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Savonarola – Die Todesfackel der Florentiner Kultur

Die Abendsonne versinkt; der große Lorenzo haucht zu früh für Italien, zu früh auch für das Schicksal seiner Stadt, seine Seele aus. An seinem Totenbette aber steht der finstere Mönch Savonarola. Der große Pan ist zum zweiten Male tot; gewitterschwül liegt die Nacht über der Stadt, wie ein finsterer Dämon aus langem, tiefem Schlaf war die Vergangenheit zurückgekehrt. Schauerlich wirkt die dumpfe Weltverneinung, die aus des Dominikaners Munde tönt. Die Menschen, die sich eben noch in sinnenfrohem Taumel in der Sonne »Medici« gewärmt, schleichen wie Gespenster zähneklappernd durch die Gassen; die furchtbare Christenmoral in ihrer mittelalterlichen Starrheit weht mit einem eisigen Nordwind durch die Stadt des Frühlings. »Misericordia – misericordia, hab Erbarmen, Herr, Erbarmen«, es klingt wie das Todesächzen von Greiseslippen. Wieder kommt die Pest, und der fahle Mönch dort oben mit brennendem Auge deutet sie als das Strafgericht Gottes, das für die Sünden vergangener Tage jetzt über die Völker hereinbricht: Misericordia! Und Karl VIII. von Frankreich zieht nach Italien, und er eröffnet, wie zur Stauferzeit, die nun von neuem sich ewig wiederholenden Feldzüge europäischer Herrscher in Italien, und Savonarola jauchzt dem mißgestalteten Zwergkönige mit den wollüstigen Lippen entgegen; denn für ihn ist er ja der rächende Todesengel im Auftrage des Allerhöchsten. Und er glaubt an ihn; sein Fanatismus trübt ihm den klaren, staatsmännischen, Blick – und als Tyrann von Florenz wendet er die Politik dieser Stadt zu kommendem Unheil. Karl verzieht spöttisch den Mund, als ihm der Mönch seine »göttliche Mission« erläutert; er rechnet in seinem breiten Schädel schlau mit der Dummheit der Menschen. Nichts gelten ihm Versprechen, nichts Verträge – – und doch ist Savonarola sein Apostel; freilich, es galt ja jenen Alexander Borgia zu beseitigen, dessen Macht, dessen politische Gewandtheit der größte Gegner des Tyrannen von Florenz ist. – Ein kurzer Verzweiflungskampf zwischen diesen beiden; die gespenstische Nacht geht zu Ende, im Morgengrauen errichtet man den Holzstoß, dessen Flammen den dürren Leib des neuen »Märtyrers« umlodern – – – wieder ist Tag! Aber grau hängen die Wolken am Himmel; die Gewitterschwüle will nicht weichen; wieder erwacht man zu neuem Leben, aber einem Leben ohne Sonnenglanz, in Furcht und innerer Zwietracht geboren, man lebt, atmet und schafft unter dem bangen Zeichen einer traurigen Zukunft. Noch einmal hört man eine Prometheusstimme, aber es ist der markerschütternde Schrei jenes am Felsen gefesselten Riesen. Ungeheuer, wild ist seine Kraft, und die eisernen Bande fühlen ihren Druck. Kann er sie sprengen? Sein Geist formt Menschen, formt Menschen nach seinem Bilde, Menschen in Titanenkraft: »Euch zu verachten, ihr Götter wie ich«: Michelangelo.

Bei Lorenzo hatte er zu Tische gesessen mit den andern, und in den Gärten von San Marco, wo zum großen Teil die Sammlungen der Medici aufgestellt waren, hatte der schönheitstrunkene Blick des Jünglings sich an der Antike berauscht. Dann war plötzlich am Abend jener grausige Sturm gekommen, der die Statue der nackten Venus in den Sand geweht. Die Madonna war wieder Königin, und neben ihr Christus, der Gekreuzigte, der leidende Mensch und doch Gottes Sohn. In den Gärten von Carreggi war ein neues Golgatha und Michelangelos Hand schafft zahlreiche Madonnen. O, er kann glauben wie Botticelli, und doch greift die Empörung oft in seine Seele über diese erbärmliche kleine Welt:

»Ich kenne nichts Ärmeres unter der Sonn'
als Euch Götter«.

Lorenzo der Prächtige war ein Gott gewesen und doch hatte sich das Volk von ihm abgewendet und war zu seinem neuen Götzen Savonarola hingeströmt und auch diesem zündet es die Todesfackel an:

»Ihr darbtet, wären nicht Kinder und Bettler
hoffnungsvolle Toren«.

War nicht sein geliebtes Florenz, dessen Untergang durch Barbarenhände er schaudernd erleben muß, selbst ein Gott gewesen, ein höchster Jupiter, dessen Adlerauge seinen klugen Verstand wies, aus dessen Haupte erzgepanzert Pallas Athene entsprungen und der einst mit seinem göttlichen Hauche die Wellen geküßt, aus deren Schaum Venus geboren? Er nennt den Riesen, dessen blitzendes Auge furchtbar dem Feind entgegenleuchtet, »David«, und die Florentiner selbst erkennen das gewaltige Symbol, das der Bildhauer ihrer Stadt geschaffen; denn sie stellen es vor ihren Palazzo del municipio. Uns erscheint er als ein Totenstein, wie man ihn auf Gräber setzt. Florenz war tot; denn was wollte es sagen, wenn jetzt mit Gewalt die Sprößlinge jener Medici im Fürstenpompe nach Florenz zurückgeführt werden, die einst als freie Bürger ihrem Vaterland gedient und es so groß und stolz gemacht?

Und der Riese Michelangelo, dessen stolzer Freiheitsgeist vergeblich gegen deutsche Banden Wälle und Bastionen aufgetürmt, muß zum Diener dieser Fürsten werden. Es ist eine bittere Ironie, das Leben dieses Titanen, eine bittere Ironie auch die Geschichte von Florenz. Jeder wilde Trotz mußte beim Innewerden solcher Wahrheiten schließlich zum Klageliede in Ergebung werden. In der alten Sakristei von San Lorenzo hat Michelangelo in verbittertem Herzen dies große Klagelied durch seinen Marmor gesungen. Dort sitzen der grübelnde Gedanke und die unbezwungene Tatkraft (man nennt sie Lorenzo und Giuliano dei Medici) einander gegenüber. Das waren die Kräfte, welche Florenz groß gemacht hatten; noch sind auch sie nicht tot, sie schlafen nur. Wie matt und müde die beiden Gestalten unter der »Tatkraft« die muskulösen Glieder strecken, wie wehmutsvoll, tieftraurig schauen die drein, die den »Gedanken« beklagen. Es ist ein Schlaf, der der Ewigkeit gleicht, dessen matten Atemzug man hier verspürt. Der wird immer schwächer. Dafür war man zu müde nach den Jahrhunderten voll Tatendrang, als daß die »Tatkraft« noch einmal wach werden könnte; dafür war die Trauer zu tief, die den »Gedanken« schlafen macht, der so Herrliches gewirkt und doch über die Dummheit nicht Herr werden konnte.

»Nichts sehn, nichts hören
Ist mein ganz Begehren.«

Das große Drama von Florenz und seiner
Kunst klingt tragisch aus.

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Gedruckt in der Offizin
der deutschen Buch- und Kunstdruckerei G.m.b.H., Zossen

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