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Die Geburt des Dadaismus. Mulche-Mulche, die Quintessenz der Phantastik, gebiert den jungen Herrn Fötus, hoch oben in jenem Bereich, der von Musik, Tanz, Torheit und göttlicher Familiarität umgeben, sich klärlich genug vom Gegenteil abhebt.
Über keine Rede der Herren Clemenceau und Lloyd George, über keinen Büchsenschuß Ludendorffs regte man sich so auf wie über das schwankende Häuflein dadaistischer Wanderpropheten, die die Kindlichkeit auf ihre Weise verkündeten.
In einem Fahrstuhl aus Tulpen und Hyazinthen begab sich Mulche-Mulche auf die Plattform des Grand Hotel Metaphysik. Oben harreten ihrer: der Zeremonienmeister, der die astronomischen Geräte zu ordnen hatte, der Jubelesel, der gierig aus einem Kübel voll Himbeersaft sich erlabte, und Musikon, unsere liebe Frau, aufgebaut ganz aus Passacaglien und Fugen.
Das schlanke Bein Mulche-Mulches war mit Chrysanthemen ganz umwickelt, so daß sie beim Gehen nur spärlich ausschreiten konnte. Die rosenblätterne Zunge stieß flatternd ein wenig über die Zähne hervor. Goldregen hing ihr vom Auge herab und die schwarze Decke des Himmelbetts, das ihr bereitet stand, war bemalt mit silbernen Hunden.
Das Hotel war aus Gummi erbaut und porös. Die oberen Stockwerke hingen mit Firsten und Kanten weit vornüber. Als Mulche-Mulche entkleidet war und der Glanz ihrer Augen die Himmel färbte –: eija, da hatte der Jubelesel sich satt getrunken. Eija, da schrie er mit weithin vernehmlichen Stimme Willkomm. Der Zeremonienmeister verbeugte sich weithin vielmals und rückte das Fernrohr näher zur Brüstung, um die Cölestographie zu studieren. Musikon aber, als Goldflamme stets um das Himmelbett tanzend, hob plötzlich die Arme, und siehe, von Violinen schattete es über die Stadt.
Mulche-Mulches Augen verflammten. Ein Anfüllen ihres Leibes vollzog sich mit Korn, Weihrauch und Myrrhen, daß sich die Decken des Bettes hoben und wölbten. Mit allerlei Samen und Frucht stieg die Fracht ihres Leibes, daß knatternd die Wickel zersprangen, darein er gebunden war.
Da machte sich alles rachitische Volk der Umgebung auf, die Geburt zu verhindern, die dem verödeten Lande drohte mit Fruchtbarkeit.
P. T. Bridet, die Totenblume am Hut, wuchs zeternd auf seinem Holzbein. Giftlache prägte sich auf seiner Backe. Aus der Stube der Abgeschiedenen eilte er grimmig herbei, dem Unerhörten erbost zu begegnen.
Und da war Pimperling mit dem Abschraubekopf. Das Trommelfell hing ihm zu beiden Seiten zerknüllt aus den Ohren. Ein Stirnband aus Nordlicht trug er, neuesten Datums. Typus des schlammüberfluteten Massengräblers, der, mit Vanille bepudert, aus Jalousien sehr schlimmer Dünste sich aufmacht, die Ehre zu retten.
Und da war Toto, der diesen Namen hatte, sonst nichts. Sein eiserner Adamsapfel schnurrte geölt im Winde, beim Laufen der Bise entgegen. Die Jerichobinde hatte er sich um den Leib geschnallt, damit seiner Eingeweide flatternde Lappen nicht sollten verloren gehen. Marseillaise, sein Schibboleth, strahlte ihm rot von der Brust.
