Title: Landesverein Sächsischer Heimatschutz — Mitteilungen Band XIV, Heft 3-4
Monatsschrift für Heimatschutz, Volkskunde und Denkmalpflege
Editor: Landesverein Sächsischer Heimatschutz
Release date: May 1, 2024 [eBook #73509]
Language: German
Original publication: Dresden: Landesverein Sächsischer Heimatschutz
Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net
Anmerkungen zur Transkription
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Landesverein Sächsischer
Heimatschutz
Dresden
Monatsschrift für Heimatschutz, Volkskunde und Denkmalpflege
Band XIV
Inhalt: Die »Alte Hoffnung Gottes« zu Kleinvoigtsberg und neue Hoffnungen des Freiberger Bergbaues – Die Streitlinde bei Königsfeld – Die »nackten Jungfern« – Botanisches vom Krokus, insbesondere den Drebacher »nackten Jungfern« – Grenzland – Sebnitzer Pestdenkmale – Die deutschen Jugendherbergen – Die Reise nach Sylt – Wieder einmal: Reklameschilder
Einzelpreis dieses Heftes 3 Reichsmark
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Dresden 1925
An unsere geehrten Mitglieder!
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Dresden, im Mai 1925.
Landesverein Sächsischer Heimatschutz
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Landesverein Sächsischer Heimatschutz
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Die Mitteilungen des Vereins werden in Bänden zu 12 Nummern herausgegeben
Abgeschlossen am 30. April 1925
Von Stadtbaurat Rieß-Freiberg
Aufnahmen von K. Reymann, Freiberg
So klingt es in einem alten Freiberger Bergmannsliede, das in keiner frohen Runde, in keiner feuchten Stunde der alten Bergstadt Freiberg fehlen darf. Da leuchten die Augen der jungen Bergstudenten und mit markigen Stimmen schmettert der ganze Hauf: Glückauf! Glückauf! Glückauf!
Die alten Herren vom Bergleder – in Freiberg rechnet sich wohl ein jeder ein bißchen zum Leder – sie singen nicht mehr so hell mit ungebrochener Stimme! Ihnen liegt es noch im Ohr und im Herzen, wie einst rings um Freiberg das Grubenglöcklein so traut vom Schachte klang, wie das Glückauf! Glückauf! von dem anfahrenden Bergmann als hoffnungsfroher Gruß, als echte selbstgeprägte Münze freudig ausgegeben wurde. Ihnen wird das Herz[82] schwer, die Wehmut greift an die Kehle und sie denken der alten, der fernen, vergangenen Bergherrlichkeit! – Wo sind die Zeiten hin, wo das Glückauf dem Steiger erklang:
Es ist ja noch gar nicht lange her, daß die staatlichen Erzbergwerke ihren Betrieb einstellten, weil sie nur noch mit Zuschuß »Zubuße« arbeiteten und glaubten, bei dem Niedergang des Silberpreises dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt nicht mehr gewachsen zu sein. Nur ein Dutzend Jahre! In diesem Dutzend Jahre aber ein Erleben so groß und wuchtend, so welterschütternd und schicksalsschwer, als wäre die Lawine eines Jahrhunderts über die Herzen gegangen! – Ja, die alte Bergherrlichkeit! Man denkt, sie ist gestorben, man meint, sie könnte nicht mehr erwachen. Ach, man hat ja unter den Lawinenlasten der Zeit das Glauben mehr und mehr verlernt, während doch nur der Glaube an uns und unsere Zukunft uns helfen kann, während doch nur erst und eigentlich der Glaube die Sehne strafft, den Willen zu Stahl härtet, Berge versetzt und mit Glückauf! Glückauf! Glückauf! Felsen zerbricht, schöne Erze »an Silber und an Bleien reich« aus schwarzen Abgründen fördert.
»Wenn ihr glauben würdet, so wäre euch geholfen!« Auch dem Freiberger Bergbau wäre geholfen, würdet ihr glauben, denn der Freiberger Bergbau ist ja nicht tot. Nicht an Altersschwäche und Erschöpfung ist er eingegangen wie ein lebenssatter verbrauchter Greis. Ruhe ist kein Tod, sondern kann Leben voller Kraft und Zukunftshoffnung, voller Tätigkeit und Schaffenslust werden, wenn eine starke Hand weckt. Es gilt noch das Wort: »Silber hegen seine Berge noch in manchem tiefen Schacht!« In der Tiefe schlummern die Gänge edler Erze und warten auf die glaubensstarke Faust, welche an die Felsen schlägt, welche mit modernem Geiste sie weckt und an das Licht bringt, mit moderner Technik sie aufbereitet und ohne Verluste, nach bestem Verfahren, ihre reichen Werte der Tiefe und dem toten Gestein entreißt.
Ein tragisches Geschick war es, daß außer am Sinken des Silberpreises, der staatliche Freiberger Bergbau unter seinen Betriebseinrichtungen litt, daß die Zubußgelder des Staates zum größten Teil zur Unterhaltung des zu großen Betriebes benötigt und nur zum geringen Teile zu Neuanlagen verbraucht wurden. Seine Gänge und Abbaumöglichkeiten konnten aus Mangel an Mitteln nicht genügend erschlossen und das geförderte edle Gut in nur unvollkommener Aufbereitung ausgenutzt werden, unter großen Verlusten, bis zu 35 Prozent und darüber.
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Erst nach seinem Erliegen wurden neuere vollkommenere Aufbereitungsverfahren, wie die Cyanlaugung der Silbererze und das Schwimmverfahren, bekannt, durch welche z. B. in Mexiko trotz niedriger Silberpreise der beste wirtschaftliche Erfolg auch für den Abbau der ärmeren Erzmittel der edlen Quarzformation (bis zu 0,025 Prozent Silbergehalt) verbürgt wird. (Vgl. Dipl.-Ing. Arnold Ziffzer in »Metall und Erz« 1923 S. 42–47.)
Wären vielleicht seinerzeit manche Zubußgruben rechtzeitig und früh genug aufgegeben und die dort ersparten staatlichen Mittel in vollem Umfange z. B. auf das Himmelsfürster Gebiet mit dem Werke »Junge hohe Birke« und seine moderne Ausgestaltung verwendet worden, vielleicht wäre gute Ausbeute für lange Jahre und steigende Rentabilität gesichert gewesen zum Segen des Freiberger Bezirkes und der ganzen Heimat, nicht zum mindesten während des Krieges und der unheilvollen Zeit des Währungsverfalles. Ein Ausgangspunkt wäre geblieben, um mit immer neuer Kraft und Unternehmungsgeist die Möglichkeiten der Technik und die Hoffnungen und Verheißungen der Tiefe auch in anderen hoffnungsreichen Freiberger Revieren auszuschöpfen.
und
Diese alten Bergmannssprüche waren nicht beachtet und ihre Weisheit nicht zur Tat geworden, als der letzte Häuer der Freiberger staatlichen Gruben seine letzte Schicht verfahren mußte.
Warum blickte er so trübe und so schmerzlich? Weil er weiß, daß unten in der Tiefe noch reiche Erzadern bluten, daß in Gefels und Klüften noch viele edle Gänge der Erforschung und des Abbaues nach der Tiefe und nach der Breite harren, daß nur im engeren Gebiete des staatlichen Erzbergbaues Untersuchungen zur Erschließung neuer Gangmittel in horizontaler Richtung durch Querschläge, aber nur ungern und zögernd nach der Tiefe stattfanden, daß aber die zahlreichen notleidenden Privatbesitzer diese Forschungsarbeiten völlig vernachlässigten und nur durch Raubbau sich hielten. Er trauert, daß die weiten und reichen Reviere westlich und nördlich von Freiberg mit ihren viele kilometerlangen Gangzügen, der edlen Silber- und Bleierze führenden Quarzformation, der edlen Bleiformation mit dem reichen funkelnden Bleiglanz und dem Vorkommen von gediegenem Silber, die Bergbaureviere zwischen Hohentanne, Kleinvoigtsberg, Bräunsdorf, bei Kleinwaltersdorf, Großschirma, Wegefahrt und den benachbarten Fluren noch unerforscht sind, trotzdem Verbindungen stückweise erforschter reicher, edler, abbauwürdiger Gangzüge sicher anzunehmen sind.
So ist den Zeitverhältnissen, dem Mangel an Mitteln, dem mangelnden Glauben, dem Mangel an Technik und einer gewissen Rückständigkeit der Einrichtungen, eine Grube nach der anderen zum Opfer gefallen und hat eine Belegschaft nach der anderen Bergkittel und Leder an die Wand hängen, Schlägel[84] und Eisen bei Seite legen müssen, trotzdem die Schätze der Tiefe noch unerschöpft der Faust und des Bohrers des Bergmanns warten und geheimnisvoll leuchtend und funkelnd der aus ihrer Gebundenheit erlösenden Tat und den wunderbaren Kräften und Mitteln modernster Technik und Wissenschaft entgegenharren. –
»Nur eine hohe Säule zeugt von verschwundener Pracht!« Sie zeugt von dem Geist und Leben, von der Art und Arbeit, von den Erfolgen und Hoffnungen des Freiberger Bergbaues. Geborsten ist die Säule noch nicht! Sie wird auch nicht stürzen über Nacht! Nein, sie soll die Ecksäule eines Neubaues sein und werden, eines Neubaues Freiberger, sächsischen Erzbergbaues! Diese Säule heißt: »Alte Hoffnung Gottes!«
Ist der Name nicht wie eine Prophezeiung? Aus ihm klingt das Vertrauen und der Glaube heraus, der unserer Zeit fehlt und doch so bitter nötig ist, der alte Glaube an die Zukunft. Die »Alte Hoffnung Gottes« ist nicht zuschanden geworden, sie allein hat durchgehalten durch alle bösen Tage von Silbersturz und Krieg, von Inflation und Geldknappheit, und hat dadurch bewiesen, daß auch heute noch eine starke Faust funkelndes Leben aus den Tiefen des Freiberger Bodens zu holen vermag, daß der alte Hoffnungsvers des Bergmannsliedes doch noch Geltung hat:
Wir wollen einmal von Freiberg dieser letzten Stätte Freiberger Bergbaues einen Besuch abstatten, und von der Alten Hoffnung Gottes zu Kleinvoigtsberg uns neue Hoffnungen für die Zukunft ins Herz holen und uns stärken an dem Gedanken, daß ein Stillstand wohl den Bergbau treffen konnte, daß aber Erwachen und neue Kraft aus der Tiefe, durch Glauben und Hoffnung zu neuem Leben emporhebt.
Unsere Fahrt geht vom Obermarkt der alten Bergstadt aus. Mitten auf seinem Spiegel steht das Brunnendenkmal Ottos des Reichen, des Stadtgründers, der seinen Reichtum den Silberfunden des Freiberger Bodens verdankte. Unter seinem Helmsturz scheint er uns freundlich zuzulächeln. Seine Hand mit der Gründungsurkunde will er wohl heben, um uns ein Glückauf zur Fahrt zu winken? Zur Fahrt, die der alten Hoffnung auf die geheimnisvollen verschwiegenen Tiefen, auf die noch nicht erschlossenen, schlummernden Kraftquellen seines alten Vriberchbodens gilt? –
Am Rathauseck sind zwei Kreuze seit Jahrhunderten als Wahrzeichen angebracht, die aus eingelassenen Erzstücken bestehen. Jeder wandernde Handwerksbursche mußte sie kennen und nennen als Ausweis seiner Ortskenntnis in fernen fremden Zunftstuben und Herbergen. Unsere Fahrt gilt heute dem Erz des Freiberger Bodens, das Alt-Freiberg untreu geworden sein soll, wie[85] man meint, dessen alte heimliche Treue uns aber dennoch heute das Herz stärken soll. Wie bedeutungsvoll wollen uns da die ehrwürdigen Erzkreuze, diese alten Zeichen dort oben als Sinnbilder scheinen: Ohne Kreuz und Leid, ohne Treue, ohne Glauben und ohne Opfer kann edles Erz nicht aus dunkler Tiefe ans Licht gebracht werden! – Und dort drüben an der Hausecke steht seit Jahrhunderten der altertümliche Bergmann mit dem großen Tellerkragen unterm Kinn, mit der Erzmulde auf der Schulter und einem Wappen unter der Faust. Die Inschrift lautet, daß hier Freibergs erste Zeche gewesen sei. Alte Überlieferung ist es, die damit uns zugeraunt wird. Eine Fahrt von Freibergs erster Zeche zu Freibergs letzter Zeche? Eine Fahrt von der Wiege zum Grabe? Nein, »Alte Hoffnung Gottes« deutet auf Zukunft, deutet auf neues Werden!
Auf neues Werden deutet der frühlingsmäßige Tag, ob auch Winter im Kalender steht und noch die Knospen im kahlen Geäst zu schlummern oder gar tot zu sein scheinen. Wir wissen, sie brechen auf, und das Leben ist stärker als der Tod!
Durch die alte Leipziger Straße geht unsere Fahrt. Von drüben, von der Höhe grüßt Herdersruhe herüber, wo inmitten eines kleinen Haines »der Knappen bester Freund«, der Berghauptmann Freiherr v. Herder, der Sohn des Dichters, in der Halde zu den drei Königen seinen letzten Schlummer schläft. Als er hier Ende Januar 1838 seine letzte Schicht verfuhr, schien es den Zeitgenossen, als wäre mit ihm die Blüte des Bergbaues zu Grabe getragen.
Dieser Barbarossatag ist noch nicht für Freiberg gekommen und die Raben kreisen immer wieder um die mächtigen Halden auf den Höhen, während unten die Zwerge neidisch die Schätze hüten. Doch der Tag wird kommen, an dem der Bann gelöst wird und die Schätze frei werden. Der Glaube und die Tatkraft einer neuen Zeit, eines neuen Wollens und Könnens, werden die Mächte der Finsternis brechen. –
Durch Felder und Wälder braust unsere Fahrt dahin. Die hohen Fichten des Fürstenwaldes senden herben Harzduft aus und wir atmen tief ihre belebende Kraft in unsere Lungen. Kleinwaltersdorf, Großschirma bleibt hinter uns zurück und von der Höhenstraße schweift weit unser Blick in die Ferne, wo Dörfer sich in Bodenfalten ducken und drüben die Halsbrücker Esse mit langer Rauchfahne qualmt, und wo links die dunklen Wellen des Zellwaldes wie ein wogendes Meer von immergrünen Wipfeln sich heben und senken. Ein alter Gasthof liegt am Wege, »Der schwarze Bär« von Großvoigtsberg. Seine breite bogenüberspannte Hofeinfahrt öffnet sich, als führte der Weg mitten in das Herz dieses gastlichen Hauses, als müßte der Wagen gleich in die Wirtsstube hineinstürmen. Eine plötzliche Biegung des Weges und schon lag »Der schwarze Bär« hinter uns mit der gähnenden Rachenöffnung seiner Torfahrt.
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Vielleicht ein andermal, du alter schwarzer Bursche, in dem schon seit Jahrhunderten die Bergleute von Großvoigtsberg, Kleinvoigtsberg, Obergruna so manchen festen Trunk getan, bis eine Grube nach der anderen erlag. Ein andermal werden wir getrost uns deinem gastlichen Rachen anvertrauen, heute wollen wir das letzte Bergwerk alter Freiberger Art in seiner eigenwüchsigen Ausprägung sehen und uns seiner Erhaltung freuen. –
Die Bergwerksgebäude der »Alten Hoffnung Gottes« zu Kleinvoigtsberg liegen seitab etwa 1500 Meter östlich von der großen Heeresstraße in naher Gemeinschaft mit den noch unverdorbenen schlichten Fachwerkhäusern des kleinen Bergmannsdörfchens. Dieses Bergmannsdorf ist eine echte Industriesiedlung alter Zeit. Nicht wie die Reihendörfer des Erzgebirges liegt es an langer Straße, Hof bei Hof inmitten der Gärten und an den anschließenden Feldern, sondern die Häuslein liegen dicht beim Werke, das die Arbeit gibt. Sie sammeln sich wie die Küchlein um die Henne, so daß man schon an der Hausanordnung das gänzlich andere aus der Industrie herausgewachsene Wesen des Ortes erkennen kann. Schon im Jahre 1224 taucht sein Name als »Vogilsberg minor« in einer Urkunde auf. Siebenhundert Jahre Geschichte hat dieses stille Dörfchen aus der ersten Zeit der Kolonisation deutscher Ansiedler im dunklen Miriquidi, aus den ersten Jahren des Bergbaues! Oberhalb des Ortes, auf der Höhe des Muldentales, das die Ausläufer seiner Bewaldung fast in die Dorfstraßen schickt, liegen die Baulichkeiten des Kunst- und Treibeschachts und geben, in Verbindung mit den mächtigen dunklen Halden, der ganzen Landschaft das unverkennbare charaktervolle bergmännische Gepräge.
Unterhalb des Dorfes dicht am Muldenufer, etwa 60 Meter tiefer als das Treibehaus, liegen die Aufbereitungsanlagen, die Scheidebank, das Pochwerk und die Stoßherdwäsche. Diese verschiedene Höhenlage der Berggebäude ist eine Eigenart von besonderer Bedeutung für die Arbeit der Grube. Es werden nämlich nur die tauben Gesteinsmassen aus der Tiefe des Schachtes bis hoch zum oberen Treibehaus gefördert und dort auf Halde gestürzt.
Die Erze werden nur bis an einen in der Höhe der unteren Aufbereitung in den Berg führenden Stollen getrieben und in ihm auf Hunten der Reinigung und weiteren Verarbeitung zugerollt. Unter freundlicher Führung und Erläuterung besichtigen wir die Anlagen über Tage und gewinnen den tiefen Eindruck, daß hier in diesem letzten Silberbergwerk ein Kulturdenkmal, ein Industriedenkmal lebendig und in voller Arbeitsfrische erhalten ist, das in seiner ganzen Anlage, der Ausgestaltung seiner Bauten, der Ausprägung seines charakteristischen bergmännischen Seins und Wesens so echt, so wahr, so bodenständig und urwüchsig ist, daß es als ein Beispiel und Meisterwerk volkstümlicher Kunst und Technik anerkannt, und seine dauernde Erhaltung schon aus diesem Grunde für ferne Zeit sichergestellt werden muß.
