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Ungefähr dieselbe Stellung, die die Fledermäuse unter den Handtieren einnehmen, kommt den Kerbtierfressern ( Insectivora) unter den Krallentieren zu. Meist Säugetiere von unschönem und selbst häßlichem Äußern, zeichnen sich die Kerfjäger durch auffallende Verkümmerung und ebenso bemerkenswerte Vergrößerung einzelner Teile aus. Ihr Leib ist in der Regel gedrungen gebaut, der Kopf gestreckt, die Nase rüsselförmig verlängert; die Gliedmaßen, mit Ausnahme des Schwanzes und, bei einzelnen Arten, der Hinterbeine, sind verkürzt, die Sinneswerkzeuge ebensowohl hoch ausgebildet wie verkümmert; die Bekleidung des Leibes durchläuft vom weichen Sammetfell bis zum Stachelgewande verschiedene Zwischenstufen. Im Gebiß finden sich alle drei Arten von Zähnen; die Vorderzähne aber ändern bei den verschiedenen Familien und Sippen wesentlich ab, die Eckzähne erreichen bei einzelnen ausfallende Größe und sind bei anderen kleiner als die Schneidezähne, und nur die Backenzähne stimmen insofern überein, als die vorderen von ihnen ein-, die Hinteren dagegen mehrspitzig sind. Unter den Muskeln verdient der bei einzelnen Arten besonders ausgebildete Hautrollmuskel der Erwähnung. Das Gehirn ist dem der Flattertiere ähnlich und verhältnismäßig klein; die windunglosen Hemisphären des Großhirns bedecken das kleine Gehirn. Mit dieser Leibesbildung stehen die geistigen Fähigkeiten und die Lebensweise im Einklang. Die Kerbtierfresser sind stumpfe, mürrische, mißtrauische, scheue, die Einsamkeit liebende und heftige Gesellen. Bei weitem die meisten leben unterirdisch, grabend und wühlend oder wenigstens in sehr tief verborgenen Schlupfwinkeln sich aufhaltend; einige bewohnen jedoch auch das Wasser und andere die Bäume. Durch ihre erstaunliche Tätigkeit tun sie der Vermehrung der schädlichen Kerfe und Würmer, der Schnecken und anderer niederer Tiere, selbst auch der Ausbreitung mancher kleinen Nager wesentlichen Abbruch. Sie sind also fast ohne Ausnahme höchst nützliche Arbeiter im Weinberge, werden jedoch nur von dem Naturkundigen erkannt und geachtet; die große Menge verabscheut sie. Man sieht hierin, wie Vogt sagt, so recht die Wahrheit des alten Sprichwortes, daß die Nacht keines Menschen Freund ist. »Was nur irgend in der Dunkelheit fleucht und kreucht, wird von dem Volksgefühl schon ohne weitere Untersuchung gehaßt, und es hält außerordentlich schwer, der Allgemeinheit die Überzeugung beizubringen, daß die Späher und Häscher, die dem im Dunkeln schleichenden Verderber auf die Spur kommen wollen, auch den Gängen desselben nachspüren müssen und nicht am hellen Tageslicht ihrer Verfolgung obliegen können.
Ein Blick in den geöffneten Rachen eines Kerfjägers überzeugt uns unmittelbar, daß diese Tiere nur Fleischfresser sein können, noch fleischfressender, wenn man sich so ausdrücken darf, als Katzen und Hunde, die das System vorzugsweise Fleischfresser nennt. Die beiden Kiefern starren von Spitzen und geschärften Zacken; dolchähnliche Zahnklingen treten bald an der Stelle der Eckzähne, bald weiter hinten über die Ebene der Kronzacken hervor; scharfe Pyramiden, den Spitzen einer auf zwei Reihen doppelt geschärften Säge ähnlich, wechseln mit Zahnformen, die den Klingen der englischen Taschenmesser nicht unähnlich sind. Die ganze Einrichtung weist darauf hin, daß die Zähne dazu bestimmt sind, selbst hartschalige Insekten, wie Käfer, zu packen und zu halten. Diese Charaktere können nicht trügen, denn, wie Savarin, der berühmte französische Gastronom, den Satz aufstellen konnte: »Sage mir, was du issest, und ich sage dir, was du bist«, so kann man auch von den Säugetieren sagen: »Zeige mir deine Zähne, und ich sage dir, was du issest und wer du bist«. Der Kerbtierfresser kaut und mahlt nicht mit seinen Zähnen; er beißt und durchbohrt nur. Seine Zahnkronen werden nicht von oben her abgerieben, sondern nur geschärft durch das seitliche Ineinandergreifen der Zacken des Gebisses. Man nehme sich nur die Mühe, das Gebiß eines kleinen Nagers, z. B. einer Ratte, mit demjenigen eines Maulwurfs zu vergleichen, und das unterscheidende Gepräge beider wird mit größter Bestimmtheit in die Augen springen. Das Gebiß einer Spitzmaus, zu den Maßen desjenigen eines Löwen vergrößert, würde ein wahrhaft schauderhaftes Zerstörungswerk darstellen.
Ich glaube nicht, daß man den Nutzen, den diese Tiere dem Menschen bringen, mit weniger Worten und schärfer bezeichnen könnte, als es Vogt hier getan hat. Aber gegen das einmal eingewurzelte Vorurteil der Menschen läßt sich leider allzu schwer ankämpfen, und traurigerweise ist der Satz nur zu tief begründet, daß der Mensch oft gerade das, was ihm den meisten Nutzen bringt, durchaus nicht anerkennen will. Man verfolgt die kleinen Wühler ihrer unschönen Gestalt, ihrer Lebensweise wegen, wo man sie antrifft, und vergißt dabei gänzlich, was sie leisten, was sie sind. Anders freilich wird derjenige handeln, der sich mit ihrem Leben näher beschäftigt. Er findet so vieles, was ihn anzieht und fesselt, daß er sehr bald die unschöne Körpergestalt vergißt und ihnen allen nun seine größte Teilnahme und Unterstützung zukommen läßt.
Mehrere Kerbtierräuber halten einen Winterschlaf und würden zugrunde gehen, wenn die Natur nicht in dieser Weise für ihre Erhaltung gesorgt hätte. Mit der eintretenden Kälte macht das niedere Tierleben gewissermaßen einen Stillstand, und Tausende und andre Tausende der unsern Räubern zur Nahrung bestimmten Geschöpfe schlummern entweder in den ewigen Schlaf oder wenigstens in einen zeitweiligen hinüber; damit verödet die Erde für die Feinde der Kerbtiere, und sie müssen jetzt, weil sie nicht wandern können wie die Vögel, dem Vorgange jener gewissermaßen Folge leisten. So ziehen sie sich denn nach den verborgensten Schlupfwinkeln zurück oder bereiten sich selbst solche und fallen hier in den tiefen Winterschlaf, der, wie wir oben kennenlernten, zeitweilig fast alle Regungen des Lebens aufhebt und somit ihrem Leibe bis zum neuen Erwachen die Lebenstätigkeit erhält. Doch schlafen nur diejenigen Arten der Ordnung, die weniger als die übrigen Räuber sind, bezüglich neben der tierischen Nahrung auch Pflanzenstoffe fressen, während gerade die eifrigsten Kerbtierräuber im Winter wie im Sommer ihrem Gewerbe nachgehen. Unter dem Schnee oder unter der Erde wie in der Tiefe des Wassers währt auch im Winter noch das Leben, das Rauben und Morden fort; dasselbe ist selbstverständlich ebenso in den glücklichen Ländern der Fall, in denen es einen ewigen Sommer oder wenigstens keinen Winter gibt, möge er nun durch die sengende Glut des Südens oder die erstarrende Kälte des Nordens hervorgebracht werden.
Nach diesen Bemerkungen läßt sich die Verbreitung unserer Tiere von vornherein feststellen. Sie finden sich hauptsächlich in den gemäßigten Ländern der Erde und in den wasserreichen Gegenden unter den Wendekreisen, nehmen aber sowohl nach Norden hin wie dort, wo die Hitze allgemeine Trockenheit hervorruft, bedeutend an Arten ab. Wasserreiche oder doch feuchte Waldungen, Haine, Pflanzungen und Gärten bilden auch für sie Lieblingswohnsitze, von denen sie kaum jemals sich trennen. Hier treiben sie still und geräuschlos ihre Jagd, weitaus die meisten bei Nacht, einige aber auch angesichts der Sonne. Im Verhältnis zu ihrer Größe sind sie als überaus gefräßige Tiere zu bezeichnen, und hiermit im Einklang stehen Raubgier und Mordsucht, die fast alle betätigen. Einzelne überfallen Tiere von viel bedeutenderer Größe, als sie selbst sind, stehen also hierin den Katzen und Hunden nicht im geringsten nach. Ihre Fortpflanzung fällt in die Frühlingsmonate der betreffenden Heimat; die Anzahl der Jungen schwankt zwischen eins und sechzehn. Für den menschlichen Haushalt haben alle Arten nur mittelbare Bedeutung. Einige werden gegessen, andre auch wohl zur Vertilgung von Mäusen in Gefangenschaft gehalten; hierauf beschränkt sich die unmittelbare Nutzung der im ganzen wenig beachteten Genossenschaft.
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Weder Halbaffe noch Fledermaus, haben die Pelzflatterer ( Galeopithecus), Vertreter einer besonderen Familie und einzigen Sippe, den Forschern von jeher viel Kopfzerbrechen gemacht. Linné stellt sie zu den Halbaffen, Cuvier zu den Fledermäusen, Geoffroy zu den Raubtieren, Oken zu den Beuteltieren und Peters endlich, wohl mit Recht, zu den Kerbtierfressern, deren Reihe sie eröffnen.
Die Pelzflatterer sind katzengroße Tiere von schlankem Leibesbau, deren mittellange Gliedmaßen durch eine breite und dicke, auf beiden Seiten behaarte Haut verbunden werden. Ihre fünf Zehen haben zurückziehbare Krallennägel und keinen der übrigen Hand entgegensetzbaren Daumen. Der kurze Schwanz steckt mit in der Flatterhaut. Der Kopf ist verhältnismäßig klein, die Schnauze sehr verlängert, die Augen sind mäßig groß, die behaarten Ohren klein. Die Flatterhaut ist keine Flughaut, sondern nur ein Fallschirm, der den Leib zu weiten Sprüngen und langsamerem Fallen befähigt, hat also mit der Flughaut der Fledermäuse keine Ähnlichkeit. Sie ist eine Fortsetzung der Leibeshaut, beginnt am Halse, verbindet sich mit dem Vorderbein, umhüllt dieses bis zur Hand, verläuft in gleichmäßiger Breite nach der Hinterhand und geht nun endlich nach der Schwanzspitze. So stecken alle Glieder gleichsam in ihr.
Der Kaguang ( Galeopithecus) erreicht eine Gesamtlänge von 60 Zentimetern, wovon 11 bis 12 Zentimeter auf den Schwanz kommen, und trägt auf dem Rücken ein dichtes, an den Vorderarmen ein spärliches Haarkleid, während die Achselgegend wie die Leibesseiten nackt sind. Oberseits ist es braunrot, unterseits etwas düsterer, in der Jugend oben bräunlichgrau, an den Seiten dunkelbraun gefärbt, in jedem Alter aber auf den Gliedmaßen und der Flatterhaut licht gefleckt. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich, die Arteinheit der verschiedenen Formen angenommen, über die Sundainseln, Molukken und Philippinen, einschließlich der Halbinsel Malakka und der sie inngebenden kleinen Eilande.
Über Tag sitzt der Pelzflatterer, der einsam in den hohen Gebirgswäldern Javas lebt, aus den Ästen der Bäume zwischen den Moospolstern still, daß es fast unmöglich wird, ihn zu entdecken. Seine scharfen Krallen befähigen ihn zu gewandtem und sicherem Klettern, während er jedoch auf dem Boden mühsam und schwerfällig dahinkriecht. Er steigt, Früchte pflückend und Kerbtiere suchend, aufwärts, bis er den Wipfel eines Baumes erklommen hat, und schwebt sodann schief nach einer andern Baumkrone herab. Während er geht oder klettert, ist seine Flatterhaut leicht zusammengefaltet und an den Leib gelegt, hindert also die Bewegung nicht; wenn er sich des Fallschirmes bedienen will, läuft er auf eine Astspitze hinaus, springt von dort mit einem kräftigen Satze ab, streckt in der Luft alle Glieder von sich und schwebt nun langsam, schief von oben nach unten, über Zwischenräume, deren Weite nicht selten sechzig Meter betragen soll. Niemals erhebt er sich über die Höhe, aus der er seinen Sprung begann, immer senkt er sich in einer sehr geneigten Ebene nach unten.
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Genauer kennen wir die Rohrrüßler ( Macroselides), die eine der bemerkenswertesten Familien der Ordnung bilden. Während die Spitzhörnchen zum Teil den Schwanz der Springmäuse haben, besitzen die Rohrrüßler deren lange, dünne und fast haarlose Hinterbeine und dazu die längste Nase unter allen Spitzmäusen, eine Nase, die zu einem förmlichen Rüssel geworden ist und ihnen auch den deutschen Namen verschafft hat, während der Sippenname soviel wie Langschenkel bedeutet. Der Rüssel zeigt in der Mitte nur einen dünnen Haaranflug und an der Wurzel einen ziemlich starken Haarkamm, die Spitze dagegen ist ganz nackt. Außerdem zeichnet sich der Kopf durch die großen Augen und die ansehnlichen, frei hervorragenden und mit inneren Läppchen versehenen Ohren sowie durch die langen Schnurren aus. Der ziemlich kurze, dicke Leib ruht auf sehr verschiedenen Beinen. Das Hinterpaar ist auffallend verlängert und ganz wie bei den Wüstenmäusen gebaut, während die Vorderbeine verhältnismäßig länger als bei diesen sind; die drei mittleren Zehen der Vorderfüße sind gleich lang, der Daumen ist an ihnen weit hinaufgerückt; die Hinterpfoten haben fünf, ausnahmsweise vier, kurze, feine Zehen, mit kurzen, schwachen und stark gekrümmten Krallen. Die Verlängerung der Hinterbeine beruht hauptsächlich auf der ansehnlichen Länge des Schienbeines und des Mittelfußes, die verhältnismäßig bei keinem andern Raubtiere in gleicher Länge vorkommen. Der dünne, kurz behaarte Schwanz ist meistens etwas kürzer als der Körper. Der reichliche Pelz ist sehr dicht und weich.
