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Frau Thea bekam seit einiger Zeit anonyme Briefe, die ihrem ganzen Inhalt nach nur von Frau von Rockhausen geschrieben sein konnten. Aber ebenso felsenfest, wie sie selbst davon überzeugt war, ebenso energisch stellte ihr Mann das in Abrede.
»Wer da die Frau ist, die Dir schreibt, weiß ich natürlich auch nicht, aber es ist ganz ausgeschlossen, daß es eine Dame des Regiments ist, am allerwenigsten Frau von Rockhausen. Mag sie Dir auch noch so feindlich gesinnt sein, schon die Klugheit würde gerade ihr verbieten, solche Briefe abzusenden, denn sie muß sich doch sagen, daß Du natürlich sofort auf sie raten wirst. Vielleicht führt uns der Zufall auf die Spur der Absenderin, aber schließlich ist es ja auch ganz gleichgültig, wer die Briefe schreibt. Je weniger Du Dir daraus machst, umso besser ist es.«
Frau Thea hätte ihrem Mann sicher in dem letzten Punkte beigestimmt, wenn sie nicht gewußt hätte, daß seine Worte lediglich seinem Egoismus entsprangen – nicht dem Interesse, das er an ihr nahm, sondern hauptsächlich der Furcht, daß es ihm selbst schaden könne, wenn die Sache bekannt wurde. Das gab nur zu neuem Gerede, zu neuen Verdächtigungen Anlaß, das würde nur neuen Staub aufwirbeln, und gerade in der jetzigen Zeit, in der man bald den Namenszug erhalten sollte!
Frau Thea hatte es als ganz aussichtslos schon aufgegeben, gegen diese Anschauungen ihres Mannes anzukämpfen, und doch hätte er sie sicher bekehren oder sie wenigstens dahin bringen können, ihm nicht zu widersprechen, und ihre eigenen Anschauungen nicht zu offen zu äußern, wenn er es nur versucht hätte, mit Liebe auf sie einzuwirken, wenn er sie mit warmen, herzlichen Worten gebeten hätte, sich seinetwegen in die neuen Verhältnisse zu fügen, anstatt das in kaltem, herrischen Tone von ihr zu verlangen und es als etwas ganz Selbstverständliches hinzunehmen, daß sie alles tat, was er wollte.
Das reizte ihren Stolz und ihren Widerspruch immer aufs neue. Mochte sie auch noch so klug sein, noch so viel gelernt haben, sich von den anderen Damen in vieler Hinsicht noch so vorteilhaft unterscheiden, – sie war hauptsächlich doch noch ein großes Kind, das im Elternhaus zärtliche Liebe erfahren hatte und dessen Natur es verlangte, Liebe zu geben und Liebe zu empfangen.
Aber gerade in der Hinsicht verstand ihr Mann sie garnicht. Seine Erziehung war eine so ganz andere gewesen. Er war im Kadettenkorps groß geworden und, von Natur kühl veranlagt, ging seinem Wesen alles Zärtliche ab, ja, sogar sehr oft die nötige Rücksichtnahme. Er konnte sich in das Wesen und in die Seele einer Frau garnicht hineindenken, er begriff nicht, daß die anders geartet sein sollte, als die seinige.
Und darum war es ihm auch vollständig unfaßlich, daß seine Frau nicht so glücklich war, wie sie es nach seiner gewissenhaften Überzeugung sein mußte. Sie hatte doch alles, was sie brauchte, und wenn sie sich hier nicht übertrieben wohl fühlte, so war das lediglich ihre Schuld. Warum gab sie sich nicht die Mühe, sich den anderen anzupassen? Das mußte er als Offizier doch ebenfalls, er konnte doch auch nicht alles tun, was er wollte, und nicht alles sagen, was er dachte! Leicht war es für ihn als Mann nicht immer, den Mund zu halten, und wenn er es mit Rücksicht auf seine Karriere, mit Rücksicht darauf, später für sich und seine Familie mehr Geld zu verdienen, doch tat, dann konnte er es von seiner Frau erst recht verlangen, und wenn sie das nicht einsah, dann konnte er nicht dafür – –
Er gab sich die größte Mühe, sie aufzuklären, sie zu belehren, aber wenn sie ihre Anschauungen nicht ändern wollte, dann durfte sie ihm daraus keinen Vorwurf machen, vor allen Dingen durfte sie dann nicht tun, als wäre es seine Schuld, wenn sie nicht so glücklich war, wie sie es hätte sein müssen.
Auch ohne daß er ihr diese seine Anschauungen entwickelte, kannte sie diese ganz genau, und wie recht sie mit ihren Vermutungen hatte, merkte sie am deutlichsten, als die ersten anonymen Briefe ins Haus kamen.
Blaß vor Empörung hatte sie ihm das Schreiben gereicht, aber – wie sie voraussah – hatte er ihr Empfinden nicht geteilt. Geärgert hatte er sich ja auch, aber nicht für sie, sondern seinetwegen.
»Da hast Du den Salat!« sagte er zornig. »Das kommt von Deinen Reden! Wie Deine Worte über Religion, Tradition und die Garde bekannt geworden sind, weiß ich nicht. Vielleicht hat Frau von Rockhausen – bei der Bernburg sich ja neulich 'mal verplapperte – etwas weiter erzählt. Schuld hast Du bis zu einem gewissen Grade aber selbst – und schließlich steht ja nichts in dem Briefe, was nicht wahr ist. – Ich habe dem Major, als er mir neulich erzählte, daß Bernburg Deine Unterhaltung versehentlich weitergab, zugeben müssen, daß Du das alles wirklich gesagt hast. Natürlich mußte ich ihm darin beistimmen, daß das alles nur ein Scherz von Dir war. Wir haben ja ausführlich darüber gesprochen – Du erinnerst Dich wohl noch?«
Und ob sie sich erinnerte!