Da steht auf der Höhe der Pulverturm. (Abb. 1.) Wie eine Landmarke leuchtet er mit seinen weißen Mauern und dem lustigen Ziegeldach in die Ferne. Er verwahrt sicher in seinen dicken Mauern die Sprengmittel für die Arbeit des Bergmannes vor Ort in der Tiefe. Wie fest und sicher, wie selbstbewußt[87] und kraftvoll steht er da, mit seinen im Achteck starkgefügten Mauern und seinem achteckigen spitzen Zeltdach und der eisernen, von starken Riegeln verwahrten Tür. Kein Fenster, kein Zierat am ganzen Bau, kein »Kunstwerk«, aber gerade durch seine Schlichtheit, Tüchtigkeit und anspruchslose Zweckmäßigkeit ein herzerfreuendes Werk bodenständiger Heimatkunst. –
Nicht weit vom Turm liegt das Huthaus (Abb. 2) mit seinem kecken, zierlichen, achteckigen Dachreiter in die Ferne bis zu den Türmen Alt-Freibergs schauend. Das Glöcklein dort oben klingt noch immer stimmungsvoll mit heller Stimme über die Dächer des tiefer liegenden Dörfchens und ruft zur Schicht. Das Dörflein hat keine Kirche. Die Glockenstimme des Huthauses, in dem sich die Belegschaft vor der Schicht sammelt, ist, wie anderwärts die Kirchenglocke, hier die Stimme der Heimat, die Stimme der Mutter, welche den Kindern des Dorfes in der Fremde und daheim im Ohr und im Herzen liegt und Tiefstes wecken kann, wenn lange entbehrt, sie plötzlich an die sonst vielleicht stumm und stumpf gewordenen Saiten des Herzens klingt.
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Das Dorf hat keine Kirche, aber im Huthaus befindet sich schon seit dem Jahre 1770 heute noch im Erdgeschoß eine Betstube, in welcher nach altem ehrwürdigen Freiberger Brauch vor der Schicht sich die Belegschaft zu kurzer Andacht sammelt. (Abb. 3.) Die mit reizvoll geschnitzten Akanthusranken verzierte kleine alte Orgel spielt einer der Bergleute. Auf rauhen Bänken ohne Lehne sitzen die schlichten Männer in ihrer Arbeitstracht und kräftig füllt ihr Lied den so unendlich einfachen und doch so würdevollen Raum, ehe sie mit frohem Glückauf an ihr Tagewerk in dunkler Tiefe gehen.
Im oberen Geschosse liegt die Wohnung des Hutmannes und, nicht zu vergessen, ein kleiner Ausschank und Gaststube für den Bergmann. Ein Freiberger Verslein sagt bezeichnend:
Im Kampf gegen Rost und Falten hat der Bergmann seinen Mann gestellt! Der Bergmann ist ja allezeit eine fröhliche Haut gewesen! Bergmusikanten zogen schon vor alters mit ihren eigenartigen Instrumenten mit ihren Liedern[89] und Bergmannsreyhen durch das Land, und mit ihnen ging die Fröhlichkeit und lachte in den Stuben und unter der Linde. Zwischen Betstube und Glockentürmlein, zwischen Orgeltönen und Glockenklang die Gaststube, alles in einem Hause, gerade wie in einem rechten Menschenherzen, im deutschen Herzen, im Bergmannsherzen Andacht und Frohsinn, Sehnsucht und Lust, Weltflucht und Weltsucht wundersam nebeneinander wohnen!
Der Weinstock klettert am Spalier der Wand empor und belebt mit seinem Grün das anmutige Bild des alten Huthauses.
Im Verwaltungshause der Grube wird eine Inschrifttafel vom Jahre 1861 aufbewahrt, welche früher im Huthause hing und auf einen Umbau hinweist.
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Hinter dem Huthause steht die urwüchsige Bergschmiede aus dem Jahre 1770 (Abb. 4), in welcher das Gezähe des Bergmannes geschmiedet, geschärft und zugerichtet wird. Schlägel und Eisen, in der Felsarbeit müde und stumpf geworden, gewinnen hier im Fauchen der Herdglut und im Kling Klang des Hammerschlages auf dem Ambos neue Kraft und Schärfe, und tausend mannigfache Dinge, welche der Bergbau verlangt, schafft hier die Kunst des Schmiedes für den Gebrauch und rasche Verwendung.
Ein mächtiges steiles Dach, das mehr als doppelt so hoch ist als die niedrigen Außenwände, schützt und deckt das Haus. Fenster und Türen, Dachaufbauten und Schornsteine sind fast in völliger Symmetrie angeordnet. Alles ist einfach und ungekünstelt, und so wirkt dieser Zweckbau so sicher, so ruhig und festgewurzelt im heimischen Boden, als wäre er aus ihm herausgewachsen.
Der Mittelpunkt der ganzen oberen Anlage ist aber das Treibehaus mit hohem, steilem Schieferdach mit kurzer Abwalmung der Giebelspitzen. Durch diese Linienführung der Giebel und des Daches fügt sich der Bau in das Bild der mächtigen Halden hinein, als wäre er aus diesen Steinmassen herausgewachsen und herrscht nun, auf hoher Terrasse stehend, wie auf einem Thron, darüber in selbstverständlicher Schönheit und Machtfülle. (Abb. 5.)
Der dem Tale abgekehrte, nach der Wetterseite zu liegende Giebel ist mit Schiefer behangen und geschützt, während der nach dem Tale blickende, mit[91] vielen Sprossenfenstern Ausschau haltende Giebel in ausgemauertem, sichtbarem Fachwerk mit Putzfeldern gebaut ist. Trotz seiner Schlichtheit wirkt der Bau mit seinen vielen Fenstern, dem schwarzen Holzwerk und seinen weißen Putzfeldern sehr schmuck und macht einen außerordentlich freundlichen und reizvollen Eindruck, der noch erhöht wird durch die engere Umgebung. (Abb. 6.) Dr.-Ing. Bleyl schreibt darüber in seinem schönen Werke über »Baulich und volkskundlich Beachtenswertes aus dem Kulturgebiete des Silberbergbaues zu Freiberg usw.«: »Da das Haus um einige Meter von der Straße absteht, so wird oben auf der Stützmauer eine durch steinerne Platten belegte Terrasse gebildet. Von dieser führt eine Treppe tiefer herunter nach einem kleinen Obstgärtchen, das vor dem Talgiebel des Hauses dadurch zustande gekommen ist, daß man gegen die Halde im Bogen eine Stützmauer gestellt hat. Dieser umschlossene, versteckte kleine Terrassengarten, der mit seinen Obstbäumen gegen den Abfall nach der Straße zu durch einen Holzzaun mit Buschwerk geschützt und von dem hohen nach dieser Seite noch auf einem durch den tiefgelegten Garten entstandenen Kellersockel stehenden Giebel überragt wird, birgt eine sehr anmutige reizvolle Stimmung.
Die Abgeschlossenheit und Stimmung des Gärtchens wie des ganzen Hauses wird noch gesteigert durch ein dickes Geranke von Efeu, das die Treppenmauer[92] überwuchert hat, und vor allem durch einen prächtigen alten Kastanienbaum. Da nämlich die Treppe nach dem Gärtchen nicht unmittelbar an das Haus gelegt ist, sondern mehr der Straße zu, entsteht noch eine kleine Fortsetzung der Hausterrasse, die hier gegen Treppe und Garten durch eine Steinbrüstung abgeschlossen ist, und auf dieser kleinen Terrasse wächst der Kastanienbaum empor und seine Zweige hängen über die Treppe hinab fast bis auf den Garten.
Der immer wiederkehrende feine Klang des Wächterglöckchens, das hier nicht in einem eigentlichen Dachreiter, sondern nur unter einem auf zwei Holzsäulen auf dem First stehenden, kleinen, nach oben abgerundeten, mit Metallblech beschlagenen Dächlein hängt, erinnert daran, daß dies bergmännische Gebäude noch in Betrieb ist.«
Ja, ein Heimatbild voll poetischen Reizes ist dieses alte Treibehaus mit seinem stillen heimlichen Gärtlein und den grünumwucherten Terrassen, als könnte hier ein altes Volkslied oder ein liebes Kindermärchen Gestalt und Wahrheit gewinnen, Erzählungen von den Zwergen, den Bergleuten der Märchenzeit, die die Schätze der Unterwelt gewinnen und hüten, dem Guten spenden, die Bösen aber narren und necken. Das Wächterglöcklein oben im Dachreiterlein klingt in regelmäßigen Zeitabständen anschlagend und meldet, daß unten in der Tiefe das Gestänge und die Wasserhaltung in Ordnung ist und der Bergmann ruhig und vertrauensvoll seine Schicht in der dunklen Grubennacht verfahren darf. Die Esse ragt hoch über die ganze Gebäudegruppe hinaus,[93] ohne das Gesamtbild zu stören. Nein, im Gegenteil scheint sie den Eindruck noch zu steigern und zu erhöhen wie ein starkes Symbol. Sie ist der zum Himmel emporgereckte Zeigefinger der harten Faust der Arbeit, welche hier als festgeschlossenes Bauwerk über den Halden sich zusammenballt: ein Weiser aus dunkler Tiefe, durch harte Arbeit empor zur Höhe.
Um das Treibehaus herum lagern sich noch mehrere niedrigere Werkgebäude, welche einen Hof locker umschließen. Da ist das Maschinenhaus, das Kesselhaus, die Schneidemühle und der Zimmerschuppen. Mächtige Stämme von Buchen und Birken aus dem nahen Zellwalde lagern am Kesselhause, um für die mannigfachen Zwecke des Bergbaues verarbeitet zu werden. Eben kommt auf ächzenden Rädern mit schweren dampfenden Pferden ein Wagen mit wahren Urwaldsstämmen langsam daher und wohlgefällig prüft der Bergzimmerling ihr kerniges Holz. Drinnen im Schuppen arbeiten sie an der Herstellung von Gestängeteilen für die Wasserhaltung. Das ist Zimmermannsfeinarbeit, an der kein Tadel sein darf, da jeder etwaige Mangel sich bald durch Bruch im Betriebe rächt. Künstler der Axt gibt es dort, welche z. B. ungeheure Wellen mit der Axt aus freier Hand aus Stämmen zurechthauen und glätten, als hätte ein Drechsler auf überweltlicher Riesendrehbank sie feingedreht und ohne Fehl gerichtet.
Wir werfen einen Blick in das Maschinenhaus und bewundern die ungeheuren Seiltrommeln, auf denen die Seile zur Fahrt in die Tiefe sich auf- und abwickeln. Auf einer Art Pegel, dem »Teufenzeiger« neben der Maschine gehen Gewichte auf und nieder entsprechend der Auf- und Abwicklung des Seiles und zeigen genau an, in welcher Tiefe sich das Fahrgestell jeweilig befindet. Wir schauen auch in die schlichten Räume der Betriebsleitung in dem oberen Stockwerk des alten Treibehauses. Schöne Kristalle und Erzstufen, funkelnder Bleiglanz und Stufen mit gediegenem Silber, die hier zu Tage gefördert wurden, erzählen uns von dem, was unten in unerschlossenen Tiefen noch der Erlösung aus dunklem, schwerem Banne harrt. Ja, da fühlten wir die innige Bedeutung des Grußes Glückauf, des Glückaufs, das jubelnd einem guten Anbruch entgegengebracht wird, denn neue Arbeit, neuer Verdienst und Gewinn lacht mit dem blinkenden Erz der ganzen Belegschaft und auch »den Obern, die es recht gerne sehen«.
Über einer Tür hängt die Inschrifttafel, welche früher im Huthause hing und auch so ganz auf Hoffnung gestellt ist:
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Über einer anderen Tür befindet sich ein sehr eigenartiges kleines Bildwerk aus dem Jahre 1755, wie unter den Buchstaben: J. D. W. auf einem Wappenschilde zur Linken des dargestellten Mannes angegeben wird. (Abb. 7.) Es ist offenbar ein Bauer, der sich an einen stilisierten Baum lehnt. Der mächtige Kopf mit langen Haaren und seinen erschrockenen Augen, der starke Oberkörper, die kurzen Knickebeinchen, die im gestreckten Winkel nach außen gesetzten Füße in derben Schuhen, und die verkehrt mit den Ellbogen nach vorn eingesetzten Arme wirken so komisch und doch so originell, daß wir es wohl als ein Werk eines alten bergmännischen Künstlers ansehen dürfen, der damit vielleicht vor 180 Jahren eine originelle Type aus dem Dorfe humoristisch karikieren wollte.
Auch heute noch gibt es ja in der Freiberger Gegend volkstümliche Künstler, schlichte Arbeiter, Männer der werktätigen Hand, welche die Gestalten ihrer Umgebung, ihres Arbeitsgebietes und aus dem Volksleben in lebenswahrer Charakteristik schnitzen und mit dieser edlen Kunst und Handfertigkeit ihre Mußestunden sich zu Stunden der Schaffensfreude und innerer Erhebung gestalten. –
Vom Treibehaus führt eine Brücke für die Huntebahn über die tief zwischen den mächtigen Mauern der Halden als Hohlweg dahinziehende Straße. (Abb. 9.) Der alte Kastanienbaum am Hause schüttelt seine knorrigen Zweige darüber, und der Blick schweift über das Dörfchen zu den grünen Gründen des Muldentales.
Die Hunte, von der kräftigen Bergmannsfaust des »Huntstößers« geschoben, schaffen das taube Gestein der Tiefe des Schachtes auf die mehr und mehr sich türmende und ausbreitende Halde. Dort drüben am steilen Abfall der Halde ragt das Gleisende in die Luft und die Gesteinsbrocken kollern aus dem weit vorgeschobenen und hochgekippten Hunt am Abhang herunter. (Abb. 8.)
Hier oben steht man wie auf einer stolzen Kanzel und der Blick wandert weit hinaus über die Dächer des Bergmannsdörfchens zu den Hängen des Muldentales aufwärts und abwärts mit seinen Wäldern und zu den sanft geschwungenen Höhenlinien des fernen Horizonts, oder zu dem buschigen Wiesengrunde dort unten mit der alten Kaue (Abb. 10), und zu dem dichten Waldesgrün dort drüben über den braunen Wellen der Äcker, an deren Rande weiße Birkenstämme leuchten. Im Grunde dort strömt die Mulde im raschen Laufe, die Poesie stiller landschaftlicher Schönheit und idyllischer Abgeschlossenheit und Ruhe mit der Prosa werktätiger Arbeit und schaffender rastloser Energie vereinend.
Es zieht uns hinunter zum Muldenufer, um dort den unteren Teil des Werkes, die Aufbereitungsanlagen in ihren Bauten und inneren Einrichtungen kennenzulernen.
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Auch hier sind die Bauten alle wie aus einem Guß und tragen das unverkennbare echt bergmännische Gepräge. Sie sind aus dem Boden gewachsen, wie es der Betriebsvorgang erforderte, ihre Form und Gestalt ist genau dem praktischen Zwecke angepaßt und doch oder vielleicht gerade deshalb ist eine so natürliche, eindrucksvolle, unbewußt malerische, für den sächsischen Erzbergbau bezeichnende Tagegebäudegruppe entstanden. (Abb. 11.) Die Gebäude sind dem Arbeitsgange folgend sozusagen stufenförmig angeordnet. Wie bereits erwähnt, wird nur das taube Gestein bis zur Mündung des Treibeschachtes oben im Treibehause geschafft. Das Erz wird bis zu einem wenig über dem Muldenufer liegenden Stollen getrieben und von dort auf einer Huntebahn im überdeckten Gang dem Lagerhaus, dem Steinbrecher und der Scheidebank, und weiter den Pochwerken (Abb. 12) und der Stoßherdwäsche zugeführt. In der Scheidebank wird mit dem Fäustel das Erz von dem anhaftenden Gestein grob gereinigt, geschieden. Auf einer Rutsche wandert das Erz zur Scheidebank, an der heute nur vier Männer arbeiten. (Abb. 13.) Der blau und silbern flimmernde Bleiglanz, dessen breite schwere Bänder aus dem toten grauen Gneis herausgeschlagen und zerkleinert werden, wird in den eisernen, eimerartigen Gefäßen zur weiteren Verarbeitung fortgeschafft. Das Erz funkelt dort auf der Scheidebank im hereinflutenden Sonnenlicht, als wäre ein Nibelungenhort dort ausgebreitet. Daß auch das Innere einer Werkstatt und[100] einer Fabrik, eines Arbeitssaales nicht öde und reizlos sein muß, können wir hier erkennen. Kultur der Arbeitsstätte. Es ist ein Bild von malerischem Reize, in dem die Schätze der Tiefe in besonders eindrucksvollem Glanze sich zeigen, so »daß es nicht nur den Obern Freude macht, die es recht gerne sehen, wenn man ihn’n schöne Erze zeigt, an Silber und an Bleien reich!« sondern auch uns! Doch dieser Glanz ist bald verschwunden und dahin, wenn das eitle prangende Erz in das Pochwerk kommt. Unter den stampfenden Schlägen der Stempel des Pochwerkes wird das, was eben wie blankes Silber oder in den Farben des Regenbogens gleißte und schillerte, zu einem unansehnlichen grauen Sand. – »Ach wie bald, ach wie bald, schwindet Schönheit und Gestalt!« Auch das Pochwerk des Lebens zerhämmert ja mit seinen fallenden Stempeln soviel trügerischen Glanz, soviel eitelen Schimmer, soviel schillernde Hoffnungen, soviel blankes edles Wollen und läßt nur grauen Sand oft übrig. Wenn dieser Sand nur recht kräftigen wertvollen Erzgehalt hat, dann mag man auf den äußeren Glanz wohl verzichten.
Von weitem hören wir schon das rhythmische Pochen der fallenden Stempel, unter deren Wucht das Erz zermalmt wird. (Abb. 14.) Dieses Pochwerk ist eine sehr einfache urtümliche Maschine. Schon Georg Agrikola schildert und zeichnet sie in seinem berühmten Werke über den Bergbau im Jahre 1610 in[101] genau derselben Weise (Abb. 15), wie sie uns heute hier in voller Tätigkeit vor Augen steht. Wo findet man wohl noch eine Industrie auf deutschem Boden, deren Maschinenkonstruktion weit über dreihundert Jahre in derselben Form in Tätigkeit ist? Es ist dieselbe Anordnung wie bei den alten Hammerwerken des Erzgebirges, wo die gewaltigen Schwanzhämmer durch eine vom Wasserrade gedrehte ungefüge Daumenwelle gehoben werden und krachend auf den Ambos niederfallen. Der Frohnauer Hammer bei Annaberg, in dem 1496 die Gründung und Stadtanlage Annabergs beraten wurde, und der Freibergsdorfer Hammer bei Freiberg zeigen heute noch in der Zeit der Dampfhämmer und elektrischen Hämmer diese Anordnung. Auch hier bei unserem Pochwerk ist diese einfache wuchtige Maschine in voller Arbeit.
