr in der Hand, bis die Glocken aus der Stadt die zehnte Morgenstunde herüberriefen und der Palast seine Pforten den Besuchern der Galerie öffnete, stieg alsbald die Stufen bis zum zweiten Stockwerk empor, durchschritt ohne Aufenthalt den Saal der Ilias, nur einen liebevollen Blick mit dem Meisterwerk Giorgiones, dem Konzert des Augustinermönches, tauschend, und gelangte in den Saal des Saturnus.

Noch war er der einzige Gast in dem prunkenden Bau, den die Eifersucht auf die Medici errichtete. Der tägliche Schwarm der Italienreisenden überschwemmte noch nicht die Säle, und die störenden[130] Bemerkungen der Philister drängten sich um diese Stunde nicht in die Andacht des Wissenden und Lernenden.

Vom Saal des Saturnus wandte sich der junge Mann gleich der linken Wand zu, blieb vor einem Gemälde stehen und nahm den Hut vom Kopf. Raffaels Madonna della Sedia schaute ihn aus großen glückstrunkenen Mutteraugen an – –.

»Ja,« dachte er, und es war eine große selbstlose Freude in ihm, »so sieht das Glück aus … Eine glückliche Mutter! Kann es etwas Glückseligeres geben?«

Er setzte sich auf ein Polster, drückte den Hut zwischen die Kniee und blieb im Ansehen versunken.

Aus dem anstoßenden Saal kam ein leichter Schritt. Ärgerlich wollte der einsame Beschauer die Brauen runzeln. Aber schon flog ein Lächeln des Erkennens um seinen Mund, und er ließ sich nicht stören. Doch nach einigen Minuten konnte er nicht anders, als heimlich den Kopf zur Seite zu wenden. Nur, um sich zu vergewissern, ob sie es auch wirklich war, die sich seit den acht Tagen, die er nun in Florenz weilte, mit ihm in den stillen Kultus des Madonnenbildes teilte. Nein, er hatte sich auch heute nicht getäuscht. Einen kleinen bemalten Fächer in den Händen, stand sie seitwärts von dem Bilde, auf das sie den Blick mit einem eigentümlichen Ausdruck sinnend geheftet hielt.

[131]

Der junge Mann beobachtete sie jetzt schärfer. Sein Interesse an der Dame, die seiner Schätzung nach Ende der Zwanziger stehen mochte, war schon seit Tagen geweckt, ja, wenn er sich genauer Rechenschaft ablegen wollte, seit der Morgenstunde, in der er sie zum ersten Male vor dieser Bilderperle angetroffen hatte und ihm die Schönheit ihres dunkelbraunen Haares, der braunen Augen, die so ungewöhnlich groß aus dem feinen Antlitz leuchteten, aufgefallen war. Die Formen ihres Körpers, die das seltsame Gemisch von frauenhafter Anmut und der leichten Grazie des Mädchens zeigten, waren von einem duftigen Kleide aus weißem Spitzenstoff umhüllt, der schmale Fuß erwies sich elegant beschuht, die Hände bedeckten fein durchbrochene Handschuhe aus Seidengewebe, die sich bis zur Mitte des schön gerundeten Armes hinaufzogen. Im Gürtel der zarten, biegsamen Taille staken ein paar dunkelrote Rosen.

Die Dame schien den Blick zu empfinden. Sie tat ein paar Schritte, um aus der Sehlinie ihres einsamen Gesellschafters zu kommen und maß ihn dabei kühlen Auges. Aber der Ausdruck echtester, staunender Bewunderung auf dem offenen Gesicht des jungen Mannes machte sie stutzen, eine leise Röte huschte über ihr Gesicht, sie lächelte fast ein wenig und verließ bald darauf den Saal, da von draußen die Stimmen neuer Besucher ertönten. Auch der junge Tourist hatte sich erhoben und war, ohne es eigentlich zu wollen, der Dame gefolgt. In schicklicher Entfernung von ihr schritt er dahin und bewunderte[132] die elegante Figur und die sichere Grazie des Ganges. Der Weg führte am Ufer des Arno entlang, dann rechts ab und hinauf zum Piazzale Michelangelo, dem wunderbaren Aussichtspunkt auf Florenz. Neben dem bronzenen David des Meisters nahm sie auf einer Bank Platz und ließ die Augen über das ferne Häusermeer schweifen, bis sie einen Punkt gefunden hatten, an dem sie hafteten. Und wieder sah der junge Lauscher, der nicht weit von ihr hinter einer breitastigen Platane stand, denselben eigentümlichen, sinnenden Ausdruck des Blickes, mit dem sie Raffaels gemaltes Mutterglück betrachtet hatte, und doch war etwas Neues, Fremdartiges darin, eine Sehnsucht – –.

Wem mochte Blick und Gefühl gelten? Den Klostermauern drüben im Osten der Stadt, die wie ein grauer Fleck inmitten glänzender Paläste lagen? Dazu stimmte nicht Gewand und Haltung. Oder den Palästen selbst, den blühenden Gärten, die heiteres Leben verkündeten? Dazu wieder lag zu viel stille Traurigkeit in dem Blick. Und doch war es Sehnsucht, ein Verlangen, mit dem sie rang. Hier oben auf den Höhen, zu denen sie emporgestiegen war, lagen die stillen Wonnen des Sommers ausgebreitet, und unten in der Stadt, die sie verlassen hatte, pulste das frühlingsfrische Leben des ewig jungen Florenz.

Wohl eine Stunde war vergangen. Droben vom Kirchlein San Miniato klang eine Mittagsglocke. Noch einen langen Blick warf die Dame auf das[133] Panorama zu ihren Füßen, und langsam ging sie den Weg zurück, dem Arno zu, über die Brücke in die innere Stadt bis zum Dom, wo sie in einem Privathotel verschwand. »Maison Nardini,« las der junge Mann. Und in einer Stimmung, die er nicht begriff, die aber sein ganzes Innere mit sonderbaren Bildern und Wünschen erfüllte, umschritt er den Domplatz, kehrte zu dem Hotel zurück und riß sich endlich mit Gewalt los, um sich nach der Post zu begeben und nach Briefen für den Baumeister Karl Erkelenz zu fragen. Er fand Nachrichten vor aus der deutschen Universitätsstadt, an deren Hochschule er eine Assistentenstellung bekleidete, las sie teilnahmslos durch und befand sich plötzlich wieder vor dem Hotel Nardini. Kurz entschlossen trat er ein, erkundigte sich bei dem Wirt nach einem Zimmer, und schon am Nachmittag trug ein Dienstmann das geringe Gepäck aus seinem bisherigen Hotel in die Pension Nardini. Über sein Tun war er sich nicht im geringsten klar, aber er betrieb die Übersiedlung so schnell, um nicht Zeit zu finden, erst darüber nachzudenken. Er wußte nur eins: er handelte im Banne dieser großen, braunen, sehnsüchtigen Augen.

Die elektrische Klingel rief zum Siebenuhrdiner. Erkelenz hatte seine grauen Touristenkleider mit einem schwarzen Anzug vertauscht und saß bereits auf dem Platz, den ihm der Aufwärter angewiesen hatte. Nur wenige Gäste waren anwesend. Die meisten der Hotelbewohner hatten die Schönheit des Tages zu weiteren Ausflügen benutzt, von denen sie noch nicht zurückgekehrt[134] waren. Die minestra war als Vorspeise herumgereicht worden, der Aufwärter tauschte klappernd die Teller, und noch immer wollte sie nicht erscheinen, um derentwillen der junge Baumeister Pensionär des Signor Nardini geworden war. Er begann nachgerade unruhig zu werden und sich im stillen Vorwürfe über sein übereiltes Tun zu machen. Wer bürgte denn dafür, daß die Dame in diesem Hotel wirklich Wohnung genommen hatte? Konnte sie heute mittag nicht zu einem kurzen Besuch hier eingetreten sein? Vielleicht gar, um bei Bekannten einen Abschiedsbesuch zu machen. Wahrhaftig, damit wäre das lange, stille Verweilen bei der Davidstatue in Einklang zu bringen gewesen, das einem Abschiednehmen so ähnlich sah. Es war ein kindischer Streich, ohne jeden Anhaltspunkt mit Sack und Pack hierher zu ziehen, und Erkelenz fühlte, wie ihm die gute Stimmung abhanden kam. Er war doch, weiß Gott, nach Florenz gekommen, um sich über alte Baudenkmäler und nicht über junge Frauen zu unterrichten. Über junge Frauen! Er hatte Zeit seines Lebens noch nichts von ihnen gewußt, und seine Kameraden hatten ihn weidlich wegen seiner Weiberscheu gehänselt.

Da öffnete sich die Tür. Und errötend bis unter die Haarwurzeln machte der Baumeister der Dame, die sich ihm gegenüber niederließ, eine ungeschickte Verbeugung. Sie war es, die er erwartet hatte. In demselben weißen duftigen Kleide.

Erkelenz wagte kaum von seinem Teller aufzusehen.[135] Der große, erstaunte Blick, mit dem sie seinen Gruß erwidert hatte, hatte ihn in eine knabenhafte Verwirrung versetzt.

Um ihn herum wurde in vielen Zungen parliert. Nur sein schönes Gegenüber beteiligte sich nicht an der Unterhaltung und spielte schweigend mit den Blumen auf der Tafeldecke.

Dieses Schweigen wurde dem jungen Baumeister von Minute zu Minute peinlicher. Bei seiner geringen Weltkenntnis glaubte er einen stummen Verweis für seine Anwesenheit darin zu erblicken. Aber das Auge der Dame ruhte so unbefangen und freundlich auf ihm, daß sein frischer Jugendmut mit einem Schlage zurückkehrte.

»Befehlen Sie diese Früchte?« fragte er bescheiden und bot ihr die Schale.

Sie nickte dankend und begann eine Orange abzuschälen. Er sah ihr aufmerksam zu, wie sie die goldgelbe Frucht zwischen den feinen Fingerspitzen drehte. Da traf ihn ihr lächelnder Blick, und er wurde rot wie ein ertappter Sünder.