Und sie zernierten die Gärten, stellten die Wachen aus und beschossen mit Filmkanonen die Plattform. Das donnerte Tag und Nacht. Als Versuchsballon ließen sie aufsteigen die violettausstrahlende ›Kartoffelseele‹. Auf ihren Leuchtraketen stand: ›God save the King‹ oder ›Wir treten zum Beten‹. Durch ein Schallrohr aber ließen sie auf die Plattform rufen: »Die Angst vor der Gegenwart verzehrt uns.«
Dort oben derweilen versuchte der Gottheit geschäftiger Finger vergebens, den jungen Herrn Fötus hervorzulocken aus Mulche-Mulches rumorendem Leibe. Schon war es an dem, daß er vorsichtig lugte aus ragendem Muttertore. Aber mit schlauerem Fuchsgesicht zog er sich blinzelnd wieder zurück, als er die viere, Jopp, Musikon, Gottheit und Jubelesel mit Schmetterlingsnetzen, Stöcken und Stangen und einem nassen Waschlappen vereinigt sah, ihn zu empfangen. Und herrischer Schweiß brach aus Mulches gerötetem Körper mit Spritzen und Strahlen, daß alle Umgebung davon übergossen war.
Da wurden die unten ganz ratlos ob ihrer verrosteten Filmartillerie und wußten nicht, was sie beginnen sollten, ob abziehen oder verweilen. Und zogen die ›Kartoffelseele‹ zu Rat und beschlossen, das liebliche Schauspiel des Grand Hotel Metaphysik mit Gewalt zu erstürmen.
Als ersten der Katapulte rollten sie heran: den Modegötzen. Das ist ein mit Similisteinen und mit orientalischem Trödel beladener funkelnder Spitzkopf mit niedriger Stirne. Dieweil er vom Kopf bis zu den Füßen aus hölzernen Lügen gedrechselt ist und auf der Brust als Berlocke ein Eisenherz trägt, kann man ihn nennen den Spaßlosen Götzen.
Schwarzhalsig ragt er mit Schellen behangen, die Stimmgabel des Lasters hoch in der erhobenen Rechten. Aber mit Schriftzeichen über und über bemalt der Kabbala und des Talmud, schaut er doch gutmütig drein aus Kinderpupillen. Mit sechshundert selbstgelenkigen Armen verdreht er die Tatsachen und die Geschichte. Am hintersten Rückenwirbel ist auch ein Blechkasten angebracht mit Knallgebläse. Und so die ölgesalbte Entleerung stattfindet, entstürzen ihm afterlings Generäle und Bandenführer, menschenunähnlich und mit den Gesichtern im Kote schleifend.
Doch senkt ihm von oben Jopp mit Musikons Hilfe die Zündschnur tief in den Magen, und da er mit Hespar, Salfurio, Akunit und Schwefelsäure geladen ist, so sprengen sie ihn und vereiteln den Anschlag.
Als zweiten Götzen bringt man den ›Bärtigen Hund‹, daß er mit urchigem Brüllen und Geifer die zärtliche Anekdote wegspüle von der Plattform des Grand Hotel Metaphysik. Mit Stemmeisen lüpft man das Pflaster der Religionen, damit sich ein Weg und Geleise eröffne. Die ›Ideologischen Überbau-Aktien‹ fallen rapid. »Oh Niederbruch in die Tierheit!« jammert Bridet. »Die magischen Druckereien des heiligen Geistes genügen nicht mehr, den Untergang aufzuhalten.«
Und schon faucht er heran, vorgespannt einer auf Rollrädern laufenden Kirche, hinter deren Gardinen ängstliche Priester, Prälaten, Dekane und Summi Episcopi Ausschau halten. Fünfgrätige Rückenwirbel schleppen sein räudiges Fell, in das Truppen hineintätowiert sind. Auf fliehender Stirne thront Abbild von Golgatha. Gefüttert mit einem Häcksel aus Kraftlinien stand er bislang im Stalle der Allegorie. Nun rollt er heran, sein Erstaunen zu pusten wider die Klangstimme Musikons.
