Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Da ich schon vorher von alten bockigen Damen redete, will ich über sie diese Abhandlung schreiben. Ich beginne also und sage: Eines Tages, als ich am Hofe von Spanien war und mit einer sehr ehrbaren und schönen, indessen schon etwas gealterten Dame plauderte, sagte sie zu mir: Que ningunas damas lindas, o alo menos pocas, se hazen viejas de la cinta hasta abaxo. »Schöne Damen werden vom Gürtel an abwärts nicht alt oder höchstens ein wenig.« Darauf fragte ich sie, wie sie das meine, ob sie meine, daß sich die Schönheit des Leibes von diesem Gürtel an abwärts im Alter keineswegs vermindere, oder daß die Begehrlichkeit und Sinnlichkeit im Alter nicht erlöschen oder erkalten. Sie antwortete, sie wolle beides sagen; »denn was die Begierde des Fleisches anlangt,« sagte sie, »so glaube man nicht, anders davon geheilt zu werden als durch den Tod, wenn es auch scheint, als ob das Alter ihr widerstreben möchte; denn jede schöne Frau liebt sich selbst über alle Maßen, aber sie tut es nicht um ihret-, sondern um anderer willen; und in keiner Weise gleicht sie Narzissus, dem Einfaltspinsel, der so in sich selbst verliebt war, daß er jede andre Liebe verabscheute.«
Schöne Frauen sind anders gelaunt; so hörte ich von einer sehr schönen Dame erzählen, daß sie sich so sehr liebte und dem Genuß ihres Leibes so häufig frönte, daß sie sich ganz nackt auf ihr Bett legte und sich in allen wollüstigen Stellungen betrachtete und bewunderte. Sie verfluchte sich, einem einzigen geweiht zu sein, der eines so schönen Körpers nicht würdig wäre; sie hielt nämlich ihren Gemahl durchaus nicht für ebenbürtig. Endlich entbrannte sie durch diese Betrachtungen und Bewunderungen dermaßen, daß sie ihrer Keuschheit und ihrem dummen Ehegelübde den Laufpaß gab und sich eine neue Liebe und einen neuen Liebhaber anschaffte.
Man sieht, wie die Schönheit eine Dame in Feuer und Flamme bringen kann; sie bringt die Damen zum Ziel ihrer Wünsche, seien es Gatten oder Liebhaber, die dann in Dienst genommen werden; auch erweckt ja eine Liebe die andere. Außerdem, wird sie von jemandem begehrt und sie verschmäht es nicht zu antworten, dann ist sie schon zum Werk bereit; so sagte Lais, wenn eine Frau nur den Mund öffnet, um ihrem Freund irgendeine süße Antwort zu sagen, so vergißt sich das Herz und öffnet sich gleichfalls.
Noch mehr, keine schöne und ehrbare Frau weist je die Huldigung zurück, die man ihr zu Füßen legt; und wenn es ihr erst Gefallen erweckt oder sie erlaubt es, daß man ihre Schönheit, Anmut und hübsche Gestalt lobt, wie wir Hofleute es gewöhnlich beim ersten Liebesangriff machen, so tragen wir, wenn es auch langsam geht, auf die Dauer doch den Sieg davon.
Hat sich eine schöne Frau erst einmal im Liebesspiel versucht, so verlernt sie es nie mehr, und die Fortsetzung ist ihr stets sehr angenehm und süß; genau wie man, an gutes Fleisch gewöhnt, es nur unter großem Ärger lassen will; je älter man wird, desto besser bekommt es einem, sagen die Ärzte: daher gilt gleichfalls, je höher eine Frau in die Jahre kommt, desto lüsterner ist sie nach der guten Speise, an die sie sich gewöhnt hat, allen ihren Lippen schmeckt es, und die Lüsternheit vergißt sich niemals, sie ermüdet auch nicht durch die Last der Jahre, eher noch durch eine lange Krankheit, sagen die Ärzte, oder andere Unfälle; wenn sie auch einige Zeit verdrießt, nimmt man sie dennoch wieder auf.
Auch sagt man, mit dem Alter nehmen alle Fertigkeiten ab, es mindert den Leuten die Kraft, sie geltend zu machen, nur die der Venus nicht; denn deren Dienst ist in einem weichen schönen Bett sehr süß und vollzieht sich ohne Mühe, ohne Aufwand und höchst bequemer Weise. Dies betrifft allerdings die Frau, nicht den Mann, der hier die größte Arbeit und Frone zu leisten hat. Dieses Vergnügens beraubt, übt er für seinen Teil eine frühzeitige Enthaltsamkeit, wenn es ihn auch kränkt; der Frau jedoch, gleichviel welchen Alters, kann wie einem Schmelzofen mit allem Feuer eingeheizt werden; ich meine, wenn man's ihr geben will: denn kein Reittier ist so alt, wenn es traben und gepickt werden will, so findet es immer einen Straßenräuber von Bereiter; und wenn auch eine ältere Dame keine tüchtigen Reitgelegenheiten mehr hätte und sich nicht recht hineinfände wie in ihren jungen Jahren, so hat sie doch Geld und Mittel, um sie zum Marktpreis zu bekommen, und gute, wie ich sagen hörte. Alle Waren, die Geld kosten, verdrießen die Börse sehr, worin freilich Heliogabal andrer Meinung war, der Speisen um so besser fand, je teurer er sie kaufte, nur die Ware der Venus gefällt desto mehr, je mehr sie kostet, weil das Verlangen so groß ist, das man danach trägt, das Geschäft und die Ware so hoch zu werten, als man sie gekauft hat; das Talent, das man in der Hand hat, kann man so auf den dreifachen, ja sogar auf den hundertfachen Wert bringen.
Dasselbe sagte eine spanische Kurtisane zu zwei tapferen spanischen Rittern, die sich wegen ihr stritten; sie verließen ihre Wohnung, nahmen die Degen zur Hand und begannen sich zu schlagen; sie steckte den Kopf zum Fenster heraus und rief ihnen zu: Señores, mis amores se ganan con oro y plata, no con hierro. »Meine Liebe gewinnt man mit Gold oder Silber, nicht mit dem Eisen.«
So ist es also um jede preiswürdig gekaufte Liebe eine gute Sache. Eine Menge Damen und Kavaliere, die solche Käufe und Verkäufe gemacht haben, können davon erzählen. Beispiele von Damen anzuführen, die in ihrem Alter ebenso wie in ihrer Jugend in Liebe erglühten oder die ihr Feuer mit zweiten und neuen Ehemännern und Liebhabern stillten oder, besser gesagt, unterhielten, das bedeutete jetzt eine überflüssige Sache, da ich schon andern Orts verschiedene angeführt habe. Dennoch will ich hier einige beibringen; denn der Gegenstand verlangt es, und es dient zur Sache. Ich hörte von einer großen Dame, die sich ebensosehr auf Entgegnungen verstand wie irgendeine Dame ihrer Zeit, die Geschichte: Als sie eines Tages einen jungen Edelmann sah, der sehr weiße Hände hatte, fragte sie ihn, wie er das machte, er antwortete lachend und scherzend, er riebe sie mit Sperma, so oft er nur könne. »Da bin ich recht unglücklich gegen Euch,« sagte sie, »denn seit mehr als sechzig Jahren schon wasche ich meine Scheide damit (sie gebrauchte den derbsten Ausdruck), und sie ist noch genau so schwarz wie am ersten Tag: und dabei wasche ich sie noch alle Tage.« Von einer Dame in ziemlich hohen Jahren hörte ich, sie wollte sich wieder verheiraten und fragte daher eines Tages einen Arzt um Rat, indem sie ihr Vorhaben damit begründete, seit ihrer Witwenschaft sei sie sehr feucht und voll von allen schlimmen Säften; zu Lebzeiten ihres Gemahls sei ihr das nicht passiert, weil infolge der beständigen Exerzitien, die sie miteinander machten, diese Säfte eintrockneten und sich verzehrten. Der Arzt, der ein lustiger Bruder war und ihr zu Gefallen sein wollte, riet ihr, sich wieder zu verheiraten, das jage schon die Säfte aus ihrem Körper, trocken sein wäre in der Tat besser als feucht sein. Die Dame handelte nach diesem Rat und befolgte ihn gründlich, so angejahrt sie auch war; das heißt mit einem neuen Gatten und einem neuen Liebhaber, der sie ebensosehr aus Liebe zu ihrem vielen Geld wie des Vergnügens wegen liebte: und es gibt auch manche betagte Damen, die denselben Genuß zu bereiten wissen wie die jüngsten, weil sie größere Erfahrung in der Liebeskunst haben und davon die Liebhaber schmecken lassen.
Die römischen und die italienischen Kurtisanen haben, wenn sie zu Jahren kommen, den Wahlspruch: Una galina vecchia fà miglior brodo che un'altra.Von einer alten Henne bekommt man eine bessere Suppe wie von einer andern.
Horaz erwähnt eine Alte, die sich beim Beischlaf so stürmisch und heftig wälzte, daß nicht allein das Bett, sondern auch das ganze Haus erzitterte. Eine wackere Alte wahrhaftig! Die Lateiner nennen dieses Sichherumwälzen und Sichaufregen subare a sue, das heißt: wie es eine Muttersau macht.
Vom Kaiser Caligula lesen wir, daß er von allen seinen Frauen Cezonnia liebte, nicht wegen ihrer Schönheit, auch nicht wegen der Blüte der Jahre; denn sie war darin schon weit vorgeschritten, sondern wegen ihrer großen Geilheit und Unzucht, die in ihr steckten, und wegen der großen Geschicklichkeit, die sie in deren Ausübung besaß und die ihr die Jahre und eine alte Praxis verliehen hatten; er mied alle anderen Frauen, auch wenn sie schöner und jünger waren als diese; gewöhnlich führte er sie im Heer mit sich, als Mann gekleidet und bewaffnet, sie ritt auch Seite an Seite mit ihm, ja er zeigte sie oft seinen Freunden ganz nackt und ließ sie ihre geschmeidigen und hurerischen Tricks sehen.
