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(Zimmer bei Doctor Wendemann.)
Schnurre (der Schreiber, sitzt am Tisch). Erster Zeitungsleser (tritt auf).
Leser. Das heutige Blatt.
Schnurre. Hier.
Leser. Schon wieder Theater und Aesthetik! Auch Verse! Br! – Gar nichts Nützliches, nichts für's praktische Leben. Sagen Sie dem Redacteur, wenn nicht bald wieder Etwas über Fabriken oder Dampfmaschinen geliefert wird, verliert er alle seine Abonnenten.
Schnurre. Mit wem hab' ich die Ehre –?
Leser. Ich bin der Eigenthümer der großen Drahtzieher-Fabrik dort an der Ecke. Ich zahle das ganze Jahr voraus. Aber ich will mein Geld nicht umsonst wegwerfen. Gott befohlen. (Ab.)
Schnurre (allein, dann) der zweite Leser.
Schnurre (allein). So ein Mensch glaubt, das ganze Publikum bestehe aus Drahtziehern.
Zweiter Leser (schüchterner junger Mann, tritt auf). Kann ich pränumeriren?
Schnurre. Ach Gott, junger Herr, so viel Sie wollen. Bitte um den Namen.
Zweiter Leser. Sie kennen ihn. Das Gedicht im letzten Blatt ist von mir.
Schnurre (schreibt). Der junge Dichter! Gratulire. Das Gedicht hat allgemein angesprochen.
Zweiter Leser. Es ist mein erstes gedrucktes Product.
Schnurre. Verspricht sehr viel. Hier ist der Pränumerationsschein. Hier die Blätter.
Zweiter Leser. Danke. Wollen Sie gefälligst dem Herrn Doctor dieses Päckchen geben?
Schnurre. Aha, vermuthlich neue Musen-Opfer?
Zweiter Leser. Allerdings. Drucken Sie es nur recht sorgfältig. An dem Gedichte fehlte ein Komma. Empfehle mich gehorsamst. (Ab.)
Schnurre (allein, dann) dritter Leser.
Schnurre (allein). Das sind unsere besten Mitarbeiter, die uns ihre Beiträge honoriren.
Dritter Leser (tritt auf, begehrt das Blatt, nimmt es, geht, befühlt das Blatt, schüttelt den Kopf). Das Papier wird immer schlechter – (Ab.)
Schnurre (allein, dann) vierter Leser.
Schnurre (allein, steht auf). Der will um seine zwei Groschen englisch Velin. O Publicum! Vielköpfiges Ungeheuer! Wie sollen wir alle Deine Köpfe unter Einen Hut bringen?
Vierter Leser (tritt auf). Gehorsamer Diener. Guten Abend. Da ist der Pränumerationsschein. Bitte um's heutige Blatt.
Schnurre (gibt ihm die Zeitung). Der Herr Baron kommen selbst?
Vierter Leser. Ich ging eben vorüber. Schöner Tag heute. Aber warm. Gestern war's nicht so schön. Die Witterung ist sehr unbeständig. – Ist das neue Stück schon recensirt?
Schnurre. Ja.
Vierter Leser. Bravo! Das Theater ist doch das schönste Vergnügen. Ich gehe oft in's Theater. Sie auch? König Enzio ist ein schönes Stück. Auch Correggio ist ein schönes Stück. Raupach ist ein guter Dichter; aber Schiller ist noch besser. Wer ist Ihnen lieber: Goethe oder Schiller? Mir ist der Schiller viel lieber. Die Sprache! Die erhabenen Ideen! Der Tasso ist schön, aber langweilig. In der Maria Stuart muß man weinen. Ich weine gern, aber ich lache noch lieber. Darum zieh' ich das Lustspiel vor. Sie auch?
Schnurre. O ja!
Vierter Leser. Ich räsonnire so: Betrübtes gibt es im Leben genug; im Theater will ich mich aufheitern. Ist's nicht so? Wenn man recht gelacht hat, schmeckt das Essen. – Wird das neue Stück gelobt?
Schnurre. Nein! Getadelt.
Vierter Leser. Schön! (Liest das Blatt.)
Schnurre. Haben Sie das Stück gesehen?
Vierter Leser (liest). Freilich.
Schnurre. Hat es Ihnen nicht gefallen?
Vierter Leser (liest). O ja. Sehr. – Haha! Der kriegt sein Theil.
Schnurre. Die Recension gefällt Ihnen also?
Vierter Leser. Sie ist superb.
Schnurre. Und das Stück gefällt Ihnen auch?
Vierter Leser. Es ist auch superb.
Schnurre (für sich). Da werd' ein Anderer klug daraus! Dem gefällt Alles.
Vierter Leser. Ja, sehen Sie, Freundchen, was kümmert mich im Grunde das Recensiren, wenn sich die Herren einander loben? Das Herumbeißen, das ist ein Vergnügen für uns gebildete Leser; ohne das hielten wir keine Zeitungen. Das schadet auch den Büchern gar nicht. Ein gutes Buch und eine boshafte Recension dazu – ist wie Rindfleisch mit Senf; die Kritik hilft das Buch erst recht verdauen. – Nun mach' ich meine Promenade. Adieu, Freundchen, auf Wiedersehen. (Ab.)
Schnurre (allein, dann) Doctor Wendemann.
Schnurre (allein). Das ist der Leser, wie er sein soll.
Wendemann (auftretend). Geschwinde, Schnurre, schreib' Er! Ich will Ihm einige Notizen dictiren, für's morgige Blatt.
Schnurre (setzt sich). Sehr wohl, Herr Doctor.
Wendemann (dictirt, geht auf und ab). »Nachricht für das geehrte Publikum. Morgenroth ist für unser Blatt gewonnen. Morgen erscheint sein erster Beitrag«. (Spricht.) Der faule Spitzbube! Wenn er ihn nur auch schreibt. (Dictirt.) »Dieser beliebteste Schriftsteller Deutschlands, ja Europa's« – (Spricht) Wenn er nur kein so fauler Schlingel wäre! (Dictirt.) »Europa's, wird aus dem unerschöpflichen Schacht seines Innern alle Wochen drei Mal echte Goldstufen herausfördern.« – (Spricht.) Wird an den Kopf des Blattes gedruckt. Große Perlen-Lettern. Der Name roth.
Schnurre (schreibt). Kopf – roth – Perlen – Lettern.
Wendemann. Weiter! (Dictirt.) »Notitzen. Der berühmte Reisende, Sir Henry Wearylife, ist eben aus Italien angekommen. Er ist damit beschäftigt, seine ganz eigenthümlichen Ansichten über dieses Land zusammenzustellen, wovon sich das gebildete Publicum einen außerordentlichen Genuß erwarten darf.«
Schnurre. Herr Doctor –
Wendemann. Was giebt's?
Schnurre. Der Engländer schimpft ja über Italien.
Wendemann. Was weiter?
Schnurre. Sie beliebten neulich zu äußern, er sei ein Narr.
Wendemann. Das geht Ihn nichts an.
Schnurre. Ist auch wahr.
Wendemann. Bring' Er ihm ein Exemplar der Zeitschrift in seine Wohnung, nebst dem Pränumerationsschein.
Schnurre. Werd's besorgen.
Wendemann (dictirt). »Der literarische Salon eines gewissen liebenswürdigen und allbeliebten Kunstfreundes und Mäcen's gewinnt täglich mehr an Bedeutung.«
Schnurre (für sich). Will sagen: die Redaction braucht einen Vorschuß.