Die Elefantenspitzmaus oder der gemeine Rohrrüßler ( Macroselides typicus), Vertreter der artenreichsten, durch volles Gebiß und fünfzehige Füße sich kennzeichnenden gleichnamigen Sippe, ist 25 Zentimeter lang, wovon auf den Schwanz 11,5 Zentimeter, auf den Rüssel fast 2 Zentimeter kommen, oberseits bald heller, bald dunkler, bald rötlichbraun oder mäusegrau, unterseits und an den Pfoten dagegen mehr oder weniger rein weiß gefärbt; über den rostbraunen, an der Spitze rötlichschwarzen Rüssel, und zwar von dessen Wurzel bis zur Stirne, verläuft ein rötlichbrauner Strich; die Ohren sind innen weiß.
Unsere Elefantenspitzmaus ähnelt in ihrer Lebensweise vollständig den übrigen Rohrrüßlern, die ausnahmslos in Afrika, zumal in Südafrika, zu Hause sind und die sonnendurchglühten, kahlen Gelände beleben. Die Tiere bewohnen hier mit Vorliebe die steinigen Berge und finden in tiefen und schwer zugänglichen Löchern unter Steinen, in Felsenritzen und in Höhlen anderer Tiere Zuflucht bei jeder Gefahr, die sie in der geringfügigsten Erscheinung zu erblicken vermeinen. Es sind echte Tag-, ja wahre Sonnentiere, die sich gerade während der glühendsten Mittagshitze am wohlsten befinden und dann auch am eifrigsten ihrer Jagd nachgehen. Die Nahrung besteht hauptsächlich aus Kerfen, die sie geschickt zu fangen oder aus Ritzen und Spalten hervorzuziehen Wissen. Wenn man sich gut versteckt, kann man ihr lebendiges Treiben beobachten; die geringste Bewegung aber scheucht sie augenblicklich in ihre Schlupfwinkel zurück, und dann vergeht eine ziemliche Zeit, bevor sie sich von neuem zeigen. Endlich kommt eins um das andere wieder hervor und hüpft nun in der auf unserer Abbildung ebenfalls wiedergegebenen Stellung außerordentlich hurtig und rasch umher, äugt und lauscht nach allen Seiten hin, hascht im Sprunge nach vorüberfliegenden Kerbtieren oder sucht und schnüffelt zwischen den Steinen umher, jeden Winkel, jede Ritze, jede Spalte mit der feinen Rüsselnase untersuchend. Oft setzt sich eins auf einen von der Sonne durchglühten Stein und gibt sich hier mit größtem Wohlbehagen der Wärme hin, nicht selten auch spielen zwei lustig miteinander.
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Was die Marder unter den Raubtieren, find die Spitzmäuse ( Soricidae) unter den Kerbtierfressern. Wie jene besitzen sie alle Fähigkeiten, die ein echtes Räuberleben möglich machen, sie sind in allen Gebieten der Erde zu Hause und zeigen einen Mut, einen Blutdurst, eine Grausamkeit, die mit ihrer geringen Größe gar nicht im Verhältnis stehen.
Die Spitzmäuse, neben den Fledermäusen die kleinsten aller Säugetiere, sind regelmäßig schlank, der Kopf lang, der Schnauzenteil gestreckt, das Gebiß sehr vollständig und aus außerordentlich scharfen Zähnen zusammengesetzt. Den Leib bekleiden weiche, sammetähnliche Haare, die Lippen und Füße wie den Schwanz straffere Härchen, die Wangen lange Schnurren, die Fußseiten starke, nach der nackten Fußsohle hin scharf abgesetzte Borstenhaare.
Gegenwärtig verbreiten sich die Spitzmäuse über die Alte Welt und Amerika; in Australien dagegen fehlen sie gänzlich. Sie leben ebensowohl in Ebenen wie in höher gelegenen Gegenden, selbst auf den Voralpen und Alpen, am liebsten aber in dichteren Wäldern und Gebüschen, auf Wiesen und Auen, in Gärten und Häusern. Die meisten geben feuchten Orten den Vorzug; einige treiben sich im Wasser umher. Viele führen ein unterirdisches Leben, indem sie sich selbst Löcher oder Gänge graben oder die schon vorhandenen benutzen, nachdem sie den rechtmäßigen Eigentümer mit Güte oder Gewalt vertrieben haben. Fast alle suchen die Dunkelheit oder den Schatten und scheuen die Dürre, die Hitze, das Licht, sind auch gegen derartige Einflüsse so empfindlich, daß sie den Sonnenstrahlen häufig unterliegen. Ihre Bewegungen sind außerordentlich rasch und behend, sie mögen so verschiedenartig sein, als sie wollen. Diejenigen, die bloß laufen, huschen pfeilschnell dahin, die Schwimmer stehen keinem Binnenlandsäugetiere nach.
Unter den Sinnen der Spitzmäuse scheint der Geruch obenan zu stehen, nächstdem ist das Gehör besonders ausgebildet, das Auge dagegen mehr oder weniger verkümmert. Ihre geistigen Fähigkeiten sind gering; dennoch läßt sich ein gewisser Grad von Verstand nicht ableugnen. Sie sind raub- und mordlustig im hohen Grade und kleineren Tieren wirklich furchtbar, während sie größeren bedächtig ausweichen. Schon bei dem geringsten Geräusche ziehen sich die meisten nach ihren Schlupfwinkeln zurück, haben aber auch Ursache, dies zu tun, weil sie gegen starke Tiere so gut als wehrlos sind. Wir müssen die meisten von ihnen von unserm Standpunkte aus nicht nur als harmlose, unschädliche Tiere betrachten, sondern in ihnen höchst nützliche Geschöpfe erkennen, die uns durch Vertilgung schädlicher Kerfe erhebliche Dienste leisten. Ihre Nahrung ziehen sie nämlich fast nur aus dem Tierreiche: Kerbtiere und deren Larven, Würmer, Weichtiere, kleine Vögel und Säugetiere, unter Umständen aber auch Fische und deren Eier, Krebse usw. fallen ihnen zur Beute. Ungemein gefräßig, verzehren sie täglich so viel, als ihr eigenes Gewicht beträgt. Keine einzige Art kann den Hunger längere Zeit vertragen; sie halten deshalb auch keinen Winterschlaf, sondern treiben sich bei einigermaßen milder Witterung sogar aus dem verschneiten Boden umher oder suchen an geschützten Orten, z. B. in menschlichen Wohnungen, ihre Nahrung auf. Die Stimme aller Arten besteht in feinen, zwitschernden oder quiekenden und pfeifenden Lauten; in der Angst lassen sie klägliche Töne vernehmen, und bei Gefahr verbreiten alle einen stärkeren oder schwächeren Moschus- oder Zibetgeruch, der sie im Leben zwar nicht gegen ihre Feinde bewahrt, sie aber doch nur sehr wenigen Tieren als genießbar erscheinen läßt. So lassen die Hunde, Katzen und Marder gewöhnlich die getöteten Spitzmäuse liegen, ohne sie aufzufressen, während die meisten Vögel, bei denen Geruch- und Geschmacksinn weniger entwickelt sind, sie als Nahrung nicht verschmähen.
Die meisten Spitzmäuse sind fruchtbare Geschöpfe; denn sie werfen zwischen vier und zehn Junge. Gewöhnlich kommen diese nackt und mit geschlossenen Augen zur Welt, entwickeln sich aber rasch und sind schon nach Monatsfrist imstande, ihr eigenes Gewerbe zu betreiben.
Der Mensch kann unsere Tiere unmittelbar nicht verwerten; wenigstens wird nur von einer einzigen Art das Fell als Pelzwerk und der stark nach Zibet riechende Schwanz als Mittel gegen die Motten benutzt, das Fleisch aber nirgends gegessen. Um so größer ist der mittelbare Nutzen, den die Spitzmäuse bringen. Dieser Nutzen muß schon von den alten Ägyptern anerkannt worden sein, weil sie eine Art von ihnen einbalsamiert und mit ihren Toten begraben haben.
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In der ersten Unterfamilie vereinigt man die Spitzmäuse ( Soricina) im engeren Sinne. Sie bilden den Kern der Familie. Die Waldspitzmaus ( Sorex vulgaris) gehört zu den bekanntesten Tieren unseres Vaterlandes. An Größe steht sie der Hausmaus etwas nach: ihre Länge beträgt 11 Zentimeter, wovon 4,5 Zentimeter auf den Schwanz kommen. Die Färbung des feinen Sammetpelzes spielt zwischen lebhaftem Rotbraun und dem glänzendsten Schwarz; die Seiten sind immer lichter gefärbt als der Rücken, die Unterteile graulichweiß mit bräunlichem Anfluge, die Lippen weißlich, die langen Schnurren schwarz, die Pfoten bräunlich, der Schwanz oben dunkelbraun, unten aber bräunlichgelb.
Man findet die Waldspitzmaus in Deutschland, Schweden, England, Frankreich, Italien, Ungarn und Galizien, wahrscheinlich auch im benachbarten Rußland, in der Höhe sowohl wie in der Tiefe, auf Bergen wie in Tälern, in Feldern, Gärten, in der Nähe von Dörfern oder in Dörfern selbst und gewöhnlich nahe bei Gewässern. Im Winter kommt sie in die Häuser oder wenigstens in die Ställe und Scheuern herein. Bei uns ist sie die gemeinste Art der ganzen Familie. Sie bewohnt am liebsten unterirdische Höhlen und bezieht deshalb gern die Gänge des Maulwurfs oder verlassene Mauselöcher, falls sie nicht natürliche Ritzen und Spalten im Gestein auffindet. In weichem Boden gräbt sie mit einem Rüssel und den schwachen Vorderpfoten selbst Gänge aus, die regelmäßig sehr oberflächlich unter der Erde dahinlaufen. Wie die meisten andern Arten der Familie ist auch sie ein vollkommenes Nachttier, das bei Tage nur ungern seinen unterirdischen Aufenthaltsort verläßt. Niemals tut sie dies während der Mittagssonne, und es scheint wirklich, daß die Sonnenstrahlen ihr überaus beschwerlich fallen; wenigstens nimmt man an, daß die vielen toten, die man im Hochsommer an Wegen und Gräben findet, von der Sonne geblendet, den Eingang ihrer Höhle nicht wieder auffinden konnten und deshalb zugrunde gingen.
Unaufhörlich sieht man die Spitzmaus beschäftigt, mit ihrem Rüssel nach allen Richtungen hin zu schnüffeln, um Nahrung zu suchen, und was sie findet und überwältigen kann, ist verloren: sie frißt ihre eigenen Jungen oder die Getöteten ihrer eigenen Art auf. »Ich habe«, sagt Lenz, »oft Spitzmäuse in Kisten gehabt. Mit Fliegen, Mehlwürmern, Regenwürmern und dergleichen sind sie fast gar nicht zu sättigen. Ich mußte jeder täglich eine ganze tote Maus oder Spitzmaus oder ein Vögelchen von ihrer eigenen Größe geben. Sie fressen, so klein sie sind, täglich ihre Maus auf und lassen nur Fell und Knochen übrig. So habe ich sie oft recht fett gemästet; läßt man sie aber im geringsten Hunger leiden, so sterben sie. Ich habe auch versucht, ihnen nichts als Brot, Rüben, Birnen, Hanf, Mohn, Rübsamen Kanariensamen usw. zu geben; aber sie verhungerten lieber, als daß sie anbissen. Bekamen sie fettgebackenen Kuchen, so bissen sie dem Fett zu Liebe an: fanden sie eine in einer Falle gefangene Spitzmaus oder Maus, so machten sie sich augenblicklich daran, selbige aufzufressen. Bei guter Abwartung hält die Waldspitzmaus monatelang in Gefangenschaft aus.«
Der Dichter Welcker band einer lebenden Spitzmaus einen festen Faden an den Hinterfuß und ließ sie auf dem Felde in von Mäusen bewohnte Löcher kriechen. Nach einer kurzen Zeit kam aus einem derselben eine Ackermaus in größter Angst hervorgekrochen, aber mit der Spitzmaus auf dem Rücken. Das gierige Raubtier hatte sich mit den Zähnen im Nacken des Schlachtopfers eingebissen, saugte ihm luchsartig das Blut aus, tötete es in kurzer Zeit und fraß es auf.
Die Bewegungen der Waldspitzmaus sind außerordentlich rasch und behend. Sie läuft huschend gewandt auf dem Boden dahin, springt ziemlich weit, vermag an schiefen Stammen emporzuklettern und versteht im Notfalle recht leidlich zu schwimmen. Ihre Stimme besteht in einem scharfen, feinzwitschernden, fast pfeifenden, aber leisen Ton, wie ihn auch die übrigen Arten der Familie vernehmen lassen. Unter den Sinnen steht unzweifelhaft der Geruch obenan. Es kommt oft vor, daß lebend gefangene, die wieder freigelassen werden, in die Falle zurücklaufen, bloß weil diese den Spitzmausgeruch an sich hat. Ihrem Gesichte scheint die Spitzmaus nicht zu folgen, und ebenso muß ihr Gehör ziemlich schwach sein; die feine Nase ersetzt aber auch beide Sinne fast vollkommen.
Es gibt wenig andere Tiere, die so ungesellig sind und sich gegen ihresgleichen so abscheulich benehmen wie eben die Spitzmäuse; bloß der Maulwurf noch dürfte ihnen hierin gleichkommen. Nicht einmal die verschiedenen Geschlechter leben, die Paarzeit ausgenommen, im Frieden miteinander. Sonst frißt eine Spitzmaus die andere auf, sobald sie derselben habhaft werden und sie überwältigen kann. Oft sieht man zwei von ihnen in einen so wütenden Kampf verwickelt, daß man sie mit den Händen greifen kann; sie bilden einen förmlichen Knäuel und rollen nun über den Boden dahin, fest ineinander verbissen und mit einer Wut aneinanderhängend, die des unflätigsten Bulldoggen würdig wäre. Ein wahres Glück ist es, daß die Spitzmäuse nicht Löwengröße haben: sie würden die ganze Erde entvölkern und schließlich verhungern müssen.
Die trächtige Spitzmaus baut sich ein Nest aus Moos, Gras, Laub und Pflanzenstengeln, am liebsten im Mauerwerk oder unter hohlen Baumwurzeln, versieht es mit mehreren Seitengängen, füttert es weich aus und wirft hier zwischen Mai und Juli fünf bis zehn Junge, die nackt und mit geschlossenen Augen und Ohren geboren werden. Anfänglich säugt die Alte die Sprößlinge mit vieler Zärtlichkeit, bald aber erkaltet ihre Liebe, und die Jungen machen sich nun auf, um sich selbständig ihre Nahrung zu erwerben. Dabei schwinden, wie bemerkt, alle geschwisterlichen Rücksichten; denn jede Spitzmaus versteht schon in der Jugend unter Nahrung nichts anderes als alles Fleisch, das sie erbeuten kann, sei es auch der Leichnam ihres Geschwisters.