Da ist draußen das große Wasserrad, vom strömenden Wasser in Bewegung gesetzt. Da ist vor uns die riesenhafte, aus einem Urwaldsstamm mit der Axt zurechtgehauene und geglättete Welle, welche langsam ächzend und knarrend vom großen Wasserrad gedreht wird. Da sind die eisernen Daumen an der Welle, welche die Stempel an eisernen Ansätzen fassen, in die Höhe heben während der Drehung der Welle und abgleitend wieder fallen lassen. Im Trockenpochwerk zermalmen sie die Erzbrocken zu Sand und Staub, im Naßpochwerk zu Schlamm. Wir hören das Dröhnen der Stempel und sehen die Arbeit der ungefügen und doch so wuchtig eindrucksvollen, einfachen Maschinen,[102] wie Agrikola sie schildert, und wie vor mehr als dreihundert Jahren einst die schlichten Bergleute lange vor dem Dreißigjährigen Kriege sie schon sahen. Die Zeit, die Entwicklung hat hier scheinbar stille gestanden, die Stempel nicht. Sie pochen und malmen heute wie einst! Ist nicht diese Welle die rollende Zeit, der niemand Halt gebieten kann? Gleicht sie nicht dem Schicksal, dem unerbittlichen, unentrinnbaren? Seine Daumen heben sich, seine Stempel fallen, und auf und nieder gehen die Geschicke der Menschen und Geschlechter und Völker, und zu Staub und Schlamm wird alles, was einst glänzte und im blanken Schimmer prangte. Draußen rauschen die Jahrhunderte vorüber, die Welle aber dreht sich und dreht sich und am Heben und Senken ihrer Daumen hängt, ach, das Eintagsdasein des armen Menschentums:
(Fontane.)
[103]
Ja, auch solche einfache Maschine des Bergbaues mit ihrem uralten Konstruktionsgedanken kann uns etwas sagen und ein Gleichnis sein besonderer Art, ein Gleichnis, ein Bild, wie im Bergbau immer wieder sich Gleichnisse und Bilder aufdrängen und uns Gedanken wecken, die in die Tiefe und in die Höhe führen. Der Bergbau, der in die Tiefe führt, lehrt die sinnende Seele verstehen und ahnungsvoll fühlen, daß alles Irdische nur ein Gleichnis ist. –
Wir wenden uns weiter zur Stoßherdwäsche im nächsten Werkgebäude, wo das vom Pochwerk zu Mehl oder Schlamm zermalmte Erz durch fließendes Wasser weiter gereinigt wird. (Abb. 16.) Auch diese Einrichtung scheint in ihrer urwüchsigen Einfachheit so recht ein Gedanke schlichten Bergmannsgeistes alter Zeit zu sein, nicht viel komplizierter wohl als wie die Vorrichtungen, die den ersten Silbergräbern von Freiberg vielleicht schon zum Erzewaschen dienten. Das mit Wasser aufgeschlämmte Pochmehl fließt als »Pochtrübe« zu und wird zunächst in nach unten verjüngten Spitzkästen, dann auf den Stoßherden im fließenden Wasser nach Korngröße und spezifischem Gewichte gesondert. An Ketten hängen wie Schaukeln große, etwas geneigte Holzböden, die Stoßherde, über welche aus Verteilungsrinnen die Pochtrübe hinwegrieselt. Das fließende Wasser spült allmählich den leichteren tauben Gneis- oder Quarzsand im trüben, schmutzigen Abfluß weg, während die schweren Erzkörnchen liegen bleiben. Unterstützt wird diese Reinigung durch rüttelnde Stöße, welche die[104] Schaukel in eine kurzatmige, langsame Bewegung versetzen. Auch hier ist es eine Daumenwelle, deren Daumen die Herde vordrücken und im Abgleiten gegen ein Widerlager zurückfallen lassen. Es sind mehrere solche Stoßherde hintereinander bzw. nebeneinander angeordnet, teils um ausschalten und wechseln zu können, teils auch, um einen höheren Reinigungsgrad zu erreichen. Ein eigenartiges Poltern und Stoßen, Knarren und Ächzen erfüllt den Raum. Doch mag diese Maschine noch so poltern und wichtig knarren, wir glauben doch auch hier die Stimmen einer längst vergangenen, verklungenen Zeit zu hören, über deren technische Errungenschaften die moderne Technik mit Riesenschritten fortgeschritten ist. Wir glauben es nicht, daß dieser Stoßherd treu seine Arbeit verrichten kann, sondern, so wenig im »tauben« Gestein der Grube und der Scheidebank unbeachtete, verschmähte und verloren gehende Erzadern fehlen, sondern auf die Halde wandern, so wenig das altertümliche Pochwerk das letzte Körnchen Erz vom Steine zu lösen vermag, so wenig wird der Stoßherd es vermögen, das Erz treu und rein in ganzer Menge zu bewahren, den Weizen von der Spreu zu sondern, hie reines Erz zu halten, dort reinen Schlamm wegzuspülen.
Drüben an der Halde, wo der ausgewaschene Wäschsand dicht am Waldrand gestürzt wird und weiß und gelblich, rötlich und hellgrau zwischen Wiesengrün und Waldesdunkel leuchtet, vermag man auch ohne Mikroskop kleine silbergraue Schuppen und Spuren verlorenen Erzes zu finden. Wie viele Tonnen wertvollen Erzes mögen so durch die unvollkommenen Arbeitsvorgänge im Laufe der Jahre verloren gehen, Werte, die wir in unserem armen Vaterlande nicht entbehren können, die unserer Wirtschaft nicht verloren gehen dürfen. Wirtschaftlich arbeiten und mit der geringsten Kraft die höchste Leistung, den höchsten Nutzen erzielen, das ist die Aufgabe der modernen Zeit, das ist der Weg, um uns und unsere Heimat und Vaterland wieder emporzuheben.
Unten im Schacht vor Ort arbeitet heute der Häuer noch wie vor Jahrhunderten, indem er das lange Eisen des Bohrers ansetzt (Abb. 18) und mit geschwungenem Fäustel, langsam drehend, das Eisen tiefer treibt, bis das mühsam gebohrte Loch für den Sprengstoff die gehörige Tiefe hat. Wie bald wird da auch der geübte und fleißige Arm matt, wenn im lang herausgeholten sicheren Pendelschlag mit dem »Baumelfäustel« das Eisen im zähen Gneis nur langsam vorrückt. Wieviel Eisen werden stumpf, von denen ein ganzes Bündel den Häuer auf die Strecke vor Ort begleitet. – Kann es ein stärkeres Zeugnis für die Abbauwürdigkeit und Ergiebigkeit der Grube geben, als daß, trotz aller Widrigkeiten der Wirtschaftslage, der Silberentwertung, trotz Fehlens moderner wirtschaftlicher Betriebseinrichtungen und maschineller sparsam arbeitender und höchste Nutzwirkung sichernder Vorkehrungen, daß trotz der unwirtschaftlichen Arbeit und Aufbereitungsverfahren nach Urväterweise diese Grube sich noch halten konnte und Ausbeute gibt bis auf den heutigen Tag? –
Im Werk ist ein alter Bergmann, der alte Pönisch (Abb. 19), der einen besonderen sechsten Sinn hat, mit dem er einen guten Anbruch »an Silber und[106] an Bleien reich« anscheinend zu wittern vermag. Er riecht das Erz! In der Unterwelt ist er zu Hause. In den Tiefen von 600 Meter und mehr unter Tag ist sein nächtliches Reich, wo er beim schwachen Lichtlein seiner Blende die Erzadern der Berge spürt und die Pulse der Tiefe fühlt, in denen das Leben der Grube quillt. Mit seinem faltenreichen grauen Pergamentgesicht voller Runen, den listigen Augen mit »Silberblick« und der gedrungenen Gestalt mit hängenden Schultern auf den kurzen Kurven der kräftigen Beine, gleicht er in seiner verwitterten Bergmannstracht, mit der Blende am Strick, einem der schlauen Zwerge der Unterwelt, welche die Schätze hüten, die Menschen bald narren und necken, bald ihnen zu Reichtum verhelfen. –
Das faltenreiche zerknitterte Gesicht des alten Pönisch wäre somit ein Zeugnis in Pergament für seine besondere Enthaltsamkeit und Nüchternheit, die sogar das »Ab und Zu« verschmäht! (?) –
So wertvoll solch findiger faltiger Gnom mit seiner Erfahrung und Witterung sein mag, so mancher schöne Anbruch, der »den Obern Freude macht«, ihm auch zu verdanken ist, so kann er doch nicht auf die Dauer die tatkräftige überlegte und nach wissenschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Forschung und auch zu Opfern bereite Aufschlußarbeiten ersetzen.
Das ist der Hoffnungsspruch des echten Bergmannes.
Sollen die Tiefen ihren vollen Reichtum erschließen, dann muß die modernste Wissenschaft und Technik unter Tage und über Tage ihre Kräfte entfalten und mit Beharrlichkeit und Treue auf Hoffnung und Erfüllung bauen, denn »Bergwerk will haben Verstand und eine getreue Hand!« –
Der Erzwagen, in dem das gewonnene Erz zur Verhüttung nach den nahen staatlichen Hütten in Halsbrücke geschafft wird, mit seinem geschlossenen Kasten auf den breiten Rädern, bespannt mit zwei kräftigen Pferden, hält vor der Tür. (Abb. 20.) Es ist ein charakteristisches Bild bergmännischer Art. Was dieser Wagen immer wieder davonträgt, ist in schwerer Arbeit dem heimischen Boden abgerungen und soll mit dazu dienen, unser Volk aus der Tiefe heraufzuführen zu Licht und Freiheit. Gegenwärtig werden nach Angabe der Betriebsleitung wöchentlich zweiundvierzig bis fünfundvierzig Kilogramm Silber und etwa fünf Doppelzentner Blei geliefert, wofür ein Gegenwert von 4200 bis 4600 Mark entsteht.
Schmerzlich ist es uns, daß doch vielleicht der Tag nicht gar so fern ist, daß auch diese Schätze der Tiefe, diese Quelle der Kraft nicht mehr genutzt werden, wenn nicht aus Mangel an Mitteln der Betrieb zu moderner Wirtschaftlichkeit umgestellt werden kann. Hier muß mit starken Mitteln eingegriffen und geholfen werden! Betrachten wir die Leistungen der Grube seit[108] der Aufnahme des Betriebes im Jahre 1742, so hat sie bis zum Jahresschluß 1920 folgende Ergebnisse gehabt:
177 571,737 | Kilogramm Silber |
33 364,697 | Doppelzentner Blei |
64 168,329 | Doppelzentner Schwefel seit 1843. |
Leider sind in früheren langen Jahren Aufschlußarbeiten und planvolle Forschungen durch Querschläge unterblieben. Auch in neuester Zeit wird der wöchentliche Reingewinn von rund 1000 Mark nur erreicht, indem Aufschlußarbeiten ganz eingestellt und die dadurch gewonnenen Leute zum Abbau der anstehenden Erze in Doppelschicht herangezogen werden.
Dieser Abbau ohne Vorsorge für weitere Zukunft, welcher schon in früheren Jahrhunderten so manche wertvolle Grube viel zu früh zum Erliegen brachte, droht auch hier der »Alten Hoffnung Gottes«, der letzten Silbergrube Sachsens Verderben zu bringen, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen und mit starker Hand eine neue Entwicklung nach oben geschaffen wird.
Die jetzigen sofort greifbaren und nachweisbaren Abbauvorräte reichen nach der Schätzung der Betriebsleitung bei normalem Betriebe für zwölf Jahre. Bei verstärktem Doppelschichtenbetrieb werden die Bestände in sechs Jahren[109] erschöpft sein, wenn nicht inzwischen durch Aufschlußarbeiten die durch die Jahrhunderte treu gebliebene bewährte »Alte Hoffnung« auf neue Anbrüche sich wieder bestätigt und neue Erzmengen bringt.
Es ist widersinnig und schwer verständlich, daß die staatlichen Hüttenwerke von Halsbrücke und Muldenhütten auf einem Grunde, in einem Erzbezirke stehen, in dem noch ungeheure Erzmengen schlummern, deren Abbau und Aufbereitung unter Anwendung moderner Verfahren sich wohl lohnen und für unser Vaterland wichtig sein würde, widersinnig, daß diese Hütten fast nur ausländische Erze verhütten müssen, deren große Transportkosten die Erzeugnisse der Hütten ausländischem Wettbewerbe gegenüber verteuern, und daß nicht mit starker Faust und Wagemut das deutsche Erz aus dem deutschen Boden geholt wird. Ist es nicht ein Widersinn, daß nur ein einziges kleines Privatwerk, die »Alte Hoffnung Gottes« zu Kleinvoigtsberg noch heimisches Erz an die staatlichen Hüttenwerke liefert und bestehen kann, während in den staatlichen Gruben bereits vor zwölf Jahren die letzte Schicht verfahren ist?
Freilich würden bei einer durchgreifenden Modernisierung dieser letzten Grube und Durchführung der Elektrisierung z. B. im Bohrbetrieb die zurzeit anstehenden Massen bereits in zwei Jahren abgebaut sein.
Das Erforschen und Erschließen neuer Abbaumöglichkeiten müßte sofort beginnen, um nach zwei Jahren etwa den Betrieb ohne Unterbrechung und mit neuen Erzreserven ungestört weiterführen zu können.
Die Zukunft des Werkes, wie überhaupt des Freiberger Bergbaues, liegt in den Aufschlüssen nach der Tiefe und dem Aufmachen neuer Grubenfelder.
Für die Modernisierung und neue Aufschlußarbeiten des Werkes sind nach Schätzung der Betriebsleitung etwa 350 000 Mark erforderlich. Da diese Summen vom Werke nicht aufzubringen sind, kann nur ein größeres Darlehen der Regierung oder von anderer kapitalkräftiger Seite hier Hilfe bringen, zur Erhaltung und Stärkung des letzten lebenden Zeugen einer großen Vergangenheit und zur Erlösung der Schätze der Tiefe aus dunkler Haft zum Segen der Heimat.
Wenn dies der erste Schritt zur Wiederaufnahme des Freiberger Bergbaues auch auf den hoffnungsreichen, still gelegten Grubenfeldern des Staates sein würde, so würde ein Segen dem Erzboden entspringen für Volk und Land wie einst in alter Zeit!
In früheren Jahrhunderten hat manchmal in den Gruben der Betrieb geruht und ist dann wieder aufgeblüht und hat immer wieder das ganze Land gesegnet. Unsere neuen Zielen entgegenstrebende, auf neuen Wegen aufwärtssteigende Zeit darf hier, wo soviel Hoffnungskeime tief im Grunde schlummern, nicht verzagen, sondern muß tatkräftig schaffen und neues Leben erblühen lassen. Die älteste Industrie Sachsens, der Erzbergbau, ist immer noch berufen, dem Sachsenlande Werte zu bringen. Mögen die Regierung und alle, die es angeht, zusammen dazu helfen, daß diese Werte nicht tot und begraben bleiben, sondern daß sie zu frischem Leben erwachen.
[110]
Heimatschutz ist es, wenn die Zeugen alter Kultur erhalten und in ihrer Eigenart den Herzen nähergebracht werden; Heimatschutzarbeit ist es aber auch, wenn neue Kraft und frischer Arbeitsgeist und Freudigkeit ihnen zugeführt wird und sie verjüngt werden zu rüstigen Arbeitern und starken Helfern am Wohle und an einer hellen Zukunft des Vaterlandes und der engeren Heimat. Möge die Erhaltung und Ausgestaltung der »Alten Hoffnung Gottes« zu Kleinvoigtsberg, des letzten Zeugen alter Freiberger Bergherrlichkeit, eine derartige Heimatschutzaufgabe für das ganze Sachsenland werden, ein erster, mutiger, hoffnungsstarker Schritt zur Wiederaufnahme und Wiedererweckung des Freiberger Bergbaues!
Von Albert Gruhle, Rochlitz
Aufnahmen Hans Mitzscherlich, Rochlitz
Starker Sturm, der in der Nacht vom 9. zum 10. Februar dieses Jahres wütete, hat einem altehrwürdigen Naturdenkmale der Rochlitzer Gegend, der fünfhundertjährigen Streitlinde, argen Schaden zugefügt. Einer der breit ausladenden, weit über zehn Meter langen Äste, wurde von dem Hauptstamme losgetrennt und liegt nun, wie unsere Abbildungen zeigen, auf dem Boden. Nur an einer Stelle besteht noch etwas Zusammenhang zwischen Stamm und Ast.
Die Nachricht von dieser Zerstörung fand in der Bevölkerung allseitiges Interesse, und so lenkten viele ihre Schritte nach Königsfeld, um den beschädigten Baum aufzusuchen. Mancher hat auf diese Weise das erstemal von der Streitlinde gehört und sie gesehen, obwohl sie einen Hauptbestandteil des Landschaftsbildes ausmacht.
Wie und wann der Baum zu seinem Namen gekommen ist, läßt sich nicht nachweisen. Da die Linde im Grenzgebiet zwischen Königsfeld und Köttwitzsch steht, hat sie wahrscheinlich ihren Namen von einem alten Grenzstreit. Der Sage nach sollen sich dort zwei adlige Brüder bekämpft haben.
Willst du, geneigter Leser, den Baum aufsuchen, so wirst du ihn, sobald die Staatsstraße Rochlitz–Geithain die Königsfelder Höhe erreicht hat, links von dem Vorwerk »Heide« erblicken. Mit seiner mächtigen Krone macht er aus der Ferne einen stattlichen Eindruck, obwohl er eigentlich keinen entwickelten Baum darstellt. Der Stamm ist höchstens zwei Meter hoch. Offenbar ist die Linde in ihrer Jugend geköpft worden und hat nun die eigentümliche, wagerecht ausladende Astbildung aufzuweisen. Die Hauptäste zeigen zum Teil den Umfang von kräftigen Baumstämmen. Den Aufnahmen sieht es wohl niemand an, daß der untere Teil des Stammes einen Umfang von sieben Meter und siebzig Zentimeter hat. Es scheint so, als ob in früheren Zeiten auf den[111] Ästen ein gelegentlicher Aufenthaltsort für Menschen gewesen sei. Wenn man den Erzählungen eines Landwirts aus dem nahen Köttwitzsch Glauben schenken darf, so soll unter der Streitlinde einst der Rittergutsherr seinen Frönern ein Fest gegeben haben als Dank dafür, daß sie ihm die Ernte gut haben einbringen helfen, ehe langandauerndes Regenwetter einsetzte.