»Darf ich Ihre Freundlichkeit erwidern?«

Die Stimme klang so weich und angenehm, und er beeilte sich, eins der Orangestückchen, die sie ihm auf ihrem Glastellerchen bot, anzunehmen.

»Gnädige Frau,« sagte er stockend, »ich habe wohl die Ehre, eine Landsmännin zu begrüßen? Gestatten Sie mir: mein Name ist Erkelenz.«

»Sie haben recht geraten,« erwiderte sie, seine Namensnennung mit einer Kopfneigung entgegennehmend.[136] »Ich befinde mich nur vorübergehend in Florenz.«

»Und wird es Ihnen nicht schwer werden, diese herrliche Stätte wieder zu verlassen? Ich,« fuhr er mit jugendlicher Begeisterung fort, »bin wie berauscht von den Wundern der Stadt. Diese verschwenderische Fülle von Baudenkmälern, von Palästen und Kirchen, von meisterlichen Bildhauerwerken und Gemälden! Ich meine oft, ich könnte mich nicht mehr losreißen.«

»Sie sind Maler?« fragte sie und sah mit Vergnügen auf sein glühendes Gesicht.

»Nein, gnädige Frau, ich bin Baumeister. Aber gerade der Baumeister soll ja Sinn für alles Schöne haben, denn er soll alles Schöne in der Architektur, der Plastik und der Malerei zu einem harmonischen Ganzen verbinden. Der Baumeister ist der berufene Vermittler in der Kunst.«

»Wenn er selbst ein Künstler ist.«

»Das muß er sein, oder er ist kein Baumeister, sondern ein Bauhandlanger. Der Meister darf von der Form den Inhalt nicht trennen.«

»Sie nehmen trotz Ihrer Jugend Ihren Beruf sehr ernst. Sie müssen einen trefflichen Lehrer gehabt haben.«

»Meine Mutter, gnädige Frau.«

Er sagte die wenigen Worte mit so tiefem Gefühl, daß es sie durchzuckte.

»Ihre Frau Mutter,« meinte sie leise, »muß sehr glücklich sein.«

[137]

Er schwieg einen kurzen Augenblick, als wenn er sich besänne. Dann begann er offenherzig: »Im Palazzo Pitti hängt ein Bild, das schönste, das ist meine Mutter.«

»Sie meinen die Madonna della Sedia?«

»Ja, das Raffaelsche Wunderwerk. Der Meister muß es in Gedanken an seine Mutter gemalt haben, wenn er auch ein fremdes Modell benutzte. Liegt nicht ein ganzer Himmel in ihrem Auge? Nicht ein Himmel, den sie für sich begehrt. Nein, sie selbst ist nach echter Mutterart voll lächelnder Zufriedenheit still untergetaucht, um in ihrem Kinde glückselig aufzuerstehen zu einem zweiten Leben. In ihrem Kinde, für das sie die Welt und den Himmel beansprucht. Sie bringt in ihrem Sinn damit kein Opfer, nein, sie ersehnt darin ihr höchstes Glück. Das ist eben das Wunder. Und so ist meine Mutter.«

Die schöne Frau spielte gedankenvoll mit der Schale der Orange.

»Erzählen Sie mir mehr von Ihrer Mutter,« bat sie.

»O, gnädige Frau,« versicherte er fröhlich, »in ihrem Leben ist nicht viel Bemerkenswertes. Sie ist eine einfache Frau, die mich nach dem frühen Tode meines Vaters mit Verleugnung aller eigenen Wünsche erzogen hat. Das Beste kann man ja nicht erzählen, ich meine ihre Liebe. Aber sie wird auch hierin keine Ausnahme unter den Müttern bilden. Ich wenigstens vermag mir eine Mutter gar nicht anders mehr vorzustellen.«

[138]

»Es wird schwül im Zimmer,« warf sie plötzlich ein. »Unsere Tischnachbarn haben sich schon ins Freie gerettet. Ich werde ihrem Beispiel folgen. Auf Wiedersehen, mein Herr.«

Auch Erkelenz erhob sich schnell und machte seinem Gegenüber eine tiefe Verbeugung.

»Würde die Bitte nicht unbescheiden sein,« brachte er zögernd hervor –

»Wollen Sie mich auf meinem Spaziergang begleiten?« Sie hatte ihm den Wunsch abgelesen und kam seiner Verwirrung schnell zu Hilfe. »Ich gehe nach den Cascinen, dem Prater. Wenn es Ihnen also Vergnügen macht – ich hole nur meinen Hut.«

Nach wenigen Minuten war sie zurück. Und als er neben ihrer Anmut einherschritt und der Ton ihrer Stimme um ihn war, fühlte er sich in eine Stimmung eingesponnen, die wie ein Beglücktsein war und wie eine Unruhe zur selben Zeit.

»Nehmen wir bis zum Parkeingang einen Wagen?« fragte er. »Die Dämmerung könnte zu schnell hereinbrechen.«

»Wenn Sie mir gestatten, Sie einzuladen?«

»Aber, gnädige Frau,« protestierte er, »wie wäre das möglich?«

»Unbesorgt,« lachte sie mit einem Anflug von Schelmerei. »Sie vergeben sich nichts. Ich bin die ältere.«

»O, gnädige Frau, was sagen Sie da? Die ältere? Nein, nein, damit überrumpeln Sie mich nicht.«

[139]

»Und Sie selbst gaben mir von Anfang an den Titel ›Frau‹, ohne mich zu kennen.«

»Das war der Respekt vor Ihrer lieblichen Würde.«

»Nicht schmeicheln,« entgegnete sie ruhig, »das kleidet Sie nicht.«

Er konnte heute des Rotwerdens nicht Herr werden, und sie sah es mit heimlichem Gefallen.

»Gnädige Frau,« stotterte er, »ich schmeichle nicht. Wie kann man dort schmeicheln, wo es der Gegenstand gar nicht bedarf. Aber etwas schön finden, was in seiner Natur schön ist, das kann nicht beleidigen, weil es wahr ist. Und die Wahrheit darf ich sagen und Sie dürfen sie anhören.«

»Wenn ich Sie noch weiter sprechen ließe, würden Sie mich zu einer Aphrodite stempeln.«

»Ja,« sagte er ehrlich.

Nun war es an ihr, eine heiße Welle zu empfinden, die vom Herzen in die Wangen drang. Sie wandte sich schnell zur Seite, rief einen Kutscher heran, der sich längst schon durch lebhafte Gebärden bemerkbar zu machen versuchte, und stieg in den Wagen.

»Nehmen Sie Platz, Herr Baumeister, ich bin und bleibe doch die ältere.«

Der Wagen rollte den Cascinen zu. Erkelenz hatte sich auf dem rückwärtigen Polsterbänkchen niedergelassen und schaute, die Hände zwischen den Knieen gefaltet, stumm zu ihr auf, die in den Fond gelehnt ihren Gedanken nachzuhängen schien.

[140]

»Ist es nicht wunderbar,« begann sie plötzlich, »daß wir wie alte, gute Freunde durch Florenz fahren, und kennen uns doch erst seit einer Stunde?«

»Wenn es ein Wunder ist,« erwiderte er leise, als wollte er die Stimmung nicht zerreißen, »so ist es ein schönes Wunder, für das ich nach Dank suche.«

Sie sah ihn einen Moment voll an und die langen Wimpern zitterten ein wenig.

»Auch sind Sie mir nicht so ganz unbekannt,« gestand er. »Ich kenne Sie schon lange. Von der Madonna della Sedia her.«

»Seit acht Tagen,« nickte sie. »Ich sah Sie täglich dort.«

»Sie waren so gütig, mich zu bemerken?« rief er. Und unbekümmert darum, daß sie in einem offenen Wagen fuhren, beugte er sich rasch vor und küßte ihre Hand.

Sekundenlang schloß sie die Augen. Dann, mit einem Blick voll liebevoller Nachsicht, sagte sie nur: »Sie großes, törichtes Kind.«

Bei ihm aber, der gefürchtet hatte, gescholten zu werden, war der Bann gebrochen. Er begann zu schwatzen und zu lachen, erzählte tausenderlei Dinge von seiner Heimat, seiner Mutter, seinen Universitätsjahren und den tollen Studentenstreichen, seiner Assistentenstellung, die er sich gleichzeitig mit dem großen Preis für die beste Examensarbeit errungen hatte, der ihm jetzt die Italienreise ermöglichte, und seinen Aussichten, in ein paar Jahren eine Professur zu[141] erlangen, falls er nicht doch noch die Praxis vorzöge. Und mit einem Male verstummte er, sann vor sich hin und lachte wieder.

»Weshalb lachen Sie?« fragte sie und betrachtete sein jugendfrisches Gesicht mit steigendem Wohlgefallen.

»O –« machte er überrascht.

»War es etwas Schönes, so müssen Sie die Wahrheit sagen.«

Er wurde verlegen und stammelte: »Ich – ich – nein, es ist zu närrisch.«

»Haben Sie kein Vertrauen zu mir?«

»Alles, alles!« beteuerte er hastig, »und ich will’s auch gestehen, selbst auf die Gefahr hin, daß Sie mich auslachen.«

»Das werde ich gewiß nicht tun.«

»Nun. Können Sie sich denken, daß mich sowohl meine früheren Kommilitonen wie auch meine jetzigen Kollegen für – seien Sie mir nicht böse, wenn ich mich drastisch ausdrücke – für weiberscheu halten? Und da fiel mir ein: wenn sie mich jetzt sähen, jetzt in diesem Augenblick – ah, wie sie mich trotz ihrer großen Frauenkenntnis beneiden würden.«

Sie hatte den Fächer hochgehalten, als ob die Abendsonne sie belästige. Aber hinter dem bemalten Stückchen Seide verbarg sie ein stilles Lächeln. Als sie den Fächer sinken ließ, sah er ihre Augen in heiterer Güte auf sich gerichtet.

»Daß Sie Ihr Herz nicht verzettelt haben,« sagte sie warm, »das ehrt Sie nur. Dafür verdienen Sie[142] einmal recht glücklich zu werden. Man soll seine heiligsten Gefühle nie verzetteln.«

Sie nahten sich dem Eingang der Cascinen.

