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In den Jahren 1835 und 1836 waren wohl wenige in Berlin, die nicht von der Goldprinzessin gehört hätten. Wer sie nicht selbst gesehen hatte, hatte sich doch von anderen erzählen lassen, wie sie aussah. Der allgemeine Gegenstand der Unterhaltung, beschäftigte sie die höheren Kreise der Gesellschaft und war doch noch mehr Gegenstand der Neugier, der Bewunderung und des Staunens in den unteren. Wenn ihr Wagen durch die Straßen rollte, raunte man sich zu: Dort kommt sie. Wenn er vor einem Hause, einem Laden hielt, sammelten sich Neugierige in ehrerbietiger Entfernung, aber auch die umliegenden Fenster öffneten sich, und selbst Personen, die sonst dem Kitzel für Wunderdinge mit ungläubiger Miene oder einem verächtlichen Achselzucken begegnen, widerstanden doch nicht, einmal den Kopf hinauszustecken, um zu erfahren, wie denn das Wunderkind aussah.
Man hat die Bemerkung gemacht, daß Berlin, gleich anderen großen Städten, wo viel Müßige sind, wenn nicht alljährlich, doch Jahr um Jahr, zur Belebung des Alltagslebens, einer allgemeinen Nahrung aus dem Reiche des Wunderbaren bedürfe, und wenn dieses Verlangen recht lebhaft geworden sei, böte der Stoff sich von selbst dar.
Die Goldprinzessin in Berlin schien zu den Spukgestalten schalkhafter Art zu gehören; sie war ein anmutiges Mädchen. Denn daß hinter ihrer Erscheinung eine Mystifikation ruhe, behauptete die Kritik, die mitten im Fanatismus der Illusionen in Berlin tätig ist, schon bald nach ihrem Auftreten. Es war zu auffällig.
Aufgetaucht, man wußte nicht, wie, entfaltete die junge Dame einen Glanz und Aufwand, der den Neid erregte. In der elegantesten Equipage fuhr sie durch die Berliner Straßen, und Spaziergänge, anfänglich mit gemieteten Pferden und Wagen, wurden bald darauf mit eigenen bestritten. Wenigstens hatte sie zwei schöne Pferde gekauft, deren Furagelieferung allein monatlich über 50 Taler kostete.
Außerdem mußten für eine gleiche Summe noch täglich zwei Pferde bei einem Fuhrherrn zu ihrer Disposition stehen. Sie hatte sich anfangs mit bescheidenen Wohnungen begnügt, bald mietete sie größere, kostbarere, eine ganze Villa, zuerst in Charlottenburg, dann im Tiergarten. Sie möblierte sie selbst mit den ausgesuchtesten Gerätschaften. Sie hielt einen Livreebedienten, der sehr im Vertrauen seiner Herrin zu stehen schien, einen Kutscher, Köchin, Dienstmädchen und eine Gesellschafterin!
Man sah diese Equipage und die Dame mit ihrer Begleiterin Tag für Tag auf den Straßen; im Winter war sie fast alle Abende im Theater. Sie hielt stundenlang vor den besuchtesten Modeläden und kaufte dort kostbare Stoffe, Bijouterien, Uhren, silberne Leuchter, Geschirr, auch Kunstsachen. Die Goldprinzessin war bald die gefeiertste Kundin für die Kaufleute, von ihnen aufgesucht, mit Anerbietungen, Anliegen bedrängt. Aber nicht von diesen allein, auch mit den Wagenfabrikanten stand sie im lebhaftesten Verkehr. Sie tauschte ihren Wagen mehrmals auf deren Vorstellungen ein, um immer den elegantesten zu haben, und diese Fabrikanten und Kaufleute machten mit der liebenswürdigen Dame doppelt gute Geschäfte. Sie war nicht schwierig im Handel und zeigte dem Publikum die neuesten Moden, war doch ihre Equipage vor den Kaufläden schon zu einer Schaustellung geworden. Zugänglich, freundlich, verschaffte sie dem und jenem die Kapitalien, deren er bedurfte, wenigstens hieß es so, und die Armen umlagerten ihre Tür mit mündlichen und schriftlichen Bittgesuchen. Es verlautete, sie gibt allen.
Man sprach von Reisen, die sie nach Brüssel, London unternommen hatte; gewiß wußte man, daß sie mehrmals nach Hamburg und in die böhmischen Wälder gefahren war. Nach Karlsbad und Prag fuhr sie mit vier Pferden Extrapost. Von dort aus hatte sie reiche Geschenke mitgebracht, und auch in Berlin machte sie sehr kostbare an silbernen Kronleuchtern, Uhren, Gemälden an ihre Bekannten. Der Gattin eines reichen jüdischen Bankiers, mit der sie früher in Verbindung stand, hatte ein Wagen beim Sattler Konrad sehr gefallen; die Bankiersfrau führte mit ihm deshalb Unterhandlungen. Als die Goldprinzessin dies erfuhr, kaufte sie den Wagen schnell für 1500 Taler und bot ihn der Dame zum Geschenk an. Das Geschenk wurde abgelehnt, die Geschichte aber bekannt. Sie hatte Bekannte, das wußte man, aber ihr eigentlicher Umgang entsprach doch dem Glanze nicht, mit dem sie auftrat. Sie kam in keine Gesellschaft, noch sah sie Gesellschaft bei sich.
Dies konnte den Verdacht gegen sie bestärken, und der Grund, der dafür angeführt wurde, war nicht geeignet, ihn zu schwächen. Man sagte, sie sei die Braut eines reichen brasilianischen Grafen Villamor, der sich in Hamburg, Brüssel oder Baden in sie verliebt hätte, mit ihr verlobt sei und sie jetzt reisen und in Berlin verweilen lasse, um sie für die höheren Kreise, in der er sie einführen wolle, auszubilden; nach anderen war es ein überaus reicher Senator in Hamburg, dessen Name damals viel in Berlin im Zusammenhang mit einer anderen Heiratsangelegenheit genannt wurde. Auch deutsche Grafen, ja sogar Fürsten hatten die Ehre, als Verlobte der interessanten Fremden genannt zu werden. Indessen hatte doch der Brasilianer die meisten Stimmen für sich. Daher ihr ungeheurer Reichtum – so sollte sie oft Weisungen von ihrem Bräutigam erhalten, sich von ihren früheren ökonomisch-bürgerlichen Begriffen zu befreien und mehr auszugeben, als sie tat –, daher aber auch ihre Zurückhaltung von der Gesellschaft.
Der brasilianische Graf kannte entweder die Berliner Gesellschaft nicht, oder er wollte seine Braut aus der Ferne beobachten und preisen. Henriette Wilke, diesen bescheidenen Namen führte die reiche Dame, war nicht schön; wenigstens lag in den gewöhnlichen Zügen ihres sonst regelmäßig hübschen Gesichtes nichts von einem ungewöhnlichen Zauber, der auf den ersten Blick fesseln kann. In den Gesellschaften, in denen man sie früher gesehen hatte, galt sie für unbedeutend. Wie konnte ein reicher Graf sich so sterblich in sie verliebt haben, daß er mit so ungeheuren Kosten die junge Dame zum Heiraten sich erziehen ließ? Auch dafür wußte der Volksmund eine ausreichende Erklärung: Henriette hatte einen blendendweißen Teint und ins Rötliche gehende blonde Haare; Graf Villamor war nach diesen Vorstellungen ein Mulatte, oder gar ein Schwarzer. Weiße Haut ist in Amerika Adel, Schönheit; der Farbige, auch reich, auch Graf, ist ein Wesen niederer Art, der seine Blicke zu keiner einheimischen weißen Schönheit erheben darf. Er muß Länder suchen, wo dies Vorurteil nicht herrscht. Wer an die anderen weißen Bräutigame, Senatoren oder Grafen glaubte, wußte von einer so abschreckenden Häßlichkeit derselben, daß es schon für eine Art Opfer galt, wenn ein einigermaßen wohlgebildetes Mädchen sich entschloß, ihnen die Hand zu reichen.
Alle diese Umstände erschienen als Indizien, einen weiblichen Glücksritter vor sich zu haben. Es sprachen aber auch ebenso viele Indizien dagegen:
Henriette Wilke war keine Fremde, Unbekannte. Sie war ein Berliner Kind aus Charlottenburg. Früh hatte sie ihre Eltern verloren, doch nahm sich ihrer eine sehr geachtete, wohlhabende Familie an, bei der ihre Großmutter diente, und gab ihr eine Erziehung, die über ihren schlichten Geburtsstand hinausging. Sie war von einem Familienmitglied zum anderen übergegangen und überall mehr als Pflegetochter denn als Dienstbote behandelt. Nachdem sie als Kindermädchen in einer jüdischen Bankiersfamilie einige Zeit verbrachte, auch hier dem Familienkreise näherstehend, als es in der Regel bei Kindermädchen der Fall ist, war sie zu einer alten, unverheirateten Dame, die sie schon durch ihre Eltern kannte, nach Charlottenburg gezogen, einer bejahrten Dame besten Rufes aus einer angesehenen Familie, mit der sie auf dem vertrautesten Fuße lebte.
Schon die Namen aller dieser Familien und das Ansehen, dessen sie sich in Berlin erfreuten, waren für sie eine gewisse Bürgschaft, daß wenigstens die Polizei keinen Anlaß hatte, sie mit lästigen Fragen und einer strengen Beobachtung zu verfolgen. Ihre Person, ihr Herkommen waren bekannt, und sie machte kein Hehl daraus. Nur die Quelle ihres Reichtums war unbekannt; da aber nirgends die Spur eines großen Diebstahls, einer Betrügerei sich zeigte, da niemand gegen sie Klage erhob, nicht einmal Verdächtigungen einliefen, war kein Grund vorhanden, gegen sie einzuschreiten, weil sie mehr ausgab, als man vernünftigerweise annehmen durfte, daß sie eingenommen habe. War die Polizei auch nicht verpflichtet zu glauben, daß sie einen reichen Brasilianer zum Bräutigam habe, so war sie doch auch nicht berechtigt, es zu bezweifeln.
Zudem, wäre sie eine Abenteurerin, was könnte der Zweck ihres Auftretens sein? – Sie drängte sich nicht in die Gesellschaft reicher und vornehmer Familien, wie Personen dieses Schlages tun, um die Gelegenheit zum Diebstahl und Betruge abzulauschen, sie lebte eigentlich ganz isoliert. Auch die Leute, mit denen sie sich umgab, waren durchaus nicht gefährlicher Art. Ihr Bedienter, ein unverdächtiger Mann, hatte früher bei den achtbarsten Herrschaften, zu deren Zufriedenheit, in Diensten gestanden. Ihre Gesellschafterin war eine gebildete Dame, die Tochter eines ehemaligen höheren Justizbeamten, eines akademischen Lehrers und namhaften Schriftstellers seiner Zeit.
Und wen hätte sie betrügen sollen und worum? Dummköpfe um Geld und Güter? Sie sagte ja selbst, daß sie persönlich kein Vermögen habe, daß sie alles der Großmut ihres Bräutigams verdanke. Durch ihre Reize konnte sie niemand ins Garn locken wollen, da sie sich als Braut eines angesehenen Fremden ausgab, der jeden Augenblick kommen und sie abholen konnte. Außerdem traf sie auch nicht der leiseste Verdacht eines unsittlichen Wandels. Ihr ganzes Auftreten hatte vielmehr etwas Bescheidenes. Während sie ihre Gesellschafterin mit Ketten und Federn ausschmückte, ging sie verhältnismäßig einfach gekleidet, doch in kostbaren Stoffen.
Was sie kaufte, bezahlte sie bar, sehr hoch; man kann eher nach den späteren aktenmäßigen Ermittlungen annehmen, daß sie betrogen wurde. Sie nahm, was ihr gefiel, sie fragte wenig nach dem Preise, und die Verkäufer wußten den Glanz des Reichtums, den sie um sich verbreitete, und die Wahrnehmung, daß das Geld leicht in ihrer Hand saß, zu ihrem Vorteil auszubeuten.
