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Eine vornehme, reiche Frau wurde jahrelang von einem bösen Leiden gequält, gegen das kein Mittel helfen wollte, kein Arzt Rat wußte. Da erreichte sie die Mitteilung, daß der berühmte Arzt Theophrastus Paracelsus in Salzburg sich aufhielt und vielen als unheilbar geltenden Kranken durch seine Wunderkuren ihre Gesundheit wiedergebe. Hoffnungsvoll reiste die Frau nach Salzburg, nahm im »Goldenen Schiff« Quartier und ließ sogleich den Wunderarzt holen. Der untersuchte sie gründlich, schüttelte bedauernd den Kopf und sagte: »Liebe Frau, so leid es mir tut, muß ich Euch sagen, hier versagt meine ärztliche Kunst; gegen dieses Leiden habe ich bisher noch kein Mittel gefunden.«
Es war dem Meister sichtlich sehr unlieb, sein Unvermögen einzugestehen; die Frau aber war trostlos, daß ihre letzte Hoffnung zunichte geworden sei. Verzweifelt ging sie in ihr Zimmer und walzte sich jammernd auf ihrem Bett; denn nun war ihr die letzte Hoffnung genommen, je wieder gesund zu werden. Da öffnete sich plötzlich die Tür, und mit stolzer Miene betrat ein kleiner Wicht den Raum. Er gehörte zu jenen seltsamen Wesen, die in großer Zahl das Innere des Untersberges bevölkern, kluge Zwerge, die manche Kenntnisse haben, von denen sich die Weisheit der Erdenmenschen nichts träumen läßt. Mit pfiffigem Lächeln trat der Wicht an das Bett des Kranken und sagte: »Ja, bis zur letzten Weisheit sind auch die Menschen noch nicht vorgedrungen. Euer berühmter Paracelsus hat versagt, ich aber weiß ein Mittel, das Euch gesund machen kann, und werde Euch helfen. Dafür sollt Ihr aber ein Jahr lang an mich denken und meinen Namen nicht vergessen. Ich heiße Hahnengickerl, merkt es Euch wohl, Hahnengickerl. Nach einem Jahr komme ich wieder, und wenn Ihr dann nicht mehr wißt, wie ich heiße, müßt Ihr mir als meine Ehefrau in den Untersberg folgen.«
Die Frau dachte, der Name sei wohl nicht schwer zu merken, Gesundheit aber könne ihr niemand verschaffen; sie war mit dem Handel einverstanden, der Wicht murmelte seinen Gesundspruch und schritt dann mit gewichtigen Schritten zur Tür hinaus. Von der Stunde an war die Frau wieder gesund und freute sich ihres Lebens. Glücklich und ohne Sorgen, dachte sie nicht einmal mehr daran, daß sie so lange krank gewesen, und bald war ein Jahr seit ihrer Heilung vergangen. Eines Tages erinnerte sie sich an den Zwerg, aber, o Schreck, seinen Namen hatte sie vergessen. Sie riet hin und her und kam doch nicht darauf. Immer naher rückte der Tag, an dem der Zwerg wieder erscheinen sollte. Sie fragte alle Leute um die Namen von Zwergen, hörte die seltsamsten Worte, aber das vergessene war nicht darunter. Da ließ die Frau bekanntmachen, ihr halbes Vermögen wolle sie geben, wenn man ihr den richtigen Namen des Zwerges sage. Doch niemand konnte ihr helfen.
Da ging eines Tages ein armes Mädchen, dessen Mutter schwerkrank zu Hause lag, auf den Untersberg, um heilkräftige Kräuter für ihre Mutter zu sammeln. Durch das Dickicht schlüpfend, kam das Mädchen zu einer Felsspalte, aus der jubelnde Laute herausdrangen. Als sich die junge Kräutersammlerin neugierig vorbeugte, um den lustigen Sänger zu erblicken, bemerkte sie im Hintergrund der Spalte ein kleines Männchen, das wie toll im Kreis herumhüpfte und, in die Hände klatschend, ein über das andere Mal jubelnd ausrief:
»Juchhe, bin ich froh,
weil die Frau nicht weiß,
daß ich Hahnengickerl heiß!«
»Hahnengickerl?« dachte das Mädchen, das von dem Wunsch der fremden Frau, einen seltsamen Zwergennamen zu wissen, gehört hatte; vielleicht war das der Name, den die Frau zu erfahren wünschte! Sie ließ alles liegen und stehen und lief, was sie laufen konnte, ins »Goldene Schiff« nach Salzburg, wo sie sich gleich bei der Fremden anmelden ließ. Rasch erzählte sie der verwundert aufhorchenden Frau, was sie auf dem Untersberg gehört hatte.
»Ja, Hahnengickerl, so war der Name des Zwerges«, rief die Frau, und Tränen der Freude rannen über ihre Wangen. Reich beschenkt kehrte das Mädchen zu seiner Mutter zurück, und von Armut und Sorge war ab jetzt keine Rede mehr. Der Zwerg Hahnengickerl aber mußte wohl irgendwie erfahren haben, daß sein Name verraten sei und er mit langem Gesicht abziehen müßte; denn als der bewußte Tag herankam, ließ sich kein Hahnengickerl sehen.
Die Frau aber reiste geheilt und glücklich von Salzburg ab und lebte gesund bis ins hohe Alter.