Wendemann (dictirt). »Artistisches. Herr Ocker, ein junger Künstler, zeigt ziemliches Geschick im Portraitiren. Seine Farben sind etwas trocken, doch verdient er Unterstützung.«
Schnurre. Herr Doctor, ich hatte vergessen. Der Maler war hier; er hat Ihr Portrait gebracht.
Wendemann. So? Ist es fertig?
Schnurre. Bis zum letzten Strich. Da er Sie nicht zu Hause fand, nahm er es wieder mit, um den Rahmen zu besorgen. Er bittet Sie, das Portrait als Andenken zu behalten.
Wendemann. So, so! – Laß Er doch sehen. Was hat Er denn geschrieben? – Streich' Er das weg. Es sagt zu wenig. (Dictirt.) »Der ausgezeichnete junge, vaterländische Künstler, Herr Ocker, ist ohne Zweifel Einer der geistreichsten Portraitmaler unserer Zeit, und verspricht, ein zweiter Lawrence zu werden.«
Schnurre. Das klingt gleich anders!
Wendemann. Es ist noch nicht alle. (Dictirt.) »Das wahre Talent zu fördern und zu empfehlen, Dünkel und Anmaßung zurückzuweisen, war von jeher der Zweck unserer Blätter und ein Verfahren, welches ihre Dauer sichert.«
Schnurre. Bravo! Streusand – (für sich) in die Augen. – Bin ich nun fertig?
Wendemann. Wart' Er noch. War der Goldschmied hier?
Schnurre. Nein.
Wendemann. Der Juwelier?
Schnurre. Auch nicht. Aber der Schneider brachte den neuen Frack.
Wendemann. Wo ist er?
Schnurre. Dort auf dem Stuhl. Der brave Meister will durchaus kein Conto schreiben.
Wendemann. Sehr saubere Arbeit. Schreib' Er. (Dictirt.) »Technisches. Der neuste Frack von Fingerling zeigt, was man in der Kleider-Poesie leisten kann. Er ist ein wahres Frack-Idyll. Wie elegant, wie solid»–«
Schnurre (für sich). Und wie wohlfeil!
Wendemann. (Dictirt.) »Paris ahmt unsere Dichter und Philosophen nach; bald wird es auch von unsern Schneidern und Köchen lernen können.« (Spricht.) So. Jetzt in die Druckerei.
Schnurre (steht aus.) Sogleich. Nun haben wir wieder ein Stück zur Aufklärung und Bildung beigetragen. (Ab.)
Doctor Wendemann. Morgenroth (im Schlafrock, mit der Pfeife).
Morgenroth. Grüß' Dich, Doctor.
Wendemann. Morgenroth! Ist der Aufsatz fertig?
Morgenroth. Noch nicht angefangen.
Wendemann. Bruder, laß mich nicht sitzen. Du bist pompös angekündigt.
Morgenroth. Gilt mir gleich viel. Ich brauche einen Vorschuß.
Wendemann. Meine Kasse ist leer.
Morgenroth (setzt sich). Meine Ideen sind erschöpft.
Wendemann (gibt ihm Geld). Hier, nimm. Es ist mein Letztes.
Morgenroth. Zwölf Louisd'ors? Es steigen mir bereits humoristische Blasen auf.
Wendemann (setzt sich zu ihm). Höre mich an. Es sind wichtige Dinge im Werk. Ich habe einen Ruf erhalten nach – kurz, ich trete in Staatsdienste.
Morgenroth. Gratulire, Herr Hofrath.
Wendemann. Es ist noch nicht so weit. Meine hiesigen Angelegenheiten verwickeln sich immer mehr. Mich quälen zwei Dinge, die bekanntlich der ganzen Welt zu schaffen machen: Weiber und Schulden. Leider standen diese Gegenstände bei mir in Wechselwirkung. Der reiche Lampe, der sich zum Theil für mich verbürgte, trägt mir Emiliens Hand an. Er hält große Stücke auf mich, aber ich fürchte das Erwachen seiner kaufmännischen Seele, wenn ihm gewisse, nicht unbedeutende Wechsel präsentirt werden, wenn die versprochenen Redactions-Percente ausbleiben. Es liegt mir daher Alles daran, sobald wie möglich sein Schwiegersohn zu heißen. Du mußt beitragen, meine Verbindung mit der liebenswürdigen Emilie zu beschleunigen, noch ehe Mannsfeld zurückkehrt. Gelingt mein Plan nicht, dann tragen mich vier rasche Postpferde nach dem Orte meiner neuen Bestimmung. Doch ich hoffe, es gelingt. Ich sehne mich in der That nach Ruhe und Häuslichkeit. Ich bin des Lebens hier überdrüßig. Ich habe daher für jeden Fall beschlossen, Dir die Redaction der Zeitschrift zu übergeben.
Morgenroth. Der Gedanke ist nicht übel. Ich könnte etwa nebenbei die kleine schnippische Luise heirathen.
Wendemann. Wie es Dir gut dünkt.
Morgenroth. Aber höre! Die Redaction trägt keine Percente?
Wendemann. Das heißt: Herrn Lampe nicht, der blos mit dem Geldkasten redigirt; wohl aber Dir, wenn Du Deinen Gehirnkasten gehörig gebrauchen willst.
Morgenroth. Ich verstehe.
Wendemann. Also sei fleißig. Liege nicht etwa den ganzen Tag auf dem Kaffeehause.
Morgenroth. Dort kommen mir meine besten Ideen.
Wendemann. So schreibe sie wenigstens nieder. Bedenken Sie, Herr Redacteur, die Pforten zu Ruhm und Reichthum stehen Ihnen offen. (Steht auf.)
Morgenroth (steht gleichfalls auf).
Ich soll also Redacteur sein?
Es wird mir eine Ehr' sein.
Wendemann. Führen Sie das liebe Publicum
Statt meiner an der Nas' herum.
Morgenroth (verbeugt sich).
Herr Doctor, leicht ist das auszuführen:
Ich werd' in Ihrem Sinne redigiren.
Wendemann (verbeugt sich gleichfalls).
Sie brauchen mich nicht nachzuäffen,
Sie werden bald mich übertreffen.
Morgenroth. Ein jedes Ding hat seine Seiten;
Bitte, mich gütigst anzuleiten.
Wendemann. Das ist nicht schwer. Nur aufgepaßt!
Die schwache Seite aufgefaßt;
Doch das vertrau' ich Dir sub rosa:
Politica sunt odiosa.
Nur hübsch geschmeichelt und gestreichelt –
Morgenroth. Zur Noth was Weniges geheuchelt?
Wendemann. Sich mit der ganzen Welt vertragen –
Morgenroth. Dazu gehört ein starker Magen.
Wendemann. Die Freunde loben ungebührlich –
Morgenroth. Zumeist sich selbst: das ist natürlich.
Wendemann. Doch wenn Dir Uebles widerfährt –
Morgenroth. Da setz' ich mich auf's hohe Pferd.
Wendemann. Dann keine Schonung!
Morgenroth. Scharfer Ton!
Wendemann. Recht unverschämt –
Morgenroth. Das weiß ich schon.
Wendemann. Der Zweck der Kunst –
Morgenroth. Wird vorgeschützt.
Wendemann. Und blauer Dunst –
Morgenroth. Dazu gespritzt.
