Gerdt von Bassewitz
Peterchens Mondfahrt
Gerdt von Bassewitz

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Das Schloß der Nachtfee

In einem gewaltigen Saal ihres Schlosses empfing die Nachtfee ihre Gäste zum Mitternachts-Kaffeeklatsch. Himmelhohe, silberne Säulen trugen eine ungeheure Wolkenkuppel, von wehenden Nebeln wie von zarten Fahnen umschwebt. Der Boden war aus tiefblauem Kristall, so durchsichtig wie das Wasser des Meeres, wenn es ganz still liegt. Durch weite Eingänge zwischen den Säulen sah die Nacht herein, und in ihrer Unendlichkeit schwebten gleich großen Blumen Tausende von Wölkchen und gaben ein zauberzartes Licht. Das Schönste aber war der Thron der Nachtfee in der Mitte des Saales. Aus einem einzigen, grünen Edelstein waren seine Stufen geschnitten, aus Perlen war der Sitz, die Lehne aus Silber, und sieben blaue Sterne funkelten leise darüber in der Luft. Zu beiden Seiten dieses wunderschönen Thrones standen Reihen von silbernen Stühlen für die Gäste, die erwartet wurden. Die Nachtfee saß auf ihrem Thron, als die Mitternacht nahte, eine leuchtende Mondsichel im schwarzen Haar, mit ihrem Königsmantel angetan. Neben ihr standen zwei Sternenmädchen in ihren Silberkleidern; durch die Nacht des Hintergrundes aber zog ununterbrochen eine Kette winziger singender Sternenkinder. Die ganz, ganz kleinen waren es, die noch nicht beim Sandmännchen in die Sternenschule gingen, weil sie noch keine Kinder auf der Erde zu beschützen hatten. Darum hatten sie auch noch kein Plätzchen am Himmel, von dem aus sie des Nachts auf die Erde hätten blicken und wachen müssen. Aber wunderschön singen konnten sie schon!

Plötzlich klangen zwölf tiefe Glockenschläge durch den Raum; die Nachtfee erhob sich von ihrem Thron, breitete die Arme aus und sagte mit einer weichen, von Wohlklang wunderlieben Stimme:

»Mitternacht! – Die Welt schlief ein;
Frieden, Frieden soll über ihr sein!«

Mit tausendfachem Echo nahm der Himmelsraum diesen Segensspruch auf. Von fernen Chören gesungen klang es, immer weiter, immer leiser:

»Frieden, Frieden soll über ihr sein!«

Dann wurde es ganz still. Still setzte sich die Fee wieder auf ihren Thron, und ein gütiges Lächeln lag über ihrem blassen, edlen Antlitz. Eine Zeitlang war tiefes Schweigen ringsum, dann aber hörte man fernes Gerumpel, das immer stärker wurde und schließlich als gewaltiger Donner heranbrüllte. Gleich darauf sprang mit einem schmetternden Schlage der Donnermann aus den Wolken am Eingang; der erste der geladenen Gäste. Er hatte einen mächtigen Paukenklöppel in der Faust, schlug sich damit auf den Bauch, verneigte sich vor der Nachtfee und brüllte:

»Zum Donnerwetter, da bin ich gekommen!
Habe mir keine Zeit genommen;
Bin gleich, weil du mich geladen hast,
Auf meiner Pauke hierher gerast.
Mein Weib, die Blitzhexe, läßt dir sagen,
Sie hätte noch schnell mal wo einzuschlagen
Und käme dann hinterher geritten;
Derweil zu grüßen läßt sie bitten!