Zitternd vor Wut war er nach Hause gekommen und hatte mit den Fäusten auf den Tisch geschlagen, als befände er sich in einer Schänke. Und doch hatte der Major nur in scherzender Weise mit ihm gesprochen und ihn lachend gebeten, seiner kleinen, klugen, lebhaften Frau zuzureden, in Zukunft etwas vorsichtiger zu sein, denn dumme Menschen könnten ihren Scherz leicht für Ernst halten. Natürlich hatte Gillberg deutlich hervorgehört, daß der Major die Sache garnicht so komisch nahm, wie er sie hinstellte, und gerade das reizte ihn: »Lügen muß man schon Deinetwegen!« hatte er seine Frau angefahren, »Deine feste Überzeugung muß man als einen Scherz hinstellen, damit man mir nicht grob wird, und damit man mir nicht Deinetwegen den Hals bricht.«
Sie hatte ihn angehört, ohne ihm zu widersprechen, denn das reizte ihn immer nur noch mehr, ließ ihn immer heftigere Worte finden, Ausdrücke gebrauchen, die ihm auf dem Kasernenhof einem Rekruten gegenüber einen Tadel der Vorgesetzten eingetragen haben würden. Zu Hause hörte ihn ja niemand – und auf die Dienstboten nahm er schon lange keine Rücksicht mehr – –
Frau Theas erster Gedanke war gewesen, gleich zu Frau von Eckern zu gehen und diese um ihren Schutz zu bitten. Der gegenüber würde selbst Frau von Rockhausen es nicht zu leugnen wagen, daß sie die Schuldige war! – Dann aber beschloß sie, damit zu warten – nicht mit Rücksicht auf ihren Mann, – denn sie sah schon lange ein, daß sie stets für sich selbst würde eintreten müssen, – sondern in der Hoffnung, daß die Briefe umso schneller aufhören würden, je weniger sie ihren Ärger zeigte. Dazu kam, daß sie Frau von Eckern nicht neuen Verdruß bereiten wollte. Gerade weil die von so großer Güte und Freundlichkeit gegen sie war, wollte sie ihre Freundschaft nicht mißbrauchen. Zu diesem letzten Schritt war ja immer noch Zeit.
Und noch eins hielt sie davon zurück, die Sache gleich am Anfang an die große Glocke zu bringen: das war die Liebe, die Elsbeth ihr zeigte, und die warme Zuneigung, die sie selbst für das junge Mädchen empfand.
Elsbeth hatte sie am Tag nach dem Kaffee aufgesucht und ihr erzählt, daß Bernburg am Abend bei ihnen gewesen, und auch davon gesprochen, daß die Rede auf ihre Ansichten über die Garde gekommen sei. Frau Thea hatte es deutlich gemerkt, daß Elsbeth auch sonst noch etwas auf dem Herzen hatte, sie erriet, daß sie sie vor ihrer Mutter warnen, sie bitten wollte, vor ihr auf der Hut zu sein, – sie hatte die schweren Kämpfe beobachtet, in denen das junge Mädchen dasaß, nicht wissend, ob es sprechen oder schweigen solle – –
Dann hatte Elsbeth ihrem Herzen – zwar mit keinem Wort der Anklage gegen ihre Mutter, wohl aber in heißen Tränen Luft gemacht, – und das hatte ihr alles deutlich genug verraten.
Zärtlich hatte sie Elsbeth in die Arme genommen, sie geküßt und gestreichelt, und endlich war es ihr auch gelungen, sie zu beruhigen. Und ehe sie ging, nahm sie ihr noch das Versprechen ab, sie nicht wieder zu besuchen, so lange ihre Mutter nicht selbst die Erlaubnis dazu geben würde, denn sie wolle und dürfe nie daran Schuld sein, daß das Verhältnis zwischen ihr und der Mutter schlechter würde, und vor allen Dingen dürfe sie selbst nicht in den Verdacht kommen, Elsbeth zu einem verbotenen Besuch bei ihr zu verleiten.
Wenn auch schweren Herzens hatte Elsbeth es doch endlich eingesehen: »Wenn ich das der Mutter erzähle, wird auch die sicher ihre Ansicht über Sie ändern, da muß sie begreifen, wie unrecht sie Ihnen tut.«
Die anonymen Briefe, die bald danach anfingen, bewiesen zur Genüge, wie töricht Elsbeths Hoffnungen gewesen waren!
Wie oft mußte Frau Thea nicht an Elsbeth denken, wenn ihr Mann sie schalt und mit ihr zankte. Sie stellte sich dann eine ähnliche Szene im Hause des Majors vor und malte sich aus, wie entsetzlich es für die Tochter sein müsse, mit anzuhören, wenn Vater und Mutter sich gegenseitig mit Vorwürfen überhäuften. Sie empfand ein so aufrichtiges Mitleid mit Elsbeth, das sie schon um ihretwillen schweigen wollte, so lange es ging.
Aber heute morgen war ein Brief gekommen, der so niederträchtig und zugleich so dumm war, daß man über ihn ebensogut weinen wie lachen konnte!