Wendemann. Dem Feinde Hohn –
Morgenroth. Und Uebermuth.
Morgenroth. Sei's noch so gut.
Wendemann. Das Publicum –
Morgenroth. Stets hoch verehrt.
Wendemann. Die Abonnenten –
Morgenroth. Stets vermehrt.
Wendemann. Herr Redacteur, den Bruderkuß!
Sie sind, wie ich, ein Pfifficus.
Vorige. Lampe.
Lampe. Ach meine Herren! Sie unterreden sich vielleicht über die höchsten Interessen der Menschheit – aber ich muß Sie unterbrechen, muß meinem gepreßten Herzen Luft machen.
Wendemann. Was ist denn geschehen?
Lampe. Ein Unglück! Mannsfeld ist zurück.
Wendemann (erschrocken). Mannsfeld?
Morgenroth. So?
Wendemann. Ist er schon hier?
Lampe. Noch nicht; aber zwei Stunden von uns, auf dem Landhause des Kriegsministers, um Bericht über seine Sendung abzustatten.
Wendemann. Wie nimmt sich Emilie?
Lampe. Das ist eben das Unglück. Sie seufzte, war in sich gekehrt, sprach mit sich selbst; ach, sie war auf dem besten Wege zur Clairvoyance; und nun kommt der fatale Mensch mit seiner Natürlichkeit und seiner prosaischen Liebe und zerstört uns das schöne Experiment. Und gerade heute! An meinem Salon-Tag!
Wendemann. Emilie darf den Capitän nicht allein sprechen.
Lampe. Aber sie will –
Wendemann. Sie will–?
Lampe. Ihm persönlich den Abschied geben. Meine Herren, verlassen Sie mich nicht. Bleiben Sie in der Nähe. Sie kennen den Menschen nicht. Er ist heftig.
Morgenroth. Ja, ja, das weiß ich –
Lampe. Sie?
Morgenroth. Was wollen Sie? Ich war dabei, wie er auf dem Kaffeehause in Hamburg wegen eines einzigen Wortes – Jemanden zur Thür hinaus befördern wollte.
Wendemann. Wir werden mit ihm fertig werden. Kommen Sie, Herr Lampe. Ich will vor Allem Emilien vorbereiten.
Lampe. Thun Sie das, bester Mann. Ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Soviel ist gewiß: Mannsfeld wird niemals mein Schwiegersohn. Sie sind Emiliens Bräutigam. Heute noch wird der Contract aufgesetzt. Doch die Zeit verrinnt. Kommen Sie!
Wendemann. Morgenroth, kleide Dich an. Du mußt den Capitän empfangen.
Morgenroth. Gut! Ich hab' ihm schon längst etwas auf der Nadel. Er soll die junge Poesie kennen lernen! (Ab.)
Wendemann (zu Lampe). Wir gehen zu Emilien.
Lampe. Wenn sie nur erst wieder somnambul wäre.
(Beide ab.)
(Emiliens Zimmer).
Lampe. Emilie. Doctor Wendemann.
Lampe. Nur ruhig, mein Kind! Widerstrebe nicht länger. Laß Dich magnetisiren. Der Hang zur Clairvoyance ist einmal da.
Emilie. Ich will nichts davon wissen.
Lampe. Welche Heftigkeit! Sie ist wohl gar von einem bösen Dämon besessen.
Wendemann. Nicht doch!
Lampe. Sage, Emilie! Hat niemals eine tiefe Baßstimme aus dir herausgesprochen? Hast Du nicht von unsichtbarer Hand eine kleine Ohrfeige erhalten? Hörtest Du kein teuflisches Lachen? Sahst keine verzerrten Fratzen und Larven?
Emilie. Nichts von alle dem. Wollen Sie mich zur Verrückten machen? Ich sehe nur ihn.
Lampe. Welchen Ihn?
Emilie. Mannsfeld.
Lampe. Mit dem Magen?
Emilie. Mit dem innern Auge.
Lampe. Das ist der Magen. (Zu Wendemann.) Wir wollen ihr ein Buch auf die Herzgrube legen.
Emilie. Lassen Sie mich! Mannsfeld kann jeden Augenblick hier sein.
Lampe. Der Mensch ist unser Unglück.
Wendemann. Ein Zeuge wäre vielleicht bei der Unterredung –
Wendemann. Er wird sich über jenen Brief entschuldigen –.
Lampe. Er wird die Recension ableugnen –
Emilie. Mag er doch! Die Gesinnung läßt sich nicht verleugnen. Wer über die Dinge, die mir die Blüte des Lebens sind, so denkt, so fühlt wie er, der taugt nicht zum Gefährten meines Lebens.
Wendemann. Diese Erklärung beruhigt mich gänzlich, und läßt mich zugleich hoffen –
Emilie. Hoffen Sie nicht! Der heutige Morgen hat uns für immer getrennt. Hören Sie? Für immer. – Und nun, ich bitte, lassen Sie mich allein.
Wendemann. Wenn Sie befehlen – (für sich.) O weh! Meine Aussichten stehen schlimm.
Lampe. Kommen Sie, Doctor! (Leise zu Wendemann.) So heftig war sie noch niemals. Ich bleibe dabei: aus ihr spricht ein Kakodämon. (Beide zur Seite ab.)
Emilie (allein). Ich will mich sammeln, vorbereiten; ich will mir sein Unrecht lebhaft vorstellen. (Geht auf und ab.) Wie werd' ich mich gegen ihn benehmen? – Ich werde kalt sein. Kälte kränkt. Oder gleichgültig. Das schmerzt noch empfindlicher. Am besten ist es, ich trete ihm lachend und spottend entgegen. Das ist ja sein Ton; der Ton seiner Briefe, der Recension. Ja, es ist beschlossen: Spott und Lachen soll –
Emilie. Luise. Mannsfeld.
Luise. Schwester, wen bring' ich da?
Mannsfeld. Emilie –
Emilie. Ach Gott!
Mannsfeld. Liebste, theuerste Emilie! – Armes Kind! Hab' ich Sie erschreckt? Aber Sie wußten ja – – Und wie schön, wie blühend, wie bräutlich Sie aussehen!
Luise. Und ich, Herr Capitän? Bin ich gewachsen?
Mannsfeld. Wie ein Riese! – Ach, liebe Emilie! Die Freude. das Glück – ich kann keine Worte finden.
Luise. Für mich schon gar nicht. Ich will Euch nur allein lassen. Meine Stunde kommt später, nicht wahr? Ich weiß noch Ihre Lieblingsspeisen. Die sollen Sie morgen Mittags bekommen. (Leise zu Emilien.) Schwester, wie prächtig ihm der Schnurrbart steht! Das ist doch einmal wieder ein Mann! (Ab.)
Emilie. Mannsfeld.
Mannsfeld. Emilie, meine Emilie – (da sie zurückweicht.) Wie? Was ist das? Sie weichen mir aus, da ich Ihnen so herzlich entgegenkomme?
Emilie (nicht ohne Bewegung). Dieser Empfang – ich hatte ihn nicht vermuthet – er steht im Widerspruch mit Ihren letzten Briefen.
Mannsfeld. Was ist ein Brief? Todtes, stummes Papier! Aber nun ist ja das Auge dem Auge, die Seele der Seele gegenüber! Die lebendige Sprache dringt von Herzen zum Herzen, und strömt Leben aus, Wärme, Gluth –
Emilie. Wenn Sie so warm fühlten, warum schrieben Sie so kalt, so schneidend?
