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(Bauernstube.)
Büttner (steht am offenen Fenster, dem Schauspieler links). Martha (neben ihm). Hans (sitzt schlafend auf der Ofenbank, ein Buch in der herabhängenden Hand).
(Man hört von Zeit zu Zeit in einiger Entfernung schießen.)
Büttner. Das Schießen kommt immer näher –
Marthe. Wenn die verwünschten Franzosen nur geschlagen werden!
Büttner. Je nun! Bald wird sich's entscheiden, wem wir angehören, und ob ich ein Maire bleiben oder in einen Richter übersetzt werden soll. – Hans! Der Junge schläft wie ein Murmelthier. Wach' auf, Hans! (Geht zu ihm und rüttelt ihn.) He, Hans!
Hans (läßt das Buch fallen und taumelt auf). Herr Ritter –
Büttner. Ritter?
Hans (reibt die Augen). Herr Vater, wollt' ich sagen.
Büttner. Nun ja! Er ist wieder über irgendeinem Ritterbuch eingeschlafen.
Marthe. Ja, mein Hansel ist ein halber Gelehrter.
Büttner. Er ist Alles halb. Was ist's denn für eine Scharteke?
Hans (der das Buch vom Boden aufgehoben hat). Es ist die Historie von der schönen Melusine.
Büttner. Eine Ritter- und Feen-Geschichte! Ich wußt' es ja. – Hast Du denn das viele Schießen nicht gehört?
Hans. Schießen?
Büttner. Er weiß von nichts. Ist der Junge ein Glückskind! Da ist er vielleicht im Schlaf, und ohne es zu merken, ein deutscher Mann geworden.
Hans. Ein deutscher Mann?
Marthe. Wir wollen's hoffen.
Büttner. Es ist sehr möglich. Vor'm Jahr um die Zeit waren wir schwedisch, jetzt sind wir französisch, in der nächsten Stunde vermuthlich deutsch, und über's Jahr vielleicht türkisch. s' kommt auf Ein's hinaus! Seine Abgaben zahlen muß man überall. Es schenkt's Einem Keiner. – Hast Du meine Aufträge besorgt, Hans?
Hans. Ja, Herr Vater. Das Faß Wein, der Schinken, die Hammelskeule – es steht Alles draußen im Hof; ich hab's recht appetitlich zurechtgelegt. – Aber sag' Er doch, Vater! Bekommen wir denn Gäste?
Büttner. Ja, mein Bursche! Und ungebet'ne obend'rein. Wenn Du mehr in der Welt lebtest, als in Deinen Büchern, so würdest Du wissen, daß der berühmte sächsische Oberst Götze, der das Freicorps hält, plötzlich hier in den Elsaß eingerückt ist, die Herren Franzosen verjagt hat, und mit Nächstem vermuthlich auch unser friedliches Dorf besetzen wird.
Marthe. Wenn's nur auch wahr ist! Wenn's nur gewiß die höflichen Sachsen sind, und nicht die unartigen Franzosen, die immer Weißbrot haben wollten.
Hans. Aha! Nun begreif' ich! Der Wein und der Schinken, und die Hammelskeule –
Büttner. Sind für die siegende Partei – wer es immer sein mag. Alle Sieger sind hungerig und durstig, und den Weg zum Maire wird ein Jeder finden.
Hans. Was Er doch klug und vorsichtig ist, Herr Vater!
Büttner. Der Vater muß wohl, wenn's der Sohn nicht ist. Zum Glück hab' ich auch Deine Schwester in aller Eile verheirathet, und mit ihrem jungen Mann flugs hinüber nach Oberkirchen geschickt, wo's noch deutsch ist. Man erträgt die Einquartierung leichter, wenn keine Mädels im Hause sind. – Aber holla! Das Schießen hat aufgehört. Nun werden sie gleich hier sein. – Warst Du auch beim Nachbar, Junge, beim Jobst?
Hans. Ja. Er sagte, er werde zu rechter Zeit schon kommen, mit den Geschwornen. Die gehören wohl auch für den Sieger?
Büttner. Freilich, Junge! Die müssen die Complimente machen.
Hans. Nein, wie Er an Alles denkt, Herr Vater!
Büttner. Dumbart! Nimm Dir ein Exempel. Aber aus Dir, mit sammt Deiner Melusine, und Deinem hörnernen Siegfried, und wie das Zeugs Alles heißt, wird wohl sein Lebtag nichts Kluges werden.
Hans. Meint Er? Frag' Er die Frau Mutter – die kennt mich besser.
Marthe. Ich sage, der Hansel wird noch einmal was Großes.
Büttner. Ein großer Hans, ja – ein Hans Narr.
Hans. Was Großes! Sie hat Recht, Frau Mutter. Da hört Er es selber, Vater. Ich will Ihm was sagen. Seit Er mich an den Rhein geschickt hat, seit ich die schönen Städte und Burgen und Hofhaltungen gesehen, und die Amtsleute und Schreiber mit ihren ernsthaften Gesichtern und den langen, schwarzen Talaren – seitdem bin ich ein ganz anderer Mensch geworden.
Büttner. So? Ich hab' nichts davon gemerkt.
Marthe. Weil Du Dich überhaupt um den armen Jungen zu wenig kümmerst. Der Hans ist kein gewöhnlicher Bauer. Darum gehört er auch eigentlich in kein Dorf, sondern in eine Stadt.
Büttner. Ja, ich weiß. Er ist ein Faulenzer.
Hans. Faulenzer? Da muß ich bitten, Herr Vater! Ich studiere, ich bilde mich den ganzen Tag.
Büttner. Das ist eitel Zeitvertreib. Arbeiten wär' besser.
Marthe. Arbeiten! Und wofür haben wir denn die Knechte? Ein reicher Pächterssohn! Ist's nicht genug, wenn er die Aufsicht führt?
Büttner. Du hältst dem Jungen immer die Stange.
Hans. Die Frau Mutter hat Recht. Wißt Ihr was, Vater? Schickt mich wieder auf Reisen; laßt mich die Welt kennen lernen, laßt mich Abenteuer erleben – Abenteuer! O, ich sehne mich nach einem Abenteuer.