»Na, Sie schöne Kopenhagenerin, warum lassen Sie sich denn alle meine Briefe gefallen, ohne wie sonst gleich zu Frau von Eckern zu laufen und sich zu beschweren? Haben Sie vielleicht doch Angst, daß Ihre Behauptung, es gäbe keine Garde, Ihrem Mann und Ihnen das Genick brechen kann? Und das neue Kleid, das Sie sich wohl für den Besuch Sr. Hoheit haben machen lassen, und das ich gestern in dem Modemagazin liegen sah, das können Sie nur ruhig wieder verkaufen, denn anziehen tun Sie es doch nicht, das lassen Sie nur meine Sorge sein! Ich rate Ihnen überhaupt, lieber mehr Wert auf Ihre Küchenschürzen, als auf Ihre Toiletten zu legen, denn es ist in der Stadt ein offenes Geheimnis, daß Sie von der Wirtschaft nicht das Geringste verstehen. Ihr armer Mann kann einem nur leid tun, daß er auf solche Kopenhagener Porzellanpuppe, wie Sie es sind, hereingefallen ist. Na, hoffentlich schickt er Sie bald wieder nach Ihrem ›schönen‹ Kopenhagen zurück, damit wir Sie endlich wieder los werden.«
Frau Thea wußte wirklich nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, als sie diesen Brief mit der Mittagspost erhielt, während ihr Mann noch im Dienst war. Zuerst wollte sie natürlich bei ihm wieder Rat und Hülfe suchen, aber das war ja doch zwecklos; dieser Brief war zwar noch ungezogener als die anderen, aber sonst glich er ihnen vollständig. Nur in einem Punkte unterschied er sich von seinen Vorgängern: er gab ihr die absolute Gewißheit, – was sie allerdings auch bisher als Tatsache hätte beschwören mögen! – daß Frau von Rockhausen die Absenderin war.
Das ging aus manchen Wendungen des Schreibens nur zu klar hervor. Und zum Überfluß hatte Frau Thea gestern in dem Modegeschäft erfahren, daß Frau von Rockhausen sich für den bevorstehenden Besuch Sr. Hoheit ein Kleid bestellt, und daß man ihr bei dieser Gelegenheit die für sie angefertigte Robe gezeigt habe. Thea war sehr böse geworden, hatte gescholten, aber das half nichts mehr: die Rockhausen hatte ihre Toilette gesehen und würde von deren Pracht mit den wahnsinnigsten Übertreibungen berichten.
Was sollte sie mit dem Brief anfangen? Sie ärgerte sich über sich selbst, daß sie die Briefe nicht stets ungelesen verbrannte, denn die Kuverts trugen immer die gleiche Handschrift, aber die Neugierde ließ sie trotz der besten Vorsätze sie immer wieder öffnen und lesen.
Als sie noch darüber nachdachte, ob sie auch diesen Brief ruhig hinnehmen solle, ließ sich Leutnant Dörmann melden. Mit großer Herzlichkeit hieß sie ihn willkommen. Er war ihr ungemein sympathisch, seine etwas nonchalante Art, die Gleichgültigkeit, mit der er auf alles, was Vorgesetzte hieß, herabblickte, obgleich er staunend und anbetend zu ihnen hätte hinaufsehen müssen, sein trockener Humor, – das alles ließ sie an ihm Gefallen finden.
»Sie haben sich in der letzten Zeit wenig bei uns sehen lassen,« schalt sie. »Wodurch haben Ihre alten Freunde es verdient, daß sie so von Ihnen vernachlässigt werden?«
Er sah sie ernst an: »Die alten Freunde zerstören sich mutwillig ihr eigenes Glück – und ich mag da kein Zuschauer sein. Schelten darf ich nicht – gleichgültig bleiben kann ich nicht – folglich bleibe ich zu Hause.«
Sie wurde etwas verlegen: »Erinnern Sie sich, daß ich Sie bei dem ersten ehelichen Streit bat, Sie möchten jedesmal zu uns kommen, wenn nach Ihrer Meinung etwas nicht stimme?«
»Ich erinnere mich dessen sehr genau. Ich will Ihnen auch gestehen, daß ich schon daran dachte, meine Wohnung zu kündigen und ganz zu Ihnen zu ziehen oder Sie wenigstens um Ihr Fremdenzimmer zu bitten, denn in vieler Hinsicht wäre es ganz gut, wenn ich immer hier wäre, denn fortzugehen lohnt sich kaum – es fängt ja doch immer gleich wieder von vorne an –«
Ihre Wangen färbten sich dunkelrot: »Das ist nicht meine Schuld. Wenn Fritz –«
»Und Fritz sagt: Das ist nicht meine Schuld, wenn Thea … Es ist eigentlich komisch, daß ich als Junggeselle gewissermaßen als Engel mit der Friedensposaune in der Hand durch dieses Zimmer schwebe und wie ein moderner Luftreiniger die Atmosphäre zu bessern versuche – – aber wissen Sie, warum ich das tue? Ich bin ein so fanatischer Anhänger meiner zukünftigen Ehe, daß ich schon jetzt Quellenstudien mache, um daraus zu lernen, wie man es später nicht machen muß.«
»Und was mache ich falsch?« fragte sie etwas kleinlaut. »Ich weiß, wie gut Sie es mit uns meinen, Sie sind wirklich ein Freund von Fritz – sogar sein bester.«
