Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Fünftes Kapitel.

Das war wohl eine Lust zu sehen, ebendesgleichen die gedeckten Tafeln, als wie die Herren zulangten. Waren auch gar nicht blöde, obschon der gnädige Kurfürst obenan saß und neben ihm seine holdselige Fürstin, und auch manche schöne Frau und manches schöne Fräulein. Nur zum ersten Anfang, da wußten die Herren nicht, wo sie ihre Ellenbogen lassen sollten. Dauerte es aber gar nicht lang, so griffen sie in die Schüsseln und rissen, als wär's eine Schlacht, wo keiner zu spät kommen darf, und stießen mit ihren Ellenbogen, als gab es keine Nachbarn – und Nachbarinnen. Nahm's aber auch keine übel, wenn ihr ein Knochen vom Hühnlein in die Schürze fiel, das ihr Nachbar mit den Zähnen zerriß. Sie lachte und schob ihm dafür das ganze Gerippe von ihrem Teller auf seinen, und er mußte es behalten.

Gottes Gaben sind allerwegen schön, und was er gemacht, ist gut. Aber wie Herr Ulrich Czeuschel, des Markgrafen Küchenmeister, die Tafel gedeckt und sinnreich die Schüsseln geschmückt, jede einzeln, und dann alle zu einander, da hätte man sich vor Staunen können satt sehen. Aber nichts kann bleiben, als es ist, und was herrlich ist, das lockt am meisten die Zerstörung vor, und so wie Troja fiel unter dem Schlachtschwert der Griechen und ihrer Bundesgenossen, so auch diese schöne Tafelordnung unter den Messern der märkischen Herren und ihrer Gastfreunde.

Wiewohl es feststeht aus alten Büchern, daß schon der Gott Neptunus bei den alten Heiden eine Gabel hatte, wie es auch der gemeine Mann an manchen alten Brunnen noch sehen kann, so ist doch auch gewiß, daß man dazumal nicht mit Gabeln aß. Die Gabeln nahm man zum Heu und meinte, daß Gott uns die Finger gegeben, um damit zu essen. Mag sich auch mancher das schwer vorstellen, daß die zarten Fräulein mit Fingern das Fleisch zum Munde führten, so ist's doch so. Die schöne Helena war freilich nur eine Heidin, aber wenn auch die Königin Maria Stuart, eine gute Christin, noch um hundertfünfzig Jahre später als unsere Geschichte, mit ihren Fingern die Ente zerriß und höchstens mit den Zähnen dabei half, so wird man sich nicht wundern, daß auch unsere märkischen Fräulein das thaten. Auch die gnädige Kurfürstin machte es nicht anders, nur daß ihr der Küchenmeister mit seinem Messer etwas zuschnitt. Alles konnte er aber doch nicht thun. Ward's auch nicht von ihm verlangt. Die schönen Finger sahen da freilich aus, daß man nicht Sammet und Seide mit angriff; dafür war aber das Tischtuch, und überdem lag bei jedem ein Tüchlein, daß er sich abwische, wenn's ihm nötig dünkte. Vielen aber dünkte das nicht nötig, und wohl mit Recht, denn weshalb mich waschen, wenn ich gleich darauf wieder in die Schüssel greife?

Die fränkischen Ritter sahen wohl mit Verwunderung, wie die märkischen schlangen, aber im Trinken thaten sie's ihnen gleich. Am wenigsten aß der Markgraf, allein sein Auge war überall und entging ihm nichts. Ihn schien es aber eher zu freuen, daß seine Herren so wacker zugriffen, und machte er nicht spöttische Bemerkungen, wie etliche von den Gästen. Der edle Herr mochte andere Sorgen haben, wie man's ihm an der Stirn ansah; und worauf er merkte, waren die Reden, die sie führten, und die Trinksprüche, die sie sich zubrachten. Er selber aber trank zuerst auf das Wohlergehen des Herrn von Polenz und des Herrn Reinhard von Kottbus, die von heut ab ihm zu Lehen gingen. Desgleichen eines Herrn von Waldow, der am andern Tischende saß, der war Erbe Herr von Peitz, und wie die beiden Genannten wegen seines Landes mit dem Fürsten in Unterhandlung.

Johann von Polenz erhob sich nun dagegen und füllte seinen Becher und trank auf das Wohl seines gnädigen Lehensherrn, wobei ihm der von Kottbus beistand, und seinen Spruch schloß er damit: daß sein Ruhm leuchten möge fortan wie bisher, durch Weisheit gleich wie durch Tapferkeit, und sein Reich wachsen. Denn ein starker und kluger Herr sei wie ein großer Baum in der Heide, unter dessen Ästen die Hirten sich sammelten beim Sonnenbrand und Unwetter. In diesen Zeiten der Not könne der freie Mann sich nicht mehr selber schützen als vordem; um deshalb sei ein solcher Herr ein Geschenk Gottes den Völkern, daß die Bedrängten zu seinen Fahnen hielten und von ihm Schutz hätten, daß Sitte und Ordnung und Handel und Gewerbe im Lande blüheten. Und er erzählte, wie er freiwillig dem edlen Markgrafen und der brandenburgischen Herrschaft sich unterworfen, und sei es sein aufrichtiger Wunsch, auf den er den Becher leerte, daß Herr Friedrich der Zweite, von Gottes Gnaden, Markgraf zu Brandenburg, auf dieselbe Weise ferner erobere, das ist nicht durch das Schwert und Heereszüge, sondern durch seine Tugenden und seine Gerechtigkeit, als wo viele ihm gern Heerfolge leisten würden und seinem Arm sich unterwerfen. Die Nächsten um den Herrn von Polenz und um den Kurfürsten begleiteten mit großer Lust den Wunsch, auf den andern Tafeln aber war's stille. Wohlgefällig hatte der Kurfürst gelächelt, und dankte nun in kurzen und würdigen Worten dem edlen Herrn: »Wolle Gott,« sprach er, »und seine Heiligen, daß wie sie draußen über Verdienst mein gering Thun und meinen guten Willen werthalten und schätzen, meine Märker desgleichen ihrem Herrn entgegenkämen und ihm die Hand böten! Und als wie ich Euch zugetrunken. Ihr edlen Herren und nun meine lieben Vasallen, so trinke ich itzo auf das Wohlergehen meines Landes und meiner treuen Leute, und daß sie mir stets hold und gewärtig seien, wenn ich das Land stärke und die Kraft der Herrschaft festige. Denn bei Gott, das will ich, und nichts mehr, und das wollen gewiß alle mit mir, so ihr Land lieb haben und ihren Markgrafen!«

Da stießen die Becher und Gläser zusammen, und klang und schallte es von vielfachem Ruf durch den ganzen Saal.

»Unser Schwert soll nimmer rosten in der Scheide,« fuhr der Kurfürst fort, »denn wir haben viele Feinde, nach welcher Seite wir uns wenden, und der Märker soll allezeit gerüstet stehen, daß er sein schwer errungen Land verteidige gegen wen es sei; und das weiß ich von meinen Märkern, sie sind allezeit gerüstet und bereit, den Harnisch umzuschnallen und dem Feind die Stirn zu bieten, so viel ihrer auch wären –«

Da ward er von ungeheurem Jubel unterbrochen, die Becher klirrten, sie schlugen mit den Messern an die Teller und die Sporen zusammen.

»Aber ihr gutes Schwert,« fuhr er fort, »soll nicht ohne Not aus der Scheide fahren, nicht ein gefährlich Spielzeug soll's sein in der Hand eines leichtfertigen Thoren, sondern eine gewaltige Waffe in der Hand des Gerechten. Gezückt werden soll's nur und niederschmettern, wo sie der Gerechtigkeit die Thore verschließen. Da, Ihr Herren und lieben Freunde, will ich mit meinen Märkern erscheinen, und wenn sie gut Wort nicht hören und taub bleiben gegen die Vernunft, will ich ihre Thore brechen und das Schwert der Gerechtigkeit nicht umsonst tragen.«

Das gefiel wieder allen, denn jeder dachte sich was Besonderes dabei, und nun ward das Gespräch recht lebhaft und munter, und der Wein thut auch das Seine. Item ist es gewiß, wenn einer auch noch so viel essen kann, da kommt ein End'. Aber trinken kann einer ohne End', es sei denn, daß das Faß ausläuft.

Herr Gott, was hatte der Dietrich Barfuß gegessen und Tile Kracht auch, und die Kurfürstin hatte es mit absonderlichem Vergnügen gesehen und den Edelknechten zugewinkt und Herrn Ulrich Czeuschel auch, daß sie ihnen immer mehr aufnötigten und ihnen sagten, sie äßen ja gar nicht. Fritz Kröcher wollte es ihnen gleich thun, er konnte es aber nicht; dafür trank er desto mehr und hätte sie untern Tisch getrunken, wenn sich das nur geschickt. Aber dann fürchtete er sich wieder vor den fremden, insonders den fränkischen Herren, denn sein Vetter Busso Voß stieß ihm in die Rippen, daß er es merke, wie sie spöttisch auf ihn schauten.