Büttner. Du bist selbst ein Abenteuer. Sei klug, Hans! Die Tage des müßigen Herumflunkerns sind längst vorüber. Dafür sind jetzt harte und schwere Zeitläufe. Werde ein ordentlicher Landwirth, baue Dein Feld, heirathe des Schulzen Else, und wenn Du Söhne kriegst, so erziehe sie gescheidter wie Deine Mutter den ihrigen. Willst Du aber durchaus Abenteuer erleben, so werde ein Herr Soldat, was vielleicht das Klügste wäre, denn das Schwert regiert jetzt die ganze Welt. Bleib' hier, Hans, bis der Jobst kommt. Frau Mutter, komm'! Wir wollen unser bestes Zimmer herrichten – die Einquartierung wird nicht lange ausbleiben.
Marthe. In's Himmels Namen! Wenn's nur keine Franzosen, wenn's nur die artigen Sachsen sind. (Beide ab.)
Hans (allein). Ich soll die plumpe Else heirathen? Warum nicht gar! – Oder Soldat werden? – Bei Fuß, schultert, präsentirt, halb rechts, halb links – nichts da! – Es gibt nur zweierlei, was ein vernünftiger Mensch werden mag: Ritter – oder Geheimschreiber. Auf Abenteuer ziehen – oder sie aufschreiben. Und lesen – lesen den ganzen Tag! Das müßte eine Wollust sein! Vor allem aber Abenteuer, Abenteuer, nur Abenteuer!
Hans. Frau von La Roche (die inzwischen durch die Mitte rasch aufgetreten ist)
Fr. v. La Roche. Gute Leute! Ist Jemand hier?
Hans (aufgeschreckt). Was gibt's? Wer seid Ihr?
Fr. v. La Roche. Eine Flüchtige – eine Verfolgte.
Hans. Eine Verfolgte? Das ist ein Abenteuer!
Fr. v. La Roche. Ich kam von meinen Leuten ab – gerieth in den Kriegstumult – und eilte hier in's erste Haus. – Wie weit ist's von hier nach Bergzabern?
Hans. Fünf Stunden.
Fr. v. La Roche. Es gibt auch einen Fußweg durch's Gebirge?
Hans. Ja, der ist näher.
Fr. v. La Roche. Willst Du Dir diesen Beutel mit Goldstücken verdienen und mich ihn führen?
Hans. Das kann ich leider nicht.
Fr. v. La Roche. Du mußt. Warum nicht?
Hans. Verzeiht, aber ich bin kein Bote für's Geld, auch darf ich das Haus nicht verlassen, denn wir erwarten Einquartierung.
Fr. v. La Roche. Einquartierung?
Hans. Der Vater meint, der Herr Oberst Götze werde hier seine Behausung aufschlagen.
Fr. v. La Roche. Oberst Götze? Mein Todfeind! Fort von hier –
Hans. Haltet doch! Der Oberst Euer Todfeind? Wer seid Ihr denn?
Fr. v. La Roche. Was kann's Dich kümmern?
Hans. Ihr seid am Ende –
Fr. v. La Roche. Wer meinst Du wohl?
Hans. Doch nicht – Frau von La Roche, die vornehme und mächtige französische Parteigängerin?
Fr. v. La Roche. Und wenn ich's wäre?
Hans. Ihr seid es!
Fr. v. La Roche. Ich bin's – bin Frau von La Roche.
Hans. Das ist ein ungeheures Abenteuer.
Fr. v. La Roche. Hast Du's etwa im Sinn, mich zu verrathen? Bist Du nicht selbst französisch? Warst es noch vor einer Stunde? – Ich halte die Partei meiner Landsleute, der Franzosen – ich werbe für sie – ist das nicht recht, im Kriege nicht erlaubt? Der Oberst haßt mich dafür, ohne mich zu kennen; er verfolgt mich überall. Nun ist er plötzlich hier, als Sieger hier – er wird Alles aufbieten, sich meiner Person zu bemächtigen – er wird mich als eine Gefangene halten, mich vielleicht tödten lassen.
Hans. Eine Gefangene? Tödten lassen? O herrlich, herrlich!
Fr. v. La Roche. Was sagst Du?
Hans. Verzeiht, aber das mahnt mich an ein Abenteuer – sprecht nur weiter, und nehmt vor der Hand mein Wort, daß ich Euch retten werde.
Fr. v. La Roche. Das wolltest Du wirklich? – Du hast ein freundliches Aussehen, junger Mann – ja, Du wirst mich retten. Der Wald ist nahe – Du kennst die Wege – die Feinde kennen sie nicht. Der Abend bricht bald ein – Du führst mich, wenn's dunkelt, nach der Bergfeste Zabern, zu meinen Anhängern, meinen Freunden. Rasch auf, mein Freund! Du führst, Du rettest mich, nicht wahr?
Hans. Wald – dunkle Nacht – eine Bergfeste – Ihr habt Euch an den rechten Mann gewendet.
Fr. v. La Roche. So komm', und führe mich.
(Kriegerische Musik hinter der Scene.)
Hans. Prächtig, immer prächtiger!. Das sind ohne Zweifel Eure Feinde.
Fr. v. La Roche. Ich bin verloren!
Hans. Was fällt Euch ein? Ich will Euch ja beschützen.
Fr. v. La Roche. Aber wie?
Hans. Das wird sich finden. Tretet einstweilen hier in die Kammer – Ihr findet Kleider, noch von meiner Schwester – hüllt Euch darein. Wenn's dunkelt, will ich Euch weiter bringen. Verlaßt Euch ganz auf mich. Ich will Euch schützen, wie der Graf Peter aus der Provence die schöne Magelone.
Fr. v. La Roche. Du bist ein Engel, den mir Gott in der höchsten Noth gesendet! (Ab zur Seite rechts.)
Hans. Später Georg Büttner. Marthe, dann Jobst mit den Bauern.
Hans (allein). Ein Engel! Ist das ein Abenteuer! – Wenn ich jetzt schon ein Engel bin, blos für meinen guten Willen – wie erst hernach? – Was für eine stattliche, prächtige Frau – ganz wie die schöne Melusine! Und wenn ich sie rette, wer weiß, was geschieht! – Nun, Herr Vater! Bin ich noch ein Hans Narr? (Musik näher.) Aber holla! Sie kommen. (An der Seitenthüre.) Seid Ihr bald fertig? Haltet Euch nur ruhig d'rinnen! Fürchtet nichts – Euer Schützer steht da. (Er stellt sich an die Thüre.)