»Das bin ich,« stimmte er ihr lebhaft bei, »und ich werde es auch immer bleiben, obgleich ich ihn gerade jetzt manchmal nicht verstehe. Ich sage das natürlich nicht, um Sie gegen ihn aufzureizen, sondern im Gegenteil, um Sie zu bitten, nicht jedes seiner Worte allzuschwer auf die Wagschale zu werfen. – Ich habe über ihn nachgedacht und bin zu der Überzeugung gekommen, daß er an dem collaps matrimonii leidet.«
Sie sah ihn ganz erstaunt an: »Was ist denn das?«
Er zuckte die Achseln: »Ja, gnädige Frau, genau weiß ich das selbst nicht, denn diese Krankheit – wenigstens den lateinischen Namen dafür – habe ich selbst entdeckt. Sie wissen: wenn man irgend etwas nicht definieren kann, dann gibt man der Sache einen möglichst unverständlichen lateinischen Namen, und dann nicken sämtliche Weise aus dem Morgenlande verständnisinnig mit dem Kopf und sagen: ja, ja, das ist es!«
Sie mußte unwillkürlich lachen: »Kennen Sie das Wort: wenn Sie gestorben sind, werden Sie da sitzen, wo die Spötter sitzen?«
»Da sitze ich ja jetzt schon,« meinte er gelassen. »Aber ernsthaft gesprochen, gnädige Frau: der gute Fritz hat Ehestands-Wahnsinn – oder wie ich das von mir geprägte Wort sonst in unser geliebtes Deutsch übertragen soll. Das Bewußtsein, eine junge, bildhübsche, kluge Frau zu haben, – nein, bitte, gnädige Frau, was ich Ihnen sage, das muß selbst der Neid Ihnen lassen! – also, das Glück, mit Ihnen verheiratet zu sein, ist ihm in den Kopf gestiegen. Anstatt in Demut jeden Tag ihre kleinen Füße zu küssen, küßt er Ihnen wahrscheinlich nicht einmal mehr den Scheitel – er hat das Glück in Händen, er besitzt Sie, und das Wort: erwirb es, um es zu besitzen! das sich nicht nur auf das von den Vätern ererbte Gut bezieht, kennt er nicht. Wenigstens hält er die Mahnung des Wortes für überflüssig. – Aber er wird schon wieder zur Vernunft kommen, gnädige Frau.«
In ihren Augen blitzte es freudig auf: »Und wann glauben Sie, daß das geschieht?«
Er sah sie einen Augenblick fest an, dann sagte er: »An demselben Tag, an dem Sie Ihre Drohung, einmal nach Kopenhagen zurückzukehren, wahr gemacht haben.«
»Und das raten Sie mir – sein bester Freund?!« rief sie ebenso erschrocken wie erstaunt.
»Sogar mit dem Brustton tiefinnerster Überzeugung. – Haben Sie den nicht herausgehört? Ich glaube, er ist auf as abgestimmt, auf a mit einem Kreuz davor, nein, mit einem b –« und als er ihr immer noch verwundertes Gesicht bemerkte, fuhr er fort: »Glauben Sie mir: eine Abreise ins Elternhaus ist die einzige Lösung. Ich weiß aus gelegentlichen Äußerungen Ihres Mannes viel mehr über Ihr Eheleben, als Sie annehmen – ich verstehe Fritz nicht ganz, aber gerade deshalb erhalte ich ihm meine Freundschaft. Vollkommene Menschen brauchen keinen Dritten, und mit einem solchen befreundet zu sein, ist grenzenlos langweilig, denn nur die Schwächen und Fehler eines Menschen machen ihn uns doch interessant, nicht seine Tugend. Das kann ich Ihnen an hundert Beispielen beweisen. Die körperliche und geistige Entwickelung eines Menschen zu beobachten, ist lehrreich. Mit dem fertigen Menschen geht es genau wie mit einem fertigen Kleid, das man ruhig im Schrank hängen läßt und es nur gelegentlich hervorholt, um damit zu prahlen, aber eine richtige Freude ruft es nicht mehr hervor.«
Sie dachte einen Augenblick nach: »Vielleicht –«
Er küßte ihr die Hand: »Wenn eine Dame ›vielleicht‹ sagt, ist sie fester überzeugt, als ein Mann, der seinen Glauben mit einem Eid bekräftigt.«
»Wissen Sie das so genau?«
»Wer am wenigsten mit Frauen in Berührung kommt, lernt sie am besten kennen, denn wer sie täglich sieht, wird blind gegen ihre Schwächen.«
»Sie sind unhöflich,« schalt sie, »warum sagen Sie nicht, daß er blind wird gegen ihre Vorzüge?«
»Weil das eine das andere in sich faßt, weil es dasselbe, wenn auch nur mit anderen Worten, sagt. – Was nun aber unseren Freund und Gatten Fritz betrifft, so möchte ich Ihnen nochmals ernsthaft raten: Packen Sie bei der nächsten Gelegenheit Ihren Rohrplattenkoffer – oder welches System Sie sonst haben – und fliehen Sie davon. Sagen Sie nach dem nächsten Streit: So, nun ist es genug, ich fahre! Und dann fahren Sie aber wirklich. Natürlich mit der festen Absicht, sehr bald zurückzukommen. Sie können ja gleich ein Retourbillett nehmen – aber Fritz darf das natürlich nicht wissen, der muß glauben, daß Sie fort sind für immer. Sie sollen 'mal sehen, wie er sich dann zu seinem Vorteil verändert. Sobald Sie ihn verlassen haben, wird er der unglücklichste