The Project Gutenberg eBook of Chemische Unterhaltungen This ebook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this ebook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you will have to check the laws of the country where you are located before using this eBook. Title: Chemische Unterhaltungen Author: Ludwig Wunder Release date: March 20, 2025 [eBook #75670] Language: German Original publication: Berlin: Verlag Peter J. Oestergaard, 1915 Credits: The Online Distributed Proofreading Team at https://www.pgdp.net *** START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK CHEMISCHE UNTERHALTUNGEN *** #################################################################### Anmerkungen zur Transkription Der vorliegende Text wurde anhand der Buchausgabe so weit wie möglich originalgetreu wiedergegeben. Typographische Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Ungewöhnliche und heute nicht mehr verwendete Schreibweisen bleiben gegenüber dem Original unverändert; fremdsprachliche Ausdrücke wurden nicht korrigiert. Besondere Schriftschnitte werden im vorliegenden Text mit Hilfe der folgenden Symbole gekennzeichnet: fett: =Gleichheitszeichen= gesperrt: +Pluszeichen+ Antiqua: ~Tilden~ #################################################################### Chemische Unterhaltungen Von Ludwig Wunder in Sendelbach bei Lohr a. M. Mit 52 Abbildungen Verlag Peter J. Oestergaard Berlin-Schöneberg +Alle Rechte+, insbesondere das Recht der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. == Nachdruck wird gerichtlich verfolgt. == ~Copyright by Peter J. Oestergaard Verlag, Berlin-Schöneberg.~ 8955. Berliner Buch- und Kunstdruckerei, G. m. b. H., Berlin W. 35–Zossen. Inhalt. 1. Wie man chemische Kenntnisse erwirbt (ein Brief) 7 2. Was ein Chemiker sich unter einer Verbrennung vorstellt 10 3. Über die Unterschiede zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen (ein Brief) 22 4. Atom und Molekül (ein Gespräch) 28 5. Die Wärmeänderung bei chemischen Vorgängen 39 6. Säuren, Basen und Salze (ein Gespräch) 48 7. Die Salpetersäure und was man daraus macht 58 8. Kohlehydrate und Alkohol 68 9. Brennstoffe 84 10. Fette, Öle, Seifen und Kitte 111 11. Die größte chemische Fabrik der Welt (ein Gespräch) 123 12. Das periodische System der Elemente (ein Gespräch) 144 Vorwort. Dieses Buch bedarf einer kurzen Erläuterung; nicht sowohl wegen seines Inhalts (von dem ich mit der Eitelkeit des Verfassers hoffe, daß er für sich selbst spricht), als vielmehr wegen seiner Darstellung. Denn ich habe in zwei Kapiteln die Briefform und in vier Kapiteln die noch subjektivere Form des Zwiegesprächs angewendet, und dies gerade bei solchen Stoffen, die unzweifelhaft schwieriger zu erklären sind als der übrige Inhalt. Ich hoffe nicht, daß mir jemand daraus den Vorwurf schmiedet, ich wolle den Ernst der Wissenschaft durch eine theatermäßige Spielerei profanieren; aber vielleicht ist es doch gut, die Gründe zu nennen, warum ich diese uralte, von den griechischen Philosophen geübte, von unseren eigenen Vorfahren bis vor 100 Jahren viel gepflegte Darstellungsform wieder aufgreife. Wer immer sich mit der Kunst der volkstümlichen Darstellung befaßt hat, der wird zugeben müssen, daß das eigentliche Wesen alles Erklärens darin beruht, daß man die +Gegensätze+ betont und heraushebt; gerade, wie man eine mathematische Formel oft dadurch am besten begreift, daß man für die veränderliche Größe die gegensätzlichen Grenzwerte Null und Unendlich einsetzt. Für die Betonung der Gegensätze eignet sich nun nach meinen Erfahrungen die Form des Zwiegesprächs ganz außerordentlich; sie schneidet mit Messerschärfe die Gegensätze heraus und rundet so überraschend schnell alle Begriffe, auch solche, über die man sonst wohl lange vergeblich reden könnte. Freilich ist es nicht immer leicht, Klippen zu vermeiden, die den Fragensteller als bloßen Statisten erscheinen lassen könnten, oder die darin bestehen, daß der Fragende alle Schwierigkeiten des Stoffes geschickt umgeht, und so zwar leichte, aber den Leser wenig befriedigende Antworten erhält. Der Leser wird zweifellos selbst am besten beurteilen können, wieweit es mir gelungen ist, diese Fehler zu vermeiden. +Sendelbach bei Lohr a. M.+ =L. Wunder.= 1. Wie man chemische Kenntnisse erwirbt. (Ein Brief.) Lieber Freund! Sie fragen mich, ob ein Laie, der noch niemals in Chemie unterrichtet worden ist, imstande sei, sich durch eigene Belehrung eine richtige Vorstellung von chemischen Vorgängen zu machen. Diese Frage darf ich getrost bejahen. Freilich handelt es sich bei der Belehrung in chemischen Fragen um wesentlich andere Methoden als etwa beim Selbststudium der Geschichte. Denn Geschichte kann man zur Not allein aus Büchern und mit Büchern lernen. Soll ich Ihnen klarmachen, warum diese Methode für das Studium der Chemie unbrauchbar ist, so möchte ich die Chemie mit einer modernen Fremdsprache, etwa Französisch oder Englisch, vergleichen. Wenn Sie versuchen wollten, diese Sprachen +allein+ aus Lehrbüchern zu lernen, ohne jemals sich von einem Kundigen die Laute, Wörter und Sätze vorsprechen zu lassen und Ihr Ohr am lebendigen Klang der Sprache zu üben, so werden Sie mir zugeben, daß Ihre erste Unterhaltung in dieser Sprache mit einem wirklichen Beherrscher derselben recht merkwürdig klingen müßte. +Man muß also mit dem Ohr Erfahrungen sammeln, um mit dem Verstand Sprachen lernen zu können.+ In einer ganz ähnlichen Lage befinden Sie sich, wenn Sie die Sprache der Chemie lernen wollen: da müssen Sie die chemischen Vorgänge aus zahlreichen Experimenten zu sich reden lassen, um gleichsam Ihr Ohr an den Ton der chemischen Sprache zu gewöhnen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, was im Bereich der Chemie möglich ist und was unmöglich ist. Das Experiment ist nicht bloß in der Chemie, sondern in allen Naturwissenschaften die Grundlage alles Lernens und die letzte, ja die einzige +maßgebende+ Instanz für die Beantwortung aller Fragen. In unseren Schulen wird das noch viel zu wenig beachtet. Dort herrscht leider auch bei zahllosen Lehrern noch der Irrglaube, als ob man chemische Tatsachen aus Büchern lernen könne, aus Büchern, die uns doch im besten Fall nur zum Studium der Natur +anregen+ können. Hätten diese Lehrer eine Ahnung davon, welch entsetzliche Vergewaltigung ihre unnatürliche Lehrmethode für den Geist der Schüler bedeutet, so müßte sich ihr Verantwortungsgefühl dagegen aufbäumen. Aber selbst wenn ihnen diese Ahnung aufdämmern möchte, stehen ihnen noch hundert Ausflüchte offen: die uralte scholastische Überlieferung, der Mangel an Zeit, an Geld und Laboratoriumseinrichtungen, Arbeitsüberhäufung, ungenügende Entschädigung für Vorbereitungsarbeit, Disziplinschwierigkeiten im Laboratoriumsunterricht, die Gefahren und die gesetzliche Haftpflicht des Lehrers für Unfälle usw. -- Da wird wohl noch eine lange Zeit vergehen, bis die Laboratorien unserer Schulen aus dem Stadium des „Renommierlaboratoriums“ in das der wirklichen Arbeitsstätte übergetreten sein werden. Und doch müssen wir unerbittlich an der Erkenntnis festhalten, daß es kein wirkliches Lernen der chemischen Sprache gibt, außer in jenem Zwiegespräch mit der Natur, welches durch die +eigene+ Experimentiertätigkeit des Lernenden geführt wird. Es genügt auch nicht, daß der Lernende bloß den Experimenten des Lehrers zusieht; er muß selbst nach eigenem Ermessen Fragen an die Natur stellen können. Denn die Experimentalvorträge des Lehrers sind recht häufig nichts anderes als eine ~pia fraus~, ein frommer Betrug gegen den Schüler, der dem Lehrer meistens gar nicht voll zum Bewußtsein kommt. Denn der Lehrer wird aus naheliegenden Gründen stets solche Versuche auswählen, welche für die von ihm vorgetragenen Behauptungen sprechen; er wird Versuche, welche dagegen sprechen, nicht machen, vielleicht in der redlichen Absicht, den Schüler nicht durch Widersprüche zu verwirren. So dient er wohl der Klarheit, aber gewiß nicht der Wahrheit. Drei Viertel aller Experimentalvorträge unserer naturwissenschaftlichen Hoch- und Mittelschullehrer sind mit diesem Fehler behaftet und zwingen unter dem Scheine der Objektivität das Gehirn des Schülers in ausgefahrene Geleise. Es gibt nur ein einziges wirksames Mittel gegen solche Selbsttäuschung: das ist die +eigene+ Experimentiertätigkeit des Schülers, und zwar nicht jene „planvoll durch den Lehrer geleitete“ unserer an unfreiwilliger Komik so überreichen Schullehrpläne und Ministerialverordnungen, sondern die aus eigenem Denken hervorgegangene, vielleicht gerade durch die Lust am Widerspruch, durch den Zweifel an den einseitigen Ausführungen des Lehrers angeregte. In der Schule der Zukunft wird für diese eigene Versuchstätigkeit des Schülers unbeschränkte Zeit, unbeschränkte Gelegenheit und -- unbeschränkte Lust vorhanden sein. Dann wird auch kein Experimentalvortrag des Lehrers, sei er noch so einseitig und unwahr, Schaden anstiften können. Sie aber, lieber Freund, möchte ich mit diesen Worten angeregt haben, auch +meine+ folgenden Belehrungen und Behauptungen als einen Anreiz zum +Zweifel+ auf sich wirken zu lassen, der in Wahrheit der Vater aller Erkenntnis ist. Ich werde es mir zur Aufgabe machen, Ihren Zweifel förmlich herauszufordern. Ich werde Ihren Zweifel als den Stempel Ihres Geistes achten und ehren und werde Ihnen im Gefühl dieser Achtung nach meinen Kräften helfen, die Natur selbst zu befragen. Ihr getreuer L. W. 2. Was ein Chemiker sich unter einer Verbrennung vorstellt. Die Verbrennung gilt dem Laien als das sicherste Mittel, um einen Gegenstand unwiderbringlich zu vernichten. Aber auch der Chemiker wird, wenn er unliebsame Briefe vernichten will, zum Feuer greifen, und es wird ihm auch nicht gelingen, die jammernde Hausfrau zu überzeugen, daß ein in die Tischdecke gebranntes Loch nur auf einer Täuschung beruhe. Holz und Kohle im Ofen verbrennen auf Nimmerwiederkehr, die brennende Kerze scheint wahrhaft spurlos zu verschwinden. Selbst die katholische Kirche, die doch den Glauben an unser Fortleben nach dem Tode unerschütterlich festhält, wußte in der Inquisitionszeit kein besseres Mittel zur vollständigen Vernichtung der Ketzer als den Feuertod. -- Angesichts solcher Tatsachen ist es keine leichte Aufgabe, nachzuweisen, daß die Substanz keines einzigen verbrannten Gegenstands von der Erde verschwunden ist, daß kein Brief, kein Holzscheit, keine Kohle noch Kerze, kein ketzerischer Leib durch das Verbrennen auch nur um ein Milligramm leichter geworden ist, daß alle seit Urzeiten auf Erden verbrannten Dinge noch mit ihrem vollen Gewicht und ihren ganzen Bestandteilen auf Erden vorhanden sind. Die Geschichte des Begriffs „Verbrennung“ ist nämlich geradezu ein Schulbeispiel für die Richtigkeit des Satzes, daß der Schein trügt. Wenn man das gerade Gegenteil von derjenigen Auffassung glaubt, die einem zunächst als die richtige erscheint, so kommt man auf diesem Gebiet in den meisten Fällen der Wahrheit am nächsten. Denn wenn z. B. ein Stück Schwefel verbrennt, so sieht es aus, als ob seine Masse beim Brennen leichter würde, und wird doch schwerer; die schöne blaue Flamme scheint anzudeuten, daß ein Stoff aus dem Schwefel entweicht --, aber in Wirklichkeit ist sie ein Zeichen der Verbindung des Sauerstoffs mit dem Schwefel, also kein Symbol des Abgangs, sondern vielmehr ein Symbol des Zugangs eines Stoffes zum Schwefel; beim Brennen sieht es aus, als ob der Schwefel auf Nimmerwiedersehen verschwände, aber die Wahrheit ist, daß man ihn aus dem gasförmigen Verbrennungsprodukt leicht wieder abscheiden kann. Also jede unserer ersten Vermutungen erweist sich bei genauerer Prüfung als trügerischer Schein. Ich will nun eine Reihe von Versuchen beschreiben, welche jedermann in den Stand setzen, sich von der Richtigkeit meiner Behauptungen zu überzeugen. Zunächst ist nachzuweisen, daß jeder brennbare Körper beim Verbrennen nicht an Gewicht verliert, sondern im Gegenteil zunimmt. Dieser Nachweis ist am leichtesten, wenn +sämtliche+ Verbrennungsprodukte des Körpers +fest+ sind, wenn er sich also ausschließlich in +Asche+ verwandelt. Diese Eigenschaft besitzen die verbrennbaren Metalle, z. B. Eisen, Magnesium, Blei, Zinn. Nun brennen solche Metalle natürlich nicht so leicht, wie etwa Holz oder Kohle, und man muß sie daher in eine lockere Form bringen, am besten in Pulverform, um sie gut brennbar zu machen. Sehr gut eignet sich für unseren ersten Versuch das pulverförmige Magnesiummetall, welches in jeder Drogerie billig zu kaufen ist. Wir legen auf eine Tafelwage oder Briefwage, welche noch ein halbes Gramm Belastung deutlich durch einen Ausschlag erkennen läßt, ein Stückchen Ziegel oder Dachschiefer und schütten darauf etwa 10 Gramm Magnesiumpulver, so daß es einen kleinen Berg bildet. Dann stellen wir die Wage, falls es eine Tafelwage ist, durch Belastung der anderen Schale genau ins Gleichgewicht und zünden sodann mit einem Streichholz den Gipfel unseres Magnesiumberges an. Der ganze Berg gerät in kurzer Zeit in schöne Rotglut, und durch die Hitze wird ein aufsteigender Luftstrom erzeugt, welcher zunächst die Wagschale mit emporreißt, so daß es aussieht, als ob das Magnesium beim Verbrennen leichter würde. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, daß ein kleiner Teil der weißen Asche als Rauch emporgewirbelt wird und daß die übrige Asche merklich zusammensinkt und einen geringeren Raum einzunehmen scheint, als vorher das Metallpulver einnahm. Aber trotz dieser Verluste und Sinnestäuschungen erkennt man bereits nach wenigen Minuten, daß die Wagschale mit der Asche tiefer und tiefer herabsinkt und offensichtlich schwerer wird, als sie zuerst war. Die Gewichtszunahme wächst noch mehr, wenn man mit Hilfe einer Stricknadel den glühenden Berg vorsichtig auseinanderbreitet, so daß auch sein Inneres verbrennen kann. Auch mit pulverförmigem +Eisen+, welches in den Apotheken und Drogerien unter der lateinischen Bezeichnung ~Ferrum limatum~ zu kaufen ist, läßt sich der Versuch unter gewissen Bedingungen leicht anstellen. Diese Bedingungen bestehen darin, daß man das Eisenpulver mittels eines +Magneten+ an einer Wage aufhängt. Man benutzt dazu einen sogenannten Hufeisenmagneten, den man, gewöhnlich ziegelrot lackiert, bei jedem Optiker bekommt, und taucht seine Pole in das Eisenpulver, welches in dicken Büscheln daran hängen bleiben muß. Dann befestigt man den Magneten vorsichtig so an einer Schale einer Hornschalenwage oder anderen Balkenwage, daß der „Bart von Eisen“ nirgends anstößt, sondern allseitig frei hängt. Nun wird die Wage in genaues Gleichgewicht gebracht. Dann hält man eine Flamme, am besten eine Spiritusflamme oder einen Bunsenbrenner, unter den Eisenbart. Er entzündet sich und verglimmt langsam, während zugleich der Wagenarm sich senkt, an dem er befestigt ist. [Illustration: Abb. 1. Gewinnung von Bleioxyd durch Veraschen von Blei.] Auch Blei und Zinn werden bedeutend schwerer, wenn man sie durch Erhitzen an der Luft in Asche verwandelt. Man füllt zu diesem Zweck einen kleinen Porzellantiegel, welchen man in der Regel beim Optiker kaufen kann, zu dreiviertel mit zusammengeknülltem Stanniol oder kleingehacktem Blei und wägt ihn auf einer Hornschalenwage oder guten Briefwage. Hornschalenwagen wägen mit einer Genauigkeit bis zu ¹⁄₁₀₀ Gramm. Dann erhitzt man den Tiegel auf einem passenden Gestell in +schräger+ Lage, wie Abb. 1 zeigt. Die Schrägstellung des Tiegels ist notwendig, damit die Luft gut über das schmelzende Metall streichen kann. Zum Erhitzen muß man eine rußfreie und heiße Flamme haben, also entweder einen Bunsenbrenner oder eine Benzingebläselampe. Das geschmolzene Metall wird mit einer Stricknadel fleißig umgerührt. Nach 20–30 Minuten ist es größtenteils in Asche verwandelt, die sich beim Wägen (nach dem Erkalten) als bedeutend schwerer erweist. Niemand wird zweifeln, daß es sich in allen diesen Fällen um echte Verbrennungen handelt, wenn auch eine eigentliche Flamme nicht sichtbar wird. Die „Flamme“ entsteht nämlich nur dann, wenn der Brennstoff durch die Hitze oder durch andere Umstände wenigstens teilweise in Dampf verwandelt wird. Da nun Metalle, wie Eisen und Blei, nicht leicht verdampfen, so brennen sie auch nicht leicht mit Flamme. Schwefel dagegen oder Phosphor, welche leicht verdampfen, oder auch Wachs, Petroleum, Paraffin usw., bilden beim Brennen Flammen. Das Magnesiummetall nimmt eine Mittelstellung ein, da es in heller Glühhitze ebenfalls verdampft: zündet man einen Streifen Magnesiumband an, so kann man deutlich eine lodernde, blendend weiße Flamme beobachten. +Jede „Flamme“ ist ein brennender Dampf.+ [Illustration: Abb. 2. Gewichtszunahme bei der Verbrennung einer Kerze.] Ein Stoff, der mit Flamme brennt, scheint nun merkwürdigerweise beim Brennen stets leichter zu werden. In Wahrheit wird er aber doch nicht leichter, sondern gleichfalls schwerer. Aber sein Verbrennungsprodukt, seine „Asche“, ist eben meistens gasförmig und entweicht unsichtbar in die Luft. Was wir aber nicht sehen, das glaubt bekanntlich unser Herz nicht gern, und so sträuben wir uns gegen die Annahme, daß eine Kerze beim Brennen schwerer wird, weil wir die gasförmige, unsichtbare „Asche“ der Kerze nicht beobachten können. Nun ist es aber gar nicht schwer, diesen Zweifel zu entkräften. Die gasförmigen Verbrennungsprodukte der Kerze haben nämlich die Eigenschaft, von festem +Ätznatron+ (auch „Laugenstein“ oder „scharfe Soda“, „kaustische Soda“ genannt) aufgeschluckt und festgehalten zu werden. Wenn man daher über einer brennenden Kerze einen Lampenzylinder befestigt, dessen Höhlung mit Stücken von festem Ätznatron gefüllt ist, so hält dieser alle Verbrennungsprodukte der Kerze fest. Nun kann man mit einer Wage leicht feststellen, ob Kerze und Lampenzylinder zusammen beim Verbrennen der Kerze leichter werden oder schwerer. Der Versuch ergibt das letztere. Man muß dabei, wie Abb. 2 zeigt, einen gewissen Kunstgriff anwenden. Das feste Ätznatron hat nämlich die Eigenschaft, an der Luft ganz von selbst schwerer zu werden, weil es die in der Luft stets vorhandene Feuchtigkeit begierig anzieht. Würden wir also auf die eine Wagschale die Kerze und den Zylinder voll Ätznatron, auf die andere aber nur die Tariergewichte setzen, so könnte man mit Recht gegen das Versuchsergebnis einwenden, daß das Ätznatron durch heftige Anziehung der Luftfeuchtigkeit schwerer geworden sei. Dieser Einwand wird dadurch entkräftet, daß man auch auf die andere Wagschale einen ebensogroßen Zylinder voll Ätznatron bringt. Nun zeigt sich, daß trotzdem die Wagschale mit der brennenden Kerze schwerer wird. Gegen diesen Befund kann auch der scharfsinnigste Kritiker nichts einwenden: +die Gewichtsabnahme der brennenden Kerze ist nur eine Sinnestäuschung+. Auch die mit Flamme brennenden Körper werden beim Brennen nicht leichter, sondern schwerer. Also sind die Holzscheite und Steinkohlen, welche wir und unsere Vorfahren in den Öfen verbrannt haben, und die Leiber der armen Ketzer und Hexen, welche die Inquisition durch den Flammentod zu vernichten glaubte, in Wahrheit nicht verschwunden, sondern sie schweben noch als unsichtbare Gase in der Luft -- wenn diese Gase nicht im Haushalt der Natur eine andere Verwendung gefunden haben. Darüber werden wir noch Näheres hören. Stellen wir als vorläufiges Ergebnis unserer Untersuchungen fest: +es gibt keinen einzigen brennbaren Körper, der nicht bei der Verbrennung an Gewicht zunimmt+. Die Gewichtszunahme ist nur dadurch erklärbar, daß der brennende Stoff während der Verbrennung einen anderen Stoff an sich zieht. Dieser andere Stoff kann nur in der Luft enthalten sein: es ist bekanntlich das +Sauerstoffgas+, welches ziemlich genau den fünften Teil der Luft ausmacht. Aus diesem Grund vermag kein Körper, der in der Luft brennbar ist, im luftleeren Raum oder in einer Luft zu brennen, aus welcher man das Sauerstoffgas entfernt hat. Aus diesem Grund verlöschen auch brennende Körper nach einiger Zeit, wenn man sie in einem abgeschlossenen Luftraum hat brennen lassen: z. B. verlischt eine kleine Kerze sehr bald, wenn man sie mit Hilfe eines Drahtes in eine leere Flasche versenkt, weil das in der Flaschenluft enthaltene Sauerstoffgas sich bald mit der Kerze chemisch verbunden hat. Taucht man einen brennenden Streifen Magnesiummetall in eine leere Weinflasche und stöpselt man sie sofort, gleichzeitig, fest zu, so ist es nicht schwer nachzuweisen, daß das Magnesium beim Brennen einen Teil der Luft in sich aufgenommen hat: wenn man nämlich nach 10 Minuten die Flasche mit der fest verschlossenen Mündung unter Wasser taucht und nun entkorkt, so strömt Wasser hinein. Also ist beim Brennen des Magnesiums soviel Luft verbraucht worden, als nun durch Wasser ersetzt wurde. Diese Luft, oder vielmehr dieser Luftbestandteil, der Sauerstoff, ist es, welcher die Gewichtszunahme brennender Stoffe verursacht. Eine derartige Behauptung bleibt unverständlich für jeden Menschen, der über die Natur der Gase noch keine Erfahrungen gesammelt hat. Denn er kann sich nicht vorstellen, daß Luft ein Gewicht haben soll, oder wenn er es für möglich hält, so glaubt er, daß dieses Gewicht viel zu gering sei, um mit der gewöhnlichen Wage meßbar zu sein. Nimmt doch eine brennende Kerze weit mehr an Gewicht zu (wenn man die Verbrennungsprodukte wiegt), als ihr eigenes Gewicht beträgt. Und hätte die Luft wirklich ein Gewicht, so müßte sie doch zu Boden sinken. Ferner müßte sie auf die Wagschalen, auf den Tisch, ja, auf unseren eigenen Körper einen Druck ausüben. Es ist nicht schwer, diese Einwände zu entkräften. Daß die Luft trotz ihres Gewichtes nicht zu Boden sinkt, ist auf denselben Zusammenhang zurückzuführen, durch welchen ein Fisch im Wasser nicht zu Boden sinkt, obgleich er doch sicherlich ein recht wahrnehmbares Gewicht besitzt. Daß sie auf die Wagschalen, auf den Tisch, auf unseren Körper drückt, entgeht der gewöhnlichen Beobachtung aus einem ähnlichen Grund: denn wenn man eine Wage in eine Kufe voll Wasser stellt, so zeigt sie auch keinen Ausschlag an, obwohl das Wasser auf die Wagschalen drückt. Es drückt eben in diesem Fall nicht bloß auf beide Wagschalen gleichstark, sondern es drückt auch von unten und von den Seiten gegen die Schalen. So spüren wir auch von dem gewaltigen Druck der Luft auf unseren Körper nichts, weil die Luft durch Mund und Nase in unsere Lungen und in unser Blut gelangt und von hier aus dem Druck auf die äußere Körperfläche das Gleichgewicht hält. Unsere sämtlichen Körpergewebe sind sozusagen mit Preßluft gesättigt und infiltriert; bringt man eine Schale voll frisches Blut in einen luftleeren Raum, so schäumt und moussiert es wie eine entkorkte Brauselimonadenflasche, weil die eingepreßte Luft durch keinen Gegendruck in der Flüssigkeit mehr festgehalten wird. Denn der Druck der Luft ist in der Nähe des Erdbodens (in hohen Luftschichten ist er viel geringer) gewaltig stark: er beträgt etwa 1 Kilogramm auf jeden Quadratzentimeter. Auf die Oberfläche des menschlichen Körpers ausgerechnet, macht dies für einen Erwachsenen von 1½–2 Quadratmeter Hautoberfläche wohl einen Druck von 15000 bis 20000 Kilogramm, also von 300 bis 400 Zentnern, aus. Es sieht fast merkwürdig aus, daß wir unter dieser entsetzlichen Last nicht zusammenbrechen. Folgende Tatsache wird uns das Verständnis erleichtern: Die Chemiker benutzen zum Erhitzen ihrer Flüssigkeiten sehr dünnwandige Glaskolben mit ebenem Boden, sogenannte Kochflaschen. Stellt man eine solche Kochflasche in ein großes Druckgefäß und läßt man nun in dieses Druckgefäß komprimierte Luft oder verdichtetes Kohlensäuregas einströmen, so platzt die Kochflasche nicht, trotz ihrer dünnen Wandung, auch wenn man den Druck der Preßluft auf 200 Atmosphären steigert. Denn der Druck wirkt ebensostark auf die Innenseite, wie auf die Außenfläche der Kochflasche. Schließt man sie jedoch vorher luftdicht zu, so wird sie durch den Außendruck zusammengepreßt. Aus diesen und vielen anderen Versuchen geht eindeutig hervor, daß die Luft einen Druck ausübt, und dieser Druck kann nur von ihrem Gewicht herrühren. Tatsächlich besitzt die Luft ein recht wahrnehmbares Gewicht, welches für den Liter 1¼ Gramm beträgt. Man kann es leicht mit Hilfe einer alten, ausgedienten Glühlampe nachweisen. Da diese Lampen luftleer gepumpt sind, so müssen sie, wenn man durch Abbrechen der Spitze Luft hineindringen läßt, schwerer werden um das Gewicht der eingedrungenen Luft. Man wäge also eine möglichst große, unversehrte Glühlampe ab oder tariere sie auf einer Hornschalenwage, breche dann die Spitze, nachdem man sie mit einer kleinen Dreikantfeile angefeilt hat, ab, und wäge nun die Glühlampe samt der abgebrochenen Spitze wieder. Sie ist sehr merkbar (um 0,2–0,3 Gramm für die 16kerzige Lampe gewöhnlicher Größe) schwerer geworden. Somit kann es nicht mehr zweifelhaft sein, daß die Gewichtszunahme brennender Stoffe durch das Hinzutreten einer bestimmten Menge Luft erfolgt. Demnach muß also in dem Verbrennungsprodukt einesteils der Brennstoff, andernteils die hinzugetretene Luft enthalten sein. Durch geeignete Mittel muß es also gelingen, aus der „Asche“ beide Bestandteile wieder abzuscheiden. Es muß möglich sein, die matte, graugelbe Bleiasche wieder in glänzendes metallisches Blei zu verwandeln, indem man den Sauerstoff herauslockt. Aus der weißgrauen, glanzlosen Zinnasche muß sich Zinnmetall, aus dem unsichtbar gasförmigen Kohlensäuregas schwarze Kohle wiedergewinnen lassen. Freilich hängt der Luftsauerstoff so fest an den Metallen und an der Kohle, daß die Trennung einige Schwierigkeiten macht. Nur die Aschen des Quecksilbers und der edlen Metalle zerfallen schon beim bloßen Erhitzen in Metall und Sauerstoffgas. Aber wir können uns diese Aschen nicht selbst herstellen, haben daher auch an ihrer Zerlegung kein rechtes Interesse. Wollen wir aber die Aschen unedler Metalle zerlegen, so müssen wir nicht bloß Hitze anwenden, sondern auch dem Sauerstoff sozusagen einen Ersatz anbieten für das Metall, das er freigeben soll. Ein solcher Ersatz ist z. B. gepulverte Holzkohle. Wir mischen unsere Bleiasche mit Holzkohlenpulver, füllen das Gemisch in einen Tiegel, decken ihn mit einem Blech oder Scherben zu und erhitzen ihn über dem Bunsenbrenner oder am Herdfeuer auf Rotglut: nach dem Erkalten finden wir am Grund des Tiegels schön glänzendes, metallisches Blei. Wie der Vogel Phönix ist es aus der Asche neu erstanden. (Mit Zinnasche ist dieser Versuch viel schwieriger, da das Zinn den Sauerstoff fester hält als Blei.) Ebenso können wir leicht aus dem unsichtbaren, gasförmigen Verbrennungsprodukt der Kohle, dem Kohlensäuregas, wieder schwarze Kohle abscheiden, wenn wir dem Sauerstoff als Ersatz für die freizugebende Kohle das Metall Magnesium anbieten. Wir benutzen dazu die Versuchsanordnung der Abbildung 3. Das Magnesiumpulver wird in eine sogenannte Kugelröhre aus schwer schmelzbarem Glas gefüllt (man bekommt sie in den Geschäften für chemische Apparate oder bei Optikern) und von außen durch eine Flamme erhitzt, nachdem man begonnen hat, durch die Röhre einen Strom von Kohlensäuregas zu leiten. Zwischen den rot erglühenden Metallspänen scheidet sich eine Menge schwarzer Kohle ab. [Illustration: Abb. 3. Zurückgewinnung der Kohle aus dem Kohlendioxyd durch glühendes Magnesiummetall.] In der Natur kommt eine große Anzahl von Erzen vor, welche ihrer Zusammensetzung nach nichts anderes sind als Metallaschen, verbrannte Metalle. Man kann aus allen diesen Erzen die darin enthaltenen Metalle gewinnen, indem man die Erze mit Kohle zusammen erhitzt. Manche von diesen Erzen geben das Metall schon bei mäßigem Erhitzen mit Kohle frei, z. B. der weiße Arsenik das Arsen: man bringt (Abb. 4) in ein spitz zulaufendes Glasrohr aus schwer schmelzbarem Glas eine Spur eines feinzerriebenen Gemisches von Arsenik und Holzkohle, überdeckt dieses Gemisch mit einem winzigen Holzkohlensplitter und erwärmt es in einem kleinen Flämmchen. Das abgeschiedene Arsen verdampft in der Hitze und scheidet sich etwas oberhalb an den kälteren Wänden des Glasrohrs als schwarzer, glänzender Spiegel ab. Da weißer Arsenik als Rattengift Verwendung findet und nicht selten durch Verwechslung mit Zucker zu Vergiftungsfällen Anlaß gibt, so kann man verdächtige Stoffe auf diese Weise leicht auf Arsenik prüfen. [Illustration: Abb. 4. Darstellung schwarzen Arsens.] Auch aus den Eisenerzen wird nach demselben Verfahren das Eisen abgeschieden, wozu nur deshalb eine größere Hitze erforderlich ist, weil das abgeschiedene Eisen erst bei Gelbglut schmilzt und zusammenfließt. Der riesenhafte chemische Apparat, in welchem dieser wichtige Vorgang stattfindet, heißt bekanntlich Hochofen. Abb. 5 zeigt einen solchen aus Steiermark, dessen Höhe nicht weniger als 25 Meter beträgt. Die innere Weite nahe der Mitte ist 6½ Meter. Der ganze, gemauerte Schacht wird mit abwechselnden Lagen von Kohle und Erz gefüllt. Da das Erz aber nicht bloß aus Eisenasche, sondern auch zum großen Teil aus Gestein („Gangart“) besteht, welches das Zusammenfließen des geschmolzenen Eisens erschweren oder verhindern würde, so muß es mit einem sogenannten „Zuschlag“ versetzt werden. Dies ist (je nach Beschaffenheit der Gangart) eine quarz- oder kalkreiche Gesteinsart, welche sich mit der Gangart zu einer leicht schmelzbaren Schlacke verbindet. Besteht die Gangart aus Quarz, so muß der Zuschlag ein Kalkgestein sein; ist die Gangart umgekehrt kalkreich, so muß der Zuschlag viel Quarz enthalten: denn stets verbinden sich Quarz und Kalk, die für sich fast unschmelzbar sind, miteinander zu einer leicht schmelzbaren Schlacke. [Illustration: Abb. 5. Hochofen.] Der Hochofen ist infolge seiner großen Höhe sozusagen sein eigener Kamin. Der Zug dieses Kamins würde aber bei weitem nicht ausreichen, um die Hitze zu liefern, welche um raschen Ausschmelzen des Eisens notwendig ist. Deshalb wird durch besondere Öffnungen („Düsen“) von unten in den Hochofen Preßluft („Wind“) eingeblasen. Eine dieser Düsen ist in unserer Abbildung rechts unten zu sehen. Diese Preßluft wird, um recht wirksam zu sein, vor dem Eintritt ins Feuer um den ganzen Hochofen herumgeleitet und dadurch vorgewärmt. Diese Vorwärmeleitung sieht man etwas unterhalb der Ofenmitte im Querschnitt. Aus der oberen Öffnung („Gicht“) des Hochofens sind früher ungeheure Mengen brennbarer Gase („Gichtgase“) ungenutzt in die Luft entwichen. Jetzt fängt man sie mit Hilfe der in der Abbildung sichtbaren Vorrichtung auf und benutzt sie teils zur Vorwärmung des Windes, teils zum Betrieb von Gasmotoren. Die Konstruktion dieser Gasmotoren ist eine der größten technischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte. Denn die Gichtgase sind an und für sich minderwertig und so arm an brennbaren Bestandteilen, daß ihre Ausnutzung nur in Gasmotoren von riesenhafter Größe möglich war, die erst erfunden werden mußten. So werden jetzt bereits mehr als eine Million Pferdekräfte aus Gichtgasen gewonnen, die früher ungenutzt in die Luft entwichen. Obwohl erst ein Teil der deutschen Hochöfen mit Gichtgasmotoren verbunden ist, kann die so gewonnene Kraft in den eigenen Betrieben bei weitem nicht mehr verbraucht werden. Sie wird daher in unseren großen Eisenhüttenanlagen an Ort und Stelle in Elektrizität verwandelt und durch Überlandzentralen an die Städte und Ortschaften der weiteren Umgebung verteilt. Kehren wir nun zum Ausgangspunkt unserer Untersuchung zurück, so sehen wir ein Hauptkennzeichen aller Verbrennungsvorgänge darin, daß der brennende Körper sein Gewicht vermehrt um dasjenige einer gewissen Sauerstoffmenge, mit welcher er sich im Verbrennungsvorgang verbindet. Diese Sauerstoffmenge kann entweder aus der Luft entnommen werden, wie bei allen Verbrennungen gewöhnlicher Art; oder sie kann aus einem anderen Verbrennungsprodukt (einer Asche) stammen: so bei der Verbrennung von Kohle durch Eisenoxyd, bei welcher das Eisenoxyd in Eisen zurückverwandelt wird. Das Bild, welches sich ein Chemiker von einer Verbrennung macht, unterscheidet sich also recht wesentlich von der Auffassung der Laien: Der Brennstoff wird durch die Verbrennung nicht +vernichtet+, sondern nur +verwandelt+. Er wird dabei nicht +leichter+, sondern +schwerer+. 3. Über die Unterschiede zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen. Lieber Freund! Sie haben mir wieder eine Frage vorgelegt, deren Beantwortung (wenn sie überhaupt möglich ist) jedenfalls weit schwieriger ist, als Sie glauben. Ich soll Ihnen also eine scharfe Grenzlinie ziehen zwischen den Begriffen des physikalischen und des chemischen Vorgangs, woraus notwendig folgt, daß ich Ihnen erklären müßte, was ein physikalischer und was ein chemischer Vorgang ist. Dies kann ich aber gar nicht, wenigstens nicht in einer solchen Genauigkeit, daß die Erklärung für alle Fälle gilt. Sie müssen mir also erlauben, die Antwort auf Ihre Frage in dem Sinne einzuschränken, daß ich Ihnen die +scheinbaren+ Unterschiede zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen nenne. Sie werden mit dem Wachsen Ihrer chemischen Kenntnisse ganz von selbst bemerken, daß diese Unterschiede eben nur scheinbare sind. Betrachten wir als Beispiele für physikalische Vorgänge die Erhitzung eines Metallstücks bis zur Glut, das Schmelzen eines Metalls, die Verdampfung und das Gefrieren des Wassers. Was ist allen diesen verschiedenen Vorgängen gemeinsam? -- Kein Mensch wird behaupten können, daß ein Körper in einem +physikalischen+ Vorgang seine Eigenschaften +nicht+ ändere. Ändert sich doch schon beim Glühen das Aussehen aller Stoffe so außerordentlich, daß alle Farben und Oberflächeneigenschaften schwinden, der Glanz erlischt, die Härte sich außerordentlich verringert, die Leitfähigkeit für den elektrischen Strom ganz anders wird. Tatsächlich kann man dem Aussehen nach einen glühenden Stein von einem glühenden Eisenstück nicht unterscheiden, so groß die Unterschiede dieser beiden Stoffe in der Kälte sind. Und nun gar erst beim Schmelzen! Oder beim Verdampfen! Kann sich ein Körper stärker verändern in bezug auf Aussehen, spezifisches Gewicht, Härte, Zusammendrückbarkeit, Leitfähigkeit für den elektrischen Strom usw. als es ein verdampfender Stoff tut? -- Man wird also nicht sagen dürfen, daß das Wesen eines chemischen Vorgangs dadurch gekennzeichnet sei, daß sich die Eigenschaften des Stoffes ändern, der dem Vorgang unterworfen wird. Denn wenn sich Blei oder Magnesium durch den chemischen Vorgang der Verbrennung in Asche verwandelt, so ist die Änderung der Eigenschaften kaum größer, als wenn diese Metalle sich durch einen physikalischen Vorgang in Dampf verwandeln. Somit müssen wir die Kennzeichen chemischer Vorgänge in etwas ganz anderem suchen. Nun ist es eine auffallende Tatsache, daß bei chemischen Vorgängen stets und ohne Ausnahmen entweder Wärme +entwickelt+ oder Wärme +verbraucht+ wird. Alle Verbrennungen sind ja ein Beweis für den einen dieser Fälle, denn sie machen die freiwerdende Wärme deutlich erkennbar. Man hat eine Zeitlang geglaubt, in diesen Änderungen des Wärmeeinhalts das Hauptkennzeichen +chemischer+ Vorgänge erblicken zu müssen. Aber wie unrichtig diese Auffassung war, werden Sie mir sofort zugeben, wenn ich Sie daran erinnere, daß auch die allerhäufigsten +physikalischen+ Vorgänge ohne Wärmeinhaltsveränderungen nicht möglich sind: +kein+ Körper auf der ganzen Welt kann schmelzen oder verdampfen, ohne gleichzeitig Wärme zu verbrauchen; kein Gas kann sich verflüssigen, keine Flüssigkeit kann erstarren, ohne zugleich Wärme an die Umgebung abzugeben. Kein Körper kann von einem elektrischen Strom durchflossen, von einem Lichtstrahl getroffen werden, ohne sich dadurch zu erwärmen, und es gibt auch keinen Stoff auf der Erde, den man pressen oder hämmern könnte, ohne ihn zugleich wärmer oder kälter (Eis wird durch Druck kälter) zu machen. Also sind auch die Wärmezustandsänderungen kein sicheres Kennzeichen der +chemischen+ Vorgänge allein. Nun bleibt aber doch noch eine Gruppe von drei Möglichkeiten übrig, welchen allein die chemischen Prozesse genügen können. Diese Möglichkeiten sind: 1. das Zusammentreten zweier oder einiger Stoffe zu einem einzigen, der in +allen+ Eigenschaften von seinen Bestandteilen abweicht, 2. der Zerfall eines Stoffes in zwei oder einige, die in allen Eigenschaften von ihm verschieden sind, 3. der Austausch von Bestandteilen zwischen zwei Stoffen, so daß beide dadurch in ganz neue Stoffe verwandelt werden. Für den ersten Fall haben wir in den Verbrennungen viele treffliche Beispiele kennen gelernt. Blei tritt mit Sauerstoffgas zu gelber Bleiasche zusammen, welche in allen ihren Eigenschaften gänzlich verschieden ist sowohl vom Blei als vom Sauerstoff. Ein prächtiger Versuch zum Beweis des gleichen Falles ist die Bildung des Jodquecksilbers aus Jod und Quecksilber. Sie kaufen sich eine Zweikugelröhre aus schwer schmelzbarem Glas, wie Abb. 6, und bringen in die eine Kugel etwas gepulvertes Jod, in die andere etwas Quecksilber. Wenn Sie nun erst das Quecksilber und dann das Jod erwärmen, so bilden sich prachtvoll glänzende Kristalle von rotem Jodquecksilber. Dieser Versuch zeigt Ihnen zugleich, wie töricht es wäre, Chemie aus Büchern lernen zu wollen, ohne Versuche zu machen. Denn der +Name+ „Jodquecksilber“ läßt die beiden Bestandteile so leicht erkennen, daß man dadurch auf die falsche Meinung gebracht werden könnte, das wirkliche Jodquecksilber lasse seine Bestandteile ebenfalls leicht unterscheiden, so wie ein „Kesselwagen“ den Kessel und Wagen, ein „Motorrad“ den Motor und das Rad. Man sieht aber im Versuch mit Erstaunen, daß Jodquecksilber weder mit Jod, noch mit Quecksilber die geringste Ähnlichkeit hat. [Illustration: Abb. 6. Jod und Quecksilber.] Die zweite Reihe von chemischen Vorgängen ist durch den +Zerfall+ eines Stoffes in einige, von ihm verschiedene, gekennzeichnet. Beispiele dafür kennen Sie schon längst; denn Sie wissen, daß man Wolle, Haare, Kleiderstoffe, Holz usw. nicht erhitzen kann, ohne daß sie „sich zersetzen“, d. h. eben in solche anderen Stoffe chemisch zerfallen. Auch für die dritte Reihe von chemischen Vorgängen haben wir schon Beispiele kennen gelernt. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß zwei Stoffe durch den Austausch gewisser Bestandteile in zwei ganz neue Stoffe verwandelt werden. So entstand durch solchen Austausch aus +Bleiasche+ und +Kohlenpulver+: +Bleimetall+ und +Kohlensäuregas+, aus +Kohlensäuregas+ und +Magnesiummetall+: schwarze +Kohle+ und weiße +Magnesiumasche+. Durch Nachdenken über Ihre Frage bin ich noch auf einen anderen Unterschied zwischen physikalischen und chemischen Vorgängen gekommen: durch physikalische Prozesse wird das Gewicht des Stoffes, welcher dem Prozeß unterworfen wird, nicht verändert: ein Kilo Wasser behält sein Gewicht bei, auch wenn es gefriert oder in Dampf verwandelt wird. Durch chemische Vorgänge wird aber das Gewicht eines Stoffes stets vermehrt oder vermindert, je nachdem er einem chemischen Aufbau oder Zerfall unterworfen wird. Diese Gewichtsänderungen sind nun sehr interessant, weil sie nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten erfolgen, welche ich mich nun bemühen will, Ihnen klar zu machen. Wir haben im Anfang unserer Unterhaltungen auf einer Wage einen kleinen Berg aus Magnesiumpulver errichtet, haben ihn dann angezündet und festgestellt, daß er durch Sauerstoffaufnahme aus der Luft sein Gewicht vermehrte und dabei in weiße Magnesiumasche verwandelt wurde. Wir können uns nun fragen: wieviel Sauerstoff enthält diese Asche? Gibt es davon etwa verschiedene Qualitäten von verschiedenem Sauerstoffgehalt, so wie man fettreichen und fettarmen Käse kennt? Wird etwa die weiße Magnesiumasche noch reicher an Sauerstoff und noch schwerer, wenn man sie an der Luft weiterhin glüht? -- Oder gibt es stets dieselbe, einzigartige Verbindung einer ganz bestimmten Menge Magnesium mit einer unabänderlichen Menge Sauerstoff? -- Diese Frage hat die Chemiker erst um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zu interessieren angefangen, obgleich sie von so beispielloser Wichtigkeit ist, daß erst von ihrer Beantwortung an die Chemie ihren ungeheuren Aufschwung nehmen konnte. Da haben denn zahllose Untersuchungen ergeben, daß es allerdings von einem und demselben Metall verschiedene Aschen mit verschiedenem Sauerstoffgehalt gibt. So gibt es z. B. vom Blei nicht weniger als drei verschiedene Aschen, nämlich die gelbe Bleiglätte, das braunschwarze Bleisuperoxyd und die rote Mennige. Aber trotzdem hat es damit eine ganz andere Bewandtnis als mit den Käsesorten von verschiedenem Fettgehalt. Denn der Fettgehalt eines Käses kann in jeder beliebigen Abstufung reguliert werden; ist mir ein Käse von 20 % Fettgehalt noch ein wenig zu mager, so kann ich den Fabrikanten veranlassen, den Fettgehalt um 1, 2 oder 3 % zu erhöhen -- ganz nach meinen Wünschen. Finde ich aber die Bleiglätte, welche stets unabänderlich 7,17 % Sauerstoff enthält, für meine Zwecke zu arm an Sauerstoff, so kann ich ihren Gehalt daran allerdings auch erhöhen, +aber nicht nach Belieben+: ich kann sie nur in +Mennige+ verwandeln, welche außer dem Metall Blei noch 9,34 % Sauerstoff enthält, oder in Bleisuperoxyd, welches 13,81 % Sauerstoff enthält. +Mittelstufen zwischen diesen gibt es nicht.+ Auch besteht noch ein wichtiger Unterschied gegenüber den Käsesorten: diese sind doch im Grund, trotz ihres verschiedenen Bleigehalts, von gleicher Art und gleichartigen Eigenschaften. Die drei Sauerstoffverbindungen des Bleis sind dagegen +grundverschieden+ voneinander: Bleiglätte ist gelb, Mennige zinnoberrot, Bleisuperoxyd dunkelbraun. Bleiglätte löst sich in Essigsäure und in Salpetersäure leicht auf, Bleisuperoxyd in keiner von beiden Säuren, Mennige wird durch Salpetersäure in Bleisuperoxyd verwandelt usw. Es werden also die Verhältnisse bei chemischen Vorgängen von einem Gesetz beherrscht, welches der Engländer +John Dalton+, Lehrer in Manchester, um 1803 herum entdeckte und als „+Gesetz der bestimmten Gewichtsverhältnisse+“ bezeichnete. Etwas schwieriger war die Entdeckung eines zweiten Gesetzes über denselben Gegenstand, welche durch denselben Forscher wenige Jahre später erfolgte. Ich kann sie Ihnen ebenfalls an den drei Sauerstoffverbindungen des Bleis klarmachen. Wir haben vorhin folgende Prozentgehalte Sauerstoff für diese drei Verbindungen erwähnt: Bleiglätte 7,17 Mennige 9,34 Bleisuperoxyd 13,81 Rechnet man nun diese Sauerstoffgehalte um auf je einen Gewichtsteil Bleimetall, so findet man: in +Bleiglätte+ sind mit 1 g Blei verbunden: 0,0773 ~g~ Sauerstoff „ +Mennige+ „ „ „ „ „ „ 0,1030 „ „ „ +Bleisuperoxyd+ „ „ „ „ „ „ 0,1546 „ „ Betrachtet man diese Zahlen genauer, so erkennt man leicht, daß das Bleisuperoxyd genau doppelt soviel, die Mennige genau um ein Drittel mehr Sauerstoff enthält als die Bleiglätte. Dieselbe Beobachtung macht man, wenn man die Aschen anderer Metalle, z. B. des Eisens, mit der Wage und rechnerisch kontrolliert. +Stets ergeben sich zunächst komplizierte Zahlen, die aber stets untereinander in einem einfachen Verhältnis stehen.+ Diese Verhältnisse sind so einfach, daß man sie stets durch einstellige ganze Zahlen bezeichnen kann, also z. B. 1 : 2, oder 3 : 4, oder 4 : 7 usw. Dieses Gesetz heißt: „+Gesetz der mehrfachen Gewichtsverhältnisse+“. Durch die beiden Gesetze der „bestimmten“ und der „mehrfachen“ Gewichtsverhältnisse sind alle chemischen Vorgänge scharf gekennzeichnet. Ich hoffe, damit Ihre Frage in verständlicher Form beantwortet zu haben, und bitte Sie nur, mir Ihre Zweifel stets mitzuteilen. Mit herzlichen Grüßen Ihr L. W. 4. Atom und Molekül. (Eine Unterhaltung zwischen einem Laien und einem Chemieprofessor im Laboratorium.) +Der Laie+: Lieber Professor, gestatten Sie mir, daß ich Ihren wissenschaftlichen Theorien den Vorwurf mache, daß sie unserem Laienverstand oft ein wenig +naiv+ vorkommen. Was will Ihre Wissenschaft z. B. mit der +Atomtheorie+ sagen! Ist es wirklich Ihr Ernst zu behaupten, daß die Teilbarkeit einmal eine Grenze haben soll? Daß man z. B. den Feinheitsgrad eines Pulvers durch Mahlen nicht über eine gewisse Stufe erhöhen könne? Uns Laien erscheint, offen gesagt, die Annahme geradezu lächerlich, daß ein so winziges Teilchen plötzlich gegen jeden weiteren Teilungsversuch eine unüberwindliche Widerstandskraft entwickeln soll, während wir mit unseren Sprengstoffen doch sogar Nickelstahlpanzer bequem in Teile zerlegen können. Wer ist eigentlich zuerst auf diesen absurden Gedanken gekommen? +Der Professor+: Der Gedanke lag am Ende des 18. Jahrhunderts sozusagen in der Luft; klar ausgesprochen wurde er am Beginn des 19. Jahrhunderts zum erstenmal von demselben +John Dalton+ in Manchester, der die beiden Gesetze der einfachen und mehrfachen Gewichtsverhältnisse zuerst entdeckt hat. Was nun Ihre Einwände betrifft, so können Sie sich mit der Tatsache trösten, daß auch wir Fachgelehrten in der Anfangszeit unseres Chemiestudiums ebenso gedacht haben, wie Sie jetzt denken. Um so mehr dürfte es Sie interessieren, daß die Atomlehre in den hundert Jahren ihrer Entwicklung an Wahrscheinlichkeit nicht verloren, sondern im Gegenteil soviel gewonnen hat, daß heute wohl kein Chemiker im Ernst daran zu zweifeln wagt. +Der Laie+: Das ist mir ganz unbegreiflich, und Sie machen mich ordentlich neugierig, die Gründe zu hören. +Der Professor+: Die ältesten und noch immer nicht widerlegbaren Gründe für die Atomtheorie liefern uns die beiden Daltonschen Verbindungsgesetze (das der bestimmten und das der vielfachen Gewichtsverhältnisse). Hätte nämlich die Teilbarkeit der Stoffe keine Grenze, so müßten sich z. B. Blei und Sauerstoff in beliebigen Mengen miteinander verbinden lassen, so wie man etwa Spiritus und Wasser in beliebigen Verhältnissen miteinander mischen kann. Denn wenn schon das Blei den Sauerstoff anzieht und sich chemisch mit ihm verbindet, so ist nicht einzusehen, warum diese Verbindung nicht +kontinuierlich+ bis zu einem gewissen Sättigungsgrad erfolgt. Daltons Gedanke, die Eigenschaft der Teilbarkeit der Stoffe nur bis zur Größe der Atome gelten zu lassen, erklärt diese Tatsache augenblicklich in einer verblüffend einfachen Weise: ein kleinstes Bleiteilchen (Blei+atom+) verhält sich zu einem kleinsten Sauerstoffteilchen (Sauerstoffatom) dem Gewichte nach wie 1 zu 0,0773. Also besteht der chemische Prozeß bei der Verbrennung des Bleis einfach darin, daß sich je ein Bleiatom mit einem Sauerstoffatom verkettet. So erklärt sich sozusagen spielend das bestimmte Gewichtsverhältnis zwischen Blei und Sauerstoff, denn das sind eben die Gewichte der Atome. So erklärt es sich auch, warum es keine Übergangszustände gibt zwischen reinem Blei und reiner Bleiglätte, so etwa, wie man solche Übergangszustände zwischen reinem und verdünntem Spiritus kennt. +Der Laie+: Das scheint mir wirklich überzeugend. -- Woher kommt denn der sonderbare Name „Atom“ für diese kleinsten Teilchen? +Der Professor+: Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet „unteilbar“, unzerschneidbar. +Der Laie+: Wie erklärt aber Daltons Atomtheorie die Tatsache, daß es außer der Bleiglätte noch zwei andere Sauerstoffverbindungen des Bleies gibt? +Der Professor+: Hier gerade zeigt sich die Stärke dieser Lehre: sie betrachtet die kleinsten Teilchen des Bleisuperoxyds als Verkettungen von je +einem+ Bleiatom mit +zwei+ Sauerstoffatomen, wie folgende Zeichnung andeutet: [Illustration: Abb. 7. Ein Molekül Bleisuperoxyd, wie es nach Daltons Vorstellung aussieht.] und die Mennige als eine Verkettung von +drei+ Bleiatomen mit +vier+ Sauerstoffatomen: [Illustration: Abb. 8. Ein Molekül Mennige enthält dagegen ein vierarmiges und zwei zweiarmige Bleiatome.] Wenn Sie die Gewichtsverhältnisse dieser Atome nachrechnen, werden Sie genau dieselben Zahlen finden, welche wir früher als kennzeichnend für die drei Sauerstoffverbindungen des Bleis kennengelernt haben. +Der Laie+: Nach Ihren Figuren zu schließen, würden diese Atome miteinander durch eine Art von +Armen+ verkettet sein. +Der Professor+: Ja. Man nimmt dies an und nennt diese Striche „+Wertigkeits+“arme oder „+Valenzen+“ oder schlechthin „+Bindungen+“. Über sie wäre noch manches zu sagen. +Der Laie+: An Ihren Zeichnungen fällt mir etwas auf, was ich mir nicht erklären kann. Angenommen, die Atome hätten wirklich solche Wertigkeitsarme, womit sie einander fassen und festhalten: so müssen wir doch annehmen, daß die Anzahl dieser Arme für jedes Atom Blei gleich groß bleibt. In Ihrer Abbildung 7 hat aber das Bleiatom vier Arme, ebenso das mittlere Bleiatom der Abbildung 8, während die beiden äußeren Bleiatome dieser Abbildung nur je zwei Arme haben. -- Wie geht das zu? +Der Professor+: Ihre Frage rührt an eine kritische Stelle der Atomtheorie. Diese Lehre nimmt nämlich allerdings an, daß die Anzahl dieser Arme oder „+Valenzen+“ beim gleichen Atom wechseln kann. Sie nennt das Bleiatom in der Bleiglätte +zweiwertig+, weil es zwei Arme hat, dasjenige im Bleisuperoxyd vierwertig, weil es vier Arme hat; und sie nimmt mit gutem Grund an, daß in der +Mennige+ ein vierwertiges und zwei zweiwertige Bleiatome enthalten sind. Auf den ersten Blick erscheint diese Erweiterung der Atomlehre durch die +Wertigkeits+theorie, welche wir dem Chemiker +Kekulé+ verdanken, sehr willkürlich. Allein es sprechen gewichtige Tatsachen dafür. Bleiglätte löst sich nämlich in Salpetersäure auf, Bleisuperoxyd nicht. Behandelt man nun die zinnoberrote Mennige mit Salpetersäure, so lösen sich darin zwei Drittel ihres Bleigehalts auf, während das letzte Drittel ungelöst übrig bleibt. Dieses ist aber nun nicht mehr zinnoberrot, sondern dunkelbraun gefärbt: es besteht aus reinem Bleisuperoxyd. +Der Laie+: Dieses Versuchsergebnis spricht allerdings sehr für die Richtigkeit der Wertigkeitslehre. Wenn nun, wie ich vermute, jedes Atom seine eigene und besondere Wertigkeit hat und damit auch noch wechseln kann, wie sollen wir Anfänger uns dies alles merken? Jod und Magnesium und Quecksilber und Eisen haben doch gewiß auch alle verschiedene Wertigkeiten? +Der Professor+: Das „Merken“ ist hier, wie überall, Sache der praktischen Erfahrung und Übung. Jedoch werden wir vielleicht später im „+periodischen System der Elemente+“ ein Hilfsmittel kennen lernen, welches uns dieses Merken ganz außerordentlich erleichtert. +Der Laie+: Von „+Atomen+“ kann man aber jedenfalls nur bei einfachen, chemisch unteilbaren Stoffen reden; denn die kleinsten Teilchen chemischer Verbindungen, wie z. B. der Mennige, bestehen offenbar aus einer Mehrzahl von Atomen. +Der Professor+: Ja. Die Atome sind stets die kleinsten Teilchen der unzerlegbaren Stoffe, der „+Elemente+“. Die zerlegbaren Stoffe, welche aus Verbindungen der Elemente bestehen, müssen natürlich auch in ihren kleinsten Teilchen von jedem Element wenigstens ein Atom enthalten. Die kleinsten Teilchen solcher Verbindungen nennt man +Moleküle+ (vom lateinischen Wort ~molecula~, die kleine Masse). +Der Laie+: Wie ist das nun: haben die Atome der verschiedenen Elemente lauter verschiedene Gewichte, oder gibt es auch gleich schwere darunter? +Der Professor+: Sie sind alle voneinander verschieden, wenn auch manchmal nur um geringe Beträge, wie z. B. Nickel und Kobalt. +Der Laie+: Ich habe in chemischen Lehrbüchern schon manchmal solche Zahlen gesehen, die als „Atomgewichte“ bezeichnet waren. Ich konnte und kann mir noch immer nicht vorstellen, wie man gerade auf diese Zahlen gekommen ist. Ich erinnere mich z. B., für Blei die Zahl 207 gesehen zu haben. Das soll doch heißen, daß das Bleiatom 207 mal schwerer ist als etwas anderes. Aber was ist dieses andere? Womit hat man sich die Atome gewogen zu denken? +Der Professor+: Dieses andere ist das Wasserstoffatom. Es ist gewissermaßen das Grammgewicht im Gewichtskasten des theoretischen Chemikers. Blei hat wirklich das Atomgewicht 207; das heißt: sein Atom ist 207 mal schwerer als das Wasserstoffatom. -- Können Sie sich denn denken, wie man diese Wägung gemacht hat? +Der Laie+: Ich denke, man hat sie überhaupt nicht gemacht, denn die Atome sind natürlich viel zu klein, um gewogen werden zu können. Aber das ist wohl auch gar nicht nötig, denn das Gesetz der bestimmten Gewichtsverhältnisse erspart uns ja diese Wägung. Man braucht wohl nur gemessen zu haben, wieviel Gramm Blei sich mit einem Gramm Wasserstoff verbinden, und so wird man wohl die Zahl 207 gefunden haben. +Der Professor+: Sie haben beinahe recht. Die Sache wird nur dadurch ein wenig umständlicher, daß Blei und Wasserstoff sich anscheinend überhaupt nicht miteinander verbinden, wenigstens ist es bis jetzt nicht gelungen, eine solche Verbindung herzustellen. Man mußte daher das Atomgewicht des Bleis auf einem Umweg bestimmen. Man hat den Wasserstoff einer anderen chemischen Verbindung, nämlich der Schwefelsäure, durch Blei ersetzt und hat mit der Wage leicht feststellen können, wieviel Blei zum Ersatz von einem Gramm Wasserstoff notwendig war. Dabei war allerdings noch darauf Rücksicht zu nehmen, daß das Wasserstoffatom nach allen chemischen Erfahrungen stets nur einen Wertigkeitsarm besitzt, das Bleiatom aber in den meisten Verbindungen zwei solche hat. Also tritt in der Schwefelsäure ein Bleiatom stets an die Stelle von zwei Wasserstoffatomen. Das wahre Atomgewicht des Bleis muß daher doppelt so groß sein als die Zahl 103½, welche man auf diesem Umweg findet. +Der Laie+: Das ist ja ein förmliches Schulbeispiel für die Wahrheit des Satzes: „Nah beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.“ -- Gibt es denn nun noch weitere Beweise für das Vorhandensein der Atome? Denn wir haben uns bisher doch nur auf die, allerdings sehr ernst zu nehmenden, Daltonschen Gesetze gestützt. +Der Professor+: Die Gründe sind so zahlreich wie der Sand am Meer. Ich will ein paar von den auffallendsten herausgreifen. Da ist zunächst das sonderbare Verhalten der Gase in physikalischer und chemischer Hinsicht. Es weist geradezu auf eine Zusammensetzung aus kleinsten Teilchen hin. Es ist nämlich höchst merkwürdig, daß +alle+ Gase in physikalischen Beziehungen sich ganz gleichartig verhalten, wenn sie auch chemisch noch so verschieden zusammengesetzt sind. Sie werden von gleichen Drücken gleich stark zusammengepreßt und dehnen sich durch gleich starke Erwärmung um den gleichen Betrag aus. Dies gilt ebenso für das einfache, leichte Wasserstoffgas, wie für das schwere und zusammengesetzte Kohlensäuregas. Also muß dieses gleichartige Verhalten von der +chemischen+ Natur der Gase unabhängig sein. +Der Laie+: Mit der +physikalischen+ Beschaffenheit der Atome kann es wohl auch nicht zusammenhängen: denn ein Wasserstoffatom ist doch viel kleiner und leichter als ein Kohlensäuremolekül? Ich kann mir nicht denken, welche physikalische Eigenschaft der Atome da noch ins Gewicht fallen könnte? +Der Professor+: Sie vergessen die wichtigste Eigenschaft dieser kleinen Teilchen, nämlich ihre +Zahl+. Tatsächlich erklären sich alle gemeinsamen Eigenschaften der Gase geradezu spielend, wenn man annimmt, daß gleich große Räume verschiedener Gase die gleiche Anzahl kleinster Teilchen enthalten, seien es nun Atome oder Moleküle. Diese Teilchen befinden sich in fortwährender, rascher Bewegung, und ihr heftiger Anprall an die Gefäßwände erscheint uns als der Druck, welchen das Gas auf diese ausübt. Gleich viele Teilchen müssen natürlich den gleichen Druck ausüben. Durch +Erwärmen+ wird die Geschwindigkeit der Bewegung, also auch die Heftigkeit des Aufprallens auf die Wände gesteigert: tatsächlich wächst der Druck jedes Gases mit der Temperatur. +Der Laie+: Dies klingt freilich sehr bestechend. Aber die Wucht des Anpralls an die Gefäßwände hängt doch nicht bloß von der Anzahl der Teilchen ab; da kommt doch auch ihr Gewicht und ihre Geschwindigkeit in Betracht? +Der Professor+: Gewiß. Je schwerer ein Teilchen ist, um so langsamer muß seine Bewegung sein, wenn es mit der gleichen Wucht aufprallen soll, wie ein leichtes Teilchen. Tatsächlich ist nun der Gasdruck des leichten Wasserstoffgases und des schweren Kohlensäuregases gleich groß. Da die Kohlensäureteilchen 22 mal schwerer als die Wasserstoffteilchen sind, so müssen wir annehmen, daß sie sich viel langsamer bewegen als diese. +Der Laie+: Mir scheint, Ihre Theorien bedürfen doch einer zu großen Anzahl von Voraussetzungen, und sie verlieren dadurch recht erheblich an Wahrscheinlichkeit. +Der Professor+: Ich will Ihnen aber zeigen, daß jede dieser Voraussetzungen zu Folgerungen führt, welche mit den Tatsachen übereinstimmen. So haben wir eben festgestellt, daß die schweren Kohlensäureteilchen sich langsamer bewegen als die leichten Wasserstoffteilchen, weil sie sonst bei gleicher Anzahl nicht den gleichen Druck auf die Gefäßwände erzeugen könnten. Vorher hatte ich erwähnt, daß Erwärmung die Geschwindigkeit der Teilchen erhöht, Abkühlung infolgedessen sie verringert. Die Kohlensäureteilchen müssen also durch starke Abkühlung leichter und früher zur völligen Ruhe kommen als die rascher bewegten Wasserstoffteilchen. Tatsächlich ballen sich die Kohlensäureteilchen, wenn man sie auf 80 ° unter Null abkühlt, zu einem weißen Schnee zusammen, der zu Boden sinkt. Um das gleiche Ergebnis beim Wasserstoff zu erzielen, muß man dieses Gas viel stärker, nämlich auf 260 ° unter Null, abkühlen. +Der Laie+: Dies ist freilich sehr merkwürdig. Besteht dieses Verhältnis zwischen Schwere und Verdichtbarkeit bei allen Gasen? +Der Professor+: Bei allen, wäre wohl zuviel gesagt. Es gibt erklärbare Ausnahmen. Aber trotzdem werden Sie fast niemals fehl gehen, wenn Sie die schweren Gase als leicht verdichtbar, die leichten als schwer verdichtbar betrachten. Zum Beweis stelle ich Ihnen für einige Gase die entsprechenden Zahlen zusammen: ----------------+-------+-----------+----------+----------+----------- | Chlor | Kohlen- |Sauerstoff|Stickstoff|Wasserstoff | | säuregas | | | ----------------+-------+-----------+----------+----------+----------- Molekulargewicht| 70,4 | 44 | 32 | 28 | 2 ----------------+-------+-----------+----------+----------+----------- wird flüssig | | | | | (od. fest) bei: |-34 ° | -79 ° | -183 ° | -196 ° | -259 ° +Der Laie+: Gibt es noch andere Gründe für die Annahme, daß die verschiedenen Gase im gleichen Raum gleichviel Moleküle enthalten? +Der Professor+: Allerdings! Sie erinnern sich wohl, wie wir am Anfang zu dem Begriff „Atomgewicht“ gelangt sind: nicht etwa durch Wägung der Atome, sondern durch das Gesetz der bestimmten Gewichtsverhältnisse bei chemischen Verbindungen. Wenn wir z. B. +Silber+ mit +Chlorgas+ zusammenbringen, so beobachten wir, daß 108 Gramm Silber sich mit 35,2 Gramm Chlor verbinden. Lassen wir aber Silber etwa in der Salpetersäure an die Stelle von Wasserstoffgas eintreten, so finden wir, daß 108 Gramm Silber genau 1 Gramm Wasserstoffgas ersetzen. Daraus hat bekanntlich Dalton den Schluß gezogen, daß das Silberatom 108 mal schwerer ist als das Wasserstoffatom, während das Chloratom 35,2 mal so schwer als dieses ist. Ist es nun nicht merkwürdig, daß auch +ein Liter+ Chlorgas genau 35,2 mal schwerer ist als +ein Liter+ Wasserstoffgas? +Der Laie+: Das ist allerdings sonderbar; denn die Zahl 35,2 haben wir doch auf +chemischem+ Weg aus den Vorgängen zwischen Silber, Salpetersäure und Chlorgas gefunden. +Der Professor+: Ganz richtig! Und nun begegnen wir derselben Zahl durch eine rein physikalische Vergleichung der Gewichte von Chlor und Wasserstoffgas wieder. Dies +kann+ doch nur dadurch erklärt werden, daß gleiche Raumteile der beiden Gase gleichviel Atome enthalten. Denn wenn 1 Atom Chlor 35,2 mal schwerer ist als 1 Atom Wasserstoff, so ist natürlich auch eine Milliarde Chloratome 35,2 mal schwerer als eine Milliarde Wasserstoffatome. Ist umgekehrt 1 Liter Chlor 35,2 mal schwerer als 1 Liter Wasserstoff, so müssen beide gleichviel Atome enthalten. +Der Laie+: Dieser Beweis befriedigt mich schon besser. Gibt es noch weitere Gründe für die Atomtheorie? +Der Professor+: Wenn Sie die letzterwähnte Tatsache eingesehen haben, bin ich eigentlich erst in den Stand gesetzt, Sie mit den wichtigsten Gründen vertraut zu machen. Solche wurden besonders durch das genaue Studium der Eigenschaften der +Lösungen+ erschlossen. Es handelt sich dabei nur um +echte+ Lösungen, worunter wir solche verstehen wollen, welche beim Verdunsten des Lösungsmittels den gelösten Stoff wieder in Kristallen abscheiden. Diese Lösungen haben folgende sonderbare Eigenschaften gemeinsam: 1. Der gelöste Stoff erniedrigt den Gefrierpunkt des Lösungsmittels, 2. der gelöste Stoff erhöht den Siedepunkt des Lösungsmittels, 3. der gelöste Stoff macht das Lösungsmittel zu einem Leiter der Elektrizität, 4. der gelöste Stoff übt im Lösungsmittel einen eigentümlichen Druck, den +osmotischen+ Druck, aus; Sie erkennen ihn am einfachsten an der gewaltigen Aufblähung, welche eine mit Salzwasser gefüllte Schweinsblase erleidet, wenn man sie in reines Wasser legt. -- Diese vier Eigenschaften sind nun im allgemeinen derart von der Menge des gelösten Stoffes abhängig, daß die doppelte Menge auch die doppelte Wirkung ausübt. Reines Wasser z. B. gefriert bekanntlich bei 0 ° und kocht unter normalen Verhältnissen bei 100 ° Celsius; löse ich nun 100 Gramm Zucker in einem Liter Wasser, so wird diese Lösung erst unterhalb von 0 ° gefrieren und erst oberhalb von 100 ° kochen. Löse ich aber 200 Gramm Zucker im Liter, so bewirkt diese doppelte Zuckermenge auch eine doppelt so große Gefrierpunktserniedrigung und Siedepunktserhöhung, aber auch eine Verdoppelung der elektrischen Leitfähigkeit und des Quellungsdrucks (osmotischen Drucks). +Der Laie+: Aber dies hat doch mit der Atomlehre eigentlich nichts zu schaffen? -- +Der Professor+: Mehr, als Sie denken. Es hat nämlich neugierige Menschen gegeben, welche sich die Frage vorlegten: welche Mengen muß man von +zwei verschiedenen+ Stoffen in der gleichen Menge des Lösungsmittels auflösen, damit sie dessen Eigenschaften um den gleichen Betrag ändern? Also, z. B., wieviel Traubenzucker muß in 1 Liter Wasser gelöst werden, damit dessen Gefrierpunkt um ebensoviel erniedrigt wird, wie durch 100 Gramm Rohrzucker? -- Das Experiment hat nun die sonderbare Antwort erteilt, daß in diesem Fall die Mengen der gelösten Stoffe im +Verhältnis ihrer Molekulargewichte+ stehen müssen. Da der Rohrzucker fast das doppelte Molekulargewicht des Traubenzuckers hat, so braucht man von ihm in der Tat fast doppelt soviel. +Der Laie+: Dieses Gesetz erinnert ja geradezu an die Verhältnisse der Gase, deren Gewicht ebenfalls vom Molekulargewicht abhängt. +Der Professor+: Dieser nämliche Gedanke veranlaßte den Chemieprofessor van’t Hoff, einmal die Frage zu prüfen, ob vielleicht der Quellungsdruck (osmotische Druck) gelöster Stoffe dieselbe Ursache habe, wie der Druck der Gase. Er wollte also prüfen, ob auch der Quellungsdruck durch den Anprall der Moleküle des gelösten Stoffes verursacht würde. +Der Laie+: Ich kann mir gar nicht denken, wie diese Frage durch Versuche zu entscheiden wäre. +Der Professor+: Darin zeigte sich gerade die Genialität van’t Hoffs. Er entschied und beantwortete die Frage klar, ohne einen einzigen Versuch auszuführen, allein durch Umrechnungen aus alten Versuchsergebnissen des Botanikers +Pfeffer+ über den osmotischen Druck, den Pfeffer entdeckt hatte. Er sagte sich: wenn der Druck in Gasen und Lösungen nur von der Anzahl der Moleküle abhängt, so müssen 44 Gramm Kohlensäuregas, wenn man sie auf den Raum eines Liters zusammenpreßt, denselben Druck als Gasdruck zeigen, welchen 180 Gramm Traubenzucker, in einem Liter Wasser gelöst, als osmotischen Druck ausüben. Denn 180 ist das Molekulargewicht des Traubenzuckers. +Der Laie+: Und was haben die Zahlen Pfeffers darauf geantwortet? +Der Professor+: Was im Sinn der Atomlehre zu erwarten war: +die beiden Drucke stimmten überein+. +Der Laie+: Aber das ist ja wunderbar, das ist ein Triumph der Atomtheorie, ein Triumph des menschlichen Geistes! 5. Die Wärmeänderungen bei chemischen Vorgängen. Es ist für alle chemischen Vorgänge sehr kennzeichnend, daß dabei entweder Wärme entwickelt oder Wärme verschluckt wird. Es gibt keinen einzigen chemischen Vorgang, der nicht das eine oder das andere täte. Diese Veränderungen des Wärmeinhalts der Stoffe sind zwar kein Unterscheidungsmerkmal zwischen chemischen und physikalischen Vorgängen, wie schon früher erklärt wurde; aber sie sind für die Frage der Beständigkeit und für gewisse andere Eigenschaften der Stoffe von so hoher Bedeutung, daß wir uns etwas eingehender damit befassen wollen. Betrachten wir zuerst diejenigen chemischen Vorgänge, bei welchen Wärme +entwickelt+ wird. Man nennt sie „+exothermische+“ Vorgänge. Beachten wir ferner, daß jeder chemische Vorgang entweder in einem +Zerfall+ oder in einer +Neubildung+ (oder einer Vereinigung beider) besteht, und beschäftigen wir uns zunächst nur mit den Neubildungen. Wir wollen also solche Neubildungen betrachten, welche unter Wärme+entbindung+ erfolgen. Sie liefern stets sehr +beständige+ Produkte, d. h. solche Stoffe, welche nur schwierig in ihre Bestandteile zerlegbar sind. Ein gutes Beispiel ist die Bildung des Wassers aus Wasserstoffgas und Sauerstoffgas. Diese beiden Gase kann man bei gewöhnlicher Temperatur miteinander vermischen, ohne daß sie sich chemisch verbinden. Bringt man aber das Gemisch mit einer Flamme in Berührung, so erfolgt die Vereinigung beider Gase zu Wasserdampf. Dabei wird plötzlich eine ungeheure Wärmemenge frei, welche die Gase auf hohe Glut erhitzt --: die Vereinigung erfolgt deshalb unter starker Explosion. Daraus schließen wir zunächst, daß es falsch ist zu sagen: Wasserstoffgas + Sauerstoffgas = Wasser. Denn das Wasser ist doch um den Betrag der freigewordenen Wärme ärmer als das Gemisch der beiden Gase. Diese freigewordene Wärme ist sogar das eigentlich Unterscheidende zwischen dem Gasgemisch und dem daraus gebildeten Wasser. Wir müssen daher die Wasserbildung so formulieren: (Wasserstoffgas + Sauerstoffgas) − =Wärme= = Wasser. Haben wir uns diese Tatsache fest eingeprägt, so begreifen wir leicht, warum das Wasser eine so beständige Verbindung ist: es kann in seine beiden Elemente nicht zerfallen, ohne daß ihm die entwichene Wärme zuvor wieder zugeführt wird. Da nun diese Wärmemenge sehr groß ist, so muß das Wasser (als Dampf) bis auf 1800 ° erhitzt werden, damit es wieder in Wasserstoff und Sauerstoff zerfällt. So riesige Wärmemengen bieten sich dem Wasser nicht leicht dar, deshalb kann es von selbst nicht wieder zerfallen. Es ist aber ohne weiteres klar, daß schon bei der Entstehung des Wassers infolge der dabei auftretenden hohen Temperaturen die Möglichkeit gegeben ist, daß es wenigstens teilweise wieder zerfällt. Dadurch müßte ein Teil der freigewordenen Wärme wieder verbraucht oder, wie der Fachausdruck lautet, „latent“ werden. In der Tat hat man ausgerechnet, daß eine mit Sauerstoff gespeiste Flamme eine Temperatur von nahezu 10000 ° ~C~ erzeugen müßte, wenn alle im ersten Augenblick freiwerdende Wärme frei bliebe. Tatsächlich aber gibt diese Flamme kaum 2000 °, weil der Hauptteil der Wärme sofort wieder zur Spaltung des Wasserdampfs verbraucht wird. Diese Tatsache wirft ein eigentümliches Licht auf den Vorgang der Wärmeentwicklung überhaupt: dieser Vorgang richtet sich in seiner ganzen Wirkung offenkundig gegen denjenigen chemischen Vorgang, welchen er begleitet, nämlich gegen die Wasserbildung aus Wasserstoff und Sauerstoff. Es ist, als ob die Natur nicht damit einverstanden wäre, daß diese beiden Stoffe sich zu einem neuen Körper verbinden. Sie entwickelt daher aus den Bestandteilen heraus die Wärme als einen Widerstand gegen die Vereinigung, eine Kraft, welche das Vereinigungsprodukt wieder in seine Bestandteile zu zerlegen strebt. Sie erreicht jedoch diesen Zweck nur teilweise und unvollkommen, weil viel Wärme in die Umgebung abgeleitet wird. Die „exothermischen“ Verbindungen sind also sehr beständig und können nur durch große Energiezufuhr wieder in ihre Elemente gespalten werden. Bei vielen von ihnen, z. B. bei den meisten Verbindungen des Sauerstoffs mit den Metallen, reicht die höchste Glut unserer Öfen zu dieser Zerlegung noch nicht aus. Doch dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß in der Glut der +Sonne+ alle exothermischen Stoffe in ihre Elemente gespalten sind. Deshalb hat man noch vor 20 Jahren allgemein geglaubt, daß auf der Sonne überhaupt nur chemische Elemente als Dämpfe existieren könnten. Diese Ansicht hat sich jedoch nach genauerer Untersuchung der zweiten Gruppe chemischer Verbindungen, der „+endothermischen+“, als Irrtum erwiesen. Darunter versteht man diejenigen chemischen Verbindungen, welche bei ihrer Entstehung aus den Elementen Wärme aufnehmen, welche also energiereicher als ihre Elemente sind. Zu ihnen gehört das bekannte +Azetylengas+, welches aus Kohlenstoff und Wasserstoff besteht, ferner das +Ozon+ und vor allem die sämtlichen +Sprengstoffe+, also +Schießbaumwolle, Nitroglyzerin, Ammoniaksalpeter+ und +Knallquecksilber+ und viele andere. Der Grund für die Explosivität dieser Substanzen liegt in dem Wärmeüberschuß, den sie „latent“, also innerlich gebunden, enthalten. Beim Zerfall müssen sie diesen Wärmeüberschuß abgeben; er ist die Quelle der Explosionsenergie, der Zertrümmerungsarbeit. Diese Verbindungen brauchen sich nur in ihre Elemente umzulagern, um in einer viel energieärmeren Form bestehen zu können. Die endothermischen Verbindungen verhalten sich also in jeder Beziehung umgekehrt, wie die exothermischen. Diese entwickeln bei ihrem Aufbau Wärme, jene bei ihrem Zerfall. Die Wärme, welche die beständigen exothermischen Stoffe bei ihrer Entstehung abgeben, haben wir als einen Widerstand gegen diese Bildung kennen gelernt. Ist vielleicht auch die Explosionswärme, welche beim Zerfall der endothermischen Stoffe frei wird, ein Widerstand der Natur gegen diesen Zerfall?! -- Dies wäre nur dann möglich, wenn die Explosivstoffe in großer Hitze beständig wären. Diese Annahme erscheint auf den ersten Blick ganz widersinnig, weil man die meisten Explosivstoffe doch gerade durch Erwärmen zur Explosion bringen kann. Aus diesem Grund hat man solche Erwägungen lange ins Reich der Unmöglichkeit verbannt. Man hat sogar in der Wärmeentwicklung beim Zerfall der Sprengstoffe einen Grund für ihre Unbeständigkeit gesucht; man folgerte dabei etwa so: beim Zerfall des ersten Sprengstoffteilchens entwickelt sich Wärme, welche die Nachbarteilchen erhitzt und deren Zerfall beschleunigt; dadurch wird noch mehr Wärme frei, welche auf weitere Nachbarteilchen im gleichen Sinne wirkt, und so steigert sich spontan die Energie der Zerfalls. Diese Steigerung erfolgt so blitzschnell, daß alle ihre Stufen zusammen den einen Vorgang der Explosion bilden. Nun ist aber schon seit längerer Zeit bekannt, daß einige Sprengstoffe mit besonderer Vorliebe in der ungeheuren Hitze des elektrischen Funkens entstehen: so das +Azetylen+, wenn man eine Kohlenbogenlampe in Wasserstoffgas brennen läßt; das +Ozon+, wenn elektrische Funken durch Sauerstoffgas schlagen; die verschiedenen +Stickstoffoxyde+, wenn dem Sauerstoff Stickstoff beigemischt wird usw. Zunächst glaubte man, daß die Elektrizität hierbei nur die Wärmemenge liefere, welche alle endothermischen Verbindungen bei ihrer Entstehung aus den Elementen aufnehmen. Man glaubte, daß diese starke Aufschluckung der Wärme die Sprengstoffe im Augenblick ihres Entstehens vor der Wirkung der Hitze gewissermaßen schütze. Man glaubte somit, daß diese Sprengstoffe der Einwirkung des elektrischen Funkens nur einen Augenblick lang, nämlich für den Augenblick ihrer Entstehung, ausgesetzt sein dürften, solange sie nämlich diese Wärme durch Aufschluckung unschädlich machten. Man hielt es also für eine unerläßliche Bedingung des Gelingens, daß die gebildeten Sprengstoffe der weiteren Einwirkung der elektrischen Gluthitze durch sofortige Abkühlung entzogen würden. Man war so unerschütterlich von dem Dogma der „Unbeständigkeit“ dieser Sprengstoffe überzeugt, daß man es Jahrzehnte hindurch gar nicht für nötig hielt, die Frage überhaupt nur aufzuwerfen, ob denn die endothermischen Verbindungen bei ihrer hohen Entstehungstemperatur nicht auch bestehen könnten. Als diese Frage einmal aufgeworfen wurde, war sie auch gleich beantwortet: +die Sprengstoffe denken gar nicht daran, in der Blauglut des elektrischen Lichtbogens zu zerfallen, sondern sie sind gerade bei den höchsten Temperaturen unzerstörbar feste Verbindungen+. Sie verlieren also in der höchsten Glut ihren unbeständigen Charakter und fangen an, beständig zu werden, wenn die „beständigen“ exothermischen Verbindungen anfangen zu zerfallen. Dieses sonderbare Gesetz gilt nicht bloß für chemisch einheitliche Verbindungen, sondern es gilt auch für explosive +Gemische+ von Elementen: das bekannte +Knallgas+, die höchst explosive Mischung von zwei Raumteilen Wasserstoffgas mit einem Raumteil Sauerstoffgas, ist oberhalb von 1800 ° nicht mehr explosionsfähig. Deshalb erzählt der berühmte nordische Chemiker +Svante Arrhenius+ in seinem Buche über die Chemie der Himmelskörper, daß es in der glühenden Sonne nur zwei Arten von Stoffen gibt: chemische +Elemente+ und +endo+thermische Verbindungen. Die gewöhnlichen, bei uns so beständigen exothermischen Verbindungen zerfallen bei dieser Glut sämtlich in ihre Elemente. Wärme kann also bei zwei Arten von chemischen Vorgängen auftreten: entweder bei der +Entstehung+ exothermischer Verbindungen, oder beim +Zerfall+ endothermischer Verbindungen. Die erste Art haben wir bereits als einen Widerstand gegen die bevorstehende Veränderung erkannt. Nach diesen Ausführungen wird es uns nicht schwer fallen, auch die zweite Art der Wärmebildung als einen solchen Widerstand zu erkennen. Denn die zerfallenden Sprengstoffe, welche Wärme abgeben, nähern sich doch gerade dadurch demjenigen Zustand, in welchem sie nicht mehr zerfallen können: dem Zustand höchster Erhitzung. Aber wie in jenem, so wird auch in diesem Falle der Widerstand durch die Ableitung der Wärme in die Umgebung teilweise wirkungslos gemacht. Die Sprengstoffe haben, soweit ihr Verhältnis zur Wärme in Betracht kommt, auf physikalischem Gebiet ein Gleichnis: dies sind die unterkühlten Schmelzen. Wenn nämlich ein schmelzender Körper erstarrt, so gibt er dabei beträchtliche Mengen Wärme ab. Er kann überhaupt nur unter der Bedingung erstarren, daß ihn diese Wärme verläßt. Wir sind aber an diesen Vorgang so gewöhnt, daß wir meistens ihm nicht viel Beachtung schenken, sondern wir begnügen uns mit der Feststellung: „Die Schmelze erstarrt, weil sie kalt wird“. Nun gibt es aber Schmelzen, welche kalt werden können, ohne zu erstarren. Schmilzt man z. B. das in der Photographie verwendete Fixiernatron, oder auch essigsaures Natron, das man mit wenig Wasser durchfeuchtet hat, so kann man die Schmelzflüssigkeit in einer Flasche kalt werden lassen, ohne daß sie erstarrt. Es läßt sich aber leicht nachweisen, daß sich die erkaltete Flüssigkeit in einem gleichsam erzwungenen, unnatürlichen Zustand befindet: denn wenn man in sie ein einziges Kriställchen des festen Salzes hineinwirft, so fängt sie augenblicklich an, zu erstarren. Aber dabei entwickelt sich nun die ganze Wärmemenge, welche den flüssigen Zustand der Körper vom festen unterscheidet, und das Gefäß wird so warm, daß nur ein Teil seines Inhalts erstarren kann. Der Rest bleibt infolge der freigewordenen Erstarrungswärme flüssig. -- Aus diesen Vorgängen müssen wir schließen, daß die unter ihren Erstarrungspunkt abgekühlten Schmelzen, welche dabei nicht erstarrt sind, sich in thermischer Beziehung in einem ganz ähnlichen Zustand befinden wie die Sprengstoffe; beide enthalten überflüssige Wärme in verborgenem (latentem) Zustand. Beide geben diese Wärme bei entsprechender Reizung ab und nähern sich infolge der auftretenden Erwärmung wieder dem Zustand ihrer wahren Beständigkeit. Die endothermischen Verbindungen sind also auf chemischem Gebiet das, was die unterkühlten Schmelzen auf physikalischem sind. Bis jetzt wurde nur von solchen chemischen Vorgängen gesprochen, welche zwischen zwei Elementen stattfinden. Sie bestehen entweder in einer Vereinigung oder in einem Zerfall. Weitaus die Mehrzahl aller chemischen