So ist der Baum gewiß ab und zu der Schauplatz manch einer Dorffestlichkeit gewesen, wenn er auch nicht in der Dorfmitte stand. Was mag er in den fünfhundert Jahren alles erlebt haben! Im Schmalkaldischen Kriege wurde bei Rochlitz ein Treffen geliefert, in dem Kurfürst Johann Friedrich gegen Markgraf Albrecht von Brandenburg kämpfte und diesen trotz seiner siebentausend Mann starken Heeresmacht besiegte. Kaiserliche, Schweden und Kurfürstliche mögen im Dreißigjährigen Kriege oft an unserer Linde vorübergezogen sein, um das Schloß Rochlitz zu besetzen oder die Besatzung zu befreien. Im Siebenjährigen Kriege sah der Baum Preußen und Österreicher vorüberziehen. 1812 lagerten in ihrer Umgebung Franzosen, Bayern und Italiener, die sich auf dem Wege nach Rußland befanden. Wer zählt die ungeheuren Scharen, die im Jahre 1813 von Napoleon und von den Verbündeten hier vorübergeführt wurden! Oft drang dann nach 1870 der helle Klang der Feldtrompeten der 18er Ulanen vom nahen Exerzierplatz in Königsfeld zu unserem Baume herüber.
[112]
Daß dieser nicht das Opfer menschlicher Zerstörung, insbesondere der rohen Soldateska geworden ist, hat er sicher seinem etwas abseits von der Verkehrsstraße gelegenen Standorte zu verdanken. Von der Straße aus ist die Linde durch eine Bodenwelle verdeckt. Ein schmaler Feldrain, nur für Kundige auffindbar, führt nach ihr hin.
Der Eindruck, den man von Norden her empfängt (Abb. 1), ist noch nicht so trostlos. Wesentlich trauriger mutet der Anblick von Süden aus an. (Abb. 2.) Die Aufnahmen von Westen und Osten (Abb. 3 und 4) zeigen mit erschreckender Deutlichkeit den Verfall unseres Naturdenkmals.
Ist dieses überhaupt noch zu retten und was ist zu seiner Erhaltung zu tun? Diese Fragen veranlaßten den Verfasser dieses, an den Vorstand des Landesvereins »Sächsischer Heimatschutz« zu berichten und um Abordnung eines Baumsachverständigen zu bitten. Der Besitzer der Streitlinde, Herr Graf zu Münster, hatte sich in liebenswürdigster Weise bereit erklärt, alles zur Erhaltung derselben zu tun. Am 27. Februar hatte Herr Obergartendirektor Hofrat Bouché die Güte, in Gemeinschaft des Besitzers und des Vertrauensmannes sich an Ort und Stelle von der Beschaffenheit des Baumes zu überzeugen.
Dem Gutachten möge folgendes entnommen werden: Leider ist der Verfall schon sehr weit vorgeschritten. Die früheren Besitzer des Rittergutes Königsfeld[114] haben offenbar nicht das lebhafte Interesse für Heimatschutz gehabt, wie es der jetzige Eigentümer in hervorragender Weise bekundet. Der Stamm ist bis weit hinauf hohl, hat viele Löcher und morsche Stellen; das gleiche gilt auch von den Hauptästen. Ein Hochwinden des abgebrochenen Astes in seine frühere Lage ist unmöglich, da der Stamm – wie erwähnt – hohl und wenig widerstandsfähig ist und keinen Gegenhalt bieten kann. Jetzt stützt sich der herabgebrochene Teil auf einige in den Erdboden eingespießte Äste. Es soll nun versucht werden, ihn an mehreren Stellen zu untermauern. Die Astlöcher will man durch eine mit Zement überputzte Drahtwand verschließen, nachdem die Höhlungen vorher ausgekratzt und mit Teer ausgestrichen worden sind. Beim Beseitigen des Mulms im Inneren des Stammes muß sehr vorsichtig verfahren werden, daß die aus den oberen Ästen herausgewachsenen Ademtixwurzeln nicht beschädigt werden. Sie führen diesen aus dem Bauminnern die Nahrung zu. Die noch unversehrten Äste sollen auch Stützen erhalten, um einem Abbrechen vorzubeugen.
Soweit die hauptsächlichsten Ratschläge zur Erhaltung des Baumes. Hoffentlich sind die Maßnahmen mit Erfolg gekrönt. Allerdings, die frühere Schönheit des Baumes ist für immer dahin. Man wird froh sein müssen, wenn der Eindruck auf Abbildung 1 in Zukunft erhalten bleibt. Eine Mahnung an alle Naturfreunde, schon beizeiten zur Erhaltung der Naturdenkmäler beizutragen, ehe es zu spät ist.
Möge der altehrwürdige Baum noch viele Jahre hinaus dauern zur Freude des sinnenden Wanderers!
Vielleicht sieht sich mancher Leser der »Mitteilungen« durch diese Zeilen veranlaßt, seine Schritte einmal in die Rochlitzer Pflege zu lenken und unsern Schützling an Ort und Stelle aufzusuchen. Bietet er auch den Anblick eines alternden Greises, so erfüllt uns doch Achtung vor dem ehrwürdigen Alter der Streitlinde. Über der Mulde drüben kannst du dafür den herzerfreuenden Anblick eines kraftstrotzenden Baumes haben, der Zettlitzer Eiche, die seit 1914 unter Naturschutz steht.
Von Albert Ficker, Harthau
Alljährlich, wenn die Schneeschmelze vorüber, lockt es mich zu einem Naturdenkmal, das weit und breit nicht seinesgleichen hat.
Die »nackten Jungfern« Drebachs haben es mir angetan. Die beiden Hänge des Drebacher Tales sind übersät mit lilaen Krokusblumen. Wer das erstemal diese vielen Tausende des Frühlingssafran, Crocus vernus, erblickt, ist erstaunt von der Pracht, die sich seinen Augen enthüllt. »Nackte Jungfern« nennt sie der Volksmund, weil zuerst nur die Blüte ohne jedes Blatt zum Vorschein aus dem nackten Boden kommt, der noch keinerlei Grün zeigt.
[115]
Drebach verdankt diese Seltenheit dem medizinkundigen Pfarrer David Rebentrost. Außer der Verwaltung seines geistlichen Amtes befaßte sich dieser Herr noch mit der Heilkunde, hatte er doch neben der Theologie auch Medizin studiert. In Joachimstal war er sogar einige Zeit Stadtarzt gewesen. Sein Laboratorium mußte er auf Anraten der Superintendentur, bei welcher 1673 anläßlich einer Kirchenvisitation Beschwerden über das Treiben des Pfarrers einliefen, verlegen. Er kaufte sich eine wüste Stätte und erbaute dort das heutige »Pfarrgut«. Hier richtete er sein Laboratorium ein und konnte nun dort seinen medizinischen Studien obliegen.
Er ist es gewesen, der die Krokusblume nach Drebach verpflanzt hat.
Auf der Heinzebank traf einst der Pfarrer Rebentrost den sächsischen Kurfürsten, dessen Pferd einen Beinschaden hatte. Diesen beseitigte er. Für seine Hilfe durfte er sich aus dem Garten des Kurfürsten in Dresden drei Pflanzen erbitten. Rebentrost wählte die Krokusblume, die doldige Vogelmilch (Ornithogalum umbellatum) und die Eibe (Taxus baccata). Auf seinem Gute wurden diese eingepflanzt und legen noch heute Zeugnis davon ab.
Die jahrhundertealte Eibe, im Volksmunde Zedernbaum genannt, ragt aus dem Hofe des Pfarrgutes, und auf der Wiese blühen Jahr um Jahr die Krokusse und die doldige Vogelmilch, welche im Erzgebirge selten ist.
Von hier aus haben sich die Krokusse dann über beide Hänge des Tales verbreitet, und mir erscheint, daß sie auf der linken Talseite viel zahlreicher und dichter vertreten sind als auf der Pfarrgutseite.
Wie aber soll diese Verbreitung stattgefunden haben?
Spricht man mit ortseingesessenen Leuten, so ist die Meinung verbreitet, daß dies durch die Verbreitung der Samen durch den Wind geschehen sein müsse.
Es kann jedoch nur auf zweierlei Art und Weise vor sich gegangen sein. Die Krokusse haben zunächst die Pfarrgutswiese in Jahrzehnten ganz überwuchert. Die Bauern, an der Pracht dieser ersten Frühlingsboten erfreut, haben sie dann in ihre Güter verpflanzt, von wo sie in den vergangenen Jahrhunderten die umliegenden Flächen überzogen. An einzelnen Stellen kann man sogar beobachten, wo die ersten Anpflanzungen gewesen sind.
Die andere Möglichkeit: Durch das Eggen wurden Knollen herausgerissen und verschleppt; Maulwurfshaufen wurden über die Wiese breitgezogen und damit auch die herausgeworfenen Krokusknollen; Wassergräben wurden gezogen und das Land über die Fläche verstreut; das Wasser selbst spülte kleine Zwiebeln mit heraus und ließ sie bei der Bewässerung auf dem Grasplatze liegen. Dazu kommt noch, daß sich die Knollen durch zahlreiche Brutknollen vermehren, die dann an den Seiten der ursprünglichen Pflanzen emporkeimen.
Ob jedoch das Vieh, welches mit dem Heu die dreifächerige Kapsel (Frucht) frißt, durch seinen Dünger zur Verbreitung der Krokusblumen beigetragen hat, ist zweifelhaft, da die Samen gar nicht reif werden bis zur Heuernte.
Die Verbreitung durch den Wind scheidet aber vollständig aus. Sie ist eine irrige Annahme, da die Samen keinerlei Einrichtungen für die Windverbreitung haben.
[116]
Hunderte strömen alljährlich nach Drebach, um sich an diesem Frühlingswunder zu erfreuen.
Daß aber diese Krokusse nirgends anders gedeihen, wie von Ortseinwohnern versichert wird, ist ebenfalls nicht zutreffend, was einzelne Versuche bereits widerlegen.
Wenn auch nicht die Gefahr besteht, daß die Krokusse durch Pflücken ausgerottet werden könnten, hat sich doch der dortige Erzgebirgszweigverein des Schutzes dieses Naturdenkmals angenommen. Besonders die Eibe und die doldige Vogelmilch, welche beide im östlichen Erzgebirge sehr selten sind, bedürfen der Erhaltung.
Wer aber Zeit finden kann, der pilgere an einem sonnigen Frühlings- oder Ostertag nach Drebach im Erzgebirge und weide sich an dem lilaen Teppich der »nackten Jungfern«.
Von Prof. Dr. Arno Naumann, Pillnitz
Mit Originalzeichnung des Verfassers und photographischen Aufnahmen des Herrn Joseph Ostermaier, Blasewitz
Die meisten Besucher Drebachs finden das holde Frühlingswunder der Krokusblüte so entzückend, daß sie sich gar nicht die Mühe nehmen, an einem zum Kauf angebotenen Sträußchen die Einzelblüte in ihrem reizvollen Bau zu betrachten. Wir haben eben gar keine Zeit mehr zu »beschaulichen Betrachtungen«, und müssen uns vor lauter Sorge um nötige Pflicht und lastende Not mit dem äußeren Schein der Dinge begnügen.
Einige Minuten aber wollen wir uns gönnen, um uns in die Blütengeheimnisse der Krokussippe versenken zu können. Da gibt es allerhand, von dem uns unsere Schulweisheit nichts träumen läßt.
Lange schon war die Blüte im Schoße der winterlichen Erde vorgebildet; schützend lag sie in der Spitze der Erneuerungsknolle geborgen. Es bedurfte nur einer Erwärmung der vom Schmelzwasser durchfeuchteten Erde, um die bereits fertigen Blütenknospen durch den erweichten Boden emporzuheben. Der vorher kurze Blütenstiel streckt sich durch sein von der Wärme angeregtes Längenwachstum und bringt die Blüte, gleichsam über Nacht, ans Licht. Die Sonne kleidet sie in das reizende Lila und küßt die Knospe wach, so daß die sechs zu einer dunkelvioletten Röhre verwachsenen Blütenhüllblätter – der Botaniker nennt sie Perigon – sich tulpenartig auseinanderspreizen. Wenn aber eine dunkle Wolke die Sonne längere Zeit verhüllt, ein verspäteter Schneesturm über die Wiesen jagt, oder sich der kühle Lenzabend herniedersenkt, schließen sich die Blüten wie in frostigem Schauer. Und doch vermögen die noch nicht erschlossenen, empordrängenden[117] Blütenknospen so stark zu atmen, daß die gebildete Atmungswärme dünne Schnee- und Eisdecken zu durchschmelzen weiß: Per aspera ad astra!
Die Blüte der Krokusarten ist eingehüllt in ein bis zwei weiße, hautartige Hochblätter, sogenannte Blütenscheiden (Abb. 1 s1), und auch die alsbald erscheinenden grünen schmalen, doppelrinnigen, lanzettlichen Laubblätter sind von einer Scheide (Abb. 1 s2) umhüllt. Die von altersher bekannte Krokusart: der »Safran«, (Crocus sativus, L.) besitzt aber zahlreiche solcher scheidiger Hüllen. Nach dieser heilkräftigen Art Südeuropas hat man alle Krokusarten als »Safran« bezeichnet, ohne davon zu wissen, daß safara auf arabisch »gelb färben« heißt. Unser so naturbewanderter Victor von Scheffel, der »eine kluge Römerfrau ihr Safrangärtlein pflanzen läßt«, wirft diesen Herbstblüher[118] des Färbesafrans durcheinander mit dem Lenzesherold des Frühlingssafrans (Crocus vernus Wulf.), wenn er singt:
Jetzt muß ich einmal »botanisch« kommen!
Lila in allen Tönungen bis zum Violett, auch gelb und weiß sind die Hauptfarben der über hundert Krokusarten.
Die schmal-lanzettlichen Blätter und die Dreizahl im Blütenbau beweisen die Zugehörigkeit der Gattung Krokus zur Klasse der Einkeimblättrigen, die auch viele andere frühblühende Gartenstauden mit lineal-lanzettlichen Blättern in sich begreift.
Alles weist auf die Verwandtschaft mit Tulpe und Lilie hin, und der Botaniker, welcher auf »Ordnung« in seinem Reiche sieht, hat auch unseren Krokus in die Ordnung der »Lilienblütigen« (Liliiflorae) eingestellt. Dabei hat er aber bei der Fülle der Gattungen und Arten in allen Erdgebieten und bei gelegentlicher Abweichung vom eigentlichen Bauplan drei verschiedene Verwandtschaftskreise, sogenannte Familien, aufgespürt: Lilien-, Narzissen- und Schwertliliengewächse (Liliaceae, Amaryllidaceae und Iridaceae). Während wir bei den Liliengewächsen den grünen mittelständigen[119] Fruchtknoten im Innern einer jeden Blüte leicht wahrnehmen können, haben die beiden anderen Familien zum Schutze vor schädigenden Insektenbesuchern dieses Gebilde unter die Blütenteile gestellt, so daß wir in dem unterständigen Fruchtknoten einen Entwickelungsfortschritt sehen dürfen. So tut es auch unser Krokus, und an genügend entwickelten Blüten kann man den unterständigen Fruchtknoten an kurzem Blütenstiel, zwischen den grünen Blättern versteckt, auffinden. (Abb. 1 frk.) Auf ihm sitzt die langröhrige, sechsteilige lilae Blütenhülle, von denen die drei äußeren Zipfel schmal und etwas dunklerlila sind, als die inneren (Abb. 2). An ersteren ist etwa in Höhe der Kronenröhre innen je ein Staubblatt angewachsen, so daß die Krokusblüte wie all die schönblütigen Schwertliliengewächse, nur drei Staubgefäße zeigt, während die verwandten Narzissengewächse deren sechs besitzen. Vom Fruchtknoten aus erhebt sich, die Kronenröhre durchwachsend, ein langfädiger Griffel bis an die Staubbeutel oder darüber hinaus (Abb. 1), welcher an seiner Spitze eine dreiteilige orangegelbe, keilig verbreiterte Narbe (Abb. 1 n) trägt. Die hellgelben, am Grunde pfeilförmigen Staubbeutel sind einem weißen Faden angeheftet.
Als nahe Verwandte der Gattung Krokus sind auch die als Beetschmuck gepflanzten Gladiolen anzusehen.
Diese ganze Verwandtschaft weist hin auf den Süden und Osten Europas als Ursprungsland, und es gibt tatsächlich im Mittelmeergebiet und Orient etwa achtzig verschiedene Krokusarten. Von hier aus haben sie wohl den Gebirgsbogen vom Balkan bis zu den Pyrenäen besiedelt. Hierunter gehört auch der oben erwähnte Heilsafran (Crocus sativus), dessen orangefarbene Narbe sogar die Blütenhülle überragt und unter dem Namen »Safran« von alters her zum Färben benutzt wurde. Er ist auf Dörfern heute noch ein Mittel, die Kuchen schön gelb zu färben und ihnen infolge eines ätherischen Öles einen eigenartigen Geschmack zu verleihen: »Safran macht die Kuchen gäl!« Zu einem Pfund Safran gehören die Narben von vierzigtausend Blüten.
Der Name Krokus ist chaldäischen Stammes, wo Kroke »der Faden« heißt. Dies beweist, wie schon in frühester Zeit die fädigen Narben bekannt und geschätzt waren, aber nicht bloß in ihrer färbenden Wirkung; auch eine gewisse Heilkraft schrieb man diesen Narben zu, und noch immer wird der »Safran« in den Apotheken zu Salben und Parfüms verwendet. Nannte doch der alte Römer den Safran »das einzige wirklich gut riechende Ding«. Plinius rühmt von ihm sogar, daß nach Genuß von Safran der Wein nicht trunken mache. Daher wohl auch die Gewohnheit, bei Trinkgelagen Kränze von Krokusblüten zu tragen!
Dies alles gilt von dem im Herbste blühenden südeuropäischen Crocus sativus.