Mensch sein, dann wird ihm erst klar werden, was er an Ihnen hat, und er wird sich in Zukunft hüten, neue Szenen herbeizuführen, weil er aus Erfahrung weiß, daß Sie Ihre Drohungen wahr machen. Dann wird Fritz Sie fortan mit Liebe behandeln – und dann werden auch Sie weniger trotzig sein und mit Ihren Äußerungen etwas vorsichtiger werden. Denn – liebe, gnädige Frau – da hat Fritz Recht: unvorsichtig sind Sie manchmal! Was Sie da neulich 'mal über den Bibelglauben gesagt haben – der Fähnrich war ganz außer sich – der ist ja noch ein Kind – der betet, glaube ich, noch jeden Abend ›Ich bin klein, mein Herz ist rein‹. Der wollte absolut zum Militärpfarrer laufen und fragen, ob wirklich nicht alles wahr wäre, was in der Bibel stände. Denken Sie sich doch nur, in welche Lage dann der Mann Gottes gekommen wäre! Ich bin zwar felsenfest davon überzeugt, daß unser Pastor selbst nicht alles glaubt, was er sagt, – denn sonst könnte er nicht so wahnsinnig langweilige Predigten halten, bei denen nicht nur die Kerls in der Kirche schnarchen. Er schläft ja selbst beinahe beim Sprechen ein. Aber trotzdem: wenn er gefragt wird, muß er natürlich sagen: Alles ist wahr. – Das, und so manches andere, hätten Sie nicht sagen dürfen.«
»Und das erklären Sie mir?« rief sie erschrocken, »– da hätte ich Sie für klüger gehalten.«
Er sah sie übermütig lächelnd an: » Noch klüger –? Aber gnädige Frau – Sie dürfen auch nicht zu viel von mir verlangen – ich bin doch erst ein Leutnant! Ja, wenn ich erst Hauptmann bin, oder gar Major, dann werden Sie alle sieben Wunder auf einmal an mir erleben. Bis dahin müssen Sie schon so mit mir zufrieden sein. Und da meine ich: Sie hätten entweder Fritz nicht heiraten dürfen – oder aber: Sie müssen sich bis zu einem gewissen Grade seinem Ideengang und seiner Stellung anpassen. Als Soldatenfrau geht das wirklich nicht anders – es müßte denn sein, daß Sie einen Mann hätten, dem es ganz einerlei ist, ob er heute oder morgen seinen Abschied bekommt. Zu jenen Naturen gehört Fritz leider nicht – und doch bringen es diese gerade am weitesten. Da sagen sich die Vorgesetzten: wenn der es uns nahelegt, ihn fortzuschicken, dann tun wir's erst recht nicht, dann lassen wir ihn die Unannehmlichkeiten des Dienstes weiter ertragen. Dann reiten sie weiter auf ihm herum, und sie reiten und reiten, bis er plötzlich als Exzellenz seine Division in allen Gangarten der hohen Schule vorführt. Sehen Sie, gnädige Frau, wenn Sie zufälligerweise meine Frau geworden wären, – fallen Sie bitte nicht in Ohnmacht, der Kelch ging ja zu Ihrem Glück an Ihnen vorüber! – aber als meine Frau hätten Sie sagen können, was Sie wollen. Das wäre sogar originell gewesen, dann hätten die Leute erklärt: der Mann hat keinen Ehrgeiz, da kann die Frau auch ihre wahre Natur zeigen. – Aber als Frau von Fritz ist das, was bei mir originell gewesen wäre, unvorsichtig, denn – Fritz will avancieren.«
»Und glauben Sie nicht, daß es irgendwie möglich ist, ihn von dieser fixen Idee abzubringen?« fragte sie ganz ernsthaft.
Er mußte lachen: »Sie sind, weiß Gott, die Soldatenfrau par excellence! Anstatt ihm den roten Streifen an den Beinkleidern zu wünschen, wollen Sie ihm das rote Band absolut an den Strohhut nähen. Aber Sie brauchen nichts zu fürchten. Wenn Sie Fritz erst einmal davongelaufen sind, dann kommt er ganz bestimmt zu der Überzeugung, daß es für sein späteres Lebensglück tausendmal wichtiger ist, daß Sie bei ihm bleiben, als daß er avanciert.«
Sie hatte ihm mit leuchtenden Augen zugehört: »Wenn das wirklich Ihre Überzeugung ist, dann fahre ich auch wirklich nach Kopenhagen – je schneller, je besser – dann zeige ich Fritz noch heute den Brief – dann gibt es einen neuen Streit – und dann –« sie schwieg, sie merkte zu spät, daß sie zuviel gesagt hatte.
Er blickte sie erstaunt an: »Was ist das denn für ein geheimnisvoller Zauber-Wunder-Brief, der es in sich hat, so ohne weiteres einen ehelichen Zwist heraufzubeschwören? Doch etwa keine Schneiderrechnung?«
Einen Augenblick saß sie im stillen Kampf da, dann reichte sie ihm das Billett, das sie vorhin erhalten hatte. »Hier, lesen Sie, und all die anderen, die ich erhielt, – ich muß jemand haben, mit dem ich einmal darüber sprechen kann. Es ist vielleicht kein Zufall, daß gerade Sie kamen, als ich nicht wußte, was ich tun sollte. Denn bei Fritz finde ich ja keine Hülfe – der rät mir immer, zu schweigen.« Und sie erzählte ihm alles, was ihr Mann dazu gesagt hatte.