Wovon sie alle sprachen, das war von guten Ritterthaten, so ehedem die Märker ausgerichtet. Und schien's Herrn Friedrich, dem Markgrafen, eine absonderliche Lust, davon zu erzählen und die guten Ritter zu loben, die im Felde sich ausgezeichnet, und vor Festungen, und dabei gedachte er auch der alten Fürsten, die so fürtrefflich das Land regiert und der Brandenburger Ruhm bis ins Land Italia verbreitet. Von Otto dem Vierten, dem mit dem Pfeil, erzählte er, und seinem hohen Mute, und seinem fürtrefflichen Gemahl, die, als er in Magdeburg gefangen saß, nicht Tag, nicht Nacht geruht, bis er wieder frei wurde. Und wie die vom märkischen Adel desgleichen aufgesessen wären und ihr Bestes hergegeben, um ihren Fürsten zu lösen.

Da sprang Busso Voß auf mit seinem Pokal und rief: »Diesen Trunk dem Andenken des edeln Markgrafen Otto und den märkischen Edeln, und daß nimmermehr die Zeit wiederkehret, wo städtische Hunde einen edlen Fürsten gefangen setzen können!« –

Wie der Spruch auch vielen behagte, dem, so er zumeist galt, gefiel er nicht ganz, denn er sah besorgt auf den Gast aus Stettin, den Bürgermeister Albert Glinde, und antwortete darum: »Allen fleißigen Bürgern und guten Städten Ruhm und Preis, so sie treu an ihren Herren halten, und nicht mehr wollen, als ihnen zukommt. Aber Dank auch Euch, Herr Busso, für den frommen Wunsch. Die Fürsten werden sich itzt wohl wahren, daß man sie nicht in einen Käfig sperrt.«

Und nun wandte er sich freundlich zu dem Albert Glinde und fragte nach dem Wohlergehen des alten Pommernherzogs, worauf ihm der Bürgermeister Bescheid gab und auch zum Lobe des Herzogs sprach, als wie es der Markgraf that. Merkten, wer so etwas merken kann, daß es zwischen ihnen noch anderes gab, was sie nicht sprachen, und daß das itzt nur gesprochen ward vor den Leuten.

»Die Pommern sind ein wacker Volk und unsere nächsten Freunde,« sprach der gnädige Herr, »und da sei Gott für, daß die von Natur und den Verträgen nach eins sein sollten, durch bösen, Leumund und Verredung wieder zwieträchtig werden. Als lang mein wackerer Gevatter, Herzog Otto, lebt, wollen wir dieser Zwietracht steuern.« – »Und wann,« fuhr der Stettiner Bürgermeister fort, »daß der Herr, in dessen Hand unser aller Leben liegt, Seiner Gnaden, meinen gnädigsten Herrn, von dieser Erde abrufen sollte, also hoffe ich dann, daß Märker und Pommern noch einträchtiger werden und, wie Gott will und die alten Verträge, ein Volk, und einem Herrn gehorchen!«

Wie nun Herr Albert Glinde drauf seinen Pokal aufhob, daß er mit dem Kanzlei, der ihm gegenüber saß, anstoße, gab es einen häßlichen Klang, und der Pokal des Kanzlers, der von Glas war, zersprang. Da sahen sich die Herren sehr betroffen an und nahmen's für eine üble Vorbedeutung, und dachten viele dem nach, wie itzt die Dinge standen. War es keinem unbekannt, daß der Bürgermeister von Stettin brandenburgisch gesinnt war. Und obschon jeder deutsche Mann von je an das Recht hatte zu denken, was er Lust hatte, so war diese Herrn Alberts Gesinnung doch auch keine Uebertretung gegen seinen Landesherrn, den Pommerherzog. Denn durch alte Verträge, die Kaiser und Reich gebilligt, stand es fest, daß Pommern, wenn seiner Herzöge Mannsstamm aussterbe, an Brandenburg falle. Nun war aber Herzog Otto von Pommern-Stettin hinfällig und hatte keine Kinder. Um deshalb erwarteten viele, daß das Herzogtum an Brandenburg falle nach Herzog Ottos seligem Hinscheiden, und viele wünschten es. Andere aber wünschten es nicht und vermeinten, wenn auch die von Pommern-Stettin ausstürben, blieben doch noch die von Pommern-Wolgast, und an diese vererbe das große Land, als an die nächsten Verwandten. Wie gesagt, so standen die Sachen, und ward viel darüber im stillen verhandelt und gesprochen, aber nicht laut, denn es schickte sich nicht, wo noch der Herzog lebte, schon zu streiten über seinen Todesfall. Aber Herr Albert Glinde war, als wie viele Deutsche in Stettin und den anderen Städten, gut brandenburgisch gesinnt und wünschte von Herzen, daß der Markgraf Friedrich auch Herzog von Pommern werde. Darum wurde er und noch viele sehr betroffen, als das Glas sprang, was ihnen von böser Bedeutung dünkte. Aber als ein kluger Mann ließ er ihnen nicht Zeit, darüber nachzudenken, sondern redete weiter, als wäre gar nichts vorgefallen.

Er erzählte, wie die Pommerherzöge von alters her es sich angelegen sein lassen, Deutsche in ihr Land zu ziehen, so Adlige als Bürger und Bauern. Denn so wie sie feinere Leute wären, mit denen ein Fürst besser verkehre als mit den wilden und unsteten Slaven, die sich nicht losmachen könnten von dem Schmutz und der Faulheit und alten bösen Angewöhnungen, so auch baue der deutsche Landmann besser das Feld und nötige ihm dreimal mehr Ertrag ab als der Wende, der die Hände gar zu gern in den Schoß lege.

»In den Städten aber zumal,« sprach er, »sieht man es recht klar, was der deutsche Fleiß thut. Da wo Sachsen und Niederländer eingebürgert sind, blüht Handel und Gewerbe. Wir in Stettin haben dermaßen die Oberhand gewonnen, daß es itzo nur Deutsche sind, die in der Oberstadt wohnen, die wendischen Pommern sind zurückgedrängt in die Unterstadt und drüben auf die sumpfigen Wiesen der Oder, wo sie in Hütten und Nestern wohnen als wie ihre Väter; und hätten, wenn sie die Hände rühren wollten und uns nacheifern, gar gute Gelegenheit und Vorbild. Aber so sind die Slaven von Natur, sie mögen nichts annehmen von den Fremden, wenn es auch gut ist, sondern sitzen im Schmutz und strecken die Glieder und schauen uns verwundert an und hassen uns und unsere Ordnung und lauern nur auf den Augenblick, wo sie aufstehn und uns fortjagen, damit die alte Wirtschaft wieder anfange. Möge uns Gott davor bewahren. Es ist gewiß, wo Deutsche und Slaven zusammen sind, sie können nicht einträchtig nebeneinander bestehen, es muß eins Herr werden über das andere und das andere niederdrücken und austreiben. Darum ist's aller Deutschen in Pommern heißer Wunsch, so die Herzöge ausstürben, die uns freund und gewogen sind, daß zur deutschen Ehre und des Landes Wohl das Regiment ganz in deutsche Hände kommt. Und wir blicken alle gar sehnsüchtig nach diesen Marken, wo starke und weise Fürsten und wackere Herren den Boden gereinigt von der alten Barbarei, und ein deutsch Regiment aufgeführt haben, das sich sehen lassen kann und eine Ehre ist dem römischen Reiche deutscher Nation und eine starke Mark und Burg gegen die slavischen Feinde. Wollte Gott, daß wir nicht wieder in die alte Barbarei verfallen, und das deutsche Wesen, das itzo aufblüht, wieder verdorre, ehe es feste Wurzel schlug. Denn wo deutsches Wesen nicht ganz durchgreifet und Herr wird und das slavische totschlägt, da verkümmert es und läßt sich anstecken von der Trägheit, und glaubt auch ausruhen zu können, wo es doch keinen Augenblick rasten darf, sondern es muß sich selber nie genug sein und allezeit vorwärts gehen und weiter.«

Unter den Herren waren doch viele, die nicht deutscher Abkunft waren, sondern slavisch Blut floß in ihren Adern, aber kein einziger widersprach dem und führte das Wort für die Wenden. Sie wollten alle deutsch sein, wie auch ihre Namen anders klangen. Das hätte für Herrn Albert Glindes Meinung gesprochen; es war in der Mark das deutsche Wesen ganz durchgedrungen und hatte das slavische totgeschlagen. Aber die meisten tranken und hörten ihn nicht. War's ihnen zu gelehrt.