Mannsfeld (etwas piquirt). Vergeben Sie, Beste, aber Sie schrieben eben so.
Emilie. Doch nicht zuerst.
Emilie. Ich kann's beweisen.
Mannsfeld. Auch ich.
Emilie. Vergleichen Sie das Datum –
Mannsfeld. Datum! Wie bei einem Frachtbrief!
Emilie. Sie haben zuerst schonungslos über mich, über meinen Vater geurtheilt.
Mannsfeld. Die Reise – meine Stimmung – mein gezwungener Aufenthalt in Hamburg – Du lieber Gott! Ein Brief ist ja keine Recension.
Emilie. Recension! Wie kommen Sie darauf?
Mannsfeld. Ich meine nur –
Emilie. Gut. – Sie werden unser Haus verändert finden.
Mannsfeld. So scheint es.
Emilie. Die Richtung, die wir Alle angenommen, wird Ihnen schwerlich zusagen.
Mannsfeld. Ich fürchte fast.
Emilie. Ich habe mich der neuen Literatur angereiht.
Mannsfeld. Emilie –
Emilie. Vielleicht sind Ihnen die Novellen von Emilien bekannt?
Mannsfeld. Wär's möglich? Sie sind jene Emilie?
Emilie (rasch). Sie lasen das Buch auf dem Kaffeehause in Hamburg?
Mannsfeld. Wie können Sie wissen –?
Emilie. Also doch! – Ja, ich, ich bin jene Emilie, die, nach dem Rathe gewisser Personen, beim Strickstrumpf bleiben soll.
Mannsfeld. Wenn auch nicht eben beim Strickstrumpf –
Emilie. Doch bei der Nadel – nicht wahr?
Mannsfeld (aigrirt). Nun ja! Ich glaube, die Nadel schickt sich für die zarten weiblichen Finger noch besser als die Schreibfeder, und ein zufälliger Blutstropfen kleidet sie hübscher als ein gelehrter Dintenklecks.
Emilie. O, ich kenne diese Ansichten! Das Weib soll die Magd, die Sclavin des Mannes sein; sie soll ihn durch ihr Wissen, ihre Bildung nicht beschämen. Aber ich bin dieser kindischen Abhängigkeit längst entwachsen. Ich fordere dieselben Rechte wie der Mann.
Mannsfeld. Emilie! Wohin führt Sie Ihre Laune, Ihre Aufregung? Ist dies die Liebe, die ich erwartete?
Emilie. Liebe? Können Sie von Liebe sprechen, Sie, der vielleicht ein flüchtiges Gefallen an mir fand, und doch in dem Augenblick, wo er sich mit mir verbinden will, nicht die Kraft hat, ein unerlaubtes Verhältniß zu lösen?
Mannsfeld. Ich höre Sie sprechen, aber ich verstehe Sie nicht. Ich ein Verhältniß? Wann, wo hätt' ich –? Sagen Sie Alles! Reden Sie deutlich!
Emilie. Erinnern Sie sich nur des letzten Briefes, den Sie aus Hamburg schrieben, nicht an mich, sondern an ein anderes weibliches Wesen.
Mannsfeld (etwas verlegen). Ich einen Brief –? Aus Hamburg?
Emilie. Sie scheinen mich zu verstehen. Genug davon. – Sie sagen, das Schreiben ist eine Krankheit der Zeit; doch perfider Spott wird mich von dieser Krankheit nicht heilen. Sie behaupten, daß Sie mich lieben; aber ein Liebender wird meine Gedichte nicht schlecht finden und keine schmähende Recension über meine Novellen schreiben. (Ab.)
Mannsfeld (allein). Gedichte! Novellen! Recension!– Wach' ich? Träum' ich? Bin ich der Capitän Mannsfeld, oder bin ich ein Narr? War das Emilie? – Das ist ja dasselbe Zimmer, wo mir das liebenswürdigste, das unschuldigste Mädchen Herz und Seele weihte – das Zimmer ist dasselbe – Tapeten, Tisch und Stühle – aber das Mädchen ist anders. – Thor, der ich war! Komme da mit einem Herzen voll Liebe, zuversichtlich, zutraulich, offen – und was finde ich? Ein eitles, geschraubtes Wesen, eine Thörin, eine Dichterin. Tod und Teufel –
Mannsfeld. Niklas.
Niklas. Liebster Herr Capitän –
Mannsfeld. Niklas!
Niklas. Sie sind wieder da? Welche Freude! Lassen Sie mich Ihre Hand küssen.
Mannsfeld. Schon gut, Niklas! – Er freut sich mehr über mich, als meine Braut –
Niklas. Wie gut Sie aussehen! Es ist eine Freude, Sie anzusehen.
Mannsfeld. Ehrlicher Niklas! – Aber sprich! Was für Wirthschaft ist in Euerm Hause?
Niklas. Eine miserable Wirthschaft, Herr Capitän. Nichts als Kunst und Philosophie.
Mannsfeld. Wie soll ich das verstehen?
Niklas. Zu verstehen ist's gar nicht. Das ist ja eben das Unglück.
Niklas. Wo wird er sein? Da drinnen beim Redacteur.
Mannsfeld. Redacteur? Wer ist das?
Niklas. Wissen Sie's denn nicht? Doctor Wendemann. Der führt hier das große Wort, redigirt das ganze Haus. Wir müssen tanzen wie er pfeift; will sagen: wir müssen lesen, was er schreibt. Er unterrichtet unsere Fräulein in der Natur-Philosophie.
Mannsfeld. Auch Emilien?
Niklas. Die am allermeisten.
Mannsfeld. So?
Niklas. Herr Capitän, mit Fräulein Emilien ist's nicht ganz richtig. Sie macht Verse. Das ginge noch an – aber in der letzten Zeit verlangt der Alte von ihr, sie soll sich auf's Nachtwandeln verlegen.
Mannsfeld. Du bist nicht klug! – Ist Emilie häufig allein mit dem Doctor?
Niklas. Ab und zu. Es ist so eine eigene Sache – man weiß nicht recht – der Kutscher meint das – die Köchin meint dies –
Mannsfeld (geht auf und ab). Ich weiß genug.
Niklas. Weil Sie nur wieder da sind! Nun wird Alles anders werden.
Mannsfeld (reibt die Hände). Anders? – O ja! – Rufe Herrn Lampe.
Niklas. Da kommt sein Abgesandter, der Herr Poet. Reden Sie nur mit dem. (Ab.)
Mannsfeld. Morgenroth (aus dem Seitenzimmer).
Morgenroth. Herr Capitän –
Mannsfeld. Was seh' ich?
Morgenroth (ohne Verlegenheit). Ich hatte schon einmal die Ehre, in Hamburg, auf dem Kaffeehause –
Mannsfeld (ironisch). Die Ehre war nicht groß. Gehören Sie auch zu Herrn Lampe's Freunden?
Morgenroth. Aufzuwarten. Er versammelt alle schönen Geister. So eben beginnt sein Salon, wozu Sie höflichst geladen sind.
Mannsfeld. Höflichst geladen? Ich?
Morgenroth. Sie sind doch ein Verehrer der Poesie, Herr Capitän?
Mannsfeld. O ja.
Morgenroth. Machen vielleicht selbst Verse?