Vorgänge sind jedoch anderer Art: an ihnen beteiligen sich nicht bloß chemische Elemente, sondern auch Verbindungen, und zwar immer in der Art, daß Vereinigung und Zerfall gleichzeitig nebeneinander einherschreiten. Solch einen Vorgang haben wir schon kennen gelernt, als wir Bleiasche mit Holzkohle im Tiegel glühten. Da +zerfiel+ die Bleiasche in metallisches Blei und Sauerstoff; gleichzeitig +vereinigte+ sich dieser Sauerstoff mit der Kohle zu Kohlensäuregas. Es hat also ein Austausch stattgefunden: das Blei hat die Bleiasche verlassen, die Kohle ist an seine Stelle getreten. Solche Austauschprozesse können entweder +einseitig+ sein, wie der eben genannte, oder auch +wechselseitig+, wenn es sich nämlich um zwei Verbindungen handelt, welche je einen Bestandteil gegeneinander austauschen und dadurch in zwei neue Verbindungen übergehen. Es findet dann also ein doppelter Zerfall und ein doppelter Wiederaufbau von chemischen Verbindungen statt. Diese Vorgänge sind stets von sehr interessanten Wärmebewegungen begleitet, welche wir jetzt näher betrachten wollen. [Illustration: Abb. 9. Wie man im Zimmer dünnflüssiges Eisen darstellen kann, welches so heiß ist, daß es durch eine schmiedeeiserne Platte hindurchschmilzt.] Schon die +einseitigen+ Austauschprozesse verlaufen am liebsten in einer solchen Richtung, daß dabei Wärme entwickelt wird. Ein überraschend schönes Beispiel dieser Art ist seit einiger Zeit unter dem Namen des +Goldschmidtschen Eisenschmelzverfahrens+ bekannt geworden. Wir haben schon früher gesehen, daß man das Eisen aus seinen in der Natur vorkommenden Erzen mit Kohle im Hochofen ausschmilzt. Die hierfür in Betracht kommenden Erze sind Verbindungen des Eisens mit Sauerstoff und geben in der Glühhitze ihren Sauerstoff an die Kohle ab. Es ist also ein einseitiger Austauschprozeß, der erst in der Glühhitze vor sich geht. Nimmt man aber Aluminiummetall statt Kohle, so braucht man das Gemisch nicht in einen Hochofen zu füllen, sondern man kann die Reaktion im offenen Tontiegel erfolgen lassen. Es ist nur nötig, das innige Gemisch von Eisenerzpulver und Aluminiumgrieß an einer kleinen Stelle heftig zu erhitzen, indem man z. B. in den gefüllten Tiegel ein Stück Magnesiumdraht steckt und ihn anzündet. Sobald das brennende Magnesium mit dem Gemisch in Berührung kommt, entzündet sich dieses und brennt mit ungeheurer Glutentwicklung langsam nieder, ohne daß man von außen zu erhitzen braucht. Die freiwerdende Wärme ist so groß, daß nicht bloß das sich bildende Eisen, sondern auch das entstehende Aluminiumoxyd weißglühend und so dünnflüssig wie Wasser werden. Das geschmolzene Eisen ist sogar dermaßen überhitzt, daß man damit eine schmiedeeiserne Platte durchschmelzen kann, wenn man es durch ein Loch im Tiegelboden auf diese Platte fließen läßt. (Abb. 9.) Das geschmolzene Aluminiumoxyd, die Verbindung des Aluminiums mit dem Sauerstoff des Eisenoxyds, erstarrt dabei zu einer ungeheuer harten Masse, welche in allen Eigenschaften mit dem natürlichen Mineral +Korund+ übereinstimmt. Seine Härte übertrifft die des besten Stahls und wird selbst nur von der des Diamanten überragt. Man kann mit den zerschlagenen Stücken dieser Masse auf Glas schreiben und man kann Glasplatten damit fast ebenso gut zerschneiden, wie mit einem Diamanten. Der Erfinder Goldschmidt hat sich dieses Verfahren patentieren lassen zum Zusammenschweißen von großen Eisenstücken, z. B. von Schienenstößen. Denn das flüssige Eisen im Tiegel ist so entsetzlich heiß, daß man es nur in den Zwischenraum zwischen den beiden Schienenköpfen fließen zu lassen braucht, um diese dauerhaft miteinander zu verschmelzen. Man kann die außerordentliche Weißglut des Tiegelinhalts nur durch dunkelgefärbte Brillengläser ohne Gefahr für die Augen betrachten. Was ist nun der Grund, daß man mit Kohle das Eisen aus dem Erz nur unter großer Wärmezufuhr ausschmelzen kann, während die Ausschmelzung durch Aluminium von selbst unter heftiger Wärmeabgabe erfolgt? -- Diesen Grund erkennen wir leicht in den Wärmewanderungen, welche bei unserem Versuch erfolgen. Wir müssen uns nur darüber klar werden, daß unsere Austauschreaktion eigentlich aus +zwei+ verschiedenen chemischen Vorgängen besteht, nämlich: I. Eisenerz = Eisen + Sauerstoff, II. Sauerstoff + Aluminium = Aluminiumoxyd. Der erste Vorgang, die Zerspaltung des Eisenerzes in seine beiden Bestandteile, erfordert eine große Wärme+zufuhr+, da das Eisenoxyd eine stark exothermische Verbindung ist. Der zweite Vorgang, die Bildung des Aluminiumoxyds, +liefert+ eine noch viel größere Wärmemenge, als für den ersten Vorgang verbraucht wird. Infolgedessen schließt die Bilanz zwischen beiden Reaktionen mit einem starken Überschuß an freigewordener Wärme ab. Nimmt man statt des Aluminiums Kohle an, so liegt die Sache weniger günstig, und es ist dann notwendig, dem Gemisch noch Wärme zuzuführen. Man könnte sich nun fragen, warum das Gemisch aus Eisenoxyd und Aluminiumpulver so schwierig zu entzünden ist, da es doch einen so gewaltigen Wärmeüberschuß in sich trägt. Denn es ist eine ganz auffallende Tatsache, daß diese Mischung wenigstens an einer, wenn auch noch so kleinen, Stelle bis auf Weißglut erhitzt werden muß, um in Reaktion zu treten. Deshalb haben wir die Entzündung mit einem brennenden Magnesiumdraht vorgenommen, welcher eine außerordentlich hohe Temperatur erzeugt. Denn ein Zündholz oder eine glühende Kohle würde ganz wirkungslos bleiben; ja, man könnte sogar den ganzen Tiegel ohne Gefahr auf Rotglut erhitzen. Dies erklärt sich daraus, daß die Aluminiumteilchen mit einer sehr dünnen, aber sehr schwer schmelzbaren Haut von Aluminiumoxyd umhüllt sind, welche sie vor der Einwirkung des Eisenerzes schützt, wenn nicht diese Hülle zuvor durch große Hitze geschmolzen wird. Ist dies aber an einer noch so kleinen Stelle einmal geschehen, so schreitet der Prozeß infolge der von ihm selbst erzeugten Hitze selbsttätig vorwärts. +Die ganze Masse+ dürfte man auf keinen Fall von außen her bis zur Weißglut erhitzen: sonst würde ohne Zweifel eine heftige Explosion erfolgen, weil der große Wärmeüberschuß an allen Stellen zugleich frei würde. -- Dieses Beispiel hat uns die thermischen Vorgänge bei einem +einseitigen+ Austauschprozeß erläutert. Wie die Verhältnisse bei +zweiseitigen+ Austauschvorgängen liegen, werden wir in einem späteren Abschnitt kennenlernen. 6. Säuren, Basen und Salze. (Ein Gespräch zwischen einem Laien und einem Chemieprofessor im Laboratorium.) +Der Laie+: Was ist eine +Säure+? Ist mit diesem Wort ein chemischer Begriff verbunden, oder versteht man darunter schlechthin alles, was sauer schmeckt? +Der Professor+: Die Säure ist ein chemischer Begriff, und zwar, genau betrachtet, ein recht verwickelter. Aber ich hoffe, daß ich Ihnen doch eine Vorstellung davon geben kann. Sie wissen doch, was ein +Oxyd+ ist? +Der Laie+: Ich denke, die Verbindung eines Elements mit Sauerstoff. +Der Professor+: Ja. Und ferner ist Ihnen wohl bekannt, daß man die Elemente nach ihren Eigenschaften oft in +Metalle+ und in +Nichtmetalle+ unterscheidet? +Der Laie+: Die Unterscheidung ist mir wohl bekannt, aber ich muß gestehen, daß ich sie nicht gerade als scharf empfinde. Welche Eigenschaften sollen für diese Unterscheidung maßgebend sein? Ich denke, für die Metalle wird man wohl ihren Glanz, ihre Schwere, ihr Leitungsvermögen für Wärme und Elektrizität als maßgebend betrachten. Aber gibt es nicht auch leichte Metalle einerseits und glänzende und schwere Nichtmetalle andrerseits? +Der Professor+: Allerdings, z. B. die Metalle +Natrium+ und +Kalium+ und das nichtmetallische Element +Jod+. Der Unterschied zwischen Metallen und Nichtmetallen ist in der Tat nicht scharf, und man kann bei manchem Element im Zweifel sein, wohin man es rechnen soll. Aber im großen und ganzen ist es doch eine berechtigte Unterscheidung, wenn man sich nur nicht auf eine einzige Eigenschaft bei der Beurteilung stützt, sondern vielmehr ihre Gesamtheit in Betracht zieht. Auch muß man die Eigenschaften richtig bewerten: für die Metalle ist namentlich ihre +Undurchsichtigkeit+ und ihr Leitungsvermögen für Elektrizität kennzeichnend. +Der Laie+: Die Undurchsichtigkeit soll eine metallische Eigenschaft sein? Aber Schwefel, Kohle, Porzellan sind doch gewiß keine Metalle trotz ihrer Undurchsichtigkeit? +Der Professor+: Jeder nichtmetallische Stoff läßt sich durch gewisse Kunstgriffe, wie Umschmelzen oder Umkristallisieren aus Lösungen, in eine durchsichtige Form verwandeln; ganz leicht gelingt dies bei den Nichtmetallen Schwefel, Phosphor, Kohle, Bor, Silizium! Denken Sie nur an den Diamanten, der die durchsichtige Form der Kohle ist. Auch das Porzellan besteht aus an und für sich durchsichtigen, freilich sehr kleinen Kristallen, die nur infolge ihres ungleichwertigen Lichtbrechungsvermögens ein weißes Gemisch geben. Ein durchsichtiges Metall gibt es dagegen nicht; zwar sind auch die Metalle in sehr dünnen Lagen etwas durchscheinend, aber niemals, auch in den dünnsten Schichten nicht, klar durchsichtig. +Der Laie+: Also, den Unterschied zwischen Metallen und Nichtmetallen zugegeben, wie kommen wir zum Begriff der Säure? +Der Professor+: Sehr einfach: Sie brauchen nur das Oxyd eines nichtmetallischen Elements in Wasser zu lösen. +Der Laie+: Demnach wäre Schwefelsäure eine Verbindung von Schwefeloxyd mit Wasser? +Der Professor+: Ja. +Der Laie+: Und Phosphorsäure eine Verbindung von Phosphoroxyd mit Wasser? +Der Professor+: Ja, und ebenso erhalten Sie Kohlensäure aus Wasser und einem Oxyd des Kohlenstoffs, Borsäure aus Boroxyd und Wasser, Salpetersäure aus Stickstoffoxyd und Wasser, Chlorsäure aus Chloroxyd und Wasser usw. +Der Laie+: Und was entsteht, wenn man ein Metalloxyd in Wasser auflöst? +Der Professor+: Da kommt es zunächst darauf an, ob sich das Oxyd in Wasser löst, was in verhältnismäßig wenigen Fällen erfolgt. Dann kommt es darauf an, ob das Metalloxyd viel oder wenig Sauerstoff enthält. Enthält es wenig, so gibt es mit Wasser eine +Lauge+ oder +Base+. Enthält es viel, so hat seine Verbindung mit Wasser häufig die Eigenschaften einer Säure. +Der Laie+: Da ist es wohl möglich, daß die sauerstoffarmen Oxyde eines Metalls basische Eigenschaften haben, während die sauerstoffreichen mit Wasser Säuren geben? +Der Professor+: Dies könnte man sogar fast als die Regel bezeichnen. Jedenfalls gilt es für Chrom, Mangan, Eisen und viele andere Metalle. Ihre „niederen“, d. h. sauerstoffarmen Oxyde sind in Wasser unlöslich, haben aber trotzdem basische Eigenschaften; die höheren, sauerstoffreichen Oxyde sind in Wasser löslich und bilden damit echte Säuren. +Der Laie+: Wie erkennt man eine Säure? Wodurch unterscheidet sie sich praktisch von einer Base? +Der Professor+: Zunächst ist es auffallend, daß die wässerigen Lösungen der Säuren fast alle einen sauren Geschmack haben, obgleich sie oft ungeheuer verschieden zusammengesetzt sind. Auch einige andere Eigenschaften sind den meisten Säuren gemeinsam: sie färben blauen Lakmusfarbstoff rot, sie lösen Metalle und Metalloxyde auf, sie entwickeln mit Metallen, die sie lösen, Wasserstoffgas. Viele von ihnen wirken auch wasserentziehend auf wasserhaltige Stoffe. Es läßt sich nun nicht leugnen, daß manche von diesen Eigenschaften auch den Basen zukommen: auch sie lösen manche Metalle unter Wasserstoffentwicklung, auch sie wirken ätzend und wasserentziehend auf viele Stoffe. Aber gegen Lakmus und andere Farbstoffe verhalten sich die Basen stets umgekehrt und entgegengesetzt wie die Säuren: sie färben Lakmus, das von Säure gerötet ist, wieder blau, Methylorange, das durch Säuren gerötet ist, wieder gelb. Der Geschmack der Basen ist ebenfalls ganz anders als der der Säuren. +Der Laie+: Wie verhalten sich nun diese beiden gegnerischen Stoffe zu einander? Was tritt ein, wenn man eine Säure und eine Base zusammenbringt? +Der Professor+: Sie vereinigen sich miteinander, oft unter sehr heftiger Reaktion, zu einem +Salz+. Dabei wird stets das Wasser, welches in der Säure und in der Base chemisch gebunden ist, wieder abgestoßen. +Der Laie+: Also bestehen die Salze aus Verbindungen von Metalloxyden mit Nichtmetalloxyden? +Der Professor+: Ja, und man kann sie dementsprechend ebenso gut aus diesen durch Zusammenschmelzen darstellen. So können Sie z. B. das Kupfersalz der Phosphorsäure, welches man phosphorsaures Kupfer oder Kupferphosphat nennt, entweder so herstellen, daß Sie die Kupferbase in Phosphorsäure auflösen, oder durch Zusammenschmelzen von Kupferoxyd mit Phosphoroxyd. +Der Laie+: Warum heißt man diese Stoffe +Salze+? Hat dieser Name etwas mit dem Kochsalz zu tun, womit wir die Speisen salzen? +Der Professor+: Ja. Das Kochsalz entsteht beim Zusammenbringen von Natronlauge und Salzsäure. Es ist sozusagen ein Normaltypus des Begriffes „Salz“, denn es vereinigt alle kennzeichnenden Eigenschaften der Salze in sich. Es löst sich in Wasser und kristallisiert aus dieser Lösung beim Verdunsten des Lösungsmittels aus; es erhöht den Siedepunkt, den osmotischen Druck und die elektrische Leitfähigkeit des Lösungsmittels und erniedrigt seinen Gefrierpunkt. Es rötet weder blauen, noch bläut es geröteten Lakmusfarbstoff. Es tauscht gegen stärkere Säuren seine Säure, gegen stärkere Basen seine Base aus. +Der Laie+: Sind denn diese Eigenschaften wirklich kennzeichnend für die Salze? Gibt es nicht auch unlösliche Salze? +Der Professor+: Allerdings, sogar recht viele. Aber selbst die „unlöslichsten“ unter ihnen, wie das schwefelsaure Barium, sind eben doch nicht ganz unlöslich; sie sind in Wasser nur so wenig löslich, daß wir es nur schwierig bemerken. Aber in der Natur sind selbst diese schwerlöslichen Stoffe aus wässerigen Lösungen im Lauf langer Zeiten in prächtigen, großen Kristallen abgeschieden worden. Wir können daher auch die sogenannten unlöslichen Salze nur als schwerlöslich betrachten und müssen für sie dieselben Gesetze als gültig annehmen, welche für die löslichen Salze gelten. +Der Laie+: Sie sagten vorhin, das Kochsalz röte weder den blauen, nach bläue es den geröteten Lakmusfarbstoff. Ist dies auch für alle Salze kennzeichnend? Ich dächte, ein Salz, das aus einer sehr starken Säure und einer sehr schwachen Base besteht, müßte auch noch saure Eigenschaften besitzen. +Der Professor+: Dies ist auch tatsächlich der Fall. Das Kupfersulfat und überhaupt viel Schwermetallsalze der Schwefelsäure, Salzsäure und Salpetersäure reagieren noch deutlich sauer, weil diese drei Säuren viel stärker sind als die Schwermetallbasen. Dagegen reagieren z. B. das phosphorsaure und das borsaure Natrium wie Basen, weil die Natronlauge als Base in diesen Salzen viel stärker ist als die Säuren, an die sie gebunden ist. +Der Laie+: Solche Salze nennt man dann wohl „+saure Salze+“, bzw. „+basische Salze+“? +Der Professor+: O nein! Diese Namen bedeuten etwas ganz anderes, nämlich chemische Verbindungen von Salzen mit einem Überschuß ihrer eigenen Säuren bzw. Basen. So kann sich z. B. 1 Molekül Kaliumsulfat mit 1 Molekül Schwefelsäure zu „+saurem Kaliumsulfat+“ verbinden; ebenso 1 Molekül Kohlensäure mit 1 Molekül kohlensaurem Natrium zu „+saurem kohlensaurem Natrium+“ (Natriumbikarbonat). Viele dieser sauren Salze reagieren gegen Lakmus durchaus nicht sauer, sondern alkalisch, weil ihre Säure viel schwächer als ihre Base ist. Dies gilt z. B. vom Natriumbikarbonat, vom Borax, der sogar einen großen Überschuß an Borsäure enthält, vom sauren Natriumphosphat und vielen anderen Salzen. +Der Laie+: Sie erwähnten vorhin, daß man den Säurebestandteil eines Salzes durch eine stärkere Säure austreiben könne. Ich denke mir, daß dies eine vorteilhafte Darstellungsweise für alle schwächeren Säuren sein müßte. +Der Professor+: Sie haben recht. Die Methode ist für den Chemiker geradezu unersetzlich, weil er durch die +Kristallisation+ unreine Säuren auf dem Umweg über ihre Salze leicht und vollständig reinigen kann. Die Säuren haben nämlich häufig nur eine geringe Neigung zu kristallisieren, oder sie tun es, wie z. B. Essigsäure, nur in ganz reinem Zustand. Ihre Salze kristallisieren dagegen meistens leicht und hinterlassen dabei alle Unreinigkeiten in der „Mutterlauge“, d. i. in dem nicht kristallisierenden Rest der Lösung. Will man also z. B. aus dem stinkenden, braungefärbten, rohen Holzessig reine Essigsäure darstellen, so verfährt man etwa folgendermaßen: man schüttet in den Holzessig Natronlauge oder kohlensaures Natrium und erhält so eine ganz unreine Lösung von essigsaurem Natrium. Diese läßt man in der Wärme solange eindunsten, bis beim Abkühlen der größte Teil des essigsauren Natriums sich in Kristallen abscheidet. Dieses beständige Salz kann man nun beträchtlich erhitzen, so daß die meisten Verunreinigungen herausdestillieren, ohne daß es selbst Schaden leidet. Dann löst man es nochmals in Wasser auf und „kristallisiert es um“, d. h., man scheidet aus dieser Lösung abermals durch Eindampfen die Hauptmasse des Salzes in Kristallen ab. Diese sind nun fast als ganz rein zu betrachten. Erhitzt man sie mit Schwefelsäure, so verdrängt diese durch ihre große Stärke die Essigsäure, und es hinterbleibt schwefelsaures Natrium, während die Essigsäure herausdestilliert. So kann man viele Säuren chemisch rein darstellen. +Der Laie+: Ist denn die Essigsäure eine Verbindung eines Nichtmetall-Oxydes mit Wasser? +Der Professor+: Nein. Sie hat eine viel kompliziertere Zusammensetzung. Sie werden sich erinnern, daß ich Ihnen ausdrücklich sagte, ich vermöchte Ihnen nur einen Begriff von dem zu geben, was Säuren und Basen sind. Dieser Begriff ist aber nicht erschöpfend; es gibt noch viele Säuren und auch viele Basen, die weder ein Metalloxyd noch ein Nichtmetalloxyd enthalten. Um auch diese zu verstehen, müßten wir uns zuerst mit der +Ionen-Theorie+ vertraut machen. Dies wollen wir aber, wegen der erforderlichen bedeutenden Vorkenntnisse, lieber auf später vertagen. +Der Laie+: Können zwei verschiedene Salze ebenfalls aufeinander einwirken? +Der Professor+: O ja. Sie tun es sehr häufig, um nicht zu sagen: immer. Dabei erfolgt dann ein wechselseitiger Austausch derart, daß beide Salze ihre Säuren miteinander vertauschen. Ich möchte Ihnen da doch ein prachtvolles Beispiel im Versuch vorführen. Sehen Sie diese farblose Lösung: sie enthält salpetersaures Quecksilberoxyd. Und hier eine zweite, ebenfalls farblose Flüssigkeit: es ist eine Lösung von Jodkalium in Wasser (Jodkalium = jodwasserstoffsaures Kalium, das Salz aus Jodwasserstoffsäure und Kalilauge). Nun schütte ich beide Lösungen zusammen, und Sie sehen eine herrlich scharlachrote Färbung. Sie setzt sich als dickes Pulver zu Boden, während die überstehende Flüssigkeit farblos ist. Was ist dieses scharlachrote Pulver? +Der Laie+: Wenn das jodwasserstoffsaure Kalium und das salpetersaure Quecksilberoxyd ihre Säuren gegenseitig ausgetauscht haben, so kann nur salpetersaures Kalium und jodwasserstoffsaures Quecksilberoxyd entstanden sein. Der Niederschlag muß aus einem dieser beiden Stoffe bestehen. +Der Professor+: So ist es auch. Er besteht aus Jodquecksilber, wie man der Kürze halber statt „jodwasserstoffsaures Quecksilber“ sagt. Das andere Umsetzungsprodukt, das salpetersaure Kalium, ist in der überstehenden, farblosen Flüssigkeit gelöst. +Der Laie+: Wenn man also diese farblose Flüssigkeit vorsichtig vom roten Bodensatz abgießt und eindampft, so erhält man Kristalle von salpetersaurem Kalium? +Der Professor+: Jawohl. Und das Jodquecksilber ist nur deshalb zu Boden gesunken, weil es zu den „unlöslichen“ Salzen gehört. Es ist in Wasser nur sehr wenig löslich. Setzt man aber mehr Jodkaliumlösung hinzu, so sehen Sie, wie es sich darin wieder völlig auflöst. +Der Laie+: Und die Lösung ist wieder ganz farblos geworden! Die Farbe dieser Umsetzungsstoffe tritt offenbar nur dann zutage, wenn sie unlöslich sind und infolgedessen als Niederschläge aus der Lösung ausfallen. +Der Professor+: Hier sind Sie entschieden im Irrtum. Ich zeige Ihnen hier eine gelbe Lösung von salzsaurem Eisen und eine farblose von rhodanwasserstoffsaurem Ammonium. Lassen Sie sich durch die schrecklichen Namen nicht irre machen, es sind zwei echte, einfache Salze. Wenn ich diese Lösungen zusammenschütte, so sehen Sie eine prächtig blutrote +Lösung+ von rhodanwasserstoffsaurem Eisen. Hier zeigt nur die +Farbe+ die Umsetzung an, denn ein Niederschlag ist nicht entstanden. -- Ein zweites Beispiel: Hier ist eine farblose Lösung von Chlorkalzium (salzsaurem Kalzium), und hier eine blaue von salpetersaurem Kupfer. Ich gieße beide zusammen: es entsteht eine grasgrüne Lösung von salzsaurem Kupfer. +Der Laie+: Ich bin mir in dieser interessanten Sache über eine Frage noch nicht im klaren: wenn ich salpetersaures Kalium mit Schwefelsäure mische, so erwarte ich, daß schwefelsaures Kalium und Salpetersäure entstehen. Wenn ich, umgekehrt, schwefelsaures Kalium mit Salpetersäure mische, so erwarte ich aus denselben Gründen, daß salpetersaures Kalium und Schwefelsäure entstehen. Was gilt nun? Beides zugleich kann doch nicht richtig sein? Wie kann ich mir merken, welcher von beiden Vorgängen der richtige ist? +Der Professor+: Sie berühren hier eine außerordentlich wichtige Sache, die ich Ihnen ausführlich erklären möchte. Wir wollen bei dem von Ihnen gewählten Beispiel bleiben und wollen es in der Form einer Gleichung anschreiben: Salpetersaures Kalium + Schwefelsäure = schwefelsaures Kalium + Salpetersäure. Liest man die Gleichung von links nach rechts, so bedeutet sie den einen, von rechts nach links aber den anderen Vorgang. Tatsächlich sind nun beide Vorgänge möglich, beide finden auch wirklich statt, aber unter merklich verschiedenen Begleitumständen. Ich vermische hier in diesem Glasgefäß trockenes salpetersaures Kalium mit konzentrierter Schwefelsäure: Sie sehen Dämpfe von Salpetersäure aufsteigen und bemerken beim Anfassen des Gefäßes eine beträchtliche Erwärmung. Nun vermische ich in einem zweiten Gefäß trockenes schwefelsaures Kalium mit konzentrierter Salpetersäure. Sie sehen keine Dämpfe aufsteigen, denn die vorhandene Salpetersäure verschwindet zum Teil, und Sie bemerken, daß das Gefäß in diesem Fall sehr +kalt+ wird. Aus dem ersten Vorgang müssen Sie schließen, daß reines salpetersaures Kalium und reine Schwefelsäure nicht nebeneinander bestehen können, ohne aufeinander einzuwirken. Also können diese beiden Stoffe unmöglich allein als Endergebnis des zweiten Vorgangs auftreten. Aus dem zweiten Vorgang erkennen Sie dagegen, daß auch schwefelsaures Kalium und Salpetersäure unmöglich nebeneinander bestehen können, ohne aufeinander einzuwirken. Also können diese beiden Stoffe nicht das ausschließliche Endergebnis des ersten Vorgangs sein. +Der Laie+: Demnach müßte man annehmen, daß in einem solchen Gemisch alle vier Stoffe zugleich vorhanden sind: nämlich salpetersaures Kalium, Schwefelsäure, schwefelsaures Kalium und Salpetersäure. +Der Professor+: Dies ist auch tatsächlich der Fall. Aus dem ersten Paar bildet sich fortwährend das zweite, aus dem zweiten bildet sich gleichzeitig fortwährend das erste zurück. Somit halten die vier Stoffe einander sozusagen das Gleichgewicht. Dies ist aber nicht immer so möglich, wie in unserem Beispiel. Wenn nämlich einer der neugebildeten Stoffe +unlöslich+ ist, so entzieht er sich dadurch dem Einfluß des anderen. Das ist z. B. bei unserem schönen, scharlachroten Jodquecksilber der Fall, wenn Sie Jodkalium mit salpetersaurem Quecksilber zusammenbringen. +Der Laie+: Sie wollen sagen, daß in diesem Fall das gebildete Jodquecksilber sich mit dem ebenfalls neugebildeten salpetersauren Kalium nicht wieder rückläufig umsetzen kann, weil das Jodquecksilber unlöslich ist? +Der Professor+: Ja. Dasselbe gilt für alle diejenigen chemischen Vorgänge, bei welchen einer der neugebildeten Stoffe entweder unlöslich ist, oder sich als Gas aus dem Wirkungsbereich der anderen Stoffe entfernt. In allen diesen Fällen verläuft der chemische Vorgang nur in einer Richtung und dauert so lange, bis die letzte Spur der Ausgangsstoffe verschwunden ist, bis sich also kein unlöslicher oder gasförmiger Stoff mehr neu bilden kann. In allen anderen Fällen entsteht ein chemischer Gleichgewichtszustand. +Der Laie+: Nun bleibt immer noch die Frage offen, wie weit in diesen anderen Fällen der Prozeß in einer Richtung fortschreitet. Dauert dies so lange, bis die vier Stoffe in gleichen Mengen vorhanden sind, oder müssen sie im Verhältnis ihrer Molekulargewichte stehen, oder von welchen Umständen sonst hängt das Gleichgewicht ab? +Der Professor+: Dafür sind +drei+ Umstände maßgebend: die +Konzentration+ der Lösungen, ihre +Temperatur+ und der +Druck+, unter welchem sie stehen. Denken Sie nur an die Darstellung der Salpetersäure aus salpetersaurem Kalium und Schwefelsäure. Je mehr man dieses Gemisch erwärmt, um so vollständiger wird die Salpetersäure aus dem Salpeter „ausgetrieben“. Denn die Salpetersäure ist in der Hitze bestrebt, sich als Dampf der Reaktion zu entziehen. Durch +Druck+anwendung kann dies aufgehalten werden, weil Druck den Salpetersäuredampf wieder verflüssigt. Denken Sie ferner an den Vorgang des +Kalkbrennens+. Wenn man kohlensauren Kalk glüht, so zerfällt er in seine beiden Oxydkomponenten, nämlich in das Metalloxyd +Kalziumoxyd+ und in das Nichtmetalloxyd +Kohlendioxyd+. Dieses entweicht als Gas. Schließt man aber das zu brennende Kalkstück in ein Gefäß ein, so daß das Kohlendioxydgas nicht entweichen kann, so übt es auf seinen Entstehungsherd einen Druck aus. Dieser Druck verhindert den weiteren Zerfall des Kalkstücks. +Der Laie+: Das sieht ja gerade so aus, als ob sich das zerfallende Kalkstück einen Widerstand gegen seinen eigenen Zerfall in Gestalt dieses Druckes erzeugt? +Der Professor+: So ist es auch. Der ganze „+Satz vom chemischen Gleichgewicht+“, den +Guldberg+ und +Waage+ in Christiania entdeckt und als „+Massenwirkungsgesetz+“ bezeichnet haben, besagt nichts anderes, als daß sich jeder chemische Vorgang während seiner Abwicklung von selbst einen Widerstand erzeugt, der diese Abwicklung zu hemmen sucht. Entsteht bei einem solchen Vorgang Wärme, so sind die neugebildeten Körper ganz gewiß in der Hitze unbeständig; wird Wärme verbraucht, so ist ebenso sicher anzunehmen, daß sie in der Kälte unbeständig sind. Entsteht ein Gas, welches einen Druck ausübt, so hemmt dieser Druck den Prozeß; wird aber dabei ein Gas verschluckt, so daß ein luftleerer Raum entsteht, so ist dieses Vakuum bestrebt, die weitere Absorption des Gases zu hindern. Und wenn in einer Lösung die neugebildeten Stoffe aufeinander einwirken und die Ausgangsstoffe rückbilden, so ist dies eben auch nichts anderes, als ein Widerstand gegen die Neubildung. +Der Laie+: Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Sie haben mir verwickelte Vorgänge, die ich niemals glaubte verstehen zu können, auf ein großartig einfaches Grundgesetz zurückgeführt. 7. Die Salpetersäure und was man daraus macht. Wenige Stoffe haben für unsere Zivilisation eine so große Bedeutung, wie die Salpetersäure. Wir wollen uns daher mit ihr, mit ihrer Darstellung und Anwendung etwas gründlicher befassen. Die Salpetersäure wurde früher ausschließlich durch Erhitzen von Salpeter mit Schwefelsäure dargestellt. Man benutzt dazu den billigen, sogenannten „Natronsalpeter“ oder „Chilisalpeter“, welcher in Chile in ungeheuren Lagern bergmännisch gewonnen wird. Diesen salzartigen Stoff könnte man sich aus Natronlauge und Salpetersäure entstanden denken; wenn man ihn mit konzentrierter Schwefelsäure erhitzt, so verbindet sich die Natronlauge mit der Schwefelsäure zu schwefelsaurem Natrium, während die Salpetersäure herausdampft und durch Abkühlung der Dämpfe gewonnen werden kann. Man kann dies z. B. in gläsernen Gefäßen machen, wie Abb. 10 zeigt. Diese Darstellungsweise der Salpetersäure hängt von der Einfuhr des Chilisalpeters ab, also von einem ausländischen Rohstoff. Dies war schon in Friedenszeiten ein Anlaß, nach einer anderen Darstellungsart zu suchen. Der Krieg hat dieses Bestreben der Deutschen mit Erfolg gekrönt: sie benutzen jetzt als Ausgangsstoff für die Gewinnung der Salpetersäure das Billigste, was man sich denken kann, nämlich die +Luft+. Um diese wertvolle Entdeckung zu verstehen, erinnern wir uns, daß sich die Salpetersäure bildet, wenn man ein Oxyd des Stickstoffgases, also eine Verbindung von Stickstoffgas mit Sauerstoffgas, in Wasser löst. Nun besteht die Luft zufälligerweise aus einem +Gemeng+ dieser beiden Gase. In der Luft sind sie nur miteinander gemengt, aber nicht chemisch verbunden. Denn wenn man Luft z. B. in kaltem Wasser sich auflösen läßt und dann durch Erwärmen wieder austreibt, so zeigt sich, daß sich der Sauerstoff in reichlicherem Maße in Wasser gelöst hat als der Stickstoff. Dies wäre nicht möglich, wenn in der Luft Sauerstoff und Stickstoff chemisch aneinander gebunden wären. Läßt man aber durch die Luft elektrische Funken schlagen, wozu sich namentlich Wechselstrom von etwa 1000 Volt Spannung gut eignet, so verbinden sich beide miteinander zu einem rotbraunen Gas, welches sich in Wasser zu Salpetersäure auflöst. Dieses Gas zeigt so recht, wie verschieden eine chemische Verbindung von einem bloßen Gemeng ihrer Bestandteile ist: das +Gemeng+ ist farblos und für unsere Lunge zum Atmen notwendig; die Verbindung dagegen ist rotbraun, für die Lunge höchst giftig, und löst sich in Wasser zu Salpetersäure. [Illustration: Abb. 10. Darstellung der Salpetersäure aus Salpeter und Schwefelsäure.] Als diese Erfindung, Salpetersäure aus Luft und Wasser darzustellen, gemacht war, war sie noch lange nicht lebensfähig. Denn die Geschicke solcher Erfindungen sind immer auf das engste mit der Preis- und Rentabilitätsfrage verknüpft: es mußte gelingen, die „Luft“-Salpetersäure zum gleichen Preis oder billiger herzustellen als die Salpetersäure aus Chilisalpeter, dann war erst die Erfindung technisch wertvoll. Wovon hängt nun der Preis beider Produkte ab? -- Die Gewinnung des Chilisalpeters ist an der Fundstelle ungemein einfach und billig; sein Preis wird daher, außer durch die Nachfrage, im wesentlichen durch die Transportkosten bestimmt. Der Preis der Luftsalpetersäure richtet sich hauptsächlich nach den Gestehungskosten der verwendeten Elektrizität. Stellt man diese, wie bei uns in Deutschland, durch Umwandlung aus Dampfmaschinenarbeit her, so ist sie für die Salpetersäuregewinnung in der Regel zu teuer. Dies ist aber nicht mehr der Fall, wenn die Elektrizität, wie in Norwegen, aus natürlichen Wasserkräften gewonnen wird. Deshalb ist Norwegen („~Norge~“ auf norwegisch) der eigentliche Sitz der Luftsalpetersäuregewinnung. Es hat bereits im Jahre 1910 mehr als 260000 Zentner Kalksalpeter (sog. Norgesalpeter) im Wert von über 2 Millionen Mark ausgeführt. Die Erzeugung von Chilisalpeter hat allerdings zurzeit noch etwa den vierzigfachen Wert. Man verwendet die Salpetersäure sowohl im freien Zustand als flüssige Säure, als auch in Form ihrer festen Salze. Sprechen wir zuerst von dieser zweiten Anwendung. Es sind nur drei Salze der Salpetersäure, welche in sehr großen Mengen angewendet werden: das salpetersaure Natrium (Natronsalpeter oder Chilisalpeter), das salpetersaure Kalium (Kalisalpeter) und das salpetersaure Kalzium (Kalksalpeter, Norgesalpeter). Die wichtigste Anwendung des Natron- und des Kalksalpeters ist die als +Düngemittel+. Er kräftigt durch seinen Stickstoffgehalt das Blattwachstum außerordentlich, ist daher bei Mais, Rüben, Kartoffeln und Klee mit Vorteil zu verwenden. Da aber beide Salpeterarten im Regenwasser leicht löslich sind, gibt man nicht die ganze Jahresdüngung auf einmal, sondern besser in kleineren Mengen nach und nach. Der Kalksalpeter enthält um ⅐ weniger Stickstoff als der Chilisalpeter; diese Tatsache ist beim Einkauf der Berechnung des Preises und bei der Düngung der Berechnung der erforderlichen Menge zugrunde zu legen. Bei der Gewinnung der Luftsalpetersäure entsteht zugleich eine kleine Menge +salpetrige Säure+; diese verhält sich ihrer chemischen Zusammensetzung nach zur Salpetersäure etwa so, wie Mennige zum Bleisuperoxyd, d. h. sie ist etwas ärmer an Sauerstoff. Die salpetrige Säure und ihre Salze sind aber für die Pflanzen giftig. Wenn daher im Norgesalpeter etwas salpetrigsaurer Kalk enthalten ist, so verschlechtert dies seine Wirkung beträchtlich. Dieser Umstand erschwerte anfangs den Wettbewerb des Kalksalpeters mit dem Chilisalpeter; inzwischen jedoch hat man gelernt, den Gehalt des Kalksalpeters an dieser schädlichen Substanz auf ein Mindestmaß herabzudrücken. Während also die Salze der Salpetersäure für fast alle Pflanzen ein hervorragendes Nahrungsmittel bilden, sind sie für den tierischen Körper, also auch für den menschlichen, starke Gifte. Trinkt man eine, wenn auch sehr verdünnte, Lösung von Salpetersäure, so wird einem fast augenblicklich schlecht, und es folgt Erbrechen mit allen Erscheinungen einer Vergiftung. Die Salze der Salpetersäure, also alle Arten von Salpeter, wirken nicht so giftig wie die freie Säure. Da aber im tierischen Magensaft etwas freie Salzsäure enthalten ist, welche aus einer Salpeterlösung stets etwas Salpetersäure frei macht, so ist auch der Genuß von Salpeterlösung gesundheitsgefährlich. Es ist nicht überflüssig, dies zu wissen, weil der Salpeter die Eigenschaft hat, geräucherte Fleischwaren mit schön roter Farbe zu konservieren. Obgleich seine Anwendung verboten ist, findet man in den Rauchfleisch- und Wurstwaren nicht selten Salpeter, dessen Genuß besonders für Kinder schädlich ist. Die hauptsächlichste Anwendung fand der Salpeter in vergangenen Zeiten zur Bereitung des Schwarzpulvers. Dazu kann man aber weder den Natronsalpeter noch den Kalksalpeter verwenden, weil diese beiden Salze die Eigentümlichkeit haben, aus der Luft Wasser anzuziehen und zu zerfließen. Man benutzt daher zur Schießpulverbereitung den luftbeständigen Kalisalpeter. Dieser wird aus dem überseeischen Natronsalpeter durch eine Wechselumsetzung in der Weise gewonnen, daß man heißgesättigte wässerige Lösungen von Natronsalpeter und +Chlorkalium+ miteinander vermischt. Dann findet folgende Umsetzung statt: salpetersaures Natrium + Chlorkalium = salpetersaures Kalium (Chilisalpeter) (Kalisalpeter) + Chlornatrium. (Kochsalz) Es bildet sich also neben dem Kalisalpeter noch Kochsalz. Nach dem Satz vom chemischen Gleichgewicht kann die Umsetzung keine vollständige sein, weil die beiden neugebildeten Stoffe sich wieder rückwärts miteinander zu den Ausgangsstoffen umsetzen. Indessen, ein besonderer Umstand sorgt doch dafür, daß die Ausbeute an Kalisalpeter reichlich genug ist: denn der Kalisalpeter ist in heißem Wasser viel leichter löslich als das Kochsalz (etwa achtmal mehr), in kaltem dagegen schwerer. Infolgedessen scheidet sich beim Vermischen der heißgesättigten Lösungen von Chilisalpeter und Chlorkalium eine Menge Kochsalz in fester Form aus, wodurch der rückläufige Prozeß sehr eingeschränkt wird. Diesen Kalisalpeter, der also durch eine Umwandlung (Inversion) aus dem Chilisalpeter gewonnen wird, nennt man +Inversions+salpeter. Das Chlorkalium, welches zu seiner Darstellung gebraucht wird, findet sich in Deutschland in den Steinsalzlagern in ungeheuren Mengen. Obgleich nun das aus Kalisalpeter, Schwefel und Holzkohle zusammengesetzte Schwarzpulver seit der Erfindung des rauchschwachen Pulvers bei weitem nicht mehr in so großen Mengen verbraucht wird, wie früher, gehen doch noch etwa 1½ Millionen Zentner jährlich durch den Handel, die einen Wert von 30 Millionen Mark bedeuten. Weit umfangreicher und bedeutungsvoller ist die Verwendung der +freien Salpetersäure+. Sie hat nämlich die Eigenschaft, eine große Anzahl von Stoffen, wie Baumwolle, Holzstoff, Papier, Stärke- und Zuckerarten, Glyzerin, Benzol usw. in +Sprengstoffe+ umzuwandeln, wenn man sie damit kurze Zeit in Berührung läßt. Diesen Umwandlungsvorgang nennt der Chemiker das +Nitrieren+ der Stoffe (vom lateinischen Wort ~nitrum~, der Salpeter). Beim Nitrieren entsteht als Nebenprodukt immer Wasser, welches als Widerstand gegen den Nitrierungsvorgang wirkt, weil es die Salpetersäure verdünnt und schwächt. Deshalb setzt man stets eine gewisse Menge konzentrierte Schwefelsäure hinzu, welche bekanntlich auf das Wasser eine stark anziehende Kraft ausübt und dadurch seine schädliche Wirkung wieder aufhebt. Will man also einen Stoff nitrieren, so legt man ihn eine Viertelstunde lang in ein Gemisch von konzentrierter Salpetersäure (1 Teil) und konzentrierter Schwefelsäure (1–2 Teile). Dann gießt man die Säure ab und wäscht nun den nitrierten Stoff in kaltem, fließendem Wasser so lange und so gründlich aus, bis ein aus ihm herausgepreßter Tropfen auf der Zunge keine Spur von saurem Geschmack mehr erzeugt. So kann man z. B. Watte, Löschpapier, baumwollene Stoffe sehr leicht und bequem in +Schießbaumwolle+ verwandeln, welche nach dem Trocknen eine drei- bis viermal größere Sprengkraft besitzt als das Schießpulver. Man muß, wenn man diese Versuche selbst ausführen will, nur beachten, daß die „konzentrierte“ Salpetersäure des Handels in der Regel etwa 40 % Wasser enthält und dann zur Nitrierung unbrauchbar ist, auch wenn man sie mit Schwefelsäure vermischt. Ist man nicht sicher, ob man genügend starke Salpetersäure vor sich hat, so ist es am besten, sie aus Salpeter und Schwefelsäure selbst herzustellen oder man benutzt als Nitriergemisch ein Gemeng von zerriebenem Salpeter mit konzentrierter Schwefelsäure, welches in jeder Beziehung dieselben Dienste tut. [Illustration: Abb. 11. Darstellung von Schießbaumwolle durch Eintragen von Watte in Salpeterschwefelsäure.] Diese nitrierten Körper bilden die Grundlage aller Sprengstoffe und rauchschwachen Pulverarten. Es ist unnötig, auf ihre Wichtigkeit besonders hinzuweisen; wurden doch in diesem Weltkrieg von Sprengstoffen dieser Art so ungeheure Mengen angefertigt, daß sie alle anderen künstlichen Erzeugnisse weit hinter sich lassen. Aber auch für die friedliche Arbeit spielen die Sprengstoffe eine große Rolle: der Abbau der Steinbrüche, die Anlage von Weg- und Tunnelbauten erfordern mitten im Frieden gewaltige Mengen von