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Dies soll ein Buch sein über antike Frauen, die Zeitgenossinnen der Aspasien und Messalinen. Es handelt sich um die Frau als Antiquität, um Galvanisierung der gewesenen Schönen mit dem griechischen Profil und dem Kraftblick der Römerin. Die Aufgabe lockt, ist aber für den Frauenverehrer, der kein Juvenal ist, schwer zu lösen, und Bedenken über Bedenken regen sich. Wer möchte es wagen, ein Buch über die Frau der Gegenwart zu schreiben? Die moderne Frau als solche? Tausend Temperamente aus den verschiedenen sozialen Schichten treten ihm auch da entgegen, und einen Typus der Frau an sich gibt es nicht.
Und wie leicht ist es, bei Frauen sich zu irren! Und wie verantwortungsvoll! Sie alle sind ein Geheimnis hinter reizenden oder auch minder reizenden Fassaden, und es ist schwer, gerecht zu sein. Wer schwärmt, ist durch einen Blick, durch eine Geste bestochen; wer verurteilt, war voreingenommen oder gar nicht wert, daß sie, die er meint, ihm gefalle. Die eine ein Engel, den die Sünde verschönt, die andere still wie ein erquickender Brunnen, in dessen Tiefen kein Licht fällt, die dritte mit freier Stirn ehrlich, gedankenreich, aber fanatisch und alle Anmut von sich streifend. Geschminkte und Ungeschminkte, in 2 Dürftigkeit oder perlenbehangen; Verzagtheit und Übermut, Brutalität und Gottseligkeit, Urkraft der Mütterlichkeit, Verschwendung des Ich, prahlendes Locken; Philanthropie und Selbstsucht, Emanzipierte und Häusliche, Ehrwürdige und Frivole, Klageweiber und schwatzende Elstern, Philisterinnen und Romantische, Modepuppen und Dichterinnen. Der Beobachter denkt sich sein Teil; er mag sie sortieren und registrieren. Aber was er bringt, wäre nie die atmende Wirklichkeit, und wer die tausend Lebensbilder zeichnen wollte, ein Wundermann wär's, wenn's ihm gelänge. Die Kompliziertheit der Frauenseele mit ihren siegreichen Instinkten ist groß; die Wirkungen sind Wonne und Weh, Hingebung und Verachtung; aber es wäre verwegen, den Schleier zu heben, die geheimen Untergründe dieses treibenden Lebens zu ertasten. Das bloß Sexuelle genügt nicht, erst recht nicht der Versuch, aus der Körperbildung allein den Charakter zu erschließen.E. Kretschmer, »Körperbildung und Charakter« (Berlin 1931) bringt hierfür viel Lehrreiches.1 Man möchte keiner Unrecht tun, und die Frauen stehen, weil sie Frauen sind, über unserem Urteil.
Und nun gar die uns weltenferngerückte Antike mit ihrem ebenso reichen Frauenleben! Auch die Griechin, die Römerin ist da kein Typus, der sich porträtieren ließe; auch ihr Bild löst sich, soweit wir sie kennen, in eine Unzahl von Frauenbildern auf, und auch sie möchte man lieben, von Entzückung zu Entzückung weitergehen oder sie schonen, wo es nottut. Aber sie sehen uns nur zu oft mit wilden und bösen Augen an oder spöttisch und mit Gelächter, als sagten 3 sie: du Pedant unterfängst dich, mich zu verstehen? Sie können rasen und Blut vergießen und verstehen vortrefflich, die verliebten reichen Leute auszuplündern, wie es auch heute geschieht. Drollig ist es, wenn da die Namen mitspielten, die in ihrer Bedeutung oft so durchsichtig waren, und eine Kurtisane »Ziege« hieß und ihr Anbeter der »Schößling« oder »das junge Grün«. Der Zeuge, der uns dies mitteilt, bemerkt dazu: kein Wunder, daß sie ihn auffraß.s. Athenäus p. 582 E, 587 A. Bei alledem aber verbergen sich uns die Wonnen, mit denen sie gleichwohl die Männerwelt entzündeten und beherrscht haben.
Wir leben in einer Zeit, in der sich die Lebensanschauungen radikal wie vielleicht noch nie zuvor bekämpfen. Das betrifft den Staat, die zerspaltene Gesellschaft, die Familie, die Frau, und eben die Frau insbesondere, und die erregenden Probleme füllen unsere Gespräche und unsere Bücher. Dabei gibt es viele, die es ablehnen, nach dem, was die Vergangenheiten uns brachten, zu fragen, als finge die Menschheit, wie in dem Versuchsobjekt Rußland, heute aus dem Nichts von neuem an: wer fragt noch danach, was früher war? Man will nicht erben, auch nicht mit Goethe das Ererbte neu erwerben. Nicht nur in den Familien soll es nicht mehr gelten, so daß gar dem Sohn von des Vaters Erwerb kein Heller mehr zufällt; auch das Kulturerbe, das frühere Zeitalter in langsamer Arbeit und unter heißen Kämpfen aufgehäuft, die Kulturarbeit jener Geschlechter, deren Blut wir wider Willen in uns tragen oder deren Gedankenkunst 4 unsere Art zu denken vorbereitet und gezüchtet hat, sollen für uns nichts mehr gelten und verloren sein.
