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Georges Bryan Brummell ist in Westminster geboren. Sein Vater war W. Brummell, Esqu., Privatsekretär jenes Lord North, der, selbst ein Dandy, wenn es darauf ankam, im Ministerfauteuil aus Verachtung zu schlafen pflegte, während die Redner der Opposition einander in stürmischen Angriffen überboten. North machte das Glück von W. Brummell, der ein Mann von Ordnung und ebenso tätig wie tüchtig war. Die Schmähschreiber, die über Verderbnis jammern, in der stillen Hoffnung, dass man auch ihre Verderblichkeit auf die Probe setzen werde, haben Lord North den Beinamen Gott der Gehälter gegeben (god of emoluments). Aber es bleibt nichtsdestoweniger wahr, dass er, indem er Brummell bezahlte, Dienste belohnte. Nach dem Sturze seines Gönners ward W. Brummell in Berkshire erster Sheriff. Er wohnte in der Nähe von Donnington-Castle, dem als Wohnsitz Chaucers berühmten Orte, und lebte dort als ein Vertreter jener breiten Gastlichkeit, die zu üben von allen Völkern nur die Engländer Sinn und Fähigkeit besitzen. Er hatte seine guten Beziehungen aufrecht zu erhalten gewusst. Unter andern Berühmtheiten seiner Zeit sah er Fox und Sheridan oft bei sich. Einer der ersten Eindrücke des künftigen Dandy war also die Atmosphäre dieser bedeutenden und liebenswürdigen Menschen. Sie haben die Rolle der schenkenden Feen an der Wiege des Kindes gespielt, ihm aber nur die Hälfte ihrer Kräfte gespendet, die vergänglichsten ihrer Fähigkeiten. Kein Zweifel, indem der junge Brummell solche Geister, die glänzendsten Vertreter der menschlichen Denkkraft, sah und hörte, diese beiden, die ebenso gewandt waren im Gespräch wie als politische Redner und deren Witz sich auf der Höhe ihrer Beredsamkeit hielt, muss er die Fähigkeiten entfaltet haben, die ihn auszeichneten und die ihn später – um hier ein von den Engländern gebrauchtes Wort anzuwenden – zu einem der ersten Konversationisten Englands gemacht haben.
Als sein Vater starb, war er 16 Jahre alt (1794). Man hatte ihn im Jahre 1790 nach Eton geschickt, und schon dort hatte er sich – ausserhalb des Kreises der eigentlichen Studien – darin hervorgetan, worin man später sein auszeichnendes Merkmal sehen sollte. Die Sorgfalt in seinem Anzug und die kalte Gelassenheit seiner Manieren trugen ihm von seinen Mitschülern einen Namen ein, der damals sehr im Schwunge war. Der Ausdruck Dandy war nämlich noch nicht gebräuchlich, die tonangebenden Modeherren hiessen Bucks oder Macaronies. Man nannte ihn Buck Brummell. Buck heisst im Englischen männlich; aber nicht das Wort ist unübersetzbar, sondern der Sinn.. Nach dem Zeugnis eines seiner Zeitgenossen übte niemand einen grössern Einfluss auf seine Gefährten in Eton aus als er, Georges Canning vielleicht ausgenommen; aber der Einfluss Cannings war die Folge seines lebhaften Geistes, seines feurigen Herzens, während der Brummells sich von minder berauschenden Fähigkeiten herschrieb. In ihm erfährt das Wort Machiavells Bestätigung: Die Welt gehört den kalten Geistern. Von Eton ging er nach Oxford, und hier ward ihm der Erfolg, zu dem er berufen war. Was an ihm gefiel, waren die äusserlichsten Seiten des Geistes: denn seine Überlegenheit kam nicht auf dem Felde mühevoller Denkarbeit zur Geltung, sondern in den Verhältnissen des Lebens. Als er Oxford drei Monate nach dem Tode seines Vaters verliess, trat er als Fähnrich in das 10. Husarenregiment ein, das der Prinz von Wales befehligte.