Der Markgraf hatte wohl aufmerksam hingehört, auch ihm freundlich ins Gesicht gesehen, er antwortete aber nichts, sondern lenkte das Gespräch auf andere Dinge.

»Hat mir mein Bruder, Herzog Albrecht aus Kadolzburg, seltsame Neuigkeit geschrieben,« sprach er, »von einem Ritter, der soll aus der Mark sein, und hat sich im Türkenkrieg so ausgezeichnet, daß er viel Redens von sich macht. Er hat ein Fähnlein geführt an dem grausamen Tage von Varna, und hätten sich alle gehalten als er, schreibt mein Bruder, dann brauchte die Christenheit nicht um den Tag zu weinen, als nun geschieht, Gott sei's geklagt! Zweenunddreißig Türken hat er mit eigner Faust umgebracht in der einen Schlacht und selber den König Ludwig und einmal einen andern christlichen Feldhauptmann herausgehauen aus den Feinden. Ja, als schon der Ungarkönig, dem Gott ewige Glorie schenke um seinen Märtyrertod, gefallen war, hielt er noch mit seinen Leuten und wies den Ungläubigen die Zähne, und keiner wagte sich an ihn, denn, ganz von Blut übergossen und einen Morgenstern über dem Kopfe schwingend, schaute er so furchtbar aus, daß die Christen selber sich vor ihm entsetzten. Ganz Ungarland ist seines Lobes voll, und er hat viele von den christlichen Kriegsleuten auf der Flucht gerettet. In der Stadt Wien, vermeldet mein Bruder, hätten sie acht Tage lang von nichts gesprochen als dem tapferen brandenburgischen Hauptmann, und die Weiber wären wie toll gewesen, und vor seiner Herberg hätten sie tagaus, tagein gestanden, um ihn zu sehen, und wenn er sich gezeigt, ihm zugeschrieen allerlei schöne Worte, und die fürnehmsten Frauen und Fräulein schenkten ihm gestickte Binden und Fahnen und Kränze; ja, sie hätten sich gestritten, wer von ihm eine Locke bekommen möchte. Ja, wenn er allen Weibern dienen wollte, hätte er sein Haar lassen müssen in Wien. Auch auf die Burg ward er geführt zum Kaiser; der schlug ihn selbst zum Ritter, da es herauskam, daß er das noch nicht war, und hängte ihm eine güldene Ehrenkette um. Nun wünscht mir mein Herr Bruder Glück zu einem solchen Ritter und Unterthanen. Aber weiß einer von ihm?«

Alle hatten aufmerksam zugehört, aber es wußte's doch keiner. Und von den Freunden der Ritter, so mitgezogen waren in den Türkenkrieg, war der eine an der Pest gestorben, der andere in der Schlacht gefallen, und sie rieten umsonst.

»Den Namen hat mein Bruder nicht geschrieben,« sprach der Markgraf. »Aber er soll uns wert sein, und wenn er zu uns kommt, als ich hoffe, wollen wir alle ihn gut aufnehmen und seiner uns freuen.«

Am andern Ende der Tafel war ein lebhaft Gespräch, und sie steckten die Köpfe zusammen und einige lachten. Der gnädige Markgraf fragte, ob da einer von dem wackeren Ritter wüßte? Zuerst schwiegen sie, dann aber antwortete der alte Bardeleben: »Von einem Ritter ist wohl die Red', gnädigster Herr, der auch von sich sprechen macht, weiß aber nicht, ob's zum Guten ist, von ihm viel zu sprechen?« – »Ist's ein märkischer vom Adel?« fragte der Markgraf. Da schwiegen sie wieder, bis einer den Namen Köpkin Zarnekow leise nannte. Die Stirn des Fürsten runzelte sich, und sein Aug' ward ernst.

»Sollte ein guter Märker den nicht mehr nennen, der nicht mehr dieses Landes ist. Zum wenigsten gehört der Name nicht vor die Ohren des Landesherrn.«

Abermals schwiegen die Ritter; stand aber so viel in ihren Mienen geschrieben, daß der Herr, der sie aufmerksam betrachtete, fragte: »Was ist's wieder mit ihm? Der böse Dieb ist geächtet und aus dem Lande verwiesen.« – »Treibt aber dort sein Wesen ärger denn zuvor,« sprach der von Bardeleben. »Das kümmert uns nicht,« sagte der Kanzler. »Laß nun die Sächsischen dafür sorgen. Wir haben genug mit unsern zu thun.«

Der alte Bardeleben schüttelte den Kopf: »Was ist die Grenze gen Sachsen und die Lausitz? Da ist kein Berg und kein Fluß zwischen. In dem Zickzack weiß kaum einer, der dort geboren ist, ob er steht auf märkischer Erde oder auf Lausitzer Boden oder auf sächsischem. Wie sollen wir in den Burgen die Grenze vor ihm hüten?« – »Das sei Gott geklagt!« sprach der Herr von Polenz. »Es leiden beide Länder gleichweis von dem Räuber, und geht sein Übermut über alle Schranken. Muß ich recht wohl inständig bitten, gnädiger Herr, als Euer neuer Lehnsmann, daß dem Unwesen wird ein Ziel gesetzt, denn meine armen Lausitzer tragen's kaum. Drei Dörfer hat er im letzten Jahre niedergebrannt.« – »Und wie hat er in Zossen gewirtschaftet noch vorige Woche,« sprach der Bardeleben. »Unter den Augen derer in der Burg, die waren aber zu schwach, plünderte er vier Häuser und schleppte Weiber und Kinder fort. Unsere konnten's kaum wehren, daß nicht der Markt in Flammen aufging.« – »Und die Geschichte in Wiltbritzen,« rief ein anderer, »wer hätte es für möglich geachtet! Zwangen den Pfaffen, er mußt' ihnen zurichten einen Mittagstisch, was er konnte, und schmausten und trieben Kurzweil mit des Pfaffen beiden Haushälterinnen. Mußt' ihnen der selbst dazu die Geige spielen, derweil der Köpkin und seine Gesellen tanzten.« – »Weil der Köpkin wußte,« fiel ein anderer ein, »daß der Pfaff den Hauptleuten in Trebbin und Saarmund durch eine Bauerfrau zu wissen gethan, wie er mit seiner Bande in der Nähe war. Dafür mußt' er's büßen.« – »Was hat auch der Pfaff dreinzustänkern!« sprach einer.

»Wie er aber da entkam, das ging doch kaum mit rechten Dingen zu,« fuhr der erste fort. »Die Saarmunder und Trebbiner waren sächtchen herangeritten, die einen von Beelitz her, die andern von Luckenwalde, und hatten das Dorf umstellt. Dachten, nun müßten sie ihn fangen, denn es geigte und pfiff noch immer vom Pfarrhause, als zechten und jubelten die und merkten nichts. Aber plötzlich flackerte und knisterte es, und drei Rohrdächer schlugen in Flammen auf, und heraus stürzte es durch die Hecken: Pferde, Reiter, Ochsen und Schweine, wie eine wilde Jagd, in allerhand Mummerei und auf Zauchwitz zu, mitten durch die Knechte, die sich des nicht versahen. Freilich ward nun in die Trompeten gestoßen, und Saarmunder und Trebbiner, alles sprengte wild ihnen nach; kriegten sie auch ein, aber wen? Waren's nicht die Gesellen, sondern Knechte, Bauern, Kinder, alte Weiber, die er auf Ackergäule und Ochsen gesetzt, manche verkehrt, und ausstaffiert hatte er sie, daß sie zu Walpurgis gut waren, und den Tieren hatten sie in die Kerben gebrannt, daß sie Reißaus nehmen mußten, was das Zeug hält. Und während der Verwirrung hatte sich Köpkin mit allen Seinen salviert. Nicht einen Mann hatte er verloren und lachte ihnen aus dem Walde nach, daß es eine Lust war. Den Pfaffen und seine Haushälterinnen, die fanden sie zusammengebunden und baumelten sie mit den Beinen zum Fenster 'raus, als wie ein Wahrzeichen, über's Kreuz gehängt. Die schrieen mal Zeter und Wehe, bis man sie losband. – Mein Vetter war dabei,« setzte der Erzähler mit leiserer Stimme hinzu, »und sagte, 's wär zum Todlachen gewesen.«

Die Erzählung wirkte sehr verschieden. Dieweil die Furchen auf des Fürsten Antlitz immer tiefer wurden und es recht sichtbar war, wie ihn die Sache verdroß, und daß sie grad hier vorgebracht wurde, wo er gern löbliche Beispiele erzählt hätte, seinen Rittern zur Nacheiferung, so mochten diese kaum's verbergen, daß ihnen die Sache lustig dünkte. Und hatte Köpkin Zarnekow wirklich großen Anhang und auch sich einen Namen gemacht; er schickte Brandbriefe weit durchs Land, und hatte mehr denn zehn Städten abgesagt und fing ihre Bürger, ihn selbst konnten sie aber nicht fangen, denn wo sie ihn suchten, da war er nicht mehr, und hatte überall Verstecke und Schlupfwinkel. Aber die Ritter hütete er sich anzugreifen; darum ging sie's nicht an, außer wenn des Herrn Dienst sie aufrief.

