Achim von Arnim
Die Kronenwächter
Achim von Arnim

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Zweite Geschichte
Das Bild am Giebel

Anna, die schöne, junge Frau, wurde spät von der Sonne erweckt, die über den wolkenlosen Himmel in voller Klarheit hinzog und ihre Strahlen in den runden Scheiben des Fensters sammelte, und mit einem Kusse ihrer Art die geschlossenen, weichen Augenlider der Müden zu erwärmen, die sich gern dem Tag verleugnet hätte, nachdem sie den Morgen verschlafen hatte. Endlich rief sie leise ihren Berthold, um ihn nicht zu erwecken, wenn er noch schliefe. Als sie aber keine Antwort erhielt und die Blendung ihr gestattete umzuschauen, da sah sie, daß Berthold nicht mehr im weiten Bette zu finden, daß er sich fortgeschlichen habe, – und das kränkte sie. Sie wollte nun nicht eher aufstehen, bis er ihr selbst die neuen goldnen Strumpfbänder gereicht hätte, nachdem ihre silbernen Strumpfbänder beim letzten Tanze feierlich zerrissen und jedem Gast ein Stücklein zum Andenken geschenkt worden war. Mit diesem Gedanken beschäftigt, sah sie nach dem Boden des Zimmers, weil die Fenster ihr zu hell entgegen leuchteten, und bemerkte das Schattenbild einer Leiter, auf welcher zwei Beine standen. Mit vorgehaltener Hand suchte sie zu entdecken, auf welcher die Beine eines Menschen ständen. Erst glaubte sie, es sei ein Scherz Bertholds oder eines mutwilligen Bekannten, und schämte sich, aber die feste Ruhe dieser Beine zeigte bald, der Gebeinte müsse seine Neugierde an der Mauer über und neben dem Fenster befriedigen, und sie hielt ihn für einen Arbeiter, der irgend etwas an dem Hause zu verrichten habe. Sie wollte eben mit Vorsicht aufstehen, fest versichert, der Mann könne nichts von ihr durch die blinkenden Scheiben wahrgenommen haben, da öffnete sich der obere Fensterflügel, und sie erinnerte sich mit Schrecken, daß Berthold diesen der Hitze wegen am Abend geöffnet hatte. Es bückte sich ein Antlitz nieder, das zu den Beinen gehören mochte, sie sah es aber nicht, denn sie war unter die Decke gefahren. Was war zu tun? Unter der Decke war es zu heiß und nicht allzu lange auszuhalten; ihr Vorzimmer, wo Kleider lagen, war etwa zehn Schrittchen entfernt, die Zeit mußte benutzt werden, wenn der Mann nicht hineinblickte. Aber konnte er nicht in der Zwischenzeit sich wieder niederbeugen, ehe das Vorzimmer erreicht war? Endlich war der Entschluß gefaßt: in der Decke eingehüllt, hatte sie ohne umzublicken das Vorzimmer erreicht, wo sie in Eile die bequemen Morgenkleider anlegte.