Sie war auch außerordentlich wohltätig. Die Armen, die ihre Tür belagerten, gingen nie mit leeren Händen fort. Sie gab nicht groschen-, talerweis, sondern ihre einzelnen Almosen gingen bis in die Hunderte. So rettete sie einen verarmten Edelmann durch eine solche außerordentliche Gabe. Erst als der Ruf ihrer Großmut sich durch die Stadt verbreitete und die Hilfsbedürftigen von nah und fern sich scharenweis zu ihr drängten, sah sie sich zu ernsteren Prüfungen genötigt.
Sie schämte sich ihrer armen Verwandten nicht, auch vor deren Türen hielt oft ihr Wagen. Sie ging zu ihnen hinein, häufiger ließ sie diese zu sich herauskommen und unterhielt sich mit ihnen von ihrem Wagensitz aus freundlich. Würde eine Glücksritterin sich so öffentlich als Verwandte armer Leute aus den niedrigsten Ständen vor aller Welt gezeigt haben?
Alles dies sprach für sie. Und gegen zwei Jahre schon dauerte diese Sache, der Glanz ihrer Erscheinung hatte sich nicht gemindert. Warum will man die einzige gegebene Erklärung nicht annehmen? Warum will man etwas Merkwürdiges und Ungewöhnliches für ein Märchen erklären, wo doch sonst keine andere vernünftige Erklärung ausreicht? Dies war die vorherrschende Stimmung im Publikum geworden, und die ihr Wohlgesinnten sprachen allein die Besorgnis aus: Wenn der brasilianische Graf nur nicht das arme Mädchen sitzenläßt!
Die ihr kritisch Gesinnten ließen sich dagegen ihre Zweifel nicht ausreden. Sie hörten mit sarkastischem Lächeln die Lobpreisungen der bekannten Unbekannten und antworteten darauf, daß ein Krug nur so lange zu Wasser geht, bis er bricht, und der Tag werde schon kommen, wo die Polizei die bewunderte Prinzessin abholen werde.
*
Unter den gläubigen Gemütern, die keinen Zweifel hegten, befand sich der Besitzer einer bekannten großen Möbelhandlung in Berlin, Schröder. Die Wilke hatte in seinem Magazin bedeutende Ankäufe zu ihrer Einrichtung gemacht. Sie hatte alles bar bezahlt; er hielt sie für reich und hatte sich eines Tages die Frage erlaubt, ob sie, die über so große Kapitalien gebiete, ihm wohl zur Vergrößerung seines Geschäftes einige tausend Taler verschaffen könne.
Die Wilke erwiderte, wenn sie volljährig würde, sie war dreiundzwanzig Jahre alt, wäre sie gern bereit, sie ihm selbst zu geben; doch wolle sie auch inzwischen sehen, ob sie ihm vielleicht bei einer guten Freundin Geld beschaffen könne. Schon am folgenden Tage kam die Wilke zu Schröder und eröffnete ihm, daß ihre mütterliche Freundin, die Demoiselle Niemann in Charlottenburg, gern bereit sei, ihm 5000 Taler und nur zu vier Prozent und ohne weitere Sicherheit zu leihen. Das Geld aber liege in Pfandbriefen gegen aufgenommene 500 Taler irgendwo deponiert. Diese Pfandbriefe auszulösen, bedürfe sie aber gerade dieser Summe, und wenn Schröder sie vorstrecken wolle, könne das ganze Geschäft bald abgemacht werden. Schröder erkundigte sich nach dem Ruf und den Umständen der alten Niemann, und nachdem er nur Vorteilhaftes und ganz Beruhigendes über sie erfahren hatte, ging er selbst nach Charlottenburg und händigte die 500 Taler der alten Dame in Gegenwart der Wilke ein. Die 5000 Taler sollte er nun in einigen Tagen erhalten. Aber schon kurz darauf kam die Wilke wieder zu ihm: Die Einlösung der Pfandbriefe lasse sich erst gegen Zahlung von 1000 Talern bewirken; die Niemann müsse daher noch 500 Taler haben; dagegen verspreche sie ihm statt der 5000 Taler ein Darlehn von 8000 Talern. Schröder ließ sich, nach einigen Verhandlungen, auch zur Zahlung der zweiten 500 Taler bewegen, doch nur nachdem er die zuverlässigsten Nachrichten über die Solidität der Niemann eingezogen hatte, die sich schriftlich verpflichtet, ihm am 28. Juni 1836 ein Kapital von 8000 Talern zu leihen und die 1000 Taler zurückzuzahlen.
Statt des Geldes kam abermals die Wilke zu ihm und verkündete, daß die Niemann sein Glück machen wolle. Sie habe sich mit ihrer Familie besprochen, und statt 8000 Taler wolle sie ihm 20 000 Taler leihen. Um den höheren Betrag der Pfandbriefe einzulösen, bedürfe sie aber noch 500 Taler. Schröder wollte nicht; ein abermaliger Besuch bei den beiden Damen stimmte ihn aber um. Er zahlte die dritten 500 Taler, dafür sollte ihm am 10. Februar ein Kapital von 20 000 Talern ausgehändigt werden.
Der 10. Februar verstrich, aber das Geld kam nicht, statt dessen die Antwort, daß er am nächsten Montag wenigstens 8000 Taler erhalten solle. Am Montag erschien die Wilke, ohne Geld, jedoch mit der Nachricht, da der Bankier ihrer Freundin die versprochene Zahlung nicht geleistet habe, werde sie es von einer anderen Bekannten besorgen. Schröder glaubte ihr und zahlte zu den 1500 Talern, die er nicht verloren glaubte, der Wilke noch 100 Taler, die sie zur Einlösung zu brauchen vorgab. Auch über diese letzte Einzahlung von 100 Talern erhielt er, bei einem neuen Besuche, von der Niemann einen Schein, und der 13. Februar wurde jetzt als Zahlungstag bestimmt.
Aber noch am selben Tage erfuhr Schröder, daß andere Personen, namentlich ein Futterhändler in Charlottenburg, aus den Händen der Wilke Kassenscheine erhalten, die er ihr oder der Niemann zur Einlösung der Pfandbriefe gegeben hatte. Ja, für einen der Scheine von 300 Talern hatte die Wilke zwei Pferde gekauft.
Er stürzte nach Charlottenburg und traf die Wilke und ihre Gesellschafterin Alfrede bei der Niemann. Auf seine heftigen Vorwürfe antwortete mit gleicher Heftigkeit die Gesellschafterin, er urteile voreilig, ihm könne es doch ganz gleich sein, ob die Wilke ihre Privatschulden mit dem von ihm geliehenen oder mit ihrem eigenen Gelde ausgezahlt habe; die Wilke selbst schien zuerst verlegen, später empört. Die heftige Szene endete mit einer Aussöhnung, die die Gesellschafterin bewirkte. Schröder ließ sich bereden, noch bis zum 27. Februar zu warten.
Als auch am 27. Februar kein Geld kam, erwuchs bei Schröder eine sehr begreifliche Angst. Er ging zur Polizei. Der damalige Präsident Gerlach fand keinen Grund, gegen die Wilke und noch weniger gegen die anerkannt unbescholtene und wohlhabende Demoiselle Niemann, die noch dazu Eigentümerin in Charlottenburg war, einzuschreiten, und auch der berühmte Polizeirat Duncker mußte von seiner entgegengesetzten Ansicht abstehen, als die Wilke sich vollkommen gegen ihn legitimiert hatte.
Schröder blieb nichts übrig, als gegen die Niemann zu klagen. Inzwischen verständigte man sich jedoch. Schröder beschränkte seine Forderung auf die Rückzahlung der 1600 Taler und auf ein kleines Kapital von 8000 Talern. Beides wurde ihm zugestanden. Damit er aber kein weiteres Mißtrauen hegen solle, forderte die Wilke die Demoiselle Niemann auf, ihm wenigstens das Geld zu zeigen, das er erhalten solle. Die Niemann holte aus ihrem Schrank ein versiegeltes Paket mit der Aufschrift »l0 000 Taler in pommerschen Pfandbriefen«. Schröder verlangte die sofortige Übergabe, die Wilke, die immer für die Niemann das Wort führte, erklärte, daß dies wegen der Familienverhältnisse nicht anginge, er könne die Pfandbriefe erst am 30. März erhalten.
Auch am 30. März erhielt er noch nicht sein Geld. Aber die Wilke kam mit ihrer Gesellschafterin zu ihm und erklärte ihm, daß dieselben Familienverhältnisse es auch jetzt der Niemann noch immer unmöglich machten, ihr Versprechen zu erfüllen. Zu seiner vollkommenen Sicherheit, und damit er keinen Verdacht schöpfe, händigte sie ihm aber im Namen der Niemann das versiegelte Paket mit den 10 000 Talern in Pfandbriefen ein, jedoch mit der Auflage, das Paket erst am 5. April zu öffnen, und wenn bis da keine Zahlung erfolgt sei, die Pfandbriefe zu verkaufen, 1600 Taler für sich zurückzubehalten, 8000 Taler als Darlehn anzunehmen und den Rest der Niemann zurückzuerstatten.
Alle Teile schienen nun befriedigt. Zwar hatte Schröder den Versuch gemacht, die Erlaubnis zur Öffnung schon für den 2. April zu erwirken; aber als er scherzhaft gedroht, es auch ohne Erlaubnis zu tun, hatte die Gesellschafterin, Demoiselle Alfrede, ihm das Ungeziemliche dieser eigenmächtigen Handlung ernsthaft vorgestellt: Es würde dies die gute Niemann aufs äußerste beleidigen; sie halte ihn aber für einen so ehrlichen Mann, daß sie des Vertrauens sei, er werde es nicht tun. »Aber am fünften werde ich die Öffnung in Gegenwart von Zeugen vornehmen«, erwiderte Schröder. Bei dieser Äußerung schien die Wilke und ihre Gesellschafterin sichtbar befangen.
Am 4. April ersuchte die Wilke den Schröder, das Paket bei der Niemann in Gegenwart ihrer Verwandten zu öffnen. Schröder versprach es zwar, ging aber am fünften statt dessen, auf polizeiliche Anweisung, zu einem Notar, der die Siegel erbrach und statt der 10 000 Taler in Pfandbriefen in dem Kuvert nur mehrere Bogen leeren Papiers fand.
So war das Rätsel denn mit einem Scherenschnitt bloßgelegt. Ein Betrug lag vor, der weit mehr ahnen ließ. Aber wer waren die Betrogenen, wer die Betrüger? Von jenen erschien auf dem Platze nur der Möbelhändler Schröder, dessen 1600 Taler aber unmöglich zu dem Aufwande der Wilke ausgereicht hätten, auch waren sie erst in letzter Zeit ihm entlockt worden. Woher kamen die Mittel zu ihrer Verschwendung bis zu diesem Zeitpunkt? Und war denn die Wilke die alleinige Betrügerin? Sie hatte ja nur als Vermittlerin für die Demoiselle Niemann gehandelt, diese hatte das Geld empfangen, diese darüber Verschreibungen ausgestellt, diese das Paket mit leerem Papier in ihrem Besitz gehabt und es Schröder gezeigt und später zugestellt. Die Gesellschafterin Alfrede hatte am lebhaftesten zu Schröders Täuschung das Wort geführt.
Also erschien auf den ersten Blick hier ein ganzes Komplott weiblicher Schwindler versammelt, die sofort hätten verhaftet werden müssen. Dies geschah jedoch nicht, und mit Recht, wie sich bald ergab.
Ehe wir zur Auflösung schreiten, gehen wir neun Jahre zurück, um die Hauptpersonen in der Tragödie kennenzulernen. Das überwiegende Interesse an diesem Rechtsfall ist psychologischer Natur. Man muß die Persönlichkeit der Betrogenen kennen, um das kühne, leichtsinnige und schamlose Intrigenspiel zu begreifen, das jedem mit dieser Individualität nicht Vertrauten ganz unglaublich erscheinen mußte.