Man hat sich die grösste Mühe gegeben, eine Erklärung dafür zu finden, worauf das lebhafte Gefallen beruht haben mag, das Brummell dem Prinzen vom ersten Augenblick an eingeflösst hat. Man hat Anekdoten erzählt, die der Wiedergabe nicht wert sind. Wozu der Tratsch? Besseres steht zur Verfügung. In der Tat, ein Brummell konnte nicht anders als sich die Sympathien des Mannes erwerben, der, wie es hiess, auf seine vollendeten Manieren sich mehr einbildete als auf seine hohe Stellung. Es ist bekannt, welcher strahlende Glanz die Jugend des Prinzen umgab. Und er hat alles daran gesetzt, jung zu bleiben. Damals war der Prinz von Wales zweiunddreissig Jahre alt. Seine Schönheit war die lymphatische, starre Schönheit des Hauses Hannover, aber er war bestrebt, sie durch prächtige Kleidung zu steigern, durch das Feuer der Diamanten zu beleben; an Seele und Leib skrophulös, nichtsdestoweniger aber noch im vollen Besitz der Grazie – der Gabe, die sich die Kurtisanen als die letzte zu erhalten wissen –, hatte der, der später Georg IV. heissen sollte, in Brummell einen Teil seiner selbst erkannt, den Teil, der gesund und hell geblieben war, und hierin liegt das Geheimnis der Gunst, die er ihm zuwandte. Es war einfach wie der Erfolg bei einer Frau. Gibt es nicht Freundschaften, die ihren Ursprung in körperlichen Eigenschaften haben, in der Grazie der Erscheinung, wie es Liebschaften gibt, die aus der Seele stammen, einem unkörperlichen verborgnen Reiz ihr Dasein danken? So war die Freundschaft, die der Prinz von Wales für den jungen Husarenfähnrich empfand: das einzige Gefühl vielleicht, das noch auf dem Grunde dieser verfetteten Seele keimen konnte, die allmählich ganz im Körperlichen aufgehen sollte. So warf sich denn die unbeständige Gunst, die Lord Barrymore, G. Hanger und so viele andre, wie sie die Reihe traf, bis zur Neige genossen haben, mit der ganzen Plötzlichkeit der Laune und der Leidenschaft der Voreingenommenheit Brummell an den Hals. Auf der berühmten Terrasse von Windsor in Gegenwart der anspruchsvollsten Gesellschaft ward er vorgestellt. Und hier war es, wo er alles das wies, was der Prinz von Wales an einem Menschen am meisten schätzen musste: blühende Jugend, erhöht durch das sichere Benehmen eines, der das Leben begriffen zu haben und gewiss schien, es zu beherrschen, die feinste und kühnste Mischung von Selbstbewusstsein und schuldiger Ehrfurcht, endlich im Anzug eine nur als Vollendung zu bezeichnende Vollkommenheit, deren Eindruck noch die geistreich-schlagfertige Art, wie die Antworten einander folgten, verstärkte. Sicherlich, in diesem hinreissenden Erfolg war etwas anders als Masslosigkeit auf beiden Seiten. (Das Wort Masslosigkeit wird von den Moralisten auf gut Glück gebraucht, wie das Wort Nerven von den Ärzten.) Von diesem Moment an ward er in der öffentlichen Meinung sehr hoch eingeschätzt. Man sah den Sohn eines Herrn So und So, eines simpeln Privatsekretärs, dessen Grossvater Kaufmann gewesen war, vor den grössten Namen Englands bevorzugt, bei dem künftigen Thronerben, seit dessen Hochzeit mit Karoline von Brunswick, mit den Obliegenheiten eines Ehrenkavaliers betraut. Die unmittelbare Folge einer solchen Auszeichnung war, dass sich die aristokratische Welt mit allen Zeichen schmeichelhaftester Vertraulichkeit um ihn scharte: Lord R. E. Sommerset, Lord Petersham, Kurzsichtigen galt dieser ein Vorbild des Dandysmus, aber für Menschen, die sich nicht an Äusserlichkeiten genügen lassen, war er ebensowenig ein Dandy, wie eine sehr gut gekleidete Frau schon eine elegante Frau ist. Charles Ker, Charles und Robert Manners. Bis zu diesem Zeitpunkt ist an seinem Schicksal nichts Erstaunliches; er war bloss vom Glück begünstigt, wie die Engländer sagen, mit einem silbernen Löffel im Mund auf die Welt gekommen. Er hatte das Unbegreifliche für sich, das, was wir den Stern