Nun kehrte ihr gewöhnlicher Mut zurück, sie schämte sich der kleinlichen Besorgnis und wurde neugierig, die Ursache dieses Schreckens näher kennen zu lernen. »Gewiß ist es Meister Sixt«, dachte sie, »die Mutter Hildegard gelobte, die heilige Mutter am Giebel neu aufmalen zu lassen, wie hat mich der gute, alte Mann so erschrecken können?« Sie trat nun dreist ans Fenster, um dem Meister, den sie gern in allen Sprachen welschen hörte, einen guten Morgen zu wünschen, trat aber mit neuer Verwunderung zurück, als sie die Beine ins Auge faßte. So riesenhafte Beine mit breiten Waden, knorrigen Knocheln und wohl gepolsterten Zehen, welche durch die zerrissenen Schuhe blickten, konnten dem dürren, kleinen Sixt nicht passen, auch war die Bekleidung für den geschniegelten, alten Niederländer allzu nachlässig. Die langen, roten Tuchhosen waren nicht aus Mode, sondern von der Hand der Zeit aufgeschlitzt, doch hatte der Eigentümer die List gebraucht, die unvermeidlichen Lücken, die sein Bein füllte, mit roter Farbe zu überstreichen, wodurch aber die Mücken keineswegs getäuscht wurden, denn sie nötigten oftmals die mit dem Pinsel bewaffnete, rechte Hand, die wohl zweimal so dick, als gewöhnliche Hände war, gegen sie niederzuschlagen, als müsse sie das Gemälde auffrischen. Anna meinte, es sei ein fremder Meister, der hier seine Kunst an ihrem Hause zeigen wollte, und sie hielt sich für verpflichtet, ihm zum mühsamen Werke in der Sonnenhitze einen guten Morgen zu bieten. »Guten Morgen Meister!« sagte sie. – »Ich bin nicht der Meister«, antwortete ihr eine mächtige, tiefe Stimme, »ich bin aber sein Junge.« – »Wenn Ihr auch noch nicht Meister seid«, antwortete Anna, »so steht Ihr doch auf Eurem Platz fest und geht auf einem großen Fuße einher, in jedem Eurer Beine hat ein Meister Sixt Platz und wenn Eure Kunst Euer Maß hält, so könnt Ihr einer der größten Meister werden.« – »Es würde schon etwas aus mir werden«, entgegnete er mit einem lustigen Grundton, daß die Balken mitbrummten, »aber der Meister gibt mir mehr Schläge als Essen, wenn ich ein Körnchen in der Farbe nicht fein abgerieben habe, dabei kommt niemand zu Kräften, besonders wenn einem die Sonne wie hier beständig auf den Buckel brennt.« – »Wie macht er das, Euch Schläge zu geben«, fragte Anna, »ich dächte, er langte kaum zu Eurer Halskrause herauf, wenn er sich auch auf die Zehen stellte.« – »Der Meister ist ein listiger Mann«, sagte er und blickte durch das Fenster wie vorher, als Anna noch im Bette lag, indem er aus dem Farbentopf, der an der Leiter hing, den Pinsel füllte. Sie sah ein fröhliches Gesicht, das wie der Vollmond im Aufgange den Fensterflügel fast füllte, von großen, blauen Augen durchstrahlt, mit einem dichten Bart von Milchhaaren umglänzt, erschien er, wie ein Engelskopf unter dem Vergrößerungsglase sich darstellen möchte. – »Wie ist denn der Meister so gar listig?« fragte Anna und beschaute das junge Blut mit Freude, wie es in dem erhitzten Halse pulsierte. – »Der Meister ist ein listiger Mann«, sagte er, »das sieht ihm keiner an. Wenn er nur jetzt käme, da schnippte ich ihn mit meinem Finger in die Ecke, aber da wartet er ganz ruhig, wenn ich etwas ausgefressen habe, was er für sich zurückgelegt hatte, bis zum andern Morgen und wenn ich im besten Morgenschlaf liege und für keinen Preis mich rühren mag, da haut er auf mich herum, als wäre ich ein staubiger Wams, daß ich es wohl noch fühle, wenn ich erwacht bin.« – »Vaterhand schlägt nie zu hart; das Kind, welches sie am liebsten hat, schlägt sie am meisten«, sagte Anna. – »Gott behüte«, sprach Anton, »daß die kleine Heuschrecke mein Vater wäre, ich bin nur so in der Not zu ihm gelaufen, als ich noch ein dummes Kind war, und weil er mir damals etwas Gutes angetan hat, dafür muß ich ihm mein lebelang eigen sein. Ich wollte, ein Koch wäre mein Pflegevater, so könnte ich doch essen, was ich zusammenreibe und koche, aber so muß ich die Wände und die Leinewand damit beschmieren; zu einem Weinküper taugte ich auch besser.