Büttner (mit Marthe auftretend). Nun, Hans, sind sie schon hier?
Hans (der in auffallender Weise an der Thüre stehen bleibt). Noch nicht, Herr Vater.
Büttner. Was machst Du denn da an der Thür?
Hans. Ich? Nichts. Ich simulire. (Für sich.) Er soll von meinem Abenteuer nichts erfahren!
Jobst (mit Bauern, Mädchen und Kindern, welche Kränze tragen). Da sind wir, Nachbar! Wißt Ihr schon –? Wir haben den Sieg davon getragen.
Büttner. Wir?
Jobst. Das heißt die Deutschen – oder vielmehr die Sachsen.
Marthe. Die lieben Sachsen!
Jobst. Der Oberst mit seinem ganzen Regiment marschiert direct auf die Mairie los –
Hans (für sich). Ich beschütze sie gegen das ganze Regiment!
Jobst. So hab' ich denn die Geschwornen und die Kinder da mit den Blumenkränzen gleich mitgebracht, Herr Maire, zum Huldigen und Vivatschreien.
Büttner. Recht gut, recht brav, aber nennt mich nicht Maire, sondern Richter. Man sagt, der Oberst sei ein strenger, rauher Mann, der das Französische nicht ausstehen kann – wie meine Alte.
Jobst. Davon haben wir ein Beispiel erlebt. Mir gruselt's, wenn ich daran denke. Das ist ein Mann! Der übt schnelle Justiz. Keine zweihundert Schritte von hier hat er einen armen Teufel, der für einen französischen Spion galt, auf offener Straße aufhängen lassen.
Büttner. Das fängt gut an. Hörst Du's, Marthe? Das sind die höflichen Sachsen! Aber er wird sich wohl kirren lassen. Man muß ihm nur schmeicheln, muß von seiner Tapferkeit sprechen, seiner Humanität –
Jobst. Das versteht sich! Wir wollen ihm alle Tugenden anlügen, an die er niemals gedacht hat. Das ist schon so die Sitte, wenn ein vornehmer Herr wohin kommt. – Sollen wir ihm nicht entgegen gehen, Herr Maire? Herr Richter, wollt' ich sagen.
Büttner. Nicht doch! Wir sind ja nur Dorfleute, und haben keine Schlüssel zu übergeben. Es ist genug, wenn er uns hier versammelt findet, um seine Befehle zu vernehmen. (Musik, dann Trommeln ganz nahe.) Jetzt sind sie da! Stellt Euch in Positur!
Jobst. Ich zittere am ganzen Leibe.
Oberst Götze. (hinter der Scene). Halt! (Die Musik hört auf.)
Büttner. Das war vermuthlich der Herr Oberst – er hat seine Stimme vorausgeschickt.
Jobst. Ich hab' an der Stimme genug, und wollte den übrigen Mann von ganzem Herzen entbehren.
Hans (für sich.) Das Abenteuer kann doch zuletzt gefährlich werden –
(Die Mittelthüre wird aufgestoßen. Man erblickt Soldaten in Reih' und Glied.)
Vorige. Oberst Götze mit Adjutanten und Ordonnanzen.
Oberst (rasch auftretend). Wer ist hier der Maire oder der Richter?
Büttner. Das bin ich, gnädigster Herr – ich bin der Richter des Orts, und diese Leute hier –
Oberst. Wer sind diese Leute?
Büttner. Die Geschwornen, ganz unterthänigst aufzuwarten. Sie sind gekommen –
Oberst. Die Geschwornen? Gut. Ich hab' ein Wort mit Euch zu sprechen, Ihr Männer. Aber was sollen die Dirnen, die Kinder?
Büttner. Sie bringen Blumen und Kränze, um – (Leise zu Jobst.) Laßt jubeln, Nachbar Jobst.
Jobst (zu den Mädchen). Jubelt!
Die Mädchen und die Kinder. Vivat! Vivat!
Oberst. Was soll das heißen?
Büttner. Die guten Kinder wollen dem unüberwindlichsten und großmüthigsten Sieger und unserm Befreier vom Fremden-Joch in unser Aller Namen ihre tiefste Verehrung und Ergebenheit –
Oberst. Dummes Zeug! Ich will nichts dergleichen hören.
Büttner (leise zu Jobst). Das heißt: Ihr sollt noch Einmal jubeln.
Jobst (wie oben). Da capo gejubelt!
Der Chor. Vivat!
Oberst. Haltet's Maul, sag' ich. (Zu Büttner.) Laßt die Dirnen abtreten. (Die Mädchen und Kinder entfernen sich auf einen Wink Büttners.) Eure Blumen und Kränze brauchen wir nicht, aber meine Soldaten müssen was zu essen haben.
Büttner. Dafür ist gesorgt, gnädigster Herr. Draußen im Hof steht Wein und Essen in Hülle und Fülle.
Oberst. So? Nun das ist Recht. Sorgt Euch nicht. Es wird bezahlt. Das ist so Sitte in meinem Corps. (Zu den Soldaten gewendet.) Wer einem Bauer nur ein Ei oder ein Stück Brot abnimmt, der hängt, so wahr ich Götze heiße.
Hans (für sich, immer an der Thüre). Das ist ein Ehrenmann, wie der Ritter Bayard.
Büttner. Wir danken für die Zukunft, gnädiger Herr, aber erlaubt wenigstens, daß die Gemeinde für den heutigen freudenreichen Tag die Kosten selbst bestreiten dürfe.
Oberst. Topp! Angenommen. Er scheint ein Mann, mit dem sich's reden läßt, Richter. Das ist mir lieb. (Setzt sich.) Die Gemeinde ist wohlhabend, wie ich höre, Er selbst ist reich.
Büttner. Was man beim Bauer so nennt: ein Paar Hufen Landes, ein Paar Ross', ein Paar Küh', einige Schafe –
Oberst. Und doch auch einige Thaler – wie? Ich kann Euch die Kriegs-Contribution nicht ganz ersparen, so leid mir's thut. Wenn wir Euch befreit haben, wie Ihr sagt, so müßt Ihr auch dafür bezahlen.