Mannsfeld. Nein. Mein Geschäft ist: Speere werfen und die Götter ehren.
Morgenroth. Pfui, mein Herr! Sie citiren Schiller.
Mannsfeld. Ist das nicht erlaubt?
Morgenroth. Durchaus nicht. Schiller ist veraltet, hat nur Gefühls-Poesie, ist eigentlich gar kein Dichter.
Mannsfeld. Das Erste, was ich höre.
Morgenroth. Auch Goethe ist kein Dichter.
Mannsfeld. Immer besser!
Morgenroth. Er lebt in einem aristokratischen Element. Unsere neue Poesie hat ihn längst überflügelt. Wir haben die Begeisterung aufgegeben, wir erdenken die Poesie, wir construiren sie aus dem reinen Gedanken.
Mannsfeld. So, so! – In welchem Fache werden Sie denn construiren?
Morgenroth. Zuerst im dramatischen. Ich schreibe mit nächstem einen Wallenstein, einen Tell und die Jungfrau von Orleans nach Görres' Andeutungen.
Mannsfeld. Glückliche Stoffe! Leider hat Schiller das Alles bereits geschrieben.
Morgenroth. Er hat es geschrieben – aber wie?
Mannsfeld. Freilich! Blos mit der elenden Begeisterung. – Ich sehe schon, seit den zwei Jahren meiner Abwesenheit ist Deutschland nicht weniger verändert als Herrn Lampe's Haus.
Morgenroth. Die Kritik hat Alles umgeschaffen. Sie eilt mit Riesenschritten dem trägen Jahrhundert voraus.
Mannsfeld. Das Jahrhundert wird sie vielleicht wieder einholen. – Wo ist Herr Lampe?
Morgenroth. Er macht seine Salon-Toilette.
Mannsfeld. Und Emilie?
Morgenroth. Schenkt bereits den literarischen Thee ein.
Mannsfeld. Thee? Nach zweijähriger Trennung, in der Stunde des Wiedersehens – und Thee!
Morgenroth. Sie interessiren sich für Fräulein Emilie?
Mannsfeld. Interessiren? O ja.
Morgenroth. Sie – lieben sie?
Mannsfeld. So etwas dergleichen.
Morgenroth. Ich verstehe. Sentimentale Liebe – ist auch veraltet.
Mannsfeld. Wie die Begeisterung.
Morgenroth. Wie ist es möglich, nur ein einziges Frauenzimmer zu lieben? Wenn ich die vollkommenste Blondine besitze, soll deshalb die vollkommenste Brünette für mich nicht existiren? Ich strebe nach dem Ideal; das liegt nur in der Gesammtheit aller Existenzen. Die Erscheinung A, zum Beispiel Fräulein Emilie – ist nicht das Ideal; auch nicht die Erscheinung B oder C oder D; aber A, B, C, D, multiplicirt mit X, gibt mir das Noumenon, die Apperception des Unendlichen. Wer philosophisch liebt, muß alles Liebenswürdige lieben, was ihm vorkommt.
Mannsfeld. Sehr einleuchtend! Aber ich bin mit der Erscheinung A zufrieden; ich will diese Erscheinung heirathen.
Morgenroth. Hm! Ich habe davon gehört. Im Vertrauen: Ihre Sache steht nicht zum besten, mein Herr.
Mannsfeld. Wie so? Ich habe die Liebe der Tochter und des Vaters Jawort.
Morgenroth. Sie irren, Herr Capitän.
Mannsfeld. Wie? Ich irre?
Morgenroth. Das will ich Ihnen sogleich beweisen. Sie lieben Fräulein Emilien?
Mannsfeld. So ist es.
Morgenroth. Sie liebten sie schon vor zwei Jahren?
Mannsfeld. Eben wie jetzt.
Morgenroth. Gut. Sie sind also unverändert derselbe geblieben; Sie sind mit der Zeit nicht fortgeschritten. Aber hier hat sich Alles verändert, wie Sie selbst beliebten zu bemerken. Emilie ist nicht mehr Emilie, Herr Lampe ist nicht mehr Herr Lampe. Das kindische Mädchen hat sich zur Künstlerin herangebildet; aus dem Zucker- und Kaffeehändler ist ein Kunstkenner, aus der Raupe ein Schmetterling hervorgekrochen. Die Liebe von damals, das Jawort von damals paßt also jetzt nicht mehr.
Mannsfeld. Es ist viel Wahrheit in dieser bittern Ironie.
Morgenroth. Es ist gar keine Ironie, es ist blos Wahrheit. Der Vater gibt Emiliens Hand durchaus nur einer literarischen Celebrität, und Emilie ist nicht abgeneigt –
Mannsfeld. Nicht abgeneigt? Herr, sind Sie die Celebrität?
Morgenroth. Gott bewahre!
Mannsfeld. Celebrität! – Wenn ich wüßte, daß das Mädchen wirklich – literarische Celebrität! – sie verdiente nicht, daß ein Mann sich um sie bewürbe. Reden Sie! Wer ist der ästhetische Freier?
Morgenroth. Es ist einer meiner Freunde.
Mannsfeld. Ihr Freund?
Morgenroth. Das heißt – ein literarischer Freund.
Mannsfeld. Nein! Ich wills nicht glauben. Der Alte ist ein gutmüthiger Schwachkopf; aber Emilie ist kein gewöhnliches Mädchen. Wenn ihr die Phantasie bisweilen einen Streich spielt und mit ihrem Verstande davonläuft, so ist ihr Herz bereit, den Flüchtling wieder einzuholen. Nein, Emilie wird und kann mich keiner Celebrität opfern.
Morgenroth. Sie kennen die Dichterinnen nicht, mein Herr! Die opfern Alles; im Nothfalle auch sich selbst. – Doch stille! Da kommt Herr Lampe.
Vorige. Lampe. Doctor Wendemann (von der Seite).
Mannsfeld (ihm entgegen). Herr Lampe –
Lampe. Sieh da! Herr Capitän. Freut mich, freut mich. Die Herren kennen sich noch nicht? Doctor Wendemann, Redacteur. Capitän Mannsfeld. – Sie erweisen mir doch die Ehre? Mein Salon wird sogleich beginnen. – Lieber Morgenroth! Vergessen Sie nicht! Sie haben uns eine Vorlesung versprochen. – Ihr Diener, mein Herr. (Ab mit Doctor Wendemann zur Mitte.)
Morgenroth. Mannsfeld.
Mannsfeld. So empfängt mich mein Schwiegervater!
Morgenroth. Ich sagte Ihnen ja: Herr Lampe ist nicht mehr Herr Lampe.
Mannsfeld. Und der Andere war wohl der celebre Herr?
Morgenroth. Ich sage nicht nein – doch die Stunde ruft. Ich muß in den Salon. Sie sehen aus Allem, daß ich Ihnen die Wahrheit gesagt. Was ist's auch weiter? Daß Sie ein Weib betrog! Das geschieht Jedem von uns in jeder Stunde. Lachen Sie darüber. (Ab.)
Mannsfeld (allein). Emilie – so wär' es wirklich? Sie hat mich verrathen, verlassen! Durch zwei Jahre, in der Fremde, täglich, stündlich war sie mein Gedanke, mein Glück, meine Hoffnung – und sie spottete indessen des leichtgläubigen Thoren? – Kann ich länger zweifeln? Sie empfängt mich schroff und kalt, sie trübt durch ihre Launen den Moment des Wiedersehens. Es ist klar: sie sucht einen Grund, um mit mir zu brechen. Liebt sie mich nicht mehr? Sie rede offen! Ein Herz zu verlieren ist schmerzhaft: doch das Gefühl des unverschuldeten Verlustes mindert den Schmerz.