« – »Einen frischen Trunk kann ich Euch schon geben«, sagte Anna, und reichte ihm eine hölzerne Kanne mit dem Abendtrunk heraus. Er dankte kaum, sondern kippte sie wie eine Nußschale über, sie dachte nur, daß er einen Zug daraus tun sollte. Anna sah ihn verwundert an, konnte aber nicht böse werden, sie dachte: Es gehört wohl etwas in den breiten Hals, auf welchem der Adamsapfel wie ein Ziehbrunnen auf und nieder steigt, und dann sind ihm auch so viele Tropfen in seinem Milchbart hängen geblieben, daß sich die Fliegen darin ersäufen; will doch sehen, ob er nach solchem mächtigen Zuge noch Platz für das Essen behält. – »Will Euch doch etwas zum Zubeißen bringen«, sagte sie, holte aus dem Nebenzimmer eine gebratene Hammelkeule und schnitt eine Scheibe davon ab. »Wie heißt Ihr?« fragte sie, »hier ist die Gabel, langt zu!« – »Ich heiße Anton«, sagte der Maler, »sage Euch schönen Dank, bin heut vor Tage aufgestanden und habe kein Frühstück bekommen, weil mich der Alte mit dem Hunger zum Fleiß antreiben wollte.« – Ohne Verlegenheit steckte er die Gabel durch das abgeschnittene Stückchen in den ganzen Braten und wie ein guter Heulader schwenkte er die Gabel, ohne etwas von der Ladung zu verlieren, in die obere Region, wo sich am Menschen der Mund öffnet. Frau Anna rief: Ob er nicht Brot dazu esse, das Fleisch sei fett. – »Dank Euch«, sagte Anton, »mein Magen verträgt Kieselsteine, wenn ich nichts andres habe; wo ich aber gute Fracht finde, da mach ich's wie Schiffer in den Niederlanden und nehme keinen Ballast auf, gebt Euer Brot den Hühnern.« – Mit Verwunderung sah ihm Anna zu, wie er so eifrig essen und malen konnte, sie bekam selbst Eßlust bei dem Anblicke und wollte zum Frühstück fortgehen, als Anton sie bat, noch einen Augenblick zu verweilen, weil er den Kopf der Maria gleich beendet habe, sie möchte aber die Augen niederschlagen, wie sie im Bette getan, denn mit fast geschlossenen Augen habe er sie gemalt. Frau Anna schämte sich, daß er sie im Bette gesehen habe, und verbarg das hinter dem Unmute, wie er dem heiligen Bilde ihr sündliches Angesicht geben könne. – »0«, sagte Anton, »ich male nur das Schöne an Euch, das Häßliche lasse ich weg. Die Menschen sind recht sonderbar, uns Malern trauen sie zu, daß wir das heiligste Bild aus nichts schaffen und malen können, aber nicht unserm Herrgott, der die ganze Welt zwar aus nichts, aber den Menschen nach sich als sein Ebenbild geschaffen hat, wir müssen von unserm Herrgott, aus seinen Menschen lernen.« – »Aber es wäre mir doch lieber gewesen«, sagte Anna, »wenn Euer Meister mich abgemalt hätte, wenn ich einmal gemalt sein sollte.« – »Der hätte sich hier längst aus Schwindel den Hals gebrochen«, antwortete Anton, »auch geht's ihm nicht so von der Hand, wie mir und auf der Mauer will alles schnell gemalt sein, sonst stimmen die Farben nicht, wenn alles getrocknet ist.« Während des Gesprächs förderte sich die Arbeit und Anton suchte die Unterhaltung deswegen immer noch zu verlängern. »Ich muß Euch doch«, sagte er, »ein Hochzeitlied übergeben, das der arme Grünewald auf Euch zurückgelassen hat, der gestern von den Stadtpfeifern ist herausgedrängt worden, er hat die ganze Nacht geweint, denn er sagte, daß er Euch so lange nachgegangen und nun er Euch gefunden, so unehrlich behandelt sei, daß er sich aus Gram nicht mehr wolle sehen lassen.« – »Ist er denn schon fort?« fragte Anna. »Ganz früh zog er fort«, antwortete Anton, »aber sein Hochzeitlied habe ich unten in meiner Tasche.« – »Zeigt es mir«, sagte Anna, »es tut mir recht leid, daß er schon fortgegangen, wir hatten ihn gestern vergessen in dem Gewirr, er sang sehr kunstreich.«