Wie verarmend dies wirkt, wird sich bald herausstellen. Bücher, wie das vorliegende, richten sich an die, die anders gesonnen sind. Es handelt sich also um die Frauenfrage und die Stellung und Bedeutung der Frau in der sogenannten Antike. Nicht die Frauenfrage als solche aber soll theoretisch durchgesprochen werden, sondern Exemplare aus der Frauenwelt bald nur schattenhaft, wo das Licht fehlt, bald in greller Deutlichkeit vor uns hintreten.
Die Auslese wird freilich nur spärlich sein. Denn die Schriftsteller jener alten Zeiten liefern fast nur Männergeschichte mit Strategen und Demagogen, Senatsherren, Königen und Kaisern. Auch das Mittelalter macht es noch nicht anders; da kommen die Prälaten und Ordensstifter und Scholastiker hinzu. Die Frauen tauchen in all den Händeln nur wie ein flüchtiges Wetterleuchten auf, das den Wolkenhimmel lichtet, oder wie wenn ein Scheinwerfer, sich verirrend, einmal in eine Frauenstube leuchtet.
Mit den Römerinnen steht es nicht ganz so ungünstig; denn sie waren Okzidentalinnen wie unsere deutschen Frauen, und von den Agrippinen und Messalinen Roms trägt wohl mancher ein Erinnerungsbild in sich, oder doch ihr Name klingt in uns an, als wüßten wir von ihnen. Auch für die Historiker Tacitus und Sueton ist die Geschichte freilich nur Männerwerk; aber als wirksames Intermezzo machen sie uns gleichwohl jene Kaiserinnen schreckhaft lebendig.
5 Aber es sind doch nur sie, und es sind doch nur die Ausgearteten ihrer Rasse.
»Biographien« antiker Frauen gibt es überhaupt nicht. Die Schriftgattung der Biographie war im Altertum nur ein jüngerer Ableger der Geschichtsschreibung, und daraus erklärt sich alles. So war es bei den Griechen; so blieb es auch in Rom. Die Königinnen und Kaiserinnen hätten es im Grunde so leicht gehabt, durch Drohung oder durch gutes Geld Schriftsteller zu gewinnen oder zu nötigen,So hat es z. B. der Kaiser Septimius Severus getan. ihr Lebensbild für die Zukunft zu verewigen. Es wäre damals im Buchhandel reißend abgegangen, und auch noch heute stünde es nicht anders. Warum taten sie es nicht? War es Bescheidenheit? oder hatten sie zu viel zu verbergen? Die Kaiserin Agrippina, die ich nannte, Neros Mutter, hat in der Tat selbst Memoiren geschrieben, und sie gingen um. Sie gab da wirklich ihren Lebenslauf, aber nur als Rahmen für den Klatsch aus der hohen Gesellschaft der Kaiserstadt, wie es die russische Kaiserin Katharina auch zu tun beliebte, und sich selbst zu konterfeien, lag ihr fern.
Für die Griechinnen aber – und wir fragen jetzt zunächst nach den Griechinnen der sogenannten Idealzeit des klassischen Griechentums, jener Zeit, als die republikanischen Staatsverfassungen noch alle Schichten der Bevölkerung in Bewegung setzten – für diese Griechinnen ist das betrübende Wort bezeichnend, das von Perikles stammt: »Die beste Frau ist, von der man nicht redet.« Nichts charakteristischer als das; die Frauen soll das Geheimnis umgeben. Warum? 6 Waren sie zu kostbar für die triviale Welt? Oder hatten auch sie schon Sünden zu verbergen?
Wer aber hat uns das Perikleswort erhalten? Thukydides ist es, der griechische Historiker führenden Charakters, der bis heute das Muster und Vorbild wissenschaftlicher Geschichtsschreibung im Sinne Leopold Rankes gewesen ist. Und siehe da, wer die acht Bücher des Thukydides durchliest, findet auf keiner Seite eine Frau erwähnt, auch wo wir ihre Nennung erwarten, mit der einzigen Ausnahme, daß einmal in der Stadt Argos ein Tempel in Brand geriet. Die Kränze, die man der Gottheit dargebracht hatte, waren mutmaßlich der Opferflamme zu nahe gekommen, und daran trug die Priesterin, die Verwalterin des Heiligtums, schuld.