Es wird uns nun interessieren, welcher Art unser Drebacher Krokus angehört, und da hat sich nach meinen Ermittelungen etwas eigenartiges herausgestellt: Infolge der frühen Blütezeit und der einzigen Blütenscheide[120] (Abb. 1) gehört der Drebacher Krokus sicherlich in den Formenkreis des Frühlingssafrans (Crocus vernus Wulf.). An der Stelle, wo die trichterig-glockige Blütenhülle in die schmale dunkelviolett gefärbte Röhre übergeht, befindet sich innen ein Safthaarbüschel; die Röhre besitzt also einen bärtigen Schlund (Abb. 1 sh), im Gegensatz zu dem Krokus des Riesengebirges: Crocus Heuffelianus Herb. mit glattem Schlund. Nun bleiben noch zwei Unterarten der Vernus-Gruppe: einmal unsere hauptsächlichste Gartenform mit ansehnlicher Blüte und einer die Staubbeutel überragenden Narbe: Crocus neapolitanus Gawl, das andere Mal die Alpenform mit kleinerer weißer oder lilaer Blüte und einer nicht über die Staubbeutel reichenden Narbe: Crocus albiflorus Kit.
Unser Drebacher Krokus ist sicher eine von der Gartenform »neapolitanus« abzuleitende Lokalrasse, hat aber, wohl infolge der Selbstverbreitung innerhalb bald dreier Jahrhunderte, besondere Merkmale angenommen.
Er ist durch kleinere Blüten und schmälere Blütenzipfel der Alpenform ähnlich geworden, und er besitzt nicht die von »neapolitanus« angegebenen »am Grunde weichhaarigen Staubfäden«, seine Staubfäden sind kahl. Seine Färbung ist ziemlich gleichmäßig: Von der dunkelvioletten Kronenröhre zieht sich an jedem Kronenblatt ein dunkler Fleck nach oben (Abb. 2). Dunkler sind auch die Spitzen der schmäleren äußeren Zipfel. Ich fand bei den meisten der untersuchten Pflanzen nur drei grüne Laubblätter vor, während der eigentliche vernus meist mehr als drei entwickelt! Die grünen Laubblätter zeigen auf der Unterseite parallel dem Rande zwei auffallende Rinnen, über welche uns ein Blattquerschnitt (Abb. 3) am besten Auskunft gibt. An diesem sehen wir, daß das Blatt in eigenartiger Weise mit seinen Rändern nach der Unterseite eingerollt ist. Solche Rollblätter deuten auf das Streben hin, das Innenwasser möglichst wenig nach außen verdunsten zu lassen. Es ist eine Art Verdunstungsschutz, der für trockene Sommer, aber auch für den scheinbar feuchten Vorfrühling angebracht ist. Ich sage »scheinbar« feucht! Die Bodenkälte verhindert nämlich die Wasseraufnahme durch die Wurzeln, hält also die Pflanze trocken, so daß die Blätter gezwungen sind, mit ihrem vorhandenen Lebenswasser möglichst sparsam Haus zu halten.
Nach all dem vom Drebacher Krokus gehörten, ist es wohl angängig, ihn als eine besondere, im Laufe der Jahrhunderte herausgebildete Lokalform anzusprechen und ihn botanisch als Crocus vernus Wulf. forma drebachensis zu bezeichnen.
Nun noch einige Worte zur Frage der Verbreitungsmöglichkeit. Auch die Krokus pflanzen sich, wie andere Pflanzen, durch Samen fort, welche nach einem Befruchtungsvorgang entwickelt werden. Zur Befruchtung muß der Blütenstaub aus den Staubbeuteln auf die dreiteilige Narbe gelangen. Hier muß dies Stäubchen auskeimen und einen seidenfeinen Keimfaden (Pollenschlauch) in den mit Samenknospen erfüllten Fruchtknoten senden.
Beim Eindringen in die Samenknospen spielen sich noch geheimnisvolle Teilungsvorgänge ab, und erst dann ist die zur Frucht- und Samenbildung nötige[122] geschlechtliche Vereinigung erfolgt. Wie aber gelangt der Blütenstaub auf die meist höher stehende Narbe? (Abb. 1 n). Bei unserem Krokus könnte es nur durch Zufall mit eignem Pollen geschehen. Die lange, honigerfüllte Kronenröhre deutet darauf hin, daß die langrüsseligen Schmetterlinge beim Saugen des Nektars die Übertragung des Blütenstaubes besorgen. Aber bei der frühen Blütezeit sind die erwarteten Falter wohl ganz seltene Blütengäste, so daß eben eine Samenbildung meist unterbleiben wird. Allerdings kann die lange Kronenröhre bis zum Überlaufen mit Honig gefüllt sein, so daß auch Bienen und Hummeln, die ersten[123] Frühjahrsbummler der Insektenwelt, mit ihrem kürzeren Rüssel zu Gaste gehen können. Trotz alledem wird wohl eine Samenbildung, sicherlich aber auch eine richtige Samenreife äußerst selten sein. Es wäre jedoch wertvoll, wenn Drebacher Ortsbewohner Beobachtungen anstellen würden, ob etwa im Juni die dreiklappige häutige Kapsel mit ihrem schlaffen bleichen Stiel und ihren zahlreichen kugeligen Samen im Grase dieser Krokuswiesen aufzufinden ist. Undenkbar ist es nicht, zumal ja auch Selbstbefruchtung in den Blüten eintreten könnte.
[127]
Die im vorhergehenden Aufsatz ausgesprochene Vermutung, daß eine Verbreitung der Pflanze auf ungeschlechtlichem Wege durch die Knollen erfolgt, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die neue Knolle, sogenannte Verjüngungsknolle, sitzt der abgeblühten Knolle obenauf (Abb. 1 Ek) und müßte sich derart der Bodenoberfläche immer mehr nähern, wenn nicht Wurzeln sie herabziehen würden. Es ist aber möglich, daß einige so nahe der Oberfläche gelangen, daß sie beim jährlichen Rechen der Wiesen oder durch reißende Niederschlagswässer herausgerissen und über die Wiesen verbreitet werden.
Daß auch Maulwürfe zur Verbreitung beitragen können, zeigt eine Bemerkung von Schoenach, der bei Bad Schartl (Vorarlberg) auf den Maulwurfshügeln Hunderte herausgewühlter Krokusknollen sah, die beim Breitziehen der Haufen oder auch durch Regengüsse weitergeführt werden und derart zur Verbreitung der interessanten Pflanze beitragen.
Auch anderwärts hat in Sachsen durch gelegentliches Anpflanzen einzelner Krokusstöcke im Laufe der Zeit eine starke Verbreitung stattgefunden, so daß wir auch außer Drebach ganz nette, wenn auch nicht so umfangreiche Krokuswiesen besitzen. Wir finden solche noch im Moritzburger Schloßpark und auf einer Gutswiese von Langenwolmsdorf sowie von Stürza. (Abb. 6–8.) Vor kurzem sah ich eine Krokuswiese an der Grenze zwischen Ober- und Niederbobritzsch bei Freiberg, welche ebenfalls eine recht kleinblütige Form führte. Bei der sehr interessanten, etwas legendenhaften Erzählung von den, Herrn Pfarrer Rebentrost in Gnaden gewährten drei Pflanzenarten: Krokus, Eibe und Vogelmilch (Ornithogalum umbellatum) würde es von Wert sein, zu wissen, ob noch Aufzeichnungen, Briefe oder Urkunden bestehen, welche diese Mitteilung stützen könnten.
Es will mir bedenklich erscheinen, daß Professor Reichenbach in seiner vor etwa hundert Jahren erschienenen Flora Saxonica den Drebacher Standort nicht nennt. Unwahrscheinlich mutet es mich auch an, daß in dem kurfürstlichen Garten unter den Heilpflanzen die Vogelmilch aufgenommen war, von welcher mir bisher keine Heilwirkung bekannt geworden ist[1]. Im östlichen Erzgebirge steigt diese Pflanze nach meinen Beobachtungen zu Höhen von 450 Meter empor, im westlichen Erzgebirge scheint sie allerdings seltener zu sein, doch gibt Reichenbach einen Chemnitzer Standort und Frisch in der Flora des Pöhlberggebietes einen solchen vom Geyersdorfer Weg an.
Mag sich nun die von Herrn Ficker gebotene wertvolle historische Anmerkung durch Urkunden bestätigen lassen oder nicht, sie macht uns den reizenden Lenzesboten des Drebacher Krokus sicherlich noch lieber, und die Freude an dem lilaen Blütenteppich der »nackten Jungfern« des lieben Erzgebirgsdörfchens soll uns kein Zweifel verkümmern!
Fußnote:
[1] Die früher zu Heilzwecken gebrauchten »Wurzeln von Ornithogalum«: radix Ornithogali waren von Gagea, dem Goldstern, und zwar von den Arten lutea und arvensis.
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Von Dr. Alfons Diener von Schönberg
Bilder von Max Nowak, Dresden
Wenn die Eisenbahn von Flöha flußaufwärts sich durch das enge Tal gewunden hat – so eng, daß nur auf kurze Strecken noch Platz für eine Fahrstraße neben den Schienen zu finden war –, tut sich plötzlich kurz vor der Haltestelle Blumenau ein weiter, lieblicher Talkessel auf. In vorgeschichtlicher Zeit ist er ein See gewesen, dessen Wogen weithin an waldige Ufer schlugen. Aber im Laufe der Jahrhunderte hat sich sein Abfluß immer tiefer in den dammartig vorgelagerten Gneisfelsen hineingefressen, sein Spiegel sank, und heute bedecken Wiesen und Felder den Grund, während grüne Wälder die Höhen säumen.
Inmitten so geschenkten Bodens hat sich dann bald der Mensch angesiedelt, und die windgeschützte Lage hat ihrer immer mehr hierher gelockt. Bei einer Windung des Zuges sieht man zwischen Bäumen schon Gebäude hervorlugen, ein Dach hinter dem anderen hebt sich empor, die Häuser rücken enger zusammen, ein Kirchturm, behäbig und stark, reckt sich zum Himmel und fleißige Essen lassen weißen Rauch in die Lüfte wehen: Olbernhau. Das streckt sich weithin talauf, aber da nimmt den Blick die ferne Höhe gefangen, die im Südosten das Tal zu schließen scheint. Winzige weiße Häuschen schimmern enggedrängt vom Kamme herab, und nadeldünn sticht ein Turm in den blauen Himmel: Katharinaberg mit der Franz-Joseph-Warte. Aber so eng das völkisch mit unserem deutschen Lande verbunden ist, wir wissen: Dort herrscht schon der Tscheche. Jäh überkommt einen das Gefühl von der Bedrängnis deutscher Art, und man senkt den Blick, ihn ausruhen lassend an dieser Stätte deutschen Wesens und deutschen Fleißes hier. –
Der Zug strebt weiter flöhaaufwärts, Neuhausen zu. Aber der Wanderer, der hier in Olbernhau aussteigt, findet eine Fülle des Lockenden, so viel, daß er erst kaum weiß, nach welcher Richtung des weiten Tales er die Schritte lenken soll.
In solchem Schwanken gibt es nichts besseres, als sich des schönen Wortes zu erinnern, das Gerhard Platz geprägt hat: Vom Wandern und Weilen im Heimatland. Nur wer zu weilen versteht, wird recht wandern und nichts abseits liegen lassen, was des Anschauens wert ist.
Also verweile man hier, bis talauf und talab der weite Grund durchwandert ist. Das rührige Olbernhau zeigt so recht, wie neues Leben sich neue Form geprägt hat. Noch vor dreißig Jahren eine kleine beschauliche Landgemeinde, die sich eng um das den Kern bildende Rittergut am Markt schmiegte, ist es jetzt eine Stadt von zwölftausend Einwohnern, die ihre Arme in Gestalt langer Straßen an den Hängen hin schon bis zu den Nachbardörfern ausstreckt. Schade, daß bei der Stadtwerdung im Jahre 1902 die prächtige Baumallee der Freiberger Straße dem Ehrgeiz, eine »städtische« Straße darzustellen, zum Opfer fiel. – Die unschönsten Gebäude sind, wie überall, wo der Aufschwung in den neunziger Jahren einsetzte, Amtsgericht und Reichspost: Aus rohen[129] Ziegeln nach rohem Schema roh erbaut. – Von Altem ist nicht viel mehr vorhanden, nur wenige der alten Häuser stehen noch, so besonders am Markt, wo aus steilen Dächern lustige Reihenfenster blitzen. Und der Kirchturm steht noch so rund und gemütlich da, wie er um 1590 erbaut wurde, und wie ihn Theodor Körner beschrieb.
Der kam als junger Bergstudent von Freiberg gar oft hier durch, um im kurfürstlichen Kupferhammer Grünthal, der alten »Saigerhütte«, Studien zu machen. Eine halbe Wegstunde talaufwärts liegt dieses alte Werk, heute zu einer bedeutungsvollen Anlage erweitert, und vom alten Eingangstor, mitten zwischen kleinen Häuschen und großen neuen Gebäuden, grüßt noch das kursächsische Wappen. Aber wo Körner einst durch einsame Wiesen und Felder wanderte, begleiten heute Reihen von Häusern den Weg.
Dicht hinter dem Kupferhammer steigen Felsen steil empor, und von hohem Hange grüßt eine Kirche weit ins Tal, den Blick auf sich ziehend. Unwillkürlich kommt es einem in den Sinn: »Droben stehet die Kapelle«. Steigt man hinauf, so lohnt ein Blick von lieblichster Weite: Nach Westen das Tal mit Olbernhau, darüber dunkle Fichtenwälder in immer höher sich schiebenden Kulissen, im Süden der Eingang zum Natzschungtal, unweit dessen die schwarzen Türme und Halden des Anthrazitwerkes herüberdrohen. Nach Osten, zu Füßen der Waldberge von Rothenhaus, leuchtet aus grüner Matte das seltsam langgezogene Reihendorf Brandau, und weiter oben thront wieder Katharinaberg. Aber schon Brandau ist böhmisch und sein guter alter Name heute in Brandovo umgewandelt. Die Flöha, die hier unten dicht am Berghange fließt, ist Reichsgrenze.
Ein Gefühl, als ob man hier oben unabhängig von Grenzen sei, die Menschenhand gezogen, überkommt einen an der Kirche, die so frei hinüberschaut ins andere Land. Und dies Gefühl mag auch die Männer beseelt haben, die als erste sich hier niederließen. Emigranten aus Böhmen waren es, die um ihres protestantischen Glaubens willen die Heimat verlassen mußten, da ihnen der Westfälische Friede dort keinen Glaubensschutz gewährte. Mit dem breiten Strome heimatloser Flüchtlinge, der sich damals nach Sachsen und weiterhin ergoß, kamen auch acht Familien aus der Herrschaft Dux herüber. Sie fanden in dem Besitzer des Rittergutes Pfaffroda, dem Berg- und Amtshauptmann Caspar v. Schönberg, einen gütigen Förderer, der ihnen kurz entschlossen hier ihm gehöriges Land gegen eine geringe Summe (wir würden heute sagen: ein Bezeigungsgeld) abtrat. So entstand hier im Jahre 1651 die erste Siedlung, die zum Danke für ihren Gründer und Förderer den Namen Oberneuschönberg erhielt. 1658 und 1669 erhielt sie weiteren starken Zuzug aus Böhmen, was den Erzbischof von Prag, Fürst Waldstein, so verdroß, daß er sogar dem Kurfürsten Johann Georg mit Repressalien drohte. Aber hier, jenseits der böhmischen Grenze, galten die glaubensschützenden Bestimmungen des Westfälischen Friedens. So konnten die Heimatlosen Heimat finden und 1659 erst eine hölzerne, 1692 dann an gleicher Stelle eine steinerne Kirche bauen. Mit Absicht mögen sie sie so hart an die Grenze gestellt haben, daß sie wie eine[131] Burg ins böhmische Land hinüberragte, und ehern mag zum erstenmal von hier das Lied hinübergeklungen haben: Ein feste Burg ist unser Gott! –
Talab von Olbernhau liegen zwei Dörfer ähnlichen Namens: Nieder- und Kleinneuschönberg. Auch hier gab Caspar v. Schönberg das Land an Exulanten, auch hier bewies er die gleiche Fürsorge für ihr Wohl, indem er alle drückenden Abgaben fernhielt und sogar (1655/59!) Gewerbefreiheit und Freizügigkeit gewährte. Noch stehen in den drei Neuschönbergischen Dörfern mehrere der alten Wohnstätten, die die ersten Ansiedler errichteten, kleine Häuschen, die grad Unterkommen für eine Familie boten. Und es ist charakteristisch, daß sie fast alle dort errichtet sind, wo ein Felsen zutage tritt – kleine Burgen endlich gefundenen Friedens – eine Versinnbildlichung des Wortes:
In sanftem Bogen windet sich durch Kleinneuschönberg die Biela der Flöha zu. Ihr Name verrät, daß, wie so oft im Gebirge, ehe dort Ansiedlungen entstanden, die Slawen den Wasserläufen die Namen gegeben haben. Man sieht es dem unscheinbaren Bächlein nicht an, daß ehemals Perlen darin gefischt worden sind. Noch 1912 wurde eine Muschel mit einer rosa Perle hier gefunden, und wenn ihr Wert auch von Fachleuten nicht hoch geschätzt wird, dem Heimatfreund ist sie zehnfach wert. Die alten Valen sollen diesen Reichtum genau gekannt und auch nach goldreichem Sand gesucht haben. Aber die Nachrichten darüber verlieren sich in sagenhaftem Dunkel.
Es lockt, der Biela zu folgen und nicht gleich nach Olbernhau zurückzukehren. Freilich führt ihr Lauf durch feuchte Wiesen, und man tut besser, der nahen Straße zu folgen, die abwärts nach Reukersdorf führt. Da steht man dann erfreut vor dem dortigen Gasthof »Zum Erbgericht«. Ein prächtiges Beispiel heimatlicher Bauweise in Fachwerk, an dem auch die echten erzgebirgischen Schiebefenster, für jeden Wind unangreifbar, aus Gründen der Heimatliebe noch erhalten sind.
Auf der weiten Wiesenfläche haben schwarze Haufen den Blick gefesselt. So wandert man zu ihnen hinüber und steht bald vor großen Torfstichen. Als nach dem Kriege die Kohlen so knapp und teuer waren, konnten kaum genug der schwarzen Ziegel geliefert werden. Wir schreiten über glucksendes Erdreich an schwärzlich schimmernden Lachen vorbei und stehen plötzlich vor einer vier Meter hohen Wand, von der der Torf senkrecht abgegraben worden ist. Und hier blicken wir wieder in die Werkstatt der Natur, die in jahrtausendlangem Wirken diesen Boden schuf. Ganz deutlich sehen wir, wie drei Vegetationszeitalter hier übereinander liegen; dreimal erkennen wir eine Schicht von Baumstämmen untergegangener Wälder, auf denen dann die Zeit eine meterhohe Moorschicht gehäuft hat, bis auf deren Oberfläche wieder ein Wald erwuchs, den dann ein Naturereignis auch wieder zu Boden schmetterte.