Das Alter mußte also ihre heiße Brunst nicht herabgemindert haben, da sie ihm solche Liebe entlockte. Bei all dieser großen Leidenschaft aber konnte er sich doch sehr oft nicht enthalten, wenn er sie umarmte und ihren schönen Busen berührte, ihr in seinem Blutdurst zu sagen: »Das ist eine schöne Brust, aber es steht auch wohl in meiner Macht, sie abzuschneiden.« Die arme Frau wurde später mit ihm zugleich durch einen Schwerthieb durch den Leib von einem Centurio getötet, und ihre Tochter, die doch für die Schlechtigkeit ihres Vaters nichts konnte, wurde gegen eine Wand geschleudert und daran aufgeknüpft. Von Julia, der Stiefmutter des Kaisers Caracalla, kann man noch lesen: Als sie eines Tages gleichsam aus Nachlässigkeit am halben Leibe nackt war, und Caracalla sie sah, sagte er weiter nichts als: »Ha! ich möchte es wohl gern, wenn ich nur dürfte!« Sie antwortete zugleich: »Bitte! Wißt Ihr nicht, daß Ihr Kaiser seid, und daß Ihr die Gesetze gebt, nicht sie empfangt?« Auf diesen Witz und ihre Willfährigkeit hin heiratete er sie und tat sich mit ihr zusammen. Fast die gleiche Antwort erhielt einer unserer drei letzten Könige, den ich nicht nennen will. Hingerissen und verliebt in eine sehr schöne und ehrbare Dame gab er ihr, nachdem er ihr erste Andeutungen und Liebesworte zugeworfen hatte, eines Tages seinen Willen ausführlicher zu erkennen, was nämlich ein ehrbarer und sehr geschickter Edelmann, den ich kenne, vermittelte; der brachte ihr das Liebesbriefchen und strengte sich mächtig an, sie zum Kommen zu überreden. Sie aber, die durchaus nicht dumm war, verteidigte sich, so gut sie nur konnte, mit einer Menge schöner Gründe, die sie anzuführen wußte, ohne vor allem den großen, oder besser gesagt, den kleinen Ehrenpunkt zu vergessen. Kurz, nach vielem Hin- und Herstreiten fragte sie der Edelmann schließlich, was sie nun wünsche, daß er dem König sage. Nach einigem Nachdenken stieß sie plötzlich, wie eine Verzweifelte, die Worte hervor: »Was Ihr ihm sagen sollt? Nichts weiter, als daß ich wohl weiß, daß einem eine Weigerung doch nie etwas nützen würde, die man gegenüber seinem König oder seinem Souverän einnimmt; wenn er seine Macht gebraucht, kann er nehmen und befehlen und hat nicht nötig, erst zu bitten.« Zufrieden mit dieser Antwort brachte sie der Edelmann sogleich zum König, der die Gelegenheit am Schopf ergriff und die Dame in ihrem Zimmer aufsuchte; ohne heftige Gegenwehr warf er sie dann nieder. Diese Antwort zeugte von Geist und ließ die Lust spüren, die die Dame empfand, mit ihrem König zu tun zu haben. Wenn man auch sagt, es täte nicht gut, sich an seinen König zu wagen oder mit ihm zu tun zu haben, hier ist's nicht am Platz, und eine Frau fährt dabei niemals übel, wenn sie sich nur klug und standhaft dabei benimmt. Um noch einmal jener Julia, der Stiefmutter jenes Kaisers, zu gedenken, so war sie doch wohl eine Hure, daß sie den liebte und zum Gemahl nahm, der ihr kurze Zeit vorher ihren eigenen Sohn an der Brust getötet hatte; sie war wirklich ein sehr gemeines Geschöpf und hatte ein niedriges Herz. Es war aber immerhin eine große Sache, Kaiserin zu sein, für solche Ehre vergißt sich alles. Diese Julia wurde von ihrem Gemahl auch sehr geliebt, obgleich sie schon in hohen Jahren stand, ihre Schönheit war indessen noch um nichts gesunken; denn sie war sehr schön und sehr geschmeidig, was ihre Worte bezeugen, die ihr das Kissen ihrer Größe sehr viel höher rückten.
Philippo Maria, der dritte Herzog von Mailand, heiratete in zweiter Ehe Beatrice, die Witwe des verstorbenen Facino Cane; sie stand bereits in hohem Alter, aber sie brachte ihm viermalhunderttausend Taler mit in die Ehe, ungerechnet die Möbel, die Ringe, die Kleinodien, die einen hohen Wert hatten und für ihr Alter entschädigten; trotzdem wurde sie später von ihrem Gatten verdächtigt, daß sie ohne Rücksicht auf ihr Alter noch anderswo herumliebte. Wegen dieses Verdachts brachte er sie um. Man sieht, daß ihr das Alter den Geschmack am Liebesspiel nicht verdorben hatte, und die große Übung, die sie darin hatte, wollte sie wohl auch nicht unbenutzt lassen.
Konstanze, Königin von Sizilien, hatte sich von ihrer Jugend an und während ihres Lebens als Jungfrau nicht vom Fleck gerührt und lebte keusch im Kloster, da gewann sie im Alter von fünfzig Jahren ihre weltliche Freiheit. Keineswegs schön und ganz abgelebt, wollte sie doch die Süßigkeit des Fleisches kosten und sich verheiraten; und im Alter von 52 Jahren wurde sie auch von einem Kind schwanger. Das wollte sie öffentlich in den Wiesen von Palermo gebären, wo sie ausdrücklich ein Zelt und einen Pavillon hatte herrichten lassen, damit die Welt die Echtheit ihrer Frucht nicht bezweifeln sollte. Das war eines der größten Wunder, das man seit der heiligen Elisabeth erlebte. Die Geschichte von Neapel sagte indessen, daß man es für untergeschoben hielt. Es wurde indessen eine große Persönlichkeit; aber die meisten tapfern Ritter sind ja Bastarde, wie mir eines Tages ein Großer sagte.
Ich kannte eine Äbtissin von Tarrascon, die Schwester der Madame von Uzès, aus dem Hause Tallard, die im Alter von mehr als 50 Jahren die Kutte auszog, die Religion wechselte und sich mit dem großen Chanay verheiratete, der als großer Spieler am Hofe bekannt war.
Diese Streiche machten noch viele andere Nonnen, die in ihrem reiferen Alter, sei es, daß sie sich verheirateten, oder anderswie vom Fleische schmeckten. Wenn solche Frauen das tun, was dürfen dann unsere Damen tun, die seit ihrem zarten Alter daran gewöhnt sind? Soll sie das Alter daran hindern, nicht zuweilen die guten Bissen zu kosten oder zu schmecken, deren Genuß sie so lange erprobt haben? Und was soll aus all den guten stärkenden Suppen, Consommés, Kraftbrühen und Ambras werden, was aus so viel erfrischenden und bekömmlichen Drogen, mit denen sie ihren alten und kalten Mägen erhitzen und stärken? Es ist nicht daran zu zweifeln, daß solche Mischungen, indem sie ihren schwachen Magen wieder herstellen und in Gang bringen, im geheimen noch eine andre zweite Wirkung ausüben und ihnen körperlich heiß machen und eine Liebesbrunst in ihnen hervorrufen, die nachher mit Beischlaf und Paarung ausgetrieben werden muß, was nach der Meinung der Ärzte das allerhöchste und gewöhnlichste Heilmittel ist, das es gibt. Am besten kommen sie aber damit weg, daß sie mit ihren fünfzig Jahren auf dem Buckel keine Furcht mehr zu haben brauchen, schwanger zu werden; sie haben dann offenes Feld und können sich in völliger Freiheit daran ergötzen und die Rückstände der Freuden pflücken, was vielleicht manche nicht wagten, aus Furcht, die leibliche Rundung möchte sie verraten: und es gibt daher manche, die sich mit ihren Liebschaften von fünfzig Jahren ab mehr gute Zeit gönnen als vorher. Ich hörte mehrere große und mittlere Damen über solche Leibesbeschaffenheiten reden, manche darunter kannte ich sogar, und hörte es aus ihrem eigenen Mund, daß sie lieber über fünfzig Jahre auf dem Buckel haben möchten, damit sie nur nicht schwanger werden und ohne irgendwelche Furcht und Skandale sich der Liebe hingeben könnten. Aber weshalb waren sie im Alter davor bewahrt? Manche alte Damen haben noch nach dem Tode fleischliche Empfindungen. Ich muß hier eine Geschichte erzählen.
Ich hatte einen nachgeborenen Bruder, den man den Kapitän Bourdeille hieß, einen der tapferen und tüchtigen Kriegsleute seiner Zeit. Ich muß das von ihm sagen, obgleich er mein Bruder war, ohne ihm ein falsches Lob geben zu wollen. Was er in den Kriegen und mit dem Degen leistete, das legt Zeugnis davon ab, denn er gehörte zu den Edelleuten Frankreichs, die die Waffen am besten zu handhaben verstanden: in Piemont nannte man ihn daher einen Rodomont.Heute Renommist, damals scheint es noch einen guten Sinn gehabt zu haben. Er wurde beim Sturm auf Hedin, bei der letzten Wiederholung des Angriffs, getötet.
Von seinen Eltern wurde er für die Wissenschaften bestimmt und daher im Alter von 18 Jahren zum Studium nach Italien geschickt, wo er in Ferrara seinen Aufenthalt nahm, weil er Frau Renée von Frankreich, die Herzogin von Ferarra, meine Mutter, sehr liebte; daher hielt sie ihn zurück, damit er dort seinem Studium obliege; denn es gab da eine Universität. Nun, weil er weder dazu geboren noch geeignet war, widmete er sich ihnen keineswegs, er amüsierte sich lieber damit, den Frauen den Hof zu machen und zu liebeln: er verliebte sich denn auch in eine verwitwete französische Edeldame, die bei der Herzogin von Ferrara war, mit Namen Mademoiselle de la Roche; er genoß sie, und sie liebten einander sehr. Dann wurde mein Bruder von seinem Vater, der ihn als höchst ungeeignet für die Wissenschaften erkannt hatte, zurückgerufen, so daß er sich von ihr trennen mußte.
Sie aber, die ihn liebte, und die sehr fürchtete, es möchte ihm zum Unheil werden, weil sie der damals aufgekommenen lutherischen Lehre sehr anhing, bat meinen Bruder, sie mit nach Frankreich zu nehmen, an den Hof der Königin Margarete von Navarra, bei der sie gewesen war, und von der sie nach ihrer Verheiratung und Abreise nach Italien zu Frau Renée gekommen war. Mein Bruder, der jung war und nichts überlegte, war über diese gute Gesellschaft sehr erfreut und geleitete sie bis nach Paris, wo sich die Königin damals aufhielt und sehr froh war, sie wiederzusehen; denn die Frau war eine überaus geistvolle und beredte Dame, eine schöne und in allem vollendete Witwe.