»Wenn man doch nur irgendwie den Menschen 'mal wieder lebendig machen könnte, der zuerst auf den verruchten Gedanken kam, anonyme Briefe zu schreiben,« meinte er endlich voll ehrlichster Entrüstung, als er die Billetts gelesen hatte. »Der Kerl, der wahrscheinlich eine ›sie‹ war, müßte mit einem Raffinement zu Tode gemartert werden, das jeder Beschreibung spottet. Arme, gnädige Frau, was müssen Sie bei diesem Geschreibsel gelitten haben. Wie kann die Rockhausen sich so weit vergessen, solche Briefe in die Welt zu schicken! Ich behaupte ja schon seit Jahr und Tag, daß die Frau in eine Anstalt gehört, – das ist die einzige Entschuldigung, die es für sie gibt. – Pfui Teufel! – Verzeihen Sie bitte diesen poetischen Ausruf – aber er kam mir wirklich von Herzen –«
»Und was raten Sie mir zu tun? – Ich möchte um Elsbeths willen keinen Skandal, möchte auch dem Major nicht neue häusliche Szenen bereiten. Und doch kann ich mir diese Briefe nicht länger gefallen lassen. Wenn ich der Sache nicht irgendwie ein Ende mache, hören sie nie auf.«
»Fahren Sie jetzt gleich für einige Zeit zu Ihren Eltern – aber nein! das geht nicht. Das würde aussehen, als hätten die Briefe Sie in die Flucht getrieben. Und wenn Sie dann fort sind, hetzt die Rockhausen die anderen Damen inzwischen so gegen Sie auf, daß Sie wirklich besser täten, nicht wiederzukommen. Und Ihr Mann nimmt Sie nicht in Schutz, gibt Ihnen sogar noch selbst Schuld, daß man Sie mit solchen Briefen belästigt? – Na warte Fritz, mein Junge, über den Punkt will ich noch heute mit Dir unter vier Augen sprechen, daß Dir Hören und Sehen vergeht.«
»Was gibt es denn? – Auf die Aussprache bin ich sehr begierig.«
Ohne daß die beiden es gehört hatten, war Gillberg, der eben aus der Kaserne zurückkam, ins Zimmer getreten und stand nun dicht vor den anderen, verwundert die beiden erregten Gesichter betrachtend. Allzuviel Gutes mochte er aus den Mienen des Freundes nicht herauslesen, und die Briefe, die Dörmann noch in der Hand hielt, ließen ihn ja sofort erraten, um was es sich handelte.
Es sollte zwar scherzend klingen, aber seine Stimme war doch nicht ganz fest, als er nun fragte: »Na, was habt Ihr denn für Staatsgeheimnisse mit einander? Du willst mir den Standpunkt klarmachen, Dörmann? Da bin ich doch sehr begierig.«
»Wart's nur ab, mein Junge.« Und zu Frau Thea gewandt, fuhr er fort: »Nicht wahr, gnädige Frau, Sie erlauben, daß ich einen Augenblick mit Ihrem Mann in sein Zimmer gehe? Es ist schon spät – für fünf Minuten muß ich Ihnen Ihren Gatten noch entführen, und dann muß ich mich beeilen, wenn ich noch pünktlich ins Kasino kommen will.«
»Wollen Sie nicht bei uns essen?« bat Frau Thea, »es macht wirklich gar keine Umstände.«
Er las in ihren Augen die stumme Bitte, sie nachher nicht mit ihrem Mann allein zu lassen, ihr beizustehen, wenn er seinen Zorn und seinen Ärger wieder an ihr auslassen sollte.
Er dachte einen Augenblick nach, dann sagte er, sie fest ansehend: »Es ist besser, daß ich gehe, gnädige Frau. Außerdem ist heute Donnerstag, da gibt es im Kasino stets Ochsenbraten – der regelmäßig so hart ist, daß man sich die Zähne an ihm ausbeißen kann. Aber trotzdem sage ich prinzipiell nie an einem Donnerstag ab – dieses Ochsengericht nehme ich stets als freiwillige Strafe auf mich, dafür, daß ich selbst einmal bis zu einem gewissen Grade ein Rindsvieh war, und zwar an jenem Tage, als ich beschloß, Offizier zu werden. – Aber von dem Ochsen ganz abgesehen: es ist auch sonst besser, wenn ich gehe, glauben Sie es mir, gnädige Frau. Ich habe Ihre Zeit schon zu lange in Anspruch genommen und wüßte nichts Neues mehr zu sagen. – Auf Wiedersehen, gnädige Frau. – Nicht wahr, Fritz, Du begleitest mich noch einen Augenblick auf Dein Zimmer?«
Frau Thea blickte den beiden Herren nach, wie sie zur Tür hinausschritten. Sie sah es voraus, daß Dörmann, trotzdem er ein Jahr jünger war, mit Fritz nicht allzufreundlich umspringen würde. Gib es nicht zu! sprach eine Stimme in ihr – Fritz ist dein Mann – dulde es nicht, daß ein anderer sich zwischen euch drängt, sich um euer Eheleben kümmert. Ob Frau von Rockhausen dein Kleid tadelt, oder Dörmann das Benehmen von Fritz, das ist dasselbe.
Aber sie hörte nicht darauf. Es muß ihm einer einmal den Kopf zurechtsetzen, sagte sie sich, und ich freue mich, daß gerade Dörmann das tut! Ich habe Fritz zu lieb, er muß sich ändern, damit wir wieder ganz glücklich werden.