Anton stieg die Leiter hastig herunter, um das Lied zu holen, daß sie an der Mauer ausgleitete, denn sie stand zu flach. Aber zum Glück faßte er den Fensterrahmen, wo Anna stand, und so kamen beide mit dem Schrecken davon; er schwang sich unversehrt in das Zimmer, während die Leiter niederstürzte. – »Gott sei gedankt«, rief Anna einmal über das andre, »Euch fehlt doch nichts!« – »Es war mein Glück, daß das Fenster offen war«, antwortete er und wollte schon fortgehen, um die Leiter aufzurichten, da hörte er Schritte und laute Worte im Vorzimmer. »Es ist der Ehrenhalt«, sprach Anna, »er wird von mir Abschied nehmen wollen.« – »Um Gottes willen verbergt mich«, sprach Anton in großer Verlegenheit, »der darf mich nicht sehen, er möchte mich wieder kennen, ich bin ihm entflohen, helft mir, ich bin verloren.« Anna war so überrascht, daß sie nichts zu sagen wußte, sondern halb unbewußt Anton in ihre Kleiderkammer schob; sie fühlte ein unwiderstehliches Mitleiden gegen ihn, denn Berthold hatte ihr schon so mancherlei von der Gewalt verlauten lassen, mit der die Kronenwächter wirkten. Er trat mit Apollonien ins Zimmer und überbrachte der jungen Frau einen kleinen, vergoldeten Schrank, wie ein Münster ausgedreht und geschnitten, in welchem ein gar schönes Muttergottesbild stand. Das übergab er im Namen der Grafen von Hohenstock, riet ihr sorgsame Pflege, wenn sie der Himmel mit einem Kindlein segnete, und daß sie sich von den gewaltsamen Ereignissen der Zeit, die jetzt bald eintreffen müßten, in der Pflege und Sorge nicht möchte stören lassen, endlich nahm er mit einer Herzlichkeit Abschied, wie keiner dem rauhen, alten Manne zugetraut hätte. Anna, von dem seltsamen Vorfalle mit Anton zerstreut, hörte nur unaufmerksam dem Alten zu und blieb noch unbequemer in ihrem Gefühle, als die Mutter den Ehrenhalt nur bis zur Türe begleitete und dann zu ihr umkehrte, um sie schnell anzukleiden, weil Berthold bei dem Brunnen mit einer Festlichkeit auf sie warte. Anna geriet in große Verlegenheit, weil die Festkleider in der Kammer lagen, wo Anton sich versteckt hatte. »Was soll die Mutter denken, wenn ich ihn heraus führe«, meinte sie, »oder soll ich mich hier ankleiden, wo er mich durch die Tür erblicken kann?« Aber die Mutter machte diesen Zweifeln schnell ein Ende, indem sie ungeduldig die Türe öffnete, aus welcher ihr Anton mit der ruhigen Anfrage entgegentrat: »Also ist der Alte fort, Gott sei gedankt, ich dachte, er hätte mich am Kragen!« – Die Mutter staunte, Anna war verwirrt, was sie denken möchte, und Anton sprach wieder: »Nun will ich Euch das Hochzeitlied des guten Grünewald holen, es hätte Euch gewiß gejammert, wie er von seiner Liebe zu Euch die ganze Nacht geklagt hat.« – Mit diesen Worten ging er zur Stube hinaus und Apollonia brachte erst nur unvernehmliche Töne heraus, dann aber rief sie: »Wäre ich doch so ruhig entschlafen in dieser Nacht, wie Frau Hildegard, sie weiß nichts mehr von deiner Schande, sie hat dich zum Feste geschmückt, das den lieben Sohn ihr von der Seite nahm, die Einsamkeit hat sie nicht überlebt, und wie dankst du ihr, daß sie so ihr lang gewohntes Leben, den guten Sohn dir abtrat! Du verrätst ihn an einen Liebesboten, der wohl gar selbst dich verführte, hätte ich mein Messer, ich könnte dich mit kaltem Blute umbringen!« – »Liebe Mutter«, unterbrach sie Anna, »übereile dich nicht; um eine Kleinigkeit, an der ich gar keine Schuld habe, mir zu fluchen! Sich das Malergerüst vor dem Fenster, sich die umgefallene Leiter, die der Junge eben wieder aufrichtet, und frag ihn, wie er in das Fenster gefallen, da sich noch die eine Scheibe, die er eingebrochen hat. Und wie er hier war, da versteckte er sich vor dem Ehrenhalt.« – »Und solche freche Lügen kannst du gleich aus dem Stegreif ersinnen«, rief die Mutter, »wie oft magst du mich in Augsburg betrogen haben, aber du sollst den guten, den lieben Berthold nicht anführen. Er ist jeder treuen Liebe wert; ich will ihn trösten, er soll dich vergessen, wenn er fühlt, daß doch eine Seele ganz und ewig an ihm hängt, und in so langen Jahren sich ihm ungeteilt bewahrt hat.« – »Weh mir«, rief Anna, »du sagst zu viel, liebe Mutter, und dein unnützes Schelten über eine Schuld, die mit dem leisesten Hauche den Spiegel meiner Seele nicht trübte, eröffnet mir eine schwarze Tiefe naher Besorgnisse, du liebst ihn, du gestehst es dir und mir, du glaubst mich bei ihm in Vergessenheit zu bringen, nie duldet das mein Herz, und mit aller Glut, wie ich ihn liebe, so will ich alle Netze verbrennen, mit denen du ihn zu dir zu ziehen strebst.«