nennen, jenes Etwas, das ohne Sinn und Gerechtigkeit über das Leben entscheidet; aber was eher geeignet scheint, Verwunderung zu erregen, was sein Glück rechtfertigt, ist der Umstand, dass er es festzuhalten verstand. Das Schosskind des Glücks ward zum Schosskind der Gesellschaft. Byron schreibt irgendwo von einem Porträt, das Napoleon im kaiserlichen Mantel zeigt, und bemerkt: Er schien darin geboren. Man kann dasselbe von Brummell sagen und dem berühmten Frack, den er erfunden hat. Unbefangen trat er seine Herrschaft an, ohne Zaudern, mit einer Gewissheit, die Gewissenssache ist. Jedermann trug zu seiner seltsamen Macht bei, niemand widersetzte sich ihr. Dort, wo nicht das Verdienst, sondern die Verbindungen gelten, wo die Menschen, nur um einer neben dem andern bestehen zu können, sich wie die Schalentiere gebärden müssen, hatte Brummell mehr als Bewunderer denn als Rivalen auf seiner Seite die Herzoge von York und von Cambridge, die Grafen von Westmoreland und von Chatham (den Bruder William Pitts), den Herzog von Rutland, Lord Delamere, alles, was in Politik und Gesellschaft die erste Rolle spielte. Mit ihren purpurroten Lippen verkündeten die Frauen, die wie die Priester immer im Gefolge der Stärke zu finden sind, in schmetternden Fanfaren sein Lob. Sie waren die Drommeten seines Ruhmes; aber sie blieben Drommeten. Denn das ist das Eigentümliche an Brummell, das Merkmal, das ihn von Richelieu und von fast allen Menschen, die geborne Verführer sind, wesentlich unterscheidet. Er war nicht das, was die Welt einen Lebemann nennt. Richelieu für sein Teil glich nur allzusehr jenen siegreichen Tataren, die sich aus verschlungenen Frauenleibern ihr Bett bereiteten. Brummell fehlt es an solchen Beute- und Triumphstücken des Siegers; seine Eitelkeit tauchte nicht in brennende Brunst unter. Die Sirenen, die Töchter des Meeres mit den unwiderstehlichen Stimmen, hatten die Flanken bedeckt mit undurchdringlichen Schuppen, um so reizender nur in ihrer Gefährlichkeit.
Und seine Eitelkeit hat darum nichts eingebüsst; im Gegenteil. Sie befand sich niemals im Widerspruch mit einer Leidenschaft, die ihr den Platz streitig gemacht, ihr die Wage gehalten hätte, sie war die stärkere, Affektation macht kalt. Ein Dandy ist zwar viel zu wohlerzogen, um nicht einfach zu sein, aber doch immer ein wenig affektiert. Ein leidenschaftlicher Mensch ist viel zu wahr, um Dandy sein zu können. Alfieri wäre es niemals imstande gewesen, und Byron war es nur an gewissen Tagen. (Wie Barbey selbst. D. Ü.) blieb Alleinherrscherin. Lieben, selbst im niedrigsten Sinne des Wortes, begehren, heisst immer auch abhängig, Sklave des Verlangens sein. Arme, die dich noch so zart umschlingen, sind doch eine Kette, und mag man auch Richelieu sein – ja wäre man Don Juan selbst –, wenn man sie zerbricht, die Bande dieser zärtlichen Arme, zerbricht man immer nur einen Ring von der Kette, die man trägt. Dieser Sklaverei ist Brummell entgangen. Die Verachtung, die er als Sieger zur Schau trug, erhöhte seine Triumphe. Von dem Schwindel, den er erregte, blieb er selbst frei. In einem Lande wie England, wo der Hochmut mit der Feigheit im Bunde die Prüderie an die Stelle der Scham gesetzt hat, war es nicht ohne Reiz, zu sehen, wie ein Mann, und ein so junger Mann, der alles besass, was Einbildung und Natur an verführerischen Gaben in einem Menschen vereinigen können, die Frauen für ihre gewissenlosen Ansprüche züchtigte und sich im Verkehr mit ihnen Einhalt gebot an der Grenze der Galanterie, die sie aufgerichtet haben, damit man sie übersehe. So hielt es Brummell, und es geschah ganz ohne Berechnung, ohne die mindeste Anstrengung. Jeder, der die Frauen kennt, weiss, dass das seine Macht nur verstärken musste: der diese hochmütigen Damen also grausam in ihrer romantischen Einbildung verwundete, ward zum Helden ihrer wollüstigen Träume.