Flußauf und flußab ist nun das Tal durchwandert. Wohl möchte man gern von Olbernhau über die südliche Höhe nach Zöblitz und Marienberg zu[134] wandern, aber es zieht uns heute nach der anderen Seite flöhaaufwärts. Und da wir dem Zuge der Bahn nicht folgen wollen, wandern wir nördlich den Hang empor, dem Walde zu. Ein steiler Steig führt den Auschänkberg hinauf, der seinen Namen von einer Schänke hat, die einstmals dort in der Aue lag. Die Höhe gibt noch einmal einen schönen, weiten Blick über das ganze Tal, dann nimmt uns der Wald auf. Der Heimatfreund freut sich, gleich hier ein Stück praktischen Heimatschutzes zu sehen. Wo der Steig auf die alte Saydaer Poststraße stößt, steht eine mächtige, wohl zweihundert Jahre alte Linde. Weithin spreizt sie ihre starken Äste, so weit, daß die vom Alter geschwächten ihr eigenes Gewicht nicht mehr zu tragen vermögen. Da hat die Forstverwaltung von Pfaffroda jeden einzelnen fein säuberlich gestützt, so daß der alte Baum in unveränderter Schönheit ragen und grünen kann.
Bald nimmt der Dom eines Buchenwaldes den Wanderer auf. Gewaltige Stämme streben zu beiden Seiten der Straße empor, und in jungem grünem Laub spielt golden die Sonne. Ein altes Weiblein, so echt in ihrem Kostüm der Märchenhexe, daß man fast an Kostümierung glauben könnte, sucht mit gebeugtem Rücken, auf den Stock gestützt, nach dürrem Holz. Ein Specht klopft fröhlich hämmernd an den Stämmen. Er findet wenig hier, denn die Stämme sind noch gesund, trotz ihrer dreihundertzehn Jahre. Und sie sollen auch stehenbleiben, solange die Kraft in ihnen quillt. Aus Gründen der landschaftlichen Schönheit hat sie der Besitzer von jedem Holzschlag ausgeschieden und gewissermaßen zum Bannwald erklärt.
In den dunklen Fichten, die sich dann anschließen, muß man den Schwedenweg suchen, wenngleich keine Spur mehr von ihm erkennbar ist. Er hat seinen Namen daher, daß im Jahre 1639 hier eine schwedische Nachhut von dem Förster Graß aus Grünthal überfallen und mehrere Schweden erschossen wurden. Aber der schwedische Kapitän, der seine Frau in einer Kalesche mitführte, riß sie zu sich aufs Pferd und rettete sich verwundet nach Sayda. Zehn Tage später traf ein großer Trupp schwedischer Reiter in Olbernhau ein und vollzog ein schweres Strafgericht, indem er den unschuldigen Ort in Brand steckte.
Und da kommt auch noch eine andere Erinnerung an Kriegszeiten: Bis hierher drangen im August 1813 nach der Schlacht von Dresden die noch einmal siegreichen Franzosen verfolgend vor. Biwaks bedeckten die Höhen über Olbernhau, König Murat von Neapel nahm im Schloß Pfaffroda Quartier. Drei Tage blieb der Feind, dann wandte er sich der eigenen Schicksalswende zu, die ihn im Oktober bei Leipzig traf. Der Kanonendonner von Leipzig wurde, wie alte Aufzeichnungen erzählen, hier noch deutlich vernommen.
Die Höhe ist erreicht, und der Weg geht nun ebener dahin. Hier, etwas abseits von der Straße, stand bis vor wenigen Jahrzehnten eine uralte Tanne, in deren Rinde ein Jagdhorn eingeschnitten war, und die darum den Namen Hörneltanne führte. Weithin, erstaunlich weit, war sie als Landmarke bekannt. Und wie schön waren doch solche Landmarken mit lebendigen Namen! Wie viel schöner klangen die alten Bezeichnungen der Forstorte »an der Hörneltanne«, »am Hirschbad«, »am tiefen Graben«, als heute die nüchternen Benennungen[136] »Abteilung 47« oder »73«. Daß Heimatliebe und Forscherdrang heute diese alten Forst- und Flurnamen sammelt, und ein reiches Material sich im Dresdner Hauptstaatsarchiv häuft, muß der Heimatfreund bei der zunehmenden Ernüchterung unserer Tage dankbar begrüßen.
Wiesenschlingen öffnen sich rechts und links, das Waldbild belebend. Noch einmal steigt der Weg sanft an, dann neigt er sich langhin zu Tal. Es ist wieder das Tal der Biela, deren großen Bogen wir abgeschnitten haben, und deren Lauf in der weithin sich streckenden Senkung nach Sayda hinauf wir wie aus der Vogelschau verfolgen können. Und schon grüßt vom fernen Höhenkamm die Stadt Sayda mit ihren beiden charakteristischen Türmen.
Aber wir folgen der Straße abwärts und über dem Wald taucht das Schloß Pfaffroda auf, dessen fünf spitze Giebel über die Bäume des Parkes lugen. Inmitten des Gehöftes liegt, das hohe Alter der Siedlung kennzeichnend, die Kirche; die Haube ihres Turmes zeigt die für Sachsen nicht häufige Zwiebelform und schimmert kupfergrün herüber. Wie der Name sagt, sind es Mönche gewesen, die hier den Wald gerodet haben, Zisterzienser von Ossegg, die es als heilige Aufgabe betrachteten, das Land urbar zu machen, daß es dem Menschen Brot gäbe. Als dann im dreizehnten Jahrhundert der Landstrich an die Markgrafen von Meißen kam, wurden ihre Vasallen hier seßhaft, und seit 1352 sind es die Herren von Schönberg. Bis 1650 war Pfaffroda ein Teil der[137] Purschensteiner Herrschaft, dann zwang die durch den Dreißigjährigen Krieg eingetretene Verarmung zur Teilung des Besitzes, und ein Vetter des Purschensteiners wurde hier heimisch: Georg Friedrich, der Vater Caspars, den wir als Gründer der Neuschönbergischen Dörfer kennengelernt haben. Dieser Stifter der Pfaffrodaer Linie hat freilich kaum hier wohnen können. Sein Amt als Oberberghauptmann hielt ihn in Freiberg fest. Und während er 1643 im Verein mit Georg v. Schweinitz und Jonas Schönlebe die Stadt Freiberg gegen den brandenden Ansturm der Schweden verteidigte, steckten diese hier das Schloß in Brand.
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Es mag bös ausgesehen haben, als der Feind abgezogen war. Wohl waren die massiven Untergeschosse stehengeblieben, aber Giebel und Dächer ragten als traurige Ruinen empor. Doch dieses Unglück sollte noch zum Glück für die Familie ausschlagen. Der Kurfürst hatte die Absicht, mit mehr oder weniger sanftem Zwang Gut und Schloß zu erwerben. Als er nun auf einer Reise die zerstörten Trümmer sah, schien es ihm unwert, den Plan weiter zu verfolgen, und so blieb der Besitz der Familie erhalten. Bald waren die Schäden ausgebessert und die Giebel erhoben sich wieder in der schlichten Form, die noch heute steht, und die einem ausdrücklichen Wunsche Caspars v. Schönberg entsprach, der aus den bitteren Erfahrungen des Kampfes um sein Eigentum seinen Nachkommen zur Pflicht machte, das Schloß so schlicht zu halten, daß es nie begehrliche Blicke auf sich zöge.
Zu Füßen des Schlosses liegen zwei große Teiche und über ihre hohen Dämme, mit uralten Linden bestanden, führt die Straße hinweg. Diese Linden-Alleen, die auch östlich vom Schloß weit in die Felder sich ziehen, wurden von Curt Adolf Dietrich v. Schönberg in den Hungerjahren 1771/73 angelegt, um der Bevölkerung Arbeit und Brot zu schaffen. Sie verdanken also »Notstandsarbeiten« ihr Entstehen, ein Begriff, der uns vor dem Kriege ganz verloren gegangen war. Die alten Linden auf den Dämmen sollten übrigens kurz vor[139] dem Kriege beseitigt werden. Das Straßen- und Wasserbauamt war ihnen nicht gewogen, da vielleicht unter Umständen doch die Möglichkeit bestände, daß einmal eine umbrechen und dadurch der Straßendamm beschädigt werden könnte. Glücklicherweise widersprach der Besitzer und zog ein Gutachten des Vereins Heimatschutz bei, das sich so erfreulich deutlich aussprach, daß die alten Linden und damit das schöne Landschaftsbild erhalten blieb.
An dem unteren Teiche teilt sich die Straße. Die eine führt nordwärts nach Freiberg zu, die andere ostwärts nach Sayda. Wohl soll unser Ziel Sayda sein, aber wieder tun wir besser, zu weilen, um auch ein Stück nordwärts wandern zu können. Dort liegt hinter der nächsten Hügelwelle das Dorf Dörntal, und seine Kirche, eine der wenigen noch erhaltenen Wehrkirchen Sachsens, zieht uns an. Von der zwischen Pfaffroda und Dörntal gelegenen Höhe sieht man westlich den großen Kunstteich liegen, eines der Stauwerke der großen Wasserkunst, die zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts erbaut wurde, um die Maschinen des Freiberger Bergwerks mit Kraft – der Kraft, die das Wasser selbst darstellte – zu versorgen. Es ist ein imponierendes Werk alter Ingenieurkunst, das hier noch heute unter dem schlichten Namen Revierwasserleitung besteht. Weit oben im Quellgebiet der Flöha, bei Neuhausen, beginnt die Anlage, die in einem endlos langen Graben das Wasser den Bergwerken Freibergs zuführt. Dort fließt es dann durch den Roth-Schönberger-Stollen[140] ins Flußgebiet der Elbe ab. Wo es irgend angeht, folgt der Graben, mit Holz überdeckt, der Horizontalen an den Hängen entlang, mag die Strecke auch noch so verschlungen sich winden. Nur an einzelnen Stellen ist er unterirdisch geführt. Und der Friedrich-Benno-Stollen, wie die Strecke zwischen Pfaffroda und Dörntal heißt, war bei seiner Erbauung ein viel bewundertes Kunstwerk. Damit es dem Graben nie an Wasser mangle, sind zahlreiche Talsperren an seinem Laufe errichtet, die größten in Dittmannsdorf, Dörntal, Obersayda und Großhartmannsdorf. Man staunt, welch gewaltigen Dammbau man hier bei Dörntal aufgeführt hat. Freilich mischt sich auch eine gewisse Wehmut dazwischen, denn in dem Damm sind auch die Quader der uralten Kapelle aufgegangen, die einst in Dörntal gestanden hat. Sie soll der heiligen Dorothee geweiht gewesen sein und Dörntal den Namen gegeben haben. Daß sie bestanden hat, ist erwiesen, daß der Name des Ortes von ihr herrührt, eine liebevolle Sage. Der Name mag viel eher daher kommen, daß das Tal einst von dornigem Buschwerk bestanden war und also als dornigtes Tal bezeichnet wurde.
So blank der Spiegel des Teiches lockt, wir wandern geradeaus über Höhen und Wälder und stehen bald vor der ehrwürdigen Kirche. Aus steil ansteigendem Schieferdach ragt ein zierlicher Dachreiter, dem man es gar nicht zutraut, daß in ihm die schweren, großen Glocken geborgen sind. Um die[141] weißen Mauern zieht sich rundum ein alter Wehrgang, aus mächtigen, uralten Baumstämmen fest gefügt. Schießscharten in den Wänden und Gießluken in dem über die Mauer hinausragenden Boden zeigen, wozu er angebracht wurde: daß sich in Zeiten der Not die friedliche Kirche in eine Zuflucht und Burg für die Bewohner verwandeln konnte. Der störende Schieferbelag ist bei der Erneuerung im Jahre 1912 von der Patronatsherrschaft auf Anregung der Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler entfernt, und der wohlerhaltene Wehrgang so in seiner alten Form wieder zutage gebracht worden. Besonders schön ist auch der Treppenaufgang zur Kirche. Ein Torhäuschen schützt ihn, und auf ihm finden wir wohl noch einen Rest von der alten Dorotheenkapelle wieder. Wie käme sonst an diese Stelle als eiserne Krönung das bischöfliche Doppelkreuz?
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Mit der Berglehne, die die Kirche trägt, ist schon eine ansehnliche Höhe erklommen. Weit unten im Süden sieht man das Tal der Biela sich nach Sayda hinaufziehen. Wir schwanken, ob wir wieder hinunter sollen, um dem Bachlauf zu folgen. Aber es ist nicht nötig. Auf der Höhe führt die Straße weiter nach Sayda zu. Es wandert sich so schön und friedlich auf ihr, und man mag es kaum glauben, daß hier Winter und Wetter so unheimlich hausen können, daß es zur schwersten Gefahr für den Wanderer wird. Aber der Chronist Lehmann berichtet uns anschaulich ein Ereignis, das sich gerade hier im Jahre 1654 abgespielt hat: »Den 7. 11. gehet der Pfarrer zu Dörnthal Johann Haberstroh in den Flecken Sayda am Gebirge zum Markt und kauft nicht mehr denn ein paar Pfund Fleisch und vor einen Groschen Brätzlein, darauf er sein schwanger Weiblein hatte vertröstet. Im Rückwege kommet er im Windsturm von der Bahn ab in die Irre und ins Wasser nahe ans Dorf, und ob er sich gleich wieder herausgearbeitet und jämmerlich um Rettung geruft, haben doch sein Rufen die Leute vor ein Windbrausen gehalten und ihn hilflos gelassen, daß er naß und matt im Frost verderben müssen. Frühe hat man ihn tot gefunden, also daß er auch in der Todesangst die Nägel an Händen abgerissen.« –
Durch waldige Höhen führt der Weg. Er senkt sich sogar ein wenig, und da sieht man denn bald gegenüber auf einer anderen Höhe Sayda liegen. Es hilft nichts, wir müssen noch ein tiefes Tal bei Pilsdorf an der Bielaquelle kreuzen, um nach Sayda hinauf zu gelangen. Schlicht ist das Bild, das das Städtchen heute bietet. Vor dem großen Brande 1842 mag es malerischer und reicher ausgesehen haben. Seine Vergangenheit hatte es – erst als böhmische, dann als meißnische Grenzwarte – zu einem wichtigen festen Ort auf der Gebirgsstraße nach Brüx gemacht. Auch die uralte Salzstraße von Halle über Öderan nach Brüx führte hier durch, die bis vor wenigen Jahren noch als tiefer Hohlweg kenntlich war und erst hinter Sayda im Purschensteiner Wald wieder als solcher zutage tritt. Wie unendlich viele Fuhrwerke ihre Geleise in das Erdreich gegraben haben müssen, beweisen die Aufzeichnungen, daß die Straße im Jahre 1550 als sechs Ellen tiefer Hohlweg durch Sayda führte. Um den Verkehr zu erleichtern, ließ damals Caspar v. Schönberg auf Purschenstein die Höhlung ausfüllen und 1555 die Straße pflastern.
Denn auch Stadtherren von Sayda waren die Herren von Schönberg. An der Stelle, wo heute die sogenannte alte Schule steht, erhob sich ein festes Schloß, von dem leider auf keinem alten Stich oder sonstwo eine Abbildung zu finden ist, und auch Reste, außer dem befestigten Untergrunde, sind nicht mehr vorhanden. Sein Turm war dicker, als der bekannte Donatsturm in Freiberg, und noch im achtzehnten Jahrhundert diente es als Quartier für den Kommandeur einer Kürassierschwadron, die hier dauernd in Garnison lag. Nach dem erwähnten großen Brande wurde das schon baufällige Schloß und ebenso die Stadttore als Steinbruch benutzt, und die Steine zum Wiederaufbau der Wohnhäuser verwendet. So mag in mancher alten Hausmauer ein Rest ehemaliger Steinmetzverzierung schlummern, ohne daß der Bewohner selbst es ahnt.
[143]
Überhaupt ist Sayda oft von schweren Bränden heimgesucht worden. So in den Jahren 1465, 1599, 1634, 1702 und 1842. Der Brand von 1465 hat zu einer gewaltsamen Vertreibung aller Juden aus der Stadt geführt, da man ihnen die Schuld an ihm beimaß. Daß aber überhaupt ein Judenviertel hier bestanden hat, ist wiederum der Beweis, daß Sayda ein nicht unbedeutender Handelsplatz gewesen sein muß.
In der Mitte des Ortes etwa liegt die Kirche. Von Nordwesten zieht sich der älteste Teil der Stadt an sie heran, der sogenannte Plan, ein Platz, um den alte Holz- und Fachwerkhäuser stehen. Es sind die einzigen, die der Brand von 1842 unversehrt gelassen hat. Die Sage erzählt, daß 1813 eine Zigeunerin die Häuser auf hundert Jahre »versprochen« hatte, und als dann gerade 1913 mehrere durch Feuer zerstört wurden, verfehlte dieses Ereignis seinen Eindruck nicht. Innen ist die Kirche mit zahlreichen schönen Denkmälern der Familie v. Schönberg geziert, meist aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Außen zeigt sie eine schlichte Gotik. Nur das würfelförmige Untergeschoß des Turmes ist mit älteren Steinornamenten verziert, in denen noch romanisches Formempfinden nachklingt.
Jetzt trägt der Turm eine schlanke schlichte Spitzhaube, die man weit im Gebirge herübergrüßen sieht. Von oben tut sich eine unendliche Fernsicht auf. Überall wogen waldige Hügel und Berge aus weichen Tälern empor, und in noch deutlich erkennbarer Ferne sieht man die drei Schlösser, Frauenstein, Purschenstein und Pfaffroda liegen. Es ist das kein Zufall. Alle drei Schlösser waren einst im Besitz der Familie v. Schönberg, und der Turm des Saydaer Schlosses, den heute der Kirchturm ersetzen muß, war so angelegt, daß man von ihm in unruhigen Zeiten Feuerzeichen nach allen drei Schlössern hin geben konnte, die dort vom Wächter sofort wahrgenommen werden mußten. Die Herrschaft Frauenstein ist dann der Familie verloren gegangen, als der Kurfürst sie gewaltsam »einzog«.