Nachdem mein Bruder ein paar Tage bei meiner Großmutter und meiner Mutter geweilt hatte, die damals am Hofe waren, ging er weg, um seinen Vater zu besuchen. Nach einiger Zeit aber bekam er einen solchen Widerwillen gegen die Wissenschaften, zu denen er sich nicht geeignet fand, daß er sie ganz und gar aufgab und sich den Kriegszügen nach Piemont und Parma anschloß, wo er viel Ehre erwarb. Er übte das Handwerk fünf bis sechs Monate hindurch, ohne nach Hause zu kommen. Nach deren Ablauf besuchte er seine Mutter, die sich damals am Hofe der Königin von Navarra befand, damals in Pau; hier machte er der Königin, als sie von der Vesper kam, seine Aufwartung. Diese, die beste Fürstin von der Welt, hieß ihn aufs herzlichste willkommen, faßte ihn an der Hand und ging mit ihm etwa ein oder zwei Stunden durch die Kirche spazieren, indem sie ihn nach einer Menge Neuigkeiten in den Kriegen von Piemont und Italien und noch verschiedenen andern Besonderheiten fragte. Darauf antwortete mein Bruder so gut (denn er redete ausgezeichnet), daß sie ebensowohl von seinem Geist wie von seiner leiblichen Erscheinung sehr befriedigt war; denn er war ein sehr schöner Edelmann und 24 Jahre alt. Nachdem er sie genügende Zeit unterhalten hatte, wie es denn auch die Natur und das Temperament jener ehrenwerten Prinzessin war, die guten Gespräche und Unterhaltungen mit ehrbaren Leuten sehr zu pflegen, hielt sie, wie sie so von Gespräch zu Gespräch immer herumwandelten, schließlich meinen Bruder genau über der Grabplatte der Mademoiselle de la Roche an, die vor drei Monaten gestorben war. Dann faßte sie ihn bei der Hand und sagte zu ihm: »Lieber Vetter,« (denn so nannte sie ihn, weil eine Tochter d'Albrets in unser Haus Bourdeille hineingeheiratet hatte; aber deshalb will ich noch nicht groß tun und meinem Ehrgeiz noch nicht einheizen) »fühlt Ihr nicht, daß sich unter Euch und unter Euren Füßen etwas regt?« – »Nein, Madame«, antwortete er. – »Aber gebt nur sehr acht, lieber Vetter!« – »Madame, ich habe sehr acht gegeben, aber ich spüre nichts; ich stehe auf einem ganz festen Stein.« – »Nun, dann will ich Euch mitteilen,« sagte dann die Königin, ohne ihn länger in Ungewißheit zu halten, »daß Ihr auf dem Grab und auf dem Leib der armen Frau von La Roche steht, die hier unter Euch beerdigt ist und die Ihr so sehr geliebt habt. Da die Seelen nach unserm Tod Empfindungen haben, ist nicht daran zu zweifeln, daß dieses ehrbare Geschöpf, das erst jüngst gestorben ist, nicht alsbald in Erregung gekommen ist, als Ihr über ihr standet. Und wenn Ihr es wegen der Dicke der Platte nicht gefühlt habt, hat sie es unzweifelhaft um so tiefer gespürt. Und weil es eine fromme Pflicht ist, der Abgeschiedenen zu gedenken, besonders derer, die man geliebt hat, bitte ich Euch, ihr ein Pater noster, ein Ave Maria und ein de Profundis zu spenden, und besprengt sie mit Weihwasser; damit erwerbt Ihr Euch den Namen eines sehr getreuen Liebhabers und eines guten Christen. Ich verlasse Euch darum.« Und damit ging sie hinweg. Mein seliger Bruder fehlte nicht zu tun, was sie gesagt hatte. Dann besuchte er die Königin, und sie neckte ihn ein wenig; denn sie war mit jedem guten Gespräch vertraut und verstand anmutig zu scherzen. Das war also die Ansicht dieser guten Fürstin, aber sie hatte sie meiner Meinung nach mehr aus Artigkeit und im Geplauder gesagt, als daß sie sie glaubte.
Diese hübschen Gespräche erinnern mich an das Epitaph einer Kurtisane, die in Sta. Maria del Populo begraben ist; es stehen die Worte darauf: Quaeso, viator, ne me diutius calcatam amplius calces; »Wanderer, du hast mich so oft getreten und gestampft, ich bitte dich, tritt nun nicht mehr auf mir herum!« Der lateinische Ausdruck besitzt größeren Reiz. Ich setze es mehr des Scherzes halber hierher als aus anderm Grund.
Schließlich braucht man sich nicht zu verwundern, daß die spanische Dame jenen Spruch über die schönen Damen hielt, die geliebt wurden, liebten und noch lieben, und die sich gern rühmen hören, auch wenn sie am Vergangenen nicht unbedingt hängen. Es ist aber die größte Lust, die man ihnen machen kann, und die sie höchlich lieben, daß man ihnen sagt, ihre Schönheit bliebe immer dieselbe und verändere sich nicht, besonders, daß sie vom Gürtel an abwärts nicht alterten.
Ich hörte von einer sehr schönen und ehrbaren Dame, die eines Tages zu ihrem Liebhaber sagte: »Ich weiß nicht, ob mir in Zukunft das Alter sehr unbequem fallen mag (sie war 25 Jahre alt); aber Gott sei Dank, ich liebte niemals so gut wie jetzt und hatte niemals so großes Vergnügen daran. Wenn dies dauern und bis in mein höchstes Alter Bestand haben möchte, dann bin ichs zufrieden und klage auch um die vergangene Jugend nicht.«
Was nun die Liebe und die Begierde anlangt, so habe ich hier und anderswo genug Beispiele beigebracht, ich will also jetzt keine weiter anführen. Wir kommen jetzt zu dem andern Grundsatz, der die Schönheit der schönen Frauen betrifft, die sich im Alter vom Gürtel an abwärts nicht mindert.
Jene spanische Dame führte in dieser Hinsicht gewiß verschiedene schöne Gründe und hübsche Vergleiche an; sie verglich nämlich die schönen Damen mit jenen schönen, alten und stolzen Gebäuden der Vergangenheit, deren Ruinen noch schön dastehen. In Rom, in jenen prachtvollen Altertümern, sieht man die Ruinen jener schönen Paläste, jener stolzen Kolosseen und großen Thermen, die noch sehr von ihrer Vergangenheit zeugen, jedermann in Bewunderung und Schrecken versetzen und deren Ruine bewundernswert und ungeheuerlich bleibt. Auf diesen Ruinen errichtet man sogar noch sehr schöne Gebäude, was beweist, daß ihr Grund fester und haltbarer ist als bei neueren Bauten; so sieht man es häufig bei den Mauerarbeiten, die unsre guten Architekten und Maurer unternehmen; wenn sie ein paar alte Trümmer und Fundamente finden, bauen sie sogleich darauf und lieber als auf neue.
Ich habe auch oft gesehen, wie schöne Galeeren und Schiffe mit alten Rümpfen und Kielböden, die lange untätig in einem Hafen geblieben waren, aufgebaut und wiedererrichtet wurden. Sie taugten auch ebensoviel wie die neu gezimmerten, zu denen frisch aus dem Wald geholtes Holz verwendet wurde.
Und weiter, sagte jene spanische Dame, sieht man nicht häufig, wie die Spitzen der höchsten Türme von den Winden, den Stürmen und Ungewittern weggerissen, weggeschleift und zerstört werden, während ihr Fuß heil und ganz bleibt? Denn solche Stürme richten sich immer auf solche Höhen; so untergraben und zerfressen sogar die Seewinde die oberen Steine mehr, höhlen sie mehr aus als die unteren, weil diese geschützter sind als die oberen.
Ebenso verlieren manche schöne Damen den Glanz und die Schönheit ihrer schönen Gesichter durch verschiedene Unfälle oder durch Wärme oder Kälte, durch Sonne oder durch Mondlicht oder anderswie, und, was schlimmer ist, durch verschiedene Schminken, die sie auflegen, in der Meinung, sie machten sich damit schöner, während sie doch damit alles verderben; bei den unteren Partien verwenden sie keine andere Schminke als das natürliche Sperma, und es kommt weder Kälte noch Regen, noch Wind, weder die Sonne, noch der Mond hin.
Wenn sie die Hitze belästigt, können sie sich wohl davor schützen und erfrischen; ebenso wirken sie der Kälte auf verschiedene Art entgegen. So viele Ungelegenheiten und Nöte die obere Schönheit bedräuen, so wenig die untere; man mag immerhin bemerken, daß das Antlitz einer schönen Frau beschädigt ist, daraus darf man noch nicht schließen, daß sie auch unten verdorben, und daß nicht noch etwas Schönes und Gutes verblieben sei, auf dem sich gar nicht schlecht bauen läßt.
Von einer großen Dame, die sehr schön und der Liebe sehr ergeben gewesen war, hörte ich: einer ihrer früheren Liebhaber hatte sie vier Jahre lang aus den Augen verloren, weil er eine Reise unternommen hatte; bei seiner Rückkehr fand er ihr früheres schönes Antlitz sehr verwandelt, und er wurde daher so angewidert und abgekühlt, daß er sie nicht mehr attackieren und auch die frühere Lust mit ihr nicht wieder erneuern wollte. Sie bemerkte es wohl und sann daher eifrig auf Mittel, daß sie sich im Bett zeigen konnte; sie stellte sich also eines Tages krank, und als er sie am Tage zu besuchen kam, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, ich weiß wohl, daß Ihr mich wegen meines Gesichts verschmäht, das sich durch mein Alter verändert hat; aber seht (und dabei entblößte sie ihm ihre ganze untere nackte Körperhälfte), hat sich da etwas verändert? Wenn mein Gesicht Euch getäuscht hat, das täuscht Euch nicht.« Der Edelmann betrachtete sie und fand, daß sie ebenso sauber und schön war wie je, er geriet alsbald in Begierde und verspeiste das Fleisch, das er für angegangen und verdorben gehalten hatte. »Na, mein Herr,« sagte die Dame, »seht Ihr, wie Ihr Euch getäuscht habt! Ein andermal schenkt den Lügen unserer falschen Gesichter keinen Glauben mehr; denn unser übriger Körper sieht ihnen nicht immer gleich. Das soll Eure Lehre von mir sein.«
Eine Dame wie diese, deren schönes Gesicht sich auch so verändert hatte, geriet in so großen Zorn und Ärger darüber, daß sie es niemals wieder in ihrem Spiegel besehen wollte, sie sagte, es sei ihrer unwürdig; sie ließ sich von ihren Frauen kämmen und bespiegelte und betrachtete zur Entschädigung ihre unteren Partien, an denen sie sich ebensoviel ergötzte wie früher am Gesicht.