»Hier wollen wir aussteigen. Ist es Ihnen recht, durch den Park zu promenieren?« fragte sie. »Aber Sie wissen noch immer nicht meinen Namen. Verzeihen Sie mir.«

Sie nahm ein Täschchen aus ihrem Gürtel und reichte ihm eine kleine Elfenbeinkarte.

»Frau v. Stein« las er und verneigte sich dankend.

Sie hatte den Kutscher, wie sie es gewünscht, selbst abgelohnt, und nun wanderten sie langsam, in vollen Zügen die Luft des abendstillen Parkes genießend, unter den hohen Baumgruppen einher. Das Gespräch, das sie zuerst fortzusetzen versucht hatten, war ins Stocken gekommen, sie gingen nebeneinander her, wie es langjährige, treue Bekannte oder Liebende tun, wie Menschen, die, ohne die Sprache zu Hilfe zu nehmen, doch im regsten Gedankenaustausch bleiben und sich wortlos Red’ und Antwort stehen. Von Zeit zu Zeit ließ der junge Baumeister einen heimlichen Blick über die Gestalt seiner Dame gleiten, oder die schöne Frau belauschte hinter dem Fächer hervor die Züge seines Gesichtes, in dem die Männlichkeit erwachte. Eine Weile schon waren sie fortgeschritten, als er unvermittelt fragte: »Sie werden doch noch länger in Florenz bleiben?«

»Ich weiß es nicht.«

»Aber Sie reisen doch zu Ihrem Vergnügen?«

»Es muß wohl so sein.«

[143]

»Es muß so sein? Ist es denn ein geteiltes Vergnügen?«

»Ich hole meine Tochter ab.«

»Wen?« fragte er ganz überrascht. »Ihr Töchterchen? Haben Sie es mit der Wärterin vorauf geschickt?«

Sie lächelte. Ein glücklicher und doch schwermütiger Zug spielte um ihren Mund.

»Mein Töchterchen, wie Sie es nennen, ist längst von der Wärterin entwöhnt. Sie schickt sich gerade an, in die Welt einzutreten, und denkt im Winter ihren ersten Ball zu tanzen.«

»Also Ihre Stieftochter, gnädige Frau?«

»Nein, nein, meine wirkliche Tochter. Ich werde doch mein einziges Kind nicht verleugnen.«

Erkelenz blieb stehen. Dann schüttelte er den Kopf.

»Sie wollen mich zum besten haben, gnädige Frau. Sie, eine junge Dame im ersten Frühling –«

»Der erste ist vorüber … Er war so kurz und frostig, daß er den Namen nicht verdiente,« fuhr sie fort und sann hinter den Worten her. Dann schrak sie auf und zwang sich zum Scherz.

»Und doch ist es so. Ich bin eine alte Frau.«

»Eine alte Frau in den Zwanzigern,« lachte er.

»Fehlgeschossen! Ich bin bedeutend älter.«

»Bedeutend?« spottete er vergnügt. »Bekommt man im Alter so schöne, junge Augen und so prachtvolles, braunes Haar? Dann möchte ich auch alt werden.«

[144]

»Eine alte Frau muß einem jungen Wildfang diese lose Rede wohl nachsehen. Meine Tochter wird morgen siebzehn Jahre alt. Mit denselben Jahren habe ich bereits geheiratet. Heute zähle ich fünfunddreißig Jahre.«

»Aber das ist ja unmöglich!«

»Weshalb finden Sie es unmöglich?«

»Weil – weil – – Aber Sie sind ja noch so jung und so wunderbar schön!«

Sie standen neben einer Bank, über der sich eine mächtige Ulme emporreckte. Weg und Wald lag im tiefen Abenddämmer. Von der Mitte des Parks her, wo die Cafés sich befinden, kamen wehmütige Orgelklänge herübergezittert. »O dolce Napoli,« spielte die Orgel.

Frau v. Stein war bei dem unvermittelten Ausruf des jungen Baumeisters blasser geworden. In dem Dunkel, das sich ausbreitete, glänzten ihre Augen übernatürlich groß. Sie tastete mit der Hand nach der Lehne der Bank und ließ sich nieder. Und als sie eine Weile wie freudig lauschend geradeaus gestarrt hatte, fuhr sie sich mit dem Handrücken über die Augen und sagte tief aufatmend: »Welch ein Unsinn.«

Karl Erkelenz wußte nicht, was erwidern. Ihm war zu Mute, als begänne ein Märchen sich anzuspinnen, dessen Fäden ihm noch unsichtbar seien. Am liebsten hätte er sich zu ihren Füßen in das Gras gesetzt und hinausgeträumt in die Welt.

»Zürnen Sie mir wegen meiner Aufrichtigkeit?« fragte er schüchtern.

[145]

Die unschuldige Zaghaftigkeit, so unmittelbar hinter dem jugendlichen Sturm und Drang seines Wesens, berührte sie tief. Es lag etwas in seiner Stimme – war es die Ehrerbietung oder die Anbetung oder beides zugleich – was ihr unendlich wohl tat. »Lieber Freund,« sagte sie und reichte ihm die Hand, »welche Frau würde zürnen, weil man sie jung und schön findet. Ich bitte Sie, geben Sie mir Ihren Arm. Es wird dunkel, und wir dürfen uns nicht verirren.«

Sie schritten den Weg zurück, den sie gekommen waren, und er geleitete sie mit einer Vorsicht und Ritterlichkeit über Unebenheiten und Baumwurzeln, die den Weg kreuzten, als führe er eine Prinzessin. Er fühlte das pulsende Leben ihres Armes durch die dünne Spitzenhülle in seinen Körper eindringen. Das verwirrte ihn. Und sie horchte immerfort auf den Schlag ihres Herzens, das heute doppelt laut schlug, und dachte unaufhörlich: »Ob er es vernimmt, wie das törichte Ding in meiner Brust dummes Zeug schwatzt? Ich müßte mich schämen vor dem lieben Jungen.«

Als sie aus dem Park heraustraten, ging sie schnellen Schrittes auf einen Wagen zu.

»Ich werde allein nach Hause fahren. Nein, nein, ohne Widerrede. Genießen Sie den Abend noch, und wenn Sie mögen und Ihre Zeit es Ihnen erlaubt, so holen Sie mich morgen frühzeitig ab, zu einem Ausflug nach Fiesole.«

Er hob sie in den Wagen und küßte ihr die Hand,[146] mit der sie sich auf die seine gestützt hatte. Und er nahm ihre andere Hand und küßte auch diese. Sie schloß die Augen und lehnte sich zurück. »Es ist wie im Frühling,« sagte er, um nur irgend etwas zu sagen.

Sie nickte, mit geschlossenen Augen lächelnd.

Dann fuhr der Wagen schnell davon, und der junge Baumeister folgte ihm langsam, Schritt vor Schritt, und grübelte und lachte, weil er die Gegenwart der schönen Frau noch immer empfand wie eine Wohltat. Und diese Frau wollte alt sein? Er wurde fast übermütig bei dem Gedanken.

Frau v. Stein verbrachte eine unruhige Nacht. Sie lag in den Kissen, mit überwachten Augen, und immer wieder kehrte das Bild des jungen Landsmannes zurück, der sein Herz noch nicht vertan hatte. Ein Recht darauf gewinnen, es sich zu eigen machen und den Dank dafür suchen! Den Dank für den erneuten Frühling. War sie nicht jung und schön? Hatte er es nicht gesagt? Gesagt? Hinausgesungen fast in den Park! Er, der mit den Augen des unschuldigen Knaben und des kühnen Mannes sah. Und eine Sehnsucht hatte sie, eine Sehnsucht nach Liebe –

Sie breitete die Arme weit aus. Und plötzlich kreuzte sie sie über die Brust und ließ den erglühten Kopf auf die Schulter sinken.

Einen Tag noch, und die frommen Schwestern zu Florenz würden ihr die Tochter wiedergeben. – – Neue Sonne! – Sonne aber, die ihr das Abendrot[147] zeigte … »Ada,« murmelte sie, und es klang wie ein Weinen.

Die Augen glühten in die Dunkelheit hinaus, daß sie einen Schmerz empfand, und die Gedanken wirbelten durcheinander. Tochter und Mutter. Das Recht der Jugend. Recht oder Unrecht: träumen und wäre es nur einen Frühlingstag lang. Wie kurz er ist. – –

Als Erkelenz am anderen Morgen im Frühstückszimmer saß und in den neuesten Journalen blätterte, wunderte er sich, daß Frau v. Stein so lange auf sich warten ließ, denn die Uhr schlug neun. Doch jetzt hörte er ihren Schritt. Aber sie kam die Treppe herauf! Sollte sie schon ausgewesen sein?

Frisch und blühend wie ein junges Mädchen trat sie ein, streckte ihm die Hand hin und entschuldigte ihr Säumen.

»Ich war baden,« sagte sie, »der Sommermorgen lockte zu gewaltig. Nun können wir auch sofort aufbrechen, wenn es Ihnen paßt.«

Sie löffelte eine Tasse Schokolade aus, und sie machten sich auf den Weg. Ein tiefblauer Himmel spannte sich über sie, und kein Lüftchen ging. Er hatte sich ihres Plaids bemächtigt und bot ihr, als sie aus der Stadt heraus waren und der Aufstieg begann, den Arm, den sie zuerst ablehnte, dann aber, als der Weg steiler wurde, nahm. Sie hing sich fest ein, bewegte in der Rechten lebhaft den kleinen Sonnenschirm und plauderte so lustig und angeregt, daß ihr Begleiter bald angesteckt wurde und es wieder[148] beiden war, als kennten sie sich seit Kindheitszeiten und hätten sich nichts zu verschweigen. Immer schöner wurde der Tag, und sie blieben wahllos stehen und schauten in den Äther hinauf, um dem Flug eines Falken zu folgen, der im Sonnenglanz seine Kreise zog, oder zur Stadt hinab, die von den grünen Hügeln umgeben wie eine herrlich gefaßte Perle dalag. Dann lehnte sie sich fest an seine Schulter, und er empfand die Berührung als etwas Selbstverständliches. Nachdem sie in San Domenico einen kleinen Aufenthalt genommen hatten, folgten sie dem Bergpfad nach Fiesole, und in dem grünen Hohlweg bückte sie sich nach Blumen, haschte nach den bunten Schmetterlingen, die vor ihnen aufgaukelten, und plötzlich hob sie mit heller Stimme ein Liedchen zu singen an.