Von alten Gebäuden fällt am östlichen Ausgange noch das sogenannte Hospital auf, das über der Tür das Schönbergsche Wappen, umrahmt vom Johanniterorden, in schöner Arbeit ziert. Dieses Hospital St. Johannis wurde von Bernhard v. Schönberg auf dem Sterbelager gestiftet, als er, im Jahre 1476 von Jerusalem heimkehrend, auf der Insel Rhodos starb. Das jetzt dort stehende schlichte Gebäude, 1784 erbaut, dient als Altersheim. –
Dunkler Fichtenwald schiebt seinen Saum hier ziemlich nahe an die Stadt, aber vor ihm steht noch ein neu entstandenes Viertel Saydas. Hier sind Wohnhäuser, namentlich für die Beamten errichtet. Denn auch hier verlangt die wachsende Einwohnerzahl räumliche Erweiterung.
Achtet man übrigens auf die Vegetation, dann wird einem klar, daß zwischen hier und Olbernhau ein Klimaunterschied von gut vier Wochen besteht. Wenn z. B. in Olbernhau schon Anfang Juni die Rosen blühen, so erschließen sie sich hier oben erst Mitte Juli; und so ist es auch im Herbst mit der Feldernte, die gar oft unter dem Schnee hervor geborgen werden muß. –
[145]
[146]
In einer Talschlinge mit weitem Fernblick nach Süden liegen idyllisch zwei Teiche, die sogenannten Schwemmteiche, – ein Ziel, das im Sommer zahlreiche Menschen anlockt. Der Weg steigt wieder an, und hinter einer Biegung taucht ein altes Gebäude von seltsam großen Ausmaßen auf, das sogenannte Große Vorwerk. Auf einem mächtigen steinernen Unterbau erhebt sich ein schönes Fachwerkgeschoß, und friesartig laufen um die Mauern eigenartige Putzornamente vom Ende des 16. Jahrhunderts. Merkwürdigerweise ist das alte Gehöft immer von feindlichen Zerstörungen verschont geblieben.
Aus dem Grunde des weiten Tales, das sich nun aufgetan hat, grüßen die charakteristischen drei Türme des Schlosses Purschenstein. Schon von ferne kann man die zweckmäßige Anlage solcher alten Sitze erkennen: Im Grunde eines weiten Talkessels auf einem dort aufsteigenden Felsrücken errichtet, liegen sie einerseits so hoch, daß sie gegenüber den Fernwaffen der damaligen Zeit durchaus gesichert waren, andererseits aber so tief, daß die rauhen Stürme des Winters von den Höhenzügen abgehalten werden.
Ein uralter fester Ort ist dieses Purschenstein. Seinen Namen, ursprünglich Borsenstein, hat es von dem Ritter Borso von Riesenburg, der als Schutzherr des Klosters Ossegg gleichzeitig mit den Zisterziensern über den Gebirgskamm zog und während diese weiter westlich die Siedlung Pfaffroda anlegten, hier sein festes Schloß erbaute. Wie es dann unter den Markgrafen von Meißen an die Familie v. Schönberg kam, ist oben schon erwähnt. Liegen heute auch zahlreiche Nebengebäude um das Schloß, so erkennt man doch noch deutlich den Charakter als äußerst feste Burg: Von der einen Seite ist der steilabfallende Felsrücken durch das Tal der Flöha, auf der anderen Seite durch mehrere künstlich angedämmte Wehrteiche gegen feindliche Angriffe geschützt. Auf der schmalen Nordseite lagerte sich ehemals ein wehrhafter Halsgraben vor, und der südliche Abfall war durch starke Mauern mit zwei jetzt verfallenen Türmen gedeckt. Nicht genug damit, umgab eine dreifache Mauerwehr die eigentliche Burg, und fünf starke Türme, von denen drei noch heute stehen, bildeten feste Verteidigungspunkte. Von der innersten Mauer steht heute noch ein Teil in Gestalt eines bogenförmigen Laubenganges. Ehemals zog sich dieser auf drei Seiten rundherum und war mit einem Wehrgang versehen, während die vierte Seite das Wohngebäude selbst bildete. Und selbst wenn diese fast uneinnehmbare Anlage in Feindeshand gefallen war, konnten sich die Bewohner immer noch in den festen Bergfried zurückziehen, zu dem ein Eingang nur hoch oben, in Höhe etwa einer dritten Etage, führt. Denkt man sich den Zugang zu ihm in Form einer hölzernen Treppe oder Brücke, und diese Brücke dann in äußerster Not weggeschlagen, so konnten hier die Bewohner vor jedem Ansturm sicher sein, solange nicht der Hunger sie zur Übergabe zwang. – Vergegenwärtigt man sich dies, dann erscheint es einem gar nicht verwunderlich, daß sich hier im Dreißigjährigen Krieg, 1643, vierzig schwedische Reiter wochenlang gegen eine starke feindliche Belagerung durch die Kaiserlichen halten und nicht zur Übergabe gezwungen werden konnten.
[148]
Unten im Orte Neuhausen wogt rastlos das Leben der neuen Zeit. Ursprünglich durch die Wasserkraft der Flöha herbeigezogen, hat sich eine lebhafte Industrie entwickelt, und weithin erstreckt sich schon heute der Ort. Darüber erhebt sich im Süden der Gipfel der Schwarte, der schon von Ferne überall auftauchte, und hier, trotz seiner Höhe von siebenhundertachtundachtzig Metern ganz harmlos niedrig erscheint. Schade übrigens, daß wir in Sachsen so oft nichtssagende Benennungen für schöne Landschaftspunkte haben. Die Schwarte ist wirklich ein Gipfel, der mehr hält, als sein prosaischer Name verspricht. In weiten Windungen zieht sich die Straße nach Deutscheinsiedel am Hange empor. Immer spärlicher werden die Häuser, nur ganz vereinzelt kleben sie unter dem kahlen Gipfel des Schwartenberges hingeschmiegt. Links geht es ab nach dem bekannten alten Bade Einsiedel, geradeaus führt der Weg nach dem Zentrum der sächsischen Spielwarenerzeugung, Seiffen und Heidelberg. Wir biegen[149] rechts ab, um mühelos den Gipfel der Schwarte zu erreichen, und im sonnenvergoldeten Abend stehen wir vor einem Heimatbilde von überwältigender Weite und Größe. Unten im Tal streben aus milchig weißen Nebeln die Türme Purschensteins empor. Ganz leise dringt das Hämmern und Pochen des gewerbefleißigen Neuhausen herauf, aber rundum dehnt sich das Bild in feierlichster Stille. Dunkle Höhen, endlos, weltenweit wogend, ruhen in feierabendlicher Verklärung so frei und gelöst, als breiteten sie ihr Innerstes weit geöffnet dem wachenden Auge Gottes dar, und je tiefer die Sonne sinkt, desto goldener wird das Meer der hauchzarten Abendnebel, das die Täler erfüllt. Auf steilem Gipfel im Westen sieht man die ferne Augustusburg als vieltürmige Silhouette herübergrüßen, schwarz steigt der Pöhlberg weiter südlich empor, und selbst der Fichtelberg und Keilberg zeichnen sich mit klaren Linien in die Abendluft.
Auch nach Böhmen hinein öffnet sich weit der Blick, und woran man vor dem Krieg, als ein befreundetes Reich sich hier weithin erstreckte, nie dachte, das kommt einem jetzt plötzlich tief und stark zu Bewußtsein: Grenzland ist hier, und wir stehen wie auf einer Warte, mit deutschen Sorgen und deutschen Pflichten.
Von Prof. Dr. Alfred Meiche
Aufnahmen des Heimatschutzes
Wieder einmal zog der furchtbare Würgengel im Jahre 1680 durch Deutschland. Auch unser Sachsen ward von ihm verheert, und schonungslos hauste er besonders im Meißner Hochlande. Nur die Stadt Sebnitz konnte sich mit einem einzigen Todesopfer loskaufen. Ja, es scheint sogar, als ob sich dorthin Familien aus anderen bedrohten Orten geflüchtet hätten. Mindestens von Frau Johanna Küffner, der Gattin eines Dresdner Ratsherrn, wissen wir, daß sie damals aus der pestverseuchten Hauptstadt nach Sebnitz gekommen war, weshalb die Eheleute später in ihrem letzten Willen dankbar der dortigen Kirche und Gemeinde gedachten. Näheres über dieses Küffnersche Legat berichtet Götzinger in seiner »Geschichte des Amtes Hohnstein«, 1786, S. 114. Das 1702 errichtete und 1729 veröffentlichte Testament bestimmte, daß dreihundert Taler von der legierten Summe (siebenhundert Taler) zu einem größeren Werke für die Kirche zu verwenden seien. Als daher nur vier Jahre danach ein Diakonat in Sebnitz geschaffen wurde, benutzte man jenes Geld zum Bau einer Amtswohnung für den zweiten Geistlichen des[150] Ortes. An dem Gebäude aber wurde über der Eingangstür nach der Straßenseite zu eine Gedächtnistafel aus Sandstein eingelassen. Auffälligerweise erwähnt Götzinger weder die besondere Verwendung jener dreihundert Taler noch diese Inschrift. Sie lautet, in lateinischer Sprache und mit Initialbuchstaben geschrieben, wie folgt:
Quod.
Oculus Os Manus
Numinis Regis Benefactoris ejusdemque
B. Dn. Johannis Sigismundi Küffneri Senat. Dresd.
Viri ob munificentiam post mortem immortalis
Dextram jungente B. conjuge ipsius
Johanna Gertrude nat. Strauchia
Providit Probabit Promovit
Cor pium senatus coetusque
Sacri Sebnitiens. aedificium
E. C. A. D. MDCCXXXIV.
Diese Schrift befindet sich auf dem ovalen, flach gewölbten Hauptfelde der Sandsteinplatte. »Der mit Steinarabesken umschlungene schmale Rand dieses Feldes trägt noch die Schreibinitialen J. S. K., und gleich darunter steht auf dem Hauptfelde in gleicher Schrift P. S. Diese fünf Buchstaben bedeuten: Johanni Sigismundo Küffnero publico signo (Dem Johann Sigismund Küffner zum öffentlichen Denkmal).«
Diese Inschrift dürfte auch guten Lateinern zunächst ein Rätsel bleiben; vielleicht hat sie darum Götzinger, der Sohn des Sebnitzer Pfarrherrn, der den »Küffnerstein« doch kennen mußte, da er zu seiner Zeit offenbar schon bestand, in seinem Geschichtswerke fortgelassen. Dagegen ist ihre Lösung bald hundert Jahre später dem jetzt verstorbenen Schuldirektor Fritz Ohnesorge in Sebnitz gelungen. Scharfsinnig verband er die in der zweiten, dritten und achten Zeile jedesmal unvermittelt nebeneinander gestellten drei Wörter unter sich und las nun: »Quod oculus numinis providit, (quod) os regis probavit, (quod) manus benefactoris promovit« und nun ergab sich folgende Übersetzung: »Dies Gebäude, das vorhergesehen hat das Auge der Gottheit, das genehmigt hat der Mund des Königs (von Polen und Kurfürsten von Sachsen), das gefördert hat die Hand des Wohltäters und seligen Herrn Johann Sigismund Küffner, Senators zu Dresden, eines wegen seiner Wohltätigkeit nach dem Tode unsterblichen Mannes, wozu ihm die Hand reichte seine selige Gattin Johanna Gertrud geb. Strauchin, – das hat das fromme Herz des Stadtrats und der Kirchgemeinde zu Sebnitz aufführen lassen im Jahre des Herrn (E. C. A. D. = exstrui curavit anno domini) 1734.«
Ohnesorges Mitteilungen über den sogenannten Küffnerstein, die wir hier im Auszuge wiedergeben, finden sich in der Zeitschrift des Gebirgsvereins für die Sächsische Schweiz »Über Berg und Tal«, 5. Jahrg. Nr. 1 (Januar 1882). Bei dem vor wenigen Jahren erfolgten Neubau des Sebnitzer[151] Diakonats ist der Denkstein über dem Eingang an der nördlichen Stirnseite desselben angebracht worden, wo er hoffentlich noch lange Zeit sinnigen Menschen das Gedächtnis an ein edles Menschenpaar erweckt.
Zwar nicht im Kern der Stadt, aber doch in seiner Flur besitzt Sebnitz noch ein zweites Denkmal aus jener Notzeit; das ist der sogenannte Peststein im Gemeindehain oder wie unsere Heimatgenossen nach der Väter Weise lieber sagen im »Gemeenhahnel«. Auch über ihn hat Ohnesorge in derselben Zeitschrift (4. Jahrgang Nr. 12) berichtet, und diese Darstellung zehn Jahre später in den jetzt sehr selten gewordenen »Bergblumen« (Dresden-Strehlen, 1891, Seite 22 f.) wiederholt. Dort ist auch ein Bild (Federzeichnung) des Peststeins beigegeben. Beide Aufsätze stützen sich auf eine Nachricht in dem schon erwähnten Werke Götzingers und ein um 1880 herum noch im Besitz der Familie Odilo Hesse in Sebnitz befindliches Protokoll vom Jahre 1817, das der Stadtschreiber C. G. Grahl bei einem Spaziergange nach dem damals wohl ziemlich vergessenen Denkstein aufgenommen hatte. Jene Darstellung läßt sich nun durch Akten aus der Zeit der Pest selbst ergänzen und in wesentlichen Punkten berichtigen[2].
Auch heute kennen selbst viele Sebnitzer dieses Denkmal nicht; aber Rohlinge haben es doch aufzufinden gewußt und – neben den Witterungseinflüssen – stark beschädigt (Abb. 2). Es ruft darum nach dem Heimatschutz, entweder durch die Stadtgemeinde oder den Landesverein selbst.
Der Peststein liegt unfern der schönen, aussichtsreichen Staatsstraße, die von Sebnitz nach Neustadt über das Gasthaus »Zum stillen Fritz« führt, nur wenige Minuten oberhalb der Stelle, wo beim Sebnitzer hinteren Finkengute die Eisenbahn den Straßenzug überbrückt, und zwar in einem halbhohen Fichtenwald nordöstlich der Straße. Seine Lage hat bisher eine gute photographische Aufnahme vereitelt.
Der Denkstein besteht aus einer Sandsteinplatte mit Inschrift; erstere ist an einem großen Granitblock von fünf bis sechs Meter Länge und etwa drei Meter Breite und Höhe angebracht. Vor seinem Ostfuße bemerkt man den flachen Grabhügel, dessen Kopfseite noch ein roher, mit dem Kreuzeszeichen versehener kleiner Granitstein bezeichnet. Von den vier Weimutskiefern, die einst das Grab an seinen Ecken umhegten, steht nur noch eine.
Errichtet wurde dieses Denkmal 1740. Die im obenerwähnten Protokoll genannte Zeit 1746 beruht auf einem Lesefehler. Erneuert wurde es 1835. Nach den genannten Quellen ruht hier Frau Maria Wunderlich geb. Schuster, aus dem Erbgericht zu Rugiswalde stammend, Ehefrau des Bürgers und Schneiders Johann Wunderlich in Sebnitz. Mit ihrem volkstümlichen Namen hieß sie die Toffels Hansin. Sie war in dem schweren Pestjahre 1680 – die Überlieferung sagt: entweder zum Besuch ihrer Mutter oder um dort Butter zu holen – nach Rugiswalde gegangen, wo die Pest stark wütete. Als man das in Sebnitz erfuhr, sollen ihr die dortigen Einwohner mit Stangen bewaffnet[153] entgegengezogen sein, ihr die Rückkehr in die Stadt verwehrt und ihr an der bezeichneten Stelle eine Hütte gebaut haben, wohin ihr täglich Speise und Trank gebracht wurde. In meinen Kinderjahren haben mir alte Sebnitzer noch den sogenannten Pestweg gezeigt, der von der Hertigswalder Straße durch das Grundstück des oben genannten Odilo Hesse (worin sich jetzt das Gewerkschaftsheim befindet) über die sogenannte Drehbrücke, dann durch das Grundstück der Lampenfabrik (ehemals Hoffmann, jetzt Schwager) am Nordostrande des »Knöchels« emporsteigend, an Feld-Oppelts Hause und einem alten (jetzt abgehauenen) wilden Apfelbaume (dicht am heutigen Krankenhause) vorüber nach dem sogenannten Hemmhübel geführt haben soll. Demnach müßte also die Familie im Südostviertel der Stadt, auf der Retschiene oder Hertigswalder Straße, gewohnt haben.
Die unglückliche Frau soll nun neunzehn Wochen lang allein in der Waldeinsamkeit gehaust haben und im Alter von einunddreißig Jahren drei Monaten am 24. August 1680 dort gestorben sein. Das Sebnitzer Kirchenbuch enthält merkwürdigerweise keinen Eintrag ihres Todes.
Wenn diese Darstellung zutreffend wäre, so hätte Direktor Ohnesorge allen Grund gehabt, zu bezweifeln, daß die Toffels Hansin an der Pest gestorben sei, die ihre Opfer bekanntlich nach wenigen Tagen hinzuraffen pflegt. Man müßte dann ihren Tod vielmehr »den Unbilden der Witterung, dem Mangel an Pflege und dem Bangen und Sorgen ihres Herzens« zuschreiben und »den törichten Wahn der Menschen, ihre selbstsüchtige Furcht vor Ansteckung« dafür verantwortlich machen.
Nun klärt uns aber ein zufälliger Aktenfund, den ich im Sächsischen Hauptstaatsarchiv (Locat 9961. Volumen I. Contagion- und Todenberichte. 1680. 1681.) machte, über den Fall auf, der dadurch ein wesentlich anderes Aussehen bekommt. In diesem aus den Tagen der Pest selbst stammenden Aktenstück (26. September 1680) des Hohnsteiner Amtsschössers Joh. Gottfried Hanitzsch heißt es nämlich: »Es sind von der Contagion ergriffen und verstorben: in dem Ambts- und Grentz-Städtlein Sebnitz – Ein Hausz – Wunderlich, – Eine Persohn, als deszen Weib, so alsbaldt aus dem Hause und dem Städtlein geschaffet und den 17. Augusti im Felde verstorben. Und ist es bey dieser einzigen Persohn und Hausz bis zur Zeit verblieben.« Nur zwei Tage später (28. September) gibt derselbe Beamte den folgenden eingehenderen Bericht: »Das Ambtt- und Grentz-Städtlein Sebnitz, In selbigem ist nach Ausweisung meines sub dato den 30. Augusti eingesendeten unterthänigsten Bericht bey einem Bürger, Hannsz Wunderlichen, die Contagion zwart eingeschlichen gewesen. Nachdem aber derselbe alsbald nebst seinem daran krank gelegenen Weibe und Kindern aus dem Städtlein geschaffet worden, ist es Gott sey Dank nicht weiter kommen, auch nurt daran Eine Person, als besagten Wunderlichs Weib, allein im Felde verstorben, der Mann aber nebst denen Kindern auszer dem kleinsten (welches in die Acht wochen am Fieber gelegen) befinden sich in ihrer Hütten, darinnen sie sich nunmehr sechs Wochen aufgehalten, annoch gesundt; ist also dem Höchsten sey Dannk dieser gänzlichen restituirt und von dieser bösen Seuche, befreyhet«.