Von einer anderen Dame hörte ich: wenn sie am Tag bei ihrem Freunde schlief, bedeckte sie ihr Gesicht mit einem schönen weißen Taschentuch aus feinem holländischen Leinen, weil sie fürchtete, wenn er das Gesicht sähe, möchte es ihn abkühlen und die Batterie unten hemmen, und er möchte angewidert werden; denn unten war nichts auszusetzen oder zu behaupten, daß das Schöne verschwunden sei. In dieser Beziehung hörte ich von einer sehr ehrbaren Dame, daß sie eines Tages von ihrem Gemahl gefragt wurde, warum ihr Haar unten nicht weiß und grau geworden wäre wie das am Kopf, und darauf die lustige Antwort hatte: »Ach! diese elende, brünstige Verräterin, sie spürt's nicht und saugt nichts ein. Sie läßt's andre von meinen Gliedern, meinen Kopf läßt sie's spüren und einsaugen; weil sie stets unverändert bleibt, im selben Zustand, in derselben Kraft, in derselben Stimmung, vor allem in derselben heißen Natur und in derselben Begierde und Gesundheit; das tun die anderen Glieder nicht, die für sie Krankheiten und Schmerzen leiden, und meine Haare, die davon weiß und grau geworden sind.«
Sie hatte recht, so zu reden; denn diese Partie bringt ihr sehr viel Schmerzen, Gicht und Krankheiten ein, ohne daß ihr Galan es spürt; wer zu hitzig gewesen ist, der wird so weiß, sagen die Ärzte. Daher altern die schönen Damen in beiderlei Art niemals.
Ich hörte von manchen, die Umgang mit ihnen hatten, sogar mit Kurtisanen, die mir versicherten, sie hätten hier schöne Frauen kaum alt werden sehen; denn alles Untere und Mittlere, Schenkel wie Beine, hatten sie in voller Schönheit, und auch in ihren Wünschen und in ihrer Stimmung hatte sich nichts geändert. Manche Ehemänner, hörte ich sogar, fanden ihre Alten, wie sie sie nannten, von unten so schön wie nur immer, bereit, frohgelaunt und auch willfährig, sie fanden nichts geändert als das Gesicht und schliefen ebenso gern bei ihnen wie in ihren jungen Jahren. Übrigens gibt es doch sehr viele Männer, die eine ältere Dame einer jungen weit vorziehen; genau wie manche lieber alte Pferde reiten, sei es am Tag eines guten Geschäfts, sei es in der Manege und des Vergnügens halber; alte Pferde, die in ihrer Jugend so tüchtig zugerichtet wurden, daß man in ihrem Alter nichts an ihnen auszusetzen hatte, so vorzüglich sind sie zugeritten und bewähren ihre Gesundheit.
Im Marstall unserer Könige sah ich ein Pferd, das man den Quadragant nannte, das zur Zeit König Heinrichs zugeritten wurde. Es war mehr als 22 Jahre alt; aber trotz seines Alters machte es seine Sache sehr gut und hatte nichts vergessen; so daß sogar sein König und alle, die es beobachteten, sich sehr darüber freuten. Das gleiche kann ich von einem großen Schlachtpferd sagen, das man Gonzaga nannte, es war aus dem Gestüt von Mantua und ein Zeitgenosse des Quadragant.
Ich sah auch den stolzen Rappen, der als Zuchthengst bestellt war. Der hohe Herr M. Antonio, der die Verwaltung des königlichen Gestüts hatte, zeigte ihn mir zu Mun, als ich eines Tages hindurchkam, wie er im Schritt ging, in der Volte, und sprang; Herr von Carnavellet, dem er gehörte, hatte ihn gut zugeritten, und der verstorbene Herr von Longueville wollte ihm 3000 Livres Rente dafür geben; aber der König Karl ließ es nicht zu, nahm ihn für sich und entschädigte ihn anderswie. Ich könnte noch viele andere nennen; aber ich würde niemals zu Ende kommen; daher verweise ich auf die tapferen Stallmeister, die viele solche Pferde gesehen haben.
Im Feldlager von Amiens hatte der selige König Heinrich für den Tag der Schlacht den Bay de la paix gewählt, ein sehr schönes, tüchtiges und schon betagtes Streitroß; es starb am Fieber, wie die erfahrensten Hufschmiede im Lager von Amiens sagten: das fand man seltsam.
Der verstorbene Herr von Guise ließ aus seinem Gestüt von Eclairon den Braunen Sanson holen, der dort Zuchthengst war, um ihn in der Schlacht von Dreux zu reiten, wo er vortreffliche Dienste tat.
Bei den ersten Kriegen nahm der verstorbene Prinz zweiundzwanzig Pferde aus Mun, die hier als Zuchthengste dienten, um sie auf seinen Kriegszügen zu gebrauchen; er verteilte sie an die einen und anderen der Herren, die bei ihm waren, und behielt seinen Teil für sich; der tapfere Avaret bekam davon ein Schlachtroß, das der Herr Konnetabel dem König Heinrich gegeben hatte und das man den Compère hieß. So alt es auch war, ein besseres sah man nie; und sein Herr ließ es in schwere Gefechte kommen, wo es vortreffliche Dienste leistete. Der Kapitän Bourdet bekam den Türken, auf dem der verstorbene König Heinrich verwundet und getötet wurde, er hatte ihn von dem verstorbenen Herrn von Savoyen erhalten; er hieß le Malheureux; den Namen bekam er, als er dem König gebracht wurde – eine sehr üble Vorbedeutung für den König. In seiner Jugend war er nie so tüchtig gewesen, wie er im Alter war; er wurde auch von seinem Herrn, einem der tapfersten Edelleute von Frankreich, sehr geschätzt. Kurz, bei allen diesen Hengsten war das Alter nie ein Hindernis, um ihren Herren, ihrem Fürsten und ihrer Sache ausgezeichnet zu dienen. Es gibt ja auch alte Pferde, die sich nie übergeben: auch sagt man, ein tüchtiges Pferd wird niemals eine Mähre.
Ebenso verhält es sich mit den Damen, die in ihrem Alter ebenso schätzbar sind wie andere in ihrer Jugend, und die ebensoviel Vergnügen machen, weil sie zu ihrer Zeit vortrefflich angelernt und zugerichtet wurden; solche Lektionen vergißt man gewöhnlich nur schwer: und was das Beste ist, sie sind sehr spendabel gegen ihre Ritter und Bereiter, die von einer Alten mehr Geld verlangen und eine höhere Gegenleistung haben wollen als von einer jungen; im Gegensatz zu den Stallmeistern, die keine dressierten Pferde nehmen, vielmehr junge, die erst abzurichten sind; so verlangt es die Vernunft.
Bezüglich der angejahrten Damen hörte ich eine Frage aufwerfen, nämlich: welcher Ruhm ist größer, eine ältere Dame zu verführen und zu besitzen oder eine junge. Von einigen hörte ich, eine alte trägt mehr auf, indem sie sagen, eine junge ist an sich schon durch Torheit und Hitze zu genügenden Ausschweifungen bereit und sei leicht zu verderben; die Gefaßtheit und die Kälte, die dem Alter eigentümlich wären, seien dagegen sehr schwierig zu überwinden; und wer das vermag, der könne um so lauter darüber triumphieren.
Auch jene berühmte Kurtisane Laïs rühmte und brüstete sich sehr, daß die Philosophen sie so häufig besuchten und in ihrer Schule lernten, mehr als alle anderen jungen Leute und Gecken, die kamen. Ebenso brüstete sich Flora damit, daß ihre Schwelle vielmehr von großen römischen Senatoren überschritten wurde als von jungen Fanten von Rittern. Mir scheint also auch ein großer Ruhm darin zu liegen, indem man Lust und Befriedigung ins Feld führt, die Züchte alter Frauen zu besiegen.
Ich berufe mich auf jene, die es bereits erprobt haben, von denen mir manche sagten: ein dressiertes Tier erfreut mehr als ein wildes, das nicht einmal traben kann. Und außerdem, gibt es denn eine größere Lust oder ein größeres Behagen für die Seele, als zu sehen, wie in einen Ballsaal, in eines der Zimmer der Königin, in eine Kirche oder in eine andere große Versammlung eine sehr vornehme bejahrte Dame de alta guisa, wie der Italiener sagt, eintritt, ja eine Ehrendame der Königin oder einer Prinzessin oder die Hofmeisterin der Tochter eines Königs, einer Königin oder großen Prinzessin oder die Oberin der Hofdamen und Hoffräulein, die wegen ihrer Besonnenheit mit diesem würdigen Amt betraut ist. Und dann zu sehn, wie sie die Miene einer Prüden, Keuschen,Tugendhaften aufsetzt, wofür sie auch von jedermann wegen ihres Alters gehalten wird; dann denkt man bei sich nach und sagt zu seinem getreuen Kameraden und Vertrauten: »Seht Ihr, wie sie sich scheinheilig mit ihrer züchtigen, hochmütigen und kalten Miene gibt, so daß man meint, sie könnte kein Wässerchen trüben? Aber ach, wenn ich sie im Bett habe, dann schwingt und dreht sich keine Wetterfahne auf der Welt so hurtig herum, wie sie ihre Lenden und Beine.«
Was mich anlangt, so glaube ich, daß jeder zufrieden ist, wer das bei sich durchgemacht hat und es sagen kann. Ha! Wie viele solcher Damen kannte ich doch auf der Welt, die sich keusch, spröde und sittenstreng hinstellten, während sie an Ausschweifung und Brunst sich doch gar keinen Zwang auferlegten, sehr häufig weit stärker begehrt wurden als manche junge, die den Kampf fürchten, weil sie zu wenig erfahren sind! Auch sagt man, niemand jagt besser als alte Füchsinnen, weil sie jagen, um ihren Jungen Futter zu bringen.
Man liest, daß einst manche römische Kaiser sich sehr daran ergötzt haben, so ehrenwerte und hochgeachtete große Damen zu verführen und zu lieben, ebensosehr des Vergnügens und der Befriedigung halber, wobei sicherlich weit mehr herausspringt als bei minderen, und wegen des Ruhmes, den sie sich zusprechen, daß sie sie verführt und unter die Füße gebracht haben; wie ich zu meiner Zeit verschiedene Herren, Prinzen und Edelleute kannte, die in ihrer Seele sehr darüber triumphierten, daß sie so getan.
