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O Frühlingslust – o Bergesrand –
O Neckargrund – o Schwabenland –
Halb wachend, halb im Schlaf ich lag –
Und morgen ist es Feiertag.
Die Wange frisch, wie Milch und Blut,
Auf seiner Hand der Falke ruht;
Er fegt sein Schwert mit eigner Hand,
Die Laute trägt am seidnen Band
Jung Walther.
(und singt:)
Walthers Lieder.
Ein hohes trauernd Frauenbild,
Der Schlosses Herrin, ernst und mild.
Es löst sich laut des Herzens Last,
Man hört die große Thräne fast
Zum Thau des Landes niederfallen.
Des Thurmes Wärtel tutet, sieh Ritter mit den Pferden;
Zu einem Paare sollen Ghismond und Walther werden.
Die Väter han's geschworen, Walther hat nichts dagegen,
Die Mutter auch sie gibt ihm mit Thränen ihren Segen.
Der Hausherr giebt 'ne Kneiperei,
Die ital'schen Reiter sind auch dabei;
Der Präses ist ein schlimmer Gauch
Mit rother Nas und dickem Bauch.
Und ein stummes Liebespaar,
Keines kann weinen, kein's kann sprechen,
Stumm des Wärtels Töchterlein
Und des Vogtes Bübelein,
Dem das Herz möchte brechen.
Jung Walther thät da Abschied von seiner Mutter nehmen,
Darüber thät sie weinen und sich herzinnig grämen.
Fort, fort er zieht,
(und singt:)
Tief in des Schwarzwald wildverworrnem Wald
'Ne grüne Wildniß in der Lenzesnacht, –
Da steht ein Schloß verfallen, morsch und alt.
Der junge Bronnen plätschert aus dem Schacht.
Nur siehe, heimlich winkt vom Erkerzimmer
Ein wohnlich Licht durchs Graus mit trautem Schimmer.
Da wohnte, wie's noch blüthe, ein edler Sängerwirth.
Der stach aus Eifersüchten 'nen fremden Ritter todt,
Wies seiner Frau die Thür sammt seinem Dienerstand,
Und blieb darin allein mit der kleinen
Amaranth.
Und Amaranth ist aufgewacht,
Ein stiller Himmel in ihr lacht.
Der Alte ist sehr schlecht gelaunet,
Amaranth sie küßt ihn auf den Maund.
Sie muß hinunter in den Wald,
Wo's ihr gar sonderlich gefallt;
Und dorten hat von Liebe jetzt jemand einen Traum.
Man weiß nicht recht, ist
sie es, ist es der Tannenbaum.
(Hierauf singt sie:)
Auf seiner Fahrt hat Walther schlechtes Wetter,
Und wird putschnaß;
Und Amaranth thut auf die Thüre, –
Man ahnt schon was! –
Sie sitzen stumm am Eichentisch –
Und schweigen.
Herr Walther tief in's Herz ihm sieht –
Sie schweigen.
Dem Wirth dringt wohl sein Blick in's Herz –
Sie schweigen.
Wohl kömmt dem Wirth und Gast zumal
Ein Schweigen.
Im Erker sitzet Amaranth,
Sie hat ihr Köpfchen in der Hand; –
Herr Walther sitzt im Thurmgemach,
Und denket auch derweilen nach.
Amaranth steht sehr früh auf, zur Kirche geht ihr Gang,
Der Gang zur Kirche dauert 10 volle Seiten lang.
Der Alte thut Jung Walthern stramm umfassen:
»Du darfst so schnell mich nicht verlassen.«
Amaranth geht wieder in den Wald
Wo's ihr so sonderlich gefallt; –
Auch Walthers Bild im Bächlein schwimmt –
Ein Kuß – und sie das Lied anstimmt:
Er hat mich geküßt!
Jung Walther singt
Von seiner Braut im wälschen Land; –
Das Herze springt
Still, jäh und schrill der Amaranth.
Lehr' mich auch nun ertragen,
Gehorsam im Entsagen,
Spiegel der Demuth, Maria!
Im Bette liegt ein armes Weib,
Amaranth pflegt christlich ihren Leib, –
(und singt hierauf:)
Stille Lieder.
Amaranth geht wieder in den Wald
Wo's ihr so sonderlich gefallt;
Und dort begegnen sie einandern,
Auf's Herz die schweren Thränen wandern.