Auffallend ist, daß die Spitzmäuse nur von wenigen Tieren gefressen werden. Die Katzen töten sie, wahrscheinlich, weil sie sie anfangs für eine Maus halten, beißen sie aber nur tot, ohne sie jemals zu fressen. Auch die Marderarten scheinen sie zu verschmähen. Bloß einige Raubvögel sowie der Storch und die Kreuzotter verschlingen sie ohne Umstände und mit Behagen. Jedenfalls hat die Abneigung der geruchsbegabten Säugetiere ihren Grund in dem Widerwillen, den ihnen die Ausdünstung der Spitzmäuse einflößt. Dieser starke moschusartige Geruch wird durch zwei Absonderungsdrüsen hervorgebracht, die sich an den Seiten des Leibes, und zwar näher an den Vorder- als an den Hinterbeinen finden, und teilt sich allen Gegenständen, die die Spitzmaus berührt, augenblicklich mit.
Es ist möglich, daß der Aberglaube, unter dem die Spitzmäuse in manchen Gegenden Europas zu leiden haben, in diesem Geruche mit begründet ist. Hier und da, in England z. B., wird das harmlose Tier fast noch mehr gefürchtet als die tückische Viper. Jedermann sieht ein, daß eine Spitzmaus dem Menschen mit ihren feinen, dünnen Zähnen nicht das geringste zu Leide tun kann, und dennoch schreibt man ihrem Bisse die giftigsten Wirkungen zu. Ja, das bloße Berühren von einer Spitzmaus wurde als ein sicherer Vorbote irgend welchen Übels gedeutet, und Tier oder Mensch, die »spitzmausgeschlagen« waren, mußten, nach allgemein gültiger Meinung aller alten Waschweiber in Frauen- oder Männertracht, notwendigerweise demnächst erkranken, falls sie nicht ein eigentümliches Mittel schleunigst anwandten. Dieses Heilmittel, das allein gegen die Spitzmauskrankheit helfen konnte, bestand in den Zweigen einer »Spitzmausesche«, die durch ein sehr einfaches Verfahren zu dem heilkräftigen Baume gestempelt worden war. Eine lebendige Spitzmaus wurde gefangen und mit Siegesjubel zu der Esche gebracht, der die Ehre zuteil werden sollte, das Menschengeschlecht vor den Schlingen des Satans in Gestalt des kleinen Raubtieres zu schützen. Man bohrte ein großes Loch in den Stamm der Esche, ließ die Spitzmaus hineinkriechen und verschloß das Loch durch einen festen Pfropfen. So kurze Zeit nun auch das Leben des solchem Wahne geopferten Tieres in dem engen Gefängnisse währen konnte, so kräftig war doch die Wirkung; denn von diesem Augenblick an erhielt die Esche ihre übernatürlichen Kräfte.
Der Waldspitzmaus ähnelt in Gestalt, Färbung, Vorkommen und Lebensweise nahezu völlig die Zwergspitzmaus ( Sorex minutus). Nur in der Größe unterscheidet sie sich deutlich von ihr; die Zwergspitzmaus wird nämlich nur 8 Zentimeter lang, wovon 3,4 Zentimeter auf den Schwanz kommen.
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Die Hausspitzmaus ( Crocidura Araneus), ein Tierchen von 11,5 Zentimeter Gesamt- oder 7 Zentimeter Leibes- und 4,5 Zentimeter Schwanzlänge, bei uns zulande häufiger Vertreter der Sippe der Feldspitzmäuse, ist oberseits braungrau, in der Jugend schwärzlichgrau, unterseits ohne scharfe Abgrenzung der Färbung heller grau, an Lippen und Füßen bräunlichweiß, auf dem Schwanze oben hellbraungrau, unten graulichweiß behaart. Das Gebiß besteht aus 28 Zähnen.
Von Nordafrika an verbreitet sich die Hausspitzmaus über Süd-, West- und Mitteleuropa bis Nordrußland, kommt auch im nordöstlichen Sibirien vor, scheint dagegen in England, Dänemark, Skandinavien und Holland zu fehlen. Sie ist, laut Blasius, gewissermaßen an Feld und Garten gebunden, zieht beide wenigstens dem Walde und seinen Rändern, wo sie zuweilen gefunden wird, entschieden vor. Keine ihrer Verwandten gewöhnt sich so leicht an die Umgebung des Menschen, keine kommt so oft in die Gebäude, zumal in Scheuern und Ställe, herein wie sie. In Kellern und Speisekammern siedelt sie sich gern an, vorausgesetzt, daß dunkle Winkel, die ihr Schlupforte gewähren, vorhanden sind. Im Freien jagt sie in den Früh- und Abendstunden auf Kleingetier aller Art, vom kleinen Säugetier an bis zum Wurm herab; in den Häusern benascht sie Fleisch, Speck und Öl. Ihre Sitten und Gewohnheiten ähneln denen der Waldspitzmaus fast in jeder Hinsicht. Im Freien wirft sie im Sommer, in warmen Gebäuden auch in den Herbst- und Wintermonaten fünf bis zehn nackte und blinde Junge auf ein verstecktes und ziemlich sorgsam mit weichen Stoffen ausgebettetes Lager; nach Verlauf von etwa sechs Wochen haben die Jungen bereits fast die Größe der Alten erreicht und sind selbständig geworden, gehen wenigstens schon ebensogut wie die Alte auf Raub aus. Ungeachtet ihrer Näschereien ist auch die Hausspitzmaus ein vorwiegend nützliches Tier, das durch Wegfangen von allerlei Ungeziefer seine unbedeutenden Übergriffe reichlich sühnt, also unsere Schonung verdient.
Eine zweite Art der Sippe, die Wimperspitzmaus ( Crocidura suaveolens), verdient aus dem Grunde erwähnt zu werden, weil sie neben einer Fledermaus das kleinste aller bis jetzt bekannten Säugetiere ist. Ihre Gesamtlänge beträgt nur 6,5 Zentimeter, wovon 2,5 Zentimeter auf den Schwanz kommen. Die Färbung des sammetweichen Pelzes ist hellbräunlich oder rötlichgrau, der Schwanz oben bräunlich, unten lichter, der Rüssel und die Pfoten sind fleischfarben, die Füße haben weißliche Härchen; ältere Tiere sehen heller und rostfarbig, junge dunkler und mehr graufarbig aus. Beachtung verdient die verhältnismäßig sehr große Ohrmuschel.
Die Wimperspitzmaus kommt fast in allen Ländern vor, die rings um das Mittelländische und Schwarze Meer liegen. Sie ist im Norden Afrikas, im südlichen Frankreich, in Italien und der Krim gefunden worden. In ihrer Lebensweise ähnelt sie ihren Sippschaftsverwandten. Zum Aufenthaltsort wählt sie sich am liebsten Gärten in der Nähe von Dörfern; aber sie kommt auch in Gebäuden und Wohnungen vor. Da sie viel zarter und empfindlicher gegen die Kälte ist als unsere nordischen Arten, sucht sie sich gegen den Winter dadurch zu schützen, daß sie sich besonders warme Aufenthaltsorte für die kalten Monate auswählt.
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Die Wasserspitzmaus ( Crossopus fodiens), ein in ihrer Färbung vielfach abänderndes Tier, gehört zu den größeren Arten der bei uns vorkommenden Spitzmäuse. Ihre Gesamtlänge beträgt 11,8 Zentimeter, wovon 5,3 Zentimeter auf den Schwanz kommen. Der feine, dichte und weiche Pelz ist gewöhnlich auf dem Oberkörper schwarz, im Winter glänzender als im Sommer, auf dem Unterkörper aber grauweiß oder weißlich, zuweilen rein, manchmal mit Grauschwarz teilweise gefleckt. Die Haare des Pelzes stehen so dicht, daß sie vollkommen aneinander schließen und keinen Wassertropfen bis auf die Haut eindringen lassen. Die Schwimmhaare, die nach dem Alter der Jahreszeit länger oder kürzer sind, lassen sich so ausbreiten, daß sie wie die Zinken eines Kammes auf jeder Seite der Füße hervorstehen und auch wieder so knapp an die Seiten dieser Teile anlegen, daß man sie wenig bemerkt. Sie bilden, gehörig gebreitet, ein sehr vollkommenes Ruder und leisten vortreffliche Dienste. Nach Belieben können sie entfaltet und wieder zusammengelegt und beim Laufen so angedrückt werden, daß sie hinlänglich gegen die Abnutzung geschützt sind.
Wie es scheint, ist die Wasserspitzmaus über fast ganz Europa und einen Teil Asiens verbreitet und an geeigneten Orten überall häufig zu finden. Ihre Nordgrenze erreicht sie in England und in den Ostseeländern, ihre Südgrenze in Spanien und Italien. In den Gebirgen steigt sie zu bedeutenden Höhen empor, in den Alpen etwa bis zu 2000 Meter über dem Meere. Sie bewohnt vorzugsweise die Gewässer gebirgiger Gegenden und am liebsten solche, in denen es auch bei der größten Kälte noch offene Quellen gibt, weil diese ihr im Winter, um frei aus- und einzugehen, ganz unentbehrlich sind. Bäche gebirgiger Waldgegenden, die reines Wasser, sandigen oder kiesigen Untergrund haben, mit Bäumen besetzt sind und von Gärten oder Wiesen eingeschlossen werden, scheinen Lieblingsorte von ihr zu sein. Ebenso gern aber hält sie sich in Teichen mit hellem Wasser und einer Decke von Meerlinsen auf. Zuweilen findet man sie hier in erstaunlicher Menge. Oft wohnt sie mitten in den Dörfern, gern in der Nähe der Mühle; doch ist sie nicht an das Wasser gebunden, läuft vielmehr auch auf den an den Bächen liegenden Wiesen umher, verkriecht sich unter Heuschobern, geht in Scheuern und Ställe, selbst in das Innere der Häuser, und kommt manchmal auf Felder, die weit vom Wasser entfernt sind. In lockerem Boden nahe am Wasser gräbt sie sich selbst Röhren, benutzt aber doch noch lieber die Gänge der Mäuse und Maulwürfe, die sie in der Nähe ihres Aufenthaltsortes vorfindet. Ein Haupterfordernis ihrer Wohnung ist, daß die Hauptröhre verschiedene Ausgänge hat, von denen der eine in das Wasser, die andern über der Oberfläche desselben und noch andere nach dem Lande zu münden. Die Baue sind Schlaf- und Zufluchtsorte des Tierchens und gewähren ihm bei Verfolgung der Katzen und anderer Raubtiere eine sichere Unterkunft.
In dieser Wohnung bringt die Wasserspitzmaus an belebten Orten gewöhnlich den ganzen Tag zu; da aber, wo sie keine Nachstellung zu fürchten hat, ist sie, besonders im Frühjahr, zur Paarungszeit, auch bei Tage sehr munter. Selten schwimmt sie an dem Ufer entlang, lieber geht sie quer durch von dem einen Ufer zum andern. Will sie sich längs des Baches fortbewegen, so läuft sie entweder unter dem Ufer weg oder auf dem Boden des Baches unter dem Wasser dahin. Sie ist ein äußerst munteres, kluges und gewandtes Tier, das dem Beobachter in jeder Hinsicht Freude macht. Ihre Bewegungen sind schnell und sicher, behend und ausdauernd. Sie schwimmt und taucht vortrefflich und besitzt die Fähigkeit, bald mit vorstehendem Kopfe, bald mit sichtbarem ganzen Oberkörper auf dem Wasser zu ruhen, ohne dabei merklich sich zu bewegen. Wenn sie schwimmt, erscheint ihr Leib breit, platt gedrückt und gewöhnlich auch mit einer Schicht glänzendweißer, sehr kleiner Perlen überdeckt, den Bläschen nämlich, die auf der von den dichten Haaren zurückgehaltenen Luft sich bilden. Gerade diese gestaute Luftschicht über dem Körper scheint ihr Fell immer trocken zu halten.
Wenn man an einem Teich sich versteckt und hier Wasserspitzmäuse beobachtet, die nicht beunruhigt worden sind, kann man ihr Treiben sehr gut wahrnehmen. Schon früh vor oder gleich nach Sonnenaufgang sieht man sie zum Vorschein kommen und im Teiche umherschwimmen. Oft halten sie inne und legen sich platt auf das Wasser oder schauen halben Leibes aus demselben hervor, so daß ihre weiße Kehle sichtbar wird. Beim Schwimmen rudern sie mit den Hinterfüßen so stark, daß man nach der Bewegung des Wassers ein weit größeres Tier vermuten möchte; beim Ausruhen sehen sie sich überall um und fallen, wenn sie eine Gefahr ahnen, pfeilschnell in das Wasser, so geschwind, daß der Jäger, der sie erlegen will, sehr nahe sein muß, wenn sie der Hagel seines Gewehrs erlegen soll, denn sie stürzen sich wie Steißfüße oft in dem Augenblick in die Tiefe, in dem sie den Rauch aus dem Gewehr wahrnehmen, entkommen so auch wirklich dem ihnen zugedachten Tode. In früheren Zeiten, als man noch keine Schlagschlösser an den Gewehren hatte, hielt es sehr schwer, Wasserspitzmäuse zu erlegen; sie waren verschwunden, sowie das Feuer auf der Pfanne aufblitzte. Selten bleibt die kleine Taucherin lange auf dem Grunde des Wassers, kommt vielmehr gewöhnlich bald wieder zur Oberfläche herauf. Hier ist ihr Wirkungskreis, hier sieht man sie an einsamen, stillen Orten den ganzen Tag über in Bewegung. Sie schwimmt nicht nur an den Ufern, sondern auch in der Mitte des Teiches umher, oft von einer Seite zur andern, und ruht gern auf einem in das Wasser hängenden Baumstumpfe oder auf einem darin schwimmenden Holze aus, springt zuweilen aus dem Wasser in die Höhe, um ein vorüberfliegendes Kerbtier zu fangen, und stürzt sich kopfunterst wieder hinein. Dabei ist ihr Fell immer glatt und trocken, und die Tropfen laufen von ihm, sowie sie wieder an die Oberfläche kommt, ab wie Wasser, das man auf Wachstaft gießt.