Potz – Himmel – Bomben – Donnerwetter!
Unterwegs überholte ich meinen Vetter,
Den Hagelhans; der muß gleich kommen;
Hat ein graues Wolkenschiff genommen,
Hat ein Loch an der Mondsichel ins Segel geschnitten;
Läßt derweil durch mich um Entschuldigung bitten.
Potz – Krach – Blitz – Donner – Bombenschlag
Ich bin hier und sage dir guten Tag!«

Während er dies sprach, donnerte es immerfort, so daß die kleinen Sternenmädchen neben dem Thron der Nachtfee ordentlich Herzklopfen bekamen. Aber der Donnermann war gar nicht böse dabei; er lachte und verzog lustig den Mund von einem Ohr bis zum andern. Die Nachtfee neigte ihr schönes Haupt zum Gruß gegen den wilden Mann und meinte mit freundlichem Lächeln, er solle nur nicht gar so viel donnern, damit die Sternenkinder keine Angst bekämen. Nun war der gutmütige Donnermann ganz verlegen und bullerte leise eine Entschuldigung. Es war nämlich wirklich nicht so einfach für ihn, sich das Donnern zu verkneifen; besonders, wenn er sich freute. Da summte und pfiff es in der Luft, und der zweite Gast kam, die Windliese. Auf einem Besen ritt sie, sprang vor dem Thron der Nachtfee ab und, während sie immerfort Knickse machte und im Kreise herumlief, rief sie mit einer pfeifenden Stimme:

»Hui – Hui – Sumsiselsei!
Komm' schnell auf meinem Besen herbei,
Hab' tausend Meilen zurückgelegt,
Bin über Wiesen und Wälder gefegt,
Hab' an allen Türen und Fenstern gerüttelt,
Hunderttausend Kirschen von den Bäumen geschüttelt.
Haha – hoho – huhu – sieh – sieh!
Die Windliese ist hie, die Windliese ist hie!«

Die Nachtfee reichte ihr freundlich die Hand, und, während sich die Windliese mit dem Donnermann begrüßte – die beiden waren natürlich sehr befreundet – kam schon der dritte Gast herein. Es war die dicke Wolkenfrau.

Sie sah aus wie ein Luftballon oder wie eine große Kaffeekanne; sehr, sehr komisch. Ihr Gesicht war wie ein Bratapfel so rund und auch so freundlich. Mit sehr gemütlichen, langsamen Bewegungen kam sie bis dicht an den Thron der Nachtfee, wippte mit ihrem aufgeplusterten Kleid einen komischen Begrüßungsknicks und sagte mit weicher, molliger Stimme:

»Wie geht es am Himmel?
Wie geht's auf dem Mond?
Ich finde, daß es sich immer noch lohnt,
Liebe Nachtfee, Sie zum Kaffee zu besuchen;
Sie haben ausgezeichneten Fladenkuchen.
Ich hoffe nur, daß die Sonne, das Biest,
Nicht etwa auch geladen ist;
Hat mir neulich wieder durchs Kleid gebrochen
Und mich mit ihren Strahlen zerstochen.«

Die Nachtfee dankte für den Gruß der Wolkenbase und wies ihr den Platz neben dem Donnermann und der Windliese. Freilich, die Sonne war auch eingeladen; das erforderte die Sitte und Höflichkeit. Aber die Wolkenfrau beruhigte sich darüber, da sie neben dem Donnermann und der Windliese sitzen konnte, mit denen sie selbstverständlich in dicker Freundschaft lebte.

Plötzlich zuckte es schwefelgelb durch den Raum, und herein fuhr die Blitzhexe auf einem toten Baumast. Im gleichen Augenblick sprang der Donnermann mit einem fürchterlichen Donner von seinem Sitz, umarmte sein Weib und tanzte mit ihr eine Weile im Saal herum. Sie machten dabei ein sehr greuliches Getöse und einen schauderhaften Schwefelgestank. Ihre Freude war so groß, daß sie sich nicht beherrschen konnten. Die Nachtfee hielt sich die Nase zu, so schlecht roch es. Dann ließ die Blitzhexe den Donnermann los, lief in Zickzacklinien vor den Thron und schrie mit schriller Stimme:

»Sirrr – sirrr – liebe Base – da ist der Blitz!
Zerschlug nur noch schnell eine Kirchturmspitz;
Hatte Auftrag, mußt' ihn erledigen schnell;
Sirrr – sirrr – krakacks – bin ich zur Stell'!«

Die Nachtfee verneigte sich und bat die Blitzhexe freundlich, etwas weniger Schwefelduft zu verbreiten, da dies ihren Sternenkindern und auch noch anderen von den geladenen Herrschaften nicht gesund sei; zum Beispiel dem Taumariechen, der Morgenröte und der Abendröte. Der Donnermann machte einen Witz um den anderen zur Wolkenfrau über die zimperlichen Frauenzimmer am Morgen- und Abendhimmel, die Blitzhexe aber knickste eckig und schrie dazu:

»Sirrr – will mich beherrschen! Hoffe, es glückt;
Wenn's mich auch drängt und zwackt und jückt,
Den köstlichen Feuerduft zu verbreiten,
Sirrr – sirrr – das sind ja nur Kleinigkeiten!«

Dann zuckte sie in Zickzacklinien durch den Saal und setzte sich dem Donnermann auf den Schoß. Ein leises Regenrauschen wurde nun hörbar, und eine sehr sonderbare Erscheinung trat vor den Thron; der Regenfritz. Schön war der Regenfritz nicht. So dünn wie ein Lineal war er. Langes, verwaschen blondes Haar hing ihm strähnig über die Triefaugen und die rote, spitze Schnupfennase. Einen mächtigen Regenschirm hatte er zugeklappt unter dem Arm, und sein langer Rock war patschnaß von Wasser. Wo er stand, bildete sich sofort auf dem Boden eine Pfütze. Er machte eine linkische Verbeugung vor der Nachtfee, zog seinen alten, triefenden Zylinder und sagte mit einer ölig flötenden, melancholischen Greinstimme:

»Drüppelü – tüp – tüp – liebe Fee der Nacht,
Sie haben mir gütige Einladung gemacht.
Ich bin gerne gekommen – tüp – top – tü – ti!
War ein weiter Ritt auf dem Parapluie.
Hab' zwar im Mai sehr wenig zu tun,
Hin und wieder mal drüppeln, meist muß ich ruhn;
Hab's aber eben noch erreicht
Und fünfzig neue Leider milde durchweicht,
An siebzehn Stellen sanft durch die Decke geregnet,
Tische, Stühle und Betten mit Pfützen gesegnet,
Zwölf Landpartien freundlich berieselt,
Zweihundert Kinderchen haben's mit Schnupfen benieselt;
Dreizehn Handwerksburschen, bis aufs Hemd,
Habe ich liebevoll durchschwemmt.
Nun ja, man muß eben zufrieden sein,
Der Mai ist trocken, die Arbeit klein.«

Die Nachtfee ermahnte diesen seltsamen Gast, nachdem sie ihn begrüßt hatte. auf der Erde nicht nur Possen und Unsinn zu treiben, sondern auch Gutes zu tun und die Gärten und Felder ordentlich zu begießen. Und dann bat sie ihn, hier in ihrem Saal das Regnen ein wenig zu unterdrücken und keine Pfützen zu rieseln. Der Regenfritz versprach's und setzte sich zur Wolkenfrau. Seit einiger Zeit hatte man schon ein fernes Brausen gehört, das immer näher heranschwoll. Plötzlich flatterten alle Schleier und Nebelfahnen im Saal, die Wolkenwände bewegten sich leise, denn der Sturmriese fuhr in den Raum, schwarz und riesengroß, mit ungeheuren, den Boden fegenden Flügeln. In seiner Faust hielt er einen abgerissenen Eichenast; den schwenkte er zum Willkommen und brüllte, während sein mächtiger Bart wie eine schwarze Wolke um ihn her wehte:

»Puh – da bin ich! Komme vom Ozean!
Schnallte meine schnellsten Flügel an!
Bin wie der Teufel durch die Luft gesaust,
Durch Gebirg und Urwald herangebraust!
Ließ auf dem Flug mir keine Zeit,
Weil Ihre Einladung mich furchtbar freut!
Habe nicht Wind- noch Wasserhose angezogen;
Sie müssen verzeihen, bin so geflogen!«

Er hatte wirklich gar nichts an; nicht einmal den neuen Wüstenwirbelwetterhut oder die Föhnstiefel. Darum mußte er sich jetzt hinter die Wolkenfrau setzen, nachdem er mit vielem Getöse den Donnermann, die Blitzhexe und die Windliese, sein Weib, begrüßt hatte.