Der Alte füllt die Kannen,
Und gibt ihm einen Kuß;
Jung Walther zieht von dannen, –
Amaranth sich grämen muß.
Ihr Schloß das liegt am Comer See;
Wer es nicht glaubt, geh hin und seh'.
Jung Walther froh ins Aug' ihr schaut, –
Ghismonde ist 'ne stolze Braut.
'Ne Gondelfahrt zum Zeitvertreib,
Er legt die Hand um ihren Leib; –
Ghismonde auf die Frag' verfällt:
»Ahnst du ihn auch den Geist der Welt?«
Die Sänger in die Saiten greifen
Und singen Stanzen und Sonett,
Die Edelknaben schweifen
Herum mit Maitrank und Sorbett.
Die beiden gehn am See, und halten Liebesrast;
Jung Walther hat natürlich sie um den Leib gefaßt.
Ein Mägdlein fällt in's Wasser, Jung Walther zieht's heraus,
Ghismonde hat ein kaltes Herz, sie klatscht ihm keinen Applaus.
Es kommt ein armes altes Weib,
Ghismond' will ihr nichts schenken;
Herr Walther fährt aus feinem Traum,
Und thät's ihr sehr verdenken.
Ghismonde will hinaus zur Jagd,
Trotzdem daß Walther jammernd klagt:
»Sei meine liebgetreue Magd!« –
Er thät auch das ihr sehr verdenken.
Ghismonde will zum nächtlichen Fest,
Walther will's refusiren;
Sie kommen bei der Gelegenheit
In's theologische Disputiren.
Er merkt es ihren Reden an,
Daß sie 'ne Rationalistin.
Das nicht allein, sie scheint sogar
Auch arge Pantheistin.
Sie spricht von der Vernunft Talar,
Und von der alten Blindheit,
Und von der Mythe Nebelthal,
Vom Sagenkleid der Kindheit.
Unselige, mir graut vor dir,
Wie kannst du so verneinen?
Wie'n richtend Schwert ein Donnersturm
So klingt mir dein Verneinen!
Du liesest schlechte Bücher, scheint's, –
O Gott, am Ende Hegel,
Und Schleiermacher und David Strauß,
Und August Wilhelm Schlegel.
Von Heine kennst die Lieder du,
Und die Schriften der Tübinger Schule,
Ach, und die Ideen von jenem gar
Zu Spandau an der Spule!
Von Göthe kennst du gewiss den Faust,
Der sich verschreibt dem Teufel, –
Savonarola von Lenau auch
Benutzest du sonder Zweifel!
Um's Himmels willens du liest doch nicht
Professor Rothe's Ethik?
Und noch ein sehr gefährliches Buch
Ist Palmer's Homiletik;
Man glaubt es nicht, man sieht's ihm nicht an,
Er scheint so treu und ehrlich;
Doch glaub' mir auf mein Wort, er ist
Außerordentlich gefährlich!
O Gott, lies diese Bücher nicht;
Der Papst hat sie verboten,
Und unsere katholische Censur
Gab ihnen sehr schlechte Noten!
Schaff lieber dir die
Acta an
Concilii Tridentini,
In primis auch die
Opera
Iesuitae Bellarmini.
Vor allem ein
Compendium
Das will ich dir empfehlen:
Oswaldi Mariologie,
Zum Heile frommer Seelen.
Das ist ein excellentes Buch,
Voller erbaulicher Lehren;
Es ist zur katholischen Seligkeit
Durchaus nicht zu entbehren.
Schaffst du dir dieses Buch nicht an,
So sind wir ewig geschieden! –
Ghismonde sieht ihn hönisch an:
Scheer' dich, laß mich in Frieden!
Und Aramanth derweil allein
Sitzt in dem Liebeskämmerlein,
Sie träumt der Liebe goldnen Traum,
Und draußen rauscht der Tannenbaum.
Ghismonde ist gar sehr erschreckt,
Sie hat sich auf das Pfühl gestreckt;
Sie lüftet seufzend die Gardinen,
Da spricht der Weltgeist ins Terzinen.
Und ruhlos wachend in dem Bette
Macht sie 12 schreckliche Sonette.