Julius Cäsar und Octavianus, sein Nachfolger, brannten sehr auf solche Eroberungen, wie ich schon oben sagte; nach ihnen auch Caligula, der die berühmtesten römischen Damen mit ihren Gatten zu seinen Festmählern einlud, sie sehr genau anschaute und betrachtete, ja sogar mit der Hand ihr Gesicht in die Höhe hob, wenn es einige beschämt neigten, die ehrbare und anständige Frauen waren; andere wollten es ihnen nachmachen und stellten sich sehr spröde und keusch, da es doch gewiß zur Zeit dieser ausschweifenden Kaiser nur wenig solche geben konnte, oder sie stellten sich wenigstens so; sonst wäre das Spiel nicht gut gewesen, wie ich es auch von verschiedenen Damen sah. Die nachher jenem Kaiser gefielen, nahm er vertraut und öffentlich von der Seite ihrer Gatten weg, führte sie aus dem Saale und brachte sie in eine Kammer, wo er sich an ihnen belustigte, wie es ihm gefiel: dann geleitete er sie wieder auf ihren Platz zurück und ließ sie sich wieder setzen; vor der ganzen Gesellschaft lobte er dann ihre Schönheiten und verborgenen Eigentümlichkeiten, indem er sie Stück für Stück aufzählte; und wenn eine irgendwelche Fehler, Häßlichkeiten und Mängel hatte, so verhehlte er das auch nicht, sondern schwätzte sie aus und verkündigte sie ohne jede Rücksicht.
Nero war, was noch schlimmer ist, sogar begierig, seine tote Mutter zu sehn, sie genau zu betrachten und alle ihre Glieder zu befühlen und über die einen sein Lob, über die anderen seine Schmähung auszusprechen.
Ebenso hörte ich von verschiedenen großen Herren der Christenheit erzählen, die gegenüber ihren toten Müttern die gleiche Begierde hatten.
Aber Caligula tat noch mehr; denn er berichtete von ihren Bewegungen, schlüpfrigen Manieren, Gehaben und Mienen, die die Frauen an den Tag legten, besonders erzählte er von jenen, die züchtig und schamhaft gewesen waren, oder die sich an der Tafel so angestellt hatten: denn waren sie ihm nicht zu Willen, so bedrohte sie der Wüterich unzweifelhaft, und wenn sie ihm nicht alles taten, was er zu seiner Befriedigung verlangte, jagte er ihnen Todesschrecken ein; so brachte er diese armen Damen zum allgemeinen Gelächter in das größte Ärgernis, wie es ihm gefiel; sie glaubten, für sehr keusch und züchtig zu gelten, wie es welche geben konnte, oder sie heuchelten und stellten die donne da ben heraus, und plötzlich kamen sie in den Ruf, tüchtige Dirnen und Vetteln zu sein; bei denen, die es waren und doch nicht entdeckt sein wollten, war es ja ganz angebracht. Und dabei waren es, wie ich sagte, lauter große Damen, Frauen von Konsuln, Diktatoren, Prätoren, Quästoren, Senatoren, Zensoren, Rittern und andere von sehr hohem Stand und Würden; an deren Stelle wir heutzutage, in unserer Christenheit, die Königinnen nennen könnten, die sich den Frauen der Konsuln, da sie die ganze Welt beherrschten, vergleichen ließen; die großen und mittleren Fürstinnen, die großen und kleinen Herzoginnen, die Marquisen und Markgräfinnen, die Gräfinnen und Komtessen, die Baronessen und Edelfräulein und andere Damen von hohem Rang und reicher Abstammung: mit solchen großen Damen würden es zweifellos manche Kaiser und Könige ebenso machen wie jener Kaiser Caligula, wenn sie könnten; sie sind jedoch Christen, die die Furcht Gottes, seine heiligen Gebote, ihr Gewissen, ihre Ehre, die Schande vor den Menschen und ihren Gemahlinnen vor Augen haben; denn für edle Herzen wäre die Tyrannei unerträglich. Darin sind die christlichen Könige sicherlich hoch zu schätzen und zu rühmen, daß sie die Liebe der schönen Damen mehr in Sanftmut und Freundlichkeit gewinnen als mit harter Gewalt; und ihre Eroberung ist darum auch weit schöner.
Ich hörte von zwei großen Fürsten, denen es das größte Vergnügen machte, so die Schönheiten, Feinheiten und Besonderheiten ihrer Damen zu entdecken, ebenso aber auch ihre Entstellungen, Mängel und Schäden, desgleichen ihre Manieren, Bewegungen und Laszivitäten, indessen nicht in aller Öffentlichkeit wie Caligula, sondern insgeheim, mit ihren großen vertrauten Freunden. Das nenne ich doch von dem hübschen Leib jener armen Damen einen guten Gebrauch machen. Sie meinten, es gut zu machen und zu scherzen, um sich ihren Liebhabern gefällig zu zeigen, und sie wurden verschrien und verspottet.
Nun will ich unsern Vergleich wieder aufnehmen: genau wie man schöne Gebäude sieht, die über den besten Fundamenten und aus den vorzüglichsten Steinen und Materialien errichtet wurden, und eins besser als das andere ist, weshalb sie in ihrer Schönheit und in ihrem Ruhm längern Bestand haben, ebenso gibt es Frauenkörper, die leiblich so ausgezeichnet beschaffen und gestellt sind, die ein solches Gepräge der Schönheit tragen, daß man gern sieht, wie ihnen die Zeit nicht so sehr wie anderen beikommt und sie auch in keiner Weise untergräbt.
Man kann lesen, daß Artaxerxes unter allen seinen Frauen am meisten Astazia liebte, die sehr bejahrt, aber trotz alledem noch sehr schön war; sie war die Maitresse seines verstorbenen Bruders Darius gewesen. Sein Sohn verliebte sich so sehr in sie, so schön war sie trotz ihrem Alter, daß er sie ebenso mit seinem Vater besitzen wollte wie sein halbes Königreich. Aus Eifersucht jedoch und damit der gute Bissen nicht geteilt werden könne, machte sie der Vater zur Sonnenpriesterin, weil in Persien die Frauen dieses Standes sich ganz und gar der Keuschheit weihen müssen.
In der Geschichte von Neapel lesen wir, daß der Ungar Ladislaus, der König von Neapel, in Tarent die Herzogin Marie belagerte, die Frau des verstorbenen Raymund von Balzo; nach mehreren Stürmen und Waffengängen schloß er mit ihren Kindern eine Übereinkunft ab und heiratete sie, die trotz ihrer Jahre immer noch sehr schön war; dann führte er sie mit sich nach Neapel, wo sie den Namen Königin Maria erhielt und von ihm sehr geliebt und gehegt wurde.
Ich sah die Frau Herzogin von Valentinois im Alter von siebzig Jahren, ebenso schönen Antlitzes, ebenso frisch und ebenso liebenswürdig wie im Alter von dreißig: auch wurde sie von einem der großen Könige, dem tapfersten der Welt, sehr geliebt und verehrt. Ich kann es offen sagen, ohne der Schönheit dieser Dame ein Unrecht zu tun; denn wenn eine Dame von einem großen König geliebt wird, so bedeutet das: die Vollkommenheit, die Liebe zu ihr erweckt, wohnt in ihr und strömt über: auch soll die den Göttern verliehene Schönheit den Halbgöttern nicht versagt werden.
Ich sah diese Dame sechs Monate, bevor sie starb, noch so schön, daß sie ein Herz aus Stein bewegen konnte; wiewohl sie sich vorher auf dem Pflaster von Orleans ein Bein gebrochen hatte, ritt sie und hielt sich gewandt und munter auf dem Pferd wie immer; aber das Pferd fiel und glitt unter ihr aus; nun hätte man meinen können, infolge dieses Bruchs und dieser Schmerzen und Leiden müsse ihr schönes Gesicht sehr verändert sein; nichts weniger als das jedoch; denn ihre Schönheit, ihre Anmut, ihre Majestät, ihr schönes Aussehen waren ganz dieselben geblieben. Vor allem besaß sie das weißeste Antlitz, ohne sich je irgendwie zu schminken; man sagte jedoch, sie nähme alle Morgen ein paar Kraftbrühen zu sich, die aus Trinkgold und anderen Drogen bestanden, die ich nicht kenne wie die braven Ärzte und die schlauen Apotheker. Ich glaube, hätte diese Frau noch hundert Jahre gelebt, sie wäre doch niemals gealtert, sei es im Gesicht, so schön war es gebildet, sei es am Leibe, verdeckt und verhüllt, von so gutem Schlag und Habitus war er. Es ist traurig, daß die Erde diesen schönen Leib bedeckt!
Ich sah die Frau Marquise von Rothelin, die Mutter der Frau Prinzessin-Witwe von Condé und des verstorbenen Herrn von Longueville, deren Schönheit auch in keiner Weise beeinträchtigt war, weder von der Zeit noch vom Alter; sie erhielt sich immer in ihrer schönsten Blüte, außer daß sich ihr Gesicht am Ende ein wenig rötete; ihre schönen Augen indessen, die ihresgleichen nimmer auf der Welt hatten und die ihre Frau Tochter geerbt hat, veränderten sich nie und waren stets bereit, Wunden zu schlagen.
Ich sah auch Madame de la Bourdesière, später in zweiter Ehe Frau Marschall d'Aumont, die auf ihre alten Tage so schön war, daß man hätte sagen können, sie stünde in ihren jüngsten Jahren; auch ihre fünf Töchter, die ebenfalls Schönheiten waren, setzten sie in nichts in den Schatten. Hätte man zu wählen gehabt, man hätte gern die Töchter gelassen und hätte die Mutter genommen; und dabei hatte sie mehrere Kinder gehabt. Sie behütete sich aber auch überaus sorgfältig; denn sie war eine Todfeindin von Mond und Abendtau, die sie floh, so sehr sie nur konnte; die gemeine Schminke, das Gebrauchsmittel mancher Damen, war ihr unbekannt.
Ich sah, was mehr besagen will, Madame von Mareuil, die Mutter der Frau Marquise von Mézières und Großmutter der Dauphin-Gemahlin, im Alter von hundert Jahren, wo sie starb, auch war sie ebenso aufrecht, ebenso frisch, munter, gesund und schön wie im Alter von fünfzig: in ihrer Jugend war sie eine sehr schöne Frau gewesen.