»Wie gut Ihnen das steht,« sagte er treuherzig. »Sie glauben nicht, wie wohl ich mich bei Ihnen fühle. Ich habe Glück, das müssen Sie sagen.«

»Weil Sie mich so ausgelassen sehen? Ich vollziehe eine Feier.«

»Eine Feier? Ah, wie romantisch, hier auf altem etruskischen Boden, das Paradies des Arnotales zu Füßen, Sonne und Wonne um sich her. Und was für eine Feier?«

»Meinen Abschied von der Jugend.«

»Gnädige Frau,« grollte er, »so dürfen Sie nicht sprechen.«

»Kommen Sie, kommen Sie, junger Freund, wir wollen uns den Feiertag nicht mit Sentimentalitäten verderben. Ach, ist das schön, ist das schön!«

[149]

Sie beschrieb mit ihrem Sonnenschirm einen großen Kreis durch die Luft, sog, die Lider halb gesenkt, den würzigen Duft der Zypressen ein und wandte sich dann hastig, um den Aufstieg fortzusetzen. Ohne eine Spur von Müdigkeit zu zeigen, leicht und graziös schritt sie vor ihm her, und sein Auge haftete mit naivem Entzücken auf dem winzigen Fuß.

In Fiesole besichtigten sie die ehrwürdige Kathedrale und begaben sich weiter zu den Überresten des antiken Theaters und der Arena, den uralten Thermen und zu der Ringmauer aus etruskischer Zeit. Hier war ein lieblicher Platz, um in das frische Mugnonetal hinab seine Träume spazieren zu führen, und sie machten ausgiebigen Gebrauch davon.

Die Mittagszeit war vorüber. Sie hatten in einer einfachen Trattoria ihr Mahl eingenommen, einige Gläser roten Landweins getrunken und wiederum neue Aussichtspunkte aufgesucht, in der Nähe des Klosters, das sich die Söhne des heiligen Franz mit feinem Sinn für Erdenschönheiten hoch oben an der Stelle der alten Akropolis von Fiesole aufgebaut. Über Frau v. Stein kam eine erregte Stimmung. Sie sang, scherzte und neckte sich mit ihrem Begleiter, um gleich darauf in tiefe Niedergeschlagenheit zu versinken, aus der sie sich wieder mit einem plötzlichen Scherzwort oder einem Tasten nach Erkelenz’ Arm herausriß.

»Was ist Ihnen nur, gnädige Frau?« fragte er besorgt.

»Lassen Sie mir doch mein Vergnügen,« rief sie, »Sie sehen ja, daß ich mich freue.«

[150]

»Ich kann Ihre rätselhaften Worte vom Abschiednehmen nicht aus dem Kopf bekommen,« entgegnete er.

»Nicht daran denken, lieber Freund, nicht daran denken. Ich möcht’s ja selbst nicht glauben.«

Sie gingen den Weg nach San Domenico zurück, und sie blieb nahe an seiner Seite, als ob ihr etwas Furcht bereite.

»Erzählen Sie mir, was Sie drückt,« bat er. »Ich sehe doch, daß Sie leiden.«

»Woran ich leide?« fragte sie sinnend. »Sie würden es nicht verstehen, wenn ich es Ihnen auch sagen wollte.«

»Versuchen Sie es,« drängte er voll Teilnahme.

»Nun gut. Sie mögen es wissen. Ich leide unter dem, was ich nicht besessen habe, an dem Mangel schöner Erinnerungen, an dem Mangel alles vergessen machender Liebesstunden, wie jedes Weib sie begehrt, die wir nötig haben, wenn wir eine gute Mutter werden wollen, ich – Sie blicken mich betroffen an? Sie denken, sie ist doch vermählt gewesen! Ja, das war ich, aber daß ich früh Witwe wurde, war der schönere Teil meiner Ehe. Mit siebzehn Jahren, die Welt verlangend, an einen Mann gekettet, für den das Leben keine süßen Geheimnisse mehr hatte; sich mit der Neige einer Liebe begnügen müssen, wo das jugendlachende Herz aus dem Vollen schöpfen wollte. Ach, nur ein einziges Mal es können!«

»Aber Sie haben ein Kind,« sagte er leise und drückte unbewußt ihren Arm.

[151]

»Ein Kind –?« wiederholte sie. »Ich war ja selbst noch ein Kind, das eben erst seine Puppe in die Ecke gestellt hatte. Ich hatte mich ja selbst noch zu erziehen, wie sollte ich da ein Kind erziehen. Bei einer Reise durch Italien sah ich meine Ohnmacht ein, und ich gab es den frommen Schwestern in Florenz zur Erziehung. Dort wird es wenigstens nicht gelernt haben, den Mann hassen, der die Mutter um den Frühling betrog.«

Sie hatte hastig gesprochen und lehnte sich nun erschöpft an ihn.

»O gnädige Frau,« sagte er bewegt, »Sie haben noch einen zweiten Frühling vor sich.«

Da schlug sie die Augen mit so weher Frage zu ihm auf, daß er in seinem Innersten erschüttert sich zu ihr niederbeugte, um sie auf die Stirn zu küssen, wie man ein krankes Kind küßt. Sie sah, was er tun wollte, und drängte, ausweichend, den Kopf gegen seinen Arm. Und bei der jähen Bewegung zuckte sie zusammen, stieß einen Schrei aus und sank an ihm nieder.

»Was ist Ihnen?«

»Ich habe – die Baumwurzel übersehen. Das Fußgelenk – schmerzt.«

Sie hatte Kindertränen in den Augen.

Er wußte nicht aus noch ein. Und da er sie auf dem Rasen sitzen sah, kniete er vor sie hin. Ganz still und verängstigt.

»Liebe, gnädige Frau – –« Und er stützte ihre Schulter.

»So ist’s gut …«

[152]

Er regte sich nicht. Um sie her war der leuchtende Abend. Glühwürmchen tanzten in der Luft wie ein unübersehbar Heer von Sternen, das eine Johannisnacht lang überselig zur Erde nieder durfte. Morgen war es vorbei. Morgen waren die tanzenden Lichtlein in Busch und Hag erloschen, und die Sterne kreisten wieder in den vorgeschriebenen Bahnen. Heute – war es noch Frühling.

Ihr Kopf lag noch in seinem Arm. Keiner wußte, wie lange. Als sie ihn aufrichtete, war ihm, als hätten ihre Lippen sein Herz gestreift.

»Jetzt kann ich gehen. In Domenico finden wir einen Wagen.«

Da hob er sie behutsam auf und führte sie wortlos die Chaussee entlang bis zum nächsten Gasthaus. Hier beorderte er ein Gefährt, und eine halbe Stunde später rollten sie auf Florenz zu. Sie lag schweigend in die Ecke gedrückt und hielt seine Hand. Der Wagen fuhr über das Pflaster der Stadt. Da seufzte sie tief auf, schaute sich verwundert um und ließ wie eine Erwachende seine Hand los.

»Ada wird angekommen sein. Es ist Abend.«

»Ihr Fräulein Tochter?« fragte er verwundert. »Erwarten Sie sie heute?«

»Ja,« erwiderte sie mit seltsamer Betonung, »mein Fräulein Tochter. Wollen Sie mich in meinen Salon begleiten? Wir feiern heute ihr Geburtstagsfest.«

Der Wagen hielt vor der Pension Nardini, und ehe Erkelenz eine Antwort geben konnte, war sie allein ausgestiegen und die Treppe hinaufgegangen. Er[153] zahlte den Kutscher, wartete noch eine kleine Weile ab und folgte ihr. Am Schlüsselbrett las er die Nummer ihrer Zimmer, durchschritt den Korridor und klopfte. Als eine helle Mädchenstimme »herein« rief, klinkte er auf und trat ein.

Auf einem Sessel inmitten des Zimmers saß Frau v. Stein, Wangen und Wimpern zeigten feuchte Spuren, und ihre Hände lagen auf den braunen Locken eines vor ihr knieenden Mädchens.

»Treten Sie nur näher, lieber Freund,« sagte sie mit vibrierender Stimme. »Meine Tochter Ada, Herr Baumeister Erkelenz.«

Das junge Mädchen war aufgesprungen, fixierte ihn einen Moment und erwiderte gravitätisch seine Verbeugung. Erkelenz hielt den Atem an, als er sie dicht vor sich sah. Aber das war ja – gewiß, dieselbe graziöse Figur, dasselbe schmale Köpfchen mit den großen braunen Augen und der Fülle braunen Haares – das war ja Frau v. Stein, Zug um Zug war sie es, das konnte nicht Mutter und Tochter, es mußten Schwestern sein.

»Buona sera, Signore,« knickste sie. »Weshalb haben Sie mir meine Mama so lange zurückgehalten?«

»Wie Sie Ihrer Mutter gleichen,« erwiderte er nur.

»Wenn das wahr ist, so sind wir gute Freunde,« lachte sie. »Ein besseres Kompliment konnten Sie mir nicht machen, als daß ich meiner schönen Mama ähnlich sei. Ah,« rief sie ausgelassen, »ich bin so stolz auf meine schöne Mama, so stolz!« Und damit warf sie sich[154] stürmisch an die Brust der Mutter und küßte sie unbekümmert um den Zuschauer wie eine Geliebte.

»Aber, Ada,« wehrte Frau v. Stein errötend, »was soll der Herr Baumeister denken?«

»Was er will, Mama, was er will!« und sie schloß ihr den Mund mit Küssen. »Ich habe ja meine schöne Mama so lange nicht gehabt. Ist sie nicht schön, Herr Baumeister? Und so lieb, so lieb. Ich werde zeitlebens eine alte Jungfer bleiben, denn meine junge Mama wird mich bei allen Bewerbern in den Schatten stellen.«

»Höre auf, du Unband!« rief Frau v. Stein und erhob sich schnell. »Lernt man das im Kloster?«

»Ach, Mama, im Kloster – –. Da hatte ich nur immer eine Sehnsucht, eine Sehnsucht – –.«

Frau v. Stein zog das wilde, blühende Mädchen an sich.