*
In Charlottenburg lebte in ihrem Hause eine siebzigjährige unverheiratete Dame, die wir Niemann genannt haben. Es wäre möglich, daß ihre achtbaren, noch lebenden Verwandten durch Nennung des Namens bei einer ohnedies für sie traurigen Erinnerung unangenehm berührt würden. Auch die jetzt verstorbene Demoiselle Niemann war eine durchaus achtbare, ganz unbescholtene Dame. Tochter eines längst verstorbenen Kriegs- und Domänenrates, lebte sie von den Einkünften des ihr gehörenden Hauses und einem Vermögen von etwa 12 000 Talern, das sie in Staatspapieren und Pfandbriefen selbst in Verwahrung hatte.
Sie lebte still und häuslich und genoß, weil sie niemand wehe tat und alle rechtlichen Verbindlichkeiten gewissenhaft erfüllte, die allgemeine Achtung, verbrauchte aber bei ihrer großen, dem Rufe nach an Geiz grenzenden Sparsamkeit nicht alle Einkünfte, so daß ihr Vermögen im Verlauf der Jahre noch anwuchs. Sie galt für sehr reich.
Man konnte sie, wie auch die spätere Untersuchung ergab, nicht für eigentlich schwachsinnig erklären; aber das Alter, die Zurückgezogenheit von der Welt, hatten sie, die immer beschränkten Verstandes war, schwach gemacht. Während sie mißtrauisch war gegen ihre nächsten Verwandten, deren Aufmerksamkeiten und Liebesbeweise erwartend und doch gelegentlich darin nur Zeichen einer klugen Berechnung und Spekulation auf die Erblasserin fürchtend, immer gekränkt in ihrem Selbstgefühl, konnte sie ohne Ahnung von den Ränken und Listen, die in der Welt vorkommen, ihr Vertrauen fremden Personen zuwenden, die sie nicht kannte und daher auch nicht fürchtete.
Pauline Henriette Wilke war der Niemann seit ihrer Geburt gut bekannt. Sie war die Tochter des Hausdieners einer nahen Verwandten. Die Niemann hatte bei ihr Patenstelle vertreten und sich schon früh für das Kind interessiert, besonders als eine andere Dame, die sich ihrer Erziehung aus Mitleid angenommen hatte, die Niemann auf dem Totenbett gebeten hatte, nun ferner die Sorge für das Mädchen zu übernehmen.
Pauline war auch wirklich nach dem Tode der Madame Sanderath bei der Niemann aufgenommen worden, bis sich eine Stellung für sie als Kindermädchen in einer reichen Bankiersfamilie in Berlin fand. Das freundschaftliche Verhältnis änderte sich auch jetzt nicht, vielmehr erzählte Pauline der alten Dame alles, was sie erlebte, von den Herrschaften in dem reichen Hause, den Spazierfahrten, die sie mit der Familie machte, und manchen interessanten und vornehmen Bekanntschaften.
Pauline hatte auch die Fürstin Radziwill kennengelernt. Diese Prinzessin, aus königlichem Geblüt, war wegen ihrer Leutseligkeit, ihrer Bildung und ihres Wohltätigkeitssinnes bekannt; daß sie sich einer jungen, angenehmen Waise annahm, hatte nichts Auffälliges; sie hat sich vieler angenommen, für deren Erziehung und Fortkommen Sorge getragen.
Die Fürstin hatte Pauline auf deren Bitte ganz in ihren Schutz genommen, um ihr bei einer auf Staatskosten zu errichtenden Schulanstalt eine Stellung zu verschaffen. Hierzu aber war, gab Pauline vor, ein gewisser Fonds erforderlich.
Die Niemann, um das Glück Paulines zu begründen, gab 500 Taler, die diese mit Dank annahm, um sie der Fürstin zu überbringen.
Das innige Verhältnis zwischen der Patin und dem Patenkinde wuchs dadurch. Voll Dankbarkeit besuchte Pauline ihre Wohltäterin nur noch öfter, sprach mit Lebhaftigkeit über die Schule, daß sie auf Veranstaltung des Finanzministers Maaßen jetzt examiniert worden sei, daß man sich über ihre Fähigkeiten gewundert hätte, daß ihre Anstellung unzweifelhaft sei, die Fürstin Radziwill aber gewünscht habe, daß Pauline noch etwas reise, um sich zuvor auszubilden.
*
Pauline reiste auch wirklich fort, und während ihrer Abwesenheit in Hamburg empfing die Niemann einen ersten eigenhändigen Brief von der Prinzessin Radziwill. Da die Korrespondenz zwischen der Fürstin und der alten Dame später sehr lebhaft wurde, können wir nur einige dieser charakteristischen Briefe mitteilen, halten es aber doch für angemessen, diesen ersten, soweit er sich aus den von Staub und Alter angefressenen Aktenstücken herstellen läßt, ganz mitzuteilen.
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»Wertgeschätzte Mademoiselle Niemann.
Erlauben Sie, daß ich Sie so nennen darf, denn ein Vertrauen verdient das andere. Ich wollte Ihnen nur zu wissen tun, daß die Sachen der Schulübernahme, unserer guten Jettchen betreffend, jetzt ganz in Ordnung sind und daß Sie, gute Mademoiselle Niemann, die Sparkassenbücher sowie die 100 Taler vom Schuldepositorium am 1. Oktober eigenhändig werden ausgeliefert bekommen. Empfangen Sie meinen, des Schulrats und der Stadt allerherzlichsten Dank; denn durch Ihre große Güte, liebe Mademoiselle, haben wir etwas Großes zustande gebracht. Das Mädchen hat einen außerordentlichen gescheiten Kopf, hellen Verstand, so daß man bedauern muß, daß es kein Mann ist. Was besser für König und Vaterland wäre!
Unser gutes Jettchen befindet sich jetzt in Hamburg bei Herrn Humbert; indes wir erwarten sie alle Tage zurück. Wir haben nämlich die 500 Taler zum Schulfonds bestimmt, allein es haben sich doch noch einige Ausgaben eingefunden, mit denen wir nicht gerechnet hatten, so daß uns jetzt noch 250 Taler übriggeblieben sind; der König, der mit dieser unserer Unternehmung außerordentlich zufrieden ist und den Unternehmungsgeist des jungen unschuldigen Kindes bewundert und anstaunt, wünscht aber, daß der Fonds um 400 Taler vermehrt werden möchte, so daß er doch aus 650 Talern bestehe; der König erbietet sich, alle halbe Jahre sechs Prozent zu erstatten, damit diese Summe so bald als möglich abgetragen werden kann: So werde ich nun von Sr. Majestät, unserm gnädigen Könige, beauftragt, Sie, beste Mademoiselle, zu fragen, ob Sie bereit wären, dem Staate zu diesem Unternehmen auch diese Summe noch auszuzahlen. Der König bewundert Ihre Liebe und Güte und beauftragt mich, Ihnen zu sagen, daß er gern höchstselbst Sie mit einem eigenhändigen Schreiben beehrt haben würde, wenn sich Se. Majestät nicht in Teplitz befänden. Der Herr Justizminister Maaßen«Es ist stark, daß die Fürstin Radziwill nicht einmal den Justiz- vom Finanzminister zu unterscheiden weiß! – W. A. »wird Ihnen im Namen Sr. Majestät des Königs so bald als möglich seine Aufwartung machen, weil der König wünscht, daß diese Sache nur durch Sie, gute Mademoiselle Niemann, durch mich, durch ...« (Name, der nicht zu lesen ist) »und durch ihn abgemacht werden soll, weil es dann eine königliche Schule ist und nicht allein dem Staate, sondern auch der jungen Unternehmerin einen unberechenbaren Nutzen einbringen kann. So habe ich nun den Antrag Sr. Majestät an Sie, beste Mademoiselle, ausgerichtet und hoffe im Vertrauen zu Gott und Ihrer Liebe, daß das Unternehmen gesegnet sein möge. Sie erwarten Ihr Jettchen ganz gewiß, ihr erster Gang ist dann zu Ihnen (?); sowie sie aus dem Postwagen steigt, fährt sie nach Charlottenburg, bitte, aber ihr nichts vom Könige zu sagen, der König will durch ein eigenhändiges Schreiben überraschen, zeigen Sie ihr auch nicht diesen Brief, sondern sagen ihr, ich wäre bei Ihnen gewesen und hätte mit Ihnen darüber gesprochen. Wollen Sie nun gütigst des Königs Bitte erfüllen, so schreiben Sie gefälligst an Minister Maaßen ein paar Zeilen, siegeln Sie die Staatsschuldscheine gut zu, und geben Sie beides der Jettchen, und sagen Sie ihr, daß sie dies gleich zum Minister Maaßen bringt...« (eine unleserliche Zeile), »denn wohl, gute Mademoiselle Niemann, der Himmel segne Sie, ich werde nächstens so frei sein und Sie besuchen. Jettchen soll mich den Tag zuvor bei Ihnen anmelden.
Louise
Fürstin Radziwill
Königl. Hoheit«
Wie hätte die alte, gerührte Dame einer fürstlichen Bitte, vorgetragen in einem mehr als leutseligen Briefe, widerstehen können! Ihr Herz war erweicht, ein Acker, fruchtbar gemacht für weitere Aussaat. Sie tat, um was sie gebeten war, schrieb an den Minister Maaßen, siegelte die 400 Taler ein und händigte ihrem Jettchen, das zur rechten Zeit kam, den Brief ein.
Bald darauf erhielt sie durch deren Vermittlung auf einem 15-Silbergroschen-Stempelbogen folgende Quittung:
»Ein Königlich-Preußisches Schuldepositorio bescheinigt hiermit, daß es von Demoiselle Henriette Niemann aus Charlottenburg 900 Taler in Staatsschuldscheinen gegen 12 Prozent Zinsen jährlich geliehen bekommen hat.
Berlin, den 9. August 1834
Ein Königl.-Preuß. Schuldepositorium
Unterschrift der Schulvorsteherin
H. L. P. Wilke
Maaßen
Staatsminister«
*
Wenn noch ein Zweifel in der alten Dame gewesen wäre, mußte ihn ein solches Dokument vollständig beseitigt haben. Es war auf einem Stempelbogen, der Name eines Ministers stand darunter, ihr Jettchen hatte es schon als Schulvorsteherin mit unterzeichnen müssen, und ihr waren 12 Prozent Zinsen versprochen.
Aber Pauline oder Jettchen, so wurde sie gewöhnlich genannt, mußte sich weiter ausbilden, sie mußte weiter reisen. Eine Gräfin Osten-Sacken, eine spezielle Freundin der Fürstin Radziwill, nahm sie mit nach Frankreich und England. Doch kehrte sie schon Anfang Oktober 1834 zurück, nachdem sie ihrer Patin von Hamburg aus geschrieben hatte, daß sie auf einem Schiffe in der Nähe dieser Stadt die Bekanntschaft des Grafen Villamor gemacht und sich mit ihm verlobt habe.
Ihre Erzählungen bei der Rückkehr flossen über von Seligkeit und Entzücken. Wie reich hatte der großmütige Graf sie beschenkt; von seinem Gelde konnte sie eine eigene Wohnung mieten, eine bessere Einrichtung sich beschaffen. In einem halben Jahr wollte er sie abholen. Die Fürstin Radziwill hatte sich dahin geäußert, daß dem König der Graf Villamor bekannt sei. Aus der Schule dürfte nun wohl nichts werden.
Pauline Wilke fuhr nun häufig zur Fürstin Radziwill, wo sie auch die Bekanntschaft des Königs Friedrich Wilhelm III. machte, eine für sie und die alte Niemann höchst einflußreiche Bekanntschaft. Zuvor müssen wir jedoch die mit der Fürstin Radziwill noch näher ins Auge fassen. Die alte Dame war ohne ihr Wissen und Willen in eine Korrespondenz mit der edlen Fürstin geraten, die, immer inniger werdend, endlich in eine Art von Freundschaftsbund zwischen beiden, die sich nur aus ihren Briefen kannten, mündete.