Nur als Priesterinnen sind Frauen damals Staatsbeamtinnen gewesen; so auch in Rom die Vestalinnen, die Roms Lebenslicht, die Herdflamme der Göttin Vesta, hüteten. Auch als Priesterinnen der Liebesgöttin Aphrodite waren solche griechischen Frauen ehrwürdige Personen,Vgl. die Priesterin in Plautus' Rudens v. 406. makellos auch die junge Hero, die in der Poesie weiterlebt und zu der in der romantischen Legende Leander, der Liebende, das wilde Meer durchschwamm. Sein Tod war ihr Tod; sie hatte, ihres Amtes vergessend, ihr Herz an ihn verloren.
Eifrig waren die Griechen seit Aristoteles bemüht, so wie man es auch heut versucht, aus der Körperbildung den Charakter der Menschen zu erklären. Man nannte das »Physiognomonik«, und Reste dieser alten Studien liegen uns in zwei 7 Bänden noch vor.Physiognomonika ed. Förster. Aber auch sie enttäuschen uns schwer; denn auch da wird fast nur auf Männer acht gegeben, und wir hören, daß, wer frauenhaft weiche Haare hat, furchtsam ist; der Mann mit großen Ohren ist dumm und unverschämt, aber lebt lange; die aufgestülpte Nase deutet auf Rührseligkeit. Alle Körperteile werden so durchgenommen, vor allem aber der Ausdruck des Auges, wo wir erfahren, daß fröhlich blickende, graublaue Augen den Tapferen verraten; wer rein-blaue Augen hat mit feuchtem Glanz, ist ein guter Mensch. Steht einer vor dir mit weißem Teint, schwarzem Haar und dazu verquollenen, schwachen Augen, so wisse, das ist ein Wollüstling. Rollende Augen hat der Wüterich usf.
Nur einmal wird uns auch der Körper der Frau genau beschrieben.Physiognomonika ed. Förster. II S. 9 ff. Jeder liebenswürdige Ton fehlt da; aber wir hören doch, daß ihr Fleisch zarter und weicher, ihre Füße schöner als beim Mann, daß ihr Teint durchgängig weiß, mitunter auch blaßdunkel zu sein pflegte, ihr Auge schwarz, tiefschwarz oder annähernd schwarz. Übrigens soll, wie es da heißt, auch manches, was vom Manne gilt, für sie mit gelten. Dies also dürfen wir im Sinn behalten, wenn im Verfolg meiner Erzählung bedeutende Frauen vor uns treten. Wenn die junge Königstochter Kleopatra, die, aus der Heimat vertrieben, durch List zu Julius Cäsar in den Palast gelangte, diesen großen Weltüberwinder beim ersten Anblick bis zur Unterjochung gewann, – wir dürfen uns denken: aus tiefschwarzem Auge hat ihn ihr 8 Blick da getroffen, aber aus glitzernd lachendem Auge, wie es die Augen der siegreich werbenden Frauen sind. Rollende Augen aber sind die Augen der Wut? Die also standen der Furie Pheretime im Angesicht, als sie die Stadt Barka eingenommen, die Rebellen besiegt hatte und an deren Frauen die furchtbarste sadistische Rache nahm.
Sonst hören wir in jenen Schriften beiläufig noch, und zwar unter des Aristoteles Namen, daß die Frauen, obschon das schwächere Geschlecht, vordringlicher im Wesen seien.Physiognomonika ed. Förster. I S. 46 f. Dies wird sich uns gelegentlich bestätigen. Heißt es jedoch zugleich, daß sie von Natur bösartiger als wir Männer, so scheint da ein beklagenswerter Misogyn zu sprechen, und keinesfalls soll uns weder er abschrecken, noch was wir von jener Pheretime gehört haben und noch hören werden.
Kommen wir zur Sache. Es handelt sich um Südländerinnen, deren Temperament anders als unseres ist – das ist vorauszuschicken – und um ein Volk, das, den Asiaten nächstbenachbart, ja selbst zum Teil auf der Küste Kleinasiens ansässig, unmittelbar und durch regsten Verkehr den Einflüssen des Orients ausgesetzt war.