Büttner. Gnädigster Herr, so ergeben auch die Gesinnung unserer armen Gemeinde für die deutsche Sache –
Oberst (sieht auf). Gesinnung! Deutsche Sache! Laßt das. Ihr wart gut schwedisch, und später gut französisch, und jetzt werdet Ihr auch wieder gut deutsch werden, weil's nicht anders ist; aber im Grunde Eures Herzens wünschtet Ihr mich gern dahin, wo der Pfeffer wächst, und eigentlich ist's Euch blos darum zu thun, Eure Schäfchen in's Trockene zu bringen, und so wenig für's gemeine Beste herzugeben, als nur immer möglich.
Jobst (leise zu Büttner). Nachbar, der kennt uns.
Oberst. Nun, seid nicht verzagt! Ich werd' Euch nicht wehe thun. Morgen zeigt Ihr mir Eure Bücher und Rechnungen, und ich werd' Euch billig abschätzen. (Zu den Geschwornen.) Geht nach Hause, Ihr Leute.
Jobst (leise zu Büttner). Mir scheint, da sind wir aus dem Regen in die Traufe gekommen.
(Ab mit den Bauern. Die Mittelthüre wird auf einen Wink des Obersten geschlossen.)
Oberst. Georg Büttner. Marthe. Hans (an der Seitenthüre).
Oberst (breitet eine Landkarte aus). Hier steht Zabern. Den Punkt müssen wir haben. Das ist der Schlüssel zum ganzen Elsaß. – Wie weit ist Bergzabern von hier?
Büttner. Au die fünf – sechs Stunden, gnädiger Herr.
Oberst (stampft mit dem Fuß). Das ist nicht wahr! Vier Stunden – nach der Karte. In vierthalb Stunden muß sich's erreichen lassen.
Büttner. Wie Ihr befehlt. Aber es liegt ein hoher Berg dazwischen, ganz gehorsamst aufzuwarten.
Oberst. Ein Berg? Ein Hügel.
Büttner. Ein Hügel, allerdings. Ein ziemlich hohes Hügelchen, welches, so zu sagen, ein wenig in's Bergartige spielt.
Oberst (betrachtet die Karte). Hm! Er hat Recht. Für heute ist's nichts, die Nacht muß ich ihnen lassen. Aber morgen – – Unter Andern, Richter! Er muß mir ein Nachtquartier geben.
Büttner. Mein ganzes Haus steht Euer Herrlichkeit zu Diensten.
Oberst. Die Stube ist geräumig. Die Offiziere können hier campiren. (Weist nach rechts.) Dort ist noch ein Gelaß?
Büttner. Das war die Schlafkammer meiner Tochter – geh' doch von der Thüre weg, Hans – meiner Tochter, die erst vor kurzem geheirathet und das Haus verlassen hat.
Oberst. Desto besser! – Der alte zerschossene Major Kanne wird da hinein logirt. (Weist nach links.) Und das dort?
Büttner. Ist meine eigene Stube, die für Euer Gnaden hergerichtet ist. Wir haben uns vorgesehen.
Marthe (vortretend). Ja, gnädigster Herr Oberst, das haben wir. Reines weißes Leinenzeug und Federbetten, und –
Oberst. Wer ist das alte häßliche Weib?
Büttner. Das ist die Meinige, gnädiger Herr.
Oberst. Sein Weib, so? (Halblaut zu Büttner.) Mach' Er, daß sie fortkommt.
Büttner. Geh' hinein, Alte.
Marthe (im Abgehen). Das hätt' ich mir von einem Sachsen nicht vermuthet! (Ab zur Seite links.)
Oberst. Georg Büttner. Hans.
Oberst. Nehm' Er mir's nicht übel, Richter, aber ich mag die Weiber nicht wohl leiden.
Büttner. Es läßt sich auch mancherlei gegen das Weibsvolk einwenden.
Oberst. Es läßt sich vor Allem einwenden, daß es Weiber sind. Unsere Zeit braucht Männer, Männer.
Büttner. Die sind nun freilich, so zu sagen, ohne die lieben Weiberchen nicht zu bekommen.
Oberst. Das ist schlimm genug. Er ist spaßhaft, Richter. (Eine Ordonnanz kommt und meldet. Der Oberst stampft mit dem Fuß.) Verdammt! So ist sie uns entwischt! Aber die Boten sind nach allen Richtungen ausgesendet – sie kann nicht entkommen. Laßt übrigens das ganze Dorf von Haus zu Haus untersuchen. (Ordonnanz ab.) Sag' Er, Richter! Kennt Er eine Frau von La Roche?
Hans (für sich). Nun geht's los!
Büttner. Nur dem Namen nach, gnädiger Herr.
Oberst. Sie ist eine gefährliche Feindin des deutschen Reichs. Ich dachte sie zu fangen, aber sie ist vor der Hand entschlüpft. Laßt es morgen verkünden: wer sie mir einliefert, soll reichlich belohnt werden; wer sie verbirgt, verwirkt seinen Kopf.
Hans (entfernt sich unwillkürlich von der Thüre, erschrocken). Seinen Kopf!
Oberst (wendet sich um). Wer spricht da? Wer ist dieser Bursche?
Büttner. Das ist mein Sohn, Herr, mein einziger Sohn.
Oberst. So? (Mißt ihn mit den Blicken.) Fast sechs Zoll! Der thät' auch besser, Soldat zu werden.
Büttner. Er ist nicht von dem Holz, aus dem man Helden schnitzt.
Oberst. Ei was! Geschnitzte Helden hätten wir genug; mir sind die lieber, die wild im Walde wachsen. Ich muß Euch nur sagen, Richter, daß wir Recruten brauchen. Euer Dorf wird ein paar Dutzend zu stellen haben, und Ihr, als der Obere, müßt den Andern mit Beispiel vorangehen.
Büttner. Aber es ist mein einziger, gnädiger Herr.
Oberst. Was schadet's? Ihr seid ein rüstiger Mann und könnt die Wirthschaft wohl allein besorgen.
Büttner. Es ist ein Träumer, der mehr in den Büchern steckt.
Oberst. Bravissimo! Wenn er lesen und schreiben kann, dann ist sein Glück gemacht, denn ich mach ihn zu meiner Ordonnanz.
Hans (für sich). Ordonnanz? Das klingt nicht übel.