»Seit dem Teufel von Soltwedel hat kein Schnapphahn solchen Anhang gehabt,« sagte Fritz Kröcher. »Die Stellmeiser, die noch übrig, sind auch zu ihm zogen,« ein anderer. »Es läuft ihm alles Gesindel zu,« sprach ein dritter. »Er kann kommandieren über die fünfhundert, wenn's gilt.«

»Heiliger Christ!« fuhr der Kurfürst auf, »ist er, seit wir ihn aus dem Lande wiesen, ein Landesherr worden, und sollen wir mit Mann und Roß gegen ihn ziehen und unsere Vasallen aufbieten gegen einen, der ein Schnapphahn ist, und ist der Büttel der Mann, der sich mit ihm befaßt, und der Galgen sein recht Schloß.«

Der Herr von Polenz sagte nun, er wolle seine Mannen aufbieten lassen und die Städte an der Grenze, so Seine Gnaden ihren Hauptleuten in den Schlössern an der Grenze desgleichen geböten, und zumal denen Marschällen von Bieberstein in Beeskow und Storkow. Denn ohne Begünstigung mancher Herren, die er aber nicht nennen wolle, wär's gar unmöglich, daß der Köpkin nimmer griffen worden. Der Herr Markgraf sah starr und finster vor sich hin. Aber der Busso Voß nahm das Wort: »Ist's auch kaum denkbar, daß er das alles ausführte, wenn nicht an dem wäre, wie die Leute munkeln. Denn der Köpkin hatte es nicht los von sich selbst.« – »War immer ein Grützkopf,« sprach ein anderer. »Losschlagen konnte er,« sagte ein zweiter, »aber um die Ecke konnte er nicht sehen, und wo sie ihm ein Netz ausspannten, da zappelte er.« – »So thun's seine Freunde für ihn,« sprach mit gar ernstem Blick der von Polenz. »Freunde nicht,« sagte Kurt Alvensleben. »Er hat ein Frauenzimmer bei sich, die soll gar wunderbar schön sein. Einige sagen, sie sei aus Spanienland oder eine ungläubige Maurin. Die hätte es weg, was Zauberkünste sind. Und geht er zumeist den Pfaffen zu Leib, und bricht in die Kirchen ein, was sich doch eigentlich für einen christlichen Ritter nicht schickt. Er thut's auch ungern, aber das Weibsbild zwingt ihn dazu.«

Mehrere schüttelten die Köpfe. »Mit Nichten, Herr von Alvensleben,« fiel ihm der von Bardeleben ins Wort. »Das ist schon richtig von den Pfaffen und Kirchen und dem schönen Weibsbild. Die reitet mit ihm auf einem schwarzen Roß. Aber die thut es nicht allein. Er hat auch eine wendische Hexe bei sich. Die thut's. Die schafft ihm die Bande und hält sie bei einander. Denn sie weiß, was jeder denkt und thun will. Und wenn einer Verrat sinnt, so läßt er ihn an den nächsten Baum knüpfen. Daher die Furcht vor ihm. Das Weib hat ihm Tränke gekocht, daß er überall durchkommt und ihn keiner sieht, wenn er in Not gerät. Und es ist, als wäre er ihre Kreatur, und sie nicht seine. Das macht seine Schlauheit, und ihn pfiffig, mehr als er ist von Natur. Ich will den Köpkin nicht loben, denn er war immer ein ungeschlachter Gesell, aber ganz so schlecht ist er von sich selbst nicht. Er von sich wär nicht in Kirchen eingebrochen. Und ist's wohl ein Jammer für alle Christen, wenn ein Rittersmann so in den Krallen ist des Menschenfeindes.«

Die gnädige Frau Kurfürstin kreuzte sich entsetzt. Der Kurfürst aber biß in die Lippen: »Am Ende wär's unsere Pflicht, einen Priester hinzuschicken, daß er ihn beschwört, und wir hätten dann einen guten Ritter an ihm.«

»Daß Gott erbarm, was man erleben muß!« sprach Busso Voß. »Itzo erst, da ich das weiß, erklär' ich mir manches. So kam's doch damals nicht 'raus, als Euer Gnaden meinen armen verführten Vetter, den Wedigo Lüderitz, so gnädig richten ließ, wer ihm beigestanden, denn er allein hätt's nimmer gethan. Er wollte ihn nicht nennen und sagte, er kennte ihn nicht. Hab' ich aber zeither erfahren, daß der Köpkin Zarnekow tages vorher mit ihm gesehen worden. Wer weiß, wie der ihn verführt hat und in welcherlei Gestalt er ihm da im Walde erschien.«

»Ist's doch erschrecklich, in welcherlei Gestalt alles der böse Feind umschleicht, um die armen Menschenkinder zu fangen!« sprach die gnädige Frau Kurfürstin.

Da sah man recht den Unmut auf der Stirn des Markgrafen schwellen, und er hatte wohl Ursache genug. Denn war's doch, als wär' der Köpkin Zarnekow den Herren mehr wichtig als der Kurfürst selbst, und kam immer das Gespräch auf ihn zurück, und nicht, daß sie von ihm sprachen, als es der Räuber verdiente, voll Zorn und Entrüstung, vielmehr bedauerten sie ihn und hätten gar zu gern die Schuld von ihm abgewälzt, und die meisten kitzelte es, seine Streiche zu hören. Aber ob Herr Friedlich doch Markgraf war und Kurfürst des Reiches, er mußte den Unmut verbeißen, denn er war allein unter ihnen, und was er wollte, sie verstanden es nicht oder wollten es nicht verstehen.

»Herr Olearius!« sprach er da zu einem Herrn, der angethan in einem schwarzen Talare unfern von ihm saß und bis itzt wenig gesprochen hatte oder gar nichts, denn er hatte mit dem Teller vollauf zu thun und nicht weniger mit den Weinflaschen vor ihm. Jetzt aber zerschnitt er sich eine von den kleinen Wurzeln, die zum Nachtisch gereicht wurden, und schaute sie, indem er sie bedächtig zwischen die Finger nahm, an. »Herr Olearius, was schaut Ihr den Rettig? Der ist doch nur da, daß man ihn in den Mund steckt? – »Ein jedwed Ding, mein gnädigster Herr,« sprach der Doktor, denn das war er, aber nicht der Arzneiwissenschaft, sondern beider Rechte, und war er aus dem Reiche berufen, um in unterschiedlichen Fällen dem Kurfürsten zu Rate zu sein – »ein jedwed Ding ist erstens darum da, um was der gemeine Mann es braucht, und dann auch, daß der gelahrte Mann die Weisheit Gottes daran erkenne. Dies ist aber kein Rettig, sondern was man ein Radies nennt.« – »Und wozu hat Gott in seiner Weisheit den Radies gemacht, außer daß man ihn ißt?« – »Darüber, mein hoher Herr, ließe sich Unterschiedliches verhandeln. Itzo aber kam mir nur in den Sinn, als wie auch in dieser kleinen Wurzeln der Beweis liegt, daß aller Dinge Ursprung lateinisch ist.« – »Wie das, Herr Doktor? Haben die Römer die Radieser erfunden?« – »Gekannt, gnädigster Herr, und demnächst genannt. Und ist mir aus diesem geringfügigen Gegenstande aufs neue in Erinnerung gebracht, wie all unser Wissen und Sein keinen andern Quell hat, als die Alten. Denn sehn Ihro Gnaden, wenn man ein Radies durchschneidet, so gehen lauter kleine Strahlen aus dem Mittelpunkte nach dem Umkreis zu. Das sind radii; davon der Name Radies. Wir essen's und wissen's nicht, als wie alle Dinge.«

