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Geschichte der Favoritin.

»Es war einmal zu Ispahan ein junger Seidenhändler, der sich ebenso durch seine Schönheit wie durch die Liebenswürdigkeit seines Benehmens auszeichnete; man sprach in dieser Hauptstadt nur von der Gestalt und Anmut dieses jungen Mannes. Die Favoritin des Königs, der damals in Persien herrschte, hörte auch von ihm reden; sie bekam ein brünstiges Verlangen, ihn zu sehen, und als sie ihre Neugier befriedigt hatte, erkannte sie, daß die Reden von dem jungen Manne nicht übertrieben waren, sondern daß seine Schönheit alles weit übertraf, was man ihr davon gesagt hatte: ja dieselbe machte auf sie einen solchen lebhaften Eindruck, daß sie in kurzer Zeit Schlaf und Eßlust verlor.

Ihre Amme, die ihr höchst zugetan war, bemerkte die mit ihr vorgegangene Veränderung und fragte sie um die Ursache derselben. Die Favoritin weigerte sich lange, ihr die Leidenschaft zu bekennen, welche sie ergriffen hatte; endlich aber gestand sie, daß das Bild des jungen Kaufmannes ihre Ruhe gestört hätte, und sie versicherte ihrer Amme, daß alle Hoffnung auf Glückseligkeit für sie verloren wäre, wenn sie den jungen Mann nicht wiedersähe. Die Amme suchte lange Zeit sie von dieser unseligen Leidenschaft abzulenken; als sie aber sah, daß ihre Vorstellungen und Ratschläge fruchtlos waren, und daß die Favoritin, unvermögend, ihre Liebe zu besiegen, täglich mehr hinschwand, so versprach sie ihr, alles mögliche zu tun, um ihr Verlangen zu befriedigen.

Sie ging also zu dem jungen Manne, teilte ihm die Empfindungen der Prinzessin mit und ihr Verlangen nach einer Zusammenkunft mit ihm. Beide kamen überein, mehrere große Kisten mit Seidenzeugen zu füllen und ihn in der letzten zu verstecken, was auch noch denselben Abend ausgeführt wurde. Man zeigte den zur Bewachung des Harems angestellten Verschnittenen die mit Waren gefüllten Kisten vor; und als die Amme ihnen gesagt hatte, diese Sachen wären für die Favoritin bestimmt, so nahm sich keiner heraus, sie zu durchsuchen.

Sobald der junge Kaufmann auf solche Weise hereingebracht war, beeilte man sich, ihn aus dem engen Gefängnisse hervorzuziehen, in welchem er versperrt war: aber kaum hatte er Zeit gehabt, der Favoritin einige Worte zu sagen, als die erschrockene Amme eintrat und die Ankunft des Sultans verkündigte, und dieser Fürst trat so schleunig herein, daß die Favoritin kaum Zeit hatte, ihren Geliebten wieder in den Kasten zu versperren, aus welchem sie ihn soeben hervorgezogen hatte.

Schrecken hatte schon den unglücklichen Kaufmann ergriffen; er verdoppelte sich noch, als er hörte, daß der Sultan ziemlich dringend zu sehen begehrte, was die Kisten enthielten; aber sein Schrecken erreichte den höchsten Gipfel, als er die Sultanin antworte hörte:

»Ich kann dem Verlangen Euer Majestät nicht nachgeben, denn mein Liebhaber befindet sich in einer derselben.«

»Unselige!« rief der Sultan aus, »so also wagst du es, meinen Palast zu besudeln! Du bist auf der Stelle des Todes, ebenso wie der unwürdige Gegenstand deiner Liebe. – Wachen, ergreifet sie!«

Der Kaufmann war in diesem entscheidenden Augenblicke der Ohnmacht nahe; er glaubte, die Favoritin hätte den Kopf verloren, als er ein lautes Gelächter aufschlagen hörte.