Nun kamen die drei Eisgeschwister. Als erster der Hagelhans mit seiner riesigen Trommel. Er hatte ein blaues Gesicht und kugelrunde, glashelle Augen, in denen grüne Funken brannten. Sein Haar war weiß wie Schnee, und seine Uniform war blitzend von Hagelperlen. Als er eintrat, wurde es kühl, und der Regenfritz fing an zu niesen. Er konnte den Hagelhans nicht besonders leiden, weil der ihm immer beim Begießen ins Handwerk pfuschte. Der Hagelhans klappte vor dem Thron der Nachtfee militärisch mit den Hacken, schlug einen Wirbel zur Begrüßung auf seiner Trommel und schnarrte mit einer Stimme, die wie das Rasseln von Eisenketten klang:

»Klirrrr – der Hagelhans ist zur Stelle!
Hat viel zu tun in der Mittagshelle;
Muß in den heißen Frühlingstagen
Die Ehre des Winters zu Ansehn tragen!
Tut's gern, ist ihm eine dienstliche Pflicht,
Kennt Mitleid mit Blumen und Saaten nicht,
Zerschmettert all den albernen Kram,
Wo er ihm in die Marschrichtung kam;
Schießt mit tausend Flinten zu gleicher Zeit,
Trifft sicher, ist gegen alles gefeit;
Kennt kein sanftsäuselndes Betragen,
Hat immer alles kurz und klein geschlagen;
Ist gründlich in seinem Dienstrevier;
Nachts hat er Urlaub – jetzt ist er hier!«

Die Nachtfee liebte zwar die Arbeit dieses strengen Herrn nicht besonders; aber, da er zu den Eisgeschwistern gehörte und ein vornehmer Himmelsfürst war, lud sie ihn stets zu ihren Festen und grüßte ihn auch jetzt mit höflichem Verneigen.

Kaum hatte er auf seinem Stuhl neben dem Sturmriesen Platz genommen, so kam seine Schwester Frau Holle herein. Rundlich und weiß von oben bis unten war sie und sah eigentlich aus wie ein großes, wandelndes Bett mit zwei dicken, weichen Pantoffelfüßen. Immerfort ging ihr ein weißer Nebel vom Munde, besonders, wenn sie gähnte; und sie gähnte nämlich schrecklich viel, weil sie müde war, denn im Frühling schlief sie sonst meistens. Nun verneigte sie sich vor der Nachtfee und sagte ihren Gruß. Dabei stiebten ihr dichte Flocken aus den Röcken. Man verstand auch, was sie sprach, aber eigentlich war es lautlos gehaucht:

»Frau Holle ist da! Frau Holle ist da!
Hab's beinah verschlafen, Frau Nachtfee – jaja!
Ich halte schon meine Sommerruhe
Am Nordpol. Meine Bettentruhe
Ist sorgsam vor der Sonne verschlossen;
Sie hat unverschämt mit Strahlen geschossen.
Ich mußte tief in das Eisschloß fliehen,
Um mich nicht zu verbrühen, ja ja, zu verbrühen!
Dort schlief ich wie sieben Murmeltiere.
Weckt' ein Sternchen mich und brachte mir Ihre
Einladung zu dem großen Empfang.
Besten Dank, liebe Base, besten Dank, besten Dank!«

Und wieder knickste sie, und wieder stob ihr eine Wolke von Schneeflocken aus den Röcken. Die Nachtfee reichte ihr die Hand und sagte, daß es Schlagsahne auf Eis geben würde. Das aß Frau Holle schrecklich gern, und höchst vergnügt segelte sie zu ihrem Stuhl neben dem Hagelhans.