Ihre Tochter, die erwähnte Frau Marquise, war ebenso schön gewesen und starb ebenso, nur um zwanzig Jahre jünger und von etwas kleinerem Wuchs. Sie war die Tante der Madame von Bourdeille, der Frau meines älteren Bruders, die sich als so tüchtig erwies; denn obwohl sie dreiundfünfzig Jahre hinter sich hatte und vierzehn Kinder besaß, meinte man (wer sie sieht, wird es besser beurteilen als ich), daß ihre vier Töchter, die sie bei sich hatte, ihre Schwestern wären; so sieht man oft Früchte des Winters und Herbstes, die denen des Sommers gleichkommen und ebenso schön und schmackhaft sind wie sie, sogar noch mehr. Die Frau Admiralin von Brion und ihre Tochter, Frau von Barbezieux, waren ebenfalls in ihrem Alter sehr schön.
Man sagte mir kürzlich, die schöne Paula von Toulouse, die früher so berühmt war, sei noch so schön denn je, obwohl sie achtzig Jahre alt sei; man findet sie auch in nichts verändert, weder in ihrem hohen Wuchs noch in ihrem schönen Antlitz.
Ich sah die Frau Präsidentin Conte von Bordeaux, die in der gleichen Lage und im selben Alter sehr liebenswürdig und begehrenswert war: auch hatte sie viele Vollkommenheiten. Ich könnte noch viele andere nennen, aber ich würde kein Ende finden.
Ein junger spanischer Kavalier redete einer älteren Dame, die indessen noch schön war, von Liebe, und sie antwortete ihm: A mis completas de esta manera me habla V. M.? »Warum sprecht Ihr so zu mir bei meiner Vollständigkeit?« Damit wollte sie ihr Alter und die Abnahme ihrer schönen Zeit, den Einbruch ihres Alters bezeichnen. Der Kavalier antwortete ihr: Sus completas valen mas, y son mas graciosas que las horas de prima de qualquier otra dama. »Eure Vollständigkeit wiegt mehr, ist schöner und reizvoller als die Frühlingsstunde irgendeiner andern Dame.« Eine artige Anspielung.
Ein andrer redete gleichfalls einer ältern Dame von Liebe, sie wies ihn auf ihre verblichene Schönheit hin, womit es indessen noch nicht zu schlimm stand, und er antwortete ihr: A las visperas se conoce la fiesta. »An der Vesper erst erkennt man das Fest.«
Noch heute sieht man Frau von Nemours, die im April ihres Lebens die Zierde der Welt war, der Zeit trotzen, mag sie auch alles verwischen. Ich kann es so sagen, mit allen, die sie gleich mir gesehen haben, daß sie in den Jahren ihrer Blüte die schönste Frau der Christenheit gewesen ist. Ich sah sie eines Tages, wie ich anderswo schilderte, mit der Königin von Schottland tanzen, alle beide ganz allein, ohne von anderen Damen begleitet zu sein (infolge einer Laune), daß alle, die sie tanzen sahen, nicht beurteilen konnten, wem an Schönheit der Preis gebühre; und man hätte, meinte einer, sagen können, es waren die zwei Sonnen beisammen, von deren einstiger Erscheinung Plinius berichtet, um die Welt in Staunen zu versetzen. Madame von Nemours, damals Madame von Guise, besaß den herrlichsten Wuchs und hatte, wenn ich es ohne Beleidigung der Königin von Schottland sagen darf, eine noch ernstere und augenscheinlichere Majestät, wiewohl sie nicht Königin war wie die andere; sie war jedoch eine Enkelin jenes großen Königs und Vater des Volks, dem sie in vielen Zügen ihres Gesichtes glich; ich sah in dem Kabinett der Königin von Navarra sein Bild, das in allem zeigte, welch ein König er war.
Ich glaube der erste gewesen zu sein, der sie mit dem Namen einer Enkelin des königlichen Vaters des Volkes benannt hat; das geschah zu Lyon, als der König aus Polen zurückkehrte; da nannte ich sie sehr oft so: auch erwies sie mir die Ehre, es gut zu finden und es gern zu hören. Sie war gewiß eine echte Enkelin jenes großen Königs, vor allem an Güte und Schönheit; denn sie ist sehr gut gewesen und hat niemals jemandem ein Übel zugefügt oder einen Verdruß bereitet; und dennoch verfügte sie über eine große Macht zur Zeit, als sie in Gunst stand, d.h. über die ihres Gatten, des verstorbenen Herrn von Guise, der in Frankreich hohes Ansehen genoß. Sie war also im Besitz zweier sehr hoher Vollkommenheiten, Güte und Schönheit, und sie hat sich alle beide bis jetzt ausgezeichnet bewahrt und hat damit zwei ehrbare Gatten geheiratet, derengleichen man wenig oder gar nicht gefunden hätte; und wenn sich noch ein solcher gefunden hätte, der ihrer würdig gewesen wäre, und sie hätte ihn als dritten haben wollen, so hätte sie es gekonnt, so schön ist sie noch. In Italien gelten auch die ferraresischen Damen für gute und leckere Bissen, auf die sich das Sprichwort potta ferraresa bezieht, wie man sagt cazzo mantuano.
Dazu führe ich an: Als ein großer Herr jenes Landes einst eine schöne und große Prinzessin aus unserm Frankreich begehrte und man ihn am Hofe wegen seiner Verdienste, seiner Tapferkeit und seiner Vorzüge lobte, daß er sie verdiene, wußte der verstorbene Herr d'Au, der Kapitän der schottischen Garden, eine bessere Entgegnung als alle, indem er sagte: »Ihr vergeßt das beste, cazzo mantuano.«
Ich hörte einmal ein ähnliches Wort, als der Herzog von Mantua, den man den Gobin hieß, weil er sehr bucklig war, die Tochter des Kaisers Maximilian heiraten wollte und ihr gesagt wurde, daß er so arg bucklig wäre. Wie man sagt, antwortete sie: Non importa purche la campana habbia qualche diffetto, ma ch' el sonaglio sia buono;Es hat nichts zu sagen, wenn die Glocke einen Fehler hat, wenn nur ihr Klöppel tüchtig ist. sie meinte den cazzo mantuano. Andere sagen, sie hätte das Wort nicht ausgesprochen; denn sie war zu klug und erfahren, aber andere sagten es für sie.
Um nochmals auf jene ferraresische Prinzessin zu kommen, so sah ich sie auf der Hochzeit des verstorbenen Herrn de Joyeuse, in einen Frauenmantel nach italienischer Art gekleidet, während die Arme nach der sienesischen Mode halb hinaufgestreift waren; keine Dame konnte sie in Schatten stellen, und es war niemand dort, der nicht sagte: »Diese schöne Prinzessin nimmt es noch mit jeder anderen auf, so schön ist sie. Und man kann sehr leicht schließen, daß dieses schöne Antlitz andere große Schönheiten und Partien verdeckt und verhüllt, die wir gar nicht sehen; genau wie man nach der schönen und stolzen Fassade eines schönen Gebäudes leicht urteilen kann, daß im Innern schöne Zimmer, Vorzimmer und Garderoben, schöne Winkel und Kabinette sind.« Seitdem ließ sie an noch vielen anderen Orten, auch als sie schon stark alterte, ihre Schönheit strahlen, sogar in Spanien auf der Hochzeit des Herrn und der Frau von Savoyen, daß die Bewunderung vor ihr, vor ihrer Schönheit und vor ihren Tugenden dort für alle Zeit eingeprägt bleiben wird. Wenn die Flügel meiner Feder stark und breit genug wären, um sie in den Himmel zu tragen, ich täte es; aber sie sind leider zu schwach; ich will also noch anderswo von ihr sprechen. Wie dem auch sei, sie ist in ihrem Frühling, ihrem Sommer und ihrem Herbst und noch in ihrem Winter eine sehr schöne Frau gewesen, obgleich sie sehr viele Verdrießlichkeiten, Sorgen und Kinder hatte.
Etwas Schlimmeres: die Italiener mißachten eine Frau, die viele Kinder hat und nennen sie scrofa, d.h. eine Muttersau; Frauen aber, die schöne, tapfere und edle Kinder erzeugen wie jene Prinzessin, müssen gerühmt werden und haben mit diesem unwürdigen Namen nichts zu schaffen; sie sollten vielmehr Gottes Segen heißen.
Ich könnte hier ausrufen: Wie merkwürdig ist es doch, daß das Oberflächlichste und Unbeständigste, was es gibt, das schöne Weib, der Zeit Widerstand leistet! Aber ich möchte es doch nicht sagen! Ich wäre sehr betrübt darüber; denn ich schätze die Beständigkeit mancher Frauen sehr hoch, und es sind nicht alle unbeständig: von einem andern habe ich den Ausspruch. Gerne noch möchte ich ausländische Damen anführen, gerade wie unsere französischen, die in ihrem Herbst und Winter schön waren; aber diesmal will ich bloß zwei einfügen.
Die eine, die Königin Elisabeth von England, regiert noch heute, und man hat mir gesagt, sie ist noch ebenso schön wie je. Ist das der Fall, dann muß sie eine außerordentlich schöne Fürstin sein, denn ich sah sie in ihrem Sommer und in ihrem Herbst. Was ihren Winter anlangt, so kommt sie ihm ja arg nahe, wenn sie nicht drin steht; denn es ist schon lange Zeit her, als ich sie sah. Ich weiß das Alter, das man ihr gab, als ich sie das erstemal sah. Ich glaube, was sie so lange in ihrer Schönheit erhalten hat, das war, daß sie niemals verheiratet gewesen und die Bürde der Ehe nicht getragen hat, die sehr beschwerlich ist, und besonders, wenn man mehrere Kinder gebiert. Diese Königin verdiente alles Lob, wenn nicht der Tod jener tapfern, schönen und seltenen Königin von Schottland wäre, der ihre Verdienste sehr geschädigt hat.
Die andere Fürstin und ausländische Dame ist die Frau Marquise von Gouast, Donna Maria von Aragonien, die ich in den letzten Jahren ihres Lebens als sehr schöne Dame sah; das will ich erzählen, indem ich es so sehr als möglich abkürzen werde.
Als der König Heinrich gestorben war, starb einen Monat darauf der Papst Paul IV. Caraffa, und es mußten sich zur Wahl eines neuen alle Kardinäle versammeln. Unter anderen verließ der Kardinal von Guise Frankreich und ging zu Schiff nach Rom, mit den Galeeren des Königs, deren Oberbefehl der Herr Großprior von Frankreich hatte, der Bruder des genannten Kardinals, der ihn als guter Kamerad mit sechzehn Galeeren geleitete. Sie fuhren mit solcher Schnelligkeit und hatten einen so guten Wind im Hintersegel, daß sie in zwei Tagen und zwei Nächten nach Civita-Vecchia kamen und von hier nach Rom; als sie dort waren, sah der Herr Großprior, daß man noch nicht bereit war, die Neuwahl vorzunehmen (in Wirklichkeit vergingen drei Monate darüber), also mußte es auch noch einige Zeit dauern, bis er seinen Bruder zurückgeleiten konnte, und da seine Galeeren nutzlos im Hafen lagen, beschloß er nach Neapel zu gehn, um die Stadt zu besuchen und dort die Zeit zu verbringen.
