Sagen aus Oberösterreich
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Der Ameisberg

Auch auf dem Ameisberg, der ja mit seiner westlichen Flanke unmittelbar aus dem Grettenberg aufsteigt und die höchste Erhebung des Mühlviertels darstellt, ist es nicht geheuer.

Schon der Name eines nur aus zwei großen und einem kleineren, etwas abseits gelegenen Hofe bestehenden Weilers, Unholnedt oder Urholnöd, bezeugt das Vorhandensein von Unholden, zumindest in früheren Zeiten.

Gar oft wurden die Bauern durch heftiges Klopfen an einem Fenster aus dem Schlafe geweckt, und wenn sie nachsehen gingen, hörten sie draußen nur ein Kichern oder Poltern, wurden aber keines Menschen ansichtig.

Aber sie sind nicht nur boshaft, die kleinen und großen Gespenster, sondern auch gut und hilfreich.

Hatte sich einst ein Mädchen beim Beerensuchen auf den Hängen des Ameisberges im plötzlich einfallenden Nebel verirrt und wußte nun nicht mehr, wohin es sich wenden sollte, damit es heimzu gelange. Als es so ratlos stand, zuckte plötzlich ein Lichtlein vor ihm auf, und als es näher hinsah, stand da ein Zwerglein, das eine merkwürdige kleine Kerze trug. Und das Wichtelmännlein begann wortlos vor dem Mädchen herzugehen. Es folgte ihm und kurze Zeit darauf befand es sich auf einem ihm bereits bekannten Wege und wußte nun die Richtung. Da aber war das kleine Wesen samt dem Lichtlein verschwunden, ohne auch nur auf einen Dank zu warten.

Besonders des Nachts sollen sich die Unholden durch Schreien, Singen, Jammern und andere Geräusche bemerkbar machen, und mancher, der seinen Weg in der Dunkelheit über den Ameisberg genommen hat, weiß davon zu erzählen.

Einem jungen Bauernsohn aus Vatersreith, der gern ein Gläschen zu viel trank, spielten die lichttragenden Unholden aber arg mit und heilten ihn doch so von der Trunksucht. Der Bursche ging wieder einmal nachts über die Hänge des Ameisberges und es war stockfinster. Kaum konnte er das helle Band der schmalen Straße erkennen. Schließlich gelang ihm auch das nicht mehr und er tappte im Dunkel ratlos dahin, zumal er wirklich sehr weit von der Nüchternheit entfernt war.

Plötzlich sah er vor sich ein Lichtlein und meinte, es ginge jemand vor ihm. Um diesen zu erreichen, ging er rascher und folgte dem Lichte nach, nicht achtend, daß er bereits über Wiesen und abgeerntete Äcker stolperte. Er ging immerzu hinter dem Lichte her, und immer, wenn er glaubte, daß er es nun erreichen werde, war es wieder weiter weg. Plötzlich spürte er, daß es in seinen Schuhen naß wurde, er hörte auch bei jedem Schritt das Wasser glucksen.

Nun wurde ihm wohl sehr unheimlich zumute und er suchte sich zurechtzufinden. Da war auch das Lichtlein plötzlich verschwunden. Dafür kam der Mond hinter einer Wolke hervor und der Bursch sah nun, daß er mitten in einer der zahlreichen nassen Wiesen stand, deren es so viele gab. Jetzt sind freilich die meisten durch das Ziehen von Gräben schon trocken gelegt. Der Bursch suchte vergeblich, aus dem Wasser herauszukommen. Je mehr er umherstapfte, um so tiefer kam er in das Moor. Bald war er völlig durchnäßt und es begann ihn jämmerlich zu frieren. Da aber kehrte allmählich wieder das klare Denken zurück und schließlich vermochte er, sich aus der Wiese herauszuarbeiten und auf einen Weg zu kommen.

Nach einer heftigen Erkältung, die er sich in jener Nacht geholt hatte, ging er in sich und wurde ein sehr rechtschaffener Mann, der dem Wein weit aus dem Weg ging und der heiligen Respekt vor den Lichtgeistern des Ameisberges hatte. Er war fest davon überzeugt, daß sie es gewesen waren, die ihn vom rechten Weg abgelockt hatten, aber dadurch seine Trunksucht heilten.

Auch heute noch vermeiden es die Umwohner, wenn es nur irgendwie angeht, in der Nacht über den Ameisberg zu gehen, gerade so, wie sie den Grettenbergwald meiden, wenn es nicht unbedingt sein muß.

 


 


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