»Alle!« rief der Kurfürst lächelnd. »Wenn also die Lateiner nicht gewesen, so gäb's keine Dinge, die uns angehen.« – »Dies unterstehe ich mich nicht zu unterscheiden. Doch ist gewiß, daß alle Dinge, die wir kennen und nennen, auf einen lateinischen Namen sich zurückführen lassen. Nomina aber sind omina. Hat die Namen nur unsere Barbarei korrumpiert.« – »Die Römer haben zum wenigsten keine Kurfürsten gehabt.« – »Ist nicht ein Kurfürst ein princeps, qui curat, salutem imperii? Was ist eine Stadt? Ein Complexus von Gebäuden, qui stat. Was ist dieser Fisch? Ein piscis« – »Und der Tisch?« – »Tisch, Tisch! Was ist Tisch? Ein verdorben gemein Wort für Tafel – tabula. Wir trinken Bier und denken nicht, daß es ein Getränk ist, und trinken heißt bibere. Also unterstehe ich mich ein jedwed Wort auf seine Wurzel zurückzuführen.«

Ein Nachbar hielt ihm ein Messer hin: »Das Ding heißt bei uns Messer. Ist das ein lateinisch Messer?« – » Est instrumentum, quod metit cibum. Es misset die Speise, dann zerlegt es sie.«

Da lachte der Kurfürst auf, als ihm ein Edelknecht vermeldete, daß der Ratmann von Brandenburg, Niklas Perwenitz, draußen stehe und um gnädig Gehör bitte. »Wenn Ihr mir auch den Perwenitz lateinisch macht, der ein so guter Märker ist, als ich wünschte, es wären viele, dann will ich Euch glauben, Herr Doktor.« – Perwenitz, est quidam, qui pervenit ad quoddam.« – »Wahrhaftig getroffen,« rief der Kurfürst, »es ist ein Bürger, qui pervenit, oder gelangte dahin, ein reicher Mann zu sein, und qui pervenit, zu der Einsicht, die Euch allen not thut, daß ein Kurfürst ein princeps ist, qui curat salutem imperii. Gott zum Gruß, Ihr Herren!«

Und damit stand er auf, und die Tafel ward aufgehoben, und die Posaunen oben auf den Galerien schmetterten, und er führte sein adlig Gemahl zu ihrem Frauensitz, derweilen er selber mit etlichen zu einer Nebenthür hinausging. Der Rat, Herr Olearius, aber war gar wenig zufrieden, daß er mitten in seinem Diskurs war unterbrochen worden, und hatte noch so viel sagen wollen von der lateinischen Sprache und ihrem Alter und der Barbarei unserer Zeiten. Das sah die gnädige Kurfürstin, denn die Rede eines Gelehrten ist wie der Schweif eines Kometen; sie fährt ihm aus dem Munde und kann nicht wieder zurück. Und wenn einer unterbrochen wird in seiner Rede und kann sie nicht zu Ende bringen, so sieht man's ihm am ganzen Gesicht an, was er leidet, und die Lippen öffnen sich noch immer, und er sieht unstät umher und kann sich nicht finden, und möcht immer wieder anfangen, wo er stehen blieb. Das also sah die Kurfürstin, und wie edle Frauen sind, der arme Mann dauerte sie in seinen Aengsten und daß er so viel verschlucken müssen, weil ihr Herr früher aufgebrochen. Also wollte sie es wieder gut machen, und sie winkte ihn zu sich, wo etliche Prälaten und Männer standen, die von den Büchern wußten, und sie selber war auch gelehrt, denn ihrem Gatten zulieb, der gern Lateinisch sprach, hatte sie von der Sprache gelernt, was wohl selten ist bei Frauen, aber es kommt doch vor.

»Also Ihr meint, Herr Doktor,« sprach sie gar holdselig, »alles was wir sprechen und sehen und thun, ist nur aus dem Lateinischen übersetzt? Meint ich doch, es habe jedwedes Volk, als wie jeder Mensch, seine eigenen Sinne.« – » Sensus« rief der Doktor, »ist das Stammwort, daraus wir das schwächliche, magere Wort Sinn gemacht haben. Ist kein Sinn darin, warum wir nicht noch sensus sagen.«

Und seine Augen leuchteten vor Freude, daß alle sich desgleichen freuten, ihn zu sehen, und die Frau Kurfürstin besonders. Und seine Zunge war gelöst, und um ihn standen, die ihn anhörten und nicht unterbrachen, wie er schilderte, wie alles, was wir haben, thun und sind, eitel Barbarei wäre und Verderbnis, und fühlten wir's nur nicht, weil keiner wisse und ahne, wie es vordem anders und besser gewesen. Ja, wo uns keiner widerspricht, da läßt sich viel beweisen, und wer Wein im Kopfe hat, der sieht doppelt.

Da sprach der gute Doktor von der Herrlichkeit des römischen Reichs und Namens vor alter Zeit und von der herrlichen Sprache, gegen die alles, was wir Neuern sprechen, nur wie das Blaffen eines Hundes sei und das Miauen einer Katze; die dächten auch, sie sprächen. Und auch die alten Götter, den Jupiter und die Minerva und die Venus lobte er, daß die Prälaten sich doch schier darüber entsetzen müssen, als gute Christen; aber sie horchten gern zu und dächten: das kann ein anderer thun. Zumal über das alte Recht der Römer. Das sei wie ein Baum, der in der Erde Mitten wurzele, und seine Äste und Zweige wären aufgeschossen über den Himmel. Da stehe alles darin, was einer suche, und sei alles geschrieben, was geschehen könne. Daß dieser Baum verdunkelt sei von dem Gestrüpp, von den Dornen und dem Dickicht, das in der Barbarei der Jahrhunderte darum gewachsen, das sei die wahre Sünde gegen den heiligen Geist. Was sie hier zu Lande Richter nennten, diese Schöffen suchten nach einem Urteil, bis sie es fänden, und fänden doch nie, was recht ist. Und so sie Augen hätten zu sehen, so brauchten sie die nur aufzusperren und mit den Händen zuzugreifen, denn wie reife Äpfel hingen an dem Baume die einzig wahren und richtigen Urteilssprüche, so die gewaltigen und weisen Römer vor tausend Jahren schon für alle möglichen Fälle, die nach ihnen kamen, ersonnen hätten.

»So sind wir, meine gnädigste Frau und Herrin,« sprach er; »dürsten, und haben den Quell vor uns und trinken nicht, laufen wie toll durch eine Wüste und gewahren des Baumes nicht, der uns Schatten giebt. Dieses Reich nennt sich das römische deutscher Nation. Aber es ist das deutsche der Barbarei, denn man mag ihnen die Augen aufreißen, als weit man will, daß sie sehen, wie sie verdumpft und verstumpft sind und abgewichen von der Erkenntnis und dem Recht, und wo es liegt, beides, wie ein offener Schatz: sie wollen's nicht finden.«

»Aber ist doch heidnisch gewesen das Römervolk, als man mir gesagt hat,« meinte die edle Frau.

»Das ist eitel Verleumdung, meine gnädigste Kurfürstin. Denn waren die Römer das erste Volk, welches das Christentum annahm. Wie wäre sonst Rom der Fels worden, auf dem der Apostel Petrus seine Kirche gebaut hat! Aber als wie die filii naturales per subsequns matrimonium zu ehelichen Kindern gemacht worden, und sind es alsdann, gleich als wären sie so geboren, also sind die Römer dadurch zu uranfänglichen Christen geworden. Aber wie die Römer auf diese Weise zurückgegangen sind zum Quell des Lichts in der Wahrheit und sind eins worden mit ihm, so sind alle Völker zurückgegangen in die Finsternis der Barbarei; und alle unsere Einrichtungen sind wie der Rost, der über edlen Metallen klebt. Wir leben als die Säue in Schmutz und halten den Koben, dahinein wir kriechen müssen, für Schlösser und Hallen. Dennoch aber leuchtet die alte römische Wahrheit durch an manchen Stellen wie Sterne durch eine wolkige Nacht, und es giebt itzo schon Unterschiedliche, so klarer sehen und fühlen, daß die germanische Barbarei wieder muß abgethan werden und wir zurückübersetzen müssen unsere barbarischen Sitten, Rechte, Meinungen, Sprachen, Namen in das ursprüngliche reine Lateinisch.«

Da sagte der Propst von Havelberg zu ihm: »Doktor, hieß Euer Vater nicht Oelschläger?« Der Doktor wurde sehr rot und stotterte etwas. Er wollte vorbringen, daß sein Großvater Olearius geheißen. Aber die umher lachten und versicherten, sein Großvater hätte auch Oelschläger geheißen, und der Urgroßvater desgleichen. Wie der Rat das bestritt, wurde er sehr eifrig, aber er verwickelte sich, wie das wohl geschieht, wenn einer heftig ist und seiner Sache doch nicht gewiß, und angegriffen wird. Und das gab viel Kurzweil, und die gnädige Kurfürstin selbst lachte mit, wie der Doktor sich abmühte zu beweisen, daß seine Vorväter doch olearii gewesen und nicht Oelschläger.