Bei seiner Ankunft empfing ihn dann der Vizekönig, damals der Herzog von Alcala, wie einen König. Bevor er aber landete, begrüßte er die Stadt mit einer sehr schönen Salve, die lange dauerte und ihm von der Stadt und von den Kastellen erwidert wurde, daß während dieses Saluts der Himmel zu donnern schien. Er hielt seine Galeeren in ziemlicher Entfernung in Schlachtordnung und schickte in einem Boot Herrn de l'Estrange von Languedoc, einen sehr geschickten und ehrbaren Ehrenmann, einen vorzüglichen Sprecher, zum Vizekönig, damit er sich nicht beunruhige und ihm die Erlaubnis gäbe (wenn wir auch in gutem Frieden lebten, aber freilich eben erst den Krieg kurz hinter uns hatten), in den Hafen einzufahren, die Stadt anzusehn und die Gräber seiner Vorfahren zu besuchen, die hier beerdigt waren, sie mit geweihtem Wasser zu besprengen und für sie zu beten.
Der Vizekönig gewährte es bereitwilligst, der Herr Großprior setzte die Flotte also in Bewegung und wiederholte die schöne und heftige Salve nochmals mit den Jagerkanonen der sechzehn Galeeren und mit den anderen Geschützen und Büchsen, so daß alles in Feuer stand; dann fuhr er sehr stolz an die Mole, mit vielen Standarten, Wimpeln, Bannern aus karmoisinrotem Taft, das seine war aus Damast, alle Galeerensklaven waren in karmoisinroten Samt gekleidet, ebenso die Soldaten seiner Garde, die Schleifen trugen, die mit Silbertressen besetzt waren; sie standen unter dem Befehl des Kapitän Geoffroy, eines Provenzalen, der ein tapferer und mutiger Kapitän war; man fand also unsere französischen Galeeren sehr schön, flink und gut geteert, besonders la Realle, an der es nichts auszusetzen gab; denn dieser Fürst war in allem sehr opulent und prachtliebend.
Nachdem er also in diesem schönen Aufzug an den Hafendamm gekommen war, ging er ans Land und wir andern alle mit ihm, dort hatte der Vizekönig befohlen, Pferde und Wagen bereitzuhalten, die uns aufnehmen und in die Stadt bringen sollten; und wir fanden wahrhaftig hundert Pferde, Schlachthengste, Mischlinge, spanische Pferde, Berber und andere, die einen immer schöner als die anderen, mit reichgestickten Samtschabracken, die einen in Gold, die anderen in Silber. Es war jedem unbenommen, ob er zu Pferd steigen oder einen Wagen benutzen wollte; denn es standen auch etwa zwanzig der schönsten und reichsten und bestbespanntesten Wagen da, die von den schönsten Rennern gezogen wurden, die man sehen konnte. Es waren auch eine Menge großer Fürsten und Herren anwesend, aus dem Königreich wie aus Spanien, die den Herrn Großprior im Auftrag des Vizekönigs sehr ehrenvoll empfingen. Er bestieg ein spanisches Pferd, das schönste, das ich seit langer Zeit sah, und das ihm der Vizekönig später schenkte; er ritt es ausgezeichnet und lies es vorzügliche Kurbetten machen, wie man damals sagte. Er bewies, daß er ein ebenso tüchtiger Reitersmann wie Seemann war, und bot mit seinem Renner ein überaus schönes und anmutiges Bild; denn er war einer der schönsten, liebenswürdigsten und vollendetsten Fürsten seiner Zeit, von sehr schönem und hohem Wuchs und sehr aufgeknöpft; was bei diesen großen Männern selten vorkommt. So wurde er von allen diesen Herren und vielen anderen zum Vizekönig geleitet, der ihn erwartete und ihm alle möglichen Ehren erwies, ihn in seinem Palast wohnen ließ und ihn und seine Truppe sehr prunkhaft bewirtete: er konnte es wohl tun; denn er gewann ihm bei dieser Reise zwanzigtausend Taler ab. Wir konnten gut zweihundert Edelleute mit ihm sein, Kapitäne der Galeeren und andere; in der Mehrzahl wurden wir bei den großen Herren der Stadt sehr prächtig beherbergt.
Bereits am Morgen, wenn wir aus unseren Zimmern kamen, erwarteten uns Lakaien, die sich alsbald zu Diensten stellten und fragten, was wir tun wollten, wohin wir uns begeben und spazieren gehen wollten. Wollten wir Pferde oder Wagen, sofort wurde unser Wunsch erfüllt. Als Reittiere holten sie uns so schöne, so prächtige, so stolze Pferde herbei, daß ein König damit zufrieden gewesen wäre; und dann begannen und führten wir unser Tagwerk aus, wie es einem jeden beliebte. Schließlich litten wir auch gar keinen Mangel an Vergnügungen und Ergötzungen in dieser Stadt: selbstverständlich hatten wir welche; denn ich sah niemals eine Stadt, die in jederlei Gattung mehr geboten hätte; nur an der vertraulichen, offnen und freien Unterhaltung mit ehrbaren und anständigen Damen fehlte es; denn andere gab es genug. Dem Mangel wußte für diesmal aber die Frau Marquise de Gouast ausgezeichnet abzuhelfen, der zuliebe ich die Abschweifung mache. Sie hatte die Vollkommenheiten des Herrn Großprior rühmen hören und ihn durch die Stadt reiten sehen und erkannt; als eine durchaus höfliche, aller Ehren volle und auf die Größe ihres Hauses bedachte Dame sandte sie, wie es unter vornehmen Leuten Brauch ist (und sie war in allem sehr vornehm), eines Tages einen sehr ehrbaren und wohlbeschaffnen Edelmann zu ihm auf Besuch und entbot ihm, wenn ihr Geschlecht und der Landesbrauch ihr erlaubt hätten, ihn zu besuchen, wäre sie gern gekommen, um ihm ihre Macht zur Verfügung zu stellen, wie alle großen Herren des Königreichs getan; sie bat ihn jedoch, ihre Entschuldigungen freundlich entgegenzunehmen, indem sie ihm ihre Häuser, ihre Schlösser und ihr Vermögen zur Verfügung stellte.
Der Herr Großprior, der nicht weniger höflich war, dankte ihr, wie sich gebührte; und er entbot ihr, er würde sogleich nach dem Mahle kommen, um ihr die Hand zu küssen; das tat er denn auch in Begleitung von uns anderen allen, die bei ihm waren. Wir fanden die Marquise im Saal mit ihren beiden Töchtern, Donna Antonina, und der andern, Donna Hieronyma oder Donna Johanna (ich kann es nicht genau sagen; denn es fällt mir nicht mehr ein), in Gesellschaft vieler schöner Damen und Fräulein, in so brillanter Verfassung und von so hoher und schöner Anmut, daß ich außer unserm französischen und spanischen Hofe sicherlich nirgendwo anders eine so schöne Schar von Damen gesehen habe.
Die Frau Marquise begrüßte den Herrn Großprior auf französisch und empfing ihn aufs ehrenvollste; er erwiderte ihre Begrüßung mit noch größerer Ergebenheit, con mas gran sosiego, wie der Spanier sagt. Ihre Plaudereien betrafen für diesmal gewöhnliche Dinge. Einige von uns anderen, die Italienisch und Spanisch verstanden, gesellten sich zu den anderen Damen, die wir höchst ehrbar und galant und außerordentlich unterhaltsam fanden.
Da die Frau Marquise vom Herrn Großprior erfahren hatte, daß er sich etwa vierzehn Tage hier aufhalten wollte, sagte sie beim Weggehen zu ihm: »Mein Herr, wenn Ihr nicht wißt, was Ihr tun sollt, und wenn es Euch an Zerstreuung fehlt, bitte ich Euch, nur zu mir heraufzukommen, ich werde es mir zur hohen Ehre anrechnen und Euch hier sehr willkommen heißen, wie im Haus Eurer Frau Mutter; ich bitte Euch, über dieses Haus ebenso zu verfügen wie über das ihrige und es genau so damit zu halten. Ich bin so glücklich, von ehrbaren und schönen Damen dieses Königreichs und dieser Stadt, welche Dame es auch immer sei, verehrt und besucht zu werden; und da Ihr bei Eurer Jugend und Eurer Tüchtigkeit auch an Gesprächen mit ehrbaren Damen großen Geschmack habt, werde ich sie bitten, sich häufiger als gewöhnlich hierher zu begeben, damit sie Euch und allen den wackeren Edelleuten in Eurem Gefolge Gesellschaft leisten. Hier sind meine beiden Töchter –, wenn sie auch nicht so vollkommen sind, wie man meinte, will ich ihnen befehlen, Euch auf französische Art Gesellschaft zu leisten, durch Heiterkeit, Tanz, Spiel und durch freies, sittsames und ehrbares Plaudern, wie bei Euch am Hofe von Frankreich Sitte ist, wozu auch ich mich gern anbieten würde; aber es würde einen jungen, schönen und tapferen Fürsten, wie Ihr seid, arg verdrießen, eine betagte, ärgerliche und wenig liebenswürdige alte Frau wie mich zu unterhalten; denn Jugend und Alter passen für gewöhnlich nur schwer zueinander.«
Der Herr Großprior griff sogleich diese Worte auf, indem er ihr aussprach, daß das Alter keine Macht über sie gewonnen hätte, es würde schwerlich eintreten, ihr Herbst überträfe jeden Frühling und jeden Sommer, die im Saale wären; und in der Tat, sie zeigte sich noch als eine sehr schöne und sehr liebenswürdige Dame, liebenswürdiger sogar noch als ihre beiden Töchter, so schön und jung sie auch waren; und damals stand sie schon nahe an den Sechzigern. Diese paar Worte, die der Herr Großprior zur Frau Marquise sagte, gefielen ihr sehr, wie wir an ihrem lachenden Gesicht, an ihren Worten und Gebärden erkennen konnten.