Mannsfeld. Luise.
Luise. Lieber Herr Capitän! So ganz allein? Ich suchte Sie im Salon. Kommen Sie doch zur Gesellschaft.
Mannsfeld. Zur Gesellschaft? Was soll ich dort?
Luise. Schwatzen, Thee trinken, sich ennuyren. – Aber was haben Sie? Sie sehen so ernst, so trübe aus! – Warum betrachten Sie mich so aufmerksam?
Mannsfeld. Weil Sie Emilien gleichen – Emilien, wie sie einst war.
Luise. So ist sie noch.
Mannsfeld. Nein, liebes Kind! So ist sie nicht mehr.
Luise. Sie haben Recht. Sie ist klüger geworden, gelehrter. Sie macht sogar Verse. Aber warum? Aus langer Weile. Sie sind wieder zurück. Nun ist's ausgedichtet.
Mannsfeld. Meinen Sie?
Luise. Das versteht sich. Ein Mädchen dichtet höchstens, wenn es keinen Liebhaber hat. Lieben und dichten zugleich können nur die Männer. Und die Schwester – ich soll's nicht sagen, weil sie meine Schwester ist – aber sie ist verliebt – hn! – verliebt –
Mannsfeld. Verliebt? Woraus schließen Sie –?
Luise. Ich bin ja seit einem Jahr ihre Vertraute. Sie sagt mir freilich nicht Alles. Aber wofür hat man seinen Verstand? Glauben Sie mir, lieber Capitän: ich hatte Gelegenheit, an meiner Schwester die ganze Scala der Leidenschaft zu studiren. (Zählt an den Fingern.) Da ist stilles Sinnen, Freude, Glück, Wonne, Entzücken – Zweifel, Sorge, Bangigkeit, Angst, Desperation. Ich müßte blos durch dieses Beispiel feuerfest gegen alle Liebesgluten geworden sein; die Natur hat zum Ueberfluß bei der Bildung meines Herzens mit den sentimentalen Brennstoffen überaus geknickert. Nun denken Sie selbst! Wer mir warm machen will, muß einen völligen Hochofen anzünden.
Mannsfeld. Kindisches Mädchen! – Aber sprechen Sie! Emilie –?
Luise. Hat ihre Launen, ihre Zweifel, wie alle verliebten Leute; sie macht Ihnen Vorwürfe über – was weiß ich! Aber sie hängt an Ihnen mit Leib und Leben.
Mannsfeld (umarmt sie). Liebe Luise! Sie geben mir das Leben wieder!
Luise. (macht sich los). Gott bewahre! Wenn Emilie dazu käme!
Mannsfeld. Sie sind ja die Schwester.
Luise. Gleich viel!
Mannsfeld. Ein liebes Kind –
Luise. Gewesen.
Mannsfeld. Meine Schwägerin –
Luise. Noch nicht! – Ich glaube, sie ist eifersüchtig auf ihren eigenen Schatten.
Mannsfeld. Noch kann ich die Widersprüche nicht lösen, die ich heute erfuhr – aber ich bin getröstet, ich hoffe wieder.
Luise. Und nun kommen Sie zur Gesellschaft.
Mannsfeld. Mein Kopf ist so heiß –
Luise. Ich mache Ihnen Limonade.
Mannsfeld. Ein Spaziergang, um mich zu sammeln –
Luise. Das macht noch heißer. Meine Limonade hilft für Alles. Kommen Sie nur! (Beide ab.)
(Salon.)
Gesellschaft von Damen und Herren, darunter auch der vierte Zeitungsleser. Emilie am Theetisch. Doctor Wendemann neben ihr. Morgenroth sitzt an einem Tischchen und liest vor. Lampe steht neben ihm und putzt die Lichter mit Pantomimen des Entzückens. Mannsfeld und Luise treten während der Vorlesung ein.
Morgenroth (liest). »Nur ein schöner Geist besitzt die geistige Schönheit. Gesellige Bildung bildet die Geselligkeit. Witz ist die Blüthe des Geistes, und Geist ist die Frucht des Witzes. Ich habe nur Geist, wenn der Geist mich hat. Der Geist wirft einen Schatten, den Körper; aber der Körper wirft häufig einen Schatten auf den Geist. So Mancher gibt den Geist auf, das heißt der Geist gibt ihn auf, und läßt ihm nur seinen Schatten, den Körper. Solche leibliche Gespenster besitzen oft Haus und Hof, Weib und Kind und sind seelenvergnügt, obwol ihnen fehlt das Vergnügen einer Seele.«
Die Gesellschaft. Bravo!
Morgenroth (liest). »Nur ein schöner Geist dringt mit Geist in den Geist der schönen Wissenschaften. Alle Wissenschaften sind schön. Man kann alle Wissenschaften wissen, ohne eine einzige studirt zu haben. Das Wissen hindert die Wissenschaft. Zu viele Objecte zerstreuen das Subject. Bei einer Fülle von Erscheinungen wird es objectiv-subjectiv, während es doch subjectiv-objectiv sein sollte.«
Die Gesellschaft (erstaunt). Ah!
Morgenroth (liest). »Alles Wissen ist Stückwerk; aber die Wissenschaft ist ein Ganzes. Wer seine Individualität zur Totalität erhebt, der besitzt jede individuelle Wissenschaft in ihrer totalen, naturgeistigen Ausdehnung.«
Zeitungsleser. Naturgeistig! Wie schön!
Lampe. St!
Morgenroth (liest). »Wer dem Naturgeist zuhorcht, der benöthigt in der Geschichte keine Facten, in der Mathematik keine Formeln, in der Physik keine Experimente.«
Zeitungsleser. Das ist sehr bequem.
Morgenroth (liest). »Alle Wissenschaften sind verwandt. Zum Beispiel Physik und Aesthetik. Wasserstoff ist gleich dem Antiken, Sauerstoff dem Romantischen. Positiver magnetischer Pol ist Sentimentalität, negativer: Ironie. Das ist der allegorische und symbolische Einklang alles Wissens; in diesen wenigen Ideen liegt das Geheimniß der gesammten Naturphilosophie.«
Die Gesellschaft. Charmant!
Lampe (putzt die Lichter). Göttlich!
Morgenroth. Verehrte Zuhörer! Ich will Ihnen zum Schluß ein Märchen erzählen. Fee Schönheit und Zauberer Geist lebten einst als Mann und Frau. Aber sie vertrugen sich schlecht; sie ließen sich scheiden. Die holde Schönheit flüchtete zu den Damen, der starke Geist zu den Männern. Dort stiften sie glückliche Ehen. Wenn ich nicht irre, befinden sich jene beiden ätherischen Wesen mitten unter uns, und beschäftigen sich eben, ein neues Band zu knüpfen. (Er blickt auf Emilien und den Doctor. Die Gesellschaft gibt sich Winke.)
Luise (für sich). Was ist das?
Mannsfeld (für sich). Der Unverschämte! Mein Blut siedet.