Büttner (ausweichend). Die Ehre wär' gar zu groß für ihn, auch hat er überdieß eine Braut, die ihn liebt –
Hans (für sich). Eine Braut! Mir kommt ein Einfall!
Oberst. Schon wieder ein Weib! – Je mehr ich den Jungen ansehe – die tüchtige, derbe Gestalt – das lebhafte Auge – der Kerl hat Feuer im Leib. Schade, daß das an ein Weibsbild verprasseln soll. – Ihr mögt den Jungen stellen oder nicht, Richter, das steht Euch frei, wenn wir nur das Contingent bekommen. (Zu Hans gewendet.) Aber höre Du – (Zum Richter.) Wie heißt er?
Büttner. Hans – Hans Büttner, Herr.
Oberst. Höre, Hans, hätt'st Du nicht Lust, freiwillig Soldat zu werden?
Hans (für sich). Courage! Nun gilt's! (Laut.) Soldat? Warum nicht, Herr?
Büttner. Wie, lieber Hans –?
Hans. Hat Er mir's vorhin nicht selber erst gerathen, Vater?
Oberst. So?
Büttner. Es war ein Scherz –
Oberst. Und jetzt machen wir Ernst. Geschieht Ihm schon recht, Büttner! Warum ist Er immer so spaßhaft! – Nun also, Hans, wenn Du kein Werbgeld nimmst, sondern freiwillig eintrittst, Dich selber equipirst –
Hans. Das will ich Alles, Herr Oberst.
Büttner (halblaut). Mit meinem Gelde –
Oberst (fortfahrend). Und Dich sonst brav und wacker aufführst, wie's von dem Sohn eines solchen Vaters zu erwarten steht – so sollst Du nicht lange Gemeiner bleiben, das versprech' ich Dir; sollst in mein Freicorps aufgenommen, und gleich in die nächste Affaire mitgenommen werden, sollst auch in die beste Position kommen, das heißt in die gefährlichste.
Hans (für sich). Danke schön! Ich hab' an der jetzigen genug. (Laut.) Topp, Herr Oberst! Das will ich Alles. Ich will der wahre Soldat werden, der jetzt so selten ist: ein Schutz und Schirm der Frauen, wie die Ritter der Vorzeit.
Oberst. Für diesmal mögen die Frauen passiren. (Schlägt ihn auf die Achsel.) Du gefällst mir, Hans.
Büttner. Der Junge hat auf Einmal den Teufel im Leib!
Hans (für sich). Es geht, es geht! Ich rette die Melusine – mit sammt meinem Kopf.
Die Vorigen. Graf Dohna (durch die Mitte).
Graf. Herr Oberst –
Oberst. Graf Dohna! Was machen Sie hier, mitten im Kriegstumult? Sie sind ja der Mann des Friedens.
Graf. Ich bin so eben angekommen, Herr Oberst, und vernehme seltsame Dinge –
Oberst. Es gibt nichts, was einem Diplomaten seltsam erscheinen darf.
Graf. Auch nicht ein Soldat, der seine Vollmacht überschreitet?
Oberst (aufwallend). Seine Vollmacht, Herr Graf?
Graf (halblaut). Ruhig, Herr von Götze! Wir sind nicht allein. Ich habe mit Ihnen zu sprechen. Entfernen Sie diese Leute.
Oberst (mit Aerger gegen den Grafen). Geht hinaus, liebe Leute. Ich bin mit seinen Anordnungen zufrieden, Büttner. Grüß' Er mir sein Weib. – Wir trinken Abends ein Glas Wein mit einander, Hans. Geht jetzt.
Büttner. Komm', Hans! (Ab zur Seite links.)
Hans. Gleich, Vater, gleich! (Für sich.) Hier im Zimmer darf ich nicht bleiben – schützen soll ich sie – es hilft nichts, ich muß hinein zu ihr. (Geht mit starken Schritten nach der Thür rechts.)
Oberst. Wetter! Was trabst Du denn so, Junge?
Hans. Ich geh' nur in meiner Schwester Kammer, Herr Oberst. (Im Abgehen.) Victoria! Das Abenteuer wird doch bestanden. (Ab zur Seite rechts.)
Graf Dohna. Oberst Götze.
Graf. Ich hab' Euch vorhin nicht beleidigen wollen, lieber Oberst –
Oberst. Noch Ein Mal, Herr Graf: was machen Sie hier? Ich glaubte, Sie säßen fest in Osnabrück. Hat etwa der Graf von Trautmannsdorf aus Wien Wunder gewirkt? Ist der Congreß vorüber? Hat das liebe deutsche Reich Frieden bekommen?
Graf. Noch nicht. Allein hört mich an, Herr von Götze. Ich komme von Töplitz, und bin jetzt auf der Rückreise auf meinen Posten; da vernahm ich, daß Ihr plötzlich von der Elbe aufgebrochen; ich hörte von Eurem Unternehmen, und kam, Euch zu warnen, Euch abzurathen – aber es scheint, ich komme zu spät.
Oberst. Allerdings, Herr Commissär! Der fünfundvierzigjährige Oberst Götze, mit seinem noch jungen Sprudelkopf, hat bereits die Unvorsichtigkeit begangen, den Erbfeind des Reiches so weit aus dem Elsaß zu jagen, als es ihm bis heute möglich war; aber sorgen Sie nicht – morgen jagen wir ihn wieder ein Stückchen weiter.
Graf. Die That ist tapfer und kühn, ist löblich – war es wenigstens noch vor zwei Monaten; allein wie die Sachen jetzt stehen – ich holte meine Instructionen in Dresden ein, von unserm gemeinschaftlichen gnädigsten Herrn, dem Churfürsten; ich traf in Töplitz mit dem Grafen Guébriant, dem französischen Gesandten zusammen. Noch darf ich nicht aus der Schule schwatzen, Herr von Götze – aber nur so viel: Deutschlands Pacification ist nahe.
Oberst. Nach dreißig Jahren! Es wär' endlich Zeit.
Graf. Darum eben darf jetzt nichts zur Unzeit geschehen. Dem Anschein nach sind wir im offenen Kriege mit Frankreich, aber insgeheim wird von beiden Theilen am Frieden gearbeitet.
Oberst. In's Geheim? Was kümmert's mich! Der Franke besetzt unsere Dörfer und Städte, ich nehm' sie ihm wieder ab – das kann für keinen Fall schaden. Wer etwas nimmt, der hat etwas.