Sprengstoffen. Derjenige von ihnen, welcher am meisten von sich reden gemacht hat, ist das +Dynamit+ (auf deutsch etwa soviel wie „Kraftstoff“ bedeutend). Die Erfindung des Dynamits durch den Schweden +Alfred Nobel+ war eigentlich insofern +keine+ Erfindung, als der wirksame Bestandteil dieses Sprengstoffes, das +Nitroglyzerin+, schon lange bekannt war. Man hat dieses Nitroglyzerin oder +Sprengöl+ schon jahrelang in amerikanischen Apotheken als -- Kopfwehmittel (!) kaufen können, ohne daß man von seiner Gefährlichkeit viel Aufhebens gemacht hätte. Diese Gefährlichkeit trat eben erst durch Nobels Versuche zutage, das Nitroglyzerin in großen Mengen für Sprengzwecke zu verwenden. Es erwies sich in größeren Mengen, bei ballonweiser Verpackung, als zu empfindlich gegen Stöße und gegen schroffen Temperaturwechsel. Es zeigte sich die Unmöglichkeit, durch bloße Vorschriften über die Behandlung dieses Stoffes seine Explosion zu verhindern, und Alfred Nobel mußte es wiederholt erleben, daß seine Fabriken in die Luft flogen und sozusagen spurlos verschwanden. Dies hatte seinerseits zur Folge, daß ihm die Errichtung solcher Fabriken wegen der damit verbundenen Gefahren nach und nach in den meisten Ländern verboten wurde. Die ungeheure Bedeutung der Erfindung des Dynamits liegt nun darin, daß diese Erfindung dem Sprengöl alle Gefährlichkeit benahm, ohne seine Explosivkraft wesentlich zu schwächen. Man macht sich davon, ohne Versuche gesehen zu haben, nicht leicht eine richtige Vorstellung. Bringt man einen Tropfen Nitroglyzerin auf eine glatte, etwas angefeuchtete Steinfläche und schlägt man mit einem Hämmerchen darauf, so erfolgt eine starke Detonation, und der Stein wird zertrümmert. Dagegen ist Dynamit gegen Schlag und Stoß so unempfindlich, daß Nobel in Gegenwart des Königs von Schweden ein Faß voll Dynamit von einem Kirchturm herab auf das Straßenpflaster fallen und zerschellen lassen konnte, ohne daß es explodierte. Es ist nicht leicht möglich, Dynamit durch bloßen Schlag zur Explosion zu bringen. Aber auch Feuer ist dem Dynamit nicht ohne weiteres gefährlich: hält man ein brennendes Streichholz an einen nußgroßen Klumpen Dynamit, so brennt er langsam, völlig geräuschlos, mit großer, gelbgrüner Flamme ab, welche einen feinen Sprühregen von Kieselgurteilchen ausstößt. Dynamit ist also in bezug auf Ungefährlichkeit der Handhabung geradezu ein idealer Sprengstoff: Kinder und Narren können ihn mit dem besten Willen nicht zu Unfug verwenden. Man muß sich geradezu fragen: was muß man tun, um diesen Stoff überhaupt zur Explosion zu bringen? -- Die Antwort heißt: man muß +Initialzündung+ anwenden. Man muß die Explosion an einem Punkte einleiten (~initium~ = Anfang, Einleitung). Dies geschieht durch Entzündung einer kleinen Menge Knallquecksilber, welches sich durch Stoß, Schlag oder Erhitzen ziemlich leicht zur Explosion bringen läßt. Dabei reißt es die Dynamitmasse gleichsam mit sich und bewirkt, daß diese vollständig explodiert. Durch solche Initialzündung kann man sogar manche Stoffe, die auf andere Weise gar nicht explodierbar sind, zur Explosion bringen, so z. B. das Azetylengas. Nobels Erfindung, die so gewaltige Folgen haben sollte, war im Grunde verblüffend einfach: sie besteht nämlich darin, das flüssige Sprengöl mit einer möglichst geringen Menge (25 %) eines feinen, sehr porösen Sandes (der sog. Infusorienerde) zu einem Brei zu vermengen. Dieser einfache Gedanke hat auf der Erde geradezu Umwälzungen hervorgebracht. Nun erst war es möglich, die Sprengkraft des Nitroglyzerins unbegrenzt auszunützen, da man nun den Sprengstoff ohne Gefahr in beliebigen Mengen herstellen, transportieren und aufbewahren konnte. Nobel verdiente mit dieser Erfindung nach der langen Reihe von Mißerfolgen und Enttäuschungen ein mehr als fürstliches Vermögen. Da er ohne Leibeserben starb, errichtete er in seinem Testament die berühmte Nobelstiftung, welche alle zwei Jahre die bedeutendsten Leistungen auf den wichtigsten Kulturgebieten mit einem recht ansehnlichen Preis belohnt. -- Es wäre ganz falsch, aus dem bisher Gesagten zu folgern, daß die Salpetersäure nur dem Krieg und der Zerstörungswut der Menschen dient. Selbst wenn die Salpetersäure nur zur Fabrikation von Sprengstoffen diente, dürfte man dies nicht behaupten, weil eben auch die Sprengstoffe eine geradezu unersetzliche, friedliche Arbeit leisten. Aber das Nitriergemisch dient gar nicht bloß zur Herstellung von Sprengstoffen, sondern mindestens in gleichem Betrag zur Gewinnung unzähliger Farben, Medikamente und anderer unentbehrlicher Chemikalien. Aber auch die Sprengstoffe werden nicht allein zu explosiven Zwecken verwendet, sondern ein Teil von ihnen wird wieder in harmlose Gebrauchsstoffe des täglichen Lebens verwandelt: so macht man aus Schießbaumwolle, indem man sie in einem Gemisch von Alkohol und Äther auflöst, das +Kollodium+, und durch gewisse Beimengungen (von Kampfer) das wichtige Hornersatzmittel +Zelluloid+, ohne das man heute längst nicht mehr auskommen könnte. Auf ganz ähnliche Weise werden die rauchschwachen Pulverarten hergestellt, die demnach dem Kollodium und Zelluloid sehr nahe verwandt sind. Sie entwickeln ihre Sprengkraft erst bei der Entzündung im geschlossenen Raum (der Patrone), zündet man dagegen rauchschwaches Pulver in offener Aufschüttung an, so brennt es langsam mit großer, lohender Flamme ab -- ganz ähnlich wie ein angezündetes Stück Zelluloid. Diese rauchschwachen Pulver haben die drei- bis vierfache Brisanz (Sprengkraft) des alten Schwarzpulvers. Aber da sie beim Abbrennen braune, salpeterhaltige Dämpfe liefern, greifen sie den Flintenlauf stärker an als das Schwarzpulver. Aus diesem Grund können sie für die Jagd das Schwarzpulver durchaus nicht ganz ersetzen. [Illustration: Abb. 12. Spinndüse zur Kunstseideherstellung.] Schüttet man Kollodium -- also sozusagen flüssige Schießbaumwolle -- in Wasser, so gerinnt es; das Wasser entzieht ihm die Alkohol-Äthermischung, infolgedessen scheidet sich die Schießbaumwolle als weißliche Gallerte ab. Ein findiger Franzose namens Chardonnet kam nun auf den Gedanken, auf diese Weise feine +Fäden+ herzustellen, indem er das Kollodium durch ein sehr enges Metallrohr in Wasser preßte. (Abbildung 12.) Aus der Rohrmündung trat ein weißer, wie Seide glänzender Faden von Schießbaumwolle. Die Fäden ließen sich spinnen wie Seide und hatten auch ihren Glanz. So wurde die erste +Kunstseide+ erfunden und nach ihrem Entdecker Chardonnet-Seide genannt. Sie hatte aber den fatalen Fehler, explosionsartig zu verpuffen, wenn man ihr ein Zündholz zu nahe brachte. Diese Eigenschaft war für Raucher, wenn sie etwa eine Halsbinde aus Chardonnetseide trugen, nicht angenehm. Man konnte indessen der Kunstseide ihre Explosivität, freilich nicht ohne Schaden für die Haltbarkeit und zum Teil auch den Glanz, wieder nehmen, wenn man sie in Schwefelammonium badete. Heute bestehen nur noch wenige Fabriken, welche Chardonnetseide herstellen. Ein anderes Verfahren hat dieses erste verdrängt, aber für die Geschichte der chemischen Technologie wird es nie seine Bedeutung verlieren. Zeigt uns diese Erfindung doch die unglaublichsten Verwandlungskünste der Chemie, welche aus Baumwolle nicht bloß Pulver, sondern auch Kollodiumballons, Zelluloidkämme und „echt“ seidene Krawatten hervorzaubert. 8. Kohlehydrate und Alkohol. Daß man heute das Holz der Waldbäume in Zeitungspapier umwandelt, weiß jedes Kind. Daß man es aber auch in +Kunsthonig+ und in +Spiritus+ verwandeln kann, ist weniger bekannt. Ebensowenig wissen die meisten Leute, daß Schießbaumwolle, rauchloses Pulver, Kollodium und Zelluloid heutzutage viel weniger aus Baumwolle als aus Fichtenholz hergestellt werden. Dies alles wollen wir uns nun klarzumachen versuchen. Es gibt drei große Gruppen von Stoffen in der Natur, welche chemisch ganz gleich zusammengesetzt sind und nur aus Kohlenstoff und den Bestandteilen des Wassers bestehen. Verbindungen mit Wasser nennt man in der Chemie „+Hydrate+“, deshalb heißt man diese drei Stoffgruppen mit einer gemeinsamen Bezeichnung +Kohlehydrate+. Sie sind so zusammengesetzt, als ob sie nur aus Kohle und Wasser beständen. Diese drei Gruppen sind: 1. Die +Zellulose+ oder der +Zellstoff+. Er bildet den Hauptbestandteil der +Baumwolle+ und des +Papiers+. Entfettete Verbandwatte ist fast chemisch reiner Zellstoff, ebenso das Filtrierpapier der Chemiker. Aus Zellstoff bestehen die Wände der Pflanzenzellen. 2. Die +Stärke-+ und +Gummiarten+. Während die Gummiarten, wie arabisches Gummi und Kirschgummi, in heißem Wasser löslich sind, quillt die Stärke in heißem Wasser nur zu Kleister auf. 3. Die +Zuckerarten+. In bezug auf die chemische Zusammensetzung wurde schon erwähnt, daß alle drei Stoffgruppen aus Kohlenstoff und den Elementen des Wassers bestehen. Verrührt man in einem Weinglas einen Eßlöffel voll gestoßenen Zucker mit konzentrierter Schwefelsäure zu einem Brei, so entzieht die Schwefelsäure dem Zucker das Wasser, und es hinterbleibt eine löcherige, gequollene Masse von schwarzer Kohle. Genauere Untersuchungen haben ergeben, daß im Zellstoff, in den Stärke- und Gummiarten auf 6 Atome Kohlenstoff ziemlich genau 5 Moleküle Wasser enthalten sind, während die wichtigsten Zuckerarten auf dieselbe Kohlenstoffmenge 6 Moleküle Wasser enthalten. Dies muß man wissen, wenn man die märchenhaften Umwandlungsvorgänge verstehen will, welche am Beginn dieses Abschnittes erwähnt worden sind. Denn man versteht nun, daß der Zellstoff und die Stärke, welche doch beide die gleiche Zusammensetzung haben, nur ein Molekül Wasser in sich aufnehmen müssen, um in eine Zuckerart überzugehen. Beim bloßen Kochen erfolgt diese Wasseraufnahme nicht leicht, man müßte zu diesem Zweck schon in einem Druckkessel den Stärkekleister oder die Zellulose mit überhitztem Wasser behandeln. Viel schneller geht die Verzuckerung vor sich, wenn man sich gewisser chemischer Stoffe als Wasserüberträger bedient. Solch ein Stoff ist z. B. die Schwefelsäure. Sie wirkt nicht nur wasserentziehend, sondern ebensooft auch wasseraddierend. Wenn man daher Baumwolle oder Filtrierpapier oder Leinen mit konzentrierter Schwefelsäure beträufelt, so lösen sie sich darin auf; aber die Lösung enthält nun nicht mehr Zellstoff, sondern -- Traubenzucker. Dieselbe Wirkung erzielt man durch andauerndes Kochen mit verdünnter Schwefelsäure. Da die Schwefelsäure bei diesem Vorgang nur als Wasserüberträger wirkt und selbst nicht angegriffen wird, so genügen wenige Tropfen von ihr zur Verzuckerung großer Mengen von Zellstoff oder von Stärkekleister. Um auf diese Weise Kunsthonig zu bereiten, kann man z. B. einen Liter dicken Stärkekleister mit einigen Tropfen Schwefelsäure verrühren und nun zwei Stunden lang kochen. Schon unmittelbar nach dem Zusatz der Schwefelsäure wird der dicke Kleister ganz dünnflüssig, weil die Stärke in ein gummiartiges Zwischenprodukt zwischen Stärke und Zucker, nämlich in Dextrin, übergeht. Dieses wird bei längerem Kochen ganz in Traubenzucker, den Hauptbestandteil des Kunsthonigs, umgewandelt. Zuletzt entfernt man die Schwefelsäure wieder aus dem Gemisch, indem man gepulverte Kreide hineinschüttet und dann das Feste vom Flüssigen durch Filtrieren trennt. Die Schwefelsäure treibt aus der Kreide unter Schäumen Kohlensäuregas aus und verwandelt sie in schwefelsauren Kalk (Gips), wodurch sie selbst in eine unlösliche Form gebracht wird. Die verbleibende Lösung muß nun in der Wärme so lange eingedunstet werden, bis ein dicker, honigartiger Brei von Traubenzucker übrigbleibt. Will man aus Filtrierpapier oder Verbandwatte Kunsthonig bereiten, so löst man am besten möglichst große Menge dieser Stoffe nach und nach, unter Umrühren, in einer kleinen Menge konzentrierter Schwefelsäure auf, verdünnt die Lösung mit Wasser, kocht sie einige Zeit und verfährt dann mit Kreide wie vorhin. Schwieriger ist es, Sägespäne in Kunsthonig zu verwandeln. Im Holz sind nämlich neben dem Zellstoff noch 30–40 % andere Stoffe enthalten, welche aus korkartigen und schleimigen Substanzen bestehen. Sie verhalten sich gegen konzentrierte Schwefelsäure ganz anders als die reine Zellulose: sie werden von ihr verkohlt, wie die Zuckerarten. Man kann daher am Grad der Schwarzfärbung eines Papiers nach dem Betropfen mit konzentrierter Schwefelsäure leicht erkennen, wieviel von diesen Stoffen noch in dem Papier steckt. Um das Holz von ihnen zu reinigen und in reinen Zellstoff umzuwandeln, gibt es zwei Wege: entweder durch Erhitzen mit Natronlauge (Natronzellulose) oder durch Kochen mit schwefligsaurem Kalk (Sulfitzellulose). Beide Reinigungsmittel wirken lösend auf die zucker- und korkartigen Stoffe im Holz und lassen den Zellstoff als eine graue, sehr mürbe Masse zurück, die sich vom künftigen Zeitungspapier nicht sehr viel unterscheidet. Da aber das Verfahren mit Natronlauge viel teurer ist, so ist es durch das Sulfitverfahren fast ganz verdrängt worden. Deutschland allein erzeugt so jährlich etwa 6 Millionen Zentner Zellstoff, der größtenteils zur Papiererzeugung verwendet wird. Den meisten Kunsthonig stellt man durch Verzuckerung von Stärkekleister her, namentlich in Amerika aus Maisstärke. Dabei wird das Schwefelsäureverfahren angewendet. Es gibt noch eine zweite Methode, um stärkeartige Stoffe in Zucker umzuwandeln. Sie spielt in der Natur und in der Technik eine große Rolle. Dies ist die Verzuckerung mittels der sogenannten Enzyme. Dies sind Eiweißstoffe von einer meist unbekannten Zusammensetzung, welche auf die Stärkearten genau so wasseranlagernd wirken wie die Schwefelsäure und dabei selbst ebensowenig verändert werden wie diese. Ein solches Enzym ist z. B. im Speichel enthalten. Spuckt man auf dicken, warmen Stärkekleister und rührt um, so wird er schnell dünnflüssig, weil er sich in löslichen Zucker unwandelt. Wenn wir also Brot, Kartoffeln oder andere stärkehaltige Speisen essen, so werden sie bereits während des Kauens im Mund verflüssigt und in Zucker umgewandelt. Große Mengen solcher Enzyme mit stärkeverflüssigender Wirkung finden sich im Pflanzenreich mit allen +Keimen+ vergesellschaftet. Sie liegen im Getreidekorn im Gewebe des Keims (Abb. 13) und begleiten die Keimanlagen der Kartoffeln, die sogenannten Augen. Ihre Aufgabe beginnt im Frühjahr, wenn der Keim wächst und treibt. Dann braucht er Nahrung und hat doch selbst noch keine Wurzeln und Blätter, mit welchen er sich aus dem Boden und aus der Luft Nahrung besorgen könnte. Gerade aus diesem Grund ist ihm ein förmlicher Speicher von Nahrungsvorräten angelagert: das Stärkemehl im Getreidekorn, in der Kartoffel und in der Rübe hat diese Aufgabe. Als Stärke können aber diese Nahrungsvorräte nicht in den Stoffwechsel der jungen Pflanze eintreten, weil Stärke als solche nicht löslich ist, weil aber Pflanze und Tier so eingerichtet sind, daß ihre Nahrungsstoffe zunächst stets in den flüssigen Zustand gebracht werden müssen, um durch die Adern und Saftgefäße fließen zu können. Deshalb vermehren sich die Enzymeinlagerungen der Keime im Frühjahr und wirken im gleichen Maße verzuckernd, verflüssigend auf die Vorratsstärke. Je mehr der Keim wächst, um so mehr schwindet der Stärkevorrat, der gerade so lange ausreicht, bis die junge Pflanze kräftig genug ist, sich selbst zu ernähren. Bei den Kartoffeln macht sich die Verzuckerung im Frühjahr unangenehm bemerkbar, denn sie schmecken in dieser Zeit bekanntlich etwas süßlich. [Illustration: Abb. 13. Roggenkorn (Längsschnitt).] Diese Enzymvorräte in den Keimpflanzen macht man sich nun in der chemischen Technik dienstbar, um damit Stärke in Zucker umzuwandeln. Man benutzt dazu meistens die sogenannte +Diastase+, d. i. das Enzym der keimenden Gerste. Angefeuchtete Gerstenkörner läßt man in Haufen keimen, bis der Keim eine gewisse Länge erreicht hat, von der man erfahrungsgemäß weiß, daß sie dem erreichbaren Höchstgehalt des Keims an Diastase entspricht. Denn die Menge dieses Enzyms wächst mit der Keimung. Dann wird die weitere Keimung unterbrochen, indem man die gekeimte Gerste durch Erhitzen tötet. Sie heißt nun +Malz+. Um daraus Diastase herzustellen, behandelt man es mit verdünntem Alkohol, welcher die Diastase löst, und setzt dann zu der klaren Lösung absoluten Alkohol, wodurch das Enzym als weißes Pulver ausgefällt wird. Dieses etwas teure Gewinnungsverfahren ist übrigens in den meisten Fällen entbehrlich, weil zerschrotetes Malz bereits alle Wirkungen der Diastase zeigt. Setzt man daher solches Malzschrot zu einem Brei von gekochten Kartoffeln, so zergeht dieser Brei in kurzer Zeit zu einem flüssigen Gemisch von Dextrinlösung und Zuckerlösung, welches durch weitere Einwirkung des Malzes bei etwa 60 ° größtenteils in Zucker (Malzzucker) übergeführt wird. Dieser chemische Prozeß bildet die Grundlage für zwei ungeheure Gewerbe: für die +Bier+bereitung und für die +Spiritus+herstellung. Diese beiden Prozesse beruhen nämlich darauf, daß Malz- und Traubenzucker durch +Gärung+ in Alkohol (Spiritus) übergeführt werden. Dagegen vermögen die Stärkearten als solche nicht zu gären, auch nicht alle Zuckerarten sind gärbar: gerade z. B. der Rüben- oder Rohrzucker, unser beliebter Speisezucker, ist +nicht+ gärungsfähig. Um also Stärke, Zellulose oder Rohrzucker in Alkohol zu verwandeln, muß man diese Verbindungen zuerst in +Trauben-+ oder +Malz+zucker überführen. Diesen Vorgang nennt der Chemiker +Inversion+, den so gewonnenen Trauben- und Malzzucker auch wohl +Invert+zucker. Bei der =Bierbereitung= scheint die Sache besonders einfach zu liegen, weil das Korn der Gerste sowohl die Stärke als auch das zu ihrer Invertierung nötige Enzym, die Diastase, enthält. Aber es ist klar, daß gerade aus demselben Grund alles darauf ankommt, die +Keimung+ der Gerste, bei welcher die Diastase gebildet und ein großer Teil der Stärke in Zucker verwandelt wird, im richtigen Augenblick zu unterbrechen. Auch die Art dieser Unterbrechung ist nicht gleichgültig: tötet man die Gerste durch heiße Luft oder Rauch, so wird ein erheblicher Teil der Diastase zerstört, aber die Verzuckerung der Stärke begünstigt. Will man möglichst viel Diastase haben, um die Verzuckerung der Stärke erst später erfolgen zu lassen, so tötet man das Malz nur durch Trocknen an der Luft bei gewöhnlicher Temperatur. Man nennt solches enzymreiches Malz: Grünmalz. Die vollständige Umwandlung der Gerstenstärke in Zucker erfolgt erst beim +Einmaischen+ (Maischen = altes Wort für Mischen). Dieser Vorgang ist ziemlich einfach und besteht nur darin, das geschrotete Malz etwa eine Stunde lang mit heißem Wasser von 50–60 ° zu verrühren. Dazu dienen besondere Bottiche mit mechanischen Rührwerken, die Maischbottiche. Die so hergestellte Zuckerlösung heißt +Würze+. Ihr wird auf das Hektoliter etwa 1 Kilogramm +Hopfen+ zugesetzt, um sie vor zu schnellem Verderben zu bewahren. Die Hopfenblüte enthält nämlich Bitterstoffe von stark konservierenden Eigenschaften. Diese Würze muß nun bloß noch der Gärung unterworfen werden, um in Bier überzugehen. [Illustration: Abb. 14. Ein Stückchen roher Kartoffel in 400fach. Vergröß. (zeigt die geschichteten Stärkekörner innerhalb geschlossener Zellwände.)] Die Verzuckerung der +Kartoffelstärke+ für die Spiritus- und Schnapsbereitung ist wesentlich weniger schwierig als die Bierwürzebereitung. In den +rohen+ Kartoffeln ist die Stärke von Zellhäuten umschlossen, welche sie vor dem Angriff der Enzyme vollkommen schützt. (Abb. 14.) Kocht man die Kartoffeln, so wird dadurch ein Teil dieser Zellhäute zersprengt und geöffnet, weil die Stärke im heißen Wasser mit großer Kraft zu Kleister aufquillt. +Ganz+ findet diese Sprengung jedoch nur dann statt, wenn man die Kartoffeln mit überhitztem Dampf von etwa 2–3 Atmosphären Druck behandelt. Der Dampf erfüllt allmählich auch die stärkehaltigen Zellen, deren Wände er langsam durchdringt. Öffnet man nun plötzlich ein Bodenventil des Kartoffeldämpfers, so werden die Kartoffeln nicht bloß durch diese Öffnung herausgepreßt, sondern zugleich ganz fein zerstäubt. Denn durch das Öffnen des Ventils wird der Druck des Dampfes auf die Außenfläche der Kartoffeln plötzlich aufgehoben, während der in den Zellen befindliche gespannte Dampf nicht so rasch durch die Zellwände dringen kann und sie daher explosionsartig zersprengt. Diesen „aufgeschlossenen“ Kartoffelstaub versetzt man nun mit geschrotetem Grünmalz (d. i. mit diastasereichem, an der Luft getrocknetem Malz). Er wird dadurch sofort zu einer gärungsfähigen, zuckerreichen Masse verflüssigt. =Die Gärung.= -- Rein chemisch betrachtet, besteht die Gärung in einem Zerfall des Zuckermoleküls in +Alkohol+ und +Kohlensäure+. Die Kohlensäure entweicht unter Schäumen, der Alkohol sammelt sich in der gärenden Flüssigkeit an. Dieser Zerfall wird durch die +Hefe+ bewirkt. Die Hefe, eine breiige, säuerlich riechende Masse, besteht aus mikroskopisch kleinen Lebewesen, welche zu den Pilzen gerechnet werden müssen, und zwar zu den +Spaltpilzen+ oder Bakterien. Der Name „Spalt“pilze bezieht sich auf ihre wichtige Fortpflanzungsweise, welche darin besteht, daß sich jede Hefezelle durch Abschnürung in zwei Stücke spaltet, welche durch rasches Wachstum bald wieder die Größe der Mutterzelle erreichen. Durch diese Spaltung wächst die Menge der Hefezellen ganz außerordentlich schon in wenigen Stunden an. Was nun den Gärungsvorgang betrifft, so hat man früher geglaubt, er sei an das +Leben+ der Hefepilze gebunden. Man glaubte, die lebenden Hefezellen ernährten sich mit dem gärbaren Zucker, und den Alkohol und die Kohlensäure hielt man sozusagen für die Fäkalstoffe dieser Zellen. In gewissem Sinne ist diese Auffassung auch richtig; falsch ist nur die Anschauung, als ob zur Zuckerspaltung das Leben, die „Seele“ der Hefezellen notwendig wäre. Denn Professor +Buchner+ hat Hefezellen ausgepreßt und mit dem sorgsam filtrierten Preßsaft, in welchem durchaus keine lebenden oder toten Hefeorganismen mehr enthalten waren, hat er in Zuckerlösungen genau die gleichen Gärungsvorgänge hervorgerufen, welche darin durch lebende Hefe erzeugt werden. Damit hat er bewiesen, daß die Gärung -- ähnlich der Inversion von Stärke in Zucker -- durch chemische Stoffe im Hefeleib, durch Enzyme, hervorgerufen wird. Diese Enzyme haben sich bei näherer Untersuchung als sehr verwickelt gebaute Eiweißstoffe erwiesen. Sie werden beim Gärungsvorgang nicht verändert. Die Enzyme des Hefeleibes wirken am besten bei Blutwärme, also bei etwa 37 °, und werden durch Erhitzen über 60 ° zerstört, also genau wie die zuckerbildenden Enzyme des Speichels und des Malzkeims und die verdauenden Enzyme des Darmsaftes. Praktisch betrachtet ist das Leben der Hefezellen aber doch für den Gärungsvorgang nicht bedeutungslos, weil die Hefezellen, indem sie sich selbst vermehren, auch die wirksamen Mengen der gärungserregenden Enzyme vermehren und somit die Gärung beschleunigen. Das Ende der Gärung tritt nicht etwa dann ein, wenn der ganze vorhandene Zucker in Alkohol und Kohlensäure gespalten ist, sondern es hängt von einem anderen Umstand ab. Der erzeugte Alkohol wirkt nämlich lähmend auf seinen Erzeuger und hemmt sowohl die Vermehrung der Hefe, als auch die alkoholbildende Wirkung ihres Enzyms. Die Gärung erzeugt also in ihren Produkten sich selbst einen Widerstand. [Illustration: Abb. 15. Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae).] [Illustration: Abb. 16. Carlsberger Unterhefe Nr. 1 (nach Fischer, Technologie).] Theoretisch gibt es also gar nichts Einfacheres als die Herstellung von Bier und von Spiritus durch Gärung: man braucht nur die oben beschriebene Bierwürze und die süße Kartoffelmaische mit Hefe zu versetzen und gären zu lassen, bis die Gärung von selbst aufhört. In Wirklichkeit müssen aber doch noch einige Umstände berücksichtigt werden, die freilich zum Interessantesten gehören, was die naturwissenschaftliche Forschung der letzten drei Jahrzehnte entdeckt hat. Man hat nämlich gefunden, daß es eine ungeheure Anzahl von verschiedenen Hefearten gibt, die sich zwar ihrem Aussehen nach nicht viel voneinander unterscheiden (Abb. 15 u. 16), um so mehr aber nach ihrem Verhalten bei der Gärung. Zwar spalten sie alle die Hauptmengen des Zuckers in Alkohol und Kohlensäure; aber neben diesem Hauptvorgang erzeugt jede Hefeart noch einen gewissen Prozentsatz von Nebenprodukten. Diese Nebenprodukte sind z. B. Fuselöle, Buttersäure, Weinsäure, Essigsäure, Glyzerin und viele andere Substanzen von mehr oder weniger auffallendem Geschmack und Geruch. Die Menge und die Zusammenstellung dieser Nebenprodukte ist für jede der vielen Hefearten anders, aber auch kennzeichnend, so daß man unter Umständen sofort am Geschmack des Bieres erkennen kann, welche Hefeart die Gärung erregt hat. Aber nicht bloß der Geschmack des Bieres hängt von der Hefeart ab, sondern auch seine Klarheit, die Beschaffenheit und Haltbarkeit seiner Schaumdecke, sein Geruch, seine Haltbarkeit. Nach diesen Feststellungen ist es begreiflich, daß gerade den großen Brauereien daran gelegen war, sich diese wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Bierbereitung nutzbar zu machen. Denn vorher kam es gar oft vor, daß die Eigenschaften des Bieres durch eingedrungene fremde Hefesorten verdorben wurden, welche bei der Gärungstemperatur üppig wucherten. So findet sich z. B. in den Pferdeställen eine Bakterienart, welche dadurch gekennzeichnet ist, daß sie unter dem Mikroskop stets in paketartigen Bündeln von 4–8 Einzelpilzen erscheint (Abb. 17). Daher hat sie den wissenschaftlichen Namen ~Sarcinae~ (= das Gepäckstück) erhalten. Diese Sarcinen verursachen eine Gärung mit widerlich schmeckenden Nebenprodukten. Da nun die Brauereien für den Vertrieb des Bieres stets mit Pferden arbeiten müssen, so war es früher fast unvermeidbar, daß mit dem aufwirbelnden Straßenstaub Sarcinenkeime in die Gärbottiche gerieten und dem Bier einen Stallgeschmack gaben. [Illustration: Abb. 17. Das Aussehen der Sarcinen.] Bei der Gärung tritt, wie schon erwähnt wurde, zugleich eine ungeheure Vermehrung der Hefe ein, welche sich als grauer Schlamm in den Gärgefäßen zu Boden setzt. Dieser Hefeschlamm wurde früher ohne weitere Umstände wieder zur Gärung neuer Würze verwendet. Waren nun unerwünschte Hefearten hineingeraten, so beeinflußten sie natürlich auch die neue Gärung ungünstig. Jetzt verfährt man daher ganz anders. Jetzt besitzt jede bessere Brauerei Einrichtungen zur +Reinzucht+ ihrer spezifischen Hefeart und zur fortlaufenden Kontrolle der Reinheit ihrer Zucht. Der „Spatengeschmack“ des Münchener Spatenbräus, der Löwenbräu-, Hofbräu-, Kindlbräu-Geschmack wird also gewissermaßen im Laboratorium reingezüchtet. Das Verfahren ist aus der Bakteriologie übernommen. Es wurde von den großen Bakteriologen Robert +Koch+ und +Pasteur+ ausgearbeitet und ist merkwürdig genug, um hier ausführlich beschrieben zu werden. Es beruht auf der Entdeckung der sogenannten +festen Nährböden+. Unter dem Nährboden bzw. der Nährflüssigkeit versteht man den Stoff, auf welchem sich die Bakterien entwickeln und vermehren sollen. Dieser Stoff kann entweder flüssig sein, wie die Bierwürze, oder fest, wie z. B. Kartoffeln oder Gelatine. Voraussetzung ist nur, daß er alle diejenigen Stoffe in genügender Menge enthält, welche das Bakterium zu seiner Entwicklung braucht. Einer der brauchbarsten Nährböden für die meisten Bakterienarten besteht aus einer kräftigen Fleischbrühe, in welcher man so viel Gelatine aufgelöst hat, daß sie beim Erkalten fest wird. Diese „Nährgelatine“ ist gewissermaßen zugleich ein flüssiger und ein fester Nährboden, je nach der Temperatur, bei welcher man sie anwendet. Ihre Anwendung hat umwälzend in der Bakteriologie gewirkt und hat die planmäßige Erforschung der Bakterientätigkeit erst möglich gemacht. Wenn man nämlich ein Gemisch verschiedener Bakterienarten in einen +flüssigen+ Nährboden bringt, so vermehren sie sich darin nicht bloß, sondern die Vermehrungsprodukte +vermischen+ sich auch fortwährend miteinander. Hat aber der Nährboden die Eigenschaft, nach kurzer Zeit zu erstarren, so muß jeder Keim sich an derjenigen Stelle vermehren, an welcher er durch den erstarrten Nährboden festgehalten wird. Die einzelnen Bakterien sind nun wegen ihrer winzigen Größe (¹⁄₅₀₀ Millimeter und weniger) nicht mit bloßem Auge sichtbar. Sobald sie aber, nach 2–3 Tagen, durch die Vermehrung zu einer Kolonie angewachsen sind, kann man diese in der Nährgelatine schon mit unbewaffnetem Auge als einen kleinen, grauen Fleck erkennen. Es ist klar, daß jeder solche Fleck aus einer „Reinzucht“ derjenigen Bakterienart bestehen muß, die sich im Augenblick des Erstarrens der Gelatine an der betreffenden Stelle befunden hat. Entnimmt man also diesem Fleck mittels einer Nadel so viel Bakterien, als an der Nadel hängen bleiben, und überträgt man diese auf eine neue Portion bakterienfreien Nährbodens, so können sich auf diesem nur Bakterien dieser +einen+ Art entwickeln, die man in Reinzucht zu haben wünscht. Diese Kochsche Methode der fest-flüssigen Nährböden gestattet uns also auf allereinfachste Weise, uns aus einem Gemisch der verschiedensten Bakteriensorten jede Art in Reinzucht oder „Reinkultur“ herzustellen. Freilich muß man dabei manche Vorsichtsmaßregeln beachten, wenn nicht unliebe Überraschungen eintreten sollen. Denn wir müssen bedenken, daß nicht bloß in der Luft Millionen von Bakterienkeimen schweben, sondern daß auch jeder feste Gegenstand damit besät ist, und daß auch das reinste Trinkwasser von solchen Keimen geradezu wimmelt. Würden wir also unsere Versuche ohne Rücksicht auf diese Umstände ausführen, so würden zahllose Keime aus der Luft und aus dem Wasser und aus den Oberflächen unserer Gefäße alle Reinkulturversuche vereiteln. Aber glücklicherweise lassen sich alle Bakterien und ihre Keime durch bloßes Erhitzen auf 80–100 ° leicht töten. Man braucht also die Glasgefäße und Instrumente, welche keimfrei sein sollen, bloß in kochendes Wasser zu tauchen oder besser in trockener Luft auf 100 ° zu erhitzen, dann sind sie solange keimfrei, bis aus der Luft oder durch Berührung mit anderen Gegenständen neue Keime daran kommen. Die Flüssigkeiten werden durch Kochen keimfrei gemacht. Deshalb ist frisch abgekochtes Wasser stets keimfrei, und in dieser Beziehung dem reinsten Quellwasser vorzuziehen. Schwieriger ist es, die Ansteckung eines Nährbodens durch diejenigen Bakterien zu verhindern, welche aus der Luft hineinfallen oder mit den Luftströmungen hineingerissen werden. Das bloße Zustopfen der Flaschen nützt deshalb nicht viel, weil die Luft bei verschiedenen Temperaturen und Barometerständen einen verschiedenen Raum einnimmt, und weil daher häufig beim Öffnen des Stopfens die Luft stürmisch in die Flasche eindringt und dabei Bakterien mitreißt. Deshalb kam Pasteur auf den ausgezeichneten Gedanken, solche Flaschen mit einem trockenen Wattebausch zu verschließen. Die Watte läßt die Luft ungehindert durch sich hindurchtreten, nicht aber die Bakterien, obwohl es unter diesen solche gibt, welche kleiner als ¹⁄₁₀₀₀ Millimeter sind. Sie bleiben alle in den obersten Schichten des Wattebauschs zurück. Der Wattebausch ist also ein richtiges Filter für die Bakterien. Unsere Abbildungen 18 und 19 zeigen, in welcher Weise man Glaskolben und Reagensgläser mit solchen Wattepfropfen bakteriendicht verschließt. Man stellt dabei, namentlich beim Öffnen, die Gefäße gern schief, damit nicht aus der Luft Keime hineinsinken; auch verkohlt man die Unterseite der Wattepfröpfe gern ein wenig über einer Flamme, damit alle daran hängenden Keime verbrannt werden. [Illustration: Abb. 18. Glaskolben mit bakteriendichtem Watteverschluß.] [Illustration: Abb. 19. Schiefgestelltes Reagensrohr mit Nährgelatine.] [Illustration: Abb. 20. Petrischale zum Herstellen von Reinkulturen.] Wenn man nun aus einer unreinen Hefe eine bestimmte Sorte reinzüchten will, verfährt man folgendermaßen: man bringt ein wenig von der Hefe in einen Glaskolben, der keimfreie („sterile“ oder „sterilisierte“) Nährgelatine enthält, welche man bei möglichst niederer Temperatur, durch Eintauchen in warmes Wasser, verflüssigt hat. Die Hefe wird vor dem Einbringen mit etwas Wasser fein zerrieben und dann durch Umschwenken des Kolbens gut mit der Gelatine vermengt. Nun gießt man den Inhalt des Glaskolbens auf eine sauber gereinigte, keimfreie Glasplatte und läßt ihn dort in dünner Schicht unter dem Schutze einer Glasglocke erstarren. An Stelle der Glasplatte und der Glasglocke kann man auch eine sogenannte +Petri+-Schale (vergl. Abb. 20) nehmen, das sind zwei flache Glasschalen mit zylindrischem Rand, von welchen die größere als Deckel über die kleinere gestülpt wird, während in diese die Nährgelatine gefüllt wird. Nach einigen Tagen zeigt sich die Gelatine ganz mit grauen Pünktchen besät, deren jedes aus einer Kolonie von Bakterien bzw. Hefezellen einer Art besteht. Meistens lassen sich verschiedene Arten schon am verschiedenen Aussehen ihrer Kolonien erkennen, zumal wenn man das Vergrößerungsglas zu Hilfe nimmt. Man sucht sich die gewünschte Art aus und überträgt sie mit einer sogenannten Impfnadel in ein Kölbchen mit steriler Nährflüssigkeit (z. B. Bierwürze). Die Impfnadel besteht aus einem 5 ~cm~ langen Stück Platindraht von ½ ~mm~ Dicke, der mit einem Ende in einen langen Glasstab eingeschmolzen, am anderen Ende zu einer Öse gebogen ist (vgl. Abb. 21). Der Draht muß aus Platin sein, damit er durch Ausglühen in einer Flamme keimfrei gemacht werden kann, ohne dabei zu oxydieren. Man glüht die Öse aus und überträgt mit ihr ein wenig von der zu züchtenden Kolonie in die neue Nährlösung, wo sie sich nun ganz rein und frei von fremden Keimen entwickeln muß. [Illustration: Abb. 21. Impfnadel zum Uebertragen von Reinkulturen.] Nebenbei sei bemerkt, daß man die Kochschen festen Nährböden auch benutzt, um die Bakterien in der Luft, im Trinkwasser, im Erdboden zu +zählen+: denn so viel Bakterien in einer gewissen Menge dieser Stoffe sind, so viel sichtbare Kolonien müssen auf der Glasplatte nach dem Vermischen mit Nährgelatine oder Pflanzengelatine (Agar-Agar) entstehen. Erst seit der Einführung dieser Hefereinzucht ist es möglich, Biere und destillierte Schnäpse von stets gleichen Eigenschaften mit aller Sicherheit herzustellen. Auch für die Weingewinnung aus den Trauben wendet man seit langem schon reingezüchtete Hefen an. Auf den reifen Beeren der Weintrauben und auf den Zwetschen liegt ein Reif, welcher aus Hefezellen besteht, die den Preßsaft dieser Früchte von selbst in Gärung versetzen. Daher kommen zerquetschte Früchte stets von selbst in Gärung, wobei, je nach ihrem Zuckergehalt, mehr oder weniger Alkohol entsteht. Durch Abdestillieren gewinnt man dann die destillierten Schnäpse daraus. Da aber die natürlichen Hefen auf der Fruchthaut in verschiedenen Jahren von verschiedener Beschaffenheit sind, so ist es zuverlässiger, auch diese Gärungen mit Reinzuchthefe von erprobten Eigenschaften vorzunehmen. -- Es wurde schon oben gesagt, daß durch Gärung zuckerhaltiger Flüssigkeiten der Alkoholgehalt nicht höher als auf etwa 10–12 % steigen kann. Wenn also ein „natürlich“ vergorenes Getränk, etwa ein Wein, 15 % oder mehr Alkohol enthält, so können wir mit Bestimmtheit sagen, daß er künstliche Zusätze von Sprit erhalten hat. Es gibt aber noch ein anderes Verfahren, um den Alkoholgehalt einer vergorenen Maische zu erhöhen: das +Destillieren+. Während nämlich Wasser bekanntlich erst bei 100 ° siedet, kocht der Alkohol schon bei 78 °. Erhitzt man nun Gemische von Alkohol und Wasser zum Sieden und kühlt man die Dämpfe vorsichtig ab, so wird zuerst der Wasserdampf wieder zu Wasser, während der Alkoholdampf erst unterhalb von 78 ° verflüssigt wird. Dieses Verdampfen und Wiederflüssigmachen des Dampfes nennt man bekanntlich Destillieren. Die Erfahrung hat gezeigt, daß, wenn man aus einer solchen Maische die Hälfte abdestilliert, darin +aller+ Alkohol enthalten ist. Das Destillat nimmt aber nur die Hälfte Raum ein, ist also in bezug auf seinen Alkoholgehalt doppelt so stark als die ursprüngliche Maische. So kann man +Branntwein+ und Schnäpse von hohem Alkoholgehalt destillieren. Man kann aber auch aus ordinärer Kartoffelmaische reinen Spiritus, der nur noch 4–5 % Wasser enthält, abdestillieren, wenn man die Dämpfe in sogenannten Kolonnenapparaten sehr vorsichtig abkühlt. In Deutschland werden auf diese Weise jährlich etwa 5 Millionen Hektoliter reiner Alkohol erzeugt. [Illustration: Abb. 22. Senkwage, um den Alkoholgehalt einer Flüssigkeit zu messen (nach Erdmann).] Nebenbei erwähnt sei, wie man den Alkoholgehalt einer Flüssigkeit bestimmt. Alkohol ist leichter als Wasser. Daher wird eine Schwimmvorrichtung aus Glas, eine sogenannte +Senkwage+ (Aräometer), in Alkohol und in alkoholhaltigen Mischungen tiefer einsinken als in reinem Wasser. (Abb. 22.) Diese Aräometer werden in der hier abgebildeten Form aus Glas geblasen; damit sie aufrecht schwimmen, ist die untere Kugel mit Bleischrot oder Quecksilber gefüllt, während die bauchige Erweiterung das Schwimmen erleichtert. In der oberen, röhrenartigen Verlängerung des Schwimmers ist eine Papierskala mit Ziffern angebracht, welche gleich den Alkoholgehalt der betreffenden Flüssigkeit angeben. Sinkt das Aräometer also z. B. bis zur Marke 20 ein, so hat die Flüssigkeit 20 % Alkohol. Dabei ist aber folgendes zu beachten: die Zahlen stimmen nur, wenn die Mischung nur Wasser und Alkohol enthält. Dies ist immer bei denjenigen Flüssigkeiten der Fall, welche man durch +Destillation+ gegorener Maischen erhält. Die Maischen selbst, also Bier und Wein z. B., enthalten noch eine Menge anderer Stoffe, wie Dextrin, Gerbsäuren, Fruchtsäuren, Zucker usw. Diese anderen Stoffe machen die Mischung schwerer, so daß die Senkwage zu wenig Alkohol angeben würde. Will man also den Alkoholgehalt eines Weines bestimmen, so destilliert man ein Drittel davon ab, setzt die Senkwage in das Destillat und teilt das Ergebnis durch die Zahl 3. -- Bevor wir unsere Unterhaltung über den Alkohol schließen, wollen wir uns noch ein wenig mit der +Hefe+ beschäftigen. Die Hefe vermehrt sich bekanntlich bei der Gärung und setzt sich in den Gärbottichen als grauer Schlamm zu Boden, mit dem man lange Zeit nichts Ordentliches anzufangen wußte. Man bekam davon viel mehr, als man beim besten Willen verbrauchen konnte. Dies wird verständlich, wenn man bedenkt, daß in Deutschland jährlich an Bier allein etwa ein Hektoliter auf den Kopf der Bevölkerung, im ganzen also etwa 65 Millionen Hektoliter, erzeugt wird. Was soll mit der vielen Hefe gemacht werden? Zwar zum Brot- und Kuchenbacken wird viel gebraucht, aber doch bei weitem nicht so viel, als in den Gärungsgewerben erzeugt wird. Dazu kommt, daß die Hefe nicht lange haltbar ist, selbst nicht in gepreßter Form (als +Preßhefe+, jährlich in Deutschland allein 450000 Zentner Erzeugung!). Aber die chemische Untersuchung hat gezeigt, daß die Hefe die Eigenschaften eines ganz vorzüglichen +Nahrungsmittels+ besitzt, nämlich wegen ihres +Stickstoff+reichtums, wodurch sie dem Rindfleisch nahezu gleichwertig ist. Sie direkt zu essen, geht wegen der Gärungen, die sie im Darmkanal erregen würde, nicht wohl an; aber man kann sie durch überhitzten Dampf töten und kann dann vorzügliche +Fleischbrühen+ und +Fleischextrakte+ aus solcher Hefe machen, die an Wohlgeschmack und Nährwert nicht hinter Liebigs Präparaten zurückstehen. Und unter den landwirtschaftlichen Futtermitteln spielt die stickstoffreiche „+Futterhefe+“ schon lange eine bedeutende Rolle. Aber damit ist die Zukunft der Hefe noch nicht erschöpft. Neuerdings, während des Krieges, ist nämlich durch den Chemiker der Universität Königsberg, Professor Lassar-Cohn, ein bedeutender Fortschritt erzielt worden, den uns folgende Überlegung verständlich machen wird. Bei der Fütterung des Viehs spielen die stickstoffhaltigen Futtermittel, die Klee-, Lupinen- und Wickenarten eine bedeutende Rolle als Mastmittel. Andrerseits geben die Tiere im Harn und in den Fäkalien große Stickstoffmengen von sich, die dadurch wieder für die Fütterung nutzbar gemacht werden, daß man die Klee- und Lupinenfelder damit düngt. Auf diesem Umwege dauert es freilich ein halbes Jahr, bis der Fäkalstickstoff von den Tieren wieder als Nahrung aufgenommen wird. Lassar-Cohn kam auf den Gedanken, diese Zeit dadurch abzukürzen, daß er den Harn der Kühe als Nährflüssigkeit für +Hefekulturen+ benutzte. Der Harn wird aus dem Stall in ein Bassin geleitet und darin mit einer geeigneten Hefeart besät. Nach einigen Stunden wird die vermehrte Hefe abgesiebt, gewaschen und sogleich wieder verfüttert. Die Tiere nehmen das nahrhafte Futter gern, und der Landwirt nutzt so den Stickstoff der Jauche nicht bloß schneller, sondern auch viel besser aus als bei ihrer Anwendung als Düngemittel. Die Hefe hat auch noch in anderer Beziehung eine Zukunft. Man hat nämlich (Prof. +Lintner+ in Charlottenburg) die Beobachtung gemacht, daß es Hefearten gibt, welche +Fett+ erzeugen, obwohl sie auf ganz billigem fettfreiem Nährboden wachsen, und man hat daran berechtigte Hoffnungen geknüpft, auf diese Weise dereinst aus Kartoffelmehl Fett darstellen zu können. 