Da kam auch schon der Eismax heran, der dritte der Eisgeschwister. Mit klirrenden Sporen und tausend klingenden, funkelnden Eiskristallen an seiner Montur schritt er zum Thron. Er schlug die Sporen zusammen, grüßte militärisch vor der Nachtfee und schnarrte:

»Gnädigste Nachtfee, melde jehorsamst zur Stelle!
Jereist mit jletscherhafter Schnelle.
Zwar für mich unjewöhnliche Zeit;
Aber doch eisbärenmäßig jefreut!
Wo alle sich zum Empfang einstellen,
Darf Eismax selbstverständlich nich fehlen.
Bitte erjebenst, eines nur:
Etwas jekühlte Temperatur'
Und die Sonne, das jreuliche Weib,
Mir nich so nahe uff'n Leib.
Kann die Person durchaus nicht vertragen,
Krieje Triefaugen und weichen Kragen,
Janzer Anzug schlägt Jammerfalten,
Kann Monokel nich mehr halten.
Unausstehlich! ... Na, überhaupt,
Denke, daß mir das jeder glaubt!«

Nachdem die Nachtfee ihm versichert hatte, daß er kühl und luftig, weit ab von der Sonne sitzen solle, klirrte er salutierend wieder mit den Sporen und legte ein blitzendes Eisblumensträußchen auf die Thronstufen. Dann ging er von Platz zu Platz, machte den Anwesenden seine ritterliche Verbeugung und setzte sich schließlich, nachdem er sich auch den hübschen Sternenmädchen am Thron der Nachtfee vorgestellt hatte, auf die andere Seite der Frau Holle.

Jetzt quakte und patschelte es draußen: der Wassermann kam nämlich angeschlurft. Für den war es gewiß eine weite Fahrt gewesen. Er sah auch sehr angestrengt aus, als er nun auf seinen breiten Entenfüßen hereinwatschelte und mit den großen Glotzaugen herumstreite wie der Karpfen-Ururgroßpapa auf dem Seegrund. Wenn der Wassermann nicht im Wasser hockte, war er nämlich ein wenig kurzsichtig, und so wurde es ihm schwer, sich zurechtzufinden in dem großen Saal. Als er aber entdeckt hatte, wer da war, schlenkerte er zur Begrüßung die langen Froscharme nach allen Seiten, riß sein breites Maul auf und quakte:

»Putsch – patsch – blubber – quax!
Putsch – patsch – blubber – quax!
Guten Tax allerseits
guten Tax – guten Tax!
War 'ne weite, beschwerliche Fahrt – noaaaaaa!
Bin aber – blubber – blubber – trotzdem da.
Bin gefahren – uax – auf dem Muschelschiff,
Vom Grunde des Meeres – uax –, wo ich schlief.
Meine Seejungfern tanzten am Ufer Reigen,
Spielten Schlickversteckens und Blasensteigen;
Haben mir in einer großen Blase
Die Einladung gebracht, Frau Base.
War mir – blubber – blubber – sehr schmeichelhaft,
Hab' mir neue – uax – Wasserhosen angeschafft.
Aber ich bitte, vor allen Dingen,
Mich – uax – uax – wässerig unterzubringen.
In der Luft ist es sehr unangenehm!«

In jeder Hand hatte er einen großen Schwamm; den drückte er sich dabei über den Kopf aus, um es wenigstens etwas feucht zu haben. Die Nachtfee aber hatte für alles gesorgt, und so stand für den Wassermann eine große, silberne Badewanne bereit. In die kroch er nun auf die Einladung der Nachtfee, vergnügt grunzend, hinein. Außerdem kam noch ein liebliches Sternenmädchen mit einer gläsernen Gießkanne auf den Wink der Nachtfee herbei und begoß den dicken Wasserfürsten unermüdlich. Das gefiel ihm! Er quiekte und quakte wie ein grünes Schweinchen vor Vergnügen.