Das volle Leben des schmucken Tieres zeigt sich am besten bei der Paarung und Begattung, die im April oder Mai vor sich zu gehen Pflegt. Unter beständigem Geschrei, das fast wie »Sisisi« klingt und, wenn es von mehreren ausgestoßen wird, ein wahres Geschwirr genannt werden kann, verfolgt das Männchen das Weibchen. Letzteres kommt aus seinem Verstecke herausgeschwommen, hebt den Kopf und die Brust über das Wasser empor und sieht sich nach allen Seiten um. Das Männchen, das den Gegenstand seiner Sehnsucht unzweifelhaft schon gesucht hat, zeigt sich jetzt ebenfalls auf dem freien Wasserspiegel und schwimmt, sobald es die Verlorene wieder entdeckt hat, eilig auf sie zu. Dem Weibchen ist es aber noch nicht gelegen, die ihm zugedachten Liebkosungen anzunehmen. Es läßt zwar das Männchen ganz nahe an sich herankommen; doch ehe es erreicht ist, taucht es plötzlich unter und entweicht weit, indem es auf dem Grunde des Teiches eine Strecke fortläuft und an einer ganz andern Stelle wieder emporkommt. Das Männchen hat dies jedoch bemerkt und eilt von neuem dem Orte zu, an dem seine Geliebte sich befindet. Schon glaubt es, am Ziele zu sein, da verschwindet das Weibchen wieder und kommt abermals anderswo zum Vorschein. So geht das Spiel Viertelstunden lang fort, bis sich endlich das Weibchen dem Willen des Männchens ergibt. Dabei vergißt keines der beiden Gatten, ein etwa vorüberschwimmendes Kerbtier oder einen sonstigen Nahrungsgegenstand aufzunehmen, und nicht selten werden bei dieser Liebesneckerei auch alle Gänge am Ufer mit besucht. In einem der letzteren legt das Weibchen sein Wochenbett in einem kleinen Kessel an, der mit Moos und trockenem Grase wohl ausgekleidet wurde. Hier bringt es um die Mitte des Mai seine sechs bis zehn Jungen zur Welt. Unmittelbar nach der Geburt sehen diese fast nackten Tierchen mit ihren stumpfen Nasen und halb durchsichtigen fleischfarbenen Leibern äußerst sonderbar aus und zeigen so wenig Ähnlichkeit als denkbar mit ihren Eltern-, bald aber wachsen sie heran, erlangen allmählich das Aussehen der Erzeuger und machen sich nunmehr, zunächst wohl unter Führung der Mutter, auch bald zu selbständiger Jagd auf, in der Nähe der Brutröhre sich schmale Pfädchen im Grase austretend und in allerliebster Weise miteinander spielend.
Im Verhältnis zu ihrer Größe ist die Wasserspitzmaus ein wahrhaft furchtbares Raubtier. Sie verzehrt nicht bloß Kerfe aller Arten, zumal solche, die im Wasser leben, Würmer, kleine Weichtiere, Krebse und dergleichen, sondern auch Lurche, Fische, Vögel und kleine Säugetiere. Die Maus, der sie in ihren Löchern begegnet, ist verloren; die vor kurzem ausgeflogene Bachstelze, die sich unvorsichtig zu nahe an das Wasser wagt, wird plötzlich mit derselben Gier überfallen, mit der sich ein Luchs auf ein Reh stürzt, und in wenigen Minuten abgewürgt; der Frosch, der achtlos an einer Fluchtröhre vorüberhüpft, fühlt sich an den Hinterbeinen gepackt und trotz seines kläglichen Geschreies in die Tiefe gezogen, wo er bald erliegen muß; Schmerlen und Elleritzen werden in kleine Buchten getrieben und hier auf eigene Weise gefangen: die Wasserspitzmaus trübt das Wasser und bewacht den Eingang der Bucht; sobald nun einer der kleinen Fische an ihr vorüberschwimmen will, fährt sie auf denselben zu und fängt ihn gewöhnlich; sie fischt, wie das Sprichwort sagt, im Trüben. Aber nicht bloß an kleine Tiere wagt sich die Wasserspitzmaus, sondern auch an solche, deren Gewicht das ihre um mehr als das Sechzigfache übertrifft; ja man kann sagen, daß es kein Raubtier weiter gibt, das eine verhältnismäßig so große Beute überfällt und umbringt.
Ein Bauerngutsbesitzer zog in seinem Teiche schöne Fische und hatte im Herbste 1829 in den Brunnenkasten vor seinen Fenstern, der wegen des zufließenden Quellwassers niemals zufriert, mehrere Karpfen gefetzt, um sie gelegentlich zu verspeisen. Der Januar 1830 brachte eine Kälte von 22 Grad und bedeckte fast alle Bäche dick mit Eis; nur die »warmen Quellen« blieben frei. Eines Tages fand der Besitzer seines Brunnens zu seinem großen Verdrusse einen toten Karpfen, dem Augen und Gehirn ausgefressen waren. Nach wenigen Tagen hatte er den Ärger, einen zweiten anzutreffen, der auf ähnliche Weise zugrunde gerichtet worden war, und so verlor er einen Fisch nach dem andern. Endlich bemerkte seine Frau, daß gegen Abend eine schwarze »Maus« an dem Kasten hinaufkletterte, im Wasser umherschwamm, sich einem Karpfen auf den Kopf setzte und mit den Vorderfüßen festklammerte. Ehe die Frau imstande war, das Fenster zu öffnen, um das Tier zu verscheuchen, waren dem Fische die Augen ausgefressen. Endlich war das Öffnen des Fensters gelungen, und die Maus wurde in die Flucht getrieben. Allein kaum hatte sie den Kasten verlassen, so wurde sie von einer vorüberschleichenden Katze gefangen, dieser wieder abgenommen und mir überbracht. Es war unsere Wasserspitzmaus.
Die Feinde der Wasserspitzmaus sind fast dieselben, die wir bei der gemeinen Spitzmaus kennenlernten. Bei Tage geschieht jenen gewöhnlich nichts zuleide; wenn sie aber des Nachts am Ufer herumlaufen, werden sie oft eine Beute der Eulen und Katzen. Nur die ersteren verzehren sie, die letzteren töten sie bloß und werfen sie, ihres Moschusgeruches wegen, dann weg. Der Forscher, der Wasserspitzmäuse sammeln will, braucht deshalb bloß jeden Morgen die Ufer der Teiche abzusuchen; er findet in kurzer Zeit so viel Leichname dieser Art, als er braucht.
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Als Übergangsglieder von den Spitzmäusen zu den Maulwürfen erscheinen uns die wenigen Angehörigen der zweiten Unterfamilie, Biberspitzmäuse oder Bisamrüßler ( Myogalina) genannt. Der Leib ist gedrungener als bei den übrigen Spitzmäusen, der Hals außerordentlich kurz, ebenso dick als der Leib, und von diesem nicht zu unterscheiden; die Beine, deren fünf Zehen durch eine lange Schwimmhaut miteinander verbunden werden, sind niedrig, die Hinterbeine länger als die vorderen; der Schwanz ist länglich gerundet, gegen das Ende ruderartig zusammengedrückt, geringelt und geschuppt und nur spärlich mit Haaren besetzt. Äußere Ohren fehlen, und die Augen sind sehr klein. Das Merkwürdigste am ganzen Tiere ist die Nase, die noch eher als bei den Rohrrüßlern ein Rüssel genannt werden kann. Sie besteht aus zwei langen, dünnen, verschmolzenen, knorpeligen Röhren, die sich durch Hilfe zwei größerer und drei kleinerer Muskeln auf jeder Seite nach jeder Richtung bewegen und zu den verschiedenartigsten Zwecken, namentlich zum Betasten aller Gegenstände, verwenden läßt. In diesem Rüssel scheinen sämtliche übrigen Sinne vertreten zu sein, und somit ist die Biberspitzmaus als echtes Nasentier zu betrachten.
Der Desman oder Wuchuchol ( Myogale moschata) besitzt eine Gesamtlänge bis zu 42 Zentimeter, wovon auf den Leib 25 Zentimeter, auf den Schwanz 17 Zentimeter kommen. Die Augen sind klein, die Ohröffnungen dicht mit Haaren bedeckt, die Nasenöffnungen durch eine Warze verschließbar, die Pfoten kahl, auf der Oberseite fein geschuppt, unten genetzt, am äußeren Rande mit Schwimmborsten besetzt. Der aus sehr glatten Grannen und äußerst weichen Wollhaaren bestehende Pelz ist oberseits rötlichbraun, unterseits weißlich aschgrau, silbern glänzend.
Der Desman bewohnt den Südosten Europas, und zwar hauptsächlich die Flußgebiete der Ströme Wolga und Don, findet sich jedoch auch in Asien, und zwar in der Bucharei. Sein Leben ist an das Wasser gebunden, und nur ungern unternimmt er kleine Wanderungen von einem Bache zum andern, überall, wo er vorkommt, ist er häufig.
Sein Leben ist sehr eigentümlich, dem des Fischotters ähnlich. Es verfließt halb unter der Erde, halb im Wasser. Stehende oder langsam fließende Gewässer mit hohen Ufern, in denen er leicht Gänge sich graben kann, sagen ihm am meisten zu. Hier findet man ihn einzeln oder paarweise in großer Anzahl. Die Röhren sind künstlich und ebenfalls nach Art des Fischotterbaues angelegt. Unterhalb der Oberfläche des Wassers beginnt ein schief nach aufwärts steigender Gang, der unter Umständen eine Länge von sechs Meter und darüber erreichen kann; dieser führt in einen Kessel, der regelmäßig anderthalb bis zwei Meter über dem Wasserspiegel und jedenfalls über dem höchsten Wasserstande liegt, somit auch unter allen Umständen trocken bleibt. Ein Luftgang nach oben hin findet sich nicht; demungeachtet ist die Angabe, daß der Desman im Winter oft in seinen Bauen ersticken müsse, eine Unwahrheit.
Als vortrefflicher Schwimmer und Taucher bringt der Desman den größten Teil seines Lebens im Wasser zu, und nur, wenn Überschwemmungen ihn aus seinen unterirdischen Gängen vertreiben, betritt er die Oberfläche der Erde; aber selbst dann entfernt er sich nur gezwungen auf kurze Strecken von dem Wasser. Hier treibt er sich Tag und Nacht, Sommer und Winter umher; denn auch, wenn Eis die Flüsse bedeckt, geht er seinem Gewerbe nach und zieht sich bloß, wenn er gesättigt und ermüdet ist, nach seiner Höhle zurück, deren Mündung immer so tief angelegt wird, daß selbst das dickste Eis sie nicht verschließen kann. Seine Nahrung besteht aus Blutegeln, Würmern, Wasserschnecken, Schnaken, Wassermotten und Larven anderer Kerbtiere. Die Fischer sagen freilich, daß er Wurzeln und Blätter vom Kalmus fresse, haben sich aber zu solchem Glauben nur von dem Umstande leiten lassen, daß er gerade diese Pflanze als vorzügliche Jagdgebiete besonders oft nach Beute absucht.
So plump und unbeholfen der Desman erscheint, so behend und gewandt ist er. Sobald das Eis aufgeht, sieht man ihn in dem Schilfe und in dem Gesträuch des Ufers unter dem Wasser umherlaufen, sich hin- und herwenden, mit schnellen Bewegungen des Rüssels Gewürm suchen und oft, um zu atmen, an die Oberfläche kommen. Bei heiterem Wetter spielt er im Wasser und sonnt sich am Ufer. Den Rüssel krümmt er nach allen Seiten, tastet auch geschickt mit ihm. Oft steckt er ihn in das Maul und läßt dann schnatternde Töne hören, die denen einer Ente ähneln. Reizt man ihn oder greift man ihn an, so pfeift und quiekt er wie eine Spitzmaus, sucht sich auch durch Beißen zu verteidigen. Mit dem Rüssel vermag er, wie man an Gefangenen beobachtet hat, sehr hübsch und geschickt Regenwürmer und andere kleine Tiere zu erhaschen und sie nach Elefantenart in das Maul zu schieben. Im Trocknen wird er sehr unruhig und sucht zu entkommen; sobald er dann in das Wasser gelangt, scheint er sich wahrhaft beglückt zu fühlen und wälzt sich vor Vergnügen hin und her.
über die Fortpflanzung und die Anzahl der Jungen des Desman ist bis jetzt noch nichts Sicheres bekannt; doch scheint es, daß er sich ziemlich zahlreich vermehrt: hierfür sprechen mindestens die acht Zitzen, die man am Weibchen findet. Wie häufig das Tier sein muß, geht daraus hervor, daß man die Felle, die man zur Verbrämung der Kappen und Hauskleider gebraucht, nur mit einem oder zwei Kreuzern unsres Geldes bezahlt. Im Winter werden aus unbekannten Gründen meistens die Männchen, selten Weibchen, gefangen, im Sommer dagegen nur wenige Männchen.
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Die Igel ( Erinacei), die die sechste Familie bilden, sind so ausgezeichnete Tiere, daß auch die kürzeste Beschreibung genügt, sie zu kennzeichnen. Ein aus 36 Zähnen bestehendes Gebiß und ein Stachelkleid sind die wichtigsten Merkmale der wenigen Arten, die wir als wirkliche Angehörige der Familie betrachten. Alle Igel haben gedrungen gebauten Leib, nicht besonders langen, obgleich am Schnauzenteile zu einem Rüssel ausgezogenen Kopf mit mäßig großen Augen und ziemlich großen Ohren, kurze und dicke Beine mit plumpen Füßen, deren vordere stets fünf und deren Hintere meist ebensoviele, ausnahmsweise vier Zehen tragen, einen kurzen Schwanz und ein starres, oberseits aus kurzen Stacheln, unterseits aus Haaren bestehendes Kleid. An dem kurzen und gedrungenen, allseitig verknöcherten Schädel ist der Jochbogen vollständig. Die Wirbelsäule besteht außer den Halswirbeln aus 15 rippentragenden, 9 rippenlosen, 3 Kreuz- und 14 Schwanzwirbeln. Die Unterschenkelknochen sind verwachsen. Unter den Muskeln verdient der Hautmuskel, der das Zusammenrollen des Igels bewerkstelligt und mit seinen verschiedenen Teilen fast den ganzen Leib umgibt, besonderer Erwähnung.