9. Brennstoffe. Unsere wichtigsten Brennstoffe sind das +Holz+, die +Kohle+ und das +Erdöl+. Solange diese Stoffe, namentlich die beiden erstgenannten, unmittelbar und ausschließlich zum Brennen verwendet wurden, gab es keine Chemie der Brennstoffe. Aber teils durch Zufall, teils gezwungen durch die Not der besten Ausnutzung, hat man gelernt, diese Stoffe vor dem Verbrennen gar vielseitig zu behandeln und eine Menge der wichtigsten Nebenprodukte aus ihnen zu gewinnen, nämlich (um nur einige zu nennen): +Leuchtgas+, +Benzol+, +Naphthalin+, +Teerfarbstoffe+, +Ammoniak+, +Essigsäure+, +Blutlaugensalz+, +Benzin+, +Petroleum+, +Vaseline+, +Paraffin+, +Schmieröle+, +Ceresin+ usw. So entstand eine Chemie der Brennstoffe, deren Ergebnissen wir dieses Kapitel widmen wollen. 1. Die Kohle. Holz und Kohle verhalten sich zueinander wie Gegenwart und Vergangenheit. Denn jedes Holz geht unter gewissen Umständen im Laufe der Zeit in Kohle über. Das Wesentliche für diese Verwandlung ist, daß das Holz +feucht+ erhalten und vor der Berührung mit der Luft geschützt werden muß. Dann wird es schon nach einigen Jahrhunderten dunkelbraun, nach Jahrtausenden schwarz, und noch später verliert es seine faserige Beschaffenheit und geht in +Braunkohle+ über. Der Übergang dieser Braunkohle in +Steinkohle+ scheint allerdings eine fast unermeßlich lange Zeit beansprucht zu haben, die sich jedenfalls über viele Jahrhunderttausende erstreckt. Man kann also das Werden der Kohle in drei Stufen teilen: es beginnt mit der +Vertorfung+ des Holzes, wodurch es zwar schwarz wird, aber seine Struktur noch behält; darauf folgt die Bildung der +Braunkohle+ und dann die der +Steinkohle+. Der Vorgang der Vertorfung ist oft genug in geschichtlicher Zeit erfolgt: in den großen Mooren Jütlands und Schleswigs finden wir vertorfte Eichbaumstämme und Sumpfföhren neben den Geweih- und Knochenresten der ausgestorbenen Riesenhirsche, Elche und Rentiere; auch Reste von normannischen (Wikinger-) Schiffen aus vertorftem Eichenholz haben sich gefunden. Aus dem Bett des Rheins wurden die unteren, ganz schwarzbraun vertorften Teile der Eichenpfähle gehoben, auf welche Cäsar vor fast 2000 Jahren seine Rheinbrücke hatte bauen lassen. Die Bildung der Braunkohle, welche die Holzstruktur verloren hat, geht fast immer auf die +Tertiärzeit+ zurück, also auf jene Zeit vor etwa 200000–300000 Jahren mit italienischem Klima, in welcher wir die ersten Menschenspuren bei uns nachweisen können, und in welcher die vielen vulkanischen Basaltergüsse in der Eifel, im Vogelsgebirge, in der Rhön und im böhmischen Mittelgebirge erfolgten und die Alpen entstanden sind. Die Entstehung der Steinkohle aber reicht zurück bis in die ältesten Zeiten organischen Lebens auf der Erde, als sich Böhmerwald, Fichtelgebirge und Erzgebirge als höchste Gebirge Europas erhoben und von Jura und Alpen noch keine Spuren vorhanden waren. Welche chemischen Veränderungen mit dem Holz während dieser Verwandlungen vor sich gegangen sind, das lehrt am besten ein Vergleich der Analysen von Holz, Braunkohle und Steinkohle. Wir erinnern uns dabei, daß der Hauptbestandteil des Holzes, der +Zellstoff+, aus Kohlenstoff und Wasser im Verhältnis von 6 Atomen Kohlenstoff zu 5 Molekülen Wasser zusammengesetzt ist. Wir werden also beim Vergleich unser Augenmerk hauptsächlich auf das Verhältnis dieser drei Elemente Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zu richten haben. Zusammensetzung: ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ | Kohlen- | Wasser- | Sauer- | Stick- |Schwefel |Asche | stoff | stoff | stoff | stoff | | ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ Eichenholz | 50,22 | 6,0 | 43,4 | 0,1 | -- | 0,3 ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ Braunkohle vom | 60,44 | 5,3 | 22,0 | Spur | 0,86 | 0,65 Bauersberg | | | | | | ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ Steinkohle von | 83,63 | 5,2 | 9,1 | 0,6 | -- | 1,53 Duttweiler | | | | | | ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ Englischer | 93,00 | 3,1 | 1,7 | 0,5 | 0,7 | 1,0 Anthrazit | | | | | | ---------------+---------+---------+--------+--------+---------+------ Wir sehen, daß mit fortschreitender Verkohlung der Kohlenstoffgehalt scheinbar zunimmt, weil der Gehalt an Wasserstoff und Sauerstoff abnimmt. Daraus könnte man zunächst schließen, daß die natürliche Verkohlung des Holzes bei der Braun- und Steinkohlenbildung der gleiche Vorgang sei, wie die künstliche Verkohlung beim Erhitzen des Holzes, z. B. die Meilerverkohlung. Aber dieser Schluß wäre ganz falsch. Denn bei der künstlichen Verkohlung bleiben wirklich nur Kohle und Aschenbestandteile zurück, aber in der natürlichen Steinkohle sind noch eine Menge anderer Stoffe, die gerade beim Erhitzen erst verdampfen. Diese Stoffe sind es, welche die Chemie der Steinkohle so interessant machen. Holz, Torf und Braunkohle haben die gemeinsame Eigenschaft, Kali- oder Natronlauge in der Hitze braun zu färben. Die echten Steinkohlen tun dies in der Regel nicht mehr, und man kann auf diese Weise im großen und ganzen Steinkohlen und Braunkohlen gut unterscheiden; Farbe und Aussehen sind nicht kennzeichnend, denn die Braunkohlen sind oft ganz schwarz wie echte Steinkohle. Erhitzt man Holz in einem Gefäße bis zum Glühen des Gefäßes, so entweichen brenzliche Dämpfe, und es hinterbleibt lockere, poröse, federleichte Holzkohle. Erhitzt man aber eine der natürlich vorkommenden Kohlearten, so entweichen zwar ganz ähnliche Dämpfe, aber es hinterbleibt eine viel dichtere, schwerere und härtere Kohle, welche man bekanntlich +Koks+ nennt. Auch die Dämpfe lassen in ihrer Beschaffenheit wichtige Unterschiede erkennen: die Verflüchtigungsprodukte des Holzes sind +sauer+ und röten angefeuchtetes Lakmuspapier deutlich; die der Steinkohle sind dagegen infolge ihres Ammoniaküberschusses +alkalisch+ und bewirken, daß gerötetes Lakmuspapier wieder blau wird. Kühlt man die brenzlichen Dämpfe ab, so erhält man in beiden Fällen eine braunschwarze Flüssigkeit, welche deutlich aus zwei übereinandergelagerten Schichten besteht, die sich offenbar nicht miteinander mischen können, weil sie sich zueinander verhalten wie Öl und Wasser. Die obere, leichtere Schicht ist ganz schwarz und besteht aus dickem Teer; die untere, mehr braun gefärbte Flüssigkeit, ist dagegen wässerig und läßt sich mit Wasser in jedem Verhältnis mischen. Außer dem kohligen Rückstand und diesen beiden Flüssigkeiten entsteht beim Erhitzen des Holzes und der Kohlearten noch ein vierter, sehr wichtiger Stoff, nämlich das +Leuchtgas+. Die Gewinnung und weitere Verarbeitung dieser vier Produkte hat eine gewaltige und sehr interessante Industrie hervorgerufen, mit der wir uns nun etwas näher beschäftigen wollen. [Illustration: Abb. 23. Leuchtgasgewinnung im kleinen.] Betrachten wir zunächst das +Leuchtgas+. Seine Gewinnung aus Steinkohle wurde um die Mitte des 18. Jahrhunderts in England entdeckt. Unsere Abbildung 23 zeigt, wie man sich das Gas selbst bereiten kann. Man füllt eine kleine gläserne Retorte, am besten eine aus schwer schmelzbarem, sog. böhmischem Glas, halb mit Steinkohlengrus und erhitzt sie kräftig mit einer großen Spiritus- oder Gasflamme. An den Retortenhals ist eine sogenannte „Vorlage“, ein Glasballon mit zwei Halsöffnungen, mittels Korks luftdicht angeschlossen. In dieser Vorlage sammelt sich der Teer und das Teerwasser, während das Gas durch ein Glasröhrchen entweicht, das man in den zweiten Hals eingesetzt hat. Die Zusammensetzung des Leuchtgases wechselt in sehr weiten Grenzen, je nach der Kohlensorte, welche man zu seiner Darstellung verwendet. Durchschnittlich besteht es +zur Hälfte+ aus +Wasserstoffgas+, welches bekanntlich 14½mal leichter als Luft ist. Infolgedessen ist auch das Leuchtgas ⅓ bis ½mal leichter als Luft. Die andere Hälfte des Leuchtgases besteht zum größeren Teil aus „Methan“ oder +Sumpfgas+, einer Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff, aus welcher auch die Gasblasen bestehen, welche aus den schlammigen Böden der Seen oft emporsteigen. Der Rest besteht vorwiegend aus dem giftigen +Kohlenoxydgas+ sowie aus ein wenig Kohlensäuregas und aus komplizierteren Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasserstoff, wie Äthylen, Azetylen usw. Das Kohlenoxydgas, dessen Menge im Leuchtgas zwischen 6 und 12 % schwankt, ist sein gefährlichster und schädlichster Bestandteil, denn er verursacht die zahllosen Leuchtgasvergiftungen, welche in unseren Großstädten meistens von den Beteiligten absichtlich herbeigeführt werden, und in ihrem Gefolge viele, zwar in der Regel nicht beabsichtigte, aber darum nicht minder gefährliche Explosionen. Es ist vielleicht sehr wenig schmerzhaft, aber gewiß nicht sehr anständig, sich durch Öffnen der Gashähne mit Leuchtgas zu vergiften; denn in vielen Fällen fordert diese Methode des Selbstmords noch weitere Opfer an Menschenleben, wenn ahnungslose Hausgenossen das betreffende Zimmer mit brennendem Licht betreten und dadurch eine Explosion des gefährlichen Leuchtgas-Luft-Gemisches hervorrufen. Leider hat man diesen üblen Bestandteil des Leuchtgases bis jetzt nicht in befriedigender Weise beseitigen können. Eine Leuchtgasanalyse zeigt folgende Prozentgehalte der genannten Gase: Wasserstoffgas 52,79 % Sumpfgas 34,43 % Kohlenoxydgas 7,19 % Äthylen, Azetylen usw. 4,01 % Kohlensäuregas 1,58 % -------- 100,00 % [Illustration: Abb. 24. Schematische Darstellung der Leuchtgas-Fabrikation. a = Ofen, b = Kühler, c = Gaswäscher, d = Reiniger, f = Gasometer, g = Ableitung mit Brenner.] Im rohen, ungereinigten Leuchtgas sind noch einige Stoffe enthalten, welche seine Anwendung zum Brennen ganz unmöglich machen würden, nämlich +Schwefelwasserstoff+ und +Zyan+. Denn diese Stoffe sind nicht bloß sehr übelriechend und ungewöhnlich giftig, sondern das Schwefelwasserstoffgas wird auch beim Verbrennen nicht angenehmer, weil es sich in ein stechend riechendes, saures, die Metalle angreifendes Gas (schweflige Säure) verwandelt, welches noch obendrein die Farben der Kleider, Teppiche und Vorhänge ausbleicht. Deshalb muß das rohe Gas vor der Verwendung zum Brennen gereinigt werden. Dies geschieht, indem man das Rohgas über natürlichen Raseneisenstein leitet, der im wesentlichen aus der +Eisenbase+ besteht. Dieser geht zum Teil (durch die Einwirkung des Schwefelwasserstoffes) in +Schwefeleisen+, zum Teil (durch die Einwirkung der Zyanverbindungen) in +Berlinerblau+ über. Wenn die Gasreinigungsmasse nach einiger Zeit unwirksam geworden ist, so breitet man sie an der Luft aus und schaufelt sie öfters um. Dadurch nimmt das Schwefeleisen, in welches sich die Hauptmenge der Reinigungsmasse verwandelt hatte, Sauerstoff auf und geht in schwefelsaures Eisen über, welches wieder von neuem als Reinigungsmasse verwendbar ist. Dies nennt man die +Regenerierung+ (Wiederherstellung) der Reinigungsmasse. Schließlich, wenn die Masse nach mehrfacher Regenerierung ziemlich erschöpft ist, ist sie erst recht wertvoll geworden durch ihren Gehalt an Berlinerblau, der nicht selten bis 10 % der Masse beträgt. Dieser wertvolle, aber noch unreine Bestandteil wird nun durch Kochen mit Kalkmilch usw. in +gelbes Blutlaugensalz+ (Ferrozyankalium) umgewandelt, woraus man wieder einerseits (durch Vermischen mit Eisenchloridlösung) das reine Berlinerblau, andrerseits (durch Schmelzen) das wichtige +Zyankalium+ gewinnt. Zyankalium und Zyannatrium werden in ungeheuren Mengen als goldlösende Auslaugungsmittel für goldführende Gesteine in Südafrika verbraucht, ferner in der Herstellung galvanischer Metallüberzüge (Vernickeln, Versilbern, Vergolden) zum Zusammensetzen der Bäder. So liefert in der chemischen Technologie ein Gebiet Hilfsstoffe für ein anderes. Auf diese Weise erhält man schließlich das technisch „reine“ Leuchtgas. Es wird bekanntlich in großen, schmiedeeisernen Gasometern aufgefangen und durch deren Gewicht in das Rohrleitungsnetz gepreßt. Dabei ergeben sich aus dem Gesetz der Druckverteilung höchst eigentümliche Folgen. Man sollte nämlich erwarten, daß die ungeheuer schwere Gasometerglocke, deren Gewicht bei großstädtischen Anlagen in die Hunderttausende von Zentnern geht, das Gas mit viel zu hohem Druck in die Verbraucherleitungen preßte. Das gerade Gegenteil ist der Fall. Gerade die größten Leitungsnetze haben den geringsten Gasdruck aufzuweisen. Dies erklärt sich daraus, daß der Leitungsdruck und der Druck der Gasometerglocke zueinander im Verhältnis der Flächen stehen, auf welche sie wirken. Hat die Leitung einen Querschnitt von 1 Quadratzentimeter, die Gasometerglocke aber eine Innenfläche von 1 Quadratmeter = 10000 Quadratzentimeter, so entströmt das Gas aus der Leitung mit einem Druck, welcher den zehntausendsten Teil vom Gewicht der Gasometerglocke beträgt. Nun haben aber die Gasometerglocken eine ganz andere Innenfläche als 1 Quadratmeter, nämlich den tausendfachen Betrag oder noch mehr. Infolgedessen müssen diese Glocken ein gewaltiges Gewicht haben, um das Gas in die Verbraucherleitung mit einem solchen Druck pressen zu können, wie er für Brennzwecke erforderlich ist (6–12 ~cm~ Wasserhöhe). [Illustration: Abb. 25. Gasometer im Durchschnitt.] [Illustration: Abb. 26. Eine Kerzenflamme.] [Illustration: Abb. 27. Alter Schwalbenschwanzbrenner für Leuchtgas.] Die Anwendung des Leuchtgases hat eine außerordentlich interessante Geschichte. Zunächst brannte man es unmittelbar und offen als Lichtquelle und trieb so eine ungeheure Verschwendung, denn die Leuchtkraft einer einfachen Gasflamme ist recht gering, weil der Hauptbestandteil des Leuchtgases, der Wasserstoff, fast nichtleuchtend verbrennt. Denn das +Leuchten+ der Flamme kommt fast stets dadurch zustande, daß darin irgendwelche feine Staubteilchen -- meistens sind es Kohlenteilchen -- zur Glut erhitzt werden. Daher können nur solche Gase mit helleuchtender Flamme verbrennen, welche sich in der Hitze unter Rußbildung, also unter Abscheidung von Kohlenstäubchen, zersetzen. Solche Gase sind die sogenannten Kohlenwasserstoffe, also Verbindungen von Kohlenstoff und Wasserstoff. Sie zerfallen in der Glühhitze ihrer eigenen Flamme in ihre beiden Elemente, von welchen der Wasserstoff mit sehr heißer, aber nichtleuchtender Flamme verbrennt, während die abgeschiedenen Rußteilchen zunächst durch das Wasserstoffgas vor dem Verbrennen geschützt werden; dies hindert aber nicht, daß sie durch die Hitze der Wasserstofflamme in hohe Glut versetzt werden und dadurch diese Flamme leuchtend machen. Dann aber kommen auch diese Teilchen am Rand der Flamme mit der Außenluft in Berührung und verbrennen dadurch zu Kohlensäuregas, werden also nichtleuchtend. Diese Vorgänge kann man in jeder leuchtenden Flamme, z. B. in der Kerzenflamme (Abb. 26) und der Leuchtgasflamme alten Stils (Abb. 27) gut erkennen. Man sieht zunächst dem Docht bzw. der Gasausströmungsöffnung einen nichtleuchtenden Kern unverbrannten „+kalten+“ (d. h. noch nicht glühenden) Gases. Dieser Kern ist umgeben von der leuchtenden Zone der abgeschiedenen, glühenden Kohleteilchen, und diese wieder ist von einer nichtleuchtenden, sehr heißen Zone der verbrennenden Rußteilchen umgeben. Es ist demnach klar, daß die Leuchtkraft einer Flamme davon abhängt, wieviel Kohlenstoffteilchen in ihr abgeschieden und zum Glühen gebracht werden. Diese Frage ist aber innig verknüpft mit dem Gehalt des Gases an „schweren“, d. i. kohlenstoffreichen Kohlenwasserstoffverbindungen. Sobald man sich darüber im klaren war, nämlich um die Mitte des 19. Jahrhunderts, begann man die Leuchtkraft des Gases planmäßig zu erhöhen, indem man ihm „schwere“ Kohlenwasserstoffe beimengte. Solche sind z. B. das Azetylengas und der Benzoldampf. Diesen Vorgang nannte man das +Karburieren+ des Leuchtgases (~carbo~ = die Kohle). Die Abbildungen 28 und 29 zeigen, wie man Wasserstoff darstellen und durch Überleiten über benzolgetränkte Watte karburieren kann. -- Als nun seit dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die elektrische Bogenlampe und die Kohlenfadenglühlampe dem Gaslicht energische Konkurrenz machten, bekamen es die Gastechniker mit der Angst zu tun und erfanden in der Not die +Regenerativlampen+. Bei diesen wird die Leuchtkraft dadurch erheblich gesteigert, daß sowohl das Gas als die Verbrennungsluft vor ihrem Zusammentreffen durch die eigene Flammenhitze kräftig vorgewärmt werden. Aber gegenüber der bequemen, billigen und die Luft nicht verderbenden Glühlampe konnten auch die Siemensschen Regenerativbrenner nicht standhalten, und es schien fast, als ob der Gasbeleuchtung das Todesurteil gesprochen wäre. Der Gasverbrauch ging in allen Städten gewaltig zurück. Da machte ein genialer Chemiker, Auer von Welsbach in Wien, gerade rechtzeitig eine gewaltige Erfindung: das Gasglühlicht. Er holte sozusagen aus den leuchtenden Flammen das leuchtende Prinzip heraus, das glühende Kohlenstoffteilchen, fand es für seinen Zweck (Wärme in Licht umzuwandeln) ganz unzulänglich und ersetzte es daher durch eine viel wirksamere Substanz in einer viel wirksameren Anordnung: durch die seltenen Erdmetalloxyde in der Form des Glühstrumpfes. Seitdem, besonders auch seit der Erfindung des Hängeglühlichts, ist die Gasbeleuchtung unbestritten die billigste Beleuchtungsart der Gegenwart, mit welcher das elektrische Licht trotz Metallfadenlampen, trotz Halbwattlampen und Intensivflammenbogenlampen nicht mehr voll konkurrieren kann. Dies ergibt sich aus der folgenden Tabelle, welche wir dem Werkchen von H. +Lux+ „Das moderne Beleuchtungswesen“ (Leipzig 1914) entnehmen: [Illustration: Abb. 28. Aus Zinkblechschnitzeln und verdünnter Salzsäure entwickelt sich Wasserstoff, der mit nichtleuchtender Flamme brennt.] [Illustration: Abb. 29. Das Wasserstoffgas wird mit Benzol karburiert und leuchtet nun sehr hell beim Brennen.] Kosten einer Zimmerbeleuchtung von 200-Kerzenstärken-Helligkeit. ---------------------+----------------+---------------- | Zahl der | Betriebskosten Lampenart | erforderlichen | für | Lampen | 10 Stunden ---------------------+----------------+---------------- Petroleum | 10 | 1,75 M. Spiritusglühlicht | 6 | 3,00 „ Gasglühlicht: | | 1. stehend | 3 | 0,53 „ 2. hängend | 3 | 0,46 „ Kohlenfadenglühlampe | 10 | 3,20 „ Osramlampe | 5 | 1,17 „ [Illustration: Abb. 30. Normaler Auerbrenner (nach Lux).] Dieser Sieg des Gases auf dem Gebiet des Beleuchtungswesens wurde noch verstärkt durch seine Verwendbarkeit für Kochzwecke. Fällt es doch in der Großstadt heutzutage keiner Frau mehr ein, Feuer auf dem Herd zu machen! Denn überall hat sich der außerordentlich bequeme, reinliche und billige +Gasherd+ eingebürgert. -- [Illustration: Abb. 31. Prinzip des Gasherds] Bei der Herstellung des Gases entstehen auch +flüssige+ Nebenprodukte, nämlich +Teer+ und +Gaswasser+ und +Koks+. Über die Mengenverhältnisse gibt folgende Tabelle Aufschluß: 100 ~kg~ englische (Derbyshire-Silkstone-)Kohle liefern nach +Fischer+ (Chem. Technologie, Leipzig 1900) bei 800 ° Destillationstemperatur: Koks 65 kg Teer 7⅓ „ Gaswasser 10 „ Leuchtgas 21 cbm Das wichtigste dieser Nebenprodukte ist der +Teer+, von dem auf diese Weise in Europa jährlich etwa 40 Millionen Zentner gewonnen werden (davon in Deutschland 10, in England 20 Millionen). Er bildet eine tiefschwarze, glänzende Flüssigkeit von einer etwas dickflüssigen Beschaffenheit, der man wirklich nicht ansieht, welche ungeheuren Werte in ihr enthalten und aus ihr gewonnen werden. Um nur einige seiner wichtigsten Bestandteile anzuführen, seien genannt: +Benzol+, +Toluol+, +Naphthalin+, +Karbolsäure+ (Phenol), +Anthrazen+, +Kreosole+ (Karbolineum), +Pyridin+; aber was bedeuten diese fremdklingenden Namen dem, der nicht Chemiker ist! Aber auch er wird aufhorchen, wenn ich ihm erzähle, daß fast alle die prachtvollen Farbstoffe, womit unsere Kleider und Stoffe und Papiere gefärbt sind, aus dem Teer gewonnen werden. Aber auch +Schwerbenzin+, +Pech+, +Asphalt+ und +schwarzer Eisenlack+ werden aus Bestandteilen des Teers gewonnen. Die Scheidekunst, mittels deren der Teer in seine wichtigsten Bestandteile zerlegt wird, ist im Grund ein sehr einfaches Verfahren, das uns schon aus der Spiritusindustrie bekannt ist: die +Destillation+. Der Teer wird in riesigen eisernen Kesseln zum Kochen erhitzt, die Dämpfe werden in gekühlten Rohrschlangen verdichtet. So erhält man (nach +Lunge+) hauptsächlich drei Destillate: den „+Vorlauf+“ (das, was aus der Kühlschlange zuerst abläuft, also am leichtesten verdampfbar ist), dann das „+Leichtöl+“, und schließlich das „+Schweröl+“. Was im Teerkessel zurückbleibt, ist +Pech+ und wird zu Asphalt und Eisenlack verarbeitet. Aus dem Vorlauf und Leichtöl gewinnt man durch wiederholte Destillation die Flüssigkeiten +Benzol+ und +Toluol+, woraus viele der obengenannten Teerfarbstoffe hergestellt werden. Das Schweröl enthält dagegen mehr +Naphthalin+ und +Kreosole+. Diese vier Stoffe sind die Muttersubstanzen nicht bloß für die Farbstoffindustrie, sondern auch für die Gewinnung zahlloser Arzneimittel, mit welchen Deutschland die ganze Welt versorgt hat. Außer den bekannten Desinfektionsmitteln +Karbolsäure+, +Lysol+ und +Salizylsäure+ seien hier nur noch die technisch wichtigen Teerabkömmlinge +Kumaronharz+ und +Solventnaphtha+ erwähnt. Das Kumaronharz, ein Bestandteil des Teerpechs, ist zwar kein echtes Harz, hat aber so harzartige Eigenschaften, daß es jetzt während des Weltkrieges die in Deutschland knapp gewordenen Harzvorräte für die +Seifensiederei+ und +Papierleimung+ strecken hilft. Das Solventnaphtha ist eine benzolartige Flüssigkeit von bedeutender Lösungsfähigkeit für Harze, Fette und andere Stoffe (~solvere~ = auflösen). Nicht so reich an verschiedenen Stoffen, wie der Teer, aber dennoch sehr wichtig und wertvoll ist das +Gaswasser+ der Steinkohlengasdestillation. Denn dieses Gaswasser enthält und liefert fast alles +Ammoniak+, welches für die Industrie und Landwirtschaft von größter Wichtigkeit ist. Man destilliert zu diesem Zweck das Gaswasser mit Kalkbrei und erhält so das Ammoniak als Gas von dem bekannten stechend scharfen Geruch, wie er in Pferde- und Kuhställen herrscht, in welchen sich Ammoniak durch Zersetzung des Harns bildet. Das Ammoniakgas wird entweder durch Druck zu einer Flüssigkeit verdichtet oder in Wasser, welches es sehr begierig aufnimmt, gelöst. Es wird zur Herstellung zahlloser chemischer Präparate und wichtiger Sprengstoffe (Roburit usw.) benutzt. In der Landwirtschaft bildet das schwefelsaure Ammoniak eines der wirkungsvollsten Kunstdüngemittel, dessen Bedeutung von Jahr zu Jahr wächst. -- Alle bisher genannten Nebenprodukte der Leuchtgasgewinnung bezogen sich auf beste +Steinkohle+ als Ausgangsstoff. Wendet man aber an ihrer Statt +Braunkohle+, Torf oder Holz an, so erhält man wohl ebenfalls die Nebenprodukte Teer und Gaswasser, aber doch von wesentlich anderer Zusammensetzung. Namentlich in Sachsen wird eine besondere Braunkohle, die sogenannte Schwelkohle, auf Teer und Koks verarbeitet („geschwelt“). Das entwickelte Gas dient teils zum Heizen der Schwelretorten, teils zum Betrieb großer Gaskraftmaschinen. Das Gaswasser ist in der Regel wertlos. Aber um so wertvoller ist der geschwelte Teer, denn er ist die Muttersubstanz des +Paraffins+ und wertvoller „Mineral“öle, die als +Schmieröle+ für Maschinen, zum Teil auch als +Leuchtöle+ für Lampen („Solaröl“) und als +Benzin+ Verwendung finden. Man gewinnt sie aus dem Schwelteer durch Destillation unter vermindertem Luftdruck und durch Reinigen mittels konzentrierter Schwefelsäure. Diese zerstört nämlich alle Unreinigkeiten und verwandelt sie durch Wasserentziehung in Kohle, während sie das Paraffin, Schmieröl, Petroleum und Benzin ganz unverändert läßt. Nebenbei gesagt, kommt von diesem Verhalten der Name Paraffin: „~parum affinis~“ heißt im Lateinischen soviel wie „wenig geneigt zu (chemischen) Verbindungen“. Aus dem Paraffin werden dann die bekannten durchscheinenden Kerzen gegossen. Wer sieht ihnen an, daß sie einst einen Bestandteil der ordinären Braunkohle bildeten? -- Die Öle, Solaröl und Benzin, sind etwas anders zusammengesetzt als die eigentlichen Petroleum- und Benzinarten, welche aus dem Rohpetroleum gewonnen werden; wegen ihrer Neigung zur Rußbildung eignen sie sich nicht so gut wie diese zum Brennen, wohl aber zu chemischen Zwecken als Auflösungsmittel für Harze und Fette. Was bei der Schwelerei der Braunkohle in den Retorten zurückbleibt, wird mit Wasser abgelöscht und bildet nun eine eigentümliche Art von Koks, den sogenannten „+Grudekoks+“. Er ist zwar im Vergleich mit Steinkohlenkoks minderwertig, hat aber doch gegenüber der Braunkohle alle Vorteile des Koks, von welchen wir bald noch sprechen werden. [Illustration: Abb. 32. Kohlenmeiler.] Wieder anders und eigenartig verläuft die Schwelerei, die trockene Destillation, beim +Holz+. Sie wird hauptsächlich des Rückstandes, der wertvollen +Holzkohle+ wegen, vorgenommen, und jahrhundertelang hat man den Prozeß in der +Meiler+verkohlung so roh betrieben, daß die flüssigen und gasförmigen Nebenprodukte überhaupt nicht aufgefangen wurden, sondern in die Luft verdampften. Mit dem Teer, der in der Braunkohlendestillation so wertvoll ist, weiß man in der Holzschwelerei auch heute noch nicht viel anzufangen; man verbrennt ihn, um ihn los zu werden. Anders ist es aber mit dem +Gaswasser+. Es ist eine der wichtigsten Quellen für die +Essig+gewinnung, denn es enthält, neben 1 % Methylalkohol („Holzgeist“), etwa 10 % Essigsäure. Der Speiseessig besteht aus einer dreiprozentigen Lösung der Essigsäure. Man darf aber nun beileibe nicht glauben, daß man das Gaswasser der Holzschwelerei nur dreifach zu verdünnen brauchte, um es als Essig dem Salat zusetzen zu können. Das gäbe einen üblen Salat, denn dieses Gaswasser ist durch dunkelbraune, abscheulich stinkende Holzteerbestandteile verunreinigt und mit einem Geruch behaftet, den man so leicht nicht wieder vergessen wird, wenn man einmal nähere Bekanntschaft mit ihm gemacht hat. Aber der Chemiker weiß sich zu helfen. Umdestillieren würde nichts nützen, denn da würden neben Essigsäure und Wasser auch diese stinkenden Stoffe mit überdestillieren. Also muß man versuchen, sie auf eine andere Weise zu trennen. Man setzt Kalkbrei (die billigste Base) hinzu und verwandelt dadurch die Essigsäure in ihr festes Kalksalz, welches mäßiges Erhitzen verträgt und in ziemlich reinem Zustand zurückbleibt, wenn man die anderen Bestandteile abdestilliert. Diese Salzform der Essigsäure bietet auch den Vorteil, daß man sie durch Umkristallisieren (vgl. das 6. Kapitel!) reinigen kann. Um daraus wieder Essigsäure, und zwar in ganz reiner Beschaffenheit, zu erhalten, braucht man den essigsauren Kalk nur mit verdünnter Schwefelsäure zu destillieren. Die „Essigessenz“ des Handels wird häufig so dargestellt, ist also ein Produkt der Holzschwelerei. Ihr fehlen natürlich die aromatischen Stoffe, welche der „natürliche“ Essig enthält, den man durch saure Gärung alkoholischer Flüssigkeiten gewinnt. Solcher Essig ist aber teurer, und zwar nicht bloß wegen der teureren Ausgangsstoffe, sondern auch deshalb, weil Gärungsessig in der Regel nicht mehr als 4–5 % Essigsäure enthält (ein höherer Gehalt wirkt lähmend auf den Erreger der Essiggärung). Wenn man also im Handel Essigessenz mit 30 % Essigsäure gekauft hat, so kann man sicher sein, daß sie aus Holz gemacht ist. * * * * * Wir müssen nun unsere Aufmerksamkeit auch den Rückständen der Leuchtgasgewinnung schenken, dem +Koks+. Koks und Steinkohle zeigen gegeneinander sehr wichtige Unterschiede. Beide sind ungemein wichtige Brennstoffe, beide in ihrer Art unersetzlich, von beiden kann keiner den anderen vertreten. +Die Steinkohle brennt mit Flamme, der Koks glüht nur.+ Aus diesem Grunde kann der Koks seine wirksamste Hitze nur unmittelbar da entwickeln, wo er liegt. Die Flammen der brennenden Steinkohle dagegen tragen ihre Hitze so weit, als sie reichen. Sie umspülen die Bratröhre und das Wasserschiff des Herdes, und sie tragen ihre Wärme auch zu denjenigen Kochstellen der Herdplatte, welche vom Rost weit entfernt sind. Ganz unentbehrlich sind die Steinkohlen wegen ihrer Flammenbildung für die großen Muffel- und Tiegelöfen der keramischen und der chemischen Industrie; denn diese Öfen heizen sehr große Räume mit Feuerungen, welche verhältnismäßig sehr klein sind. Dies ist also ein großer Vorteil der Steinkohlen vor dem Koks. Aber diesem Vorteil stehen bedeutende Nachteile gegenüber: Die Steinkohle +erweicht+ in der Wärme teigartig und bildet infolgedessen auf dem Rost dicke und große Klumpen. Diese breiigen Klumpen können natürlich nur an ihrer Außenseite brennen, weil das Innere für die Verbrennungsluft unzugänglich ist. Deshalb ist das Schüren großer Feuerungen mit Steinkohle nicht so ganz einfach und erfordert Übung und Sachkenntnis vom Heizer. Im Gegensatz zum Koks erzeugt die Steinkohle da, wo sie brennt, also auf dem Rost, zunächst am wenigsten Hitze, weil die verdampfenden Teerbestandteile einen großen Teil der Wärme zur Vergasung beanspruchen. Erst wenn die Kohle ihre flüchtigen Bestandteile verloren hat und ganz verkokt ist, gibt sie auch auf dem Rost eine große Hitze. [Illustration: Abb. 33. Durchschnitt durch einen Koksvergaser.] Die Steinkohle neigt dazu, in der Hitze zu zerspringen; sie zerfällt in Blätter und Staub, welche der Verbrennungsluft den Durchgang erschweren und welche das Erweichen und Zusammenbacken zu großen Kuchen begünstigen. Man erzielt daher mit groben und staubfreien Steinkohlenbrocken viel bessere Ergebnisse als mit kleinstückiger Ware; Staub und Grus von Steinkohle ist überhaupt wertlos, weil er in der Hitze sofort zu unverbrennlichen Kuchen zusammenbackt. Aber auch grobe Stücke können nur auf flachen Herden mit weit getrennten Roststäben verbrannt werden, nicht aber in Füllöfen. Beschickt man einen Füllofen mit Steinkohle, so geht das Feuer nach einiger Zeit ganz aus, weil sich der enge Schacht des Füllofens durch einen teerigen Kuchen verstopft, der keine Verbrennungsluft hindurchläßt. Für solche Ofenarten ist das beste Brennmaterial +Koks+. Infolge seiner lockeren Beschaffenheit, und weil er alle teerigen Bestandteile bereits verloren hat, gestattet er der Luft ungehinderten Durchgang und brennt daher am besten in dicker, hoher Aufschüttung, wie z. B. in den bekannten Füllöfen für Zimmerheizung. Auf flachen Herden Koks zu schüren, ist nicht ratsam, weil dieses Brennmaterial bei guten Zugverhältnissen unmittelbar auf dem Rost eine so gewaltige Hitze liefert, daß der Schlackenrückstand mit den Roststäben verschmilzt. Der Rost wird dadurch sehr schnell unbrauchbar. Aus diesem Grund ist es unmöglich, große technische Ofenanlagen, welche für Steinkohlen eingerichtet sind, mit Koks zu heizen. Nun sprechen aber viele Umstände dagegen, die Steinkohle als solche zum Heizen zu verwenden. Denn wir haben oben gesehen, welch ungeheure Mengen wertvoller Stoffe da mitverbrannt werden, die wir als Farben, Arzneimittel und Rohstoffe der chemischen Industrie wirklich nützlicher anwenden können. Dazu kommt der Umstand, daß wir mit unseren Kohlen keine Verschwendung treiben dürfen, weil die Kohlenlager der Erde recht deutlich ihrer Erschöpfung entgegengehen. Denn selbst wenn unsere Industrie nicht von Jahr zu Jahr mehr Kohlen verbrauchte, so würden doch die deutschen Kohlen in 700–800 Jahren (die sächsischen schon in 100), die englischen in 600–700 Jahren zu Ende gehen. Also handelt es sich für uns darum, die vorhandenen Kohlenmengen so wirtschaftlich als möglich auszunützen. Dies geschieht erfahrungsgemäß am besten dadurch, daß man sie in Gas, Teer und Koks zerlegt und auch den Koks zum Teil wieder in Gasform umwandelt. Denn Gas ist und bleibt der idealste aller Brennstoffe, weil er rauch-, ruß- und aschenfrei verbrannt werden kann. Die Zerlegung der Kohle in Gas, Teerprodukte und Koks ist also schon eine Art Veredlungsprozeß, der durch die Vergasung des Koks vollends beendet wird. Diese Vergasung des Koks erfolgt in den sogenannten +Generatoren+ dadurch, daß man einen Turm voll Koks am unteren Ende entzündet und nun von unten nach oben Luft durchbläst, während gleichzeitig von oben Wasser auf den Koks tropft. Am oberen Ende entweicht dann aus dem Turm ein Strom brennbaren Gases. Dieses Gas, Generatorgas genannt, besteht allerdings zum Teil aus dem unverbrennlichen und daher wertlosen Stickstoff der eingeblasenen Luft; außerdem enthält es aber die brennbaren Gase +Wasserstoff+ und +Kohlenoxyd+. Die chemischen Vorgänge, welche dabei stattfinden, sind folgende: Zunächst bildet sich über dem Rost (Abb. 33), da, wo die Gebläseluft auf den glühenden Koks einwirkt, das wertlose Kohlensäuregas als Verbrennungsprodukt der Kohle. Dieses Kohlensäuregas besteht aus einer Verbindung von einem Atom Kohlenstoff mit zwei Atomen Sauerstoff. Sobald aber etwa die untere Hälfte des Generatorinhalts in Glut geraten ist, muß das gebildete Kohlensäuregas über glühenden Koks streichen. Dabei nimmt es noch ein Atom Kohlenstoff auf und verwandelt sich in brennbares Kohlenoxydgas. In der untersten Zone, dicht über dem Rost, wo helle Weißglut herrscht, findet außer der Bildung des Kohlensäuregases noch ein zweiter Vorgang statt, nämlich die Zerlegung des von oben zugeführten Wassers durch die glühende Kohle in Wasserstoffgas und Kohlenoxyd. Denn der Sauerstoff des Wassers verbindet sich mit der glühenden Kohle zu Kohlenoxyd. Die Zerlegung des Wassers ist ein +endothermischer+ Vorgang, also ein Prozeß, bei welchem Wärme verbraucht wird. Bläst man z. B. Wasserdampf über glühenden Koks, so verschwindet die Glut sehr schnell, und die Kohlen werden schwarz. Das dabei entstehende Gasgemisch von Wasserstoff und Kohlenoxyd wäre von höchstem Brennwert, weil es gar keine unverbrennlichen Bestandteile (Luftstickstoff) enthält; aber da sich bei seiner Bildung die Glut schnell abkühlt, kann man dieses reine „Wassergas“ technisch leider nur portionenweise und in geringen Mengen gewinnen. Dann muß man den Wasserdampfstrom abstellen und Luft einblasen, um die erkaltenden Kohlen wieder in Weißglut zu bringen, bevor man von neuem Wasserdampf darauf wirken läßt. Bei unserem oben beschriebenen Generator für „Mischgas“ ist dies aber nicht notwendig, weil die weißglühenden Kohlen nicht mit Wasser allein, sondern zugleich mit Luft in Berührung kommen. Da muß nur die Wasserzuführung so geregelt und eingestellt werden, daß durch die Zerlegung des Wassers nicht ganz so viel Wärme verbraucht wird, als durch die Einwirkung der Luft auf den Koks gebildet wird. So erhält man aus einem Kilogramm gewöhnlichem Koks 1,13 Kubikmeter Wassergas und 3,13 Kubikmeter Generatorgas, welche zusammen (als Mischgas) 84 % der Verbrennungswärme des Koks in sich tragen. 