Morgenstern. Ich sehe die Schönheit erröthen. Dieses Roth ist die jungfräuliche, verschämte Sonne der Liebe. Aber ich bin eine umgekehrte Memnons-Säule, die nur im Dunkeln schwatzt, und bescheiden verstummt vor den bittenden Strahlen schöner Augen. Die Liebe ist blind, aber sie ist auch stumm. Erst das Band der Ehe löst das Band der Zunge. Die Liebe ist ein Räthsel, das der Himmel der Erde aufgibt. Die Poesie weiß um das Geheimniß. Die Freundschaft ahnt es. Aber sie schweigen; denn nur Liebe darf die Liebe errathen. (Steht auf, verbeugt sich.)
Die Gesellschaft (drängt sich um ihn). Bravo! Charmant! Herrlich!
Zeitungsleser (schlau). Verstanden! Verstanden!
Lampe (zu Morgenroth). Schelm! Die Anspielung kam zu früh.
Zeitungsleser (zu Morgenroth). Erlauben Sie! Ich muß Sie umarmen. Auf Ehre! Sie sind sehr witzig. Witz ist mir das Liebste. Denn warum? Er unterhält. Sie sind ein großer Mann. Speisen Sie morgen bei mir. Vivat Morgenroth!
Die Gesellschaft. Vivat!
Mannsfeld (tritt vor). Erlauben Sie, mein Herr, daß vor Allen ich für Ihre geistreiche Rede danke, obwol sie für mich allzu schmeichelhaft war.
Morgenroth. Für Sie, mein Herr?
Mannsfeld. Allerdings. Wem konnte die Anspielung gelten, als mir? Nicht wahr, Herr Lampe?
Lampe (verlegen). Ihnen? Das heißt – Sie scherzen, Herr Capitän –
Mannsfeld. Keineswegs. Ist nicht Fräulein Emilie meine –
Morgenroth (der mit einigen Umstehenden gesprochen). Meine Damen, ich spiele nicht. Herr Lampe, man wünscht –
Lampe. Ein Spiel? Sogleich. Es ist Alles bereit. Meine Herren und Damen – hier in den Nebenzimmern.
Zeitungsleser. Da steckt etwas dahinter. Doch man muß discret sein.
Lampe. Sie finden Journale, Spieltische – ich bitte –
(Die Gesellschaft zerstreut sich. Einige treten in die Seitenzimmer, Andere durch die Mittelthüre ab.)
Zeitungsleser (zu einigen Herren). Machen wir ein Whist? Ein L'hombre? Ich bin bei Allem. (Zu Morgenroth.) Also morgen Mittags? (Gibt ihm eine Karte.) Baron Flips, Bärenstraße, Nr. 20. Hab' ich die Ehre? Ja? Schön. Ein Gericht Gernegesehen, ein paar gute Freunde. Nach Tisch eine Cigarre. Ganz ungenirt! (Zu den Gästen.) Kommen Sie, meine Herren! Ein Whist, nicht wahr? Brav, köstlich! Ist mir Alles recht. Wie die Gesellschaft wünscht. Denn warum? Die Gesellschaft hat zu befehlen. (Ab mit den übrigen Gästen.)
Lampe. Emilie. Doctor Wendemann. Morgenroth. Mannsfeld. Luise.
Morgenroth. Sie spielen doch auch, Herr Lampe?
Lampe. L'hombre. Es ist schon spät. Kommen Sie, Doctor! Komm', Emilie!
Mannsfeld. Erlauben Sie! Nur zwei Worte –
Lampe. Morgen, Herr Capitän, morgen –
Mannsfeld. Nein! Ich bitte, jetzt. Warum soll es die Gesellschaft nicht wissen, warum wollen Sie den beiden Herren verhehlen, daß ich Emiliens Bräutigam bin?
Lampe. Wohlan! Da Sie mich zwingen – erfahren Sie denn: ich habe meinen Entschluß geändert.
Lampe. Betrachten Sie meine Tochter nicht länger als Ihre Braut, Herr Capitän.
Mannsfeld. Wie, Herr Lampe? Und das Versprechen, das Sie mir gaben?
Lampe. Halt' ich keinem zweizüngigen Mann.
Mannsfeld. Herr Lampe–?
Emilie. Vater –
Luise. Papa –
Lampe. Keinem Mann, der Pasquille und Schmähschriften auf mein Haus verfaßt.
Mannsfeld. Pasquille? Schmähschriften? Ich verstehe Sie nicht.
Lampe (gibt ihm das Zeitungsblatt).
Mannsfeld (liest.) »Novellen von Emilien –«
Lampe. Recensirt von M. Kennen Sie den M., Herr von Mannsfeld?
Mannsfeld. Soll ich der M. sein? Sagen Sie selbst, Herr Morgenroth! Seh' ich aus wie ein Recensent?
Morgenroth. Ganz und gar nicht –
Mannsfeld. Sie wissen, ich las jenes Buch in Hamburg an einem öffentlichen Ort. Der Name Emilie hatte mich angelockt. Ein vorlauter junger Mensch trat zu mir, und nannte die Verfasserin eine Närrin. Dieses Wort, mit jenem Namen verbunden, erregte meinen Zorn. Es war Unrecht von mir, ich gestehe es. Ich packte den jungen Menschen – (immer zu Morgenroth). Sie wissen die Geschichte?
Morgenroth. Ich habe eine dunkle Erinnerung –
Mannsfeld. Der junge Mann ging und schwur, sich durch eine Recension zu rächen. Ich weiß nicht, schrieb er sie selbst, oder einer seiner Freunde. Herr Morgenroth könnte uns vielleicht aufklären, denn er stand mit jenem jungen Mann in ziemlich naher Verbindung.
Morgenroth (zu Lampe). Wie es scheint, sucht man den Verdacht auf mich zu wälzen –
Lampe. Auf Sie? Ein so reines poetisches Gemüth! Es ist abscheulich! (Zu Mannsfeld.) Mein Herr, die Recension ist Nebensache. Ihre Gesinnung ist uns bekannt. Dieser Brief zeigt deutlich, wie Sie über mich, über Emilien denken.
Mannsfeld. Ich bin ja völlig in Anklagestand versetzt. – Aber was seh' ich?
Lampe. Ist es etwa nicht Ihre Schrift?
Mannsfeld. Wie kam der Brief in Ihre Hand? Doch das ist gleichviel! Früher oder später, es mußte zur Sprache kommen. – Ja, Herr Lampe, ich leugne es nicht: sonderbare Gerüchte über Manches, was hier im Hause vorging, drangen mir zu Ohren. Ich war unzufrieden mit der Richtung, die Emilie zu verfolgen schien. Ich erklärte mich offen dagegen; mein Verhältniß gab mir ein Recht dazu. Was ich seit meiner Rückkehr bis jetzt selbst gehört und gesehen, ist nicht geeignet, meine Unzufriedenheit zu beschwichtigen.
Lampe. Unzufriedenheit! Ich dächte, mein armes Kind könnte sich beklagen. Sie heißen Emiliens Bräutigam, und schreiben Billetsdoux an eine Betty.
Mannsfeld. Betty! Man hat mich doch nicht im Verdacht –? Wie, Emilie? Das war's, was Sie vorhin –? Mein Ehrenwort, seit ich Sie kenne, war ich mit keinem Gedanken Ihnen untreu. Sehen Sie mir in's Auge, und glauben Sie.
Luise. Ich auch.
Morgenroth (halblaut). Seine Augen! Das soll nun ein Beweis sein!