»Wahrhaftig,« sagte sie leise, »sie gleicht mir. Auch darin. Aber ihre Sehnsucht soll gestillt werden. So wahr mir Gott helfe, in einem wollen wir uns unterscheiden.«

Das Abendessen wurde heute in dem kleinen Salon serviert. Es war ein angeregtes Mahl, und das Mündchen der jungen Dame wurde nicht müde, zu fragen und zu plaudern. Als das Auge der Mutter den jungen Baumeister streifte, bemerkte sie, daß er das sonnige Geschöpf noch immer wie eine Erscheinung anstarrte. Da stand sie leise auf und trat ans Fenster.

»Aber was hast du mit dem Fuß, Mama?«

[155]

»Ihre Frau Mutter hat einen kleinen Schreck in den Bergen bestanden,« erwiderte Erkelenz.

Doch schon war Ada neben der Mutter niedergekniet und streichelte den Fuß.

»Du hast ihn vertreten?«

»Es ist nichts, Kind.«

»Und du gehst noch hier herum? Schnell zu Bett, hörst du, du mußt dich sofort niederlegen.«

»Aber Kind, es ist ja ohne jede Bedeutung. Der Schreck war das schlimmste. Herr Erkelenz war mein Ritter.«

»Daß Sie das nicht wieder tun,« stieß sie zornig hervor. »Ich dulde es nicht!«

»Ada, Ada!«

»Nein, ich dulde es nicht!« und sie stampfte nachdrücklich mit dem Fuß auf.

Der junge Baumeister stand vor der kleinen, zürnenden Eifersucht wie ein gescholtener Schulknabe mit gesenktem Kopf.

»Ich verspreche, es nicht wieder zu tun, mein Fräulein. Aber in diesem Falle –«

»Ach was,« zürnte sie, »Sie hätten mich rufen sollen.« Dann lachte sie über ihre eigene Dummheit und hielt ihm die Hand hin. »Weil Sie sich so ritterlich betragen haben.«

Er küßte ihr gehorsam die Fingerspitzen.

»Und jetzt müssen Sie uns verlassen. Ich werde eine Kompresse machen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

Er gehorchte auf der Stelle, wünschte den Damen eine gute Nacht und zog sich zurück.

[156]

Droben aber im kleinen Salon hielt Frau v. Stein das Gesichtchen ihrer Tochter, das dem ihren so ähnlich war, zwischen beide Hände gepreßt und schaute lange in die jungen Augen hinein. Am dunkelblauen Firmament glänzte ein Stern auf, dann wurden es viele, und mit einem Male leuchtete der ganze Himmel. Sie aber sah nur immer ihr reines, schönes, fröhliches Kind, um das sie sich so wenig gesorgt hatte und von dem sie sich trotzdem geliebt wußte bis zur kindischen Eifersucht. Als ob ein Alb von ihr gewichen sei, so frei und glücklich schaute sie auf die Unschuld in ihren Armen, und während sie ihr die Locken aus der Stirne strich, murmelte sie: »Mein zweiter Frühling. – Sollte ich ihn nun doch gefunden haben – –?«


Frau v. Stein hatte für den Aufenthalt in Florenz noch eine Woche zugegeben. Ada jagte in den Museen umher, die ihr während ihres Klosterlebens fremd geblieben waren, und konnte nicht genug bekommen von den Werken der unsterblichen Meister. Erkelenz war ihr getreuer Begleiter, auch dann, wenn Frau v. Stein zu Hause zu bleiben wünschte.

»Mit Ihrer Frau Mama ist eine große Veränderung vor sich gegangen,« sagte er eines Tages.

»Inwiefern?« inquirierte sie sofort. »Ist sie nicht mehr so lieb und schön?«

»Sie ist es noch mehr geworden,« schloß er.

Das war sie zufrieden, und sie spielten trotz der[157] Heiligkeit des Ortes in einer alten Kirche Verstecken. Nur die Galerie im Palazzo Pitti durften sie nicht besichtigen. »Wir holen es nach,« hatte Frau v. Stein auf eine verwunderte Frage erwidert, »wenn wir von Rom zurückkommen. Wir müssen uns Zeit gönnen.«

Am Tage vor der Abreise stand Ada vor der Mutter. Das Wort wollte ihr nicht recht aus der Kehle.

»Darf er mitreisen?« stieß sie endlich hervor.

»Wer?« lächelte die Mutter wehmütig.

Sie wies mit der Hand nach der Tür. »Er steht draußen.«

»So ruf’ ihn, mein Kind.«

»Mama, Mama!«

Sie fühlte den jungen, lebenswarmen Körper ihres Kindes an ihrer Brust, den Tränenstrom ihres Kindes auf ihren Wangen und die heißen Küsse auf ihrem Munde.

»Ich wußte es, Ada, und sieh, ich freue mich ja so unaussprechlich mit dir. Er ist gut und unschuldig wie du. Aber so rufe ihn doch herein. Oder wollt ihr mich nun als überflüssig fortschicken?«

»Nie, nie, Mama,« sprudelte es unter Lachen und Weinen hervor. »Eher sterb’ ich, bevor ich dich verlasse.« Und nun war sie an der Türe und zog den jungen, feuerroten Baumeister herein und wiederholte: »Nie, nie! Du mußt es ihr auch schwören, Karl, daß du sie nie verlassen wirst, oder ich kann dich nicht lieb haben.«

Die schöne Frau zog ihre beiden Kinder an sich.

[158]

»Ich weiß, ihr werdet euch nie verlassen, und deshalb auch mich nicht.« – – –

Am Nachmittage ging Frau v. Stein allein die Straße entlang über den Ponte Vecchio und die Anhöhe zum Palazzo Pitti hinauf. Sie suchte den Saal des Saturnus auf und stand lange, die Hände gefaltet, vor dem Bilde der Madonna della Sedia, die, ihr Kind an der Brust, aus glückestrunkenen Mutteraugen selbstvergessen in die Ferne träumt.

»Gottesmutter,« sagte sie leise, »eine Mutter kommt dir danken. Jetzt verstehe ich dich. Des Weibes zweiter Frühling ist das Kind – – –.«


[159]

Frühlingsabend

[161]

»Das ist ein Frühlingsabend …«

»Guten Abend, Eichner. Ich hoffte kaum noch, daß mein Briefchen dich erreicht hätte.«

»Ja, lieber Junge, an Frühlingsabenden soll man die Menschen in Ruhe lassen. Da hat man genug an der eigenen Unruhe. Laß die Balkontür auf, Harnisch. Bitte. Die Luft lügt, aber sie lügt nur einmal so schön.«

»Was lügt sie denn, du unruhiger Gast?«

»Spürst du das nicht selber? Das gaukelt im Blut und streichelt unsere geheimsten Wünsche heraus und beschwatzt uns, als finge wirklich das Leben noch einmal von vorne an.«

»Das tut’s ja auch. Das Leben erneuert sich mit unserer Erkenntnis.«

»Ich traf gestern ein junges Mädchen, Harnisch. Sie trug keine Krone, aber einen neuen Frühjahrshut, und sie wußte, daß der ihr besser stand. Heute abend wollten wir uns im Stadtpark wiedersehen. Ich warne dich also.«

Harnisch nötigte den Freund in einen Sessel. »Und was hättest du gewonnen?« fragte er lächelnd.

»Ein Stück Leben statt deiner Philosophie. Eine lebendige Lüge meinetwegen, aber immerhin etwas Lebendiges.«

[162]

»Eine Wahrheit, die langsam die Augen aufschlägt und sich auf sich besinnt, würde mir besser gefallen als deine schnellfertige Frühlingsgaukelei. Willst du ein Glas Wein? Wir werden später zu Tisch gehen.«

»Erwartest du Gäste? Du bist heute von einer so feierlichen Heiterkeit.«

»Schau hin. Zwei Gedecke. Dazu lade ich dir zuliebe alte Träume ein.«

Der Gast wandte sich um. Er blickte durch das stille Arbeitszimmer, dessen Wände dunkelgerahmte Nachbildungen italienischer Meister schmückten, in das erleuchtete Speisezimmer. Weißer Damast lag auf der Tafel, grüne Römer hoben sich auf schlanken Stengeln neben dem blitzenden Porzellan, ein silberner Korb war mit Veilchen gefüllt und eine Kristallschale mit gelben Orangen.

»Daß du so viel Sinn dafür hast, Harnisch. Ich beneide dich darum.«

»Jeder muß zusehen, daß er sich die Stunden zum Feste macht. Dann gleiten wir trotz allem in die Harmonie.«

»Trotz allem? Wenn ich als Junggeselle so sprechen wollte! Du aber – das harmonischeste Leben von der Welt, Ruhe zum Schaffen und doch eine Frau –«

»Die mich nicht stört, weil sie nicht anwesend ist.«

»Wundervoll! Junggeselle und Ehemann in eins. Das wäre die Erfüllung meiner Träume. Harnisch, du bist ein glücklicher Mensch, und deine Frau ist es[163] nicht minder. Du hast dein Gelehrtenheim, und sie hat ihre Kunst. Sie lebt in der Welt und du in deinen Büchern. Das ist ein Ausgleich, der jung halten muß, den ich bewundernd anstaune.«

»Aus der Ferne.«

»Wahrhaftig, du bist ein undankbarer Pedant. In der beständigen Nähe ist eine Frau wie die andere. So aber kannst du Götterbilder in deine ferne Künstlerin hineinträumen, und die Glorie schwebt noch um ihr Haupt, wenn sie dich heimlich wie die Muse besucht und heimlich wieder in Wolken schwindet. Nur durch die Phantasie leben wir.«

»Wenn unser Herz nichts anderes einzusetzen hat. Aber willst du nicht wissen, weshalb ich dich herbat?«

»Deine Frau kommt?«

»In zwei Tagen erst. Sie hat morgen noch in der Schlußvorstellung zu singen. Die Elsa im Lohengrin. Dann reist sie auf kurze Zeit her und dann wieder zum Rollenstudium zu ihrem Meister nach Frankfurt. Nein, die Freude kann ich dir nicht machen. Du mußt schon fürlieb nehmen mit dem, was von mir kommt.« Er ging zum Schreibtisch und nahm ein Buch auf. »Hier, Eichner, sie ist heute erschienen. Meine Geschichte des Theaters.«