Die Familie verbreitet sich über Europa, Afrika und Asien. Wälder und Auen, Felder und Gärten, ausgedehnte Steppen sind die hauptsächlichsten Aufenthaltsorte ihrer Glieder. Hier schlagen die Igel in den dichtesten Gebüschen, unter Hecken, hohlen Bäumen, Wurzeln, im Felsengeklüft, in verlassenen Tierbauen und an andern Orten ihren Wohnsitz auf oder graben sich selbst kurze Höhlen. Sie leben den größten Teil des Jahres hindurch einzeln oder paarweise und führen ein vollkommen nächtliches Leben. Erst nach Sonnenuntergang ermuntern sie sich von ihrem Tagesschlummer und gehen ihrer Nahrung nach, die bei den meisten in Pflanzen und Tieren, bei einigen aber ausschließlich in letzteren besteht. Früchte, Obst und saftige Wurzeln, Samen, kleine Säugetiere, Vogel, Lurche, Kerfe und deren Larven, Nachtschnecken, Regenwürmer usw. sind die Stoffe, mit denen die freigebige Natur ihren Tisch deckt. Ausnahmsweise wagen sich einzelne auch an größere Tiere, stellen z. B. den Hühnerarten oder jungen Hasen nach. Sie sind langsame, schwerfällige und ziemlich träge, auf den Boden gebannte Kerfjäger, die beim Gehen mit der ganzen Sohle auftreten. Unter ihren Sinnen steht der Geruch obenan; aber auch das Gehör ist scharf, während Gesicht und Geschmack sehr wenig ausgebildet sind und das Gefühl eine Stumpfheit erreicht, die geradezu ohne Beispiel dasteht. Die geistigen Fähigkeiten stellen die Igel ziemlich tief. Sie sind furchtsam, scheu und dumm, aber ziemlich gutmütig oder besser gleichgültig gegen die Verhältnisse, in denen sie leben, und deshalb leicht zu zähmen. Die Mütter werfen drei bis acht blinde Junge, pflegen sie sorglich und zeigen bei der Verteidigung derselben sogar einen gewissen Grad von Mut, der ihnen sonst gänzlich abgeht. Die meisten haben die Eigentümlichkeit, sich bei der geringsten Gefahr in eine Kugel zusammenzurollen, um auf diese Weise ihre weichen Teile gegen etwaige Angriffe zu schützen. In dieser Stellung schlafen sie auch. Die, die in den nördlichen Teilen wohnen, bringen die kalte Zeit in einem ununterbrochenen Winterschlafe zu, und diejenigen, die unter den Wendekreisen wohnen, schlafen während der Zeit der Dürre. Groß ist der Nutzen, den sie durch Vertilgung einer Masse schädlicher Tiere leisten. Aus diesem Grunde verdienen sie, anstatt der sie gewöhnlich treffenden Verachtung, unsere vollste Teilnahme und den ausgedehntesten Schutz.
Wenn an den ersten warmen Abenden, die der junge, lachende Frühling bringt, alt und jung hinausströmt, um sich in den während des Winters verwaisten und nun neu erwachenden Gärten, Hainen und Wäldchen neue Lebensfrische zu holen, vernimmt der Aufmerksamere vielleicht ein eigentümliches Geräusch im trockenen, abgefallenen Laube, gewöhnlich unter den dichtesten Hecken und Gebüschen, wird auch, falls er hübsch ruhig bleiben will, bald den Urheber dieses Lärmens entdecken. Ein kleiner, kugelrunder Bursche, mit merkwürdig rauhem Pelze, arbeitet sich aus dem Laube hervor, schnuppert und lauscht und beginnt sodann seine Wanderung mit gleichmäßig trippelnden Schritten. Kommt er näher, so bemerkt man ein sehr niedliches, spitzes Schnäuzchen, gleichsam eine nette Wiederholung des gröberen und derberen Schweinerüssels vorstellend, ein paar klare, freundlich blickende Äuglein und einen Stachelpanzer, der die ganzen obern Teile des Leibes bedeckt, ja auch an den Seiten noch weit hinabreicht. Das ist unser, oder ich will eher sagen mein lieber Gartenfreund, der Igel, ein zwar beschränkter, aber gemütlicher, ehrlicher, treuherziger Gesell, der harmlos in das Leben schaut und nicht begreifen zu können scheint, daß der Mensch so niederträchtig sein kann, ihn, der sich so hohe Verdienste um das Gesamtwohl erwirbt, nicht nur mit allerlei Schimpfnamen zu belegen, sondern auch nachdrücklich zu verfolgen, ja aus reiner Bubenmordlust sogar totzuschlagen. Man muß das Entsetzen gesehen haben, mit dem eine Gesellschaft von Frauen aufspringt, wenn sich plötzlich der Stachelheld zwischen sie drängt oder auch nur von ferne zeigt. Sie tun gerade, als wäre dies ein Feind, der das Leben bedrohen oder ihnen wenigstens Verletzungen beibringen könnte, an denen sie jahrelang zu leiden hätten! Keine einzige der aufschreienden aber hat sich jemals die Mühe genommen, das Tier selbst zu beobachten. Hätte sie dies getan, so würde sie bemerkt haben, daß der scheinbar so mutig auf den Menschen zutrabende Held, sobald er sich von der Nähe des gefährlichen Feindes überzeugt hat, im höchsten Entsetzen einen Augenblick lang stutzt, die Stirne runzelt und plötzlich, Gesicht und Beine an den Leib ziehend, zu einer Kugel sich zusammenrollt und in dieser Stellung verharrt, bis die vermeintliche Gefahr vorüber ist. Der Harmlose ist froh, wenn er selbst nicht behelligt wird, und geht gern jedem größeren Tier, und zumal dem Menschen, aus dem Wege.
Unser Igel ( Erinaceus europaeus) ist bald beschrieben. Der ganze Körper mit all seinen Teilen ist sehr gedrungen, dick und kurz, der Rüssel spitzig und vorn gekerbt, der Mund weit gespalten; die Ohren sind breit, die schwarzen Augen klein. Wenige schwarze Schnurren stehen im Gesicht unter den weiß- oder rotgelb, an den Seiten der Nase und Oberlippe aber dunkelbraun gefärbten Haaren; hinter den Augen liegt ein weißer Fleck. Das Haar am Hals und Bauch ist lichtrot-gelblichgrau oder weißgrau; die Stacheln sind gelblich, in der Mitte und an der Spitze dunkelbraun; in ihre Oberfläche sind seine Längsfurchen, 24 bis 2S an der Zahl, eingegraben, zwischen denen sich gewölbte Leisten erheben; das Innere zeigt eine mit großen Zellen erfüllte Markröhre. Die Länge des Tiers beträgt 25 bis 30 Zentimeter, die des Schwanzes 2,5 Zentimeter, die Höhe am Widerrist ungefähr 12 bis 15 Zentimeter. Das Weibchen unterscheidet sich vom Männchen außer seiner etwas bedeutenderen Größe durch spitzigere Schnauze, stärkern Leib und lichtere, mehr grauliche Färbung; auch ist die Stirn bei ihm gewöhnlich nicht so tief herab mit Stacheln besetzt, und der Kopf erscheint hierdurch etwas länger. An den meisten Orten unterscheiden die Leute zwei Abarten des Igels: den Hundsigel, der eine stumpfere Schnauze, dunklere Färbung und geringere Größe haben soll, und den Schweinsigel, dessen hauptsächlichste Kennzeichen in der spitzigeren Schnauze, der helleren Färbung und der bedeutenderen Größe liegen sollen. Diese Unterschiede beruhen offenbar bloß auf zufälligen Eigentümlichkeiten.
Das Verbreitungsgebiet des Igels erstreckt sich nicht bloß über ganz Europa, mit Ausnahme der kältesten Länder, sondern auch über den größten Teil von Nordasien; man findet ihn in Syrien wie in West- und Südostsibirien, und zwar in einem Zustande, der von großer Behäbigkeit zeugt; denn er erlangt dort wie in der Krim eine viel bedeutendere Größe als bei uns. In den europäischen Alpen kommt er bis zum Krummholzgürtel, einzeln bis über 2000 Meter über dem Meere vor, im Kaukasus steigt er noch um 1000 Meter höher empor. Er findet sich ebensowohl in flachen wie in bergigen Gegenden, in Wäldern, Auen, Feldern, Gärten, und ist in ganz Deutschland eigentlich nirgends selten, aber auch nirgends häufig. Weit zahlreicher tritt er in Rußland auf, wo er, wie es scheint, besonders geschont wird, und Fuchs und Uhu, seine Hauptfeinde aus dem Tierreiche, so viele andere Nahrung haben, daß sie ihn in Frieden lassen können. Laubholz mit dichtem Gebüsch oder faule, an der Wurzel ausgehöhlte Bäume, Hecken in Gärten, Haufen von Mist und Laub, Löcher in Umhegungsmauern, kurz Orte, die ihm Schlupfwinkel gewähren, wissen ihn zu fesseln, und hier darf man auch mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, ihn jahraus, jahrein zu finden. Will man ihn hegen und pflegen, so muß man sein hauptsächlichstes Augenmerk auf Anlegung derartiger Zufluchtsorte richten. »Früher«, sagt Lenz, »hatte ich in meinem Garten mit Stroh gefüllte, in Abteilungen gebrachte und mit niedern Gängen versehene Häuschen für die Igel, stellte ihnen auch Milch zum Trinken hin und kaufte zu ihrer Vermehrung neue. Sie zogen aber meinen Zaun und noch mehr einen großen, aus Reisig und Dornen aufgebauten Haufen vor, und durch das Anschaffen neuer brachte ich gar keine Vermehrung zustande, wahrscheinlich weil sie, ihre Heimat suchend, entflohen. Später habe ich in dem genannten Garten ein zweihundert Schritt langes Wäldchen angelegt, dessen Buschwerk dicht ineinander schließt und wo alle geringen Lücken jährlich mit Dornen beworfen werden, so daß sich weder ein Mensch, noch ein Hund darin herumtreiben kann. Hier steht eine Anzahl Kästchen, die unten und an einer Seite offen sind und den Igeln eine gute Winterherberge geben. Dieses Wäldchen behagt ihnen gar sehr, und neben ihnen tummeln sich Drosseln, Rotkehlchen, Zaunkönige, Goldammern und Grasmücken lustig herum. Ich möchte anraten, da, wo es angeht, ähnliche Schlupfwinkel für den unschuldig Geächteten anzulegen. Aus dem Folgenden mag hervorgehen, warum.