Die Briefe der Fürstin atmeten sämtlich eine Güte und Herzlichkeit, wie sie auch in Romanen selten vorkommt, aber auch hier und da ihre reellen Zwecke hat.
So heißt es in dem einen: »Meine gute, liebe Niemann, allemal freue ich mich, wenn mein Paulinchen mir einen Brief von Ihnen bringt. Aber, gute Niemann, warum sagen Sie mir so vielen Dank für das, was ich an Sie zu tun schuldig bin, waren Sie denn nicht gegen mich so liebevoll und freundschaftlich! Das werde ich Ihnen nie vergelten können.« Die Prinzessin verspricht ihr dafür nächstens Moiré zum Sofaüberzug. Zum Schluß aber bittet sie, wenn die Niemann Pfandbriefe von verschiedenen kleinen Summen habe, ihr dieselben zu schicken, sie werde ihr dafür andere zum Silberbetrage durch Fräulein von Langen, ihre Hofdame, zurückschicken. »Fräulein von Langen möchte Sie so gern einmal sprechen.«
Die Prinzessin schüttete aber auch ihr Herz vertrauensvoll gegen die neue Freundin aus, sie machte sie zur Mitwisserin ihres Kummers.
*
»Meine gute, liebe Mamsell Niemann, wie konnte ich es wohl länger anstehen lassen, Ihnen zu sagen, was für ein freundschaftliches Gefühl ich für Sie beste Seele in meinem Herzen trage! Sie nehmen an all meinen Schicksalen einen so innigen, so ungeheuchelten Anteil, und ich sollte Ihnen meine Dankbarkeit dafür nicht an den Tag legen? Gerne wäre ich schon zu Ihnen gekommen, meine Beste, um an Ihrer Seite, an Ihrem teilnehmenden Herzen meinen Kummer auszuschütten, allein meine Umstände wollen es mir nicht erlauben, auch eine Fürstin kann sich in eine traurige Lage versetzt sehen, in einer solchen Lage, die sie niemandem beschreiben darf, sondern ausharren muß, bis Gott sie ändert! – Unser Jettchen ist eine glückliche Braut! Wohl ihr, sie verdient es, glücklich zu sein, sie ist ohne Falsch und ein gutes Kind, die kleinen Faseleien habe ich von Herzen verziehen! Jetzt, meine liebe Freundin, will ich Ihnen Lebewohl sagen, bald werde ich einmal bei Ihnen sein, leider ohne mein Kind. Schreiben Sie mir ein Briefchen, und schicken Sie's mir durch das gute Jettchen, nicht mit der Post, indem ich die Briefe von der Post nicht selbst öffne; ich erwarte ihn mit Sehnsucht, könnte ich Sie doch nur erst sprechen; ich fuhr eines Tages vorbei und sah Sie mit einigen Damen vor der Tür stehen, ich wäre gern ausgestiegen, aber ich wollte Sie nicht stören, indes ich habe keine Ruhe, bald werde ich bei Ihnen sein und mir Ihre Freundschaft ausbitten.
Noch einmal leben Sie wohl, meine gute Mamsell Niemann, und erfreuen Sie bald mit einem Brief Ihre Sie aufrichtig liebende Freundin
Louise de Radziwill«.
*
Über diesen seltsamen Brief mit der deutungsvollen Stelle: »Auch eine Fürstin kann sich in eine traurige Lage versetzt sehen« gab Pauline der alten Dame auf deren Befragen eine für die Niemann allerdings zuerst überraschende Aufklärung: Die Fürstin liege mit ihrem Bruder, dem wohlbekannten Prinzen August, in einem Prozesse wegen Brillanten. Deshalb befinde sie sich in Geldverlegenheiten und brauche gerade 700 Taler, die sie nirgends auftreiben könne, wenn die Niemann ihr dieselben nicht verschaffen wolle.
Daß die edle Fürstin in einer solchen Lage sich befand, geht auch aus anderen Briefen an ihre Freundin hervor, die, beiläufig gesagt, wie die meisten Damenbriefe ohne Datum sind. In dem einen heißt es: »Daß Sie betrübt sind, liebe Gute, kann ich mir sehr gut denken und es Ihnen nicht verargen, denn es geht mir ebenso, ich muß mir das Meinige erbetteln und habe es vor Weihnachten nicht zu erwarten. Ich möchte gern reisen, auch hierzu weigert der Eigensinn des Monarchen, mir zu zahlen.«
Die gute Niemann half der Prinzessin aus ihrer Not, indem sie ihr 700 Taler durch die Wilke übersandte, und es war dies nicht das letzte Mal. Die Korrespondenz zwischen beiden drehte sich von nun an um die drückenden Verhältnisse der Fürstin, um ihre Dankbarkeit, um ihre Geschenke, die sie der Niemann sandte, um ihre Wünsche, die edle Dame doch endlich einmal persönlich zu sehen, Wünsche, deren Realisierung aber immer etwas in den Weg trat.
Da heißt es denn: »Von der Dankbarkeit Ihres Herzens bin ich fest überzeugt, und es tut mir weh, wenn Sie mir danken für das, was ich Ihnen zu geben schuldig bin. Die Reihe zu danken ist an mir.« – Die Prinzessin »nimmt sich die Freiheit«, der Niemann etwas von ihrem Weihnachtstische zu schicken. Dann heißt es im Briefe weiter: »Auch war ich so frei, für Sie, meine Gute, Tibet zu kaufen zu einem Oberrock, allein Jettchen ist so eigensinnig, dieses Zeug nicht mitzunehmen, denn sie sagt, Sie möchten sonst glauben, sie hätte mir gesagt, dieses Zeug für Sie zu kaufen, was doch der Fall nicht ist. Ich bin auf Jettchen entsetzlich böse, denn ich will meinen Willen durchsetzen, sie soll es Ihnen übergeben. Was sagen Sie zu unserem guten Monarchen, er meint es so gut mit Ihnen und spricht so gern von Ihnen, er hat Ihrem Herrn Bruder, den Bergkommissarius, den Sie am liebsten haben, die Sache anvertraut, bittet aber Jettchen, nicht zu sagen, daß ich Ihnen dies geschrieben. Denn sie ist mit dem König sehr vertraut, was mir sehr viel Freude macht. Ende Mai wird der Graf Villamor hier sein, er wird sie überraschen, meine Freude ist groß.
Was mögen Sie von mir denken, meine gute Niemann, so oft habe ich versprochen, Sie zu besuchen oder Sie zu mir kommen zu lassen, indes der passende Augenblick war immer noch nicht da, doch bald wird er erscheinen. Dann wollen wir manches Stündchen uns von den Bildern der Vergangenheit erzählen, die noch so lebhaft vor Augen stehen. Nur meine Elise fehlt dann. Bitte Paulinchen den Kopf waschen, schicken Sie mir bald eine Antwort durch das liebe Mädchen.«
Es hatte nicht an mancherlei Störungen dieses schönen Verhältnisses von außen gefehlt. Nicht, daß die Familie der alten Dame von deren Verbindung mit der Fürstin Radziwill oder der späteren mit dem Monarchen mehr als dunkle Andeutungen erfuhr; aber das immer engere Zusammenhalten ihrer Schwester und Tante mit Pauline Wilke hatte dem Bruder und den Nichten Besorgnis eingeflößt. Es fehlte nicht an Winken, Warnungen, Reibungen. Die Nichten konnten es nicht verbergen, daß Paulinens Anwesenheit bei der Tante sie in Unruhe versetzte, die von Pauline ihnen übersandten kleinen Geschenke waren ihnen ein Ärgernis, es gab Verstimmungen, Reibungen.
Wie unglücklich die gütige Prinzessin war, daß immer Hindernisse einer persönlichen Zusammenkunft zwischen ihr und der alten Dame in den Weg treten mußten, geht auch aus diesen Zeilen hervor: »Die Prinzessin der Niederlande wird heute erwartet, und da sind sämtliche Damen vom Hofe bestellt, selbige in ihrem Palais zu bewillkommnen. Sie, gute Niemann, werden mir die Freude machen, am Mittwoch ein Täßchen Kaffee bei mir zu trinken, und dabei soll uns niemand stören. Paulinchen weiß noch von gar nichts, bitte ihr auch ja nichts zu sagen, denn das liebe Kind würde sich gewiß grämen.«
Solche Briefe wurden dann durch andere Briefe erwidert, in denen die gute alte Dame nicht Worte genug für ihre gerührte Dankbarkeit und Beschämung zu finden wußte, wovon die Konzepte und auch die Originale sich ziemlich vollständig in den Akten wiederfinden.
»Gott legt den Menschen Prüfungen auf« (schreibt sie der Prinzessin, welche kurz vorher ihre Tochter verloren hatte – W. A.), »die wir mit Vertrauen zu ihm ertragen müssen, indem er die schöne Hoffnung des Wiederfindens in unsere Herzen gelegt hat, welches uns die Beruhigung gibt, daß sie für uns nicht verloren seien, sondern wir sie in einer besseren Heimat als verklärte Engel wieder begrüßen werden. Gott wolle Ew. Königl. Hoheit mütterliche Trauer auch darin lindern. Die Verwandlung mit Paulinens Schicksal war mir sehr überraschend, es soll mich freuen, wenn es zu ihrem Glück ist, oft ist es der äußere Glanz nicht; will nur wünschen, daß ihr Gegenstand recht gut mit ihr meint, es ist ein starker Entschluß von ihr, so weit in ein fremdes Land zu gehen, wo sie niemand kennt. Es scheint, daß sie zu etwas Außerordentlichem bestimmt ist; ich hätte gewünscht, daß sie sich Ew. Königl. Hoheit früher entdeckt hätte, da lediglich Höchstdieselben den Weg zu ihrem Glücke bereitet haben.«
Der Glaube in der alten Dame war übrigens erst durch Zeit und Umstände gewachsen. Zu Anfang schien es doch ihr selbst überraschend und kaum glaublich, daß ein so einfaches Mädchen wie ihre Pauline nicht allein Zutritt, sondern auch ein solches Vertrauen bei der Fürstin und in so kurzer Zeit sich erworben haben sollte. Während Paulines erster Reise nach Hamburg hatte sie deshalb mit der Post zwei Briefe an die hohe Dame gerichtet, in denen sie, dunkel auf die Verhältnisse anspielend, um eine Audienz bat. Das erste Mal wurde sie ihr abgeschlagen, weil die Fürstin krank sei, auf den zweiten erhielt sie unterm 10. November 1834 folgende Antwort von der Hofdame der Fürstin, Fräulein von Langen: »Ew. Wohlgeboren muß ich im Auftrag Ihrer Königl. Hoheit sagen, daß ihr leider der Brief, den Sie ihr geschrieben, ganz unverständlich ist. Die Prinzessin weiß nicht, wen Sie unter Jettchen verstehen, auch hat sie nichts erhalten, wie Sie es zu vermuten scheinen. Sie ersucht daher Ew. Wohlgeboren, ihr deutlicher auseinanderzusetzen, welcher Art Ihr Anliegen ist und wer Jettchen ist.«
Ein solches Schreiben hätte der Niemann vielleicht die Augen geöffnet, aber ehe sie es empfing, war Pauline von ihrer Reise zurückgekehrt. Sie kam plötzlich zu ihr in die Stube mit der Nachricht: Eben habe die Prinzessin Radziwill einen reitenden Jäger zu ihr geschickt und ihr sagen lassen, sie sei in hohem Grade darüber aufgebracht, daß die Niemann sich erdreiste, direkt durch die Post Briefe an sie zu schicken und in Briefen, die, wenn sie auf diesem Wege ankämen, auch durch andere Personen erbrochen würden, von ihren gegenseitigen Verhältnissen zu sprechen. Dadurch werde ein Geheimnis veröffentlicht, dessen gewissenhafte Bewahrung Sr. Majestät der König ausdrücklich verlangt habe. Sie, die Niemann, möge sich nicht wieder unterfangen, sei der ausdrückliche Befehl der hohen Frau, so wenig dem allerhöchsten Vertrauen des Königs zu entsprechen. Diesmal wolle sie noch diesen Schritt vergeben; die Fürstin habe sich aber nicht anders zu helfen gewußt, als zur Täuschung ihrer Umgebung ihre Verwunderung auszusprechen und ihr schreiben zu lassen, als wisse sie von dem ganzen Verhältnisse nichts.