Graf. Recht, Oberst! Es ist gut, wenn wir eine imponirende Stellung einnehmen, und um ein paar Dörfer wollen wir nicht hadern; laßt sie meinethalben anzünden oder plündern – aber ein Hauptstreich darf nicht geschehen, nichts darf geschehen, was unsern Gegner, bald unsern Freund, auf's Neue in Harnisch bringen könnte. Es gibt Verhältnisse, gibt vor Allem Personen, die man schonen muß. Ihr werdet mich verstehen, Herr Oberst.
Oberst. Keineswegs, Herr Graf. Ich bin ein Bauerssohn, wie Ihr wißt. Als Soldat kenn' ich nur das Verhältniß von Freund und Feind – und so ist's auch mit den Personen. Wer mein Freund ist, dem reich' ich die Hand – den Feind such' ich zu vernichten.
Graf. Mit Ausnahmen.
Oberst. Ohne alle Ausnahme. Was Franzose ist, wer französisch denkt –
Graf. Ihr seid zu strenge. Da ist zum Beispiel hier in der Nähe gleich Jemand, den Ihr schonen werdet, schonen müßt –
Oberst (will nicht verstehen). Wer wäre das? Ich wüßte nicht –
Graf. Es ist eine mächtige Verwandte und Freundin Guébriants –
Oberst. So?
Graf. Die Wittwe des französischen Intendanten, Herrn von La Roche.
Oberst. Ah, die! Die Freundin Guébriant's? Die Eurige nicht auch, Herr Graf? – Aber sie ist mir leider entkommen.
Graf. Entkommen?
Oberst. Es war ihr Glück.
Graf (beobachtet ihn). Ihr Glück?
Oberst. Ja. Sie wirbt für Frankreich. Ich hätte sie vermuthlich erschießen lassen.
Graf. Oberst! Um's Himmels Willen! Ihr handelt wie ein Rasender. Soll denn die soldatische Willkür Alles gelten? Wollt Ihr den sächsischen Wallenstein spielen? Wollt Ihr wie der Friedländer enden?
Oberst. Ich habe weder sein Genie noch seinen Ehrgeiz; ich bin ein schlichter Mann und Soldat, und thu', was ich für recht und nöthig halte.
Graf. Ihr handelt wie ein Einzelner, seht mit den Augen des Einzelnen; aber wir, die wir die geheimen Fäden kennen, sie nach Umständen nur lose zusammenhalten, oder straffer anziehen – laßt Euch rathen, Oberst! Begnügt Euch mit Euern bisherigen Fortschritten, aber unterlaßt alle weiteren Expeditionen. Man wird Euch's Dank wissen, Euch belohnen – Ihr verdient längst General zu sein. Hier meine Hand: Deutschlands Drangsale sollen noch in diesem Jahr – im Jahr 1648 – ihr Ende finden, wenn uns der Himmel einiger Maßen günstig ist.
Oberst. Der Himmel, Herr? Nur unser Schwert kann's machen!
Das Schwert gibt Deutschland Frieden.
Graf. Und die Feder.
Wir wollen Frieden haben.
Oberst. Ihr? Das heißt:
Der Schwede, der Franzose will, nicht Ihr.
Der Fremde war's, der unser Land zerrissen,
Der Fremde wird es auch zusammen flicken;
Er wird den Frieden Euch dictiren, fürcht' ich,
Und dann ist's nur ein unterdrückter Krieg.
Graf. Der alte Streit mit Euch, mein lieber Oberst!
Der tapf're Mann, ein zweiter Jean de Werth,
Ist weit davon, sich selbst zu überschätzen,
Doch ist's ein Krieger durch und durch; ein Held,
Der wohl mit Recht für seine Tapferkeit
Den ersten Platz behauptet, wenn er billig
Nur uns'rer Klugheit auch den zweiten ließe.
Oberst. Klugheit, Herr Commissär? Weisheit ist besser;
Die aber ist, weiß Gott, bei unsern Fürsten
Verzweifelt rar. Zerstückt ist unser Deutschland,
Der Eine zerrt dahin, der And're dorthin,
Und Jeder will vom Reiche Fetzen reißen,
Und nimmt sie wohl vom Fremden noch zum Lehn,
Wie jener Weimar, jene Hessin thaten.
In Frankreich herrscht Ein Wille nur, der mächtig,
Mächtig, weil er der Einzige, der herrscht;
Doch unser armes Land hat hundert Herren,
Die ärger sich befeinden als den Erbfeind.
Wenn's Einer ehrlich meint, so ist's mein Churfürst,
Und geht's nach ihm, so soll auf deutscher Erde
Der Fremdling keinen Zoll breit sich gewinnen.
Denkt Ihr in Münster so und Osnabrück,
So soll's mich freu'n, doch sorg' ich sehr, es hapert.
Sitzt Ihr doch manch ein Jährlein schon zusammen,
Mit Federn und Papier und mit Diäten,
Und zankt Euch einzig um Formalitäten;
Wer Excellenz soll heißen, wem der Vortrag
Gebührt, und wem der Vorsitz, was weiß ich!
Und schlau benützt der lebenskluge Franke,
Der zähe Schwede Euern innern Zwiespalt,
Und schnappt Euch hier am Rhein, dort an der Nordsee,
Die fett'sten Brocken vor dem Maule weg;
Er weiß ja doch, daß Zögern nur gewinnt,
Und daß, was er im Kriege sich erobert,
Im Frieden ihm verbleibt – denn dieser Friede
Wird, mein' ich, auf den Status quo gegründet.
Der Status quo! Das heißt: was Du gestohlen,
Sollst künftig Du nach Fug und Recht behalten.
Der Status quo das Wort bringt mich zum Rasen!
(Zieht den Hut.)
Du weißt es, güt'ger Gott im Himmel d'roben,
Fast dreißig Jahr' kämpf' ich für deutsche Sache,
Und zog das Schwert oft gegen meine Brüder –
Jetzt aber höre meinen Schwur: kein Haar
Auf eines Deutschen Haupte krümm' ich fürder,
Sei's Katholik, Kalviner, Lutheraner –
Zwei Feinde kenn' ich nur: Schweden und Frankreich,
Und einen deutschen Krieg und deutschen Frieden,
Und gern geb' ich den letzten Tropfen Blut's
Für deutsche Einheit und für deutsche Freiheit.