Der König der Mode besass also keine anerkannte Geliebte. Auch hierin viel mehr Dandy als der Prinz von Wales, band er sich an keine Frau von Fitz-Herbert. Niemals warf dieser Sultan das Taschentuch. Kein Wahn des Herzens, kein Aufstand der Sinne, nichts, was seine Erfolge hätte beeinträchtigen oder zunichte machen können. Sie waren denn auch die eines geborenen Herrschers. Lob oder Tadel, gleichviel, ein Wort von Georges Brummell war damals entscheidend. Von seiner Meinung hing alles ab. Wenn in Italien ein Mann denkbar wäre, der eine solche Macht ausübte, welche wirklich liebende Frau würde sie gelten lassen? In England aber dachte, wenn es sich darum handelte, eine Blume anzubringen oder ein Geschmeide anzulegen, selbst eine bis zur Raserei verliebte Frau viel eher daran, was Brummell dazu sagen, als was für ein Gesicht ihr Liebhaber dazu machen würde. Eine Herzogin (und man weiss, welches Mass von Hochmut in den englischen Salons ein Titel seinem Träger verstattet) sagte mitten unter den Ballgästen, auf die Gefahr hin, gehört zu werden, ihrer Tochter, sie sollte ihre Haltung, ihr Benehmen, ihre Antworten auf das sorgfältigste in acht nehmen, wenn zufällig Mr. Brummell sich herbeilassen möchte, sie anzusprechen; in dieser ersten Phase seines Lebens nämlich mischte er sich noch unter die Tänzer, und die schönsten Hände versagten sich andern, um seine Hand nicht zu versäumen. Später hat er, ganz berauscht von seiner Ausnahmestellung, das Tanzen aufgegeben. Die Rolle eines Tänzers war etwas zu gewöhnliches für ihn. Er erschien zur Eröffnung des Balls und blieb nur einige Minuten; er Hess seinen Blick über die Versammlung schweifen, gab mit flüchtigem Wort sein Urteil ab und verschwand, indem er so das berühmte Prinzip des Dandysmus zur Anwendung brachte: »Solange du nicht gewirkt hast, sollst du bleiben; wenn die Wirkung erzielt ist, geh.« Für ihn natürlich war die Wirkung nicht mehr eine Frage der Dauer. Er kannte die Macht seines Zaubers.
Bei einem Leben von solchem Glanze, dieser unumschränkten Herrschaft über die Meinung, seiner Jugend, die nur dazu beiträgt, den Ruhm zu mehren, einem Geist von der berückenden Grausamkeit, wie sie die Frauen unter Verwünschungen anbeten, lässt sich kaum daran zweifeln, dass er manche widerstreitende Leidenschaften eingeflösst haben mag, tiefe Liebe so gut wie unerbittlichen Hass; aber nichts davon ist auf uns gelangt. Man hat von Lady J...y gesprochen, die er dem Regenten weggefischt haben soll, wie man sich mit einer dem Gegenstand angemessenen Leichtfertigkeit ausdrückt. Aber Lady J...y ist seine Freundin geblieben, und Liebschaften, die in Freundschaft endigen, gehören eher ins Reich der Fabel als die schönen Frauen, die in einen Fischschwanz endigen. Von einem Dichter rührt das Wort, das also schnöde mit allen edelmütigen Illusionen sterblicher Herzen aufräumt: »Solange man liebt, gibt es keine Freundschaft. Wenn man nicht mehr liebt, ist man nichts weniger als befreundet.« Der cant hat den Schrei der Seelen erstickt, wenn es welche gegeben hat, die ihn auszustossen wagten. In England duldet das gesellschaftliche Herkommen, das die Herzen verstümmelt, kaum Erscheinungen wie die Lespinasse, und eine Karoline Lamb Die Lord Byron mit ihrer Liebe verfolgte. (D. Ü.) besass Brummell nicht, aus dem Grunde, weil die Frauen gegen Verrat empfindlicher sind als gegen Gleichgültigkeit. Eine Einzige hat, soviel wir wissen, von Brummell in Worten gesprochen, die die Leidenschaft, indem sie sie zu verhüllen trachten, entschleiern: Henriette Wilson, eine Kurtisane. Nichts natürlicher als das; sie war eifersüchtig, wohl nicht auf das Herz Brummells, aber auf seinen Ruhm. Die Eigenschaften, auf denen die Macht des Dandy beruhte, waren von der Art, wie sie das Glück der Kurtisane begründet hätten. Im übrigen aber – und dazu braucht man keine Henriette Wilson zu sein – wissen die Frauen kaum etwas so zu schätzen wie die Zurückhaltung, die man sich zu ihren Gunsten auferlegt. Sie verstehen – und was verstehen sie nicht! – zu nehmen wie die Männer, und sie werden es einem Sheridan bei all seinen Gaben nie verzeihen, dass er unverschämt genug gewesen ist, seine Hand als die schönste in England meisseln zu lassen.