16 % der Heizkraft des Koks gehen also bei seiner Vergasung verloren. Dieser Verlust ist aber praktisch deshalb bedeutungslos, weil beim direkten Verfeuern von Koks in den Öfen meistens viel mehr als 16 % von seinem Brennwert verloren gehen, während Gasfeuerungen mit außerordentlicher Sparsamkeit und fast ohne alle Verluste arbeiten. Rechnet man dazu noch die anderen, wiederholt genannten Vorteile der Gasfeuerungen, so versteht man leicht die immer ausgebreitetere Verwendung von Vergasungsapparaten in der Technik. Auch muß man bedenken, daß 1 Kilogramm guter Kohle gegen 0,3 Kubikmeter Leuchtgas liefert und sich durch den Wert dieses Gases und der Teerprodukte allein schon besser bezahlt macht, als wenn man es direkt verfeuert. Die Verkokung der Kohle und die Vergasung des Koks bilden also zusammen einen Veredelungsprozeß, der für unsere Zukunft von der größten Bedeutung sein wird. Hat man doch schon allen Ernstes daran gedacht, die Kohlen in Zukunft gleich an den Gruben so zu vergasen und, statt die Kohlen auf Eisenbahnzügen durch das Land zu schicken, gewaltige Gasleitungen für Kraft- und Leuchtgas zu erbauen und die Städte von den Kohlengruben aus mit Gas zu versorgen. Denn die Transportkosten verteuern die Kohlen durchschnittlich so, daß sie im Lande mehr als doppelt so viel kosten als an der Förderstelle. Deutschland verbraucht +täglich+ für etwa 2¼ Millionen Mark Kohlen, welche an den Gruben, unmittelbar nach ihrer Förderung, erst etwa 1 Million Mark kosten. Aber zurzeit wogt noch ein unentschiedener Streit zwischen den Fachleuten, ob derartige riesengroße Vergasungsanlagen nebst den dazu gehörigen Leitungen nicht durch ihre Amortisation die Kosten des Gases um soviel verteuern, daß der Unternehmer gegenüber der direkten Verfeuerung keinen wesentlichen Gewinn hätte. Aber selbst in diesem Falle würde die Zentralisation der Vergasung doch den Vorteil bieten, daß mit unseren Kohlenvorräten sparsamer umgegangen würde. Denn gegenwärtig gehen noch unverantwortlich große Brennstoffmengen als Rauch und Ruß in die Luft. Die gasförmige Gestalt eines Brennstoffes hat noch einen anderen Vorzug: man kann damit Explosionsmotoren treiben. Wir haben schon früher auf die Bedeutung der +Hochofengichtgase+ hingewiesen, welche so lange unbenutzt in die Luft entwichen sind und jetzt zum Betrieb von Riesengasmotoren dienen. Die Erfindung dieser Motoren für Gasmischungen von sehr geringem Brennwert gründet sich auf den Gedanken, daß sich der Brennwert solcher Mischungen unter Druck, also in verdichtetem Zustand, erhöht. Man kann z. B. zeigen, daß eine sehr luftreiche Mischung von Leuchtgas und Luft, welche im gewöhnlichen (nicht zusammengepreßten) Zustande nicht mehr explosiv ist, beim Zusammenpressen auf ⅓ oder ¼ ihres Raumes die Fähigkeit erlangt, beim Anzünden heftig zu explodieren. Die weitere Entwicklung dieser Riesengasmotoren wird vielleicht auf die Lösung eines anderen Problems Einfluß gewinnen, welche zur Streckung unserer Kohlenvorräte beitragen könnte: die Ausnützung des +Torfs+ unserer Moore. 2. Das Erdöl. Im Mittelalter wurden als Brennstoffe allein Holz und Holzkohlen benutzt; um die Mitte des 18. Jahrhunderts fing man an, die Steinkohlen zu benutzen; aber erst tief im 19. Jahrhundert wurde man auf das Erdöl aufmerksam. Noch 1843 kostete in +Pittsburg+ der Liter Erdöl 1 Mark, und erst in den Jahren 1859–61 wurden dort so viele Ölbrunnen erbohrt, daß die Produktion in Pennsylvanien allein auf 2 Millionen Fässer anschwoll, so daß das Faß zu 160 Liter Inhalt an Ort und Stelle nur noch 10 Cents kostete! Freilich hatte man schon vorher, um 1850 herum, in Deutschland und Österreich viel Lampenöl durch Braunkohlen- und Teerschwelerei gewonnen und hatte bereits geeignete Lampen erfunden, um diese Öle darin zu brennen: es waren die Schnittbrennerlampen, die man noch heute in ländlichen Haushaltungen antrifft, die Vorläufer unserer modernen (und doch schon wieder unmodernen) Petroleumlampen. Jetzt beträgt die gesamte Erdölgewinnung in den Vereinigten Staaten etwa 170 Millionen Zentner, im Kaukasus 140 Millionen, in Galizien 4 Millionen, in Rumänien 2 Millionen Zentner jährlich. [Illustration: Abb. 34. Alte Schnittbrennerlampe im Durchschnitt.] Die Erdölquellen haben die Eigentümlichkeit, nach einiger Zeit (z. B. 3 Jahren) zu versiegen. Jedoch haben einige von ihnen trotzdem einen ungeheuren Ertrag gegeben. So lieferte die Mammutquelle von Baku anfangs pro Stunde nicht weniger als 100000 Zentner Röhöl, welches in einem über 60 Meter hohen Strahl aus dem Bohrloch sprang. Die Frage, wie so ungeheure Mengen Erdöl entstanden sein können, wird verschieden beantwortet. Die größte Wahrscheinlichkeit hat die Theorie von +Müller+ und +Engler+, welche im Rohpetroleum das umgewandelte +Fett+ von Fischen, Schnecken und Muscheln erblickt. Denn nicht bloß ist es Engler gelungen, durch Erhitzen von Fischtran unter hohem Druck Rohpetroleum künstlich darzustellen, sondern es wurde auch beobachtet, daß die Petroleumquellen stets versteinerte Reste von solchen Meerestieren und salzhaltiges Wasser auswerfen. Das rohe Erdöl bildet eine dunkelbraune oder schwarze, etwas dickliche Flüssigkeit, für die man lange Zeit keine andere Verwendung hatte, als daß man damit durch Einreiben des Haarbodens die Läuse vertrieb. Als Lampenöl war es nicht bloß durch seine schmierige Beschaffenheit, sondern auch wegen seiner Feuergefährlichkeit unbrauchbar; Rohöl brennt in den Lampen flackernd und rußend, verschlackt den Docht sehr schnell und gibt zu häufigen und sehr gefährlichen Explosionen Anlaß. Ein schlechteres Füllungsmittel für Petroleumlampen könnte kaum künstlich zusammengestellt werden. Trotzdem ist gerade dieses rohe Erdöl seit einiger Zeit einer der allerwichtigsten Brennstoffe geworden: man betreibt damit die riesigen Explosionsmotoren der Kriegsschiffe. Das Öl wird in Gestalt eines feinen Nebels, mit Luft vermischt, im Zylinder zur Explosion gebracht, wodurch der Kolben herausgetrieben und das Schwungrad in Umdrehung versetzt wird. Allein, diese Anwendung des Rohöls ist doch eine rechte Vergeudung, vergleichbar dem Verheizen der Steinkohle. Denn wie aus dieser, so lassen sich auch aus dem Rohöl durch Destillation eine Menge der wichtigsten Stoffe gewinnen: +Petroleumäther+, +Gasolin+, +Benzin+, +Lampenpetroleum+, +Ligroin+, +Schmieröl+, +Vaseline+, +Paraffin+. Alle diese Stoffe bestehen nur aus Kohlenstoff und Wasserstoff, unterscheiden sich aber durch ihre Siedepunkte in der Weise, daß Petroleumäther am leichtesten siedet (zwischen 40 ° und 70 °), und daß der Siedepunkt in der angegebenen Reihenfolge immer höher steigt. Schon vom Lampenpetroleum ab muß die Destillation unter vermindertem Druck, also unter der Luftpumpe, vorgenommen werden, weil bei gewöhnlichem Druck Zersetzung eintritt. Wenn man Lampenpetroleum in einer gewöhnlichen Retorte mit Vorlage destillieren würde, wie wir es früher mit der Salpetersäure machten (Abb. 10), so würden wir aus einem Liter Lampenpetroleum vielleicht ¾ Liter Destillat erhalten; der Rest würde sich zu einem Gemisch brennbarer Gase zersetzen. Pumpt man aber während der Destillation die Luft aus der Retorte und Vorlage, so wird die Ausbeute bedeutend größer. In noch höherem Grade gilt dies für die Destillation der feinen Maschinenöle, welche daher seit einiger Zeit unter der amerikanischen Bezeichnung „~Vacuum-Oil~“ in den Handel kommen. Die Reinigung oder „Raffinierung“ des Rohpetroleums geschieht jedoch nicht bloß durch Destillation, sondern außerdem noch durch eine chemische Behandlung mit konzentrierter Schwefelsäure, mit Wasser, Soda und Natronlauge. Schüttelt man nämlich Rohöl andauernd mit konzentrierter, noch besser mit rauchender Schwefelsäure, so wird es allmählich wasserhell, während sich die Säure schwarz färbt. Dabei werden alle braunen Farbstoffe des Rohöls durch die Säure in harzige Massen verwandelt, welche dann ausgewaschen werden. Man macht diese Reinigung jedoch erst mit den Destillaten, um nicht zuviel Säure zu verbrauchen. Schließlich entfernt man den Säureüberschuß aus dem Öl durch Schütteln mit Natronlauge und diese durch Nachbehandlung mit Wasser. Immerhin können von dieser Reinigung Spuren der Säure im Petroleum und sogar im Maschinenöl verbleiben und bewirken, daß die damit geölten Maschinenteile später rosten. Mit +Petroleum+ geputztes Eisen rostet aus diesem Grund ganz bestimmt nach kurzer Zeit. Man muß daher das Petroleum von blanken Eisenteilen stets wieder durch Benzin abwaschen, bevor man als endgültigen Rostschutz feines, säurefreies Vakuumöl anwendet. Im allgemeinen kann man rechnen, daß man aus dem Rohöl etwa 5–7 % Gasolin und Benzin und etwa 40 % Lampenpetroleum gewinnt. Der Rest besteht aus den schweren, paraffinhaltigen Schmierölen und aus Asphalt. Das +Benzin+ benützt man bekanntlich als Betriebsstoff für Automobile, in zweiter Linie zum Auflösen von Fetten und Ölen in der chemischen Industrie und in der chemischen Wäscherei. Man könnte, wenn es nicht zu teuer wäre, auch die +Hände+ mit Benzin sehr sauber waschen; der Schmutz wird nämlich in der Wäsche und an den Händen hauptsächlich durch +Fett+ festgehalten und fällt wie Staub ab, sobald man das Fett durch Benzin auflöst. Das +Gasolin+ dient, wie sein Name andeutet, zur Erzeugung von Gas. Wenn man nämlich in eine leere Flasche ein wenig Gasolin bringt und dann die Flasche schüttelt, so entsteht nicht, wie man erwarten sollte, eine +explosive+ Mischung von Luft und Gasolindampf, sondern man kann das Gemisch ohne Sorge anzünden: es brennt ruhig, ohne zu explodieren, mit leuchtender Flamme, wie Gas. Dies hat seinen Grund darin, daß die Luft viel mehr Gasolindampf in sich aufnimmt, als sie durch ihren geringen Sauerstoffgehalt verbrennen kann. Das Gemisch verhält sich also beim Anzünden so, als ob es bloß Gasolindampf wäre. Die Luft spielt dabei nur die Rolle eines Trägers, eines Mittels, das das Gasolin zum Verdampfen zwingt. Die Abb. 35 verdeutlicht uns das Prinzip, auf welchem die +Gasolingas+- oder +Leuchtgas+-Apparate beruhen: ein Gefäß A ist zur Hälfte mit Gasolin gefüllt. Durch das Rohr a, welches bis auf den Boden des Gefäßes reicht, wird ein Luftstrom eingeblasen, der sich beim Durchgang durch das Gasolin ganz mit dem Dampf dieser Flüssigkeit sättigt. Er verläßt das Gefäß durch das Rohr b und kann am oberen Ende dieses Rohrs angezündet werden. Gasolingas ist nicht wesentlich teurer als Leuchtgas, hat aber den Vorzug, nicht giftig zu sein. Es eignet sich sehr gut zur Beleuchtung und als Kochgas für einzelne Villen usw., welche keinen Anschluß an Leuchtgas bekommen können. -- [Illustration: Abb. 35. Ein einfacher Gaserzeugungsapparat (mit Gasolinfüllung).] Wichtige Dinge sind über das +Petroleum+ als Beleuchtungsmittel zu sagen. Petroleum, Benzin, Spiritus sind bekannt als brennbare und daher feuergefährliche Flüssigkeiten; aber brennbar und brennbar ist doch zweierlei, und es ist kein kleiner Triumph der Technik und der Gesetzgebung, daß sie dem Petroleum die Eigenschaft der Brennbarkeit belassen und ihm die der Feuergefährlichkeit in hohem Grade benommen haben. Dies ist eine Sache, die sich ganz gut mit Alfred +Nobels+ Tat vergleichen läßt, der dem Nitroglyzerin durch die Erfindung des Dynamits seine Gefährlichkeit nahm, ohne seine Sprengkraft wesentlich einzuschränken. Mit dem Petroleum verhält es sich aber so: wenn man eine Kaffeetasse mit Petroleum füllt und ein brennendes Zündholz hineintaucht, so geht das Zündholz aus. Nimmt man aber Rohpetroleum oder Benzin oder guten Spiritus statt des Petroleums, so geht das Zündholz nicht aus, und der ganze Tasseninhalt brennt lichterloh. Die Ursache ist, daß diese verschiedenen Flüssigkeiten durch die Hitze recht verschieden schnell verdampft werden. Wenn nämlich eine Flüssigkeit brennen soll, muß immer zuerst die Dampfschicht entzündet werden, welche über der Flüssigkeit lagert. Flüssigkeiten, auf welchen bei gewöhnlicher Temperatur keine merkliche Dampfschicht lagert, können sich daher auch nicht entzünden, wenn man ein brennendes Zündholz in sie taucht. So ist es mit dem Lampenpetroleum. Dagegen verdampft Benzin schon bei gewöhnlicher Temperatur so stark, daß es stets mit einer Schicht brennbarer Dämpfe überlagert ist. Ein angenähertes Zündholz bringt diese Dämpfe, und mit ihnen die Flüssigkeit, sofort zum Brennen. Dasselbe tritt mit Mischungen von Petroleum und Benzin ein. Rohpetroleum ist eine solche Mischung. Aus dem Lampenpetroleum dagegen sind durch Destillation alle diejenigen Kohlenwasserstoffe entfernt, welche bei gewöhnlicher Temperatur brennbare Dämpfe bilden. Erhitzt man aber Lampenpetroleum auf, ich glaube 28 °, so entwickeln sich solche Dämpfe, und das Petroleum entzündet sich nun sofort auf der ganzen Fläche, wenn man ihm ein brennendes Zündholz nähert. Diese Dinge sind von großer Wichtigkeit für die Entscheidung der Frage, ob Petroleumlampen feuergefährlich sind. Solange das Petroleum nicht die Temperatur des „Entflammungspunktes“ (28 °) erreicht, kann das Feuer auch nicht vom Docht aus auf die Füllung des Behälters überspringen; die Lampe kann nicht explodieren, weil über dem Petroleum keine entzündliche Dampfschicht lagert. Der Entflammungspunkt ist nun in Deutschland gesetzlich so hoch gelegt, daß sich das Petroleum in richtig gebauten Lampen niemals bis zu ihm erwärmen kann. Wenn trotzdem noch manchmal Petroleumlampenexplosionen vorkommen, so sind daran ungünstige Nebenumstände schuld. Z. B. pflegen die Mechaniker, wenn sie Fahrradteile mit Petroleum geputzt haben, das Petroleum mit Benzin abzuspülen. Solches benzinhaltiges Petroleum wird dann manchmal aus Sparsamkeitsgründen noch in die Lampe gefüllt. Dies ist außerordentlich gefährlich und sollte unter keinen Umständen geduldet werden. Auch sollte man niemals Petroleumlampen auf den Ofen stellen. Unsere besondere Aufmerksamkeit verdient im Zusammenhang mit dem soeben Gesagten die Wirkung des +Lampendochts+. Diese Wirkung, das Aufsaugen des Petroleums, ist eine physikalische Erscheinung, welche zu den Haarröhrchenwirkungen gehört und auf den Gesetzen der Oberflächenspannung beruht. Wir haben diese an anderer Stelle ausführlich besprochen. Aber am Docht gibt es auch außerdem noch manches Merkwürdige. Ein neu eingezogener Docht kann länger als eine Stunde gebrannt werden, ohne daß er oben schwarz wird. Warum verkohlt er nicht? -- Warum verkohlt er später? -- Diese beiden Tatsachen scheinen einander zu widersprechen. Außerdem müssen wir uns auch darüber wundern, daß das Petroleum am Docht sofort durch ein Zündholz entflammt wird, während dasselbe Zündholz in einer Tasse voll Petroleum sich auslöscht. [Illustration: Abb. 36. Zur Erklärung der Saugwirkung des Dochtes. In den drei Glasröhren 1, 2, 3 steigt das Wasser um so höher, je enger sie sind.] [Illustration: Abb. 37. Ein Sandhäufchen inmitten eines Tellers voll Petroleum brennt mit hoher Flamme.] Zunächst wollen wir uns durch einen einfachen Versuch überzeugen, daß es gar nicht der Docht ist, welcher in der Lampe brennt, sondern allein das Petroleum in den Poren des Dochtes. Wir schütten zu diesem Zweck auf einen Teller ein Häufchen Sand, gießen rings um dasselbe in den Teller eine Schicht Petroleum, und zünden nun das Sandhäufchen an. So unglaublich das klingt, es geht: der Sand brennt ruhig, mit großer, schwelender Flamme. Natürlich brennt hier in Wirklichkeit der Sand so wenig, wie dort der Docht in der Petroleumlampe, sondern es ist allein das Petroleum, welches in beiden Fällen brennt. Der Docht braucht also gar nicht aus einem brennbaren Stoff zu sein, es ist sozusagen reiner Zufall, daß die Baumwolle neben der Saugkraft, die sie zum Docht geeignet macht, auch noch die Eigenschaft der Brennbarkeit hat. Es ist also nicht so, als ob das Petroleum nur deshalb am Docht leichter brennte, weil der Docht gleichsam ein bißchen mitbrennt. Der Docht brennt nicht mit, sondern das Petroleum brennt ganz allein, dasselbe Petroleum, in welchem ein eingetauchtes Zündholz verlischt, ohne es zum Brennen zu bringen. Dieser scheinbare Widerspruch klärt sich durch folgende Betrachtung auf: jeder Stoff, der ganz dicht an eine Flamme gehalten wird, wird durch die +strahlende+ Wärme dieser Flamme erhitzt. Dieses Erhitzen erfolgt besonders leicht, wenn man den betreffenden Stoff auf eine Unterlage aufstreicht, von welcher die Wärme zurückgestrahlt wird. Der Stoff befindet sich dann zwischen der Unterlage und der Flamme im Kreuzfeuer der Wärmestrahlen. Dies ist die Lage des Petroleums am oberen Dochtende einer brennenden Lampe: der Docht ist die Unterlage, welche von der Flamme durch eine ganz dünne Schicht Petroleum getrennt ist. Deshalb erhitzt die strahlende Wärme diese dünne Ölschicht fast augenblicklich auf den Entflammungspunkt, so daß fortwährend brennbare Dämpfe da sind. Das verdampfende Petroleum hält dabei den Docht so kühl, daß er gar nicht selbst zum Brennen kommen kann. Wie wenig der Docht erwärmt wird, kann man durch zwei sehr verblüffende Versuche beweisen: wenn man nämlich statt des Sandhäufchens ein gleiches aus Magnesiumpulver errichtet, welches bekanntlich sehr leicht und heftig brennt, so kann man diesen Magnesiumdocht ebenso anzünden, und das Petroleum brennt darauf ebenso wie auf Sand, ohne daß auch nur eine Spur des Magnesiums verbrennt. Noch auffälliger ist es aber, daß man auch trockene Schießbaumwolle, diesen gefährlichen Explosivstoff, ohne alle Gefahr als Docht für Petroleum verwenden kann. Man fragt sich angesichts dieser Tatsachen, wie es nur möglich ist, daß die Dochte schließlich, bei längerem Gebrauch, am oberen Ende doch verkohlen. Dies erklärt sich aber leicht aus folgender Überlegung: Das obere Dochtende ist die Verdampfungsstelle für eine große Menge Erdöl; obgleich dieses Erdöl im Handel in sehr reiner Beschaffenheit vorkommt, hinterläßt es beim Verdampfen doch geringe Rückstände, zumal da es sich ja beim Erhitzen unter gewöhnlichem Druck etwas zersetzt. Diese harzigen oder teerigen Rückstände verstopfen die Poren des Dochts und bewirken dadurch eine Verminderung der Kühlung, weil aus den verstopften Teilen weniger Öl verdampft. So kommt es, daß diese Teile durch die Flamme stärker erhitzt und verkohlt werden. -- Mit dieser etwas altväterisch scheinenden Untersuchung des Dochtes wollen wir unsere Betrachtung über das Erdöl schließen. Wir wollen auch im Scheine der elektrischen und Gasglühlichtlampen nicht vergessen, daß die gewaltigen Produktions- und Exportziffern der Erdölindustrie deutlich genug beweisen, daß die Stunde der Petroleumlampe noch nicht geschlagen hat. 10. Fette, Öle, Seifen und Kitte. Nun, haben wir nicht soeben von Fetten und Ölen gesprochen? Ist etwa Schmieröl kein Öl, ist Vaseline kein Fett? -- So könnte man beim Lesen der Überschrift dieses Abschnittes erstaunt fragen. Nach dem Sprachgebrauch besteht allerdings kein Gattungsunterschied zwischen den soeben behandelten „mineralischen“ Ölen und den Fetten und Ölen des Pflanzen- und Tierreichs, von welchen wir jetzt reden wollen. Aber die chemische Zusammensetzung und die Eigenschaften beider Gruppen sind doch recht verschieden. Die aus der Erde stammenden „Mineral“öle zeichnen sich, wie wir gesehen haben, durch eine außerordentliche Widerstandskraft gegen chemische Mittel, namentlich gegen Schwefelsäure (sogar rauchende!), Natronlauge und Soda aus. Deshalb nennt der Chemiker die sämtlichen Bestandteile des Rohpetroleums „Paraffine“, was auf deutsch soviel heißt wie „Stoffe mit geringer Neigung zu chemischer Umsetzung“. Die pflanzlichen und tierischen -- sagen wir kurz: die +organischen+ -- Fette und Öle werden dagegen durch Säuren, durch Laugen, durch überhitzten Wasserdampf, durch gärungsartige Vorgänge usw. recht leicht in zwei Hauptbestandteile gespalten: in +Glyzerin+ einerseits und in eine sogenannte +Fettsäure+ andrerseits. Das Glyzerin ist der nie fehlende und durch nichts anderes vertretbare eine Bestandteil aller organischen Fette und Öle, so verschieden sie auch sonst voneinander sein mögen (denken wir nur an Olivenöl und Rindertalg). Dieses Glyzerin, eine dicke, süßschmeckende, ölige Flüssigkeit, ist seiner chemischen Natur nach eine ganz schwache Lauge. Die Fette sind also als salzartige Stoffe, als Verbindungen einer Lauge mit einer Säure, aufzufassen. Ihr zweiter Bestandteil, die Fettsäure, kommt in der Natur in verschiedenen Arten vor: in der Butter findet sich die +Buttersäure+; die meisten übrigen Fette und Öle enthalten drei verschiedene, aber einander ziemlich ähnliche Fettsäuren in wechselnden Mengenverhältnissen: die +Palmitinsäure+, die +Stearinsäure+ und die +Ölsäure+. Die Ölsäure ist bei Zimmertemperatur flüssig, Palmitin- und Stearinsäure sind fest. Die Stearinsäure ist wohl jedem bekannt, denn aus ihr sind die bekannten weißen Stearinkerzen gemacht. Je mehr ein Fett von der flüssigen Ölsäure enthält, um so weicher, ja flüssiger ist es: Schweinefett z. B. enthält mehr als die Hälfte, Rindertalg etwa ein Viertel Ölsäure. Die Fette und Öle werden beim Kochen mit verdünnten Säuren, oder wenn man sie mit überhitztem Wasserdampf unter Druck behandelt, in ihre beiden Bestandteile gespalten. Diesen Vorgang nennt man die +Verseifung+ der Fette, obwohl sich dabei keine Seife bildet. Die Verseifbarkeit ist der wichtigste Unterschied zwischen den echten, organischen Fetten und den Mineralölen. +Mineralöle sind nicht verseifbar.+ Auf der Verseifbarkeit beruhen fast alle Anwendungen der organischen Fette und Öle. Die Verseifung tritt unter Mitwirkung von Bakterien von selbst ein, wenn die Fette, namentlich in der Wärme, mit Luft und Licht in Berührung kommen: dann sagt man, sie werden +ranzig+. Sie strömen dann einen üblen Geruch aus und sind auch wegen ihres schlechten Geschmacks ungenießbar. Geruch und Geschmack verraten, daß das Ranzigwerden nicht bloß in einer Spaltung der Fette besteht, sondern daß die beiden Spaltungsprodukte durch den Sauerstoff der Luft noch weiter verändert werden. Ranzige Butter riecht allerdings vorwiegend nach Buttersäure. Durch +Einsalzen+ kann man das Ranzigwerden der Fette bekanntlich ebenso verzögern, wie das Faulen des Fleisches. Diese Wirkung des Salzes beruht darauf, daß es die Bakterien, welche die Zersetzung erregen, lähmt und hemmt. Die Verseifung tierischen Talgs durch hochgespannten und überhitzten Wasserdampf bildet eine der großartigsten Industrien der Erde. Sie blüht in den Präriedistrikten Südamerikas und der Union, wo das Fleisch der Herdentiere auf Büchsenkonserven, Fleischextrakt und Kraftfuttermittel, ihr Fett auf Glyzerin und Fettsäuren verarbeitet wird. Das Glyzerin geht in den Handel über zur weiteren Verwendung in der Sprengstoffindustrie; die Gemische von Palmitin- und Stearinsäure wandern teils in die Kerzenfabriken, teils in die Seifenfabriken. Die weicheren oder flüssigen, ölsäurereichen Mischungen von Fettsäuren werden neuerdings in einem großartigen chemischen Prozeß in harte Fettsäuren umgewandelt, weil man die flüssigen Fettsäuren nicht brauchen kann, während die festen sowohl für die Kerzen- als für die Seifenfabrikation von größtem Wert sind. Seitdem man die Fette durch überhitzten Dampf in Glyzerin und Fettsäuren spaltet, ist die +Seifensiederei+ ein einfacher Prozeß geworden. Man braucht nämlich die Fettsäure nur mit Natronlauge zu erhitzen, um sofort die schönste, härteste Kernseife ohne jeden Abfall zu erhalten. Die +Seifen+ sind nämlich nichts anderes als die Metallsalze der Fettsäuren. Früher, als die Seifensiederei noch ein Kleingewerbe war, stellte man die Seife durch Kochen von +Fett+ mit +Lauge+ dar. Dabei verband sich die Fettsäure des Fettes mit der Lauge zu Seife, und das Glyzerin schied sich als Flüssigkeit ab. Die Seife schwamm, da sie sich in Wasser nur in geringer Menge löst, oben auf, während sich das Glyzerin in der darunterliegenden, braunen Brühe (der sogenannten +Unterlauge+) vorfand. Als Lauge benutzten die Seifensieder in der ältesten Zeit ein selbstbereitetes Präparat, das aus +Holzasche+ durch Kochen mit gelöschtem Kalk gewonnen wurde. Die Holzasche enthält kohlensaures Kalium, welches sich mit der Kalkbase zu kohlensaurem Kalk und Kalilauge umsetzt. Der wirksame Bestandteil in der alten Seifensiederlauge war also die +Kalilauge+. Da sie zugleich die stärkste aller Laugen ist, so verseift sie die Fette verhältnismäßig schnell und vollständig. Aber die Kaliseifen haben samt und sonders die Eigenart, nicht hart zu werden, sondern schmierig zu bleiben. Man nennt sie daher auch +Schmierseifen+. Dagegen sind die +Natronseifen+ fest. Alle festen Seifen des Handels sind Natronseifen. Zu ihrer Herstellung hat man zwei Wege: entweder, man verseift das entsprechende Fett unmittelbar mit starker Natronlauge, oder man stellt zuerst eine Kaliseife her und kocht diese dann mit starkem Salzwasser. Diesen Vorgang nennt man das +Aussalzen+ der Seife. Dabei tauschen das Kochsalz (Chlornatrium) und die Kaliseife ihre Metalle gegeneinander aus. Außerdem erhöht das Aussalzen auch die Ausbeute, weil die Seife in Salzwasser fast ganz unlöslich ist, während in einer salzfreien Unterlauge noch immer ziemlich viel Seife gelöst bleibt. Durch das Aussalzen erhält man aber niemals reine Natronseife, weil ein erheblicher Teil des fettsauren Kalis nach dem Satz vom chemischen Gleichgewicht (vgl. das 6. Kapitel) sich immer wieder aus Chlorkalium und fettsaurem Natrium rückbildet. Aber dies ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil für die praktische Verwendung, weil reine Natronseife sehr hart und bröckelig ist. Durch einen Gehalt an weicher Kaliseife wird das Fabrikat geschmeidiger, es verliert seine Brüchigkeit. Für den Weichheitsgrad ist auch das verwendete Fett von Bedeutung: harte Fette geben harte Seifen, während die Öle sehr weiche, schmierige Seifen (Marseiller Seifen) bilden. Die Seifen haben die Eigenschaft, gewisse Stoffe in sich aufzunehmen, so daß man sie mit diesen Stoffen „füllen“ kann. Solche Verdünnungs- oder Füllmittel sind: Wasserglas, Kaliumsulfat und namentlich +Ton+. Wasserglas und Ton lassen sich einer guten Seife fast in beliebigen Mengen zusetzen, ohne daß sich die Seife bei der Abkühlung wieder vom Füllmittel trennt. So darf den deutschen Seifen während der Kriegszeit nicht mehr als 20 %, das ist ein Fünftel ihres Gewichts, an Fett zugrunde gelegt werden. Nahezu vier Fünftel werden also von den Füllmitteln, namentlich von Ton, gebildet. Das Fett, welches für Seifensiedereizwecke zugelassen ist, ist Abschöpf- und Abfallfett der übelsten Sorte, ranzig und angefault und von pestilenzartigem Geruch. Aber durch Umschmelzen mit oxydierenden Mitteln läßt es sich soweit reinigen, daß man den fertigen Seifen nicht mehr viel anmerkt von den übelduftenden Bestandteilen. Ich habe gesehen, wie in Seifensiedereien Abfallfette von einer Metzgerei abgeliefert wurden, welche von Springmaden geradezu wimmelten und einen entsetzlichen Geruch verbreiteten. Diese Fette lieferten nach ihrer Reinigung eine ausgezeichnete Kernseife. Der Geruch einer Seife ist, auch wenn reines Fett dazu verwendet wurde, nicht angenehm; ranzige Fette verstärken seine unangenehme Eigenart. Deshalb ist es üblich, die Seifen zu parfümieren, wenigstens diejenigen für den persönlichen Gebrauch. Das Parfümieren billiger, gewöhnlicher Seifen geschieht in der Wärme, indem man der geschmolzenen Seife die Duftlösung zusetzt. Dieses Verfahren ist für feinere Ware nicht anwendbar, weil gerade die feinen Duftstoffe durch die Wärme verflüchtigt oder so verändert werden, daß ihr Wert dadurch herabgemindert wird. Deshalb werden solche Seifen durch ein sehr merkwürdiges Verfahren +kalt+ parfümiert. Man zerreibt die kalte Seife zunächst zu einem feinen Pulver, vermengt es mit dem Parfüm und preßt es dann mit großen Pressen unter gewaltigem Druck wieder zu festen Handstücken zusammen. Dieses Verfahren nennt man „Pilieren“. Es ist nur auf reine, ungefüllte Seifen anwendbar, weil sich gefüllte nicht pulverisieren lassen, sondern dabei schmieren. Die Seifensiederei ist ein Gewerbe, das in seinen meisten Gepflogenheiten auf uralte Erfahrungen, die wenigstens bis ins gotische Mittelalter zurückreichen, aufgebaut ist. Zu diesen ältesten Erfahrungen gehört namentlich das Grundprinzip der alten Seifensiederei, die Verseifung der +Fette+ durch Kochen mit Laugen. Dagegen bedeutete die Einführung der +Fettspaltung+ einen geradezu ungeheuren Fortschritt, der im Seifensiedergewerbe einen völligen Umschwung hervorrief: er bewirkte, daß die kleinen, zünftig geleiteten Betriebe samt und sonders vor etwa 25 Jahren durch die großen Seifenfabriken aufgeschluckt wurden, weil die Fettspaltung wegen der teuren Anlagen nur im Großbetrieb möglich ist. Da aber die Fettspaltung das Glyzerin besser und vollständiger zu gewinnen gestattet, so erzeugen die Großbetriebe schon aus diesem Grunde die Seifen billiger als die zünftigen Seifensiedereien aus Großvaters Zeiten. Das Wesen der Fettspaltung haben wir schon kennengelernt: es besteht darin, daß die Fette durch überhitzten und hochgespannten Wasserdampf in Glyzerin und Fettsäure zerlegt werden. Diese Vorbehandlung der Fette ermöglicht nicht nur die vollständige Gewinnung des Glyzerins, sondern sie erleichtert auch die eigentliche Herstellung der Seife bedeutend. Denn die freie Fettsäure verbindet sich mit der Lauge viel leichter als die an Glyzerin gebundene. Ja, zur Verseifung der freien Fettsäure braucht man nicht einmal die teure, konzentrierte Natronlauge zu nehmen, sondern man kann billigere, verdünnte Laugen und sogar Soda (kohlensaures Natrium) dazu benutzen, welches noch viel billiger ist. Denn beim Kochen von Soda mit freien Fettsäuren wird die Kohlensäure der Soda durch die Fettsäure verdrängt, indem sich gleichzeitig Seife bildet. Versucht man, eine Seife mit einer anderen Base als Kali- oder Natronlauge zu machen, so gelingt dies zwar, aber alle anderen Seifen sind in Wasser unlöslich oder so schwer löslich, daß sie nicht schäumen können. Dies gilt also von der +Kalkseife+, +Magnesiaseife+, +Kupferseife+, +Eisenseife+ usw. Sie sind alle in Wasser unlöslich. Dies ist wichtig zu wissen, wenn man gewisse Vorgänge verstehen will, die man beim Waschen beobachten kann. Da ist es nämlich eine alte Erfahrung, daß man nur mit +weichem+ Wasser gut waschen kann, während mit +hartem+ Wasser die Seife durchaus nicht schäumen will. Weiches Wasser ist reines Wasser. Hartes enthält kleine Mengen von Salzen des Kalziums, Magnesiums oder Eisens aufgelöst. Diese Salze gehen mit der Seife eine Wechselumsetzung ein, derart, daß z. B. aus schwefelsaurem Kalzium und Natronseife sich schwefelsaures Natrium und Kalziumseife bildet. Die Kalkseife ist aber in Wasser unlöslich. Infolgedessen überzieht sich jedes Seifenstück und jeder eingeseifte Gegenstand in hartem Wasser mit einer unlöslichen Kruste von Kalkseife. Erst wenn auf diese Weise die letzte Spur von Kalk-, Magnesia- und Eisensalzen in Form von unlöslicher Seife aus dem harten Wasser ausgeschieden ist, erst dann löst sich die Alkaliseife und schäumt. Die Quellen und Flüsse der Kalkgebirge führen stets hartes Wasser. Mit solchem dauert es zuweilen sehr lange, bis Schäumen eintritt, und sehr viel Seife wird zur Erreichung dieses Zieles vergeudet. Weich, d. h. nahezu chemisch rein, sind die Quellen im Sandstein- und im Granitgebirge. Ist man auf hartes Wasser angewiesen, so empfiehlt sich folgendes Verfahren beim Waschen, das auch bei weichem Wasser Seife sparen hilft: man macht den schmutzigen Gegenstand (z. B. die Hand) tüchtig naß und reibt ihn dann an der Seife, +ohne weiter Wasser hinzufließen zu lassen+. Denn bei so sparsamer Wasseranwendung tritt auch mit hartem Wasser rasch das Schäumen ein, weil die Schwermetallsalze in einer kleinen Wassermenge nicht viel Seife zu ihrer Bindung brauchen. Taucht man aber während des Waschens die Hand immer wieder in die Wasserschüssel, so hilft alles Reiben an der Seife nichts, und es kann nicht schäumen, weil mit dem neuen Wasser auch neue Mengen von Kalk- oder Magnesiasalzen gebunden werden müssen. Die merkwürdige Reinigungskraft der Seife beruht weniger auf chemischen als auf physikalischen Vorgängen. Als chemische Wirkung muß es gelten, daß Seifenlösung, besonders warme, ein gewisses Lösungsvermögen für Fette besitzt. Doch ist dieses chemische Lösungsvermögen (von dem man beim Kochen der Wäsche Gebrauch macht) verhältnismäßig gering gegenüber der physikalischen Auflösungskraft des Seifen+schaums+. Diese beruht auf der Oberflächenspannung zwischen Seifenlösung und Luft. Diese merkwürdige Kraft, welche auch die Ursache davon ist, daß man eine Nähnadel oder ein Stück Weißblech auf Wasser schwimmen lassen kann, obwohl diese Stoffe acht- bis neunmal schwerer als Wasser sind -- diese Kraft zieht den Schmutz an und hält ihn in den millionenfachen, zarten Häutchen fest, aus welchen sich der Seifenschaum zusammensetzt. Gleichzeitig löst die Seife das Fett, welches den Schmutz am Körper und in der Wäsche festhält. Wendet man zum Waschen warmes Wasser an, so schmilzt dadurch dieses Fett und wird infolgedessen noch leichter von der Seife entfernt. Auch aus einem anderen Grunde ist es besser, mit warmem Wasser zu waschen: in kaltem Wasser löst sich nur ölsaures Natrium; palmitin- und stearinsaures Natrium lösen sich nur in warmem Wasser auf. Die Seifen bestehen nun, da sie meistens aus Talg hergestellt werden, aus solchen Gemischen dieser drei Stoffe, welche nur etwa ein Viertel an ölsaurem Natrium enthalten. Verwäscht man also gute Kernseife mit kaltem Wasser, so löst sich und wirkt nur ein Viertel der Seife, die übrigen drei Viertel scheiden sich ungelöst in Flocken ab und helfen nichts zur Schaumbildung und Fettauflösung. Wendet man aber heißes Wasser an, so beteiligt sich die ganze Seife am Reinigungsprozeß, weil sich alles auflöst. Den Seifen sehr nahe verwandt sind die +Pflaster+. Das meistgebrauchte und bekannteste von ihnen, das +Bleipflaster+, wird hergestellt, indem man Bleioxyd (oder auch Bleiweiß) mit Schweineschmalz kocht. Das anfangs dünnflüssige Schmalz wird rasch dick, zäh und dunkelbraun. Das Fett wird dabei zerlegt in Glyzerin und seine Fettsäuren; diese verbinden sich mit dem Bleioxyd zu fettsaurem Blei, also zu Bleiseife, und das gleichzeitig freiwerdende Glyzerin macht diese Seife bis zu einem gewissen Grade geschmeidig. In diesem Sinne wirkt auch der stets vorhandene Fettüberschuß. Demnach sind also die Pflaster nichts anderes als unreine Schwermetallseifen. Die Pflaster dienen als Wundheilmittel, ihr wesentlicher Bestandteil ist das Schwermetall. Damit dieses seine heilende Wirkung ausüben kann, muß es in einer Verbindung enthalten sein, welche in die Gewebe des Körpers einzudringen vermag. Eine solche Verbindung ist die +Seife+, aus der das Pflaster besteht. Sie ist, als organische Verbindung, den organischen Stoffen des Körpers näher verwandt als die einfacher zusammengesetzten anorganischen Salze der Schwermetalle. In diesem Zusammenhange wollen wir auch der +Kitte+ gedenken. Sie werden aus +Leinöl+ und einem Metalloxyd oder Metallkarbonat bereitet. Der gewöhnliche Glaserkitt besteht z. B. aus Leinöl und Kreide, die zu einem dicken Brei verknetet sind. Diese Kitte haben die wertvolle Eigenschaft, nach einiger Zeit allmählich ganz fest und steinhart zu werden, ohne dabei zu schwinden. Diese Eigenschaft erklärt sich genau so, wie die Entstehung der Pflaster: das Leinöl wird in Glyzerin und seine Fettsäure zerlegt; diese Fettsäure verbindet sich mit der Schwermetallbase -- in diesem Falle dem Kalziumoxyd -- zu fettsaurem Kalk, während die Kohlensäure aus der Kreide in die Luft entweicht. Der fettsaure Kalk ist der erhärtete Kitt. Wer diesen Vorgang einmal verstanden hat, begreift ohne weiteres, wie sinnlos es wäre, einen Kitt aus Kreide und Mineralöl herstellen zu wollen. Denn das Mineralöl kann nicht ranzig werden, es enthält überhaupt keine Fettsäure, kann also auch niemals mit der Kreide zu fettsaurem Kalk erhärten. Trotzdem werden solche „Kitte“ als grobe Fälschungen von betrügerischen Händlern verkauft. Sie „erhärten“ auch bis zu einem gewissen -- natürlich sehr geringen -- Grad, weil die Mineralöle durch Eintrocknen und geringe Sauerstoffaufnahme verharzen. Aber diese Verhärtung ist viel zu gering, als daß sie praktisch überhaupt in Betracht gezogen werden könnte. -- Selbstverständlich ist aus dem gleichen Grunde auch jede Beimengung von Mineralölen zum Leinöl unstatthaft. +Leinöl+ und andere Pflanzensamenöle haben noch eine zweite, viel wichtigere Anwendung: zur Herstellung der +Ölfarben+ und +Lacke+. Eine Ölfarbe erhält man durch Zusammenreiben eines Farbpulvers mit Leinöl. Diese Farben, mit rohem Leinöl hergestellt, sind zwar außerordentlich schön (weil das rohe Leinöl heller und klarer ist als das gekochte), aber sie haben die fatale Eigenschaft, nur sehr langsam zu trocknen. Das Trocknen der Ölfarben hat nämlich eine ganz andere Ursache als das Erhärten der Kitte. Bei der Ölfarbe wünscht man durchaus nicht, daß das Öl ranzig wird, und daß sich die Ölsäure mit dem Farbpulver chemisch verbindet: denn dies würde den Farbton des Farbpulvers zweifellos unerwünscht verändern. Das Trocknen der Ölfarbe kann also nicht denselben Grund haben wie das Hartwerden der Kitte. Das Trocknen der Ölfarbe kann aber auch nicht darauf beruhen, daß das Öl verdunstet, wie das Wasser beim Trocknen der Aquarellfarbe. Denn dagegen spricht der Umstand, daß die getrocknete Ölfarbe ganz dick und schön glänzend und fest aufliegt und keineswegs bloß aus dem rückständigen Farbpulver besteht. Vielmehr sieht man an der getrockneten Ölfarbe deutlich, daß das Leinöl selbst sich in eine harte, glänzende, durchsichtige Masse verwandelt hat. Diese Umwandlung erfolgt unter Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft. Es ist ein Oxydationsvorgang, den man (obgleich er ganz anders verläuft) mit demselben Ausdruck bezeichnet, der für das Dickwerden der Mineralöle gilt: als +Verharzung+. Man hat nun die Beobachtung gemacht, daß das Leinöl viel schneller verharzt, wenn man es vorher längere Zeit gekocht hat. Leider wird es dabei aber bedeutend dunkler braun, so daß es den Farbton der meisten Farben unerwünscht verändert. Ganz unbrauchbar ist solches dunkle Öl zum Anmachen weißer Ölfarbe, weil es sie schmutzig gelb färbt. Man hat also von jeher darauf gesonnen, nicht bloß das Leinöl so hell als möglich zu machen, sondern auch seine Verharzung durch andere Mittel als das Kochen zu beschleunigen. Was nun das