Da hörte man leise Harfentöne, und herein kam das Taumariechen; ein blasses, dunkelhaariges Mädchen, von Silberschleiern und Perlen umfunkelt. Sie trug eine Trinkschale in ihren kleinen Händen, die aus einem einzigen Diamanten geschnitten war. Die Harfentöne klangen bei jedem ihrer Schritte in der Luft, wie fallende Tropfen. Vor dem Thron kniete sie mit unbeschreiblicher Anmut nieder, neigte ihr Köpfchen leise und sagte mit silberner Stimme:

»Liebe Mutter, ich habe für diese Nacht,
Deinem Willen gehorsam, mein Werk vollbracht
Alle dürstenden Gräser und Blüten erquickt,
Alle schlafenden Wälder mit Perlen geschmückt;
Hing in Gärten viel Kettlein an Zweig und Baum,
Gab den grünen Büschen den Tropfensaum,
Füllte mit segnender Frische die Luft,
Strich auf Blätter und Früchte den silbernen Duft;
Hab' alle bunten Wiesen leise gekühlt,
Mit den Nebeln über dem See gespielt;
Hab' der Morgenröte das Land geschmückt,
Und alle Wesen im Traum erquickt.
Küß mich nun, Mutter, mein Werk ward schön,
Und laß mich in deine Augen sehn.«

Damit eilte sie in die Arme der Nachtfee, die ihr mit einem leisen, zärtlichen Kuß den Scheitel berührte. Dann setzte sich das Taumariechen auf die Stufen des Thrones, das liebliche Köpfchen ans Knie der Mutter geschmiegt.

Bis zu diesem Augenblick war in dem großen Saal ein Dämmerlicht gewesen, in dem die silbernen Säulen gleich Mondstrahlen zwischen den blauen Wolken schimmerten; nur bei der Ankunft der Blitzhexe, des Regenfritzen und der Frau Holle hatte sich dies milde Traumlicht, das vom Haupt der Nachtfee auszugehen schien, für Augenblicke ein wenig geändert. Jetzt plötzlich flog goldener Schein in diese Dämmerung, und durch die weite Nacht her kam eine rauschende, ferne, wundermächtige Musik. Die Nachtfee erhob sich auf ihrem Thron; die Sonne nahte, die Königin des Tages, die ihr gleich war an Rang und Ansehen. Alle Gäste erhoben sich mit ihr von den Sitzen, denn, obschon sie die Sonne zum Teil nicht leiden konnten, mußten sie ihr doch, als einer Königin, die schuldige Ehrfurcht bezeigen. Da schwoll die Musik heran, wie ein wachsender Sturm. Die Wolken teilten sich, und – in einem Strom von goldenem Licht schwebte die Sonne herein mit ihren Töchtern und Söhnen, der Morgenröte und Abendröte, dem Morgenstern und dem Abendstern. Wunderschön war die Sonne! Ihre Augen strahlten machtvoll und lieb zugleich. Als ein Mantel von Flammen lag ihr Lockenhaar um sie, und in funkelnden Garben brachen die Lichtstrahlen aus der Krone auf ihrem Haupt. An jeder Hand führte sie einen ihrer Söhne, die Schleppe ihres goldenen Kleides aber trugen ihre lieblichen Töchter. So stand die Sonne der Nachtfee gegenüber, und der Saal war voll von ihrem Licht. Langsam kam die Nachtfee von ihrem Thron herab der Sonne entgegen. Auf ihrem schwarzen Haar schimmerte die blasse Mondkrone. Sie breitete ihre Arme weit aus und grüßte die Sonne mit ihrer glockenschönen Stimme:

»Willkommen mir, Schwester, Königin!«

Da neigte die Sonne ihr Haupt leise vor der Majestät der Nacht; dann hob sie es leuchtend und sprach:

»Der Gruß meiner Liebe sei dir gebracht,
Du schöne Schwester, du stille Nacht!
Sind unsre Reiche auch ewig geschieden;
Mein ist die Arbeit, dein ist der Frieden;
Schlingen wir doch um die Guten und Bösen
Den einen Reigen und segnen die Wesen,
Die auf der wundertiefen Welt
Liebe in prunkendes Leben gestellt.«

Und dann umarmten sich die beiden Königinnen. Als die Nachtfee die Sonne umschlang, ging alle Glut unter in blauen Nebeln, und tiefe Dämmerung sank in den Raum; und als die Sonne ihre Arme um die Schultern der Nachtfee legte, leuchteten alle Dinge umher, in ein Meer von Licht gebadet. Als diese Begrüßung vorüber war, nahmen beide Herrscherinnen auf ihren Sitzen Platz, und auch die anderen Gäste setzten sich wieder. Dabei war es sehr komisch, wie der Eismax hinter den Rock der Wolkenfrau kroch und wie Frau Holle hinter dem Schirm des Regenfritzen hervorschielte.

Jetzt kam aber plötzlich eine sehr sonderbare Gestalt hereingetölpelt: der Milchstraßenmann. Er war anscheinend in großer Wut und gar nicht festlich angezogen, wie sich das gehört hätte. Die Mütze saß ihm schief auf dem Kopfe, seine dicken Mondlederstiefel waren schmutzig, und einen ungekämmten Schnurrbart hatte er auch. Unter dem Arm trug er die große Zwillingsmilchflasche, und an einem Bändchen hinter ihm zottelte der kleine Bär, den er eigentlich hätte draußen lassen müssen, weil der immer schmutzige Pfoten hatte. Der kleine Bär hütete nämlich die Mondkälber und biß sie in die Beine, wenn sie auf einer falschen Himmelswiese grasen wollten. Jetzt hatte er allerdings einen Maulkorb um. Die Nachtfee machte ein sehr erstauntes Gesicht über den Milchstraßenmann und wollte ihm etwas darüber sagen, daß er nicht in solchem Aufzuge kommen dürfe; aber der ließ sie gar nicht zu Worte kommen, so aufgeregt war er, und polterte sofort los:

»Frau Nachtfee, ich muß mich bitter beklagen!
Die Gesellschaft, die du geladen hast,
Ist mir derart über die Milchstraße gerast,
Daß sie mir das Pflaster beschädigt haben
Und die Meilensteine, die Bäume, den Graben!
Das ist ein Benehmen, unerhört!«

Natürlich taten die Gäste, als wüßten sie von gar nichts, besonders der Sturmriese und der Donnermann schüttelten ungläubig ihre wilden Köpfe und taten so unschuldig wie kleine weiße Lämmchen. Aber der Milchstraßenmann schrie:

»Jawohl, ich hab' mich zu Recht beschwert!
Der Sturmriese kommt da mit Saus und Summ
Und wirft mir drei schöne Milchbäume um!
Und die Wolkenfrau, die ist auch so eine;
Hat mir alle meine Meilensteine
Verwischt mit ihren Plusterröcken!
Wenn nun ein Komet geflogen kommt,
So kann er nicht lesen, wie weit es gewesen!
Er verirrt sich, rennt gegen Zäune und Hecken
Und bleibt zuletzt noch im Mondberg stecken!
Dann beschwer ich mich über den Regenfritzen;
Er macht meine Straße voller Pfützen
Und hat mir die schöne Milch verwässert
Mit seiner triefigen Drüppelei!
Es ist eine Schande und Schweinerei!«

Nun wollte sich der Regenfritz auch beschweren:

»Der kleine Bär hat mich aber gebissen,
Tüp, tüp – und mir meine Hosen zerrissen!«

meinte er weinerlich und zeigte ein großmächtiges Loch in seiner neuen Regenhose, die er sich extra zu dem heutigen Besuch beim Wolkenschneider hatte machen lassen. Ausgelacht wurde er obendrein vom Milchstraßenmann. Als der Donnermann aber auch lachen wollte, weil das Loch in der Hose des Regenfritzen sehr komisch aussah, fuhr der Milchstraßenmann herum, wie von einer Wespe gestochen; und nun ging's los:

»Der Donnermann braucht hier gar nicht zu lachen
Und sich über die anderen lustig zu machen!
Er hat sich furchtbar schlecht betragen,
Hat blödsinnig gebumst und gedonnerkracht
Und die Himmelsziegen mir scheu gemacht!
Das ist ihm nicht aus Versehen passiert;
Er hat sich so vorlaut aufgeführt,
Daß man wirkliche Angst vor dem Bullern bekam!
Und nun erst sein Weib: wie die sich benahm?!
Kam immer so zickzack dahergeschlenkert
Und hat mir die ganze Allee verstänkert!
Ist das ein anständiges Ehepaar?«

Er war ganz außer Atem vor Zorn geraten und sah puterrot im Gesicht aus. Natürlich wollten ihm alle Gäste widersprechen, aber er ließ niemanden zu Worte kommen und tobte weiter:

»Frau Nachtfee, ich schwöre, alles ist wahr!
Sie haben noch viel mehr angerichtet:
Der Hagelhans hat mir die Schoten vernichtet,
Und der Wassermann kam da angeplanscht,
Hat mir alle Gräben übergepanscht,
Hat vier Wiesen am Tausee überschwemmt,
Und ich hatte sie so schön eingedämmt.
Auch der Eismax muß sich bescheidener führen,
Er darf nicht so viel mit den Sporen klirren;
Drei Mondkälbern hat er den Kopf verdreht!
Und Frau Holle hat ein Stück Straße verweht!
Sie tun mir Unrecht zu ihrem Vergnügen,
Frau Nachtfee! Man kann das Lütütü kriegen
Vor Ärger, wenn man es richtig bedenkt!
Und keiner hat mir ein Trinkgeld geschenkt!«

Weiter konnte er nicht mehr schimpfen; die Stimme schnappte ihm über, und er mußte husten, so aufgeregt war er. Die Nachtfee aber machte ein sehr böses Gesicht, weil der Milchstraßenmann im Recht war; denn es ist gewiß nicht sehr höflich, wenn man eingeladen wird, solchen Unfug auf der Straße zum Schloß des Gastgebers zu machen. Als die wilden Gäste sahen, wie ernst die Nachtfee wurde, beeilten sie sich sehr, den Milchstraßenmann um Entschuldigung zu bitten, und versicherten ihm alle durcheinander, daß sie den Schaden gern ersetzen würden, wie die Nachtfee es wünschte. Damit war denn der gute Milchstraßenmann auch beruhigt; besonders ein großes Trinkgeld vom Eismax besänftigte ihn sehr, und er trottete mit dem kleinen Bären zufrieden ab. Der Ärger des Milchstraßenmannes war wirklich sehr begründet gewesen. Draußen auf der Milchstraße hatte der Brave jetzt nämlich viel zu tun. Die Unordnung, die alle diese herantobenden Naturgewalten mit ihrem Ungestüm an dem schönen Nachthimmel angerichtet hatten, war sehr groß, und der Nachtfee verantwortlich für die Ordnung dort war der Milchstraßenmann. Es war seine Schuld, wenn auf der Milchstraße nicht alles blitzeblank und gut gefegt war mit dem Himmelsbesen, wenn die Meilensteine nicht richtig funkelten und wenn die Himmelsziegen und Mondkälber den falschen Nachtklee grasten oder gar ein kleines Lämmerwölkchen in die Silberwolle zwickten, daß es an der Stelle trübe Fleckchen bekam. Jaja, groß sind die Sorgen des Milchstraßenmannes!


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