Erst nach diesem Auftritte kam der Brief der Hofdame an. Nur wer ein Auge und Ohr in den geheimsten Zimmern der prinzlichen Hofhaltung hatte, konnte die Sendung des Briefes und seinen Inhalt vorauswissen. Durfte sie nun auch an der Wahrheit von allem, was Pauline ihr mitteilte, zweifeln? Und was wollten jetzt alle Warnungen, die verdeckter- oder offenerweise von ihren Nichten kamen, bedeuten? Was die Notiz, die im Brief einer dieser Nichten vorkommt: daß, als einer der Mißtrauischen sich beim Portier des Radziwillschen Palais nach den Besuchen Fräulein Wilkes bei der Fürstin erkundigt und gefragt habe, ob sie denn wirklich zu jeder Stunde aus und ein ginge, wie sie behaupte, dieser Portier halb verächtlich, halb entrüstet geantwortet habe: Wie man sich denken könne, daß eine solche Person bei seiner Fürstin Zutritt habe! – Alles dies war Verleumdung, schändliche Verleumdung, angestiftet von ihren nächsten Verwandten, die das Mädchen von ihr entfernen wollten. So hatte dieser eine von der Niemann selbständig gewagte Schritt, die Wahrheit zu erfahren, ihren Glauben nur noch gefestigt. Die hohe Verehrung, die sie für die Fürstin Radziwill hegte, die tiefste Ehrfurcht und Liebe, mit der ihr loyales Gemüt für den König erfüllt war, hielten sie von nun ab gefesselt und untersagten ihr, irgend etwas zu wagen, das bei diesen hohen Personen ein Mißfallen erregen könnte.
*
So stand Pauline Wilkes Verhältnis zur Fürstin Radziwill nach den Angaben der Niemann. Nicht so deutlich ist ihr Verhältnis zum Könige Friedrich Wilhelm III.
Die Wilke hatte den guten König bei der guten Fürstin Radziwill kennengelernt; er hatte ein Wohlgefallen an ihr gefunden; er hatte sie oft gesehen; sie war in seinem Palais gewesen und hatte fortwährend dort Zutritt; er interessierte sich für sie und ihren Schulplan; später für die Verlobung, die er billigte, für ihren Bräutigam, den Grafen Villamor, den er kannte, wenigstens dem Rufe nach; sie durfte ihn »Papa« nennen, eine vertrauliche Benennung, die der König dem allgemeinen Glauben nach gern von den jungen Mädchen, für die er sich interessierte, hörte, eben wie sie auch die Fürstin Radziwill nur »Mama« nannte.
Dies alles hatte die Niemann von Paulinen gehört, und sie durfte es glauben, denn es war nichts Unerhörtes, man hörte von solchen Dingen; es war vielmehr in der Ordnung, sobald Pauline wirklich das Glück gehabt hatte, dem Könige bekannt zu werden und ihm zu gefallen, sei es durch ihre Anmut, Frische, Natürlichkeit. Der König wollte in diesen Kreisen nichts Gelehrtes, Geistreiches, Vornehmes; der Zauber der Natur, des gesunden Menschenverstandes, der Schalkheit, der Herzensgüte zog ihn an. Wer ihn so gewonnen hatte, für den mochte er sich bis in die Details seines Familienlebens zu interessieren, wie wir es in den Briefen der Fürstin Radziwill sehen.
Nachdem die Niemann schon sehr viel Geld zu verschiedenen Malen hergegeben hatte, um den neuen Schulfonds zu dotieren, wurde sie zu Opfern für noch größere Dinge gewürdigt. Pauline Wilke wußte vom Könige, daß es seine Absicht sei, ein Kapital von einigen seiner Untertanen aufzunehmen, um die sonst nötige Erhöhung der Abgaben zu vermeiden, und erklärte der Niemann, daß Seine Majestät von ihrem bekannten loyalen Charakter erwarte, daß sie sich daran beteiligen werde. Fast zur selben Zeit empfing sie auch folgende Kabinettsorder:
»Wir von Gottes Gnaden
Friedrich Wilhelm III., König von Preußen, tun der Mlle. Ch. Niemann hierdurch kund und zu wissen, daß Wir ihr für so viele Uns in treuer Freundschaft geleistete Dienste wieder einen Freundschaftsdienst erzeigen wollen. Wir haben nämlich beschlossen, Ihnen die Abgaben, die Sie auf Ihrem Grundstück und Äckern erlegen möchten, abzulassen, und Sie werden denn daher solcher vom 1. Januar 1834 enthoben und hierüber vom Polizeipräsidenten Gerlach eine Bescheinigung erhalten. Bitte aber bis dahin niemandem von dieser Sache, sei es auch den nächsten Blutsverwandten, etwas wissen zu lassen. Unsere kleine Gesandte wird Ihnen wiederum eine dringende Bitte von Uns ans Herz legen, die Wir nicht gern zu Papier bringen möchten. Leben Sie wohl und noch lange zum Wohl meiner Untertanen.
Ich versichere Ihr
in Freundschaft Ihr
Friedrich Wilhelm«
*
Die mündliche Bitte betraf ein Darlehen. Unterwürfig übergab die sich hochgeehrt fühlende Niemann ein Kapital aus ihren Staatsschuldscheinen an die »kleine Gesandtin«, um es dem Könige zu übergeben.
Aber der König brauchte immer mehr Geld. Nachdem die Niemann ihre Staatsschuldscheine fortgegeben hatte, kamen ihre Pfandbriefe an die Reihe, und als auch diese zu Ende waren; wurde sie bewogen, auf ihr Haus in Charlottenburg zuerst 4000, dann noch 3000 Taler aufzunehmen – wahrscheinlich über den Wert des Hauses, alles für ihren König.
Sie oder Pauline Wilke empfing darüber gegen zwölf Briefe des Königs oder Kabinettsschreiben, alle eigenhändig – denn von diesem Geheimnis durfte niemand wissen –, und sie sind interessant genug, wenn nicht für die Geschichte des verewigten Monarchen, doch für die Geschichte der Zeit.
»Unserer lieben treuen Niemann
Unser herzliches Willkommen!
Zuerst Unserer guten Niemann Unseren herzlichen Dank für die 3 000 Taler, die richtig in Unsere Hände gekommen sind; nicht im Stande sind Wir, Euch diese Gefälligkeit zu lohnen, wie sich's gehöret. Euch aber nach Euer Verdienst zu lohnen, schwöre ich, beteuern Wir Euch hiermit. Im Vertrauen auf Eure unbegrenzte Liebe und Gefälligkeit wagen Wir noch eine Bitte: Wäre es Euch wohl möglich, Uns Euer Kapital noch bis zum ersten Januar in Händen zu lassen, worauf Wir Euch bei der Wiederkehr von Fräulein Pauline Wilke in vier Wochen l000 Taler auszahlen werden. Die Schulden der Elberfelder Feuerkasse haben die Gebrüder Rothschild unternommen zu decken. Der Kassenschaden darf nicht publiziert werden, d. h. müssen Wir Gelder aufnehmen, so fordern Wir denn auch das Kapital der Fürstin Radziwill. Erhalten zu ebendiesem Zweck. Willigen Sie ein, Unsere gute Niemann, so lassen Sie es Uns bald durch wenige Zeilen wissen. Wir gehen nach Kalisch. Werden aber nur kurze Zeit dort sein. Wir bitten Euch aber, auch hierin wie schon in den anderen Angelegenheiten, die größte Verschwiegenheit zu beobachten, besonders gegen Eure Verwandte. Lebt wohl, gute Getreue, zürnt uns nicht, bei Unserer Rückkehr sprechen Wir Euch persönlich Unseren schuldigen Dank aus, noch einmal lebt wohl, behaltet in gutem Andenken Euren Euch wohlgewogenen
König
Friedrich Wilhelm
Bewahret diesen Brief als Sicherheit, als Pfand Eures Vermögens von 16 000 Taler (in Unsern Händen), so auch die 3000, die Ihr auf Euer Grundstück aufgenommen.«
*
»Unserer treuen, vielgeliebten Niemann
Unseren herzlichen herzlichen Gruß!
Wir freuen Uns herzlich zu hören, daß es Euch, Unsere gute Niemann, besser geht, und daher sind Wir gesonnen, Euch am Freitag oder Sonnabend auszuzahlen, und zwar auf Unserem Palais zu Berlin. Wir würden es eher getan haben, wäre Uns nicht ein treuer Freund abberufen worden, was Uns in tiefste Trauer versetzt hat. Gute Niemann, die Zinsen von Eurem Kapital wollen Wir Euch gern in Staatsschuldscheinen auszahlen, es fehlen Uns deren, haben Sie doch die Güte, Ihren Bruder darum durch ein Paar Zeilen ersuchen zu lassen, weil er selbst Uns gesagt, daß er welche hat, wenn Not am Mann sein sollte. Pauline wird Ihnen sagen, wie Sie es anfangen sollen, da Wir sie gestern schon durch der Fürstin Radziwill Königl. Hoheit davon in Kenntnis haben setzen lassen.
Lebt wohl, ich erwarte Euch Freitag!
Euer wohlgeneigter
König
Friedrich Wilhelm«
*
»Gott grüß Euch, liebe gute getreue Niemann! Unzählige Male haben Wir schon gewünscht, Euch kennenzulernen und Euch bei uns zu sehen! Was werdet Ihr von Uns denken, gute Niemann. Sie halten Uns für keinen gerechten Monarchen, doch Gott sei bei Uns, am Montag sollt Ihr es erfahren, daß Wir dennoch Einer sind. Montag Nachmittag, gute liebe Niemann, fahret hin zu unserer Cousine, der Frau Fürstin de Radziwill, trinkt dort Kaffee und kommt von da zu Uns mit Pauline. Die Fürstin ist auf Euren Besuch eingerichtet. Colmann könnt Ihr nicht eher kündigen als am 1. April, so ist es gerichtlich ausgemacht. Der Hermann dort ist eher ausgezahlt worden als am Mittwoch oder Donnerstag. Am Dienstag kommen Sie noch einmal zu mir, und zwar mit Ihrem Herrn Bruder, mit welchem ich sehr unzufrieden bin. Dafür zufriedener mit Sie. Eine zweite Niemann gibt es nicht, auch bringen Sie morgen Ihre Hausjungfer mit. Bitte aber, sich übermorgen gegen 5 Uhr bei Uns einzufinden, nicht später. Übermorgen werde ich Euch einen Brief, einen sogenannten Abbitte-Brief, Eures Herrn Bruders überreichen. Ihr werdet bestimmt alles von ihm wissen, wie er sich gegen Uns benommen, und gewiß werden Wir dann Eure Verzeihung schon erhalten haben.
In ... sehen wir uns.
Euer Euch wohlgewogener
König
Friedrich Wilhelm«
*
»Unseren herzlichsten Gruß und die innigsten Wünsche für Dero dauernde Gesundheit zuvor. Wohl haben Sie Ursache, gute treue Niemann, bös und zornig auf Uns zu sein, doch Gott sei mein Zeuge, daß Wir nie schlechte Absichten zum Grunde hatten.