Luise. Was murmelt der häßliche Mensch?
Mannsfeld. Es kränkt mich, Emilie, daß Sie meinen Charakter nicht besser kannten. – Sonst haben Sie mir nichts vorzuwerfen?
Emilie (halblaut). Nichts.
Mannsfeld. Herr Lampe, ich hoffe mich von jedem Schimmer eines Verdachtes zu reinigen. Werden Sie mir dann Emiliens Hand noch verweigern?
Lampe (nach einigem Zögern, resolut). Ja.
Mannsfeld. Und weshalb?
Lampe. Weil – Emilie Sie nicht mehr liebt.
Mannsfeld. Emilie –
Luise. Schwester!
Lampe (auf Wendemann zeigend). Dieser Mann hat ihren Geist erweckt, ihre Ansichten erweitert; ihm ist sie die Dankbarkeit schuldig, Verehrung – sie liebt ihn – ihm hab' ich ihre Hand versprochen.
Luise. Was? Der Doctor soll mein Schwager werden? Das geb' ich nicht zu.
Lampe. Schweig', albernes Ding!
Morgenroth. Still, kleine Person!
Luise (weinerlich). Du willst meinen guten, lieben, hübschen Mannsfeld aufgeben, das ist nicht recht von Dir, Schwester, das ist abscheulich –
Lampe. Willst Du schweigen!
Morgenroth. St!
Luise (Zieht Morgenroth ein Gesicht).
Mannsfeld. Es scheint, man will mich hier aus dem Hause treiben.
Luise (schmiegt sich an ihn). Wie wäre das? Das geb' ich nicht zu.
Mannsfeld. Ruhig, liebe Luise! – Reden Sie offen, Emilie! Lieben Sie diesen Herrn?
Wendemann. Mein Fräulein! darf ich Sie an unser Gespräch von heute Morgen erinnern?
Mannsfeld (da Emilie schweigt, nach einer Pause). Sie schweigen, Emilie? – Sehen Sie wohl, gute Luise! – (Ruhig.) Nun, Herr Lampe, was haben Sie eigentlich gegen mich einzuwenden?
Lampe. Daß ich's mit einem Mal sage: Sie sind – verzeihen Sie, Herr Capitän – aber Sie sind mit der Zeit nicht fortgeschritten, es fehlt Ihnen die neue, die philosophische Bildung.
Mannsfeld. Bildung? Also dennoch wahr, was man mir sagte, was ich nicht glauben wollte? Bildung! Eure falschen Urtheile, Eure verkehrten Ansichten, Eure feilen Zeitungsartikel nennt ihr hohe Bildung? Ich kenne Euer ganzes Treiben! Ihr wollt als Himmelsstürmer auftreten? Es gab wohl eine Zeit des Sturms und Drangs in Deutschland, die über Klinger und Lenz hinaus zu Herder, Goethe und Schiller führte – Ihr parodirt nun jene Zeit, holt Euch Eure speculative Begeisterung aus der Fremde her, aus Paris, und pappt Euch den tönenden Namen auf: »Das junge Deutschland!« – Deutsche Jungen seid Ihr, weiter nichts! Greise Jünglinge, die als Philister enden werden. Wenn die alten Meister Gestalten schufen, bekleidet mit Fleisch und Blut, belebt vom echten, prometheischen Funken, was gebt Ihr uns dafür? Puppen mit Drahtgeflechten, die freilich wunderliche Sprünge machen und kunstreich den Leib verdrehen, weil sie kein Herz darin genirt. Ihr aber ruft aus: Seht da die echten Menschen! Und die schwachen Köpfe glauben Euern Worten, die klugen aber wenden sich voll Ekel ab – und schweigen. Euer ganzes Wesen ist Lüge, Lüge in den edelsten und höchsten Dingen. – Ihr seid Lügner in Kunst und Wissen, Lügner in der Liebe, Lügner im Leben. – Alter Mann, auch Sie sind in Gefahr, der Lüge zu verfallen. Sie wollen das Schönste, das Beste, was Sie besitzen, Ihr holdes, liebes Kind, demselben gleißnerischen Prunke opfern. Die süße, zarte, jugendliche Knospe, die ich mit ahnungsvollem Zögern verließ, ist zur vollen, frischen Rose aufgeblüht, aber ich fürchte, der Wurm nagt an ihrem Innern. Vater, wenn es so ist, dann bist Du Schuld an dem Verderben Deines Kindes – Du hast in ihr den Glauben, die Liebe, die Treue und Wahrheit, den Kern ihres Lebens getödtet!
Wendemann (nach einer Pause). Mein Herr, diese Declamationen scheinen zumeist auf mich gerichtet.
Mannsfeld. Der Aussätzige mag sich jucken, sagt Hamlet.
Wendemann. Sie werden schwerlich glauben, daß ich Ihren schönen Phrasen mein Recht auf die Hand des Fräuleins aufopfere.
Mannsfeld. Noch ich mein früheres Recht Ihrer Philosophie und Kritik.
Lampe. Halt! Wozu der Streit? Ich denke, ich habe zu entscheiden. Doctor Wendemann wird mein Schwiegersohn und kein Anderer.
Mannsfeld. Herr, wenn Sie hinter die Autorität dieses alten, schwachen Mannes flüchten, so sind Sie –
Lampe. Ich ein schwacher Mann!
Wendemann. Genug, Herr Capitän! Hier ist nicht der Ort, uns zu erklären. Wenn Sie mir morgen früh die Ehre geben wollen –
Mannsfeld. Ich werde mich einfinden. – Leben Sie wohl, Herr Lampe. Meine Rechtfertigung über jenen Brief sollen Sie erhalten. – Emilie, ich verlasse Sie mit schwerem Herzen. Das Mädchen, dem ich so ganz, so unbedingt meine Seele weihte, ist eine Andere geworden. Jene Emilie war mein Glück, meine Freude, mein Stolz; aber um die Liebe dieser Emilie werd' ich nicht betteln. (Er geht ab.)
Morgenroth. Die Predigt ist aus.
Lampe. Ein schwacher Mann! – Du sollst sehen, daß ich stark bin. – Emilie, Doctor Wendemann ist und bleibt Dein Bräutigam, ohne alle Widerrede.
Wendemann. Lieber Herr Lampe –
Lampe. Kommen Sie, Doctor! Ich will die Verbindung auf jede Art beschleunigen. Ihr sollt den schwachen Mann kennen lernen! Kommen Sie! (Ab mit Wendemann.)
Morgenroth. Triumph! Die gute Sache siegt! (Folgt ihnen.)
Luise. Der abscheuliche Mensch! Und der liebe Doctor ist nicht viel besser. – Schwester, ist's denn wirklich? Du willst den Doctor heirathen? Willst den braven Mannsfeld so schwer kränken? – Sieh, das hätt' ich nicht von Dir vermuthet. (Entfernt sich von ihr.) Ich hatte mich so gefreut. Morgen sollte er da essen. Ich wollte einen Kuchen backen. Da haben wir den Kuchen!
Emilie (eilt auf sie zu und umarmt sie).
Luise. Was ist's denn? Die Thränen rollen ihr herunter. Da muß ich auch weinen. (Weinerlich.) Sag', Schwester, hast ihn doch noch gern? – Ja? (Lacht.) Ja? (Springt ihr an den Hals.) O Du liebe, liebe Schwester!