Der Igel ist ein drolliger Kauz und dabei ein guter, furchtsamer Gesell, der sich ehrlich und redlich, unter Mühe und Arbeit durchs Leben schlägt. Wenig zum Gesellschafter geeignet, findet er sich fast stets allein oder höchstens in Gemeinschaft mit seinem Weibchen. Unter den dichtesten Gebüschen, unter Reisighaufen oder in Hecken hat sich jeder einzeln sein Lager aufgeschlagen und möglichst bequem zurechtgemacht. Es ist ein großes Nest aus Blättern, Stroh und Heu, das in einer Höhle oder unter dichtem Gezweige angelegt wird. Fehlt es an einer schon vorhandenen Höhle, so gräbt er sich mit vieler Arbeit eine eigene Wohnung und füttert diese aus. Sie reicht etwa 30 Zentimeter tief in die Erde und ist mit zwei Ausgängen versehen, von denen der eine in der Regel nach Mittag, der andere gegen Mitternacht gelegt ist. Allein diese Türen verändert er wie das Eichhorn, zumal bei heftigem Nord- oder Südwinde. In hohem Getreide gräbt er sich selten eine Höhle, sondern macht sich bloß ein großes Nest. Die Wohnung des Weibchens ist fast immer nicht weit von der des Männchens, gewöhnlich in einem und demselben Garten. Es kommt wohl auch vor, daß beide Igel in der warmen Jahreszeit in ein Nest sich legen; ja zärtliche Igel vermögen es gar nicht, von ihrer Schönen sich zu trennen und teilen regelmäßig das Lager mit ihr. Dabei spielen sie allerliebst miteinander, necken und jagen sich gegenseitig, kurz, kosen zusammen, wie Verliebte überhaupt zu tun pflegen. Wenn der Ort ganz sicher ist, sieht man die beiden Gatten wohl auch bei Tage ihre Liebesspiele und Scherze treiben, an halbwegs lauten Orten aber erscheinen sie bloß zur Nachtzeit. Man hört, wie ich oben andeutete, ein Geraschel im Laube und sieht den Igel plötzlich in schnurgerader Richtung weglaufen, trotz der schnell trippelnden Schritte langsam und ziemlich schwerfällig. Dabei schnuppert er mit der Nase wie ein Spürhund auf dem Boden und beriecht jeden Gegenstand, den er unterwegs trifft, sehr sorgfältig. Bei solchen Wanderungen trieft ihm beständig Speichel aus Mund und Nase, und man behauptet, daß er den Rückweg nach seiner Wohnung durch das Wittern dieser Flüssigkeit wieder auffinde. Ich glaube nicht daran, weil ich die große Ortskenntnis des Tiers oft bemerken konnte. Hört unser Stachelheld auf seinem Wege etwas Verdächtiges, so bleibt er stehen, lauscht und wittert, und man sieht dabei recht deutlich, daß der Sinn des Geruchs bei weitem der schärfste ist, zumal im Vergleich zum Gesicht. Nicht selten kommt es vor, daß ein Igel dem Jäger auf dem Anstand geradezu bis vor die Füße läuft, dann aber plötzlich stutzt, schnüffelt und nun eiligst Reißaus nimmt, falls er nicht vorzieht, sogleich seine Schutz- und Trutzwaffe zu gebrauchen, nämlich zur Kugel sich zusammenzuballen. Von der frühern Gestalt des Tiers bemerkt man sodann nichts mehr; es bildet jetzt vielmehr einen eiförmigen Klumpen, der an einer Seite eine Vertiefung zeigt, sonst aber ringsum ziemlich regelmäßig gerundet ist. Die Vertiefung führt nach dem Bauche zu, und in ihr liegen dicht an denselben gedrückt die Schnauze, die vier Beine und der kurze Stummelschwanz. Zwischen den Stacheln hindurch hat die Luft ungehinderten Zutritt, und somit wird es dem Igel leicht, selbst bei längerem Aushalten in seiner Stellung zu atmen. Diese Zusammenrollung verursacht ihm keine Anstrengung; denn Hautmuskeln, die dieselbe bewirken, sind bei ihm in einer Weise ausgebildet wie bei keinem andern Tier und wirken gemeinschaftlich mit solcher Kraft, daß ein an den Händen gehörig geschützter Mann kaum imstande ist, den zusammengekugelten Igel gewaltsam aufzurollen. Einem solchen Unternehmen bieten nun auch die Stacheln empfindliche Hindernisse. Während bei der ruhigen Bewegung des Tieres das Stachelfeld hübsch glatt aussieht und die tausend Spitzen, im ganzen dachziegelartig geordnet, glatt übereinanderliegen, sträuben sie sich, sobald der Igel die Kugelform annimmt, nach allen Seiten hin und lassen ihn jetzt als eine furchtbare Stachelkugel erscheinen. Einem einigermaßen Geübten wird es gleichwohl nicht schwer, auch dann noch einen Igel in den Händen fortzutragen. Man setzt die Kugel in die Lage, die das Tier beim Gehen einnehmen würde, streicht von vorn nach hinten leise die Stacheln zurück und wird nun nicht im mindesten von ihnen belästigt. Will man sich einen Spaß machen, so setzt man den Igel auf einen Gartentisch und sich still daneben, um das Aufrollen zu beobachten. Nicht leichter kann man eine größere Abwechselung in den Gesichtszügen wahrnehmen, als sie jetzt stattfindet. Obgleich der Geist natürlich sehr wenig mit diesen Veränderungen des Gesichtsausdrucks zu tun hat, sieht es doch so aus, als durchliefen das Igelgesicht in kürzester Zeit alle Ausdrücke von dem finstersten Anmute an bis zur größten Heiterkeit. Falls man sich ruhig verhält, denkt der zusammengerollte Igel nach geraumer Zeit daran, sich wieder auf den Weg zu machen. Ein eigentümliches Zucken des Felles verkündet den Anfang seiner Bewegung. Leise schiebt er den vorderen und hinteren Teil des Stachelpanzers auseinander, setzt die Füße vorsichtig auf den Boden und streckt sachte das Schweineschnäuzchen vor. Noch ist die Kopfhaut dick gefaltet, und finsterer Zorn scheint auf seiner niederen Stirne sich auszudrücken; selbst das so harmlose Auge liegt unter buschigen Brauen tief versteckt. Mehr und mehr glättet sich das Gesicht, weiter und weiter wird die Nase vorgeschoben, weiter und weiter der Panzer zurückgedrückt, endlich hat man auf einmal das gemütliche Gesicht in seiner gewöhnlichen, behäbigen und harmlosen Ruhe vor sich, und in diesem Augenblick beginnt auch der Igel seine Wanderung, gerade so, als ob es für ihn niemals eine Gefahr gegeben hätte. Stört man ihn jetzt zum zweiten Male, so rollt er sich blitzschnell wieder zusammen und bleibt etwas länger als das vorige Mal gekugelt. Sehr hübsch sieht es aus, wenn man von Zeit zu Zeit einen abgebrochenen, kurzen Ruf ausstößt. Der Laut berührt den Igel wie ein elektrischer Schlag; er zuckt bei jedem zusammen, auch wenn man ihm zehnmal in der Minute zuruft. Der bereits ganz an den Menschen gewöhnte Igel macht es gerade so, selbst wenn er eben beim Ausleeren einer Milchschüssel sein sollte. Wiederholt man aber die Neckerei, so kriegt er das Ding endlich satt und rollt sich entweder für eine ganze Viertelstunde lang zusammen, oder aber – gar nicht mehr, gerade als wisse er, daß man ihn doch nur foppen wolle. Anders ist es freilich, wenn man sein Ohr mit gellenden Tönen beleidigt. Ein Igel, vor dessen Ohr man mit einem Glöckchen klingelt, zuckt fort und fort bei jedem Schlage gleichsam krampfhaft zusammen. Klingelt man nah bei einem Ohre, so zuckt er seinen Panzer auf der betreffenden Seite herab, bei größerer Entfernung zieht er die Stirnhaut gerade noch vorn. Immer erfolgt dieses Zucken in demselben Augenblick, in dem der Klang laut wird; man kann ihn ganz nach Belieben sich verneigen lassen. Wenn ihn einer seiner Hauptfeinde, ein Hund oder ein Fuchs, aufstöbert, kugelt er sich eiligst ein und bleibt unter allen Umständen in seiner Lage. Er merkt an dem wütenden Bellen oder Knurren der Verfolger, daß sie ihm in ernster Absicht zu Leibe gehen, und hütet sich wohl, irgendeines seiner anererbten Vorrechts sich zu entäußern. Mittel gibt es freilich noch genug, den Igel augenblicklich dahin zu bringen, daß er seine Kugelgestalt aufgibt. Wenn man ihn mit Wasser begießt oder in das Wasser wirft, rollt er sich sofort auf; das weiß nicht bloß der Schelm Reineke, sondern auch mancher Hund zum Nachteil unseres Tieres anzuwenden. Auch Tabaksrauch, den man ihm zwischen den Stacheln durch in die Nase bläst, bewirkt dasselbe; denn seinem empfindlichen Geruchswerkzeuge ist der Rauch etwas ganz Entsetzliches: er wird förmlich berauscht von ihm, streckt sich augenblicklich, hebt die Nase hoch auf und taumelt wankenden Schrittes davon, bis ihn einige Züge reiner, frischer Luft wieder einigermaßen erquickt haben. In seiner Zusammenkugelung besteht die einzige ihm mögliche Abwehr gegen Gefahren, denen er ausgesetzt ist. Auch wenn er, wie es bei dem täppischen Gesellen häufig vorkommt, einmal einen Fehltritt tut, über eine hohe Gartenmauer herunterfällt oder plötzlich an einem steilen Abhange ins Rollen kommt, kugelt er sich augenblicklich zusammen und stürzt jetzt mit erstaunlicher Schnelligkeit den Abhang oder die Mauer hinab, ohne sich im geringsten weh zu tun. Man hat beobachtet, daß er von mehr als sechs Meter hohen Wallmauern herabgefallen ist, ohne sich zu schaden.
Der Igel ist keineswegs ein ungeschickter und tölpischer Jäger, sondern versteht Jagdkunststücke auszuführen, die man nimmermehr ihm zutrauen möchte. Allerdings besteht die Hauptmasse seiner Nahrung aus Kerbtieren, und eben hierdurch wird er so nützlich. Allein er begnügt sich nicht mit solcher, so wenig nährenden Kost, sondern erklärt auch andern Tieren den Krieg. Kein einziger der kleinen Sänger oder Vögel ist vor ihm sicher, und unter den niederen Tieren haust er in arger Weise. Außer der Unmasse von Heuschrecken, Grillen, Küchenschaben, Mai- und Mistkäfern, andern Käfern aller Art und deren Larven verzehrt er Regenwürmer, Nacktschnecken, Wald- oder Feldmäuse, kleine Vögel und selbst Junge von großen. Man sollte nicht denken, daß er wirklich imstande wäre, die kleinen, behenden Mäuse zu fangen; aber er versteht sein Handwerk und bringt selbst das unglaublich Scheinende fertig. Ich habe ihn einmal bei seinem Mäusefang beobachtet und mich über seine Pfiffigkeit billig gewundert. Er strich im Frühjahr im niederen Getreide hin und blieb plötzlich vor einem Mäuseloch stehen, schnupperte und schnüffelte daran herum, wendete sich langsam hin und her und schien sich endlich überzeugt zu haben, auf welcher Seite die Maus ihren Sitz hatte. Da kam ihm nun sein Rüssel vortrefflich zustatten. Mit großer Schnelligkeit wühlte er den Gang der Maus auf und holte sie so auch wirklich nach kurzer Zeit ein; denn ein Quieken von seiten der Maus und behagliches Murmeln von seiten des Igels bewies, daß dieser sein Opfer gefaßt hatte. Nun wurde mir freilich sein Mausefang klar; wie er es aber anstellt, in Scheunen und Ställen das behende Wild zu übertölpeln, erfuhr ich erst neuerdings durch meinen Freund Albrecht. Beim Umherlaufen im Zimmer wurde ein von diesem Beobachter gepflegter Igel plötzlich eine naseweise Maus gewahr, die sich aus ihrem Loch hervorgewagt hatte. Mit unglaublicher Schnelligkeit, obschon mit einem gewissen Ungeschick, schoß er auf dieselbe los und packte sie, bevor sie Zeit hatte, zu entrinnen. »Die fabelhaft flotte Bewegung des anscheinend so plumpen Tieres, die ich später noch öfter beobachtete«, schreibt mir mein Freund, »brachte mich stets zum Lachen; ich weiß sie mit nichts richtig zu vergleichen. Fast war es wie ein abgeschossener Pfeil von Rohr, der vom Winde rechts und links getrieben wird, aber trotzdem wieder an die rechte Bahn kommt.«
Weit bedeutsamer als solche Räubereien sind die Gefechte, die er den Schlangen liefert. Er beweist dabei einen Mut, den man ihm nicht zutrauen sollte. Lenz hat hierüber vortreffliche Beobachtungen gemacht. »Am 24. August«, berichtet er, »tat ich einen Igel in eine große Kiste, in der er zwei Tage später sechs mit kleinen Stacheln versehene Junge gebar, die er fortan mit treuer Mutterliebe pflegte. Ich bot ihm, um seinen Appetit zu prüfen, recht verschiedenartige Nahrung an und fand, daß er Käfer, Regenwürmer, Frösche, selbst Kröten, diese jedoch nicht so gern, Blindschleichen und Ringelnattern mit großem Behagen verzehrte. Mäuse waren ihm das allerliebste; Obst aber fraß er nur dann, wenn er keine Tiere hatte, und da ich ihm einst zwei Tage gar nichts als Obst gab, fraß er so spärlich, daß zwei seiner Jungen aus Mangel an Milch verhungerten. Hohen Mut zeigte er auch gegen gefährliche Tiere. So ließ ich einmal acht tüchtige Hamster in seine Kiste, bekanntlich bitterböse Tiere, mit denen nicht zu spaßen ist. Kaum hatte er die neuen Gäste gerochen, als er zornig seine Stacheln sträubte und, die Nase tief am Boden hinziehend, einen Angriff auf den nächsten unternahm. Dabei ließ er ein eigenes Trommeln, gleichsam den Schlachtmarsch, ertönen, und seine gesträubten Kopfstacheln bildeten zum Schutz und Trutz einen Helm. Was half es dem Hamster, daß er fauchend auf den Igel biß: er verwundete sich nur den Rachen an den Stacheln, so daß er von Blut triefte, und bekam dabei so viel Stöße vom Stachelhelm in die Rippen und so viel Bisse in die Beine, daß er erlegen wäre, wenn ich ihn nicht entfernt hätte. Nun wandte sich der Stachelheld auch gegen die andern Feinde und bearbeitete sie ebenso kräftig, bis ich sie entfernte.
Doch wir gehen zur Hauptsache über und folgen unserem Helden zum Otternkampfe. Am 30. August ließ ich eine große Kreuzotter in die Kiste des Igels, während er seine Jungen ruhig säugte. Ich hatte mich im voraus davon überzeugt, daß diese Otter an Gift keinen Mangel litt, da sie zwei Tage vorher eine Maus sehr schnell getötet hatte. Der Igel roch sie sehr bald (er folgt nie dem Gesicht, sondern immer dem Geruch), erhob sich von seinem Lager, tappte unbehutsam bei ihr herum, beroch sie, weil sie ausgestreckt dalag, vom Schwanze bis zum Kopfe und beschnupperte vorzüglich den Rachen. Sie begann zu zischen und biß ihn mehrmals in die Schnauze und in die Lippen. Ihrer Ohnmacht spottend, leckte er sich, ohne zu weichen, behaglich die Wunde und bekam dabei einen derben Biß in die herausgestreckte Zunge. Ohne sich beirren zu lassen, fuhr er fort, das wütende und immer wieder beißende Tier zu beschnuppern, berührte sie auch öfter mit der Zunge, aber ohne anzubeißen. Endlich packte er schnell ihren Kopf, zermalmte ihn, trotz ihres Sträubens, samt Giftzähnen und Giftdrüsen zwischen seinen Zähnen und fraß dann weiter bis zur Mitte des Leibes. Jetzt hörte er auf und lagerte sich wieder zu seinen Jungen, die er säugte. Abends fraß er das noch übrige und eine junge, frischgeborene Kreuzotter. Am folgenden Tage fraß er wieder drei frischgeborene Ottern und befand sich nebst seinen Jungen sehr wohl. Auch war an den Wunden weder eine Geschwulst noch sonst derartiges zu sehen.
Am 1. September ging es wieder zur Schlacht. Er näherte sich, wie früher, der Otter, beschnupperte sie und bekam mehrere Bisse ins Gesicht, in die Borsten und Stacheln. Während er so schnupperte, besann sich die Otter, die sich bis jetzt vergeblich bemüht und auch tüchtig an seinen Stacheln gestochen hatte, und suchte sich aus dem Staube zu machen. Sie kroch in der Kiste umher; der Igel folgte ihr schnuppernd nach und erhielt, sooft er ihrem Kopfe nahe kam, tüchtige Bisse. Endlich hatte er sie in der Ecke, wo seine Jungen lagen, ganz in der Enge; sie sperrte den Rachen mit gehobenen Giftzähnen weit auf, er wich nicht zurück, sie fuhr zu und biß so heftig in seine Oberlippe, daß sie eine Zeitlang hängen blieb. Er schüttelte sie ab, sie kroch weg, er wieder nach, und dabei bekam er wieder einige Bisse. Dies hatte wohl zwölf Minuten gedauert; ich hatte zehn Bisse gezählt, die er in die Schnauze erhalten, und zwanzig, die seine Borsten oder die Luft getroffen hatten. Ihr Rachen, von den Stacheln verletzt, war vom Blute gerötet. Er faßte jetzt ihren Kopf mit den Zähnen, aber sie riß sich wieder los und kroch weg. Ich hob sie nun am Schwanze heraus, packte sie hinter dem Kopfe und sah, da sie sogleich den Rachen aufsperrte, um mich zu beißen, daß ihre Giftzähne noch in gutem Stande waren. Als ich sie wieder hineingeworfen, ergriff er ihren Kopf nochmals mit den Zähnen, zerknirschte ihn und fraß ihn dann langsam, ohne sich viel um ihr Krümmen und Winden zu kümmern, auf, worauf er zu seinen Jungen eilte und sie säugte. Alte und Junge blieben gesund, und keine Spuren von üblen Folgen waren zu sehen. Seitdem hat der Igel oftmals mit demselben Erfolge gekämpft, und immer zeigte es sich, daß er den Kopf jedesmal zuerst zermalmte, während er dies bei giftlosen Schlangen ganz und gar nicht berücksichtigte. Was von der Mahlzeit übrig blieb, trug er gern in sein Nest und verspeiste es dann zu gelegenerer Zeit.«
Diese Beobachtungen sind unzweifelhaft in jeder Hinsicht merkwürdig. Nach physiologischen Gesetzen läßt es sich nicht einsehen, wie ein warmblütiges Tier so ruhig Bisse aushalten kann, deren Wirkung bei andern seiner Klasse sogleich Zersetzung des Blutes hervorruft und dadurch den Tod nach sich zieht. Man muß nur bedenken, daß der Biß einer Kreuzotter Säugetiere tötet, die wenigstens die dreißigfache Größe und das dreißigfache Gewicht des Igels haben, anscheinend also auch weit stärker sein müßten, als er es ist. Aber unser Stachelheld scheint wirklich giftfest zu sein; denn er verzehrt nicht bloß Giftschlangen, deren Gift bekanntlich nur dann schadet, wenn es unmittelbar in das Blut übergeführt wird, sondern auch Tiere, die dann giftig wirken, wenn sie in den Magen kommen, wie z. B. die allbekannten spanischen Fliegen, deren Leib ja schon auf der äußeren Haut heftige Entzündungen hervorruft und deren Genuß andern Tieren unfehlbar den Tod bringen würde.