Der Streit wäre noch weiter gegangen, aber im Augenblicke klopfte Anton an das zugeschlagene Fenster. Die Mutter öffnete und er reichte ihr ein Blatt und sprach: »Dies ist das Hochzeitlied, aber verzeihet mir, daß es ein wenig vom Firnis zusammenklebt, die Leiter hat beim Herunterfallen die Firniskruke zerschlagen, und bittet für mich beim Meister, daß er mich nicht dafür auch zerschlägt, Ihr saht ja, daß ich nichts dafür konnte.« – Der Vortrag geschah so natürlich und Anton sah ehrlich und offen in die Welt, daß die Mutter in ihrer Meinung irre wurde und sich endlich ganz von ihrem Irrtum überzeugte. »Der Morgen nach der Hochzeit«, sagte sie endlich, »ist nie ganz ohne Ärgernis, darum machen auch Freunde dazu gern allerlei Späße und Schauspiele, wir wollen auch dies dafür annehmen, als ab wir selbst mitgespielt hätten. Zieh dich schnell an! Wer läßt denn hier am Hause malen, Berthold erzählte nichts davon.« – »Frau Hildegard hat dies Gelübde getan«, antwortete Anna. – »Die gute, selige Frau«, sagte Apollonia, »mag wohl durch meinen Zorn in dieser Morgenstunde gekränkt sein, sie wird mir nicht zürnen, ihr Gelübde hatte den Irrtum veranlaßt. Sei zufrieden Anna, werde nur nicht eifersüchtig auf mich, sich dich im Spiegel, du blühende Rose, so freudig sah ich dich nie wie eben mitten in der Kümmernis unsres Streits, dann sich mich an und du wirst deine Eifersucht beruhigen, selbst wenn du meiner Liebe zu dir nicht glauben wolltest.« – Anna küßte der Mutter die Hand und sprach: »Die gute Mutter Hildegard, nun kann ich ihr keine Liebe erweisen, aber du lebst doch noch recht lange, sollst dich recht lange mit erfreuen. Die arme Mutter Hildegard, sie hat es nicht überlebt, daß ihr Sohn fern von ihr schlafen sollte, ach da trage ich unschuldig die Schuld ihres Todes.« – Die Mutter suchte sie zu zerstreuen und sagte: »Wir wollen doch einmal lesen, was der bayerische Meistersänger dir zu Ehren gereimt hat, wahrscheinlich hat er es schon zu tausend Bräuten gesungen, denn darum läuft das Sängervolk immer so umher, daß sie an fremde Orte kommen, wo ihre paar Lieder noch für eine Neuigkeit gelten; aber es ist schwer zu lesen vor dem Firnis, der daran klebt.«

Hochzeitsterne sind verglommen,
Und das schwarze Sonntagskleid
Ist dem Himmel abgenommen,
Alle Lust erwacht in Leid;
Freudig ist nun junges Leben
In den frischen Tag gestellt,
Der gerührt des Blickes Beben
Tauend über dich erhellt.

Und du glaubst dem neuen Tage
Endlos scheint er, weil er klar,
Es versinkt in Lust die Klage,
Daß kein Kranz in deinem Haar;
Sieh, dir blühen tausend Kränze,
Dieser ach versank im Fluß,
Führt des Lebens Wellentänze,
Lebensflut im stillen Kuß.

In der Kraft, die er gesegnet,
In der Hoffnung, die er regt,
Seid ihr beide euch begegnet,
Selig, wem das Herz so schlägt;
Selig, denn die tät'ge Ferne,
Der Gedanken Unbestand,
Und des Glückes Wandelsterne,
Trennen nicht dies innre Band.

Hochzeitmorgen ist gekommen,
Trägt ein feurig Freudenkleid,
Und die Welt erscheint vollkommen,
Feiert euren schönsten Eid,
Mit dem Licht vom ersten Tage,
Als die Erde jugendgrün,
Als zum heiligen Vertrage
Gott dem Menschenpaar erschien.


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