»Ah – –! Ich wußte gar nicht, daß du sie zu Ende geführt hast. Meinen Glückwunsch.«

Harnisch strich sich das Haar aus der Stirn. Er blickte durch die Balkontür in den Frühlingsabend. »Ja,« sagte er, »das wußtest du nicht. Und ich[164] selber wußte nicht, daß ich sie zu Ende führen würde. Es ist mir sauer genug gefallen.«

»Scherz! Keinem Menschen lag das Material wie dir.«

»Aber die Feder wollte nicht mehr. Schau nicht so verwundert auf, es ist so, ich mußte mich quälen.« Er schob seinen Stuhl neben die Balkontür und setzte sich, die Hände auf den Knien. »Das war ein großer, schöner Augenblick, Freund, als ich vor vier Jahren den Plan zu dem Werk faßte. Ich war jung verheiratet. Meine Frau kam aus einem alten Geheimratshause, in dem nie viel von Kunst gesprochen worden war. Ich ließ sie teilnehmen, ich führte sie in die neue Welt ein, wir saßen in unserem Zimmer wie in einem gewaltigen Zuschauerraum, und Bilder auf Bilder zogen an uns vorbei und berauschten uns. So lehrte ich meine Frau meine Kunst: die Kunst des Genießens. Wie haben wir genossen …!«

»Deine Frau war ein modernes Wesen.«

»Ja, das war sie. Aber ich sehe das Wort anders an als du. Der Drang nach Betätigung erwachte in ihr wie in so vielen unserer Frauen, die den Ehrgeiz über die Freude stellen. Die Beispiele wirkten suggestiv. Mehr sein als bloß Genießender: Ausübender sein! Geschmack wird mit Talent verwechselt und alle Welt will »Ausübender« heißen. Denn schon der Wille gibt heute Relief. Die Gemeinde der Kunstgenießer gilt für rückständig und doch steht ein ganzer Kunstgenießer höher als all dies halbe Künstlertum. Nun, Helene wollte[165] es nicht anders. Der Geist der Zeit hatte sie erfaßt.«

»Sei dankbarer, Harnisch. Der Geist der Zeit hat der Welt eine Künstlerin gegeben.«

»Und der Welt eine glückliche Frau genommen. Denn daß Helene glücklich ist, glücklicher als damals, als sie nur mir und mit mir lebte, das glaube ich nie und nimmer. Dazu hatte sie zu sehr den Frieden und die Heiterkeit der Kunstbetrachtung kennen gelernt, der Kunst als Feiertagsheiligung, nicht der Kunst als Alltag.«

»Hat sie geklagt? Bedauert sie?«

»Sie hat mir vor kurzem einen neuen Vertrag an ein größeres Theater eingesandt, den sie unterschrieben hatte. Bedarf es einer anderen Antwort?«

»Was willst du mehr? Sie steigt.«

»Ja, sie steigt. Heute ist sie Achtundzwanzig. Der neue Kontrakt ist auf drei Jahre normiert. Dann steigt sie weiter, und einmal vielleicht bis an unsere Hofbühne. Nehmen wir an, daß sie das wirklich erreicht, obwohl Hunderte um dasselbe Ziel Jugend und Kraft vertun. Und dann? Selbst wenn die Kraft bleibt? Die Jugend – nein, ihre Jugend ist nicht ausgeschöpft worden, ist versandet, ist dahin. Die Jugend einer Frau. Wenn sie zurückschaut, grüßen sie nicht Menschen, die ihr lieb und vertraut geworden sind, es grüßen sie nur Figuren, Rollen. Und ihre Seele, die ein eigenes Werk sein könnte, horcht auf die Stichworte anderer Werke.«

[166]

»Lieber Freund, dafür habt ihr den Stolz aufeinander.«

»Die Sehnsucht haben wir. Ich wenigstens. Nicht einen Heller geb’ ich für den Stolz, wenn ich Abends hier am Tische sitze. Die Arbeit liegt aufgeschlagen vor mir, und die Gedanken schweifen auf eigene Faust. Und ich renne hinter ihnen her und trage sie mir mühsam wieder zusammen, und wenn ich sie in der Hand halte, spreize ich selber die Finger und lasse sie wieder hinausschlüpfen … Zu der Frau, die ich liebe. Nicht zu ihrer Kunst. Und es wird Nacht, und die Arbeit liegt wie sie lag.«

Eichner lehnte sich zurück. »Sollte es da nicht ein einfaches Mittel geben?«

»Hinziehen, wo sie gerade lebt? Ich kann meine Vorlesungen nicht im Stiche lassen. Ich bin auf die Einnahmen angewiesen.«

»Du hattest doch ein kleines Privatvermögen? Das wird doch ein paar Jahre langen.«

»Die kleine Summe ist bereits geopfert. Zwei Jahre Studium für Helene, ihre Bühnenausstattung, ihr Unterhalt wegen ihres jetzigen Engagements – denn ihre Anfängerinnengage reichte kaum für Taschentücher. Die tausend Mark, die mir heute der Verleger sandte, bilden erst wieder den neuen Grundstock. Und wenn auch die Geldfrage nicht wäre, es ginge doch nicht. Wäre ich bei ihr, ich empfände ja noch viel unerträglicher, daß sie keine freie Frau mehr ist, daß sie für jede Stunde des Tages und des Abends ihre Vorschriften bekommt, daß ein Fremder[167] dieser Frau, meiner Frau, Befehle erteilt, die hier im Hause und unter vornehm gesinnten Menschen fröhlich geschaltet und gewaltet hat. Siehst du: Einmal saß ich in der Loge und sah sie in einer Rolle. Neben mir unterhielten sich ein paar Herren über ihren Gesang. Dabei blieben sie nicht lange. Sie gingen die körperlichen Vorzüge der Sängerin durch, und ich konnte die Lobpreiser nicht ins Gesicht schlagen.«

»Ja, das freilich – –!«

»Seit der Zeit quält mich meine Sehnsucht noch viel mehr. O nein, nicht weil ich Eifersucht verspüre. Weil ich einen schöneren Rahmen für sie wünsche – und für mich wünsche. Denn auch meine Jugend geht vorüber, und die Welt zahlt mir nichts dafür. Ich behalt’ die Lücke für immer.«

Es wurde dunkel draußen. Die laue Frühlingsnacht schmeichelte sich ins Zimmer und legte sich um Kopf und Herz. »Sie sind schwer zu ertragen, diese Frühlingsabende,« sagte Harnisch leise, »wenn man weiß, daß sie uns lügen.«

»Sie werden jedem Menschen dasselbe sagen, Harnisch. Das ist eine Beruhigung. Und nun wollen wir auf dein Werk anstoßen. Muß man sich betrügen, so täusche uns jetzt der Wein in eine andere Welt hinein.«

Harnisch erhob sich. »Nimm’s nicht übel, Freund, aber als ich vor Jahren die erste Zeile zu dem Werk niederschrieb, hatte ich mir den heutigen Abend anders gedacht.«

»Ich hatte mir auch den heutigen Abend anders[168] gedacht. Ein breitrandiger Frühlingshut gibt zuweilen Schatten für zwei, und ein trauernder Liebhaber bietet mir kein Entgelt für –«

»Herein!«

»Herr Doktor, die gnädige Frau ist angekommen.«

»Wer ist …?«

»Ich, Georg. Darf man zu dir hinein?«

»Helene – –!« Der Klang zitterte im Zimmer nach, als wäre es der schwingende Klang einer Saite. Und der Mann ging dem Klang nach, mit ausgestreckten Händen. »Helene! Heute schon?«

Sie legte ihre Hände in die seinen, folgte ihm ins Zimmer und nickte dem Gast, den sie erkannte, zu. Sie wollte sprechen, aber es kam nur ein tiefer Atemzug, und sie drückte die Hände, die sie hielt, so fest, als hätte sie sich einen Besitz erobert.

»Helene! Heute schon?«

Nun sprach sie. Hastig, erregt. Und ihre Augen hingen erwartungsvoll an den seinen. »Ein Kollege ist erkrankt, der den Lohengrin singt. Deshalb mußte der Spielplan geändert werden. Und ich – konnte zwei Tage früher reisen.«

»Du hast es dir gewünscht – schneller heimzukommen?«

»Das habe ich mir auch während der Studienzeit oft gewünscht. Aber diesmal komme ich noch mit einem besonderen Wunsch.«

»Meine gnädige Frau,« bat der Gast, »gestatten Sie mir, daß ich mich verabschiede und dafür morgen zu feierlicher Begrüßung erscheine.«

[169]

Sie ließ den Blick durch das Arbeitszimmer und durch die geöffnete Tür in das Speisezimmer schweifen. So sehr im Anschauen versunken, daß Eichner sein Urlaubsgesuch wiederholen mußte.