Leider müssen Wir noch einmal, aber zum letzten Mal, aufschieben. Sonnabend Nachmittag, eher kann ich Sie nicht sehen; hielten Wir dann nicht Wort, dann sind Wir nicht würdig, von der Erde getragen zu werden. Sie haben viel, ja sehr viel für Uns getan und gewirkt, nie können Wir Dank genug für Sie haben, doch wie als Mensch Wir danken können, werden Wir Ihnen danken, dazu möge Gott Uns helfen. Nun bitten Wir herzlich, Pauline keine Vorwürfe zu machen. Es ist nicht ihre Schuld. Das Nähere wird sie Ihnen erzählen. Sie weiß alles. Sie wird alles in Ordnung bringen. Halten Sie Uns immerhin für ungerecht. Wir sind überzeugt, daß Sie am Sonnabend Ihr strenges Urteil über das zurücknehmen. Viel Ärger und Verdruß haben Wir durch Ihren Herrn Bruder gehabt, besonders bei der Aufnahme von 1000 Talern ... den Gott möge selig haben. Noch einmal, treue Niemann, sein Sie Uns nicht böse, ich bitte Sie darum; zürnen Sie nicht Ihrem
Ihnen wohlgeneigten
König
Friedrich Wilhelm«
*
»Unsere gute Niemann!
Ihren Pfandbrief von 8000 Talern haben Wir richtig empfangen, auch dabei versprochen, Ihnen Staatsschuldscheine dagegen zu schicken, doch Wir ließen Ihnen am Donnerstag sagen, Uns noch einen desgleichen von 1000 Talern zu übersenden. Sie sollen dann am Sonnabend zu Uns kommen und das Ihrige in Empfang nehmen. Durch Paulinchens Ungehorsam aber hat sich die Sache wieder verzögert. Wir sind ob diesem Ungehorsam sehr erzürnt. Lassen Sie sich dies genauer erklären und erteilen Uns dann genauen Bescheid hierüber, was der Sache zum Grunde liegt. Wir haben bis jetzt väterlich gehandelt und werden nie aufhören, es fernerhin zu tun
Euer wohlgewogener
König
Friedrich Wilhelm«
*
»Berlin, den 21. Dezember
Unserer vielgetreuen Niemann versichern Wir hiermit Unsere Liebe und Wohlwollen! Zu Unserem Bedauern haben Wir gehört, daß Ihnen die Fahrt nach Berlin ein Unwohlsein zugezogen hat. Gott gebe, daß es bald beendet ist. Wir wollen Euch hierdurch bekunden, daß Wir gesonnen sind, Euch nicht allein dies der Jettchen geliehene Kapital in Staatsschuldscheinen zurückzuliefern, sondern auch das der Fürstin und Uns geliehene. Da aber jetzt die neuen Kupons zu Wege gebracht werden müssen, so sind Wir entschlossen, Euch diese noch zu besorgen, da dies doch für Euch viele Umstände verursachen würde. Zu den übrigen Staatsschuldscheinen, die Ihr noch habt, werden Wir das noch hinzuschicken, damit der kleine Bankier nur abschreiben darf. Bitte, meine treue Niemann, Uns in ein paar Zeilen zu schreiben, ob Unser Wille Euch gefällt. Zu Mittwoch bitten Wir Uns ein Schreiben von Euch durch Unsere kleine Schatzmeisterin aus.
Gott erhalte Euch und schenke Euch frohe und zufriedene Festtage, und fangt mit einem ebensolchen Herzen das neue Jahr an, dies ist der aufrichtige Wunsch Eures Euch wohlgewogenen
Königs
Friedrich Wilhelm«.
*
Auch der König hatte in dieser Korrespondenz die unglückliche Angewohnheit der Damen, seine Briefe selten zu datieren, so daß wir nicht gewiß sind, ob sie in der historischen Reihe aufeinanderfolgen. Wenn auch mehreres in diesen Kabinettsschreiben undeutlich ist, so spricht doch der Gesamtinhalt deutlich genug. Der König ist wie die Fürstin Radziwill mit allem, was in dem Hause der alten Dame vorgeht, vertraut, er kennt alle Klatschgeschichten, den Zwiespalt der Familie, auch er warnt vor den Verwandten, er kennt die einzelnen Gläubiger und Schuldner der Niemann, er gibt ihr guten Rat, wie sie mit ihnen verfahren soll, er scherzt unmutig über die kleinen Unarten der liebenswürdigen Abgesandten, er schreibt mit derselben holdseligen Popularität und ist endlich ebenso dienstfertig und ebenso in Geldbedrängnissen wie die Fürstin Radziwill.
Die Niemann war jetzt ohne alles Disponible, ja eigentlich ohne alles Vermögen und erhielt nicht einmal Zinsen, weil immer etwas dazwischenkam, wenn der König ihr die Papiere zurückerstatten wollte. Jetzt sollte sie es erhalten, ehe der König nach Teplitz ginge, dann, wenn er zurückkehrte; dann hinderte der Besuch in Kalisch, schließlich sollte sie es zum 1. Januar 1836 haben. Sie drang nun auf Rückzahlung, mehrmals, auch recht kurz und dringend. Wir lesen, wie der König sich selbst für einen unwürdigen König erklärte, wenn er es nicht wiedergäbe; aber die Schuld war zu schwer für ihn, er konnte nur vertrösten.
Endlich erhielt die Niemann vom Könige durch die Wilke eine verschlossene Mappe mit dem dazugehörigen Schlüssel, in der sich ihr Geld in Papieren befinden sollte. Aber zugleich wurde Sie angewiesen, sich ja nicht zu unterstehen, die Mappe zu öffnen, bevor der König selbst ihr den Zeitpunkt angegeben habe. Er werde deshalb den Kammergerichtsrat Ballhorn zu ihr schicken, aber der Kammergerichtsrat Ballhorn wurde krank, und so verzögerte sich auch der ersehnte Zeitpunkt von Woche zu Woche.
Demoiselle Niemann war stark in ihrem Vertrauen und nicht von weiblicher Neugier geplagt wie König Blaubarts Frauen. Obgleich sie den Schlüssel in Verwahrung hatte, obgleich die Wilke ihr gesagt habe, sie werde sich überrascht finden, wenn sie die Mappe öffne, denn der König habe sie königlich für ihr Vertrauen belohnt, und anstatt der 19 000 Taler, die sie im ganzen dem Staate geliehen habe, werde sie gegen 50 000 Taler in Papieren finden, widerstand sie der Versuchung und öffnete nicht.
Der Luxus und Aufwand, den die Wilke trieb, stach sehr auffällig von dem bescheidenen Haushalt der alten Dame ab, aber dies konnte das Band der Eintracht zwischen beiden nicht stören. Die Niemann war so durch das Glück bezaubert, welches ihren Liebling hob und trug, daß sie auch ihrerseits alles tat, ihr das Leben angenehm zu machen, denn sie glaubte, dadurch nur ihrem König gefällig zu sein. Nicht allein mit ihrer Familie hatte sie sich deshalb überworfen, sondern sie söhnte auch aus, wo es zwischen ihrer jungen Freundin und der Familie ihrer Gesellschafterin Zwist gab.
Es kam ihr nie in den Sinn, daß Pauline ihren Aufwand mit ihrem Gelde bestreite. Sie war mit allem zufrieden, sie glaubte alles, was Pauline ihr sagte, sie folgte ihr in unterwürfiger Befangenheit in ihren wechselnden Angaben über den Quell ihres Vermögens. Anfänglich glaubte sie, daß ihr Geld von den Geschenken des Grafen Villamor herrühre, auch von einem Lotteriegewinn, den Pauline in Hamburg gemacht haben wollte; später hatte sie es von »Mama«, dann von »Papa« erhalten.
Dies war auch nötig, denn mit einem Male schienen die Heiratspläne mit dem Grafen Villamor in den Hintergrund zu treten. Er zögerte vielleicht zu lange, Brasilien war ihr zu fern, und sie hatte einen neuen Bräutigam, einen Adjutanten des Königs, Grafen von Witzleben, eine Partie, mit der der König anfänglich sehr zufrieden war. Sie blieb ja im Lande und in seiner Nähe. Sie hatte schon kostbare Ringe mit ihm gewechselt, die sie der alten Dame zeigte.
Nur die Fürstin Radziwill war, wie aus einem ihrer Briefe zu ersehen, mit der Partie nicht einverstanden. Es heißt darin: »In Paulinchens Verlobung willige ich nicht ein, wie Sie schon wissen werden. Der Herr Graf von Witzleben ist...«Der Grund am Rande des Papiers ist hier abgerissen – W. A. »Ich habe einen Besseren für Paulinchen. Tun Sie mir den Gefallen und verwahren den Ring noch acht Wochen.« – Späterhin ging die Partie auseinander, weil der Graf von Witzleben sich eines Hochverrats schuldig gemacht hatte!
Die Niemann glaubte alles: auch daß ihr König, der bekanntlich in seinen Privatfinanzen stets sehr wohl arrangiert war, immerfort Geld bedurfte, daß er es, um der Elberfelder Assekuranzkasse beizuspringen, nötig habe, eine Privatperson anzusprechen, daß er nie sein Wort halten konnte, das Geliehene zurückzuerstatten, daß es ihm nicht einmal möglich war, die Zinsen aufzubringen. Ja, sie glaubte, als sie wenigstens auf die Zinszahlung heftig drang, daß Pauline ein Recht habe, was ihr streng untersagt war; denn Pauline öffnete jetzt mit dem Schlüssel die geheimnisvolle Mappe und nahm ein Papier, angeblich im Werte von 1000 Talern, heraus, um es zu Bargeld zu machen, und sie blieb auch bei diesem Glauben, als es aus diesem Umtausch und der Zinszahlung nichts wurde.
Während die alte Dame schon die Entziehung ihrer Einkünfte schmerzlich zu empfinden anfing, fuhr das Glückskind mit vier Pferden Extrapost, einer Gesellschafterin und Bedienten in den böhmischen Bädern umher und machte Ausflüge nach Prag. Ihre Briefe atmen Seligkeit über das freie, wonnige Leben. Sie macht angesehene Bekanntschaften, sie sieht, besucht alles, kauft ein und genießt das Leben wie die sorgenfreieste Person von der Welt. Geschenke werden gekauft, Einrichtungen für ihre Wohnung bestellt. Der Melniker Wein schmeckt ihr besonders, sie will davon und eingemachte Forellen nach Berlin mitbringen, sonst aber nichts, ihre Verwandten und Freunde haben schon genug von ihr erhalten.
Dafür aber überschüttet sie mit Erzählungen, Klatschereien und Liebesversicherungen ihre teure Niemann. Wie nur ein liebenswürdiges, unschuldiges Mädchen, das zum ersten Mal auf Reisen ist, berichtet sie alles den Lieben nach Hause oder läßt es durch die Gesellschafterin schreiben. Noch das Geringste ist ihr von Wichtigkeit, sie erzählt die Sagen und Märchen des Karlsbader Tales, und wie sie von den anderen Glauben fordert, erscheint sie selbst gläubig. Man könnte an eine Romanschreiberin denken. Vornehme Bekanntschaften macht sie auch dort, die Tochter der Herzogin von Berry hat ihr Kußhände zugeworfen, wo sie sie nur erblickte, der und jener Prinz war erfreut, sie zu sehen, zu sprechen, und leider mußte sie nur Rücksichten nehmen, dem lieben »Papa« um den Hals zu fallen, der gerade in Teplitz war.
Die Geldbedrängnis des Königs wurde immer größer, das Geld immer knapper. Die dreiundsechzigjährige Magd der Niemann hatte ersparte 275 Taler Staatsschuldscheine in Verwahrung liegen bei ihrer Herrin. Befragt, ob auch sie diese dem Könige leihen wolle gegen gute Verzinsung und eine angemessene Belohnung, willigte sie gern ein. Eine Köchin sollte die Ehre haben, ihrem Könige Geld zu leihen und dabei noch gewinnen! Warum sollte sie das nicht wagen, was ihre Herrschaft mit solcher Bereitwilligkeit tat? Sie wurde in das Geheimnis mit dem Gelöbnis tiefster Verschwiegenheit gezogen. Zudem mußte sie der Wilke Geld borgen, etwa 30 Taler von ihren Ersparnissen. In der letzten Zeit borgte sie von ihrer Gesellschafterin, ihrem Bedienten, bei ihrer Verhaftung fand man nicht einen Taler bares Geld vor.