Der geringe Schaden, den der Igel anrichtet, kann gegenüber dem von ihm gebrachten Nutzen kaum in Betracht kommen, zumal jener noch keineswegs genügend erwiesen ist. Man behauptet, daß der Igel leidenschaftlich gern Hühnereier fresse und diese nicht nur sehr geschickt aufzufinden verstehe, sondern auch höchst pfiffig ausschlürfe, ohne von ihrem Inhalt etwas zu verschütten; denn man will gesehen haben, daß er das Ei vorsichtig auf den Boden lege, mit seinen Vorderbeinen halte, eine kleine Öffnung durch die Schale beiße und den Inhalt sodann bedächtig auslecke. Außerdem geben ihm Hühnerzüchter schuld, daß er, wenn er zu gelegener Zeit in einen Hühnerstall kommen könne, unter dem Hausgeflügel Schaden anrichte, und einer will sogar einen Igel gefunden haben, der fünfzehn Hühner in einer Nacht umgebracht und eins davon gefressen haben soll. Der Beweis für die Wahrheit dieser Angabe ist nicht stichhaltig. Nachdem nämlich der Eigentümer den Schaden gemerkt hatte, legte er rings um den Stall Tellereisen, und am folgenden Morgen fand man drei Igel in diesen Fallen, die nun die Missetat irgendeines Marders auf sich nehmen mußten; denn jedenfalls war letzterer der Urheber jener Schandtat gewesen, die jetzt den wahrscheinlich auf Mäusefang umherstreifenden, ungeschickt genug in die Falle tappenden Igeln zur Last gelegt wurde. Daß unser Stachelritter ein Küchlein verzehrt oder selbst ein erwachsenes Huhn, ein Kaninchen und sonst ein anderes kleines Tier abzuwürgen vermag, wenn er es erlangen kann, auch gute Lust zeigt, gelegentlich solche Beute zu machen, soll nicht in Abrede gestellt werden. Erst vor kurzem empfing ich von Becker, einem ostfriesischen Arzte, Bericht über einen Igel, der am hellen Tage einer Schar von erwachsenen Hühnern in eiligem, schnurgeradem Lause nachjagte. Aber die Hühner bekundeten nicht eben Angst vor diesem Feinde. »Wenn der Igel«, sagt Becker, »die ersehnte Beute fast erreicht hatte, flog die betreffende Henne gackernd in die Höhe, und der borstige Held kollerte dann jedesmal vier bis fünf Schritte über sein Ziel hinaus, was unendlich komisch aussah. Unter Ausstoßung eines Lautes, den ich am besten mit dem Schnarren einer Kindertrompete vergleichen möchte, raffte sich der geprellte Igel ärgerlich wieder auf, um die Verfolgung fortzusetzen, und trieb so die Hühner durch den ganzen großen Garten. Der Hahn, an den jener sich übrigens niemals wagte, schien in den mindestens zwanzigmal wiederholten Angriffen des beutesüchtigen Räubers etwas besonders Gefährliches nicht zu sehen; er warnte seine Schutzbefohlenen zwar von Zeit zu Zeit, unternahm jedoch sonst nichts gegen den Ruhestörer.« Ein Räuber also ist der Igel freilich, aber durchaus kein schädlicher gegenüber den von uns gepflegten und gehegten Tieren.
Die Paarzeit des Igels währt von Ende März bis Anfang Juni. Auch er zeigt sich, wenn er mit seinem Weibchen zusammen ist, sehr erregt. Er spielt nicht nur mit seiner Gattin, sondern stößt außerdem Laute aus, die man sonst nur bei der größten Aufregung vernimmt. Ein dumpfes Gemurmel oder heiser quiekende Laute oder auch ein helles Schnalzen scheint behagliche Stimmung auszudrücken, während ein eigentümliches Trommeln, wie der Dachs es hören läßt, ein Zeichen von gestörter Gemütlichkeit, Wut oder Angst ist. Alle diese Laute werden aber gerade bei der Paarungszeit vernommen; denn der Igel hat ebenfalls seine Not, um ein Weib an sich zu fesseln. Unberufene Nebenbuhler drängen sich auch in sein Gehege und machen ihm den Kopf warm, zumal sein Weibchen sich keineswegs in den Schranken einer gebührenden Treue hält. Sieben Wochen nach der Paarung wirft letzteres seine drei bis sechs, in seltenen Fällen wohl auch acht, blinden Jungen in einem besonders hierzu errichteten, schönen, großen und gut ausgestatteten Lager unter dichten Hecken, Zäunen, Laub- und Mooshaufen oder in Getreidefeldern. Die neugeborenen Igelchen sind etwa 6,5 Zentimeter lang, sehen anfangs weiß aus und erscheinen fast ganz nackt, da die Stacheln erst später zum Vorschein kommen. Daß sie schon bei der Geburt vorhanden sind, hat Lenz bei den Igeln gesehen, die in seinem Zimmer geboren wurden. »Die Sache«, sagt er, »gibt auch bei der Geburt gar keinen Anstoß. Die Stacheln stehen auf einer sehr weichen, federnden Unterlage; der Rücken ist noch ganz zart, und jeder Stachel, den man z. B. mit dem Finger berührt, sticht einen gar nicht, sondern drückt sich rückwärts in den weichen Rücken, aus dem er jedoch gleich wieder hervorkommt, sobald man die Fingerspitze wegtut. Nur wenn man den Stachel von der Seite mit dem Nagel oder mit einem eisernen Zängelchen faßt, fühlt man, daß er hart ist. Da nun die Tierchen gewöhnlich mit dem Kopfe vorweg geboren werden und die Stacheln etwas nach hinten gerichtet sind, ist an eine Verletzung der Alten nicht zu denken.«
Um das Maul haben die Neugeborenen Borsten, im übrigen sind sie unbehaart und ihre Augen und Ohren geschlossen. Schon binnen den ersten vierundzwanzig Stunden treten die Stacheln auf eine Länge von 9 Millimetern hervor. Anfangs sind sie ganz weiß, nach einem Monat aber hat der junge Igel ganz die Farbe des alten. Dann frißt er schon allein, obgleich er auch noch saugt. Erst ziemlich spät erlangt er die Fertigkeit, sich zusammenzurollen und die Kopfhaut bis gegen die Schnauze herabzuziehen. Die Mutter trägt schon frühzeitig Regenwürmer und Nacktschnecken sowie abgefallenes Obst als Nahrung in das Lager und führt die kleine Brut später wohl auch abends mit sich aus. Im Freileben beweist sie sich gegen ihre Jungen jedenfalls zärtlicher als in der Gefangenschaft; denn hier frißt sie, wie ich zu meinem Befremden erfahren mußte, zuweilen die ganze Schar ihrer Kinder mit der ihr überhaupt eigenen Seelenruhe auf, der reichlichsten und leckersten Speise ungeachtet!
Gegen den Herbst hin sind die jungen Igel soweit erwachsen, daß sich jeder einzelne selbst seine Nahrung aufsuchen kann, und ehe noch die kalten Tage kommen, hat jeder sich ein Schmerbäuchlein angelegt und denkt jetzt, wie die Alten, daran, sich seine Winterwohnung herzurichten. Diese ist ein großer, wirrer, aus Stroh, Heu, Laub und Moos bestehender, im Innern aber sehr sorgfältig ausgefütterter Haufen. Die Stoffe trägt der Igel auf seinem Rücken nach Hause, und zwar auf sehr sonderbare Weise. Er wälzt sich nämlich in dem Laube herum, dort, wo es am dichtesten liegt, und spießt sich hierdurch eine Ladung auf die Stacheln, die ihm dann ein ganz großartiges Ansehen verleiht. In ähnlicher Weise schafft er auch Obst nach Hause. Man hat dies oft bezweifelt, Lenz aber hat es gesehen, und einem solchen Beobachter gegenüber wäre fernerer Zweifel ein Frevel, dessen wir uns nicht schuldig machen wollen.
Mit Eintritt des ersten starken Frostes vergräbt sich der Igel tief in sein Lager und bringt hier die kalte Winterzeit in einem ununterbrochenen Winterschlafe zu. Die Fühllosigkeit des Tieres, die schon, wenn es am regsten sich bewegt, bedeutend ist, steigert sich jetzt noch in merkwürdiger Weise. Nur wenn man ihm sehr arg mitspielt, erwacht es, wankt ein wenig hin und her und fällt dann augenblicklich wieder in seinen Totenschlaf zurück. Der Winterschlaf währt gewöhnlich bis zum März.
Die jungen Igel sind im ersten Jahre noch nicht fortpflanzungsfähig, sondern treiben sich während des ganzen nächsten Sommers einzeln umher. Im zweiten Lebensjahre aber paaren sie sich und leben in lockerem Verbande mit ihren Weibchen bis zum Winter, wo dann jeder abgesondert für sich ein Lager bezieht.
Um einen Igel zu zähmen, braucht man ihn bloß wegzunehmen und an einen ihm passenden Ort zu bringen. Hier gewöhnt er sich bald ein und verliert in kürzester Zeit alle Scheu vor dem Menschen. Nahrung nimmt er ohne weiteres zu sich, sucht auch selbst in Haus und Hof oder noch mehr in Scheunen und Schuppen nach solcher umher. Tschudi bezweifelt zwar, daß er zum Mäusefang gebraucht werden kann, weil er einen Igel besaß, der mit einer Maus zugleich aus einer Schüssel fraß. Dies beweist jedoch nichts, da zahlreiche Beobachtungen dargetan haben, daß der Igel ein ganz tüchtiger Mäusejäger ist. In manchen Gegenden wird er zu diesem Geschäft gerade sehr gesucht und namentlich in Niederlagen verwendet, in denen man keine Katze halten mag, weil diese oft die üble Gewohnheit hat, mit ihrem stinkenden Harn kostbare Zeuge zu verderben. Auch ich habe Igel im Käfig gehalten, die tagelang mit Mäusen zusammenlebten und mit ihnen Semmelmilch fraßen; schließlich fiel es ihnen aber doch ein, ihre Kameraden abzuwürgen und zu verspeisen. Zur Vertilgung lästiger Kerbtiere, zumal zum Aufzehren der häßlichen Küchenschaben, eignet sich der Igel vortrefflich, liegt seinem Geschäft auch mit größtem Eifer ob. Wenn er nur einigermaßen freundlich und verständig behandelt wird und für ein verborgenes Schlupfwinkelchen gesorgt worden ist, verursacht die Gefangenschaft ihm durchaus keinen Kummer.
Unangenehm wird der im Hause gehaltene Igel durch sein langweiliges Gepolter bei Nacht. Sein täppisches Wesen zeigt sich bei seinen Streifereien wie bei jeder Bewegung. Auch ist er ein unreinlicher Gesell, und der widrige, bisamähnliche Geruch, den er verbreitet, keineswegs angenehm. Dagegen erfreut er wieder durch seine Drolligkeit. Leicht gewöhnt er sich an die allerverschiedenartigste Nahrung und ebenso an ganz verschiedenartige Getränke. Milch liebt er ganz besonders, verschmäht aber auch keine geistigen Getränke und tut nicht selten hierin des Guten zuviel.
Der Igel hat außer dem unwissenden, böswilligen Menschen noch viele andere Feinde. Die Hunde hassen ihn aus tiefster Seele und verkünden dies durch ihr anhaltendes, wütendes Gebell. Sobald sie einen Igel entdeckt haben, versuchen sie alles mögliche, um dem Stachelträger ihren Grimm zu zeigen. Der aber verharrt in seiner leidenden Stellung, solange sich der Hund mit ihm beschäftigt, und überläßt es diesem, sich eine blutige Nase zu holen. Die Wut des Hundes ist wahrscheinlich größtenteils in dem Ärger begründet, dem Gepanzerten nicht nur nichts anhaben zu können, sondern sich selbst zu schaden. Manche Jagdhunde achten die Stacheln übrigens nicht, wenn sie ihren Grimm an dem Igel auslassen wollen. So besaß ein Freund von mir eine Hühnerhündin, die alle Igel, die sie auffand, ohne weiteres totbiß. Als mit zunehmendem Alter ihre Zähne stumpf wurden, konnte sie diese Heldentaten der Jugend nicht mehr vollbringen; ihr Haß blieb aber derselbe, und sie nahm fortan jeden Igel, den sie entdeckte, in das Maul, trug ihn nach einer Brücke und warf ihn dort wenigstens noch ins Wasser. Der Fuchs soll, wie versichert wird, dem Igel eifrig nachstellen und ihn auf niederträchtigste Weise zum Aufrollen bringen, indem er die Stachelkugel mit seinen Vorderpfoten langsam dem Wasser zuwälzt und sie da hineinwirft oder sie so dreht, daß der Igel auf den Rücken zu liegen kommt, und ihn sodann mit seinem stinkenden Harn bespritzt, worauf sich der arme Geselle verzweifelt aufrollt, im gleichen Augenblick aber von dem Erzschurken an der Nase gefaßt und getötet wird. Auf diese Weise gehen viele Igel zugrunde, zumal in der Jugend. Aber sie haben einen noch gefährlicheren Feind, den Uhu. »Nicht weit von Schnepfenthal«, erzählt Lenz, »steht ein Felsen, der Thorstein, auf dessen Höhe Uhus ihr Wesen zu treiben pflegen. Dort habe ich öfters außer dem Miste und den Federn dieser Eulen auch Igelhäute, und nicht bloß diese, sondern selbst die Stacheln der Igel in den Gewöllen, die die Uhus ausspeien, gefunden. Wir heben hier eins dieser Gewölle als eine Seltenheil im Kabinett auf, das fast ganz aus Stacheln des Igels besteht. Die Krallen und der Schnabel des Uhus sind lang und unempfindlich, so daß er mit großer Leichtigkeit durch das Stachelkleid des Igels greifen kann. Vor gar nicht langer Zeit gingen unsere Zöglinge unweit Schnepfenthal bei trübem Wetter spazieren. Da kam ein Uhu angeflogen, der einen großen Klumpen in den Füßen hielt. Die Knaben erhoben ein lautes Geschrei, und siehe, der Vogel ließ seine Beute fallen. Es war ein großer, frischblutender, noch lebenswarmer Igel.« Noch mehr Igel, als den genannten Feinden zum Opfer fallen, mögen eine Beute des Winters werden. Die unerfahrenen Jungen wagen sich oft, vom Hunger getrieben, noch im Spätherbste mit der beginnenden Nacht aus ihren Verstecken hervor und erstarren in der Kühle des Morgens. Viele sterben auch während des Winters, wenn ihr Nest dem Sturm und Wetter zu sehr ausgesetzt ist. So geht in manchem Garten oder Wäldchen in einem Winter zuweilen die ganze Brut zugrunde.