»Aber ich sehe doch zwei Gedecke, Herr Doktor. Ich werde Sie doch nicht hungrig und durstig von dannen jagen.«

»Wenn es so wäre, gnädige Frau, ich hätte es nicht anders verdient. Georg hat mich verführt, einer Absprache untreu zu werden. Es ist zwar nur eine ganz, ganz kleine Absprache, aber der liebe Gott – Verzeihung, der Gott des Frühlings – läßt sich nicht spotten. Noch geht der Schaden auszubessern. Ich laufe also. Auf Wiedersehen!«

Die Gatten waren allein. Und wieder wanderten die Blicke der Frau die Wände des Arbeitszimmers entlang, liebkosten die Nachbildungen der alten Meister, huschten ins Speisezimmer, über Damast, Silber und Kristall, und blieben an dem Veilchenopfer hängen. »Wie schön du es hast – –«

»Es ist von dir her alles so geblieben, Helene.«

Sie schüttelte den Kopf. »Kann man sich selbst so fremd werden? Ich habe das früher einmal so angeordnet? Ich war einmal so?«

»Helene, du wolltest mir einen Wunsch sagen …«

Da schlang sie mit einer scheuen, wilden Mädchenbewegung den Arm um seinen Hals. »Bei dir bleiben, Georg, bei dir bleiben.« Er stand mit geschlossenen Augen und empfand nichts als ihren Wunsch. Ihre Hände glitten über seine Schultern, lagen still und[170] glitten nieder. »Georg, es war schon lange in mir. Ich sträubte mich nur dagegen. Aber als ich hörte: heute schon, heute kann ich heimreisen, und ich nun im Schnellzug saß und die Felder flogen nicht geschwind genug vorüber und ich vor Freude krausen Unsinn trieb – Herrgott, der Gedanke, das ist ja nur für kurze Wochen, ließ mich blaß werden und zittern vor Angst. Georg, hilf mir. Ich kann – das neue Engagement – nicht antreten.«

»Wie sonderbar das ist,« sagte er und lächelte in sich hinein. Im Schreibtisch steckte der Schlüssel. Er zog die Schublade heraus und entnahm ihr ein Kuvert. »Wie sonderbar das ist. Als wir vor Jahren mein Werk planten, hat es dich in den Bann und fortgezogen. Und heute liefert mir das fertige Werk die Mittel, den Bann zu lösen. Es zahlt für sich selbst die Konventionalstrafe. Hier, Helene.«

Sie hatte in atemloser Spannung sein Tun verfolgt. Sie regte sich nicht von ihrem Platz.

»Wieder bei dir sein, Georg? Hier in meiner Wohnung? Frau sein – Ich sein – wieder ruhig atmen? Das willst du? Das soll ich?«

Einen Augenblick lehnte er am Schreibtisch und sah sie an. Dann trat er auf sie zu, legte den Arm um sie und zog sie fest an sich. Und jeder lauschte erstaunt auf den schnellen Herzschlag des anderen …

»Ob ich will, Helene? Ich habe ja nicht mehr arbeiten können, so sehr hast du mir gefehlt.«

»Und ich? Ich habe nur noch arbeiten können,[171] nur noch arbeiten und gar nicht mehr leben. So sehr hast du mir gefehlt.«

»Weshalb schlossest du denn den neuen Vertrag? Jeder Tag wäre uns gewonnen gewesen.«

»Ach, Georg, du mußt nicht lachen, wenn ich es dir sage. Ich wollte nicht kommen, weil es mich – unweiblich dünkte.«

»Unweiblich?«

»Was wir Frauen heute unweiblich nennen. Dem Gefühl nachgehen, statt dem Beruf. Weiblich oder unweiblich, Georg, ich mußte dem Gefühl nachgehen, selbst auf die Gefahr hin, rettungslos für die Sache der Frauen verloren zu sein. Ich mache wieder die Sache des Mannes zu der meinigen. Meines Mannes.«

Er strich ihr übers Haar, um Zeit zu gewinnen, sich zu sammeln. »Wir wollen uns in die Augen schauen, Helene. Ich danke dir für diese Stunde. Aber wirst du sie nicht bereuen? Ein zweites Mal könnt’ ich dich nicht loslassen.«

»Du hättest mich schon das erste Mal nicht loslassen sollen. Und wenn ich darunter gelitten hätte. Ich hätte es bei dir verwinden gelernt. Ich weiß, du wolltest mir meine Begeisterung nicht rauben, du wolltest mich nicht traurig sehen und den Gedanken nicht in mir aufkommen lassen, als gäbe es etwas auf der Welt, was ich versäumt hätte. Ein persönliches und geistiges Gehobenwerden, Triumphe der Kunst, die mehr noch sind, als Kunstgenießen. Ach, Georg, dazu muß man geboren werden, dazu muß man sich schulen, bevor man die andere Sonnenseite[172] des Lebens kennt. Ich hatte sie schon zu sehr kennen gelernt. Durch dich. Und daher glaubte ich, alle Kunstverkünder müßten so groß und rein und heiter sein. Nein, nein, nein, ich bin geheilt von dem Irrtum, der durch die Welt geht. Ja, wenn ich auf der Bühne stand und sang, wenn ich fühlte, wie das Publikum mir an den Lippen hing und dann der Beifall losbrach! Das waren Minuten des Rausches, dem wohl keiner gleichkommt. Aber für die wenigen Minuten des Rausches Stunden, Tage, Wochen der Ernüchterung. Schon wenn ich in die Kulisse zurücktrat und der Vorhang sich senkte und die Menschen das Haus verließen, um gesellig und fröhlich zu sein, und ich mit einem Schlage vergessen war und allein – du, dann schon hätte ich den Triumph wieder herausgegeben. Und nachts lag ich wach in den Kissen und sehnte mich nach dir, nach meinem Heim, nach reiner Luft und rein klingendem Lachen. Am anderen Tage noch einmal ein Munterwerden. Wenn die Zeitungen kamen, die Kritiken. Obwohl man alles im voraus wußte. Der eine der beiden Kritiker hatte in dieser Saison eine Oper beim Direktor liegen, und der andere hatte die seine in dieser Saison zurückverlangt. Voriges Jahr war es umgekehrt. Also dasselbe. Und wenn ich gelesen hatte, schämte ich mich, und ich hatte ein Lob und einen Tadel und keinen Menschen, dem ich mich hätte an den Hals werfen können, daß er als Mensch zu mir redete. Und wieder auf die Proben gehetzt, wieder in die Garderoben, und wieder müde, bis in die Seele frierend,[173] nach Hause geschlichen. Wie oft – täglich fast – schaute ich rückwärts und blickte in dein Zimmer, in dem wir wie glückliche Kinder Kunst genossen in der Schönheit, die wir ihr gaben, und durch dein Zimmer dort ins Speisezimmer, in dem in dem Korbe die Blumen standen und in einer Kristallschale die Früchte. Wie feig man wird. Feig vor dem Bekenntnis: ich bin in der Irre gelaufen. Und unterdes saß das Glück daheim, wo es immer saß, und wartete zusammen mit dem Frieden des Hauses geduldig.«

Sein Arm lag um ihre schlanke Hüfte.

»Nun warst du in der Welt, Helene. Jetzt kennst du ihre Rätsel. Und das ist dein größter Erfolg.«

»Wie schön es hier ist,« sagte sie, »wie still …«

»Es ist ein Frühlingsabend, Helene.«

»Ein Frühlingsabend … Aber noch ist es keiner der letzten. Morgen wird Frühling sein und noch viele, viele Tage. Ich bin noch nicht zu spät gekommen.«

Sie standen in der Balkontür. Ein feiner Duft kam durch die Nacht von frühen Kastanienblüten. Abendstille … Sie horchten hinaus, und es rief keine Stimme. Und sie schlossen sich enger aneinander an und horchten in sich hinein und erhorchten ein leises, feines Musizieren, das anschwoll und sie erfüllte und ihnen seltsame, stammelnde Worte auf die Lippen trug, die nur sie verstanden. – – –

Dekoration

Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger
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Grisebach, Eduard, Kin-ku-ki-kuan. Chinesisches Novellenbuch

Lnbd. M. 4.–

–„– Chinesische Novellen. Die seltsame Geliebte. – Das Juwelenkästchen

Geheftet M. 3.60

–„– Die treulose Witwe. Eine chinesische Novelle

Geheftet M. 1.–

Haushofer, Max, Geschichten zwischen Diesseits und Jenseits. (Ein moderner Totentanz)

Geh. M. 5.–, Hlbfrzbd. M. 7.–

–„– Planetenfeuer. Ein Zukunftsroman

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

Heer, J. C., Felix Notvest. Roman. 10. u. 11. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Joggeli. Die Geschichte einer Jugend. 10. und 11. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Der König d. Bernina. Roman. 26.–30. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– An heiligen Wassern. Roman. 25.–30. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Der Wetterwart. Roman. 19.–23. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

Heilborn, Ernst, Kleefeld. Roman

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

Herzog, Rudolf, Der Graf von Gleichen. Ein Gegenwartsroman. 5. u. 6. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Der alten Sehnsucht Lied. Erzählungen. 1.–4. Auflage

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Das Lebenslied. Roman. 9.–11. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Die vom Niederrhein. Roman. 9.–11. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Die Wiskottens. Roman. 19. u. 20. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Heyse, Paul, L’Arrabbiata. Novelle. 11. Auflage

Lnbd. M. 2.40

–„– L’Arrabbiata und andere Novellen. 9. Aufl.

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

–„– Buch der Freundschaft. Novellen. 7. Aufl.

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

–„– Crone Stäudlin. Roman. 4. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– In der Geisterstunde. 4. Auflage

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Über allen Gipfeln. Roman. 10. Aufl.

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

–„– Kinder der Welt. Roman. 22. Aufl. 2 Bde.

Geh. M. 7.20, in 2 Lnbdn. M. 9.20

–„– Neue Märchen. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Marthas Briefe an Maria. 2. Auflage

Geh. M. 1.–, Lnbd. M. 2.–

–„– Melusine und andere Novellen. 5. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Merlin. Roman in sieben Büchern. 5. Aufl.

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

–„– Ninon und andere Novellen. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Novellen. Auswahl fürs Haus. 3 Bände. 10. u. 11. Auflage

Geh. M. 7.50, in 3 Lnbdn. M. 10.–

–„– Novellen vom Gardasee. 5. Auflage

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.50

–„– Meraner Novellen. 10. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Neue Novellen. Min.-Ausg. 6. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Im Paradiese. Roman. 13. Aufl. 2 Bde.

Geh. M. 7.20, in 2 Lnbdn. M. 9.20

–„– Das Rätsel des Lebens. 4. Auflage

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–

–„– Der Roman der Stiftsdame. 12. Auflage

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

–„– Der Sohn seines Vaters u. and. Nov. 3. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Moralische Unmöglichkeiten und andere Novellen. 3. Auflage

Geh. M. 4.50, Lnbd. M. 5.50

–„– Victoria regia u. a. Novellen. 1.–4. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Aus den Vorbergen. Vier Novellen. 3. Aufl.

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–

–„– Weihnachtsgeschichten. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Unvergeßbare Worte u. a. Novellen. 5. Aufl.