Derweilen hat Walther gesunden Schlaf,
Er hat sich ja gehalten so brav;
Er zeigte, daß er ein katholischer Christ
Und ein ehrlicher deutscher Jüngling ist. –
Und alsbald fängt er an zu träumen
Von Cedern und von Palmenbäumen,
Von sonnenfunkelnden Juwelen,
Gleich himmelslautern Dulderseelen,
Von Sternenmänteln, Regenbogen,
Von Hymnenstimmen, Meereswogen,
Und von der ew'gen Dreiheit Glanz,
Von Berg und Thal und Gletscherkranz,
Sirenenworten und Nachtigallen,
Der ew'gen Erdenharfe Schallen,
Von Giftpokalen und schönen Zügen,
Und von dem fleischgewordnen Lügen,
Von hehrer Töne ew'gem Klingen,
Und tausend andern schönen Dingen –
Zuletzt auch von dem Schwabenland
Und seiner lieben Amaranth,
Von Erkerfenster und Mondenschein –
Das mochte wohl das Vernünftigste sein! –
Mägdlein stehn mit Laubgewinden,
Die sie um die Säulen binden,
Und der strenge Kastellan
Sieht sich die Geschichte an.
Reiter, Kastellan und Zofen
Fangen endlich an zu schwofen, –
Und der Kastellan er spricht:
Alter schützt vor Thorheit nicht!
Jung Walther macht zurecht sich schnell
Und steckt sich in sein Büffelfell.
Die Braut thut an ihr Hermelin,
Ziert sich mit Perlen und Rubin.
Nun wollen sie zur Kirche geh'n,
O wehe was wird da geschehen!
Herr Walther nimmt sich vor zur Stund':
Ja er will schließen diesen Bund;
Den
süßen will der Himmel nicht,
Die Perle auf getrübtem Grund
Soll klären er mit Glaubens Licht.
Beim Brautzug thut sich Walther schnell
Noch anders resolviren,
Und er entschließt sich öffentlich
Ghismonden zu blamiren.
Er heißt die Menge stille stehn,
Tritt auf die Treppensteine,
Und fragt Ghismonden zum letzten Mal,
Ob sie noch immer verneine?
Ghismonde schweigt, – und Walther sinkt
Fromm zu des Bischofs Füßen,
Und der natürlich beeifert sich
Ihn an sein Herz zu schließen.
Herrn Walther den begleitet stumm
Der Bischof mit seinen Treuen,
Er reitet zu Kaiser Rothbart's Bann
Um sich allda zu zerstreuen.
Jung Walther kehrt von der Römerfahrt,
Er hat sich gezogen einen Bart,
Zum Schwarzwald wend't er seinen Lauf,
Dort suchet Amaranth er auf.
Amaranth natürlich ist im Wald,
Wo's ihr so sonderlich gefallt.
Sie sitzet traurig an dem Bach,
Da naht sich Walther allgemach;
Ihr Seufzer seinen Namen spricht,
Und ihre Hände falten sich,
D'rin birgt sie tief ihr Angesicht,
Und schluchzt und weinet bitterlich.
Und Walther – der wird jetzt sie küssen,
Sie glühend in seine Arme schließen,
An's Herz die Heißgeliebte pressen,
Daß Leid und Jammer all vergessen? –
O nein, wie schlecht ihr Walter kennt –
So schnelle hat das Ding kein End:
Er muß zuerst die Mutter fragen,
Was wird die Mutter dazu sagen?
So denkt er, setzt sich auf sein Roß,
Und reitet gemüthlich auf sein Schloß.
Das Töchterlein des Wärtels macht einen großen Satz;
Es kommen Herrn Walthers Reiter, dabei ist auch ihr Schatz.
Herr Walther lieget schweigend an seiner Mutter Brust,
Und ob des Glückes selig die Mutterthräne fließt.
D'rauf spricht er von Ghismonden, wie sie den Herrn verneint,
Und selig, dreimal selig die Mutterthräne fließt.
Von Amaranth nun weiter Jung Walther ihr erzählt,
Und selig, neunmal selig die Mutterthräne fließt.
Den Schwiegerpapa sucht Walther jetzt auf;
Auf der Schweinsjagd ist er eben;
Der alte Sänger freut sich sehr,
Daß alles sich so begeben.
Endlich faßt Walther sich ein Herz
Zu Amaranth zu gehen; –
Hätt' er nur einen Korb gekriegt,
Es wär' ihm recht geschehen!
Herr Walther, der Sänger und Amaranth,
Die reiten jetzt in's Schwabenland. –
O Frühlingslust – o Bergesrand,
O Neckargrund – o Schwabenland; –
Halb wachend, halb im Schlaf er lag,
Und morgen – ist es Feiertag.