Doch seine Wut überschlägt sich. Noch ehe sein Atem den Dachfirst erreichen kann, krümmt er den Rücken und läßt seiner Mannbarkeit Samen aus, der duftet nach Jasmin und Wasserrosen. Entkräftet zittern des Ungetüms Knie. Es leget das Haupt auf die Pfoten, demütig winselnd. Mit seinem eigenen Schweife zerschlägt es die wackelnde Ferienkirche der Volksvormünder, die es herangezogen. Und auch dieser Ansturm versaget.
Und während auf luftiger Plattform Musikons Goldflamme tanzet, umbala weia, da bringt man den letzten der Götzen heran: Puppe Tod aus Stuck, im Auto lang ausgestreckt, um ihn an Stricken hinaufzuziehen. »Hoch lebe der Skandal!« ruft Pimperling zum Empfang. »Poetischer Freund«, so Toto, »ein krank verstümmelter Leichnam ist um Euren Kopf. Kobaltblau sind Eure Augen gefärbt, lichtockergelb Eure Stirne. Reichet den Handkoffer her. Sela.« Und Bridet: »Wahrlich, verschwiegener Meister, Ihr duftet nicht schlecht für Euer Alter. Das wird einen Heidenspaß geben. Lasset uns jeder das Tanzbein schwingen, das er dem andern entrissen hat. Lasset uns einen Triumphbogen bauen, und wo Ihr den Fuß hinsetzet, begleite Euch Segen und Heil!«
Da nickte der Tod und nahm ihnen ihre Erlebnisse ab, wie man ein Huldigungsschreiben entgegennimmt, und bot seinen Hals für die Schlinge, womit er zur Höhe sollte befördert werden. Und sie hakten die Spulen ein, drehten den Hebel und lotseten ihn. Doch die Last war zu schwer. Dreiviertel der Höhe hatte er baumelnd und schaukelnd erreicht und belebte sich schon, um den First zu erklimmen. Da strafften die Seile sich härter, sangen und sausten. Da krähte der Draht, und aus schwindelnder Höhe stürzte er nieder und traf mit der ganzen Wucht seiner Last den kreuzbraven Pimperling, der solcher Anrempelung sich mitnichten versah. Dreimal gestorben und fünfmal erschlagen trugen sie ihn, in ein Nastuch gehüllt, abseits des Weges und trachteten heiß, das verschobene Gebälk seines Hinterkopfes wieder zurechtzurücken. Doch da war nicht zu helfen. Und auch der Tod ging entzwei bei Pimperlings Tod durch den Tod.
Da stieß Mulche-Mulche plötzlich zwölf gellende Schreie aus, hart nacheinander. Ihr Zirkelbein hob sich zum Rande des Himmels. Und sie gebar. Zuerst ein klein Jüdlein, das trug ein klein Krönlein auf purpurnem Haupte und schwang sich sogleich auf die Nabelschnur und begann dort zu turnen. Und Musikon lachte, als sei sie die Base.
Und vierzig Tage vergingen, daß Mulche kreidigen Angesichts stand an der Brüstung. Da hob sie zum zweiten Male das Zirkelbein, hoch in den Himmel. Und diesmal gebar sie viel Spülicht, Geröll, Schutt, Schlamm und Gerümpel. Das prasselte, klirrte und polterte über die Brüstung hinab und begrub alle Lüste und Leichen der Sohlengänger. Da freute sich Jopp, und die Gottheit senkte das Schmetterlingsnetz und schaute verwundert.
Und abermals vierzig Tage vergingen, da Mulche nachdenklich stand und mit großen verschlingenden Augen. Da hob sie zum dritten Male das Bein und gebar den Herrn Fötus, als welcher beschrieben steht Pagina 28, Ars magna. Konfutse hat ihn gerühmt. Eine Glanzkante läuft ihm über den Rücken. Sein Vater ist Plimplamplasko, der hohe Geist, liebtrunken über die Maßen und wundersüchtig.