Ernsthafter aber sah es hinter den Lustigen aus. Da fragte der Ritter Eike Holzendorf den Kanzler beiseit': »Was soll's, daß der Markgraf mit keinem Wörtlein der Dinge in den Hauptstädten erwähnte? Meinten wir doch, wir seien darum geladen.« – »Könnte auch wohl sein.« – »Aber wo einer davon anhub, ward er unterbrochen, als wär's nichts. Und bei Gott, es ist mehr als Streit mit dem Baltzer Boytin. Es sieht schreckhaft drüben aus.« – Der Kanzler zog den Holzendorf noch tiefer in die Ecke: »Manches ist auch schreckhaft, und ein kluger Mann verzieht darum doch nicht das Gesicht, sondern er schaut freundlich drein.« – »Herr Gott, das ist ja offenbarer Aufruhr –« »Gegen den Bürgermeister Baltzer Boytin, Herr Eike.« – »Nein, nein, sie haben die markgräfliche Fahne –« »Still,« unterbrach ihn der Kanzler und drehte die Augen nach dem Stettiner Bürgermeister hinüber, mit dem itzt die Kurfürstin gar huldvoll sprach. »So unser gnädiger Herr Ursach hat, dafür zu halten, daß die Berliner nicht mit ihm streiten, sondern nur mit ihrem Bürgermeister, so muß ein guter Vasall und Unterthan sich bescheiden und nicht mehr glauben wollen, als sein Herr will.« – »Wenn sie ihm aber auf der Nas' spielen –« »So wird die Zeit kommen, wo er's ihnen vergilt! aber was einer außer der Zeit thut, das thut er auch ohne Schick.« Da ging die Thür auf, und der Markgraf trat wieder ein. Ihm folgte der Ratmann Niklas Perwenitz von Brandenburg. Konnte man sehen, wie um des Herrn Stirn finstere Wolken lagerten, aber er verwand sie, und als er zu seiner Eheliebsten trat und ihr den Ratmann vorstellte, da waren sie schon weg, und er schaute klar um sich. »Das ist ein Freund seines Fürsten und guter Bürger,« sprach er. »Er denkt und handelt für seinen Herrn und ist bereit mit Rat und That, und ohne daß man's ihm heißen muß, ist er zur Stelle, wie es einem Vasallen ziemt, wo er Gefahr glaubt.«

Der Ratmann verneigte sich tief vor seiner gnädigen Fürstin, und sie reichte ihm huldreich die Hand zum Kusse. »Gefahr! Lieber! Ei, ich hoffe nicht, daß Ihr die meinem Herrn bringt. Ihr seid ja ein Mann des Friedens.«

»Das ist er!« sprach der Kurfürst. »Und wollte der allmächtige Herr, daß alle Obrigkeiten in unsern Städten solche Männer des Friedens wären! Es stände besser um mein Land und besser um die Städte. Nicht wahr, Ihr in Brandenburg habt des keinen Schaden, daß Ihr friedfertig seid und Euch vertragt, und Eurem Fürsten gebet, was des Fürsten ist. – Und Ihr, Herr Albert Glinde, in Stettin auch nicht, daß Ihr treu haltet zu Eurem Herrn?«

»Wir halten treu, als es Pommern ziemt, zu unsern Herzögen,« entgegnete der Bürgermeister. »Aber lassen sich die Bürger dort auch nicht nehmen, was ihres Rechtes ist –«

»Wie billig!« fiel ihm der Markgraf rasch ins Wort und wandte sich wieder zu Niklas Perwenitz. »Der gute Brandenburger Ratmann bringt uns seltsame Neuigkeiten, die er von Berlin vernommen. Zum Glück, daß wir sie schon wissen und uns kein grau Haar drum grämen wollen.«

»Sind sie wieder aufsässig?« fragte die Kurfürstin und sah besorgt ihrem Herrn ins Gesicht, denn sie wußte, was die Runzel über den Brauen zu sagen hatte. »Wann saßen sie denn still!« entgegnete der Herr. Otto Pfuel sprach: »Sie haben die markgräflichen –«

»Wir wissen alles!« fiel der Markgraf ein – »alles, alles, Ihr Herren, und mißbilligen es höchlich. Wir liebten die beiden Städte, wir wollten ihnen die Gnad' erzeigen und uns ein Haus unter ihnen bauen, aber bei Gott, wenn sie so fortfahren, haben sie's verwirkt, daß sie unser gnädig Antlitz sehen.« Da schrieen drei oder vier Ritter: »Das haben sie, beim Himmel, zehnfach verwirkt!«

»An uns, Ihr Herren, wird die Entscheidung sein, ob sie's verwirkt haben, oder ob, so sie demütig flehend zu uns kommen, wir sie noch in Gnaden aufnehmen und ihre Entschuldigung hören,« – »Hören noch!« rief Tile Kracht, und in dem spukte der Wein. »Sie haben Spott getrieben –« » Mit wem?« fuhr ihn der Markgraf an, und fuhr in die Schultern und hob sein Haupt über die Brust, und sein Auge herrschte königlich den Ritter an. »Will nicht hoffen, daß einer meiner Leute meint, es habe jemand in den Marken Spott getrieben mit seinem Herrn! Herr Tile Kracht und Ihr andern, hört Ihr, ich will's nicht hoffen, daß das jemand glaubt! Bin nicht der Herr, der sein spotten läßt.«

Und er schritt durch den Saal und schaute die Herren an, und sein Blick drang durch die Nieren. Sie standen alle nicht mehr fest und senkten die Köpfe. Keiner aber sprach einen Laut. Der Kurfürst setzte sich in einen Lehnstuhl. Nach einer Weil sprach er zu Albert Glinde, der vor ihm stand, und dem von Polenz und Kottbus: »Störrige Leute in meinen Städten! Werdet von ihnen gehört haben, mehr Thörichtes denn Gutes. Sind fleißig und schaffen, aber der fette Hafer sticht sie. Der Reichtum wuchs ihnen über den Kopf; darum entwuchsen sie der Zuchtrute. Ich liebe die guten Bürger, und der guten sind mehr als der schlechten. Das ist überall so. Aber die schlechten sind thätig, die guten legen die Hände in den Schoß. Das ist schlimm. Und daher Unfried' überall und Hader und Aufsässigkeit. Sie bohren und flüstern und verreden. Wer kann ein Ohr haben für alles! Wer schaut in alle Heimlichkeiten! Das ist Gottes Sache, nicht der Fürsten. Da haben böse Leute ihnen eingeredet, wir wollten ihnen übel, wollten ihnen nehmen, was ihres ist, ihre Mauern brechen und sie zu Knechten machen. Die bösen Leute will ich strafen, und ich werde es, die Guten haben nichts von mir zu fürchten. Im übrigen aber, Ihr Herren, kümmert mich die Sache wenig. Sie streiten mit ihrer Obrigkeit. Ist noch kein Bürgermeister in Berlin gewesen, mit dem sie zufrieden waren. Damals kam ich auf ihre Bitten, schlichtete und setzte fest; ich that, warum sie baten, kürte ihnen einen neuen Rat und neue Bürgermeister. Meinte, nun ist's doch gut, ihr Wille geschehen. Die Gevatterschaften und ihr Regiment hörten auf. Ja, kaum daß ich den Rücken gekehrt, hub das wieder an. Waren mit niemand zufrieden. Ihre Besten jagten sie fort. Kann ich einem helfen, der sich selber nie zu helfen weiß? Den Baltzer Boytin, auf ihre Bitten setzte ich ihn ein. Nun wollen sie ihn wieder nicht. Was! Soll ich sie bitten, soll ich's ihnen befehlen? Was geht's mich an.«

Der Ritter Bardeleben trat vor: »Gnädiger Herr, sie haben sein Haus gestürmt, ihn aus dem Thor vertrieben, und was weiter dabei vorfiel –«

»Mögt Ihr dem Kanzler sagen! Ist Berlin mein Land? Heiliger Gott, ich bin auch Fürst des Reichs! Will man mir von früh bis spät die Ohren klingen lassen von dem kleinen Gezänk. Man wünschte es wohl, daß ich nicht andere Klagen hören soll, daß ich mein Aug' wo anders abwende! Ihr irrt. Dem Baltzer meldet, daß er vor meinen Räten erscheine. Ist er im Recht, so sollt Ihr schreiben für ihn nach Berlin und Köln. Und wär er nicht im Recht – was kenn' ich ihn – da sollt' ich wohl für ihn alles vergessen, Hof und Haushalt, Weib und Kind, Städte und Land um einen vertriebenen Berliner Bürgermeister! Die Räuber will ich züchtigen und vertilgen, die Feinde, die dem Lande drohen, will ich abhalten, die Stirn jedem weisen, der mein fürstlich Recht verletzt, aber mögen die Städte und ihre Bürger es selbst austragen, so sie sich zanken um des Kaisers Bart.«

Darauf war der Herr aufgestanden und hatte ihnen gnädig genickt, daß sie entlassen waren. Und alle nahmen Urlaub und gingen, manche kopfschüttelnd; sie verstanden nicht, was der Herr meinte; und so aufgeregt und ärgerlich hatten sie ihn nie gesehen; er war bald rot, bald blaß worden und war's recht sichtlich, wie er vieles verschluckte und anders sprach als er dachte.