Aus dem Herrenzimmer heraus vernahm sie die Stimmen der beiden Männer. Meist sprach Dörmann in seiner ruhigen Art, aber zwischendurch erklangen mehr als einmal die heftigen Worte von Fritz: »Was fällt Dir denn eigentlich ein – ich verbitte mir so etwas!«
Sie empfand Mitleid mit ihrem Mann, sie wollte zu den Herren hingehen und Dörmann bitten: seien Sie nicht zu hart mit ihm, nun ist es genug.
Aber sie ging doch nicht, sondern blieb an ihrem alten Platz stehen und lauschte weiter. Hatte Dörmann nicht selbst erklärt, er sei der beste Freund ihres Mannes? Und sie wußte ja, daß er die Wahrheit sprach. Was er ihrem Mann jetzt sagte, geschah aus Zuneigung, aus Liebe zu ihnen beiden, und hatte sie Dörmann nun einmal um seine Hülfe gebeten, dann mußte sie ihn auch gewähren lassen. Er wollte doch das Beste für sie alle, da durfte sie sich nicht hineinmischen, wenn sie wieder glücklich werden wollte. Und sie hatte ja keinen anderen Wunsch, keinen anderen Gedanken. Wenn sie ihren Mann auch nicht immer begriff und seine Anschauungen nicht verstand, so liebte sie ihn doch von ganzem Herzen ebenso wie sie wußte, daß auch er sie leidenschaftlich liebte, trotz der heftigen Worte, die in der Erregung zuweilen über seine Lippen kamen.
Die Unterredung da drin schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Frau Thea warf einen Blick auf die Uhr: es ist schon gleich fünf! Dörmann wird zu spät ins Kasino kommen. – Ob ich nicht einmal an die Tür klopfe und ihn daran erinnere, daß es für ihn Zeit wird?
Gerade, als sie sich anschickte, ihren Vorsatz auszuführen, hörte sie, wie ihr Mann seinen Gast bis an die Etagentür begleitete. Und gleich darauf trat Fritz zu ihr ins Zimmer, mit dunkelrotem Kopf und zornsprühenden Augen.
Sie sah sofort, daß Dörmann nicht allzusanft mit ihm umgegangen war. Das erfüllte sie von neuem mit Mitleid. Sie wollte vermeiden, daß er ihr den Inhalt der Unterredung erzählte.
So sagte sie denn ganz harmlos und unbefangen: »Es ist schon fünf Uhr, Fritz, kann ich das Essen auftragen lassen?«
»Du kannst Dich allein zu Tisch setzen,« herrschte er sie an. »Mir ist der Appetit vergangen – ich gehe heute abend aus. Vielleicht esse ich dann irgendwo in der Stadt.«
»Aber Fritz,« bat sie, »was sollen die Dienstboten davon denken, wenn ich allein –«
»Mir wäre lieber, Du dächtest an das Gerede Deiner Mitmenschen,« unterbrach er sie, »als an das Deiner Köchin! Was die sagt, ist mir ganz gleich. Du tust ja doch auch, was Du willst. Hier –« er zog erregt den letzten der anonymen Briefe hervor – »hier habe ich ja schwarz auf weiß den Beweis dafür, daß Du Dir das neue Kleid doch hast machen lassen, obgleich ich Dich nicht nur bat, es nicht zu tun, sondern es Dir direkt verbat! Verstehst Du – ich verbat es Dir!«
»Ich bin kein Soldat, der Dir in allem zu gehorchen hat,« unterbrach sie ihn ruhig. »Ich bin ein freier Mensch wie Du, und ich habe meinen Willen, wie Du. Wenn Du mich überzeugst, daß ich Unrecht habe, dann gebe ich nach – sonst nicht.«
»Aber Du läßt Dich ja nicht überzeugen – das Kleid beweist es ja aufs neue,« brauste er auf. »Warum verheimlichst Du es mir sonst, wenn Du ein so gutes Gewissen hast?«
Sie sah ihn traurig an: »Du würdest mich heute doch nicht verstehen, wenn ich es Dir erklären wollte.«
Er lachte höhnisch auf: »Das ist immer Eure beliebte Ausrede, wenn Ihr sonst nichts anzuführen wißt. Soviel kann ich Dir nur sagen: wenn ich Dörmann nicht mein Wort gegeben hätte, Dir keine Vorwürfe zu machen, dann würde ich in einem Tone mit Dir reden, der ein für allemal die Situation zwischen uns klären würde.«
Aber seine Drohung schreckte sie nicht: »Du hast Dörmann versprochen, mir keine Vorwürfe zu machen? Das verstehe ich nicht. Lag ein Grund vor, mich zu tadeln, dann durftest Du Dein Wort nicht geben. Lag aber keine Veranlassung vor, dann hattest Du auch keine Ursache, es zu geben.«
»Was soll das!« herrschte er sie an. »Das ist wieder eine Deiner klugen Redensarten, die in Wirklichkeit aber sehr töricht sind. Anderen magst Du damit imponieren, bei mir gib es nur auf, da hast Du doch kein Glück. Im übrigen möchte ich nur wissen, was Du alles mit Dörmann besprochen hast, der ist davon überzeugt, daß Du eine unschuldige Taube bist, und daß ich ein Räuber bin, der Dir nach dem Leben trachtet. Na, macht, was Ihr wollt, – mir hängt die Geschichte mit den Briefen zum Halse heraus, und wenn Dein Seelenheil denn davon abhängt, und wenn Dörmann glaubt, daß Du auf Elsbeth keine Rücksicht mehr nehmen darfst, sondern morgen zu Frau von Eckern gehen mußt, dann gehe in des Dreiteufelsnamen hin – aber mich laß draußen vor. Ich will mit der ganzen Geschichte nichts mehr zu tun haben.«
Unter der Nachwirkung von Dörmanns Worten, daß auch sie nicht immer ganz schuldlos sei, wollte sie ihn unter allen Umständen versöhnen.