Wir schieden aufs äußerste erbaut von dieser Dame, besonders der Herr Großprior, der, wie er uns sagte, sofort von ihr hingerissen war. Selbstverständlich lud also jene schöne und ehrbare Dame und ihre schöne Frauenschar den Herrn Großprior alle Tage ein, in ihre Wohnung zu kommen; dann ging man entweder des Nachmittags hin oder des Abends. Der Herr Großprior nahm ihre älteste Tochter zur Geliebten, wenn er auch die Mutter vorzog; das geschah jedoch, per adumbrar la cosa. Es gab nun viele Ringelrennen, in denen der Herr Großprior den Preis davontrug, eine Menge Balletts und Tänze. Kurz, jene schöne Gesellschaft war die Ursache, daß wir, während er sich bloß vierzehn Tage aufzuhalten gedachte, unsre sechs Wochen dort blieben, ohne daß es uns irgendwie leid tat; denn wir andern hatten uns ebenfalls Gebieterinnen zugelegt wie unser General. Wir wären sogar noch länger geblieben, wäre nicht ein Kurier vom König, seinem Herrn, eingetroffen, der ihm Nachrichten von dem in Schottland ausgebrochenen Krieg brachte; daher mußte er seine Galeeren vom Morgen gegen Abend wenden, indessen fuhren sie doch erst acht Monate später hin.
Damit mußte von diesen köstlichen Vergnügungen geschieden sein und die gute und artige Stadt Neapel verlassen werden; das ging bei unserm Herrn General und bei uns andern allen nicht ohne große Trauer und Klage ab; denn wir bedauerten es sehr, einen Ort zu verlassen, an dem wir uns so wohl befanden.
Nach Verlauf von sechs oder mehr Jahren fuhren wir wieder hinunter, um Malta zu Hilfe zu kommen. In Neapel erkundigte ich mich, ob jene meine Frau Marquise noch lebte; man sagte mir, ja, sie wäre in der Stadt. Sofort suchte ich sie auf; sogleich wurde ich auch von einem alten Hausmeister erkannt, der jener Dame berichtete, daß ich ihr die Hand küssen wollte. Meines Namens Bourdeille sich erinnernd, ließ sie mich in ihr Zimmer hinauf zum Besuch kommen. Sie hütete gerade das Bett, wegen einer kleinen Entzündung, die sie auf einer Seite der Backe hatte. Der Empfang, den sie mir bereitete, war, ich schwör es euch, ganz vorzüglich. Ich fand sie nur sehr wenig verändert und noch so schön, daß sie willentlich oder tatsächlich wohl noch eine Todsünde hätte begehen können.
Sie erkundigte sich bei mir sehr und leidenschaftlich nach Neuigkeiten von dem seligen Herrn Großprior, und wie er gestorben sei; man hätte ihr gesagt, er sei vergiftet worden; dabei verfluchte sie hundertmal den Elenden, der die Tat begangen hatte. Ich sagte ihr, das wäre nicht der Fall, und sie möchte ihre Gedanken davon befreien; er sei an einer Lungenentzündung gestorben, die er sich in der Schlacht von DreuxGelegentlich dieser Schlacht, als Katharina die Flüchtlinge vom Korps Montmorency sah und daher die Schlacht verloren glaubte, sprach sie die berühmten Worte: »Eh bien! Nous disons la messe en français!« Ein hübscher Präzedenzfall zu dem späteren: »Paris vaut bien une messe!« geholt, wo er wie ein Cäsar den ganzen Tag gekämpft hätte; am Abend beim letzten Angriff hatte er sich im Gefecht sehr erhitzt, er schwitzte, und da es fror, daß Steine davon barsten, zog er sich eine heftige Erkältung zu; er holte sich den Keim zu seiner Krankheit, und einen Monat oder sechs Wochen später starb er daran.
Mit Worten und Gebärden drückte sie aus, daß sie ihn sehr bedauerte. Es ist zu bemerken, daß er zwei oder drei Jahre vorher zwei Galeeren unter dem Befehl des Kapitän Beaulieu, eines seiner Schiffskapitäne, ausgeschickt hatte. Er hatte das Banner der Königin von Schottland gehißt, das man in den Gewässern der Levante niemals gesehen oder gekannt hatte, worüber man sehr erstaunt war; denn das von Frankreich zu nehmen, davon konnte wegen des Bündnisses mit den Türken keine Rede sein. Der Herr Großprior hatte dem besagten Kapitän Beaulieu aufgegeben, in Neapel zu landen und in seinem Auftrag die Frau Marquise und ihre Töchter zu besuchen, welchen dreien er eine Menge Geschenke von allen möglichen kleinen Merkwürdigkeiten schickte, die es damals am Hof und im Palast, in Paris und in Frankreich gab; denn der Herr Großprior war die Freigebigkeit und Großartigkeit selbst: dem entsprach der Kapitän Beaulieu und brachte ihr alles, er wurde ausgezeichnet empfangen und dafür mit einem schönen Geschenk belohnt.
Die Frau Marquise fühlte sich für dieses Geschenk und für die Erinnerung, die er ihr noch widmete, so sehr verpflichtet, daß sie es mir nochmals wiederholte, wie sehr verbunden sie ihm dafür wäre. Um seinetwillen erwies sie wiederum einem gascognischen Edelmann, der damals auf den Galeeren des Herrn Großpriors war, eine hohe Freundlichkeit; als wir fortfuhren, mußte er krank bis auf den Tod in der Stadt bleiben. Das Glück war ihm so hold, daß ihn jene Dame, als er sich in seiner Not an sie wandte, dermaßen unterstützen ließ, dass er durchkam; sie nahm ihn in ihr Haus auf und beanspruchte seine Dienste, und als auf einem ihrer Schlösser ein Verwalterposten frei wurde, verlieh sie ihm denselben und verheiratete ihn mit einer reichen Frau.
Manche von uns wußten nicht, was aus dem Edelmann geworden war, wir hielten ihn für tot, als wir aber jene Fahrt nach Malta machten, fand sich unter uns ein Edelmann, der sein jüngerer Bruder war, der eines Tages ganz absichtslos von der Hauptangelegenheit seiner Reise zu mir redete, die darin bestand, Nachrichten über einen seiner Brüder einzuholen, der bei dem Herrn Großprior gewesen und vor mehr als sechs Jahren krank in Neapel zurückgeblieben war, und seitdem habe er nichts mehr von ihm erfahren; ich erinnerte mich auch gleich wieder und erkundigte mich bei den Leuten der Frau Marquise nach ihm, die mir von ihm und seinem Glück erzählten: sofort berichtete ich es seinem Bruder, der mir sehr dafür dankte; er ging mit mir zu jener Dame, die sich noch mehr nach ihm erkundigte und ihn dahin schickte, wo er seinen Bruder fand.
Das war ein schöner Dank, den sie dem Andenken an eine, wie gesagt, schöne Erkenntlichkeit, eine immer noch lebendige Freundschaft weihte; denn sie bereitete mir darum einen noch freundlicheren Empfang und unterhielt mich sehr von den vergangenen Tagen und von einer Menge anderer Dinge, die ihre Gesellschaft sehr schön und liebenswürdig gestalteten; denn sie plauderte vortrefflich und gut und sprach vorzüglich.
Sie bat mich hundertmal, nirgendwo anders zu wohnen oder zu essen als bei ihr, aber ich wollte es nie: denn es lag nicht in meiner Natur, aufdringlich oder frech zu sein. Ich besuchte sie an jedem der sieben oder acht Tage, die wir dort waren, und war ihr höchst willkommen, und ihre Kammer stand mir stets ohne Schwierigkeit offen.
Als ich ihr Lebewohl sagte, gab sie mir Empfehlungschreiben an ihren Sohn mit, den Herrn Marquis von Pescara, damals General im spanischen Heer; außerdem nahm sie mir das Versprechen ab, daß ich bei der Rückkehr vorbeikäme, um sie wiederzusehen, und daß ich dann nirgends anders wohnen sollte als bei ihr.
Ich hatte aber soviel Unglück, daß die Galeeren, die uns zurückbrachten, uns erst in Terracina ans Land setzten, von wo wir nach Rom gingen, und daß ich nicht zurückkommen konnte; ich wollte auch an dem Feldzug gegen Ungarn teilnehmen; als wir aber in Venedig waren, erfuhren wir den Tod des großen Sultans Soliman. Da verfluchte ich hundertmal mein Mißgeschick, daß ich nicht ebensogut nach Neapel zurückgekehrt war, wo ich meine Zeit sehr gut verbracht hätte. Möglicherweise wäre mir durch Vermittlung jener Frau Marquise ein hohes Glück widerfahren, sei es durch Heirat oder sonstwie; denn sie erwies mir die Güte, mich zu lieben.
Ich glaube, mein unheilvolles Schicksal wollte es nicht, es wollte mich wieder nach Frankreich zurückführen, damit ich dort auf immer elend sein sollte; hier hat mir das Glück niemals gelächelt, es sei denn, daß es mir den Ruf eines Ehrenmannes bescherte; aber Mittel und Rang, wie viele meiner Kameraden, besitze ich nicht und muß mich sogar von noch viel niedrigeren übertreffen lassen, von denen ich sah, daß sie sich glücklich geschätzt hätten, wenn ich mit ihnen bei Hofe, in einem Zimmer des Königs oder der Königin oder in einem Saal, wenn auch auf der Seite oder über die Achsel hinweg, ein Wort zu ihnen gesagt hätte; und heute sehe ich sie aufgebläht wie Kürbisse und hoch gestellt, obgleich ich nichts mit ihnen zu schaffen habe und sie in nichts für höher achte als mich, noch auch ihnen um eines Nagels Länge in etwas nachgeben wollte.
Nun, auf mich kann ich wohl das Sprichwort anwenden, das unser Erlöser Jesus Christus einst mit eignem Mund gesprochen hat, daß »kein Prophet in seinem Vaterland gilt«. Hätte ich ausländischen Fürsten ebensogut gedient wie den meinigen und unter ihnen das Glück gewagt wie unter den unsrigen, wäre ich möglicherweise jetzt reicher an Gütern und Würden, als ich es an Jahren und Schmerzen bin. Geduld! Spann meine Parze mir's so, verfluche ich sie; liegt'an meinen Fürsten, verwünsche ich sie zu allen Teufeln, wenn sie nicht schon dort sind.
Damit habe ich meine Geschichte von dieser ehrenwerten Dame beendet; sie starb hochberühmt und in dem Ruf, eine sehr schöne und ehrbare Dame gewesen zu sein und eine schöne und adlige Nachkommenschaft hinterlassen zu haben, wie den Herrn Marquis, ihren ältesten, Don Juan, Don Carlos, Don Cesare d'Avalos, die ich alle sah und von denen ich an anderm Ort gesprochen habe; und ihre Töchter eiferten ihren Brüdern nach. Nun, damit schließe ich diese Abhandlung.