Hellmachen anbelangt, so gelingt dieses gar nicht schwer durch Ausbleichen. Man bleicht das gelbe Leinöl, wie man Wäsche bleicht: an der Sonne, indem man es in flachen Kästen mit hellem Boden dem direkten Sonnenlicht aussetzt. Schwieriger ist es, das Leinöl ohne wesentliche Beeinträchtigung seiner hellen Farbe schnell trocknend zu machen, oder, wie man sagt, in +Firnis+ zu verwandeln. Dies geschieht durch Erwärmen mit kleinen Mengen von Braunstein oder Zinkoxyd oder Bleiglätte. Dadurch wird das Leinölmolekül gleichsam angenagt und ist nun der Oxydation durch die Luft viel zugänglicher als vorher. Je stärker das Öl dabei erwärmt wird, um so besser trocknet es nachher, aber um so dunkler wird es auch. Der bleihaltige Firnis trocknet am schnellsten, weil er bei der Darstellung am stärksten erhitzt werden muß, ist aber aus der gleichen Ursache auch am dunkelsten. Man läßt deshalb gewöhnlich nicht das Leinöl, sondern erst den fertigen Firnis bleichen. Indessen hat sich gezeigt, daß das schnelle Trocknen eines Firnisses seiner Dauerhaftigkeit Nachteil bringt: am dauerhaftesten ist der Firnis, der nur aus gekochtem Leinöl besteht. Hat man aber Schwermetalloxyde hineingekocht, so soll es von Blei nicht mehr als ½ %, von Mangan nicht mehr als ⅒ % sein. In der Regel setzt man eine stärkere Auflösung dieser Metalloxyde in gekochtem Leinöl, den sogenannten +Sikkativ+, zum reinen Leinölfirnis hinzu. Die zuweilen angepriesene Verwendung +trockener+ Sikkative in Pulverform ist zwecklos, weil ein Sikkativ die Trocknung des Leinöls nur dann beschleunigt, wenn er darin klar (ohne Bodensatz) gelöst ist. Solche Lösung erfolgt aber beim einfachen Vermischen trockener Sikkativpulver mit dem kalten Leinöl niemals. Laien pflegen keinen großen Unterschied zu machen zwischen Ölfarbe und +Lack+. Aber in Wirklichkeit ist dieser Unterschied recht bedeutend, nicht bloß in Zusammensetzung und Herstellung, sondern besonders in den Eigenschaften. Die wichtigsten Eigenschaften beider sind Glanz und Haltbarkeit. Die Ölfarbe besitzt auch nach dreimaligem Aufstrich nur einen sehr mäßigen, matten Glanz, der Lack dagegen einen sehr hohen, der (bei den Kutschenlacken) bis zum vollendeten Spiegelglanz gesteigert sein kann. Würde die +Haltbarkeit+ der Lacke auch nur im entferntesten ihrem Glanz entsprechen, so würde kein Mensch mehr Ölfarbe zum Anstreichen verwenden. Aber darin liegt der zweite Unterschied: die Lacke sind nur im geschlossenen Raum, und selbst da nur für beschränkte Zeit, haltbar; dem Wetter ausgesetzt, verlieren sie in kurzer Zeit ihren Glanz und bekommen zahlreiche Sprünge. Die Ölfarbe dagegen hält sich, wenn sie mit reinem Leinölfirnis hergestellt war, auch im Wetter beträchtlich lang und bildet einen vorzüglichen Schutz gegen Rost und Fäulnis. Lack und Ölfarbe ergänzen also einander in bezug auf Haltbarkeit und Glanz. Für die Herstellung der Lacke ist maßgebend, daß sie stets ein Harz oder eine harzartige Substanz enthalten: Bernstein, Kopal, Fichtenharz, Dammar, Schellack, Asphalt usw. In den billigsten (und schlechtesten) Lacken ist dieser Stoff einfach in Terpentinöl, Benzin oder Spiritus aufgelöst, wozu oft nicht einmal erwärmt werden muß. Beim Trocknen verdunstet das Lösungsmittel ganz, der Lacküberzug besteht also nur aus der harzigen Substanz. Er ist oft wunderschön glänzend, aber meistens von sehr geringer Haltbarkeit; er ist brüchig und springt ab, oder er erblindet beim Zusammentreffen mit Wasser. Diesen „mageren“ Lacken sind gegenüberzustellen die sogenannten +fetten+ Lacke, welche stets mit Leinölfirnis gekocht sind. Einen fetten Lack erhält man also z. B. durch Auflösen von Fichtenharz in heißem Leinölfirnis. Diese fetten Lacke sind viel haltbarer als die vorher beschriebenen. Die wertvollsten Sorten werden mit Kopal (selten mit Bernstein) hergestellt, welches ein in Indien gewonnenes Harz ist. Es löst sich nicht, wie das gewöhnliche Fichtenharz, einfach beim Erwärmen im Leinöl auf, sondern erst, wenn man aus dem Kopal durch andauerndes Erhitzen eine gewisse Menge flüchtiger Stoffe abdestilliert hat. Der Rückstand (70 bis 88 % vom ursprünglichen Kopal) ist dann in heißem Leinöl löslich. Die Kunst der Lacksieder besteht nun darin, beim Erhitzen des Kopals und Bernsteins das richtige Maß zu finden. Jetzt wird dies häufig so gemacht, daß man die herausdampfenden Stoffe in einer gekühlten Vorlage auffängt und wägt. Wenn diejenige Menge herausdestilliert ist, welche man durch die Erfahrung für die betreffende Kopalsorte als richtig kennt, so ist der Rückstand zum Auflösen im fetten Öl geeignet. -- Man sieht also, der Lackhandel ist bis zu einem gewissen Grade eine Vertrauenssache, weil man ohne genaueste Fachkenntnis nicht feststellen kann, ob bei der Herstellung des Lacks mit der genügenden Sorgfalt verfahren worden ist. Vorhin wurde erwähnt, daß der Lacküberzug im Laufe der Zeit Sprünge und Risse bekommt. Dies gilt, wenn auch in viel geringerem Grade, auch für die Ölfarben und hat bei Ölfarbenanstrichen und Ölfarbenbildern eine ganz besondere Nebenwirkung: sie +dunkeln+ im Laufe der Zeit. Über den wahren Grund des Dunkelwerdens alter Ölbilder war man sich lange Zeit nicht im klaren. Man vermutete eine chemische Veränderung des Firnisses, eine Art von Verharzung unter Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft, und man behandelte deshalb gedruckte Ölbilder mit chemischen Mitteln, z. B. mit Wasserstoffsuperoxyd. Viele wertvolle Gemälde alter Meister sind dadurch für alle Zeiten verdorben worden. Eine Wendung vollzog sich, als der berühmte Münchener Hygieniker und Chemiker +Pettenkofer+ beauftragt wurde zu untersuchen, warum so viele Gemälde der Schleißheimer Galerie dem Verfall entgegengingen. Er fand als den wahren Grund des Dunkelwerdens einen physikalischen: die getrocknete Ölfarbe bekommt Risse, und die Firnisteilchen lösen sich dabei von den Farbpartikelchen los, so daß zwischen beiden ein haarfeiner Spalt entsteht, der mit Luft gefüllt ist. An diesem dünnen Lufthäutchen, welches jedes Farbteilchen eines gealterten Ölgemäldes umgibt, erfährt das Tageslicht eine totale Reflexion: ein Teil des Lichtes wird zurückgeworfen, bevor es überhaupt die Farbteilchen erreicht. Dieser Umstand bewirkt den Eindruck, daß die Farbpartikelchen dunkler aussehen, als sie in Wahrheit sind. Nachdem Pettenkofer einmal diese Ursache des Dunkelwerdens entdeckt hatte, fand er auch im unmittelbaren Anschluß daran die Abhilfe. Sie besteht in einem höchst einfachen Verfahren: das gedunkelte Ölbild wird, mit der Bildseite nach unten, als Deckel auf eine Schüssel gelegt, in welcher sich eine kleine Menge Brennspiritus befindet. Die Spiritusdämpfe dringen bei gewöhnlicher Temperatur in die Haarrisse des Ölbildes ein, bringen die Firnisteilchen zum Quellen und bewirken, daß sich die Außenflächen der Firnisteilchen untereinander und mit den Farbteilchen wieder fest verbinden. Diese Verbindung bleibt auch nach dem Abdunsten des Alkohols dauerhaft. Der Erfolg ist ganz überraschend: das Ölbild sieht nun wieder fast ebenso frisch aus, wie unmittelbar nach seiner Entstehung. Außerdem ist diese Art der Auffrischung unabhängig vom künstlerischen Können des Restaurators, sie ist objektiv im wahrsten Sinne des Wortes; Fälschungen, Entstellungen des Kunstwerks sind dabei ganz ausgeschlossen. Pettenkofers Methode hat daher gewaltiges Aufsehen in der Sammlerwelt erregt und einen beispiellosen Siegeslauf durch die Welt gehalten. Die allergröbsten Risse und Sprünge im Ölbild schließen sich freilich auch durch die Behandlung mit Spiritusdämpfen nicht. Um sie zu beseitigen, tränkt man nach Pettenkofer die betreffenden Stellen wiederholt mit +Kopaivabalsam+. 11. Die größte chemische Fabrik der Welt. (Ein Gespräch zwischen einem Kommerzienrat und einem Botanikprofessor über den Chemismus der Pflanzen, über Wachstum und Düngung und den Kreislauf des Kohlenstoffs und Stickstoffs in der Natur.) +Der Professor+: Lieber Kommerzienrat, wenn es Ihnen recht ist, so gehen wir ein Stündchen spazieren, und ich will dabei versuchen, Ihre Fragen über den Chemismus der Pflanzen so gut als möglich zu beantworten. Besser wäre es freilich, wenn Ihnen Ihr Beruf gestatten würde, in meinem Laboratorium fortlaufende Versuche über dieses Gebiet anzustellen. +Der Kommerzienrat+: Dies wird mir leider vorläufig nicht möglich sein. Aber ich bin Ihnen, lieber Professor, schon sehr dankbar, wenn Sie mir mit einigen mündlichen Aufklärungen helfen wollen. Wenn man soviel mit Holz und Kohlen zu schaffen hat, wie ich, dann muß man ja für die Entstehungsgeschichte dieser Stoffe Interesse bekommen. Sehen Sie, wir führen aus den russischen, rumänischen und bosnischen Wäldern jährlich viele Hunderttausende von Kubikmetern Holz in unsere Papiermühlen. Sooft ich nun die riesigen Ziffern in unserem Frachtkonto betrachte, kommt mir eine Frage in den Sinn, auf die ich mir eine Antwort schlechterdings nicht vorstellen kann. +Woher stammen diese riesigen Holzmassen?+ Woraus sind sie entstanden? -- Wenn ich morgens in meinem Garten die Bohnen gieße (wissen Sie, das bekommt mir jetzt besser als früher die Marienbader Kur!), dann denke ich mir, das bißchen Gewicht dieser Bohnen und Kohlköpfe könnte wohl aus dem Dung sich entwickelt haben, den ich im Frühjahr und Herbst in meinen Garten fahren lasse. Aber wer düngt den Wald, worin das Holz wächst? Die Blätter, die da im Herbst fallen, könnten doch höchstenfalls im nächsten Frühjahr den Stoff zur Bildung der neuen +Blätter+ liefern. Aber woher stammen die ungeheuren +Holzmassen+ der Bäume? -- Ich bin kein Chemiker und kann mir nicht wohl vorstellen, daß das verbrennliche Holz aus den unverbrennlichen Gesteinen des Erdbodens entstanden sein soll. Welche Möglichkeiten sollte es aber sonst geben? -- Wenn Sie mir in dieses Fragendunkel Licht bringen könnten, wäre ich Ihnen wirklich herzlich dankbar. +Der Professor+: Ihre Fragestellung nebst Begründung macht Ihnen alle Ehre und ist ganz klar und logisch durchdacht. Nur erschrecken Sie bloß nicht über meine Antwort: Die wichtigste Substanz im Holz, die Kohle, stammt aus der +Luft+. Das übrige besteht größtenteils aus umgewandeltem +Wasser+. Nur ein ganz kleiner Bruchteil vom Gewicht des trockenen Holzes (etwa 8 bis 10 %) entstammen als Mineralstoffe dem Erdboden. +Der Kommerzienrat+: Verzeihen Sie, wenn Ihre Behauptungen, die wissenschaftlich wohl sehr richtig sein mögen, meinem mehr auf das Praktische gehenden Verstand nicht sofort einleuchten. Ich bin ein Mann der Zahlen und Gewichte und weiß, daß die Luft nichts oder nicht viel wiegt, das Holz aber sehr viel. Wie reimt sich das zusammen? +Der Professor+: Ich glaube doch, daß Sie das Gewicht der Luft unterschätzen. Ein Liter Luft wiegt 1¼ Gramm, ein Kubikmeter also 1¼ Kilogramm. Ein Zimmer von mäßiger Größe faßt leicht 80 Kubikmeter Luft, welche zusammen 2 Zentner wiegen. Wenn also die ganze Luft durch den Baum in Kohle verwandelt würde, so könnte ein großer Waldbaum seinen gesamten Kohlebedarf ganz leicht aus der Luftmenge decken, welche in ein paar Häusern enthalten ist. Tatsächlich braucht er jedoch viel mehr Luft, weil die für den Baum notwendige Kohle nur in einem ganz winzigen Bruchteil der Luft enthalten ist, nämlich in dem Kohlensäuregas, welches nur ¹⁄₂₅ % der Luft ausmacht. Zur Bildung von einem Kilogramm der Holzkohle, welche man durch Erhitzen von Holz erhält, müßte also der betreffende Baum nicht weniger als 2500 Kilogramm Luft verarbeiten. Für seine ganze Holzmenge braucht er wohl einige Millionen Kubikmeter -- aber was bedeutet dies angesichts des unermeßlichen Luftmeers? Es enthält weit mehr Kohlensäuregas, als der ganze Pflanzenwuchs der Erde jemals aufzuzehren vermöchte. +Der Kommerzienrat+: Ich bin nun wirklich neugierig, wie es die Pflanze macht, um dieses Kohlensäuregas aus der Luft in sich aufzunehmen. +Der Professor+: Ganz einfach: sie +atmet+, wie wir auch. Nur mit dem Unterschied, daß wir den Sauerstoff der Luft einatmen und dafür Kohlensäure ausatmen, während die Pflanze -- wenigstens scheinbar -- das Umgekehrte macht: sie atmet Kohlensäure ein und Sauerstoff aus. Die Kohlensäure besteht nämlich aus Kohle und Sauerstoff; die Kohle wird von der Pflanze zurückbehalten, der Sauerstoff wird wieder abgegeben. +Der Kommerzienrat+: Warum sagten Sie soeben, die Pflanze atme nur scheinbar in umgekehrtem Sinne wie wir? +Der Professor+: Weil der Gasaustausch der Pflanze in Wahrheit aus zwei Prozessen besteht, welche nebeneinander und gleichzeitig stattfinden: der eine Vorgang entspricht unserer +Ernährung+, ich habe ihn soeben geschildert, er besteht in der Aufnahme von Kohlensäuregas und Abscheidung von Sauerstoffgas. Daneben findet ein zweiter, viel schwächer entwickelter Vorgang statt, welcher eine wirkliche +Atmung+ bedeutet. Er besteht, wie unsere Atmung auch, in der Aufnahme von Sauerstoffgas aus der Luft und in der Abgabe von Kohlensäuregas an sie. Dieser Atmungsprozeß ist viel schwächer als der Ernährungsvorgang und wird daher gewöhnlich durch diesen in den Schatten gestellt. Aber nachts, wenn die Ernährung der Pflanzen stillsteht, kann man sehr deutlich die Atmung an der Umkehrung der Gasausscheidung beobachten. +Der Kommerzienrat+: Warum steht die Ernährung der Pflanzen nachts still, da doch die Luft auch nachts zu ihrer Verfügung steht? [Illustration: Abb. 38. Nachweis der Atmung bei Pflanzen. Ein Glaskolben voll Wucherblumen taucht in Kalilauge. Diese steigt im Kolbenhals auf, indem sie die ausgeatmete Kohlensäure verschluckt.] +Der Professor+: Weil zur „Verdauung“ des Kohlensäuregases die Mitwirkung des Sonnenlichts notwendig ist. Die Zerspaltung des Kohlensäuregases in Kohle und Sauerstoff ist ein sogenannter +endothermischer+ Vorgang (vgl. das 5. Kapitel), d. h. ein Vorgang, der nur dann erfolgen kann, wenn dem Kohlensäuregas Energie zugeführt wird. Diese Energie strömt der Pflanze im Sonnenlicht bei Tage reichlich zu. Sie verschwindet in der Pflanze, hilft bei der Zerspaltung des Kohlensäuregases und ist dann in den Spaltungsprodukten -- in der Kohle und im Sauerstoff -- enthalten. +Der Kommerzienrat+: Diese Vorgänge finden wohl in den Blättern statt? +Der Professor+: Ja. Sie sind zugleich der Verdauungsapparat und die Lunge der Pflanze. An der Unterseite der Blätter befinden sich sehr kleine, spaltförmige Öffnungen in ungeheurer Anzahl; durch sie vollzieht sich der Austausch der Gase. +Der Kommerzienrat+: Verzeihen Sie, wenn ich jetzt eine recht dumme Frage stelle: Warum sind eigentlich die Blätter grün? [Illustration: Abb. 39. Spaltöffnungen an der Unterseite eines Blattes.] +Der Professor+: Diese Frage ist sehr berechtigt und ist auch von der Wissenschaft schon gestellt und durch Versuche beantwortet worden. Man hat gefunden, daß der grüne Farbstoff (Blattgrün oder Chlorophyll genannt) für den Ernährungsvorgang der Pflanzen wesentlich ist. Wo er fehlt, ist auch das Sonnenlicht nicht imstande, das Kohlensäuregas in Kohle und Sauerstoff zu spalten. Das Blattgrün ist für die Pflanzen gewissermaßen das, was für die Tiere das Blut ist. Nach den Untersuchungen Willstätters besteht sogar eine gewisse Ähnlichkeit in der chemischen Zusammensetzung beider. +Der Kommerzienrat+: Also könnte eine Pflanze ohne Blattgrün überhaupt nicht wachsen? Demnach gibt es solche Pflanzen gar nicht? +Der Professor+: Dies wäre zuviel behauptet. Es gibt eine ganze Menge Pflanzen ohne Blattgrün, und sie können auch ganz gut wachsen: aber ihre Ernährung beruht nicht auf der Verdauung des Kohlensäuregases mit Hilfe des Lichts, sondern auf der Ausnutzung anderer Stoffe. Diese Pflanzen leben entweder als +Schmarotzer+ auf anderen Pflanzen oder Tieren, oder sie ernähren sich von denjenigen Stoffen, welche bei der Fäulnis und Verwesung entstehen. Zu diesen blattgrünfreien Pflanzen gehören sämtliche +Pilze+ und +Bakterien+ und viele höher organisierte Pflanzen, wie der Fichtenspargel, viele Orchideen usw. Aber auch die meisten übrigen Pflanzen, welche sich im erwachsenen Zustande der Kohlensäure, des Lichts und des Chlorophylls zur Ernährung bedienen, ernähren sich in der frühesten Jugend ohne Chlorophyll; sie leben in der ersten Jugend von den Vorräten, welche die Natur zu diesem Zweck um den Keim herumgelagert hat. So lebt die junge Getreidepflanze, bevor sie durch die Erde ans Tageslicht dringt, vom Mehl des Getreidekorns; die Kartoffelpflanze nützt die großen Nahrungsvorräte der Kartoffelknolle aus, und überhaupt alle Zwiebel- und Knollengewächse sind in ihrer ersten Jugend mit einem förmlichen Speicher von Nahrungsvorräten umgeben. Bis diese verbraucht sind, haben die jungen Pflanzen genügend Blattgrün gebildet, um dann größtenteils von der Luftkohlensäure weiter leben zu können. [Illustration: Abb. 40. (Nach C. W. Schmidt.) Die Blattgrünkörner einer Wasserlinse stellen sich auf wechselnde Beleuchtung ein (oben schwach, unten stark beleuchtet).] +Der Kommerzienrat+: Eine gewisse Vorliebe für die schmarotzende Lebensweise ihrer Jugendzeit scheinen sich die meisten Pflanzen doch auch mit ins spätere Leben zu nehmen, denn sonst könnte eine +Jauche+- oder +Mistdüngung+ doch ihr Wachstum nicht so sehr fördern? Ist denn das, was Sie über die Luftnahrung sagen, wirklich so wörtlich zu nehmen? Mir scheint, meine Gartengewächse sind doch mehr auf den Dung angewiesen und würden elend zugrunde gehen, wenn ich ihnen bloß die Luft als Nahrung überlassen wollte. +Der Professor+: Hier haben Sie ein Schulbeispiel eines Trugschlusses. Der Beweis ist durch folgende Versuche leicht zu führen: Hängen Sie einen Bohnenkern mit Hilfe von etwas Watte in ein Glas voll Wasser. Er wird auskeimen, aber die Bohnenpflanze wird bald zugrunde gehen. Sie werden sagen: Das ist ganz klar, Wasser allein ist keine Nahrung, und von der Luft kann nicht einmal eine Pflanze leben. Aber Sie irren sich wirklich. Wiederholen Sie den Versuch, und setzen Sie dem Wasser +winzige Spuren+ von Salpeter, Ammoniumphosphat und Eisenvitriol hinzu, im ganzen nicht mehr als ein halbes Gramm von allen drei Stoffen: nun wird die Bohne üppig und schnell wachsen, wie mit der besten Jauchedüngung im Garten, und wird an Gewicht gar bald die zugesetzten Nährsalze um ein Hundertfaches überragen. Sie können nun unmöglich behaupten, die Bohne nehme an Substanz zu auf Kosten der zugesetzten Nährsalze: denn diese machen an Gewicht nur einen winzigen Bruchteil der Gewichtszunahme unserer zweiten Bohne aus. Diese Bohne wächst offenbar auf Kosten der Kohlensäure der Luft, wie übrigens auch zweifelfrei durch direkte Luftwägungen nachgewiesen wurde. +Der Kommerzienrat+: Das ist in der Tat eine wunderbare Sache. Also darf man wohl annehmen, daß auch im Mist solche Nährsalze enthalten sind, und daß sie ein beschleunigtes Verdauen der Luftkohlensäure durch die Pflanzen erleichtern? +Der Professor+: Ja. Es ist sehr wohl möglich und sogar wahrscheinlich, daß außerdem auch noch ein Teil der Dungstoffe von der Pflanze schmarotzerisch aufgenommen wird. Aber wesentlich ist dieser Teil nicht, sonst würden die Kunst- oder Mineraldünger (Superphosphat, Kainit, Salpeter, Ammoniumphosphat) auf unseren Wiesen und Feldern nicht so großen Erfolg haben, auch wenn gar keine Mistdüngung gleichzeitig gegeben wird. +Der Kommerzienrat+: Also könnte man die Mistdüngung wohl ganz entbehren und durch Kunstdüngung ersetzen? +Der Professor+: Das wäre wohl zu viel behauptet. Der Mist und der aus ihm entstehende Humusboden haben die Eigenschaft, solche Nährsalze festzuhalten, die sonst vom Regen aufgelöst und fortgeschwemmt würden. Außerdem ist es vielleicht möglich, daß der natürliche Dünger für die Pflanzen eine ähnliche Bedeutung hat wie für uns der Genuß des Obstes, das beinahe gar keinen Nährwert hat, aber auf die Zusammensetzung unserer Körpersäfte regulierend wirkt. +Der Kommerzienrat+: Nun sagten Sie wiederholt, die Kohlensäure würde in den Blättern der Pflanzen gespalten in Kohle und Sauerstoff, und Sie erwähnten auch, daß der Sauerstoff wieder ausgeatmet würde. Aber was geschieht mit der Kohle? Als Kohle ist sie doch gewiß nicht in den Pflanzen, sonst müßte sie sich durch ihre schwarze Farbe verraten. +Der Professor+: Der Kohlenstoff (so nennt der Chemiker die reine Kohle) ist natürlich in den Pflanzen nicht als solcher, sondern er ist mit anderen Elementen zu chemischen Verbindungen vereinigt. Die wichtigsten dieser Verbindungen sind: der +Formaldehyd+, welcher so zusammengesetzt ist, als ob 1 Atom Kohlenstoff mit einem Molekül Wasser verbunden wäre; der +Trauben+- und +Fruchtzucker+ und der +Malzzucker+, welche auf 6 Kohlenstoffatome 6 Wassermoleküle, und der Zellstoff, welcher auf 6 Kohlenstoffatome 5 Wassermoleküle enthält. Alle diese Verbindungen enthalten also nur Kohle und Wasser in wechselnden Mengen; wahrscheinlich entsteht aus Wasser und Kohlensäuregas unter dem Einfluß des Lichtes und des Blattgrüns zuerst Formaldehyd, aus welchem sich dann durch Verdichtung und mehrfache chemische Umlagerungen die Zuckerarten bilden. Diese werden teils durch Umwandlung in Zellstoff zum Aufbau des Holzes verwendet, teils in Form von +Stärke+ (welche dem Zellstoff an chemischer Zusammensetzung gleich ist) als Nahrungsvorräte aufgespeichert. +Der Kommerzienrat+: Ich verstehe nun, warum die Kartoffelknollen, die Rüben, Getreidekörner, Zwiebeln usw. so reich an Stärke sind. Aber wie wird dieser Nahrungsvorrat von der Pflanze wieder nutzbar gemacht? Oder ist dies nicht der Zweck des Vorrats? +Der Professor+: Doch! Es geschieht in der Weise, daß die Stärke wieder in Zuckerlösung zurückverwandelt wird. Deshalb schmecken keimende Zwiebeln und Kartoffeln süß, weil darin ein Teil der Stärke in Verzuckerung begriffen ist, um dem wachsenden Keim als Nahrung zu dienen. (Vgl. das 8. Kapitel.) Diese Verzuckerung der Stärke wird durch gewisse chemische Verbindungen bewirkt, welche man Enzyme nennt. Sie werden dabei merkwürdigerweise selbst nicht verändert. +Der Kommerzienrat+: Ist man schon dahintergekommen, warum diese abermalige Umwandlung der Stärke in Zucker notwendig ist? Ich meine dies: warum wandelt sich nicht die Stärke direkt in Pflanzenfasermasse, in Zellstoff, um? [Illustration: Abb. 41. Ein Zwiebelkeim, von stärkereichen, chlorophyllfreien Blättern umhüllt.] [Illustration: Abb. 42. Eine aus drei Augen keimende Kartoffel. Die blinden (chlorophyllfreien) Keime leben vom Stärkevorrat der Kartoffel. Die Schuppen („Augen“) am Grund der Keime sind Blattanlagen.] +Der Professor+: Dies hat einen sehr einfachen Grund: Stärke ist in Wasser als solche nicht löslich, während Zucker löslich ist. Wenn nun z. B. ein Kartoffelkeim an seiner Spitze neue Substanz ansetzt, so muß diese in irgendeiner löslichen Form aus der Knolle in die Spitze befördert werden. Diese Aufgabe fällt der Zuckerlösung zu. Sie ist gleichsam das Blut der Pflanze. Die Stärkeablagerungen in der Knolle sind dagegen mit dem Fett der Tiere vergleichbar. +Der Kommerzienrat+: Braucht nun die Pflanze zu ihrer Ernährung wirklich gar nichts weiter als Kohlensäuregas und Wasser? +Der Professor+: Es wäre ein sehr verhängnisvoller Irrtum, dies zu glauben. Wir erwähnten schon vorhin die Bedeutung der Nährsalze im natürlichen und künstlichen Dünger. Von mindestens gleicher Wichtigkeit ist für das Wachstum der Pflanze die Aufnahme eines weiteren Elements, des Stickstoffs. Der Stickstoff ist nämlich, neben Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff, der wichtigste Bestandteil der sogenannten +Eiweißverbindungen+. Diese bilden den wertvollsten Inhalt der tierischen und pflanzlichen Zellen und sind die eigentlichen Träger des Lebens. In den Pflanzen bilden sie einen schleimigen Belag auf der Innenwand der Zelle, den man +Protoplasma+ nennt. Von diesem Belag aus geht alles Wachstum und überhaupt alles Leben. Dieser Belag enthält und verbraucht andauernd eine gewisse Menge Stickstoffgas. [Illustration: Abb. 43. Eine junge Pflanzenzelle. Das Plasma füllt noch fast die ganze Zelle, mit Ausnahme weniger Safträume.] [Illustration: Abb. 44. Ältere Pflanzenzelle. Das Plasma ist dem Wachstum der Zelle nicht gefolgt und liegt der Zellwand als dünner, schleimiger Belag an. Die Vakuolen nehmen fast den ganzen Zellraum ein.] +Der Kommerzienrat+: Dies ist doch, wenn ich mich recht erinnere, der Hauptbestandteil der Luft? +Der Professor+: Jawohl, ⅘ der Luft bestehen aus Stickstoff. +Der Kommerzienrat+: Nun, da hat es die Pflanze leicht genug mit der Befriedigung ihres Stickstoffhungers, denn sie wird das Gas wohl einfach aus der Luft aufnehmen. +Der Professor+: Doch nicht so einfach, wie Sie sich jetzt denken. Das Stickstoffgas als solches ist nämlich für die Pflanzen völlig unverdaulich. Die Chemiker haben diesem Gas schon lang angemerkt, daß es eine unglaublich geringe Neigung hat, chemische Verbindungen einzugehen. Die Pflanzen nehmen den Stickstoff deshalb niemals aus der Luft, sondern stets durch die Wurzel aus dem Boden auf. Der Boden muß ihn entweder in Form von +Nitraten+ (Salzen der Salpetersäure) oder in Form von +Ammoniakverbindungen+ enthalten. +Der Kommerzienrat+: Jetzt verstehe ich auch von neuem, warum der +Mist+ so gut düngend wirkt. Der enthält ja so viel Ammoniak, daß es einem in Augen und Nase beißt. +Der Professor+: Diesmal hat Sie Ihre sinnliche Wahrnehmung auf den richtigen Weg geführt. +Der Kommerzienrat+: Wie machen es aber die Bäume des Waldes und überhaupt die wildwachsenden Gewächse mit der Befriedigung ihres Stickstoffbedarfs? +Der Professor+: Sie ziehen, wohl durch den Geruch ihrer Wurzeln, gewisse Pilze und Bakterien an. Eine ausgerissene Fichtenwurzel ist z. B. meist von einem dichten, weißen Pilzgeflecht (~Mykorrhiza~) bedeckt, welches mit der Wurzel in innigster Lebensgemeinschaft steht. Diese stickstoffreichen Pilze bilden dann, absterbend, einen stickstoffhaltigen Dünger für die Baumwurzel. Ganz ähnlich ist es bei den Hülsenfruchtgewächsen; sie haben fast sämtlich an ihren Wurzeln kleine Knöllchen, in welchen eine Unmenge von Bakterien eingeschlossen sind, die durch ihr Absterben die Pflanze mit Stickstoff versorgen. +Der Kommerzienrat+: Ich denke, durch diesen Befund ist das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben: denn nun müssen wir fragen, wie es diese Pilze und Bakterien anfangen, stickstoffhaltig zu werden? [Illustration: Abb. 45. Bohnenwurzel, dicht mit Bakterienknöllchen besetzt.] [Illustration: Abb. 46. Normale Stickstoffbakterien (nach Jost).] [Illustration: Abb. 47. Degenerierte Stickstoffbakterien aus einer Bohnenwurzel (nach Jost).] +Der Professor+: Sie haben ganz recht. Ich vergaß, Ihnen zu sagen, daß man von einigen dieser Bakterien mit aller Sicherheit nachgewiesen hat, daß sie den Stickstoff der Luft in salpetrige und in Salpetersäure umwandeln. Die so entstehenden Salze der Salpetersäure sind aber eines der verdaulichsten stickstoffhaltigen Nahrungsmittel für alle Arten von Pflanzen. +Der Kommerzienrat+: Sagten Sie nicht soeben, daß das Stickstoffgas eine sehr geringe Neigung habe, chemische Verbindungen einzugehen? Wie machen es wohl diese Bakterien, um den trägen Stickstoff zur Verbindung mit Sauerstoff zu nötigen? +Der Professor+: Dies ist vorläufig ein völliges Rätsel. Es ist um so merkwürdiger, als diese Vereinigung künstlich nur unter Anwendung hoher elektrischer Spannungen bei der Temperatur des elektrischen Funkens (ca. 4000 °) möglich ist. Man könnte vielleicht, wie bei der Kohlensäurespaltung, an die Mitwirkung des Lichts denken. Aber es ist durch Versuche fast einwandfrei festgestellt, daß die Verdauung des Stickstoffs ohne Mitwirkung des Lichts erfolgt (vgl. Jost, Pflanzenphysiologie, in Strasburgers Lehrbuch der Botanik, 11. Aufl., S. 193). Wir stehen also vor der für jeden Chemiker unglaublich klingenden Tatsache, daß die Pflanze es fertig bringt, kaltes Stickstoffgas ohne jede Anwendung von Licht, Wärme oder Elektrizität in beliebigem Grade zu oxydieren. Dies ist eine Leistung, welche schlechthin alles in Schatten stellt, was die Chemiker bisher erreicht haben. [Illustration: Abb. 48. Eine unförmig aufgetriebene Bakterienzelle aus einem Wurzelknöllchen der Bohne, gefüllt mit Millionen Stickstoffbakterien.] +Der Kommerzienrat+: Ist es nicht überhaupt wunderbar, daß die Pflanze ihre Vorräte an Zellulose, Stärke und Zucker auf kaltem Wege erzeugt? Wenn ich nicht irre, können die Chemiker auch diese Prozesse nicht ohne Anwendung von Hitze durchführen. +Der Professor+: Sie haben ganz recht. Die chemische Küche der Pflanze ist kalt. Dabei leistet sie so Unglaubliches, daß sie damit den blassen Neid aller Chemiker weckt. Sie verwandelt auf dem Weg von der Knolle bis zum Blatt wenigstens ein dutzendmal Stärke in Zucker und Zucker in Stärke um, während den Chemikern zwar das erste, niemals aber bis jetzt das zweite gelungen ist. Kein Chemiker vermag Stärke oder Zellulose künstlich darzustellen. Dabei sind diese Dinge verhältnismäßig als Kleinigkeiten zu bewerten im Vergleich mit der beispiellosen Mannigfaltigkeit von Farb-, Duft- und Konservierungsstoffen, welche in den Wurzeln, Blättern und Blüten erzeugt werden. Das Pflanzenkleid der Erde ist in der Tat das gewaltigste chemische Laboratorium, vor welchem sich selbst unsere leistungsfähigsten chemischen Fabriken wie ärmliche Alchimistenküchen verkriechen müssen. +Der Kommerzienrat+: Hat man denn gar keine Vorstellung, welcher Hilfsmittel sich die Pflanze bei ihren chemischen Darstellungen bedient? Sie haben mir doch früher (vgl. das 8. Kapitel) erzählt, daß man die +Gärungsvorgänge+ und die +Verzuckerung der Stärke+ mit Hilfe der sogenannten Enzyme künstlich bewirken könne, ohne Mithilfe des lebenden Pflanzenkörpers. Wäre es nicht denkbar, daß alle chemischen Vorgänge in der Pflanze auf die Mitwirkung von Enzymen zurückführbar sind? +Der Professor+: Dies ist deshalb ganz ausgeschlossen, weil die bis jetzt bekannten Enzyme sämtlich den +Abbau+, d. h. die Zerlegung einer komplizierten in verschiedene einfache Verbindungen, bewirken. +Aufbauende+ Enzyme sind meines Wissens bis jetzt überhaupt unbekannt. Gerade die wichtigsten chemischen Vorgänge in der Pflanze sind jedoch solche +Synthesen+, d. h. aufbauende Prozesse. Das ist der Unterschied zwischen der Verdauung bei Pflanzen und bei Tieren: die Pflanze verdaut +einfache+ Stoffe, wie Kohlensäure, Wasser und Stickstoff, zu sehr komplizierten; das Tier aber verdaut komplizierte Nährstoffe (Fleisch, Pflanzeneiweiß) zu einfachen Endprodukten (Aminosäuren). Freilich baut dann auch der tierische Körper aus diesen Zerlegungsstoffen wieder komplizierte Eiweißmoleküle des Blutes und Fleisches auf. +Der Kommerzienrat+: Ich bin Ihnen, lieber Professor, für Ihre interessanten Belehrungen sehr dankbar. Nun kann ich mir nur eine Sache noch nicht recht vorstellen: wenn jede Pflanze während ihres Wachstums Kohlensäure aus der Luft zieht, und wenn sich dieser Vorgang Jahr um Jahr mit der ganzen, gewaltigen Pflanzendecke der Erde wiederholt: da muß doch schließlich die Luft die geringe Menge Kohlensäure, welche sie noch enthält, nach und nach ganz verlieren. Dann wäre wohl kein Pflanzenwuchs und infolgedessen auch kein Tierleben mehr möglich. +Der Professor+: Sie übersehen in Ihrer Schlußfolgerung nur die wichtige Tatsache, daß alle von den Pflanzen aufgenommene Kohlensäure schließlich doch wieder als solche in die Luft zurückströmt. Denn fast alle Pflanzensubstanz fällt schließlich der +Verwesung+ anheim, und dabei wird nahezu aller Kohlenstoff schließlich in Kohlensäuregas verwandelt, welches in die Luft zurückströmt. Auch das faulende Holz der Wälder unterliegt dieser Veränderung. Diejenige Pflanzensubstanz, welche nicht unmittelbar verwest, wird entweder von Tieren gefressen oder verbrannt oder allmählich in Kohle verwandelt und dann auch verbrannt. Da bei der Verwesung des Tierkörpers auch Kohlensäure entsteht, so ist in allen diesen Fällen das Endprodukt wieder die Kohlensäure. Deshalb kann der Kohlensäuregehalt der Luft nicht abnehmen. +Der Kohlenstoff vollendet also in der Natur einen ewigen, sich immer wiederholenden Kreislauf.+ +Der Kommerzienrat+: Ich dächte aber, ich hätte einmal gelesen oder gehört, daß die Luft in einer älteren Periode der Erdgeschichte reicher an Kohlensäure gewesen sei. Damals, ich glaube, es war in der Zeit der Entstehung der Steinkohlen, sollen ja aus diesem Grunde die Pilze und Farnkräuter und Bärlappgewächse eine ungeheure Größe erreicht haben. Ist dies richtig, so widerspricht es doch der Lehre vom Kreislauf des Kohlenstoffs. +Der Professor+: Ihr Einwand ist in der Tat richtig; während aber diese, ich möchte sagen: +säkulare+ Abnahme des Kohlensäuregehaltes der Luft Millionen von Jahren beansprucht hat, so können wir für unsere geschichtlichen Zeiträume keine erkennbare Abnahme nachweisen. Wir können also mit dieser Einschränkung die Lehre vom Kreislauf des Kohlenstoffs wohl aufrechterhalten. [Illustration: Abb. 49. Der Siegelbaum (~Sigillaria~), ein baumgroßes Bärlappgewächs der Steinkohlenzeit.] [Illustration: Abb. 50. ~Alethopteris lonchitidis~, ein steinkohlenbildender Farn.] +Der Kommerzienrat+: Woher stammten denn jene großen Kohlensäuremengen? +Der Professor+: Man vermutet, daß die ursprüngliche Atmosphäre hauptsächlich aus Kohlensäure und Stickstoff bestand, welche beiden Gase von der erkaltenden Erdmasse ausgehaucht wurden. Ob Sauerstoff schon dabei war, oder ob er erst durch Zersetzung der Kohlensäure gebildet wurde, ist nicht sicher entschieden. +Der Kommerzienrat+: Aber wohin sind diese großen Kohlensäuremengen geraten? +Der Professor+: Man vermutet, daß sie in den Kalkgebirgen stecken, deren Gestein aus kohlensaurem Kalk besteht. Diese Gebirge und ihr Material sind nämlich zweifellos erst nach jener Zeit entstanden, in welcher die Luft so reich an Kohlensäure war. +Der Kommerzienrat+: Da müßte man also annehmen, daß auf der Erde ehemals gebrannter oder gelöschter Kalk vorhanden war, und daß dieser sich mit der Kohlensäure allmählich zu kohlensaurem Kalk verbunden hat? +Der Professor+: O nein, das ist ganz anders vor sich gegangen. Die Kalkgebirge sind voll versteinerter Meerestiere; diese hätten niemals auf gebranntem oder gelöschtem Kalk leben können, weil diese Verbindung eine sehr scharfe, ätzende Base ist. Vielmehr weisen alle Umstände darauf hin, daß bei der Entstehung des Kalksteins dem +Meer+ eine wichtige Rolle zukommt. Untersucht man irgendeine Art von Kalkstein oder Kreide unter dem Mikroskop, so erkennt man leicht, daß diese Stoffe ganz und gar aus den Kalkschalen winziger Pflanzen (Kalkalgen) und Tiere (Urtierchen) zusammengesetzt sind, die ohne Zweifel im Wasser gelebt haben. +Der Kommerzienrat+: Zugegeben; aber diese Erklärung kann doch unmöglich für solche Kalkgesteine gelten, welche von hohen Berggipfeln, wie z. B. von der Zugspitze, stammen. +Der Professor+: Wenn Sie vom Gipfel der Zugspitze ein Stück Wettersteinkalk abschlagen und mikroskopisch prüfen, so werden Sie erkennen, daß es nahezu gänzlich aus den Schalen zweier Kalkalgen, nämlich der Gattungen ~Gyroporella~ und ~Diplopora~, zusammengesetzt ist. +Der Kommerzienrat+: Also müßte auch der Gipfel der Zugspitze ehemals Meeresboden gewesen sein? [Illustration: Abb. 51. ~Diplopora annulata~, eine Kalkalge des Wettersteingebirges.] +Der Professor+: Dies ist ganz unbezweifelbar. Die Erhebung der Alpen ist als ein Faltungs- und Schrumpfungsvorgang der Erdrinde erst in sehr später Zeit (in der Tertiärzeit) erfolgt; es ist sogar möglich, daß in dieser Zeit bereits das jüngste aller irdischen Geschöpfe, der Mensch, vorhanden oder in der Entwicklung begriffen war. Vorher waren die Alpenlande ebener Boden, eingetrockneter Meeresboden. Und in dem Meer, das ehemals diesen Boden überdeckte, lebten und starben jene Kalkalgen in ungeheuren Mengen. Die toten sanken darin langsam zu Boden und verwesten; aber ihre Kalkschalen konnten nicht verwesen und bildeten einen tiefen und dicken Schlamm, aus welchem allmählich durch Austrocknung und Erhärtung der Kalkstein wurde. +Der Kommerzienrat+: Dies klingt sehr wunderbar, ist aber immerhin verständlich. Aber wie soll ich mir vorstellen, daß die Kalkschalen der Algen sich mittels der Kohlensäure der Luft gebildet haben? Denn so war es doch, so soll doch der ehemals so große Kohlensäuregehalt der Luft sich vermindert haben? +Der Professor+: Auch dieser Vorgang ist an lebenden Kalkalgen recht klar erforscht worden. Diese Kalkalgen können nur in einem Wasser leben, welches sogenannten doppeltkohlensauren Kalk gelöst enthält. Dies ist eine chemische Verbindung von kohlensaurem Kalk mit Kohlensäure; sie unterscheidet sich von kohlensaurem Kalk (der in Wasser unlöslich ist) durch ihre beträchtliche Löslichkeit. Die Kalkalgen nun, als Pflanzen, brauchen zu ihrer Ernährung Kohlensäure. Da sie nicht in der Luft leben, sondern im Wasser, so entziehen sie ihren Kohlensäurebedarf aus dem doppeltkohlensauren Kalk, welcher in ihrer wässerigen Umgebung gelöst ist. Dadurch verwandelt sich aber der lösliche doppeltkohlensaure Kalk in unlöslichen kohlensauren Kalk, der nun auf irgendeine Weise zum Vorschein kommen muß. Die allzeit erfinderische Natur verwendet ihn zum Bau steinerner Gehäuse und Stützgerüste: der Kalkschalen dieser Algen. +Der Kommerzienrat+: Das ist freilich ein merkwürdiger Vorgang, auf den man durch bloßes Nachdenken nicht kommen kann. Nun fragt sich bloß, wie die Kohlensäure der Luft dazu kommt, als doppeltkohlensaurer Kalk in das Wasser einzutreten? +Der Professor+: Diese Frage ist durch die Geologie recht zuverlässig beantwortet worden. Das Regenwasser löst beim Niederfallen um so mehr Kohlensäure auf, je kälter es ist und je reicher die Luft an Kohlensäure ist. Diese Lösung wirkt auf die meisten Gesteine zersetzend ein und entzieht ihnen langsam, aber sicher alle Basen, indem es diese in doppeltkohlensaure Salze verwandelt und in gelöster Form fortführt. Der Kalkgehalt unserer Kalkgebirge stammt also vermutlich aus den Urgneisen und vielleicht auch aus den älteren Graniten. Die Kohlensäure stammt aus der Luft. +Der Kommerzienrat+: Wie kam aber die Kohlensäure in die Luft? +Der Professor+: Sie ist ein Entgasungsprodukt der