Kulturvölker waren, wie die Griechen, auch die Lyder, die Perser und die Ägypter, die man mit zu den Asiaten zählte. Schon seit Urzeiten hatten sie alle nichts mehr mit den Primitiven gemein, den Negervölkern, die man im Innern Afrikas sah, bei denen die Frau nur wie ein Werkzeug verknechtet das Wasser schleppte, das Vieh hütete, den Acker pflügte, während der Mann umschweifend und herrenhaft auf Krieg und Raub 9 ausging, auch jagte und fischte. Wo Städte, Großstädte und Königreiche im Stil der Pharaonen entstehen, ändert sich alles; die Klassen teilen sich; ein dienender Stand entsteht, und der Frau erwachsen andere Pflichten, die höher greifen. Das zeigt uns schon Homer, wenn er ins häusliche Leben der Kleinkönige im griechischen Lande uns Einblick gewährt.
Aber der vornehme Perser hatte seinen Harem, und auch bei den ägyptischen Großen ist die Vielweiberei, die sie bei den Negerhäuptlingen sahen, unanstößig gewesen. Wie anders stand die griechische Ehefrau da! Für den Griechen war die Monogamie Gesetz, ob geschrieben, ob ungeschrieben, wie für den Römer und Germanen. Nur selten wird die Kebse im Haus geduldet; aber es geht ihr schlecht, und sie ist rechtlos. Der Gatte hat die Gattin neben sich als Herrin im Haus, wie Odysseus die Penelope. Macht er sonst noch auf Weiber Jagd, muß er die Hetäre draußen suchen; ihr ist die Tür verschlossen; die Hausfrau hat den Schlüssel. Die Kebse aber wird zur Dienerin im Haus, im Ersatz des Sklaven. Sonst hat der Mann nur männliche Bedienung.Vgl. Demosthenes in Neaeram 122; Athenäus p. 573 B.
Nun aber erhebt sich die Frauenfrage. Die Frage war ernst damals wie heut. Auch in Griechenland war das weibliche Geschlecht in beängstigender Überzahl; denn zu viele Männer starben weg, schon im Jünglingsalter. Das machten die Kriege, die jeder Sommer brachte, aber auch der Handel über See; auch er war Kampf; denn die Schiffe waren nicht so seetüchtig wie heute, und auch das Mittelmeer im Sturm griff 10 nach dem Leben und verlangte seine Opfer. Die Frauen dagegen blieben daheim und starben nicht, wenn sie nicht an ihren Kindern starben. Das war Frauenlos. Die Göttin Artemis gab zwar acht; sie war die Hüterin und Helferin der Gebärenden. Nicht immer half sie, aber sie half doch oft, wenn sie gnädig gesonnen. Man mußte nur richtig beten. Da lesen wir sogar von einem lieben Wunder. Eine Frau ist erblindet und hofft zugleich auf ein Kind. So betet sie: »Laß mich, o Göttin, des Kindes genesen oder, soll es nicht sein, doch wenigstens die Blindheit verlieren!«Anthol. Pal. IX 46. Die Göttin erhörte sie; aber siehe da, bei der Geburt war die Frau zugleich sehend geworden. Das Wunder war die unmittelbare Wirkung des psychischen Erlebnisses auf den Körper.
Vor etwa zwei Generationen war bei uns in Deutschland die Frauenfrage noch nicht laut geworden; es war fast noch so wie in Goethes Zeit; die ledigen Töchter machten sich im Elternhaus nützlich, soweit dies nötig, trieben sonst ihre Liebhabereien, wurden zu lieben Tanten, wenn sie alterten, und zeigten sich da in Rat und Tat oft doppelt nützlich. Erst die Not hat heut die Frauenberufe geschaffen. Die Frauenemanzipation setzte ein; die Suffragetten kamen mit dem Frauenstimmrecht, und unsere Töchter suchen nun ihr Brot als Diakonissen, in der Schreibstube und Apotheke, studieren und wachsen mit oder ohne Doktortitel hinein in den Ärzteberuf, sind juristischer Beirat oder Fabrikinspektorin oder sitzen als gewählte Volksvertreter in den Parlamenten.
Dies alles lag der Antike ganz fern. Man 11 dachte radikaler oder barbarischer, faßte das Übel an der Wurzel, und nach des Vaters Entscheidung wurden, wie die Mißgeborenen, so auch die überflüssigen Töchter nach der Geburt ausgesetzt, mochte aus ihnen werden, was da wollte. Viele fielen so den Mädchenhändlern in die Hände und füllten die Bordelle. Man verkaufte die Töchter auch geradezu an die Besitzer solcher Frauenhäuser. Es kam auch vor, daß die Oheime in der Familie, die Hagestolz geblieben, unter Zwang die ledig gebliebene arme Nichte heiraten mußten.Ein Beispiel für solchen Zwang unter Verwandten bringt das Terenz »Phormio«. Das alles war Herkommen; wir hören kaum von Tadel, und von einem Notzustand berufsloser Frauen wissen uns die betreffenden Instanzen, die im Altertum von Staat und Gesellschaft handeln, nichts mitzuteilen. 12