Inzwischen war die Angelegenheit mit dem Möbelhändler in Gang gekommen. Um Neujahr 1836 teilte Pauline ihrer mütterlichen Freundin mit, daß der König die Absicht habe, dem Möbelhändler Schröder ein Kapital von 8000 bis 10 000 Talern vorzuschießen, damit dieser imstande sei, die Ausstattung für den Prinzen von Hessen-Darmstadt vorzunehmen. Der König wolle dies nicht in eigenem Namen machen und wünsche, daß seine immer bereite Freundin, die Niemann, ihn vertrete. Die loyale Untertanin war auch wirklich dazu bereit, obgleich sie diesmal nicht einmal eine schriftliche Zeile vom König erhielt; sie war der festen Überzeugung, die Wilke sei der Mund des Monarchen.
Die weiteren Verhandlungen gingen so vor sich, wie sie nach den Angaben Schröders erzählt sind. Er konnte das Geld nicht bekommen, er mußte erst 500, dann noch zweimal 500 und endlich 100, in Summa 1600 Taler, vorschießen, damit der König seine versetzten Pfandbriefe einlösen könne! Davon war die Niemann fest überzeugt. Sie selbst empfing die ersten 1500 Taler aus Schröders Händen, quittierte darüber und übergab sie Paulinen, um sie dem Könige nach dem Palais zu überbringen. Daß dies wirklich geschähe, war für sie außer allem Zweifel. Aber der König löste nicht ein und zahlte nicht, und Schröder wurde mit seinem Drängen sehr unangenehm; ihr war es zur heiligen Pflicht gemacht worden, den wirklichen Kreditgeber nicht zu verraten.
Pauline vertröstete sie von Tag zu Tag, daß die Summe für Schröder nächstens vom Palais eingehen werde. Als indes die Ungeduld der unglücklichen Alten, die nicht allein die empfangenen 1600 Taler quittiert hatte, sondern auch das schriftlich versprochene Kapital immer größer wurde, sagte die Wilke, sie wolle ihrer Freundin helfen. Sie ließ sich die verschlossene Mappe des Königs geben – die doch nur der Kammergerichtsrat Ballhorn öffnen sollte –, schloß sie auf, nahm ein Paket heraus, das sie mit fünf Siegeln und der Aufschrift versah: »10 000 Taler in pommerschen Pfandbriefen für Herrn Schröder in Berlin.«
Dieses Paket, mit seinem Inhalt, von dem die Niemann fest überzeugt war, wurde dem Möbelhändler zuerst gezeigt, dann von der Wilke ausgehändigt und der Termin zur Öffnung bestimmt, der immer weiter hinausgerückt wurde, weil kein Geld kam.
Erst am 5. April, dem letzten Termin, kam die Wilke mit einer seltsamen Äußerung zur Niemann: Se. Majestät der König sei im höchsten Grade unwillig gewesen, daß sie, die Wilke, jenes Paket dem Schröder überliefert hätte. In diesem Paket befänden sich nämlich leere Papiere und nicht Pfandbriefe. Se. Majestät hatten beabsichtigt, künftig an die Stelle des leeren Papieres Staatsschuldscheine zu legen. Er wäre nun besorgt, daß sein Name beim Öffnen des Paketes kompromittiert werden könnte. Nun käme alles darauf an, den Schröder zu bewegen, daß er noch bis zum 9. April warte, bis dahin werde der König gewiß das Geld auftreiben.
Aber Schröder ließ sich ebensowenig bereden, wie die Niemann in ihrem festen Glauben erschüttert wurde. Schröder machte bei der Polizei, nachdem er noch einmal zu einem letzten Versuche nach Charlottenburg gekommen war und wenigstens ein letztes schriftliches Anerkenntnis des Schuldverhältnisses von der Niemann ertrotzt hatte, Anzeige – und das Ungewitter brach herein.
*
Der Polizeirat Duncker erschien plötzlich in Charlottenburg. Die Wilke mußte, wenn sie einigermaßen mit ihren Gedanken zu Rate gegangen wäre, darauf vorbereitet sein. Aber nichts davon. Als gedankenloses Kind des Augenblicks überließ sie sich dem Moment und seinen Eingebungen, und die Spannkraft ihrer Phantasie schien mit einem Male versiegt.
Zu diesem Zeitpunkt war der Polizei nur der an Schröder verübte Betrug bekannt. Wie die Sache lag, erschien die alte Demoiselle Niemann als wissentliche Betrügerin, als Haupttäterin, die Wilke und die Gesellschafterin Alfrede als Helferinnen. In den Befugnissen und gewissermaßen auch in der Pflicht des Polizeibevollmächtigten hatte es also gelegen, alle drei Personen zu verhaften, um der Sache auf den Grund zu kommen. Es gehörte Dunckers psychologischer Scharfblick dazu, hier zu sondern und, indem er die eigentliche und allein Straffällige zum Geständnis nötigte, zwei durch ihre Leichtgläubigkeit schon hartgestrafte Frauen vor einer Festnahme zu bewahren.
Die Wilke leugnete, schwankte aber; die Niemann verteidigte ihren Glauben sowohl der Polizei als den Gerichten gegenüber. Duncker sagte der alten Dame auf den Kopf zu, daß sie betrogen worden sei, daß die Pflicht der Verschwiegenheit, die sie vorschütze, ihn zwingen würde, sie zu verhaften.
Sie erwiderte: »Man mag mich für eine Betrügerin halten; ich weiß, ich bin es nicht. Man mag mich ins Gefängnis bringen, und es schmerzt mich sehr, meine äußere Ehre gefährdet zu sehen, ich lasse mich aber getrost arretieren. Ich werde mein Geheimnis nicht verraten, ich darf es nicht, und wenn es auch mein Leben mir kosten sollte. Sie, Herr Polizeirat, scheinen ein guter Mann zu sein und versichern, Sie könnten nicht anders handeln; ich will aber wünschen, daß Sie später selbst nicht bereuen, was Sie an mir tun, und daß Sie sich nicht schaden. Ich weiß, daß ich wieder zu Ehren komme, ich habe einen Beschützer und Erretter, den ich nicht nennen werde, der aber meine Befreiung gewiß in wenigen Tagen erwirken kann und wird.«
Pauline Wilke hatte die Frechheit, in Dunckers Gegenwart darauf zur Niemann zu sagen: »Sie müssen am besten wissen, liebe Niemann, ob Sie Ihr Geheimnis dem Herrn Polizeirat offenbaren dürfen. Es tut mir leid, daß Sie zu mir nicht offen genug gewesen sind, um mich in den Stand zu setzen, selbst zu wissen, was ich sagen kann und soll. Hätten Sie mir doch gleich gesagt, was Sie vorhatten, wieviel Gelder Sie besaßen und woher Sie dieselben bekommen haben! Nun habe ich immer nur nach Ihrem Willen gehandelt und kann deshalb selbst über nichts weiter Auskunft geben.«
Die Niemann erwiderte darauf: »Sei ruhig und ängstige dich nicht, mein Kind; ich verrate nichts und bewahre unser Geheimnis.«
Pauline Wilke war nicht so stark; sie legte schon vor dem Polizeirat ein ziemlich vollständiges, außergerichtliches Geständnis ab. Er veranlaßte darauf noch am selben Tage eine gerichtliche Vernehmung der alten Niemann. Auch hier erklärte sie zuerst: »Wo ich mein Geld habe, ist ein Geheimnis, welches ich nicht verraten darf.« Erst auf die dringende Vorstellung des Richters, daß das Geheimnis in den Akten bleibe, erklärte sie zitternd: »Ich habe es dem Könige in Verwahrung gegeben, er hat es, 12 000 Taler, durch Pauline Wilke von mir fordern lassen; Pauline Wilke hat Sr. Majestät selbst auf dem Palais dieses Geld übergeben.«
Hierauf folgte die Geschichte, die wir kennen, in ihren Grundzügen, und sie schloß mit den Worten: »Ich bin ganz fest von der Redlichkeit der Pauline Wilke überzeugt, weil es unmöglich ist, daß sie die Handschrift von so hohen Personen, wie Sr. Majestät des Königs und der Fürstin Radziwill, nachgemacht haben kann!«
Die Gerichtspersonen registrierten: Die Niemann erscheine in einem so hohen Grade von der Wilke eingenommen, daß sie nichts vom Glauben an ihre Redlichkeit abbringen könne. Über die Zweifel, die sie in den Gesichtern der Gerichtspersonen zu sehen glaubte, war sie entrüstet und forderte förmlich Verantwortung, weil die Ehre der Wilke dadurch gekränkt werde.
Endlich – die Wilke hatte jetzt erst gestanden, auch sämtliche Briefe der Fürstin Radziwill und des Königs selbst geschrieben zu haben – gingen ihr die Augen auf. Mit dem Ausdruck des natürlichsten und tiefsten Schmerzes rief sie aus: »Wenn das so ist, da bin ich hintergangen. Ach Gott, ich bin um mein ganzes Vermögen betrogen!«
Und so war es. Die unglückliche Alte war durch ihr blindes Vertrauen nicht allein um ihr ganzes Vermögen gebracht und auf die Mildtätigkeit derselben Verwandten angewiesen, deren Warnungen sie mit Entrüstung von sich gewiesen hatte; sie hatte sich zudem zu einer schriftlichen Verpflichtung gegen den Möbelhändler Schröder verleiten lassen, der sie nicht mehr nachkommen konnte. Wie diese Verbindlichkeit gelöst wurde, ist weder bekannt, noch gehört es hierher.
Dagegen beschäftigte eine andere Frage als diese Geschichte, die so großes Aufsehen erregte, die Gemüter in Berlin, ob nämlich der König der bejammernswerten Dame, als Trost für ihre Leiden, als Belohnung für ihre mehr als loyale Aufopferung und blinde Unterwürfigkeit in seinen angeblichen Willen, ihr eine kleine Pension für die wenigen ihr noch übrigen Lebenstage aussetzen werde?
Ein Teil des Publikums hielt das für gewiß. Entsprechende Bitten wurden jedoch entschieden abgewiesen, weil das als eine Aufmunterung für ähnliche Betrügereien hätte verstanden werden können. Dann aber fragte sich, ob die Aufopferung der alten Demoiselle Niemann wirklich als so tugendhaft betrachtet werden konnte? Sie gab nicht, ohne an das Nehmen zu denken. Daß der Minister Maaßen ihr 12 Prozent für ihr Kapital bewilligte und der König bei der Rückgabe es mehr als verdoppeln wollte, vertrug ihr Patriotismus und ihre loyale Hingabe.
Was die Niemann zu ihrer Verteidigung vorbrachte, war einfach und naheliegend. Sie hatte nie die Handschrift des Königs noch die der Fürstin Radziwill gesehen. Sie hatte kein Mißtrauen gegen die Wilke, die ihr als Patenkind, als mütterlicher Freundin, als Wohltäterin zum innigsten Dank verpflichtet sein mußte! Ihr vor fürstlichen und königlichen Personen in Ehrfucht erstarrendes Gemüt hielt es für absolut unmöglich, daß jemand und am wenigsten ein so junges, schuldloses Mädchen es wagen könne, die Handschrift ihres Königs nachzuahmen, ein solches Majestätsverbrechen zu begehen. Sie berief sich ferner darauf, daß sie sich nie um Staatsangelegenheiten gekümmert, nie etwas von den dahin einschlagenden Verhältnissen gewußt habe und daß die Wilke nie in Verlegenheit gekommen sei, sondern stets mit der größten Bestimmtheit und Sicherheit ihre Angaben gemacht habe, auch daß sie auf die mehrfachen Verdächtigungen durch die Verwandten der Niemann und andere nie die geringste Verlegenheit gezeigt, sondern immer mit völliger Ruhe geantwortet habe. Da ihr die tiefste Verschwiegenheit zur heiligsten Pflicht gemacht war, konnte und mochte sie mit niemand darüber sprechen; und so war es möglich, daß sie so lange in ihrer Täuschung bleiben konnte. Auch gab es keinen Grund, gegen ihre Gesellschafterin Alfrede einzuschreiten. Auch sie war befangen von der Vorstellung von Paulinens Rechtlichkeit.