»Du hast Recht, Fritz, ich will Dir auch in Zukunft nicht mehr damit kommen – ich hätte es Dir überhaupt verschweigen sollen – aber schließlich dachte ich: Du bist doch mein Mann. Und nicht wahr, Fritz, Du hast mich doch lieb?«
Sie legte die Hände auf seine Schultern, aber er machte sich frei: »Red' doch nicht denselben Unsinn wie Dörmann! Der tut auch so, als ob ich Dich nicht mehr lieb hätte! Was geht den das überhaupt an? Was hat der sich überhaupt in unsere Sache hineinzumischen? Wenn ich nicht wüßte, daß er mein Freund wäre, dann hätte ich ihm heute ganz einfach die Tür gewiesen, – solche Grobheiten habe ich mir von ihm sagen lassen müssen, noch dazu in meinem eigenen Haus! – Und wem verdanke ich das einmal wieder? Nur Dir – Dir ganz allein!«
»Aber Fritz, wie kannst Du nur so sprechen? Ich weiß ja, daß Du alles nicht so meinst. Aber trotzdem – fühlst Du es mir nicht nach, daß es mich traurig stimmt, wenn Du mir immer wieder erklärst, daß ich Dich nicht glücklich mache? Sei doch lieb und nett, schilt nicht immer, sondern nimm mich in Deine Arme, und dann wirst Du sehen, daß Du dann viel mehr bei mir erreichen kannst – als so.«
So gut die Worte gemeint waren – sie erreichten genau das Gegenteil von dem, was sie bezweckten.
»Ich behandle Dich genau so, wie ich es in Deinem Interesse und für unser Zusammenleben für richtig halte. Ich habe kein Talent, den ganzen Tag zu Deinen Füßen zu sitzen und Dich zu bitten: tu dies, tu das! Das wird auf die Dauer langweilig und ist für einen Mann erniedrigend. Du bist ein Kind, und die Erziehungsmethode wirst Du mir schon überlassen müssen. Na, dieses Mal hast Du Deinen Willen, zur Frau von Eckern gehen zu können, ja glücklich durchgesetzt.«
»Es war nicht mein Wille,« sagte sie mit fester Stimme, »aber wenn Dörmann erklärt, daß ich hingehen soll, dann tue ich es auch. Er ist unser Freund, er meint es mit uns beiden gleich gut. Und deshalb will ich seinen Rat befolgen. – Wollen wir der Briefschreiberin den Triumph gönnen, daß sie Zwietracht zwischen uns sät? Komm her, gib mir einen Kuß – und dann laß uns zu Tisch gehen.«
Aber sein Zorn über die teils ernste, teils sarkastische Art, in der Dörmann ihm den Standpunkt klargemacht hatte, war noch nicht verraucht. Er konnte es seiner Frau nicht so schnell verzeihen, daß er sich ihretwegen – noch dazu von einem jüngeren Kameraden, – hatte Vorschriften machen lassen müssen. So sagte er denn: »Ich habe Dir schon einmal erklärt, daß ich keinen Appetit habe. Iß nur allein. Ich gehe in mein Zimmer.«
Und die Tür hinter sich zuschlagend, wie das seine Art war, wenn er sich geärgert hatte, war er gegangen.
Es schien, als ob das Zimmermädchen nur auf diesen Augenblick gewartet hatte, denn ohne daß Frau Thea klingelte, öffnete sich plötzlich die Tür zum Speisezimmer: »Gnädige Frau – es ist schon zehn Minuten nach fünf – kann serviert werden?«
Frau Thea strich sich mit der Hand über Stirn und Augen, als wolle sie die Erinnerung an die häßliche Szene verscheuchen: »Ist es schon so spät, Berta? Dann bringen Sie, bitte, das Essen. Und noch eins: der gnädige Herr ist nicht ganz wohl, er hat sich etwas in seinem Zimmer hingelegt, vielleicht ißt er später – die Köchin soll auf alle Fälle etwas aufbewahren.«
»Sehr wohl, gnädige Frau.«
Berta ging, aber nicht ohne vorher ihrer Gnädigen einen teilnehmenden Blick zugeworfen zu haben. Das sollte mein Mann sein! dachte sie, während sie in die Küche ging, dem wollte ich meine Meinung sagen. Die Gnädige ist ja viel zu gut mit ihm. Na, das weiß ich, wenn mein Josef mir später 'mal solche Zicken macht, dann kann er 'was erleben –!
Und voller Stolz glitt ihr Blick über ihre kräftigen Arme und Hände. –
Gleich darauf setzte sich Frau Thea zu Tisch, zum erstenmal – obgleich ihr Mann zu Hause war – allein. Und während sie, trotz Berta's Zureden, die mit großer Liebe an ihrer Herrin hing, kaum die Speisen anrührte, dachte sie immer wieder: Dörmann hat Recht – es wird wohl nicht anders werden, als bis ich wirklich eines Tages nach Kopenhagen zurückfahre – – –