erkaltenden Erde. Noch heute strömt die Erde an allen Orten früherer vulkanischer Tätigkeit große Mengen von Kohlensäure aus (z. B. in der Eifel am Rhein). Da die vulkanischen Vorgänge in früheren Erdperioden viel stärker und weiter verbreitet waren, so muß dadurch auch viel mehr Kohlensäure in die Luft gekommen sein. Noch heute hält dieses aus der Erde kommende („juvenile“) Kohlensäuregas dem durch den Pflanzenwuchs verbrauchten das Gleichgewicht, so daß der Kohlensäuregehalt der Luft nicht merklich abnimmt. +Der Kommerzienrat+: Da sollte man eigentlich erwarten, daß die Luft im Winter mehr Kohlensäure enthält als im Sommer, weil im Winter der Verbrauch durch die Pflanzen größtenteils wegfällt, während der Zustrom aus dem Erdinnern doch in gleicher Stärke weiter besteht. +Der Professor+: Ihre Vermutung ist tatsächlich richtig (vgl. Jost, Pflanzenphysiologie, in Strasburgers Lehrbuch der Botanik, 11. Aufl., S. 186). In 10000 Liter Luft sind im Winter 3,0 bis 3,6, im Sommer nur 2,7 bis 2,9 Liter Kohlensäure enthalten. +Der Kommerzienrat+: Ich wundere mich jetzt geradezu, daß der Kohlensäuregehalt der Luft nicht fortwährend +größer+ wird. Denn die von den Pflanzen verzehrte Luftkohlensäure gelangt doch, wenn die Pflanzen verwesen, wieder unvermindert in die Luft zurück; und die gewaltigen Kohlensäuremengen, welche der Erde entströmen, kommen doch hinzu. +Der Professor+: Sie vergessen, daß der Kreislauf der Kohlensäure sich in einer Bahn vollzieht, welche, sozusagen, nicht ganz dicht hält. Sie hat zwei undichte Stellen, an welchen viel Kohlensäure aus dem Kreislauf nach außen sickert: die eine Stelle ist Ihnen schon bekannt, es ist die Bildung der Kalkgesteine aus dem Meeresbodenschlamm. Das andere Leck in der Bahn des Kreislaufs der Kohlensäure ist die Bildung der +Kohlenlagerstätten+ der Erde. Hier verwandeln sich ungeheure Mengen von Pflanzensubstanz durch mangelhafte Verwesung in Torf, Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit und Graphit und binden so eine Menge Kohlenstoff in der Erdrinde, der ehedem als Kohlensäuregas in der Luft war. +Der Kommerzienrat+: Sie erwähnten vor einiger Zeit, daß der Sauerstoffgehalt der Luft möglicherweise auf jene großen Kohlensäuremengen zurückzuführen ist, welche früher in der Luft enthalten waren. Wie wäre dies zu erklären? +Der Professor+: Wenn die Kohlensäure durch Kalkalgen gebunden und als Nahrung aufgenommen wurde, so muß eine entsprechende Menge von Sauerstoff von ihnen abgeschieden worden sein. Dieser Sauerstoff, das Verdauungsprodukt der kohlensäureverzehrenden Pflanzen, kann nur in die Luft entwichen sein. +Der Kommerzienrat+: Freilich haben dieselben Pflanzen zum Zweck der +Atmung+ Sauerstoff verbraucht und Kohlensäure abgeschieden. Aber anscheinend ist die Atmung der Pflanzen weniger rege als ihre Ernährung. +Der Professor+: So ist es tatsächlich. Wohl werden durch die Atmung, namentlich durch die der Bodenbakterien, ungeheure Mengen Kohlensäuregas in die Luft geschickt; aber diese Mengen sind dennoch verschwindend klein im Verhältnis zu denjenigen, welche bei der Ernährung derselben Pflanzen verbraucht werden. Für die Bewegung des Sauerstoffs gilt natürlich dasselbe im umgekehrten Sinn: bei der Ernährung wird viel mehr Sauerstoff frei, als bei der Atmung verzehrt wird. +Der Kommerzienrat+: Das Nebeneinanderbestehen dieser beiden Vorgänge, der Atmung und der Ernährung, mit ihren entgegengesetzt verlaufenden Stoffwechselprozessen erscheint einem doch recht unverständlich. Was hat es für einen Sinn, daß bei der Atmung einer Pflanze Kohlensäure entbunden wird, welche von derselben Pflanze zum Zweck der Ernährung wieder verbraucht wird? [Illustration: Abb. 52. Aus den abgeschnittenen Stielenden der Wasserpflanze ~Helodea canadensis~ entweicht im Sonnenlicht Sauerstoffgas.] +Der Professor+: Der Sinn dieser einander widersprechenden Vorgänge ist in den thermochemischen Beziehungen, also in den Bewegungen der Wärme bei diesen chemischen Prozessen, zu suchen. Der Ernährungsvorgang ist ein endothermischer Prozeß; bei der Spaltung der Kohlensäure wird Energie (in Form von Sonnenlicht) verbraucht. Der Atmungsvorgang ist dagegen ein exothermischer Prozeß, bei welchem Energie frei wird. Diese freiwerdende Energie wird von der Pflanze verbraucht, um ihre sämtlichen +Bewegungen+ zu bestreiten, nämlich die Wachstumsbewegungen, das Aufrichten und Strecken, das Entrollen der Blätter aus den Knospen usw. Bewegungen erzeugen wir ja auch in den Maschinen durch freiwerdende Energie, z. B. in der Dampfmaschine durch die freiwerdende Wärme der brennenden Kohlen. Diese Wärme ist, nebenbei bemerkt, nichts anderes als die Energie des Sonnenlichts, welche in der Karbonzeit in den Blättern der Steinkohlenbäume die Kohlensäure in Kohlenstoff und Sauerstoff gespalten hat. Indem wir die Kohle verbrennen, gewinnen wir diese aufgestapelte Sonnenenergie als Wärme wieder. +Der Kommerzienrat+: Wenn ich Sie also recht verstehe, so atmet die Pflanze nur, um dadurch Verbrennungsenergie für ihre Wachstumsbewegungen zu gewinnen? +Der Professor+: Daß sie +nur+ deshalb atmet, wäre wohl zu viel gesagt. Denn die Atmung wird, wie bei den Tieren, wohl auch die Reinigung des Körpers durch Oxydation unbrauchbarer Stoffe bewirken. +Der Kommerzienrat+: Nach allem, was Sie soeben gesagt haben, könnte man wohl auch von einem +Kreislauf der Wärme+ sprechen? Denn die Wärme, welche bei der Verbrennung der Kohlen an die Natur zurückgegeben wird, ist doch nichts anderes als die Sonnenenergie, welche ehemals die Kohlensäure in Kohlenstoff und Sauerstoff spaltete? +Der Professor+: So ist es allerdings; aber die Bezeichnung „+Kreislauf+“ können wir für diesen Weg der Wärme doch nicht gut anwenden, weil diese Wärme nicht wieder an ihren ursprünglichen Platz (die Sonne) zurückgelangt. Nach dem bisherigen Stand unseres Wissens ist es ganz unmöglich, daß die Wärme von einem kälteren auf einen wärmeren Körper übertragen wird. Diese Tatsache ist deshalb wichtig, weil die Umwandlung der Wärme in die Energie der Bewegung nach unseren Erfahrungen nur bei ihrem Übertritt von einem Körper auf einen anderen möglich ist. Also haben alle Bewegungen, welche wir überhaupt kennen, ihren letzten Ursprung darin, daß Wärme (und zwar verwandelte oder aufgespeicherte Sonnenwärme) von einem wärmeren auf einen kälteren Körper übergetreten ist. +Der Kommerzienrat+: Meinen Sie damit auch z. B. die Bewegung eines Wasserrades im Fluß? +Der Professor+: Ja. Das Wasserrad kann nur so lange getrieben werden, als das Wasser bergab läuft. Das Wasser läuft aber nur so lange bergab, als es durch Regengüsse aus den Wolken auf die Gipfel der Berge befördert wird. Es ist die Sonnenwärme, welche das zu Tal geflossene Wasser immer wieder in Dampf- und Dunstform auf Wolkenhöhen erhebt. Sie ist es also letzten Endes, welche das Wasserrad treibt. +Der Kommerzienrat+: Wie ist es aber mit der Bewegung eines Elektromotors, in den ich elektrischen Strom sende? Das hat doch gewiß nichts mit der Sonnenwärme zu tun? +Der Professor+: Doch insofern, als Sie Elektrizität auf keine andere Weise erzeugen können als durch Umwandlung aus Sonnenwärme: denn Sie müssen die Dynamo entweder mit Wasserkraft betreiben, deren Zusammenhang mit der Sonnenwärme wir soeben dargelegt haben; oder Sie verwenden Dampfmaschinen oder Gasmotoren, deren Energie aus der Kohle stammt, also wieder indirekt aus der Sonne. -- Alle Energie stammt von der Sonne und ist in ihrer Entstehung an die Bedingung gebunden, daß die Sonne ihre Wärme an einen kälteren Körper abgibt; denn nur bei diesem Übergang können Umwandlungen in andere Energieformen erfolgen. +Der Kommerzienrat+: Dann müßte also die Welt einmal zum Stillstand kommen, wenn alle Körper ihre Temperatur gegenseitig ausgeglichen haben, weil dann keine Wärme mehr von einem wärmeren auf einen kälteren Körper übertreten könnte. Widerspricht dies nicht dem Gesetz der Erhaltung der Energie? Denn die Wärme ist dann doch in der Welt noch vorhanden, nur ist sie nicht mehr in Arbeit umwandelbar. +Der Professor+: Der Streit über diese Frage (des Physikers +Boltzmann+), ob die Welt am „Wärmetod“ zugrunde gehen wird oder nicht, ist auch unter den Gelehrten noch nicht entschieden. Für uns ist sie deshalb nicht gerade aktuell, weil der Sonnenball ein so ungeheures Reservoir von Energie darstellt, daß das Menschengeschlecht keine „Energieteuerung“ erleben wird. 12. Das periodische System der Elemente. (Ein Gespräch zwischen einem Chemiker und einem Studenten.) +Der Chemiker+: Sie möchten also gern von mir wissen, ob und wie die chemischen Eigenschaften der Elemente mit ihren +Atomgewichten+ (vgl. das 4. Kapitel) zusammenhängen. +Der Student+: Ja, denn ich bilde mir ein, diesem Zusammenhang bereits auf die Spur gekommen zu sein. Ich glaube entdeckt zu haben, daß die chemischen Elemente um so +metallischere+ Eigenschaften haben, je größer ihr Atomgewicht ist. +Der Chemiker+: Diese Entdeckung läßt sich freilich bestreiten. Ich führe Ihnen zum Beleg meines Widerspruchs drei nichtmetallische und drei ausgesprochen metallische Elemente an, deren Atomgewichte das Gegenteil beweisen könnten: die Metalle Lithium, Natrium und Magnesium haben die (abgerundeten) Atomgewichte 7, 23 und 24; die nichtmetallischen Elemente Phosphor, Schwefel und Brom haben die viel höheren Atomgewichte 31, 32 und 80!? +Der Student+: Meine Vermutung gründete sich darauf, daß die Mehrzahl der hohen Atomgewichte doch unzweifelhaft zu metallischen Elementen gehört, während die Mehrzahl der niederen Atomgewichte den nichtmetallischen Elementen eigen ist. +Der Chemiker+: In dieser unbestimmten Form ausgesprochen, ist Ihre Ansicht zweifellos richtig und enthält ein Naturgesetz. Nur, sobald Sie dieses Gesetz genau beschreiben wollen, so daß es ohne Ausnahme gelten soll --: da entschlüpft es Ihnen unter den Händen und läßt sich nicht fassen. Dies ist in einer sehr merkwürdigen Tatsache begründet, welche zuerst im Jahr 1865 von John A. B. Newlands erkannt wurde. Er ordnete die chemischen Elemente nach der Größe der Atomgewichte in eine fortlaufende Reihe derart, daß die Reihe mit dem kleinsten Atomgewicht begann und mit dem größten endigte. Er fand nun, daß zwar die benachbarten Elemente keine besonders deutliche Ähnlichkeit in ihren Eigenschaften zeigten, daß aber diese Ähnlichkeit ganz auffallend bemerkbar wurde, wenn man sieben Elemente übersprang. Also das +achte+ war dem +ersten+, das +neunte+ dem +zweiten+, das +zehnte+ dem dritten Element ähnlich usw., und diese Ähnlichkeit wiederholte sich beim fünfzehnten Element mit dem ersten und achten, beim sechzehnten mit dem zweiten und neunten, usf. -- Newlands nannte seine Entdeckung deshalb das +Gesetz der Oktaven+. Damit Sie sich von der Richtigkeit überzeugen können, schreibe ich Ihnen den Anfang der Oktavenreihe hier und setze über den Namen jedes Elements sein Atomgewicht: 7 9 11 12 14 16 19 Lithium Beryllium Bor Kohlenstoff Stickstoff Sauerstoff Fluor 23 24 27 28 31 32 35,4 Natrium Magnesium Aluminium Silizium Phosphor Schwefel Chlor 39 40 44 48 51 52 55 Kalium Kalzium Skandium Titan Vanadin Chrom Mangan Außerdem habe ich in jede Zeile nur sieben Elemente geschrieben und die drei Zeilen so untereinander gesetzt, daß die ähnlichen Elemente untereinander zu stehen kommen. Ich weiß nicht, ob Ihnen die Ähnlichkeit dieser untereinanderstehenden Elemente überall überzeugend klar ist. +Der Student+: Ich könnte dies eigentlich nur von den drei Elementen sagen, welche ganz links stehen. Sie sind mir als +Alkalimetalle+ wohlbekannt. +Der Chemiker+: Um die Ähnlichkeit zu erkennen, bedarf es nur eines kleinen Fingerzeigs: Sie müssen auf die +Wertigkeit+ achten (vgl. das 4. Kapitel). Die Elemente der ersten Gruppe (von links) sind Ihnen zweifellos als +einwertig+ bekannt: jedes Atom von ihnen vermag in einer Säure nur +ein+ Atom Wasserstoff zu ersetzen. Wenn Sie nun auch nur wenig mit den Eigenschaften der übrigen Elemente vertraut sind, so werden Sie leicht erkennen, daß die Elemente der zweiten Gruppe (von links) sämtlich zweiwertig, die der dritten Gruppe dreiwertig, der vierten vierwertig sind. Die Elemente der drei letzten Gruppen treten, wie Ihnen bekannt sein wird, in verschiedenen Wertigkeiten auf. Untersucht man aber ihre +beständigsten+ Verbindungen, so findet man eine sehr auffallende Tatsache: in ihnen sind die Elemente der fünften Gruppe entweder fünfwertig oder dreiwertig, die der sechsten Gruppe entweder sechswertig oder zweiwertig, die der siebenten entweder sieben- oder einwertig. +Der Student+: Dies ist ganz unbegreiflich wunderbar, da wir doch bei der Zusammenstellung der Oktaven nur von den Atomgewichten ausgegangen sind und auf die Wertigkeit gar keine Rücksicht genommen haben. +Der Chemiker+: Beachten Sie auch, daß die Wertigkeit nicht nur von links über die Mitte nach rechts stetig und gleichmäßig ansteigt, sondern auch von rechts nach links, allerdings nur bis zur Mitte. +Der Student+: Es ist gerade so, als ob die Natur zwischen links und rechts keinen Unterschied gelten lassen wollte. +Der Chemiker+: Dieser Eindruck wird noch durch die Tatsache verstärkt, daß die Elemente der +vierten+ Gruppe ganz überwiegend, in ihren meisten Verbindungen, +vierwertig+ sind. Die vierte Gruppe ist als Mittelgruppe sowohl von links als auch von rechts aus die vierte, wodurch sich dieses Überwiegen der Vierwertigkeit sehr interessant erklärt. +Der Student+: Bezieht sich die Ähnlichkeit der Elemente jeder solchen Gruppe auch noch auf andere Eigenschaften als die Wertigkeit? +Der Chemiker+: Selbstverständlich! Sie umfaßt alle Eigenschaften, und zwar nicht bloß der Elemente selbst, sondern auch ihrer Verbindungen. Also: die Elemente der ersten Gruppe sind einander nicht bloß darin ähnlich, daß sie leichte Metalle sind, welche das Wasser bei gewöhnlicher Temperatur zersetzen, sondern auch ihre Verbindungen (z. B. mit Chlor) haben eine unverkennbare Ähnlichkeit in Aussehen und Kristallform, Wasserlöslichkeit, Schmelzpunkt usw. +Der Student+: Gilt nun dieses Newlandssche Gesetz der Oktaven auch für alle übrigen Elemente, die Sie oben nicht angeschrieben haben? +Der Chemiker+: Es gilt für alle Elemente; aber es hat vieler Untersuchungen bedurft, um dies klar zu erkennen. Es war das Verdienst des russischen Chemieprofessors Mendelejeff (von der Universität St. Petersburg) und des Deutschen Lothar Meyer, hier einige Klarheit geschaffen zu haben. Die Schwierigkeiten beginnen nämlich gerade da, wo unsere dritte Periode endigt, also hinter dem Element +Mangan+. Dieses und das vorhergehende +Chrom+ gleichen den beiden übergeordneten Elementen ihrer Gruppen bei weitem nicht in dem Grade, wie man erwarten sollte, wenn auch in der Wertigkeit und in den sauerstoffreichsten Oxyden eine unverkennbare Ähnlichkeit besteht. Verlängert man aber die dritte Periode von 7 auf 17 Elemente, so zeigt sich sowohl in den Eigenschaften der ersten als auch der letzten Glieder dieser 17teiligen Periode eine geradezu verblüffende Ähnlichkeit mit den Gliedern der beiden kurzen Perioden. Diese „große“ Periode heißt also (unter Verwendung der Abkürzungszeichen für die Namen der Elemente): ~K~ ~Ca~ ~Sc~ ~Ti~ ~V~ ~Cr~ ~Mn~ ~Fe~ ~Co~ ~Ni~ ~Cu~ ~Zn~ ~Ga~ ~Ge~ ~As~ ~Se~ ~Br~. +Der Student+: Aber 17 Elemente können doch nicht mit 7 zur Deckung gebracht werden? Wie kann man in dieser Anordnung von korrespondierenden Eigenschaften sprechen? +Der Chemiker+: Die kurzen, siebengliedrigen Perioden stimmen in ihren Eigenschaften sowohl mit den sieben ersten als auch mit den sieben letzten Elementen dieser langen Periode überein. Die lange Periode zerfällt also sozusagen in zwei kurze und ein Mittelstück, das aus den drei Elementen Eisen, Nickel und Kobalt besteht. +Der Student+: Wenn ich mir diese kurzen Perioden betrachte, die Sie aus der langen herausschneiden, so finde ich, daß ihre Elemente mit den beiden ersten kurzen Perioden nur teilweise übereinstimmen wollen. Die vordere Hälfte, ~K~–~Mn~, stimmt nur in ihren drei ersten, die hintere mit den Elementen ~Cu~–~Br~ nur in ihren drei letzten Elementen gut mit den beiden kurzen Perioden zusammen. Dagegen scheint mir das Ende der ~K~–~Mn~-Periode und der Anfang der ~Cu~–~Br~-Periode nicht so gut zu passen: denn ~Mn~ müßte doch ein Halogen sein, wie ~Cl~ und ~Br~, und ~Cu~ müßte ein Alkalimetall sein, wie ~Li~, ~Na~ und ~K~. +Der Chemiker+: Sie haben ganz recht, die Übereinstimmung dieser Elemente mit den Halogenen bzw. Alkalimetallen läßt zu wünschen übrig. Immerhin wollen Sie bedenken, daß das +Kupfer+ im einwertigen Zustand Salze bildet, welche im Aussehen und Verhalten den Alkalimetallsalzen nicht unähnlich sind: so ist das Kupferchlorür, ~CuCl~, +weiß+ und nähert sich damit einigermaßen dem Chlornatrium, ~NaCl~, und Chlorkalium, ~KCl~. Denn die zweiwertigen Kupfersalze sind doch alle blau oder grün. Andrerseits bildet das +Mangan+ mit viel Sauerstoff ein flüssiges, leicht verdampfendes Oxyd ~Mn~_{2}~O~_{7}, welches den entsprechenden Oxyden des Chlors und Broms nicht unähnlich ist. Wenn Sie nun überhaupt die Wertigkeit der Elemente durch die ganze 17gliedrige Periode verfolgen, so können Sie an der Berechtigung dieser Unterteilung nicht wohl mehr zweifeln. +Der Student+: Gibt es denn noch mehr große Perioden? +Der Chemiker+: Ja; mindestens noch +eine+ mit den folgenden Elementen: ~Rb~ ~Sr~ ~Y~ ~Zr~ ~Nb~ ~Mo~ -- ~Ru~ ~Rh~ ~Pd~ ~Ag~ ~Cd~ ~In~ ~Sn~ ~Sb~ ~Te~ ~J~. Sie sehen: in dieser Periode ist +ein+ Element, zwischen Molybdän und Ruthenium, noch nicht entdeckt. Es müßte dem Mangan der ersten großen Periode entsprechen. +Der Student+: Offenbar gilt für diese zweite große Periode dasselbe wie für die erste: das dreigliederige Mittelstück ~Ru~, ~Rh~, ~Pd~ muß ausgeschaltet werden; die beiden Reste sind kleine Perioden, welche wiederum nur in den drei ersten bzw. den drei letzten Gliedern gut mit den eigentlichen kleinen Perioden zusammenstimmen. +Der Chemiker+: Ja; aber beachten Sie die gute Übereinstimmung in +allen+ Gliedern der beiden großen Perioden. Auch die Mittelstücke Eisen, Nickel, Kobalt und Ruthenium, Rhodium, Palladium stimmen doch auffallend gut überein. -- Ich will Ihnen nun das ganze „periodische System“ mit allen Atomgewichten anschreiben (nach B. Brauner): --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- |Gruppe|Gruppe|Gruppe|Gruppe|Gruppe |Gruppe|Gruppe|Gruppe| Gruppe | 0 | I | II | III | IV | V | VI | VII | VIII --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 1 | | 1 | | | | | | | | | H | | | | | | | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 2 | | 7 | 9 | 11 | 12 | 14 | 16 | 19 | | | Li | Be | B | C | N | O | F | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 3 | | 23 | 24 | 27 | 28 | 31 | 32 | 35,5| | | Na | Mg | Al | Si | P | S | Cl | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 4 | | 39 | 40 | 44 | 48 | 51 | 52 | 55 |56 58,97 58,63 | | K | Ca | Sc | Ti | V | Cr | Mn | Fe Co Ni --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 5 | | 63 | 65 | 70 | 72 | 75 | 79 | 80 | | | Cu | Zn | Ga | Ge | As | Se | Br | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 6 | | 85 | 87 | 89 | 90 | 94 | 96 |100 | 102 103 106 | | Rb | Sr | Y | Zr | Nb | Mo | ? | Ru Rh Pd --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 7 | | 108 | 112 | 114 | 119 | 120 | 127,5|126,92| | | Ag | Cd | In | Sn | Sb | Te | J | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 8 | |133 |137 |138 |140–178| 182 |184 | 190 | 191 193 195 | | Cs | Ba | La |Ce usw.| Ta |W | ? | Os Ir Pt --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 9 | | 197 | 200 | 204 | 207 | 209 | 212 | 214 | | | Au | Hg | Tl | Pb | Bi | ? | ? | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- Reihe 10| |220 |225? |230 |233 |235 |239 | | | | ? |Ra | ? |Th | ? | U | | --------+------+------+------+------+-------+------+------+------+-------------- +Der Student+: Das soll also nun bedeuten, daß die untereinander stehenden Elemente in jeder Gruppe einander chemisch verwandt sind und diejenige Wertigkeit besitzen, welche der Gruppenzahl entspricht? +Der Chemiker+: So ist es. Bei genauerem Zusehen werden Sie erkennen, daß ich die Elemente der Gruppen I–VII nicht genau untereinander geschrieben habe, sondern abwechselnd etwas nach links und nach rechts gerückt habe. Die links untereinanderstehenden bilden die sogenannte +Hauptgruppe+, die nach rechts ausgerückten faßt man als „Nebengruppe“ zusammen. +Der Student+: Aber ist das nicht eine rein willkürliche Maßregel? +Der Chemiker+: Nicht so ganz. Denn obwohl dieses Ausrücken nach links und rechts mit mathematischer Strenge genau abwechselnd erfolgte, ist es offenbar kein Zufall, daß jede dieser beiden Teilgruppen eine unverkennbare Verwandtschaftsgruppe bildet. In der I. Hauptgruppe stehen z. B. nur Alkalimetalle, in der II. Hauptgruppe nur alkalische Erdmetalle, in der VII. Nebengruppe nur Halogene. Dagegen umfaßt die erste Nebengruppe die unter sich ähnlichen Schwermetalle ~Cu~, ~Ag~, ~Au~, welche zu den Elementen der Hauptgruppe eine viel geringere Ähnlichkeit haben als zueinander. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich in jeder der sieben ersten Gruppen. +Der Student+: Ich verstehe! Diese Anordnung trägt also auch den Unstimmigkeiten Rechnung, welchen wir oben bei der Zerschneidung der großen Perioden begegneten: das Mangan, als Element der siebenten Hauptgruppe, braucht den Elementen der siebenten Nebengruppe nicht völlig zu gleichen. Außerdem sehe ich, daß die mittleren drei Elemente der großen Perioden dadurch ganz von selbst in eine achte Gruppe nach rechts hinaus gedrängt werden. Stimmen diese Elemente denn in ihren Eigenschaften so zusammen, daß sie mit Recht in eine Gruppe vereinigt werden dürfen? +Der Chemiker+: Ohne Zweifel. Die Elemente Eisen, Nickel, Kobalt und die sechs Platinmetalle haben sowohl in ihren metallischen als auch in ihren chemischen Eigenschaften eine unverkennbare Verwandtschaft. Die Platinmetalle finden sich z. B. in der Natur fast stets mit Eisen legiert, in den Meteoriten sind Eisen, Nickel und Kobalt miteinander vergesellschaftet. Ganz besonders zeigt sich die Verwandtschaft dieser Metalle der achten Gruppe miteinander in ihrer großen Neigung zur Bildung sogenannter komplexer Salze, in welchen um ein zentrales Metallatom 6 Atomgruppen gelagert sind. Auch die +Farben+ ihrer einfachen Salze, die meist grün, braun oder weinrot sind, zeigen eine große Ähnlichkeit. Endlich ist die Zuteilung dieser Metalle zur achten Gruppe dadurch gerechtfertigt, daß sie wohl die einzigen Elemente sind, bei welchen zweifellos die Achtwertigkeit beobachtet wurde: so im Osmiumtetroxyd ~OsO₄~. +Der Student+: Die Existenz einer solchen achten Gruppe stört aber das Wertigkeits-Gleichgewicht unseres Systems, denn nun ist die vierte Gruppe nicht mehr die Mitte. +Der Chemiker+: Dieser schwerwiegende Einwand wurde durch die Entdeckung der sogenannten +Edelgase+ entkräftet. Dies sind die Elemente mit den Atomgewichten: Helium 4, Neon 20, Argon 40, Krypton 82, Xenon 128. Da sie sich absolut gar nicht mit anderen Elementen verbinden lassen, so besitzen sie offenbar gar keine Wertigkeit: sie sind +nullwertig+ und müssen, wenn sie überhaupt dem periodischen System zugeteilt werden sollen, eine +nullte+ Gruppe bilden. Diese stellt dann das durch die achte Gruppe gestörte Gleichgewicht wieder her. +Der Student+: Sollte man denn nicht erwarten dürfen, daß auch die Elemente der achten Gruppe als nullwertig im Sinne der Symmetrie auftreten? +Der Chemiker+: Sie entsprechen auch dieser Anforderung insofern, als sie -- wenigstens die Platinmetalle -- +edle+ Eigenschaften haben, also eine gewisse Neigung, blank und unverbunden zu bleiben. +Der Student+: Das ist in der Tat sehr merkwürdig. -- Gibt es noch weitere gesetzmäßige Beziehungen zwischen den chemischen Elementen, welche ihren Ausdruck im periodischen System finden? +Der Chemiker+: O, eine ganze Menge. Zunächst haben Sie wohl selbst schon beobachtet, daß innerhalb jeder Gruppe sich die Eigenschaften der Elemente mit den steigenden Atomgewichten beträchtlich ändern. Das spezifische Gewicht, der Glanz und überhaupt der metallische Charakter nimmt zu, die Farben werden dunkler. Betrachten Sie z. B. die Elemente der siebenten Gruppe +Fluor+, +Chlor+, +Brom+ und +Jod+. Ich stelle hier in einer Tabelle ihre wichtigsten Eigenschaften zusammen: ===================+================+=========+========+============== | +Fluor+ | +Chlor+ | +Brom+ | +Jod+ -------------------+----------------+---------+--------+-------------- Farbe |schwach gelbgrün|gelbgrün |braunrot|schwarzviolett -------------------+----------------+---------+--------+-------------- Spez. Gewicht | 1,108 | 1,33 | 3,18 | 4,97 (fest oder flüssig)| | | | -------------------+----------------+---------+--------+-------------- Schmelzpunkt | -233 ° |-102 ° | -7 ° | +113 ° -------------------+----------------+---------+--------+-------------- Siedepunkt | -187 ° | -33 ° | +63 ° | +200 ° -------------------+----------------+---------+--------+-------------- Atomgewicht | 18,91 | 35,18 | 79,36 | 126,01 Sie sehen, wie alle Eigenschaften sich im gleichen Sinne verändern wie das Atomgewicht. +Der Student+: Das ist so merkwürdig, daß man fast versucht wäre zu prüfen, ob die Abstufung dieser Zahlen nach einem mathematischen Gesetz erfolgt. +Der Chemiker+: Sie haben einen guten Spürsinn, denn ein solches Gesetz besteht in der Tat. Wenn Sie die Atomgewichte der drei Elemente Chlor, Brom und Jod betrachten, so erkennen Sie leicht, daß das Atomgewicht des Broms das arithmetische Mittel zwischen den beiden andern ist: Chlor = 35,18 Jod = 126,01 -------- Summe = 161,19 : 2 = 80,59 (statt 79,36). Die Rechnung stimmt nicht +ganz+ genau, aber doch sehr angenähert. Dieselbe Gesetzmäßigkeit gilt mit etwa gleicher Genauigkeit für die spezifischen Gewichte und die Schmelzpunkte und sogar für die Wasserlöslichkeit der Metallverbindungen. +Der Student+: Wer hat dieses merkwürdige Gesetz entdeckt? +Der Chemiker+: Es rührt von dem deutschen Chemiker Döbereiner, der es als „Gesetz der Triaden“ bezeichnet hat. Denn selbstverständlich können daran stets nur drei Elemente beteiligt sein. Sie können sich daher leicht überzeugen, daß das vierte Halogen, das Fluor, im Atomgewicht und in den übrigen Eigenschaften einen geradezu sprunghaften Abstand von unserer Triade hält. +Der Student+: Gibt es noch andere solche Triaden? +Der Chemiker+: Fast in jeder Gruppe ist eine enthalten. Die wichtigsten sind wohl: Argon, Krypton, Xenon; Kalium, Rubidium, Zäsium; Kalzium, Strontium, Baryum; Aluminium, Gallium, Indium; Silizium, Germanium, Zinn; Phosphor, Arsen, Antimon; Schwefel, Selen, Tellur. +Der Student+: Was sagt nun das periodische System der Elemente über den Unterschied zwischen Metallen und Nichtmetallen? +Der Chemiker+: Ziehen Sie von der linken oberen Ecke bis zur rechten unteren einen Diagonalstrich durch das System, dann befinden sich oberhalb des Striches die Metalloide, unterhalb die Metalle. +Der Student+: Das ist allerdings eine verblüffend klare Antwort auf unsere Frage. Aber welche Stellung nehmen diejenigen Elemente dazu, welche von diesem Strich geschnitten werden oder ganz nahe bei ihm stehen? Vermutlich bilden sie Übergänge in ihren Eigenschaften zwischen Metallen und Metalloiden? +Der Chemiker+: Sie meinen also Elemente, wie das Arsen, Antimon, Molybdän, Wolfram, Tellur. Diese zeigen zugleich metallische und nichtmetallische Eigenschaften in sich vereinigt. Als Metalle lösen sie sich in Säuren meistens unter Wasserstoffentwicklung auf und gehen in kristallisierende Salze über. Als Nichtmetalle bilden sie durch die Vereinigung ihrer Oxyde mit Wasser Säuren, welche ihrerseits mit Basen Salze bilden können. So gibt es z. B. einerseits +schwefelsaures Antimon+, andrerseits +antimonsaures Kalium+. Je höher ein Element über dem Diagonalstrich steht, um so mehr überwiegen seine säurebildenden Eigenschaften über die metallischen (basenbildenden). Wenn Sie das System allerdings sehr aufmerksam betrachten, kann Ihnen eine gewisse Ungleichförmigkeit in dieser Beziehung nicht entgehen. +Der Student+: Sie meinen wahrscheinlich das ungleiche Verhalten von Haupt- und Nebengruppen in bezug auf diesen Unterschied zwischen Metall- und Nichtmetallcharakter? +Der Chemiker+: Allerdings. Links von der Mitte des Systems enthalten die Nebengruppen viel schwerere, glänzendere, „metallischere“ Metalle als die Hauptgruppen; rechts von der Mitte ist es umgekehrt. Betrachten Sie nur die V., VI. und VII. Gruppe: da stehen die drei ausgesprochen metallischen Elemente Vanadin, Chrom und Mangan zwischen ebenso ausgesprochen nichtmetallische eingekeilt: zwischen Phosphor und Arsen, Schwefel und Selen, Chlor und Brom. Der metallische Charakter eilt also in der Nebengruppe dem in der Hauptgruppe voraus. +Der Student+: In dem, was Sie da sagen, scheint mir ein gewisser Widerspruch zu liegen, wenn ich es auf die erste Gruppe anwende. Was soll da das eigentliche Kennzeichen des Metallischen sein? -- Ist es Glanz und Dichte, so ist die Nebengruppe (Kupfer, Silber, Gold) die metallischere. Ist es aber die Neigung zur Basenbildung, so muß die Hauptgruppe (Kalium, Rubidium, Zäsium) als die metallischere gelten, weil ihre Oxyde nicht bloß die stärksten Basen, sondern schlechthin +nur+ Basen sind. Dagegen bildet das Gold doch bereits ein saures Oxyd. Also, was soll nun gelten? +Der Chemiker+: Sie haben ganz recht. Hier liegt ein offenkundiger Widerspruch verborgen. Die chemische und die physikalische Definition des Begriffs „metallisch“ decken sich zwar häufig, aber nicht immer, und hier handelt es sich um einen Fall, in dem sie merklich auseinandergehen. +Der Student+: Gibt es auch innerhalb der wagrechten Reihen solche oder ähnliche Gesetzmäßigkeiten, wie wir sie in den senkrechten Gruppen festgestellt haben? +Der Chemiker+: Allerdings. Beobachten Sie nur z. B. die Unterschiede der Atomgewichte zweier benachbarter Elemente in den Reihen 2 und 3: Reihe 2: 2--2--1--2--2--3, Reihe 3: 1--3--1--3--1--3,5. +Der Student+: Das sind allerdings sehr regelmäßige Sprünge, aber mir scheint, sie sind doch nicht ganz symmetrisch verteilt: sonst müßte am Anfang der beiden Reihen noch eine Differenz von derselben Größe stehen, wie am Schluß? +Der Chemiker+: Sie haben sehr richtig beobachtet; aber diese Forderung ist inzwischen durch die Entdeckung der Edelgase bereits erfüllt worden. In der nullten Gruppe steht nämlich am Anfang der Reihe 2 das Helium mit dem Atomgewicht 4; die Differenz zum benachbarten Lithium beträgt also 3, wie es die Theorie fordert. Am Anfang der Reihe 3 steht aber das Neon mit dem Atomgewicht 20, seine Differenz zum benachbarten Natrium beträgt 3. +Der Student+: Entspricht dieser auffallenden Gesetzmäßigkeit auch eine solche in den physikalischen oder chemischen Eigenschaften? +Der Chemiker+: Sie wollen also wissen, ob bestimmte physikalische oder chemische Eigenschaften der Elemente einer wagrechten Reihe gegen die Mitte ab- oder zunehmen? -- In bezug auf die +Wertigkeit+ der Elemente konnten wir diese Frage schon insofern bejahen, als wir gesehen haben, daß die Wertigkeit gegenüber dem Wasserstoff für alle Elemente der zweiten Reihe von beiden Seiten her gegen die Mitte anwächst bis zum Höchstwert der Vierwertigkeit. Dasselbe gilt aber auch für physikalische Eigenschaften, z. B. für die spezifischen Gewichte, wie folgende Vergleichung zeigt: Reihe 3: ~Na~ ~Mg~ ~Al~ ~Si~ ~P~ ~S~ ~Cl~ spez. Gewicht: 0,97 1,7 2,5 2,5 2,0 1,9 1,3 Diese dritte Reihe ist, wie wir wissen, eine vollständige Periode. Für die vierte und fünfte Reihe gilt das Gesetz scheinbar nicht, da in der vierten Reihe die spezifischen Gewichte von links nach rechts fortwährend zunehmen, in der fünften aber ebenso gleichmäßig abnehmen. Der Grund ist, daß die vierte und fünfte Reihe zusammen eine große Periode bilden, für welche das Gesetz des Anwachsens der spezifischen Gewichte bis zur Mitte genau so gilt, wie für die kleinen Perioden: ~K~ ~Ca~ ~Sc~ ~Ti~ ~V~ ~Cr~ ~Mn~ ~Fe~ ~Co~ 0,86 1,6 3,8 ? 5,5 6,8 7,2 7,9 8,5 ~Ni~ ~Cu~ ~Zn~ ~Ga~ ~Ge~ ~As~ ~Se~ ~Br~ 8,8 8,8 7,1 5,9 5,5 5,6 4,6 2,9 +Der Student+: Sie haben in unserer Tabelle des periodischen Systems an einigen Stellen Fragezeichen statt der Symbole von Elementen angebracht, weil die betreffenden Elemente offenbar noch nicht bekannt sind. Aber wenn ich die Fülle von Gesetzmäßigkeiten bedenke, welche wir bis jetzt am periodischen System erkannt haben, so sollte ich doch meinen, daß man damit die Eigenschaften dieser Elemente ziemlich gut voraussagen könnte. +Der Chemiker+: Dies ist auch möglich, und zwar mit um so größerer Sicherheit, je vollständiger die Umgebung des unbekannten Elements bekannt ist. +Mendelejeff+ hat auf diese Weise die wichtigsten Eigenschaften der drei Elemente +Skandium+, +Germanium+ und +Gallium+ vor ihrer Entdeckung vorausgesagt, und es war geradezu verblüffend, wie genau die meisten seiner Angaben mit den späteren Beobachtungen übereinstimmten. Er hatte für das noch unentdeckte Skandium den Namen Ekabor, für das Gallium Ekaaluminium, für das Germanium Ekasilizium gewählt. Seine so überraschend eingetroffenen Prophezeiungen beschränkten sich durchaus nicht bloß auf die Eigenschaften der Elemente selbst, sondern sie beschrieben auch diejenigen einiger Verbindungen. +Der Student+: Wie konnte er diese Angaben so genau machen? +Der Chemiker+: Er leitete sie als arithmetisches Mittel aus denjenigen vier Elementen ab, welche das zu bestimmende umgeben. Diese vier nannte er die Atomanaloge. Für das Germanium (Mendelejeffs Ekasilizium) waren es die vier Elemente Silizium, Zinn, Gallium und Arsen. Die Atomgewichtsbestimmung erfolgte in diesem Fall also dadurch, daß er die Atomgewichte dieser vier Elemente addierte und durch vier teilte: ~Si~ 28 + ~Sn~ 119 + ~Ga~ 70 + ~As~ 75 = 292 292 : 4 = 73. Das wirkliche Atomgewicht des Germaniums wurde als 72 bestimmt. +Der Student+: Sind nun solche kleinen Abweichungen der berechneten und gefundenen Werte, wie wir sie auch an den Döbereinerschen Triaden beobachtet haben, als Fehler in den Atomgewichtsbestimmungen zu betrachten, oder kann man sagen, daß die Gesetze selbst nicht mathematisch genau verlaufen? +Der Chemiker+: Noch vor 20 Jahren glaubte man allgemein, daß diese Unstimmigkeiten auf Beobachtungsfehler, also auf ungenau bestimmte Atomgewichte, zurückgeführt werden müßten. Jetzt ist diese Ansicht endgültig als Irrtum erkannt. Die Atomgewichte der meisten Elemente sind mit so außerordentlicher Zuverlässigkeit bestimmt, daß die Ungenauigkeiten der Triaden unbedingt nicht auf Bestimmungsfehler zurückgeführt werden können. Noch merkwürdiger sind aber einige andere Ausnahmen. Das +Tellur+ müßte, da es in der sechsten Gruppe steht, ein kleineres Atomgewicht haben als das in derselben Reihe folgende Element +Jod+ der siebenten Gruppe. Das Atomgewicht des Tellurs ist aber 127,5, das des Jods 126,92. Vertauscht können diese Elemente natürlich nicht werden, denn ihre Zugehörigkeit zur sechsten bzw. siebenten Gruppe ist über alle Zweifel erhaben. Also bleibt nur die Annahme möglich, daß die Eigenschaften der Elemente zwar im großen und ganzen, aber doch nicht im einzelnen als periodische Funktionen der Atomgewichte zu betrachten sind. +Der Student+: Das ist ja ungemein merkwürdig! Sie sprachen davon, daß es noch andere solche Fälle gäbe? +Der Chemiker+: Ja. Dasselbe gilt, wie Sie aus unserer Tabelle ersehen, für das Paar Kobalt (58,97) -- Nickel (58,68) und für das Paar Argon (39,6) -- Kalium (38,85), endlich für das in unserer Tabelle nicht enthaltene Paar Neodym (143,6) -- Praseodym (140,5). Ja, selbst in diesen Unstimmigkeiten offenbart sich eine Gesetzlichkeit: nicht bloß darin, daß es stets Element-+Paare+ sind, sondern auch in ihrer symmetrischen Verteilung im periodischen System; das Paar Argon -- Kalium liegt am Ende der zweiten +kleinen+ Periode, das Paar Tellur -- Jod am Ende der zweiten +großen+ Periode. Um fünf bis sechs Elemente hinter jedem dieser beiden Paare folgen, gleichsam als Trabanten, die beiden anderen Atompaare Kobalt -- Nickel und Neodym -- Praseodym. Diese beiden sind noch überdies durch eine andere Eigenschaft in korrespondierende Beziehungen zueinander gebracht; das erste Element beider Paare bildet rote, das zweite grüne Salze. -- Doch alle diese Unregelmäßigkeiten sind noch weit davon entfernt, erklärt oder auch nur genauer erforscht zu sein. Dies bleibt eine Aufgabe der zukünftigen Chemie. [Illustration] Welt und Wissen-Bibliothek Bis jetzt sind folgende Bände erschienen: =1. Illustrierte Himmelskunde= von +Felix Erber+. =2. Entdeckungsreisen am Nord- und Südpol= von ~Dr.~ +J. Wiese+. =3. Das illustrierte Buch der Technik= von +Oskar Hoffmann+. =4. Luftschiffahrt und Flugtechnik= von +A. V. von Frankenberg+ und +Ludwigsdorff+. =5. Asien, Land und Leute= von ~Dr.~ +Alfred Berg+. =6. Der Bau des menschlichen Körpers= von ~Dr.~ +G. Zehden+. =7. Illustrierte Tierkunde= von ~Dr.~ +Heinz Welten+. =8. Illustriertes Buch der Chemie= von ~Dr.~ +Heinrich Wiesenthal+. =9. Körper- und Schönheitspflege= von +Reinhold Gerling+. =10. Afrika, Land und Leute= von ~Dr.~ +Alfred Berg+. =11. Streifzüge im Reiche der Physik= von +L. Wunder+. =12. Bilder aus dem Leben der Pflanze= von ~Dr.~ +C. W. Schmidt+. Jeder Band ist abgeschlossen und reich illustriert. *** END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK CHEMISCHE UNTERHALTUNGEN *** Updated editions will replace the previous one—the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg™ electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG™ concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for an eBook, except by following the terms of the trademark license, including paying royalties for use of the Project Gutenberg trademark. If you do not charge anything for copies of this eBook, complying with the trademark license is very easy. You may use this eBook for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports, performances and research. 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