Nur die gnädige Fürstin war geblieben und Herr Johannes, der Kanzler, und der Graf von Knipprode.

»Um Gott, was ist's, Friedrich!« sprach nun die Fürstin und war aufgesprungen, und schaute ihrem Herrn in sein gramerfüllt Gesicht, und legte holdselig den Arm um seine Schultern, wie er wieder hingesunken war in den Stuhl.

»Es ist arg.« – »Was ist so arg, daß Du's Deinem Gemahl verbirgst?« – »Es ist zu arg, bei Gott! Und daß ich schweigen, es hinnehmen muß.« – »Friedrich, mein lieber Herr! sie heißen Dich den Eisernen, und das ist nicht recht, denn Du bist auch gütig und großmütig. Aber ich weiß, Du nimmst nichts hin, was nicht Gott gefügt und Du nicht ändern kannst.« Er sah sein holdselig Gemahl freundlich und wehmütig an, und drückte ihr die Hand: »Das ist eben das Arge, mein Lieb, daß wir nicht dem Willen können gehorsamen, der gradaus geht. Sondern daß wir auch der Klugheit gehorsamen müssen, zumal wir

»Auf Herrn Albert Glinde mögen wir Häuser bauen,« sprach der Kanzler. »Er ist märkisch durch und durch, als wie er auch in unserm Land geboren ward.« – »Ihr hättet auch wohl nicht nötig gehabt um ihn die Vorsicht,« fiel der Graf von Knipprode ein. »Er ist ohnedem gebunden an Euch.« – »Was ist's, was ist's, Ihr Herren, mein Gemahl? Ist doch kein Unglück geschehen, das sich nicht wieder herstellen läßt!« – »Gewiß nicht, gnädigste Frau,« sprach der Graf. »Sie haben nur ihren Bürgermeister mit etlichem Lärm aus dem Thor gebracht. Der Meister Baltzer trägt einige Beulen an der Stirn –« »Ich war nie von Herzen Eurer Meinung,« fiel der Markgraf ein. »Dieser Boytin ist so klug und geschmeidig, als ich meine Märker nicht liebe. Was mußten wir diese Seitenwege einschlagen.« – »Gradaus heißt mit der Stirn durch die Mauer rennen.« – »Der Mensch ist verachtet, wohin Ihr hört. Das gelbe Gesicht lauert immer.« – »Ein desto besserer Bock, dem man die Sünden aufpackt.« – »Und ein sehr verschlagener, nüchterner Mann,« sprach der Kanzler. »Wenn wir nur redliche Männer brauchen wollten, wie richteten wir's da aus! Diese störrigen Massen von Eisen und Stein, wie will man sie bewegen und lenken, wenn man nicht Hebel braucht, die man unversehens ihnen in die Fugen setzt. Bei Gott, es geht nicht ohnedem!«

»Und wie ist's nun gangen!« fiel der Markgraf ein. »Meinen Richter, den Balthasar Hake, gefangen gesetzt, des Baltzer Haus gestürmt, er nur mit Mühe und Not über die Mauer an einem Seil entkommen! Ins hohe Haus gedrungen, meine Arche erbrochen, meine Briefe, Papiere zerstreut, in tausend Händen. Ist das keine Schmach! Schreit das nicht zum Himmel um Rache!« – »Das konnte ein guter Bürgermeister hindern!« sprach der Graf. »Dem Baltzer geschieht schon recht.« – »Mir aber, mir, Graf! Beim allmächtigen Gott, wenn sie meine Heimlichkeiten lesen und verbreiten –« »Können ihrer nicht viel lesen in Berlin,« sprach der Graf. »Weiß Gott und alle Heiligen, ich ginge gern gradaus, und könnte jeder mein Thun lesen!«

Ein wie fromm und mild Gesicht als die gnädige Kurfürstin auch hatte, da zuckte es über sie, und voll Hoheit richtete sie sich auf und sprach: »So sie ihm Schmach angethan an seiner Ehre, weiß ich auch, daß mein Herr seine Ehre zu hüten weiß. Und Du wirst es nicht hingehen lassen, sondern ihnen thun als sie verdienen.« Die drei Herren schwiegen. Der Kanzler schüttelte den Kopf, der Graf sagte der holden Frau etwas Artiges von der Frauen Verstand und Klugheit, und daß, wo sie in den Richterhöfen säßen, das Recht immer siegen werde. Aber sie alle fühlten, es war hier nicht gethan mit artigen Worten. »So schütte aus, Friedrich, was Dich beengt und bange macht,« sprach sie. »Denn noch hast Du mich wert geachtet, daß Du Deine Sorge mit mir teilst, als wie Du Deine Freuden mit mir teiltest. Bin ich auch ein schwaches Weib und verstünd' es nicht, so kann ich's doch mit Dir fühlen und Du belehrst mich. Denn so wir nicht miteinander leiden und froh sind, was ist's dann um unser Glück!«

Da warf er einen hellen großen Blick auf das liebe Weib, der Herr, und drückte ihre Hand: »Das ist doch Balsam auf Weh für einen Fürsten, so er ein lieb Weib hat; und so er muß falsch scheinen vor den Klugen und Bösen, zu Haus kann er wahr sein unter den Guten und Wahren.« – »Und mußt Du falsch sein, Friedrich?« – »Die Welt ist arg. Eines Fürsten Leben, lieb Weib, ist ein Krieg. Und das wäre ein schlechter Feldherr, der, was er will, auf dem Schilde trüge.« – »Und was darfst Du nicht Deine Stimme erheben und denen von Berlin zurufen Deinen Zorn? Du bist itzt mehr im Recht als damals, wo Du ihre Thore brachst. Sie haben ihren Eid gebrochen.« – »Das ist's ja eben! Sie waren damals im Rechte, nicht so, Johannes? und ich durfte es! Und itzt bin ich im Rechte, und darf es nicht! Ich darf es itzt nicht, liebes Weib,« fuhr er nach einer Weile fort, »weil ich meine Augen und Ohren muß offen haben auf größere Dinge. Weil mein Name gut klingt in der Fremde. Weil sie mich achten für einen Fürsten des Friedens und der Gerechtigkeit, und viele zu mir kommen, sich freiwillig meiner Herrschaft zu unterwerfen. Müßt' ich brechen meiner eignen Bürger Mauern, das würde sie nicht locken, das würde sie verscheuchen. Und der ist der glückseligste Fürst, so durch Gerechtigkeit und den Segen des Friedens sein Reich mehrt. Ich darf es nicht, weil unser Streit mit Mecklenburg kaum beigelegt ist, und in dem schönen fruchtbaren Pommern eine Erbschaft Brandenburg entgegenglänzt, so reich, daß wir darum Jahre darben können; es ersetzt sich zehnfach. Die Marken mit Pommern unter einer Herrschaft, das wird ein Land werden, stolz und fest wie eines im deutschen Reiche. Ans Meer gelehnt, werden wir sicher stehen, nicht mehr dem Wandel ausgesetzt und vom einen zum andern gewürfelt. Unser Arm wird reichen tief ins Reich, und unser Name wird einen vollen Klang haben. Darum der Pommern Herzen zu gewinnen, vor allem ihrer wohlhabenden Städte, muß unser Sinnen sein und erstes Trachten; und was würde ich dort für Lob haben, so ich Krieg führte mit meinen eignen Städten? Ich darf es nicht, um meinen Adel, der vor Lust zum Losbrechen die Zähne knirscht, nicht den Zaum zu nehmen, den mein Vater ihm umgelegt. Ließ' ich ihn los und gäb ihm freies Spiel gegen die Städte, ich verlöre beides, meine Ritterschaft und meine Bürger. Ich darf es auch nicht um meiner Städte selbst willen. Sie sind der Kern dieses Landes und seine Schatztruhen. Nur da blühen spärlich beim Bürgerfleiß die Sitte und die Künste des Friedens. Ein schlechter Gärtner, der die junge Saat zerstört. Ich darf es nicht, weil die Fäden noch halten, die den Städtebund zusammenknüpfen. Und rückte ich mit Roß und Mann gegen die eine, wer bürgt mir, daß hier der störrige Wille, dort die alte Kriegslust, überall der unbändige Sinn dieser eisernen Bürger sich wieder regt, daß sie alle aufstehen; und das wird ein Krieg, dessen Ende wir nicht absehen. Darum, mein liebes Weib, muß ich, ob doch freier Herr in diesen Marken, mein grades Recht krumm biegen, muß, wie hell es leuchtet, seinen Glanz verhüllen, und wie laut es spricht für sich, es stumm machen, und muß, ich, der ich selbst oberster Richter bin, mir Richter bestellen, daß sie urteilen zwischen mir und den Städten.«