Graf. Auf diesem Wege werden wir uns einander niemals näher kommen.
Oberst. Und einen andern werd' ich niemals einschlagen. – Verzeiht, Herr Graf, daß ich Euch jetzt für einen Augenblick verlasse; ich muß nachsehen, ob meine Soldaten ihr Nacht-Essen und ihre Schlafstelle haben. (Ab.)
Graf Dohna. Dann Frau von La Roche und Hans.
Graf (allein). Der Starrkopf! Nichts kann ihn beugen, aber ich brech' ihn doch, sammt seinem Bauernstolz. – Seinen Feind muß man vernichten – hat er mich's nicht selbst gelehrt! Es thut mir leid um ihn – aber er steht uns im Wege, er muß fallen.
Frau von La Roche (tritt auf, als Bäuerin gekleidet). Hans (folgt ihr).
Hans (im Auftreten). Wie gesagt! Verlaßt Euch nur auf mich.
Fr. v. La Roche (geht auf den Grafen zu). Graf Dohna!
Graf. Um's Himmels Willen! Frau von La Roche! Und in diesen Kleidern!
Fr. v. La Roche. Die mich retten sollten. Habt Ihr's gehört? Er will mich erschießen lassen. Aber Ihr seid hier, Graf – ich begebe mich in Euern Schutz.
Hans (für sich). So? Und wofür wär' denn ich?
Graf. Baut nicht auf mich, gnädige Frau. Ihr habt es gehört, ich bin hier nichts. Der Kopf, die Feder gilt hier nichts, das Schwert Alles. Der Oberst ist der alleinige Herr über Tod und Leben.
Fr. v. La Roche. So wollt Ihr mich umkommen lassen?
Graf. Gewiß nicht. Aber scheint nicht, was Ihr seid, bleibt, was Ihr scheint. Der Oberst kennt meine Galanterie gegen Damen. Er wird es begreiflich finden, daß ich das hübsche Landmädchen unter meine Flügel nehme.
Hans (für sich). Er will mir die Melusine weg kapern? Nichts da!
Graf. Ihr reist mit mir – aber Ihr müßt Euch gefallen lassen, schöne Frau, als meine Geliebte zu reisen. Schreckt vor dem Worte nicht zurück, das ich bisher nur nicht gewagt, vor Euch auszusprechen.
Fr. v. La Roche. Ihr wählt auch jetzt nicht den günstigsten Moment dafür, Herr Graf.
Graf. Und warum nicht? Gerade dieser Augenblick der Gefahr erhöht meinen Muth. Ihr kennt die Wünsche unserer gemeinschaftlichen Freunde – Ihr ahnt längst meinen heißesten Wunsch – soll er niemals in Erfüllung gehen?
Fr. v. La Roche. Noch ist nicht Frieden, Herr Graf; noch stehen wir uns gewisser Maßen als Feinde gegenüber.
Graf. Nicht lange mehr! Ihr habt meine Unterredung mit Herrn von Götze mit angehört. Alle unsere verwickelten Verhältnisse werden sich in Kurzem auf das freundlichste lösen. Niemand denkt mehr daran, den Krieg ernsthaft fortzusetzen, als dieser plumpe Oberst, mit dem wir zuletzt noch fertig werden wollen. Mein Wort: ich befreie Euch aus seiner Gewalt; ich schütze, ich rette Euch, Helene!
Hans (für sich). Wer sie rettet, wollen wir erst sehen. Helene heißt sie! Was für ein schöner, abenteuerlicher Name!
Vorige. Oberst (der bei der letzten Rede mit einer Ordonnanz aufgetreten.)
Oberst (zur Ordonnanz). Wartet, bis die Reiter zurück kommen. – (Für sich ) Auf der Straße nach Zabern – ein geschlossener Wagen in Carriere – kein Zweifel, sie ist's! – Nun, Herr Graf – – Wer ist die Dirne?
Graf. Ein hübsches Bauernmädchen, wie Sie sehen, Herr Oberst. (Zu Fr. v. La Roche.) Schäme Dich nicht, mein Kind! Der Herr nimmt's nicht übel, daß ich Dich artig finde.
Oberst. Ich nicht, Herr Graf, aber es dürfte bald Jemand zugegen sein, der vielleicht ein Recht hätte, das nicht zum besten aufzunehmen.
Graf. Jemand? Wen meinen Sie?
Oberst. Frau von La Roche. – Aber wie kommt die Dirne hieher?
Graf (ablenkend). Frau von La Roche? Sie haben also ihre Spur entdeckt?
Oberst. Auf der Straße nach Zabern – ein geschlossener Wagen in Carriere, den die Bauern als den ihrigen erkannten.
Graf. Wie?
Fr. v. La Roche (leise zum Grafen). Er ist's, aber mein Mädchen sitzt darin.
Graf (ebenso). Gut, das bringt ihn auf falsche Fährte – aber wir müssen vorsichtig sein.
Oberst (für sich). Die Dirne sieht mir verdächtig aus.
Graf (der sich immer zwischen Frau von La Roche und dem Obersten hält). Ich hoffe, Herr von Götze, Sie werden gegen eine Dame schonend verfahren –
Oberst. Die uns an die Franzosen verrathen hat? Freilich, freilich! – Wo kommt nur die Dirne her?
Graf. Es ist ein Dienstmädchen vom Hause.
Oberst. So tragen sich keine Dienstmädchen hier zu Lande. Sie hat die Kleidung und den Haarschmuck der reichen Bauerstöchter. Warum spricht sie nicht?
Graf. Das arme Kind ist so schüchtern. Der Herr Oberst erlaubt – geh' hinaus an Deine Arbeit, liebes Mädchen.
Oberst. Halt! Du bleibst hier.
Graf. Wie, Herr Oberst?
Oberst. Nur bis meine Reiter zurück kommen. Haben sie Frau von La Roche gefunden, so mag das – gar zu schmucke Bauernmädchen ungehindert seine Wege gehen; finden sie sie nicht, dann will ich die Dirne ein Bischen schärfer examiniren. Sie sehen, Herr Graf, wir Soldaten sind bisweilen auch genöthigt, den Diplomaten zu spielen.
Hans (für sich). Er trumpft ihn ab! Das ist recht.