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Nur Pauline Wilke blieb als Schuldige übrig. Alle Spuren auf Mitschuldige deuteten ins Leere. Alles, was sie war, war sie durch sich selbst, alles, was sie erreicht hatte, verdankte sie ihrem eigenen Genius.
In einem violettseidenen Kleide, einem bunt gesäumten Atlastuche, in feinen weißen Strümpfen wurde dieselbe Pauline Wilke ins Stadtvogteigefängnis eingeliefert, die wenige Monate vorher mit vier Pferden Extrapost in Karlsbad eingezogen war und durch ihren Luxus, ihre Ausgaben und Vergnügungspartien die reichsten und vornehmsten Besucher des Badeorts ausgestochen hatte, in deren Gesellschaft umherzufahren angesehene Fremde sich zu Ehre und Vergnügen rechneten. Einige Blätter weiter, wo ihre kostbare Kleidung verzeichnet steht, finden wir schon ihre Bitte um etwas neue Wäsche; aber der Bericht zählt so weniges Weißzeug als in Beschlag genommen auf, daß man vermuten muß, sie habe, wenn es ihr nicht gestohlen worden war, in den letzten Jahren bereits das Nötigste veräußert, um nur zu leben!
Vor dem Richter legte sie nach anfänglichem Zögern ein vollständiges Bekenntnis ab. Mit weiblicher Schlauheit suchte sie hier und da einiges zu beschönigen, weniger das Verbrecherische, als was sie in ungünstigem Lichte, als töricht und unwissend darstellen könnte. Das Maß ihrer Schuld war voll, und es kam deshalb auch nicht darauf an, ihre Reisen nach Hamburg strenger zu verfolgen, als es geschehen war. Auch dort war sie schon der Polizeibehörde durch ihre Verschwendung aufgefallen und hatte einmal wenigstens die Weisung erhalten fortzugehen.
Ob sie mit Sporen an den Füßen ausgefahren sei, einen Jockei als Vorreiter, Zigarren im Munde, wie ein dortiger Wirt, bei dem sie wohnte, behauptete, sie aber in Abrede stellte, tut zur Sache nichts und würde nur zu ihrer Charakteristik einen Zug mehr liefern.
Und was war das Motiv eines so großen, mit solcher Ausdauer von einem jungen Mädchen verübten Betruges? In ihrer Aussage vom 4. Mai 1836 heißt es: »Zu den Betrügereien gegen die Niemann bin ich dadurch gekommen, daß ich durchaus keine Lust hatte, mir durch Konditionieren bei anderen Leuten meinen Unterhalt zu verschaffen. Da ich selbst kein Vermögen besaß, kam ich auf den Gedanken, mir die Mittel zu einem selbständigen Leben durch Schwindeleien zu verschaffen. Als ich auf die Art erst einmal von der Niemann Geld erhalten hatte, wurde ich durch die Leichtigkeit, mit der ich das Geld von ihr erhielt, nur aufgemuntert, darin weiter fortzufahren. Anfänglich und bis zu der Zeit, wo ich sah, daß die Niemann Geld auf ihr Grundstück aufnehmen mußte, hielt ich sie für sehr reich und glaubte, es mache auch keinen großen Schaden, wenn ich ihr von ihrem Überfluß abzapfe. Erst als sie auf ihr Haus mußte eintragen lassen, um das Geld zu bekommen, merkte ich, daß sie kein Vermögen mehr besäße, aber da war ich nun einmal drin und konnte nicht mehr zurück.«
Befragt, ob sie denn aber nie weiter gedacht habe und daß ihr Betrug entdeckt werden müsse, antwortete sie mit völliger Unbefangenheit: »Mir ist nie der Gedanke gekommen, daß mein Verfahren entdeckt werden könnte, und ich habe auch nie daran gedacht, daß meine Betrügereien doch einmal ein Ende nehmen müßten, daß ich dann nichts hätte, wovon ich meinen Lebensunterhalt bestreiten könnte. Ich habe alles, was ich von der Niemann und anderen erhalten, ausgegeben, um meinen Hang, als große Dame in der Welt zu leben, ausführen zu können. Ich habe sehr viel Geld gebraucht, für meine Reisen, Wagen, Pferde, Dienstpersonal, für Geschenke an Reiche, für Almosen an Bedürftige, so daß ich begreiflicherweise nichts übrigbehielt als die paar Sachen, die man noch bei mir gefunden hat.«
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Pauline Wilke spielte übrigens die Rolle, die sie gelernt hatte, im Gefängnis weiter. Mit in einem Fingerhut gesammeltem Blute – wie sie behauptete, aus dem Daumen einer Mitgefangenen – schrieb sie auf ein entwandtes Blatt Papier folgendes:
»Eure Majestät unser allergnädigster König wollen huldvoll entschuldigen, daß eine alte, siebzigjährige Person es wagt, vor Allerhöchst Dero Thron eine Bitte zu legen. Von Ew. Majestät allbekannten Herzensgüte und Milde fest überzeugt, hege ich schon im voraus die feste Hoffnung, daß Ew. Majestät sie mir erfüllen werden. Ew. Königl. Majestät wird nicht unbewußt sein, wie vor einiger Zeit ein junges Mädchen mit Namen Wilke sowohl in Berlin als auch in Charlottenburg, ihrem Wohnorte, viel Aufsehen unter den Einwohnern erregte, weil sie von niederer Herkunft war und durchaus gar kein Vermögen besaß. Mit einemmal trat sie auf, besaß Vermögen, lebte danach, teilte aber besonders reichlich davon unter den Armen aus, welches ihr die Liebe und Teilnahme Tausender zuzog. Auch hat sie sich nie einen Tadel oder Vorwurf zuschulden kommen lassen, in Hinsicht eines schlechten, liederlichen Lebenswandels. Doch jetzt machte es ein Umstand nötig, daß es ans Licht kommen mußte, wo sie dies Vermögen herbekommen hatte. Dies junge Mädchen war von Jugend auf nie an Abhängigkeit gewöhnt, denn sie wurde erzogen beim verstorbenen Geheimrat ... hernach von dessen Schwägerin, nach deren Tode ihr nichts übrigblieb, als bei anderen Leuten ihr Fortkommen zu suchen.
Der Zufall führte sie zu mir nach Charlottenburg; ich bin ihre Patin, sie suchte Zuflucht bei mir, ich schenkte ihr häufig bedeutende Summen Geldes, welches in ihr vorzüglich den Grund zu einem leichtsinnigen Charakter legen mußte. Dies freudenvolle Leben gefiel ihr, sie suchte von dieser Zeit an, sich in den Besitz meines Vermögens von 18 000 Talern zu bringen, dadurch, daß sie mir vorspiegelte, sie stehe mit Ew. Königl. Majestät in Verbindung, Ew. Königl. Majestät wünschten dies Vermögen zu besitzen, und brachte mir auch Schreiben von Ew. Majestät, die sie aber selbst ausgefertigt hatte.
Jetzt befindet sich dies junge Mädchen in kriminalistischer Haft und Untersuchung, was mich tief, tief, schmerzt und mich alte Person dem Tode nahe bringt, da ich die eigentliche Schuld bin mit meinem Gelde, in ihr diesen Leichtsinn gebracht zu haben. Ew. Königl. Majestät Name ist gemißbraucht, doch Allerhöchst Dero Gnade, die so manchem Übeltäter schon das Leben schenkte, läßt mich mit fester Zuversicht hoffen, daß Ew. Königl. Majestät auch an diesem jungen Mädchen das Wort der Gnade und Milde werden ergehen lassen!
Ich bin alt; solange ich noch leben werde, wird Gott mir durchhelfen, auch verlassen mich meine Verwandten, die vermögend sind, nicht; ich habe ihr vergeben, was sie mir getan hat, mein Tod würde es sein, wenn die Strafe an ihr vollzogen würde, die ihre Richter jetzt über sie verhängen. Ich werfe mich daher mit festem Vertrauen auf Ew. Königl. Majestät Gnade zu Allerhöchst Dero Füßen und flehe Ew. Königl. Majestät an, diesem jungen Mädchen zu vergeben, die schwere Strafe von ihr zu nehmen und die Türen ihres Kerkers zu öffnen! Oh! Ew. Majestät, ich bitte Sie um Gottes willen, Allerhöchst dieselben wollen mein Flehen erhören und mir die letzten Stunden meines Lebens durch dieses Gnadenwort versüßen! Um die Wunden und das Blut Jesu bitte ich Ew. Königl. Majestät um Erfüllung meiner Bitte! In tiefster Demut verharre ich, Ew. Königl. Majestät usw.
Niemann«
Darunter stand:
»Liebe gute Alfrede, nur diese Zeilen können uns alle wieder in Ruhe bringen. Die Niemann muß dies wörtlich abschreiben, und Sie, gute Alfrede, müssen diese Zeilen dann dem König im Namen der Niemann selbst abliefern; sollten Sie aber den König nicht persönlich zu sprechen bekommen, wozu Sie sich bei Müller melden müssen, so binden Sie Müller dies Schreiben auf die Seele und bitten um schleunige Antwort, denn es gilt ein Menschenleben zu reten! Oder sehen Sie zu, daß Sie die Liegnitz sprechen können. Doch wahrscheinlich wird der König die Bitte das erste Mal nicht gewähren können, dann verabsäumen Sie ja nicht, zum zweiten und dritten Mal zu schreiben, aber nur so, daß jedes Schreiben sich auf obigen Brief bezieht; ja, keine Erwähnung von meinem früheren Verhältnis, auch nicht bei einer persönlichen Unterredung; wenn Sie eine solche haben sollten, dann bitten Sie ja herzlich für mich; sagen Sie, daß meine Reue groß wäre und ganz in Melancholie überginge. Das übrige wird Ihnen Gott eingeben.
Die Niemann ist keineswegs um ihr Vermögen; sobald ich frei bin, ist sie im Besitz desselben und wir alle glücklich; ich wollte keinen Verrat begehen, darum leide ich jetzt unschuldig; ich durfte mich nicht anders benehmen, ich durfte nicht anders handeln, ich redete stets die Wahrheit zur Niemann; glaubt die Niemann, daß dies Unwahrheiten sind und zeigt sie diesen Brief, so bin ich in drei Wochen tot, und alles ist unglücklich, denn ich sterbe unschuldig; mit meinem Gott bin ich versöhnt, ich sehne mich nur nach seiner Wohnung. Befolgen Sie alles pünktlich, und wir sind glücklich. Die Niemann soll sich nicht grämen, was ihr versprochen ist, kriegt sie, nur ich muß frei sein; sie muß nur nicht nachlassen mit Bitten beim König, sie soll die Gerichte nur tun lassen, was sie wollen, sie soll nur ruhig sein, nur Verschwiegenheit über diesen Brief gegen jedermann.
Pauline«
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Die Sache wurde durch eine Mitgefangene verraten, der Zettel bei einer anderen, als sie aus dem Gefängnis entlassen wurde, gefunden. Die Schrift blieb ohne Wirkung.
Das Urteil wurde am 21. Mai 1836 in erster Instanz gesprochen. Nach preußischen Gesetzen wurde der Betrug nur durch eine Geldstrafe im doppelten Werte der Summe, um die der Verbrecher jemand übervorteilt, und erst im Unvermögensfalle mit einer gleich abzuschätzenden Leibesstrafe gebüßt. Dieses Duplum schätzte der erkennende Richter auf 42 450 Taler und verurteilte die vermögenslose Wilke dafür unter Einbeziehung der verschiedenen Verschärfungsgründe zu zwölfjähriger Strafarbeit. In zweiter Instanz wurde dieses Urteil vom Kammergericht bestätigt.
Den polizeilichen Antrag, die Betrügerin auch wegen der beleidigten Majestät zur Untersuchung zu ziehen und zu bestrafen, hatte das erkennende Gericht nicht berücksichtigt.