»Und Du bleibst doch ein großer freier Herr,« sprach sie, die ihm aufmerksam zugehört, »denn Du überwindest und beherrschest Deinen eignen gerechten Groll,«

Darauf setzte sich die Fürstin zu den Herren nieder, und als ein verständig Weib horchte sie ihren Beratungen zu. Sie sprach nicht mit, außer denn sie wurde gefragt. Und da gab sie allemal bescheidene und richtige Antworten. Und nun, da sie wußte, was es galt, redete sie nicht ihrem Herrn auf, als wie vorhin, daß er sein Recht wahre und seine Fürstenehre; nein, sie gab mitunter recht kluge Ratschläge, die die andern loben mußten. Denn so ein Weib auf die rechte Bahn gebracht ist und ist sonst klug, dann fällt ihr manches bei, daran ein gescheiter Mann nicht denkt. Ist sie aber auf falsche Bahn geraten und versteckt und hitzig, dann ist sie toller als der falscheste Mann und bringen sie zehn gescheite Männer nicht wieder zum Rechten. Mag sich drum jeder preisen, der ein gut und gescheit Weib sich erwarb.

Da beschlossen sie denn, wie man der Sache, die groß und arg war, einen kleinen Schein geben müsse, so lange es ginge. Und was doch Empörung war und Schmach, dem Markgrafen angethan, das solle angesehen werden als Aufsäßigkeit der Bürger gegen ihren Meister. Und wolle man geschickte Leute brauchen zum Verhandeln, jedoch so, daß der Markgraf sich nichts vergebe. Aber Hilfe soll der Baltzer Boytin erhalten ohne Aufhebens. Man wollte an die Städte schreiben, daß die ihm wieder Gehör geben und frei Geleit, und gleicher Zeit auch an die andern Städte in den Marken Botschaften senden, daß sie der Streit nichts anginge, und sie sich nicht einmischen dürften, bei des Herrn Zorn. Wenn aber der Baltzer nicht Herr werden sollte der Städte, und das Feuer um sich greifen, und die Widersätzlichkeit andauern, dann solle der Streit vor die Stände gebracht werden, und die sollten Schiedsrichter ernennen, auf die man sich verlassen möge.

Das war ein Fürstenrat, wo alle einig waren; aber froh waren sie darum doch nicht, als sie aufstanden, über ihren Beschluß.

Der Kanzler Johannes war fortgegangen, daß er in der Kanzlei den Schreibern diktiere, was sie schreiben sollten, und die Boten bescheide. Der Graf von Knipprode aber stand vor dem Herrn und seiner Ehefrau, daß er Urlaub von ihnen nähme auf länger. Nämlich er ritt zurück nach Franken, an den Hof des Burggrafen Albrecht, den sie Achilles, um seiner Tapferkeit willen, nannten. Da sahen sich die drei recht wehmütig an.

»Ach Friedrich,« sprach sie, »daß wir auch dort wären, wo es so schön ist und die Leute fein und sittig!« – »Es wird auch hier schön werden,« tröstete er sein Weib. »Aber das währt noch lang, und wir erleben's nimmer.« – »So nehmen wir den Trost mit uns aus dieser Zeitlichkeit, daß wir gearbeitet haben für die Ewigkeit.« – »Gnädiger Herr,« sprach der Graf, »daß Ihr's aushalten möget! denn Euch stehen noch schwere Kämpfe bevor.« – »Was eines Mannes ist, das will ich thun.« – »Wenn Ihr mit einem fertig seid, steht der andere auf. Ich wünsche es Euch anders, bei Gott, aber es ist nichts zu ernten in dem Lande.« – »Es ist in jedem Lande zu ernten, Konrad, so man nicht will die Oliven ziehen im Norden und die Schneeblümlein in Afrika. Wer den Weizen in den lockern Sand streut, ist ein Thor; aber wer sich Mühe giebt, findet zwischen dem Sande fette Schichten, da er aufschießt und Körner trägt fünffach und zehnfach. Und ich will nicht die Mühe mich verdrießen lassen, das sage meinem Bruder Albrecht.« – »Der würde anders unter diese Distelköpfe fahren.« – »Gott schuf auch diese Disteln; er wird helfen.« – »Und die Jungfrau Maria,« fiel die fromme Fürstin ein. »Sagt meinem lieben Schwager, auf die hohe Himmelskönigin haben wir unser Sach gestellt und stiften ihr den Orden auf dem Marienberge. Ei, das wäre doch gottlos, nun zu verzagen. Denn sie verläßt uns nicht.« – »Amen!« sprach der Fürst. »In den Schutz der hohen Himmelskönigin stell' ich mein Regiment und diese Lande.«

Da nun der Graf geschieden war, sprachen der hohe Herr und seine holde Ehefrau noch traulich miteinander, und sie suchte durch liebreich Wesen und schöne Worte die Falten von seiner Stirn zu glätten. Aber auch die kamen immer wieder, wenn sie die Hand fortgezogen und den Blick abgewandt.

»O so wünscht ich doch,« sprach sie fast zornig, als sie's merkte, »daß diese bösen Städte, so meinem Herrn so viel Sorge machen, abbrennten in Grund und Boden. Du hast ja der Städte viel!«

Da atmete er auf wie aus einem bösen Traum, und sein Auge leuchtete wie von einem Gedanken durchzuckt: »Da brennte ja die Arche mit – und die Papiere und Briefe.« Und nachmalen schellte er und ließ den Brandenburger Ratsherrn zu sich kommen und verschloß sich mit ihm. Sie sprachen wohl eine Stunde heimlich miteinander, und drauf reiste der Brandenburger eilends ab gen Berlin mit des Markgrafen eignem Pferde. Der Herr Kurfürst war aber sichtlich erheitert, wie er wieder zu seiner Frau trat.

Die aber saß an ihrer Arbeit und sah ihn nicht so holdselig an wie vorhin. Und sie reichte ihm wohl ihre Hand, als er's wollte, aber nur wie man etwas giebt, was gefordert wird, nicht wie man's freiwillig und von ganzem Herzen giebt. Sie schmollte, wie wohl Frauen thun, auch gute.

Und sie saßen beide eine Weile sich gegenüber, und keiner sprach ein Wort. Da sagte er: »Mein Lieb ist eifersüchtig.« – »Was soll ich eifersüchtig sein,« sprach sie. »Du magst so lange sprechen mit dem Meister Niklas als Dir's Lust ist, so er Dich besser zu trösten weiß als Dein Weib.«

»Niemand weiß besser zu trösten als eine liebe Frau,« sagte er. –

Da ließ sie die Nadel sinken und sah ihn an: »Und doch schließest Du Dich ein mit dem Krämerherrn und sagst ihm, was Dein angetraut Weib nicht hören darf, und kehrst heiter wieder, und Dein Weib konnte Dich nicht heiter machen.«

»Ein treu und hold' Gemahl,« sprach er und faßte ihre Hand, »ist ein köstlich Ding jeglichem Mann, und ist der nicht wert es zu haben, so die Gabe Gottes nicht schätze. Aber gleichwie der Priester allein stehen muß sein Leben durch und darf niemand vertrauen, denn Gott allein, was ihm in der Beichte gesagt, also hat auch der Fürst Pflichten und Heimlichkeiten, davon keiner wissen darf als er allein, und die darauf geschworen sind. Das Regiment im Land, mein lieb Weib, ist ein eigen Ding. Da ist der Fürst ein Priester und darf kein Weib haben, dem er das Herz ausschüttet, als er wohl möchte. Da sind Fremde ihm näher, als die ihm die Nächsten sind. Hart ist's, aber es ist so. Und ich freue mich, daß es so ist; denn ein guter Mann teilt alles mit seinem Weibe, aber so er die Sorge für sich allein behalten kann, und was ihn drückt, nicht auch sein Weib drücken läßt, ist's ihm lieb. Aber so er die Heiterkeit wieder geben kann, so in ihm ist, ist's ihm noch lieber. Ich bin froh; bist Du's nun auch?«

Da lehnte sie sich an ihn und flüsterte ihm zu, was keiner hörte, aber beide sahen gar holdselig sich an.


 << zurück weiter >>