Victor Auburtin
Das Ende des Odysseus
Victor Auburtin

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Die Brüder in Apoll

Ambroise, der Herzog von Guiche, hatte seinen schwarzen Tag. Er saß im Speisesaale des Schlosses am großen Tische ganz allein, sah vor sich hin und wollte von nichts wissen.

Seine Diener und der Hofmeister standen flüsternd vor der Tür und sagten sich: Er sucht wahrscheinlich einen Reim und findet ihn nicht, das ist die ganze Geschichte.

Denn der Herzog von Guiche war ein Dichter und reimte Hymnen auf den Sonnenkönig Ludwig in Versailles und schrieb Schäferspiele, die man in Paris aufführte.

Es wurde Essenszeit, und aus der Küche kam ein Knuspern und Duften wie von Poulardenbraten und ein leises Klirren silbernen Geschirres. Aber der Herzog rührte sich nicht. Und der Koch Jacques trat ein, verneigte sich vor seinem Herrn und sagte: »Euer Gnaden, wir haben heute eine Poularde, eine von jenen Poularden, die in Burgunderwein erstickt wurden. Sie dreht sich am Spieß und ist goldig wie die Farben des Malers Tizian und feist wie ein Kanonikus von Chartres.«

Aber das Gesicht des herzoglichen Dichters verfinsterte sich nur noch mehr, er schüttelte seine Lockenperücke und sagte zu dem Koche Jacques: »Iß dir deine goldige Poularde allein, ich mag nichts davon wissen.«

Nun wurde man doch ernstlich besorgt, und der Hofmeister beschloß, alle Mittel zu versuchen, um den Sinn des melancholischen Dichters aufzuheitern. Er holte aus dem Schrank die Kameensammlung her und legte sie auf den Tisch und legte auch die lange Perlenkette hinzu, die das Staatsstück des herzoglichen Familienschatzes war. Denn er wußte, daß des Herzogs adliger Sinn am Anblick kostbarer Dinge Freude und Kraft zu gewinnen pflegte. Der Herzog faßte zerstreut nach den edlen Steinen, nach den Karneolen mit den Bildern von Cäsaren und nach den braunen Sardern, in die die bärtigen Gesichter attischer Rhetoren geschnitten waren. Auch spielte er ein weniges mit der langen Perlenkette und ließ sie glatt durch seine Finger gleiten. Jede Perle war wie der Nebel eines Herbstvormittags, milchig weiß, mit einem verlöschenden Schimmer rötlichen Orientes darin. Aber das war auch das Richtige nicht, denn gleich warf der Herzog das Spielzeug wieder hin und versank aufs neue in sein verärgertes Nachdenken.

Dann versuchte der Hausmeister es mit einem Musikstück, das im Hintergrund des Saales gespielt wurde: Aber das half auch nichts. Dann sprach er von den dichterischen Erfolgen des Herzogs und lobte die Hymnen und die Schäferspiele; aber nicht einmal dieses konnte den Schwermütigen ermuntern. Er wurde immer verdrießlicher und sagte:

»Laßt mich doch, Freunde, und bemüht euch nicht; ich habe heute meinen üblen Tag, und der muß getragen werden. Ich weiß nicht, was mir ist; es ist nicht Liebe und es ist nicht Krankheit; aber das Leben scheint mir schal und ekel, und ich glaube, es lohnt sich nicht; ich wünschte, ich wäre tot, so schwarz und greulich erscheint mir alle Welt und alles menschliche Unternehmen.«

Da schließlich kam aus der Gruppe der Diener der Schloßkaplan hervor und sagte leise zu dem Koche: »Warte, Jacques, ich werde deine Poularde gleich zu Ehren bringen«, und trat zu dem Herzog, verneigte sich tief und sprach:

»Haben Euer Gnaden schon gehört, was dem Grafen Latour zugestoßen ist?«

Der Herzog sah auf. »Dem Grafen Latour?« fragte er. »Dem Dichter, meinem lieben Freunde? Was ist ihm zugestoßen?«

»Sein Stück ist in Paris ausgepfiffen worden«, antwortete der Kaplan.

Der Herzog blickte überrascht und scharf vor sich hin, und in seinen Augen begann es zu lodern.

»So so«, sagte er, »sieh mal einer an. Ausgepfiffen in Paris. Was du sagst! Nun ja, das war zu erwarten. So leicht ist es nun doch nicht, und der erste beste kann es nicht.«

Und dann lächelte er, rieb sich die Hände, warf die Locken stolz zurück und dehnte sich tüchtig in erwachender Lebenskraft. Dann drehte er sich um und sagte:

»Nun, Jacques, mein Koch, wie wäre es mit jener Poularde, die goldbraun ist wie die Göttinnen Tizians und feist wie die Herren Canonici in Chartres.«


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