Graf (kalt). Wie es scheint, verdächtigen Sie eigentlich mich, Herr Oberst, aber es sollte mir leid thun, wenn die Dirne meinetwillen Schelte bekäme, da sie ihre Arbeit versäumt.
Oberst. Ich will's verantworten.
Graf (scherzend). Wollen Sie's auch verantworten, daß Sie mich in einer Schäferstunde gestört haben? (Leise zu Frau v. La Roche.) Verzeihen Sie, gnädige Frau – (Kneipt sie in die Wange.) Ich glaubte eben mit dem lieben Kinde recht gut Freund zu werden, da traten Sie mit Ihrer militärischen Wichtigkeit dazwischen.
Oberst (noch halb ungläubig). Wirklich?
Hans (der inzwischen sein Vorhaben durch Pantomime kundgegeben, tritt vor und schleudert den Grafen zurück). Das ist erlogen, Herr!
Oberst. Was machst Du, Hans? – Bedenke die Verhältnisse, die Personen; der Herr ist ein Graf, und Du bist nur ein Bauerssohn.
Hans. Bauer hin, Bauer her – meine Else dort ist ein ehrliches Mädchen.
Oberst. Deine Else? Also doch! – Sprich doch, Hans!
Hans. Mit Verlaub, Herr Oberst – das ist meine Braut, von der der Vater sprach.
Oberst. Deine Braut! So?
Hans. Sie denkt nicht d'ran, mit dem Herrn da gut Freund zu werden.
Oberst (boshaft auf den Grafen). Nicht?
Hans. Ich weiß überhaupt gar nicht, wie er sie aufgestöbert.
Oberst. Ja, lieber Hans, das Aufstöbern gehört unter die Haupt-Geheimnisse dieser Herren. – Aber wo steckte denn das Mädchen?
Hans (zieht ihn bei Seite, nach der Kammer weisend). Da drinnen.
Oberst. So? Darum trabtest Du da hinein?
Hans (stolz auf seine Pfiffigkeit). St! Sagt dem Vater nichts.
Oberst (legt den Finger auf den Mund). Kein Wort.
Hans. Und erlaubt mir jetzt, daß ich meine Braut nach Hause geleite.
Oberst. Wo haust sie denn?
Hans. Ein paar Stunden von hier, tief im Gebirge.
Oberst. Es ist in der That ein schmuckes Kind – mehr als schmuck – Deine Braut! Sie ist fast zu stattlich für Dich, Hans.
Hans. Für mich? Warum?
Oberst (nähert sich Fr. v. La Roche). Ich habe Dich vorhin erschreckt, liebes Mädchen! Sprich doch! Fürchte nichts! Ich bin nicht gar so böse.
Fr. v. La Roche (faßt ihn fest in's Auge). Es scheint doch, Herr.
Oberst. Es scheint? Wie meinst du das?
Fr. v. La Roche. Ich meine, ein wackerer Held, wie Ihr, sollte nicht d'rauf ausgehen, mit Weibern Krieg zu führen.
Hans (winkt ihr). Schweig' doch still, Else! Du erzürnst den Herrn Obersten.
Graf (für sich). Die Unvorsichtige! Sie fordert ihn heraus.
Oberst (nach einer Pause, nachdem er Fr. v. La Roche fest betrachtet). Deine Braut weiß ihre Worte zu setzen, Hans. (Wendet sich rasch zu ihm.) Ist's aber auch wirklich Deine Braut?
Hans. Freilich! Wer soll's denn sonst sein?
Oberst. Hm! Ich weiß nicht. Ich will Deinen Vater fragen.
Hans (erschrickt). Meinen Vater!
Oberst. Der muß ja doch Deine Braut kennen – oder nicht?
Hans (bei Seite). Der Kopf fängt wieder zu wackeln an.
Oberst. Ruf' Deinen Vater her.
Hans. Meinen Vater?
Oberst. Jetzt, gleich, im Augenblick –
Hans (fällt auf die Knie). Herr, ich will Alles gestehen.
Fr. v. La Roche (tritt vor). Schweig', junger Mensch! Ich selbst will sprechen. Herr Oberst, ich bin –
Oberst (rasch). Und was? Du bist die Braut dieses Burschen, der sich vor seinem Vater fürchtet, weil er Dich da drinnen versteckt hatte, und den ich ein Bischen erschrecken wollte – (Lacht.) Das ist das Ganze – weiter nichts.
Hans (bei Seite). Ich lebe wieder auf!
Graf (bei Seite). Sieh doch! Er schont seinen Feind.
Fr. v. La Roche. Wie, Herr –?
Oberst. Wende nichts ein! So ist's, so sei's, so soll es sein – verstehst Du wohl? Und ich bin der wack're Oberst Götze, der mit Weibern keinen Krieg führt – obschon die Weiber bisweilen mit ihm. – Geht jetzt!
Hans. Komm', Melusine – Else, wollt' ich sagen.
Oberst. Noch Ein's! Du wolltest ja Soldat werden, Hans?
Hans. Ich? Ja – das heißt –
Oberst. Komm' her! (Winkt der Ordonnanz.) Da hast Du einstweilen Säbel und Pickelhaube. Gib mir den Handschlag. So. Nun gehörst Du zum Götze'schen Regiment. Jetzt führe vor Allem Deine Braut nach Hause. Sei ohne Sorge! Dein Vater erfährt nichts. Noch Eins! Nimm hier meinen Siegelring, damit Dich die Wachen ungehindert passiren lassen.
Hans (kleinlaut). Großen Dank, Herr! Komm', Else.
Oberst. Halt! Rekrut Hans Büttner! Er hat Urlaub die ganze Nacht – versteht Er? Aber Morgen mit dem Frühesten stellt Er sich, sonst wird er als Ausreißer füsilirt. Marsch!
Hans (im Abgehen). Komm', Else, komm'! (Ab mit Fr. v. La Roche.)
Oberst (ihnen nachblickend). Ein stolzes, ein kühnes Weib! (Wendet sich zum Grafen, mit Doppelbeziehung.) Nun, Herr Graf! Es scheint, für diesmal hat der Bauerssohn den Diplomaten ausgestochen.
Graf (mit Feinheit). Die Personen blieben verschont – unter diesen Verhältnissen muß ich mir's gefallen lassen.