[154]
[155]
Aus diesen durchaus zuverlässigen Unterlagen folgt:
1. Die dramatische Szene von der stangenbewaffneten Volksmenge, die der Frau den Zutritt zur Stadt verwehrte, ist eine sagenhafte Zutat späterer Zeit. Vielmehr hat man die pestverdächtige Person aus ihrer Wohnung in den Wald gebracht.
2. Die Kranke hauste in ihrer Hütte nicht allein, sondern ihre ganze Familie teilte diesen Aufenthaltsort. Daß man den Ausgesetzten auf dem Pestwege Speisen zutrug und ihnen diese mit langen Stangen zureichte (wie mir schon vor fünfundvierzig Jahren alte Leute erzählten), ist sehr wahrscheinlich und hat vielleicht den Anlaß zu dem Gerüchte von der gewaltsamen Abwehr der kranken Frau gegeben.
3. Das Sterbedatum auf der Gedächtnistafel (24. August) ist falsch. Der Todestag war vielmehr der 17. August 1680. (Auch unter diesem Datum ist allerdings ihr Tod im Sebnitzer Kirchenbuch nicht vermerkt; wahrscheinlich weil die Frau ohne geistliche Mitwirkung bestattet worden war.)
4. Es bleibt noch immer fraglich, ob die Toffels Hansin wirklich an der Pest gestorben ist, da wir den Tag ihrer Erkrankung nicht kennen, ihre Familie trotz des langen, engen Zusammenlebens gesund geblieben ist und die acht Wochen währende Krankheit des jüngsten Kindes auch nicht gerade auf die indische Beulenpest schließen läßt.
5. Ebenso wird es unwahrscheinlich, daß die Überlebenden wirklich neunzehn Wochen im Walde zugebracht haben. Da sie aber mindestens sechs Wochen, vom Todestage der Frau (17. August) bis zum Berichtstage (28. September) dort hausten, hat ihre Verbannung doch recht lange gewährt. Beruhigen wir uns bei dem Gedanken, daß sie in den Hochsommer fiel, wo das Leben im Walde immerhin erträglich war.
Nach alledem aber erscheint uns das Verhalten der Sebnitzer Einwohner in wesentlich milderem Lichte.
Und in jedem Falle würde die Furcht der Gemeinde vor dem grausamen Würgengel bei dem Fehlen anderer sanitärer Vorbeugungsmittel wohl begreiflich sein. Richtete doch die Pest in nächster Nähe der Stadt entsetzliche Verheerungen an. Der hier benutzte Bericht meldet zugleich, daß der Seuche damals im benachbarten Neustadt hundertsiebenunddreißig Personen, nämlich fünfundzwanzig Ehemänner, sechsundzwanzig Eheweiber, dreiundsechzig Kinder, fünfzehn Witweiber, acht Mägde, und unverehelichte Personen, – in Langburkersdorf neunundzwanzig, in Krumhermsdorf acht, in Rugiswalde aber, der Heimat der Frau Wunderlich, dreiundzwanzig Personen zum Opfer fielen.
Daß sich Sebnitz übrigens nicht allzu ängstlich von der Außenwelt abschloß, beweist schon die Aufnahme der anfangs erwähnten Familie Küffner aus dem pestverseuchten Dresden.
Das Geschlecht von heute, das sich nun schon seit Jahren von schweren Volkskrankheiten aller Art bedroht sieht, mag wohl mit ernsten Gedanken zu jener Ruhestätte pilgern, die das glücklicherweise einzige Opfer jener gleichfalls schweren Zeit umschließt. Es sollte aber auch pietätvoll das schlichte[156] Denkmal schützen, das Kindesliebe (ein Sohn der Toffels Hansin, der spätere Bürgermeister Johann Friedrich Wunderlich zu Sebnitz) der Mutter draußen im freien Waldesrauschen errichtet hat. – Bei einer Auffrischung oder Erneuerung müßte natürlich der Wortlaut der Inschrift den Tatsachen gemäß berichtigt werden.
Fußnote:
[2] (Vgl. Sebnitzer Grenzblatt 1920, Nr. 153.)
Von Günther Lamm, Dresden
Eine der Zeitschriften, die der Briefträger mir ins Haus bringt, heißt: »Die Jugendherberge«. Gerade diese lese ich neben den – Heimatschutzmitteilungen besonders gern. Mit politischen, philosophischen oder religiösen Problemen »beschäftigt« sie sich ganz und gar nicht; aber Natur und Jugend, Freude und Leben, Wandern und Heimat, das sind Worte, die man oft darin, selbst im »praktischen« Teile, finden kann. »Die Jugendherberge« ist die Zeitschrift des Verbandes für deutsche Jugendherbergen.
Das Ziel der edelsten Bestrebungen der heutigen Zeit ist Erneuerung und Gesundung unseres an Leib wie Seele erkrankten Volkes. Dieses Bestreben liegt zum Beispiel in der Heimatschutz- als auch in der Wanderbewegung. – Wandern und Heimat! – Wer hört nicht den frischen Klang aus so manchem Volksliede singen! Denn gerade das Wandern liegt den Deutschen im Blute. Dieser naturhafte Drang, der durch die Entwicklung der Verhältnisse stark zurückgehalten worden ist, soll zum Heile des Volkes wieder erweckt werden; daß man damit am Anfange anfängt, das heißt in diesem Falle bei dem heranwachsenden Geschlechte, ist selbstverständlich.
Doch da stellen sich Bedenken ein: In Deutschland kostet ja Wandern heutzutage viel Geld! Wer von den jungen Leuten hat aber welches? Vorwiegend durch das Gasthaus mit dem notwendigen Übernachten wird das Reisen verteuert. Daher hat man lange vor dem Kriege schon begonnen, diese Not durch das Schaffen der deutschen Jugendherbergen zu beseitigen. Erst durch diese Tat werden die Ziele des Verbandes ermöglicht: »Die frühzeitige und regelmäßige Hinkehr zur Natur, von der Volksschule an, ist das beste Bollwerk gegen Tuberkulose und Alkohol, gegen Verschwendungs- und Vergnügungssucht, gegen Kino und Zigarette, gegen Modesklaverei und Verweichlichung bei Jungen und Mädchen, der sicherste Weg zu Einfachheit und Selbständigkeit, zu Arbeitskraft und Arbeitslust, zu reiner Freude und Volksgesundheit, zur Heranziehung eines sportfreudigen Geschlechts. Die Herbergen sollen das Jugendwandern ermöglichen. Hinter dem Herbergswerk stehen mit seltener Einmütigkeit alle Schichten von rechts bis links, arm und reich. Es geht jeden an, den Vater für seinen Sohn, den Arbeitgeber für seine schaffenden Kräfte, die Gemeinden für ihren Nachwuchs. –« In den Richtlinien für deutsche Jugendherbergen heißt es: »Die Jugendherbergen sollen auf gemeinnütziger Grundlage der gesamten wandernden Jugend nach des Tages Mühe eine einfache,[157] möglichst billige Übernachtungsgelegenheit als Grundlage für mehrtägiges Wandern bieten. Das werdende Reichsherbergsnetz soll ein allgemeines Jugendwandern ermöglichen. Wandergebiet ist überall, auch im Flachland. Auch Rad- und Bootwanderer sowie Schneeläufer sind willkommen. – Es gilt, das heranwachsende Geschlecht frühzeitig in lebendige Fühlung mit der Mutter Natur zu bringen. Durch die Jugendherbergen soll ihm Gelegenheit gegeben werden, Heimat und Vaterland aus eigener Anschauung kennen und liebgewinnen zu lernen zur Förderung des leiblichen und sittlichen Gedeihens, zur Hebung der Jugendkraft und Volksgesundheit, zur Aneignung frohen Lebensmutes. Die Herbergen sollen sich in den Dienst der Volksverschmelzung und Verwischung der Standesunterschiede, der Heranbildung eines wirklich einigen deutschen Volkes stellen.«
In allen deutschen Gauen befinden sich Zweigausschüsse des Verbandes. Für Sachsen ist einer in Dresden tätig. Er wird durch die Arbeit von dreißig Ortsgruppen unterstützt, denen unmittelbar die Sorge für die in ihrem Bereiche bestehenden Herbergen obliegt. Zurzeit gibt es unter den zweitausenddreihundert Herbergen etwa hundertdreißig sächsische. Auffallend wenige sind in Nordsachsen zu finden. Es sei bemerkt, daß es überhaupt notwendig ist, noch viele Herbergen zu errichten und die vorhandenen weiter auszubauen. Zum Erreichen der Ziele sind unbedingt zehntausend deutsche Herbergen erforderlich. Starker Unterstützung bedarf das große Werk!
Die Arbeit an den Jugendherbergen gerade in unserem Sachsenlande wird jetzt gekrönt durch die Übernahme der Burg Hohnstein in der Sächsischen Schweiz als »Jugendburg«. Sie soll nicht nur Herberge sein, sondern eine sichere Burg, in derem Schutze sich das heranwachsende Geschlecht bilden und Feste feiern kann. Letzten Endes wird Heimat der Boden dieser Bildung sein und Heimat den Hintergrund der Feste bilden. Alles Nähere über Hohnstein ist in einem besonderen Heftchen wie auch aus dem »Sächsischen Jugendwanderdienst«, dem Mitteilungsblatte des Zweigausschusses, zu ersehen.
Ihr jungen Sachsen! Durch die Jugendherbergen ist es nunmehr möglich, selbst mit bescheidenen Geldmitteln eure sächsische Heimat kennenzulernen, vom Vogtlande bis hinüber zur Lausitz, vom Tieflande im Norden bis hinauf zum Gipfel des Fichtelberges!
Jedem wird klar sein, daß hierdurch auch die Heimatschutzbewegung eine kräftige Unterstützung findet; lernt doch niemand seine Heimat besser kennen und lieben als der, der sie sich in eigener Anschauung erwandert. Noch aber ist es notwendig, wozu der Herbergsverband in einem Aufrufe ermahnt: »Schont Wiesen und Felder, Wald und Strauch! Denn heilig ist das Land und alles, was es trägt.« – Daß dieses bald selbstverständlich sei, dazu helfe uns Heimatschutz und Jugendherberge! Deshalb: Werdet Mitstreiter am großen Werke!
[158]
Eine Elbfahrt von Edgar Hahnewald
Mir war es, als wäre ich durch ein Traumland gezogen, ein Traumland, das auf unserer ruhigen Erde keinen Raum hat, von dem einem zarte duftige Bilder vor der Seele stehenbleiben als stille Erinnerungen.
Im rüttelnden Eisenbahnwagen habe ich einen großen Teil dieser Bilder an meiner Seele vorüberziehen lassen und habe alle Unruhe vergessen, den Lärm nicht mehr gehört, sondern ich war entrückt auf einen großen Elbkahn und schwamm die Elbe abwärts, hörte das Wasser gurgeln, raunen, strömen und plätschern, roch den Teergeruch und sah in ewig wechselnder Beleuchtung die auftauchenden und vorübergleitenden Bilder der Stromufer mit ihren Dörfern und Städten, mit ihren Wiesen und Bäumen und Menschen.
Hamburg, die Weltstadt, empfängt uns mit ihren brausenden Akkorden, mit dem gewaltigen Rhythmus ihrer Arbeit und ihrem weltumspannenden Handelsgeist.
Dann sind wir auf Sylt. Nicht das Sylt der Modebäder, der Saison! Nein, das Sylt einsamer Dünen, der rollenden, nagenden Brandung, der rauschenden See, stiller, stolzer, einsamer Menschen, des schimmernden Watts, blauender Himmelsweiten und Wolken, das Sylt, auf dem man im Kommen und Gehen der Wogen, im Wehen und Rieseln des Dünensandes sein eigenes, kleines, unruhiges Ich verliert und als Kind der Allmutter Natur Jahrtausende atmen hört; auf Sylt, der blonden Insel zwischen zwei Meeren.
Wie Hahnewald seine Schilderung beginnt: »Schweres Poltern und Klirren weckte mich,« so riß mich aus dem Traumland seiner wundersamen Bilder und farbenschimmernden Schilderungen das Klirren und Poltern des an meinem Ziele haltenden Zuges. »Wieder hat sich eine Tür hinter mir geschlossen,« schließt er sein Buch, »eine Tür, vor der ich manchmal stehen werde voller Sehnsucht: Dahinter liegt Sylt, die blonde Insel zwischen zwei Meeren.«
Eins weiß ich gewiß: Die Tür zu den Fahrten der Sehnsucht, welche er in seinem Buche geöffnet hat, werde ich noch öfter im Geiste durchschreiten. Nicht spannende Abenteuer oder pikante Reiseerlebnisse sind es, die erschlossen werden, nein, stilles deutsches Land, deutsches Fühlen, deutsche Heimat, innig und tief ergriffen und geschaut und darum in aller Schlichtheit stille ergreifend.
Das Büchlein ist geschmückt mit Abbildungen nach alten Stahlstichen, Steindrucken und Zeichnungen, die fein in das sozusagen zeitlose Erleben des Buches hineinpassen. Heimaterleben in tiefster Seele, das kann das Büchlein dich lehren und dir schenken. Still und froh wird es dich machen und dir Sehnsucht ins Herz geben. »Sehne dich und wandere.«
Rieß-Freiberg.
Verlag Carl Schünemann, Bremen. Preis broschürt 2.50 RM.
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Daß jetzt jede Möglichkeit zum Reklamemachen von Handel und Industrie ausgenutzt wird, mag in diesen Zeiten wirtschaftlichen Tiefstandes seine Begründung und Entschuldigung finden. Aber immerhin sollten dabei nicht Werte aufs Spiel gesetzt werden, die durch schlechte oder unangebrachte Plakate vernichtet werden und weit mehr bedeuten, als alle Reklameschilder samt und sonders einbringen. Ein wahrer Tummelplatz für Geschmack- und Verständnislosigkeiten dieser Art ist neuerdings das Gelände rechts und links der Bahn geworden. Es sei von vornherein zugegeben, daß einmal in der Nähe von Eisenbahnstrecken selten etwas landschaftlich oder volkskundlich Wertvolles zu verderben ist, und daß andererseits gut ausgeführte Reklameschilder an dafür passenden Stellen keineswegs einen unangenehmen Eindruck machen. Ich denke dabei etwa an die Schilder, die an der Dresdner Rennbahn zwischen den Stationen Reick und Niedersedlitz errichtet worden sind; da ist von keinem Standpunkt aus etwas dagegen einzuwenden. Aber so findet man es leider nicht immer. Die schlechtesten Schilder finden sich oft an den landschaftlich schönsten Punkten.
Eine wahre Epidemie dieser Art scheint das Dorf Seeligstadt ergriffen zu haben, daß der von Dresden nach Görlitz zu Reisende zwischen Arnsdorf und Großharthau linker Hand liegen sieht. Zwar hat dieser Ort seinen dörflichen Charakter nicht mehr ganz rein gewahrt; eine Dampfesse zeigt den bereits geschehenen Einzug der Industrie an. Aber trotzdem findet man noch schöne Güter unter alten Linden und Eichen versteckt, und niedliche Bauernhäuser mit Strohdach und Balkenumgebinde träumen am plätschernden,[160] gänsebelebten Wasser, freilich mit böse nach den häßlichen Neubauten an der Straße blickenden Fenstern. Immerhin zeigte das Dorf noch im Sommer 1923 über blinkende Teiche hinweg dem vorbeieilenden Reisenden ein ländliches, beschauliches Bild. –
Aber seit dem letzten Frühjahr ist dieser Friede grausam gestört worden. An einem großen Gute, dessen Scheunengiebel mit breiter Auffahrt und prächtiger alter Linde nach der Bahn herüberschaut, haben sich nicht weniger als vier große, schreiende Plakate breit gemacht. Likör, Stiefelwichse und Nähmaschinen werden angepriesen neben einer Aufforderung, die Breslauer Messe zu besuchen – Schilder wie das letztere, das doch über kurz oder lang zwecklos ist, bedeuten auch reklametechnisch eine vollständige Verirrung.
Dieses böse, auch im Bilde vorgeführte Beispiel hat leider Schule gemacht. Eine kleine Wirtschaft nebenan beeilt sich schon, denselben Schnaps noch einmal anzubieten. Dasselbe war an einem niedlichen alten Strohhaus der Fall, das allerdings in diesem Sommer einem schmucklosen Neubau gewichen ist. Sein Besitzer versicherte mir aber, daß er nie und nimmermehr sein neues Haus mit diesen häßlichen Schildern verunzieren wolle. Eine einzelne Scheune jenseits der Bahn trägt auch ein ganzes Sortiment derartiger Plakate; da hier aber nichts landschaftlich Wertvolles zu verderben ist, wenigstens nicht von der Bahn aus gesehen – vom Dorf aus wird die Scheune durch Bäume verdeckt – so soll dagegen hier nichts gesagt sein. –
Diese Reklamepest wäre verständlich, wenn die Besitzer einen wesentlichen, ins Gewicht fallenden Nutzen davon hätten. Aber das ist nicht der Fall; denn eine Mark fünfzig pro Schild und Jahr sind keine Summe, die die Schädigungen des Landschaftsbildes auch nur teilweise rechtfertigt. Da sich anscheinend gesetzlich auch nicht mit der nötigen Bestimmtheit durchdrücken läßt, so hilft eben nur eine eindringliche Aufklärung der Bewohnerschaft in diesen »gefährdeten« Orten, die dazu erzogen werden müßte, den Angeboten der Plakatreisenden gegenüber sich fest ablehnend zu verhalten.
Mögen diese Zeilen zum Kampf um die Schönheit unserer Heimat beitragen!
Anmerkung der Schriftleitung: Die Erzählung »War sich a Kuh kaafn will, muß erscht in Schtall hom« (Heft 11/12, Bd. XIII) ist nicht von Paul Meile, Lugau, verfaßt, sondern ist der Abdruck der im Jahre 1883 erschienenen Erzählung »Der Nußknacker« von R. Hubert, Leipzig (Jahrbuch »Glückauf« 1884).
Für die Schriftleitung des Textes verantwortlich: Werner Schmidt – Druck: Lehmannsche Buchdruckerei
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Helft dazu! Herzlichen Dank!
Landesverein
Sächsischer Heimatschutz
Lehmannsche Buchdruckerei, Dresden-N.