»Herr,« sprach sie ihrerseits mit Hoheit, »ich wollte sehen, ob Euer Majestät einiges Vertrauen zu mir hätte, und ich freue mich, nun zu wissen, was ich von Eurer Zuneigung zu mir zu halten habe. Wähnet Ihr mich denn so von Sinnen, Euer Majestät zu betrügen und Euch zugleich so töricht meinen Fehltritt zu gestehen? Ihr möget jetzt die Kisten öffnen, hier sind die Schlüssel; aber ich erkläre Euch zu gleicher Zeit, daß ich für immer auf einen Wohnort Verzicht leiste, wo ich der Gegenstand des schimpflichsten Verdachts gewesen, und auf die Liebe eines Fürsten, dessen Vertrauen ich verloren habe.«

Diese mit einem festen Tone ausgesprochenen Worte machten den Sultan so kleinlaut, daß er, weit entfernt, an die Bewährung seines Verdachts zu denken, sich nur damit beschäftigte, den Zorn der Favoritin zu besänftigen, welche durch diese List glücklich ihren Geliebten rettete.«

 

Fünfhundertundvierzigste Nacht.

Diese Geschichte ergötzte den Sultan sehr. – »Herr,« fuhr Haram fort, »kürzlich ist einem Eurer benachbarten Fürsten ein Abenteuer begegnet, welches nicht minder ergötzlich ist als das, welches ich Euch eben erzählt habe. Ein Räuber und ein Taschenspieler seines Landes wetteiferten miteinander in Kühnheit und Gewandtheit; und höret, was jeder von ihnen unternahm.«

Hierauf erzählte er dem Sultan den kühnen Streich Akils, ja er trieb die Verwegenheit so weit, daß er dem Fürsten sogar erzählte, was jetzt eben in dessen eigenem Palaste vorging, indem er bloß die Namen und den Ort des Auftrittes veränderte.

Als er seine Erzählung geendigt hatte, fuhr er fort: »Wohlan, Herr, welchen von beiden erkennet Ihr für den geschicktesten?«

»Ohne Widerrede, den Räuber, der sich in den Palast des Königs eingeschlichen hat,« antwortete der Sultan.

Als er diesen Ausspruch gehört hatte, öffnete Haram sein Fläschchen und versenkte den Fürsten wieder in den Schlaf, aus welchem er ihn aufgeweckt hatte.

Hierauf begab er sich wieder zu seinem Gefährten, der während dieser ganzen Unterhaltung mehr tot als lebendig gewesen war: sie nahmen denselben Weg zurück, welchen sie gekommen waren, und verließen den Palast ebenso glücklich, wie sie ihn betreten hatten.

Am folgenden Morgen sah der Sultan seinen Pagen bei den Schultern an der Decke aufgehängt und erlangte nun die Gewißheit, daß er die Hauptrolle in der Geschichte spielte, welche er in der vergangenen Nacht erzählen gehört hatte. Weit entfernt, auf denjenigen zu zürnen, der ihm so mitgespielt, wollte er vielmehr den Menschen näher kennen lernen, der so viel Kühnheit bewiesen hatte: er ließ also überall bekanntmachen, er verzeihe demjenigen, der sich diese Nacht in seinen Palast eingeschlichen hätte, ja er versprach ihm eine Belohnung, wenn er vor ihm erschiene.

Haram begab sich demnach zu dem Sultan, welcher seinen Mut lobte und ihn zur Belohnung für so viel Gewandtheit zum Polizeileutnant ernannte.

Es ist überflüssig, hinzuzufügen, daß schon beim Heimgange aus dem Palast Akil sich für überwunden bekannt und nicht mehr daran gedacht hatte, einem so unerschrockenen Manne seine Frau streitig zu machen.« –

Da der Tag noch nicht anbrach, so benutzte Scheherasade die noch übrige Zeit, folgende Geschichte anzufangen:

 


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