Geh. M. 3.60, Lnbd. M. 4.60

Hillern, Wihelmine v., Der Gewaltigste. 3. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– ’s Reis am Weg. 3. Auflage

Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.50

–„– Ein Sklave der Freiheit. 3. Auflage

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–

–„– Ein alter Streit. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Hobrecht, Max, Von der Ostgrenze. Drei Nov.

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–

Höcker, Paul Oskar, Väterchen. Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Hofe, Ernst v., Sehnsucht. Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Hoffmann, Hans, Bozener Märchen

Tuchband M. 4.20

–„– Ostseemärchen. 2. Auflage

Leinenband M. 4.–

Holm, Adolf, Holsteinische Gewächse. Aufgezogen und zur Schau gestellt (in Wort und Bild)

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

–„– Köst und Kinnerbeer. Und sowat mehr. Zwei Erzählungen aus dem holsteinischen Landleben

Leinenband M. 2.40

Hopfen, Hans, Der letzte Hieb. 4. Auflage

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

Huch, Ricarda, Erinnerungen von Ludolf Ursleu dem Jüngeren. Roman. 7. u. 8. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Junghans, Sophie, Schwertlilie. Roman

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Justus, Th., Am Küstensaum. Erzählungen

Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.–

–„– Aus vergangenen Tagen. Erzählungen

Geh. M. 1.50, Lnbd. M. 2.–

Kaiser, Isabelle, Seine Majestät! Novellen

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Wenn die Sonne untergeht. Nov. 2. Aufl.

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

Keller, Gottfried, Der grüne Heinrich. Roman. 3 Bände. 41.–45. Aufl.

Geh. M. 9.– Lnbd. M. 11.40, Hlbfrzbd. M. 15.–

–„– Die Leute von Seldwyla. 2 Bde. 44.–48. Aufl.

Geh. M. 6.–, Lnbd. M. 7.60, Hlbfrzbd. M. 10.–

–„– Martin Salander. Roman. 29.–33. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Züricher Novellen. 43.–47. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Das Sinngedicht. Novellen. Sieben Legenden. 35.–39. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 3.80, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Sieben Legenden. Miniatur-Ausg. 6. Auflage

Lnbd. M. 3.–

–„– Romeo und Julia auf dem Dorfe. Erzählung. 5. Auflage. Miniatur-Ausgabe

Geh. M. 2.30, Lnbd. M. 3.–

Kirchbach, W., Miniaturen. Fünf Novellen

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Kossak, Marg., Krone des Lebens. Nord. Nov.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Kurz, Isolde, Florentiner Novellen. 3. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Frutti di Mare. Zwei Erzählungen

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

–„– Genesung. Sein Todfeind. Gedankenschuld. Drei Erzählungen

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Italienische Erzählungen

Lnbd. M. 5.50

–„– Phantasieen und Märchen

Lnbd. M. 3.–

–„– Unsere Carlotta. Erzählung

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

Laistner, Ludwig, Novellen aus alter Zeit

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Langmann, Philipp, Realistische Erzählungen

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

–„– Leben und Musik. Roman

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Ein junger Mann von 1895 u. and. Novellen

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

–„– Verflogene Rufe. Novellen

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

Lazarillo von Tormes. Der erste Schelmenroman. Herausgegeben von W. Lauser

Geh. M. 1.–, Lnbd. M. 2.–

Lindau, Paul, Arme Mädchen. Roman. 9. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Spitzen. Roman. 8. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Der Zug nach dem Westen. Roman. 10. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Mauthner, Fritz, Hypatia. Roman. 2. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Aus dem Märchenbuch der Wahrheit. Fabeln und Gedichte in Prosa. 2. Auflage von »Lügenohr«

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Meyer-Förster, Wilh., Eldena. Roman. 2. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Meyerhof-Hildeck, Leonie, Das Ewig-Lebendige. Roman. 2. Auflage

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Töchter der Zeit. Münchner Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Muellenbach, E. (E. Lenbach), Abseits. Erzählg.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Aphrodite und andere Novellen

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Vom heißen Stein. Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Olfers, Marie von, Neue Novellen

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die Vernunftheirat und andere Novellen

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Pantenius, Th. H., Kurländ. Geschichten. 2. Taus.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Petri, Julius, Pater peccavi! Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Prel, Karl du, Das Kreuz am Ferner. 3. Aufl.

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–

Proelß, Joh., Bilderstürmer! Roman. 2. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Raberti, Rubert, Immaculata. Roman aus d. röm. Leben d. Gegenw. 2 Bände

Geh. M. 8.–, in 2 Lnbdn. M. 10.–

Redwitz, Oskar von, Haus Wartenberg. Roman. 7. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Hymen. Ein Roman. 6. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Riehl, W. H., Aus der Ecke. Novellen. 4. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Am Feierabend. Sechs Novellen. 4. Aufl.

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Geschichten aus alter Zeit. 1. Reihe. 3. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Geschichten aus alter Zeit. 2. Reihe. 3. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Lebensrätsel. Fünf Novellen. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Ein ganzer Mann. Roman. 4. Auflage

Geh. M. 6.–, Lnbd. M. 7.–

–„– Kulturgeschichtliche Novellen. 5. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Neues Novellenbuch. 3. Aufl. (6. Abdr.)

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Roquette, Otto, Das Buchstabierbuch der Leidenschaft. Roman. 2 Bände

Geh. M. 4.–, in 1 Lnbd. M. 5.–

Saitschick, R., Aus der Tiefe. Ein Lebensbuch

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

Seidel, Heinrich, Heimatgeschichten. Gesamtausgabe. 1. Reihe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Heimatgeschichten. Gesamtausgabe. 2. Reihe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Leberecht Hühnchen. Gesamtausgabe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Phantasiestücke. Gesamtausgabe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Reinhard Flemmings Abenteuer zu Wasser und zu Lande. 7. u. 8. Tausend

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Dasselbe. Zweiter und dritter Band. 1.–4. Tausend

Geh. je M. 3.–, Lnbd. je M. 4.–

–„– Von Perlin nach Berlin. Aus meinem Leben. Gesamtausgabe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Vorstadtgeschichten. Gesamtausg. 1. Reihe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Vorstadtgeschichten. Gesamtausg. 2. Reihe

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Wintermärchen. 2 Bände. 4. Tausend.

Geh. je M. 3.–, Lnbd. je M. 4.–

Skowronnek, R., Der Bruchhof. Roman. 2. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Stegemann, Hermann, Der Gebieter. Roman

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Stille Wasser. Roman

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Stratz, Rudolph, Alt-Heidelberg, du Feine … Roman einer Studentin. 7. u. 8. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Buch der Liebe. Sechs Novellen. 3. Aufl.

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Der du von dem Himmel bist. Roman. 1.–5. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die ewige Burg. Roman. 5. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Du bist die Ruh’. Roman. 5. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Gib mir die Hand. Roman. 6.–9. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Ich harr’ des Glücks. Novellen. 4. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die törichte Jungfrau. Roman. 5. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Der arme Konrad. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Montblanc. Roman. 5. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Der weiße Tod. Roman aus der Gletscherwelt. 10.–12. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Es war ein Traum. Berliner Novellen. 4. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die letzte Wahl. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

Sudermann, Hermann, Es war. Roman. 40. Auflage

Geh. M. 5.–, Lnbd. M. 6.–, Hlbfrzbd. M. 6.50

–„– Frau Sorge. Roman. 88.–93. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Geschwister. Zwei Novellen. 27.–29. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Jolanthes Hochzeit. Erzählung. 27. Auflage

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–, Hlbfrzbd. M. 3.50

–„– Der Katzensteg. Roman. 50. Aufl. Jubiläumsausgabe. Mit Porträt

Geh. M. 4.–, Pergbd. M. 5.80

–„– Dasselbe. 61.–63. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50, Hlbfrzbd. M. 5.–

–„– Im Zwielicht. Zwanglose Geschichten. 31. u. 32. Aufl.

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–, Hlbfrzbd. M. 3.50

Sydow, Klara von, Der Ausweg. Erzählung

Geh. M. 2.–, Lnbd. M. 3.–

Telmann, Konrad, Trinacria

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Trojan, Johannes, Das Wustrower Königsschießen und andere Humoresken

Geh. M. 1.–, Lnbd. M. 1.50

Voß, Richard, Römische Dorfgeschichten. 4. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Widmann, J. V., Touristennovellen

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Wilbrandt, Adolf, Adams Söhne. Roman

Lnbd. M. 7.–

–„– Das lebende Bild u. a. Geschichten. 3. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Der Dornenweg. Roman. 4. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Erika. Das Kind. Erzählungen. 3. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Familie Roland. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Fesseln. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Feuerblumen. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Franz. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die glückliche Frau. Roman. 4. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Fridolins heimliche Ehe. 4. Auflage

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Schleichendes Gift. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Hermann Ifinger. Roman. 6. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Hildegard Mahlmann. Roman. 3. Aufl.

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Irma. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Ein Mecklenburger. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Meister Amor. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Novellen

Geheftet M. 3.–

–„– Die Osterinsel. Roman. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Die Rothenburger. Roman. 7. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Der Sänger. Roman. 4. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Die Schwestern. Roman. 1.–3. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Vater Robinson. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Vater und Sohn u. and. Geschichten. 2. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Villa Maria. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Große Zeiten u. and. Geschichten. 3. Aufl.

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

Wildenbruch, E. v., Schwester-Seele. Roman. 14. u. 15. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

Worms, C., Aus roter Dämmerung. Baltische Skizzen

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

–„– Du bist mein. Zeitroman

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Erdkinder. Roman. 3. Auflage

Geh. M. 3.50, Lnbd. M. 4.50

–„– Die Stillen im Lande. Drei Erz. a. d. Winkel

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–

–„– Thoms friert. Roman. 2. Auflage

Geh. M. 4.–, Lnbd. M. 5.–

–„– Überschwemmung. Eine balt. Gesch. 2. Aufl.

Geh. M. 2.50, Lnbd. M. 3.50

Zimmermann, M. G., Tante Eulalia’s Romfahrt

Geh. M. 3.–, Lnbd. M. 4.–


Weitere Anmerkungen zur Transkription

Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Die Darstellung der Ellipsen wurde vereinheitlicht.