Auch noch nach seinem Tode muß der Igel dem Menschen nützen, wenigstens in manchen Gegenden. Sein Fleisch wird wahrscheinlich bloß von Zigeunern und ähnlichem umherstreifendem Gesindel verzehrt, also doch gegessen, und man hat sogar eine eigne Zubereitungsweise erfunden. Der Igel wird von dem wahren Kochkünstler mit einer dicken Lage gut durchgekneteten, klebrigen Lehms überzogen und mit dieser Hülle übers Feuer gebracht, hierauf sorgfältig in gewissen Zeiträumen gedreht und gewendet. Sobald die Lehmschicht trocken und hart geworden ist, nimmt man den Braten vom Feuer, läßt ihn etwas abkühlen und bricht dann die Hülle ab, hierdurch zugleich die sämtlichen Stacheln, die in der Erde stecken bleiben, entfernend. Bei dieser Zubereitungsart wird der Saft vollkommen erhalten und ein nach dem Geschmack der genannten Leute ausgezeichnetes Gericht erzielt.
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Die Kerbtierfresser, die wir als die am tiefsten stehenden ansehen dürfen, haben sich gänzlich unter die Oberfläche der Erde zurückgezogen und führen hier ein in jeder Hinsicht eigentümliches Leben.
Die Maulwürfe oder Mulle ( Talpina) verbreiten sich fast über Europa, einen großen Teil von Asien, Südamerika und Nordamerika. Ihre Artenzahl ist nicht eben groß. Der gedrungene Leib ist walzenförmig und geht ohne abgefetzten Hals in den kleinen Kopf über, der sich seinerseits zu einem Rüssel verlängert und zuspitzt, während Augen und Ohren verkümmert und äußerlich kaum sichtbar sind. Der Leib ruht auf vier Beinen, von denen die vorderen als verhältnismäßig riesige Grabwerkzeuge erscheinen, während die Hinterpfoten schmal, gestreckt und rattenfußartig sind und der Schwanz nur kurz ist. Letzterer zeichnet sich besonders dadurch aus, daß die Haare einen wirklichen Metallglanz haben, wie man ihn sonst bei keinem Säugetier bemerkt. Mit diesen äußerlichen Merkmalen steht die Anlage und Ausbildung der inneren Teile im innigsten Einklang. Das Gebiß besteht aus 36 bis 44 Zähnen, da alle Zahnarten mehr oder weniger abändern, ebensowohl was Form und Größe, als was die Anzahl betrifft. Der Schädel ist sehr gestreckt und platt, seine Höhle vollständig, ein Jochbogen vorhanden, die einzelnen Kopfknochen sind auffallend dünn. In der Wirbelsäule, die außer den Halswirbeln von 19 bis 20 rippentragenden, 3 bis 5 rippenlosen, 3 bis 5 Kreuz- und 6 bis 11 Schwanzwirbeln zusammengesetzt wird, fällt die Verwachsung mehrerer Halswirbel auf. Bau und Stellung der Vorderfüße bedingen eine Stärke des Oberbrustkorbes, wie sie verhältnismäßig kein anderes Tier besitzt. Das Schulterblatt ist das schmalste und längste, das Schlüsselbein das dickste und längste in der ganzen Klasse, der Oberarm ungemein breit, der Unterarm stark und kurz. Zehn Knochen finden sich in der Handwurzel. Man erkennt, daß diese riesigen Vorderglieder bloß zum Graben bestimmt sein können: sie sind Schaufeln, die man sich nicht vortrefflicher gestaltet denken kann. An diese Knochen setzen sich nun auch besonders kräftige Muskeln an, und daher kommt eben die verhältnismäßige Stärke des Tieres im Vorderteile seines Körpers.
Alle Maulwürfe bewohnen mit Vorliebe ebene, fruchtbare Gegenden, ohne jedoch im Gebirge zu fehlen. Wiesen und Felder, Gärten, Wälder und Auen werden von ihnen erklärlicherweise den trockenen, unfruchtbaren Hügelabhängen oder sandigen Stellen vorgezogen. Nur ausnahmsweise finden sie sich an den Ufern der Flüsse oder Seen ein, und noch seltener begegnet man ihnen an den Küsten des Meeres. Alle Arten führen ein vollkommen unterirdisches Leben. Sie scharren sich Gänge durch den Boden und werfen Haufen auf, ebensowohl im trockenen, lockern oder sandigen als im feuchten und weichen Boden. Manche Arten legen sich weit ausgedehnte und sehr zusammengesetzte Baue an. Als Kinder der Finsternis empfinden sie schmerzlich die Wirkung des Lichts. Deshalb kommen sie auch nur selten freiwillig an die Oberfläche der Erde und sind selbst in der Tiefe bei Nacht tätiger als bei Tage. Ihr Leibesbau verbannt sie entschieden von der Oberfläche der Erde. Sie können weder springen noch klettern, ja kaum ordentlich gehen, obgleich sich manche rasch auf dem Boden fortbewegen, diesen meist bloß mit der Sohle der Hinterfüße und dem Innenrande der Hände berührend. Um so rascher ist ihr Lauf in ihren Gängen unter der Erde und wahrhaft bewundernswürdig die Geschwindigkeit, mit der sie graben. Auch das Schwimmen verstehen sie sehr gut, obgleich sie von dieser Fertigkeit bloß im Notfalle Gebrauch machen. Die breiten Hände geben vorzügliche Ruder ab, und die kräftigen Arme erlahmen im Wasser erklärlicherweise noch weit weniger als beim Graben in der Erde.
Unter den Sinnen sind Geruch, Gehör und Gefühl besonders ausgebildet, während das Gesicht sehr verkümmert ist. Ihre Stimme besteht in zischenden und quiekenden Lauten. Die geistigen Fähigkeiten sind gering, obwohl nicht in dem Grade, als man gewöhnlich zu glauben geneigt ist.
Die Nahrung besteht ausschließlich in Tieren, nie aus Pflanzenstoffen. Unter der Erde lebende Kerbtiere aller Art, Würmer, Asseln und dergleichen bilden die Hauptmasse ihrer Mahlzeiten. Außerdem verzehren sie, wenn sie es haben können, kleine Säugetiere und Vögel, Frösche und Nacktschnecken. Ihre Gefräßigkeit ist ebenso groß wie ihre Beweglichkeit, denn sie können bloß sehr kurze Zeit ohne Nachteil hungern und verfallen deshalb auch nicht in Winterschlaf. Gerade aus diesem Grunde werden sie als Kerbtiervertilger nützlich, während sie durch ihr Graben dem Menschen viel Ärger bereiten.
Ein- oder zweimal im Jahre wirft der weibliche Maulwurf zwischen drei bis fünf Junge und pflegt dieselben sorgfältig. Die Kleinen wachsen ziemlich rasch heran und bleiben ungefähr einen oder zwei Monate bei ihrer Mutter. Dann machen sie sich selbständig, und die Wühlerei beginnt. In der Gefangenschaft kann man sie nur bei sorgfältigster Pflege erhalten, weil man ihrer großen Gefräßigkeit kaum Genüge zu leisten vermag.
Der Maulwurf oder Mull ( Talpa europaea), das Urbild der Familie und einer aus Europa und Asien beschränkten Sippe, läßt sich, nach den vorstehend gegebenen Merkmalen der Familie, mit wenigen Worten beschreiben. Die Leibeslänge beträgt einschließlich des 2,5 Zentimeter langen Schwanzes 15, höchstens 17 Zentimeter, die Höhe am Widerrist ungefähr 5 Zentimeter. Von der Leibeswalze stehen die sehr kurzen Beine ziemlich wagerecht ab; die sehr breite, handförmige Pfote kehrt die Fläche, die bei andern Tieren die innere ist, immer nach außen und rückwärts. Unter den kurzen, durch breite, stark abgeplattete und stumpfschneidige Krallen bewehrten Zehen ist die mittelste am längsten, die äußeren aber verkürzen sich allmählich und sind fast vollständig miteinander durch Spannhäute verbunden, ja beinahe verwachsen. An den kleinen und kurzen Hinterfüßen sind die Zehen getrennt und die Krallen spitzig und schwach. Die Augen haben etwa die Größe eines Mohnkornes, liegen in der Mitte zwischen der Rüsselspitze und den Ohren und sind vollkommen von den Kopfhaaren überdeckt, besitzen aber Lider und können willkürlich hervorgedrückt und zurückgezogen, also benutzt werden. Die kleinen Ohren haben keine äußeren Ohrmuscheln, sondern werden außen bloß von einem kurzen Hautrande umgeben, der ebenfalls unter den Haaren verborgen liegt und zur Öffnung und Schließung des Gehörganges dient. Die gleichmäßig schwarze Behaarung ist überall sehr dicht, kurz und weich, sammetartig; auch die glänzenden Schnurren und Augenborsten zeichnen sich durch Kürze und Feinheit aus. Mit Ausnahme der Pfoten, der Sohlen, der Rüsselspitze und des Schwanzendes bedeckt der Pelz den ganzen Körper. Sein bald mehr ins Bräunliche, bald mehr ins Bläuliche oder selbst ins Weißliche schillernder Glanz ist ziemlich lebhaft. Die nackten Teile sind fleischfarbig, die Augen schwarz wie kleine einfarbige Glasperlen, denn man kann an ihnen den Stern von der Regenbogenhaut nicht unterscheiden. Das Weibchen ist schlanker gebaut als das Männchen, und junge Tiere sind etwas mehr graulich gefärbt. Dies sind die einzigen Unterschiede, die zwischen den Geschlechtern und Ältern bestehen. Es gibt aber auch Abarten, bei denen die aschgraue Färbung des Jugendkleides eine bleibende ist, oder die am Bauche auf der aschgrauen Grundfarbe breite, graugelbe Längsstreifen zeigen, auch solche, die mit weißen Flecken auf schwarzem Grunde gezeichnet sind. Äußerst selten findet man gelbe und weiße Maulwürfe.
Der Verbreitungskreis des Maulwurfs erstreckt sich über ganz Europa, mit Ausnahme weniger Länder, und reicht noch bis in den östlichen Teil von Nord- und Mittelasien hinüber. In Europa bilden das südliche Frankreich, die Lombardei und die nördliche Türkei seine Südgrenze; von hier aus verbreitet er sich nach Norden hinaus bis auf das Dovrefjeld, in Großbritannien bis zu dem mittleren Schottland und in Rußland bis zu den mittleren Dwinagegenden. Auf den Orkney- und Shetlandsinseln sowie auf dem größten Teil der Hebriden und in Irland fehlt er gänzlich. In Asien geht er bis zum Amur und südwärts bis in den Kaukasus; in den Alpen steigt er bis zu 2000 Meter Gebirgshöhe empor. Er ist überall gemein und vermehrt sich da, wo man ihm nicht nachstellt, in überraschender Weise.
Von seinem Aufenthalte gibt er sehr bald die sicherste Kunde, da er beständig neue Hügel aufwerfen muß, um leben zu können. Diese Hügel bezeichnen immer die Richtung und Ausdehnung seines jedesmaligen Jagdgrundes. Bei seiner außerordentlichen Gefräßigkeit muß er diesen fortwährend vergrößern und daher auch beständig an dem Ausbaue seines unterirdischen Gebietes arbeiten. Ohne Unterlaß gräbt er wagerechte Gänge in geringer Tiefe unter der Oberfläche und wirft, um den losgescharrten Boden zu entfernen, die bekannten Hügel auf. »Unter allen einheimischen, unterirdischen Tieren«, schildert Blasius, »bereitet sich der gemeine Maulwurf am mühsamsten seine kunstreichen Wohnungen und Gänge. Er hat nicht allein für die Befriedigung seiner lebhaften Freßlust, sondern auch für die Einrichtung seiner Wohnung und Gänge, für Sicherheit gegen Gefahr mancherlei Art zu sorgen. Am kunstreichsten und sorgsamsten ist die eigentliche Wohnung, sein Lager, eingerichtet. Gewöhnlich befindet es sich an einer Stelle, die von außen schwer zugänglich ist, unter Baumwurzeln, unter Mauern und dergleichen und meist weit entfernt von dem täglichen Jagdgebiete. Mit letzterem, in dem die täglich sich vermehrenden Nahrungsröhren mannigfaltig sich verzweigen und kreuzen, ist die Wohnung durch eine lange, meist ziemlich gerade Laufröhre verbunden. Außer diesen Röhren werden noch eigentümliche Gänge in der Fortpflanzungszeit angelegt. Die eigentliche Behausung zeichnet sich an der Oberfläche meist durch einen gewölbten Erdhaufen von auffallender Größe aus. Sie besteht im Innern aus einer rundlichen, reichlich acht Zentimeter weiten Kammer, die zum Lagerplatz dient, und aus zwei kreisförmigen Gängen, von denen der größere, in gleicher Höhe mit der Kammer, dieselbe ringsum in einer Entfernung von ungefähr 16 bis 25 Zentimeter einschließt, und der kleinere, etwas oberhalb der Kammer, mit dem größeren ziemlich gleichartig verläuft. Aus der Kammer gehen gewöhnlich drei Röhren schräg nach oben in die kleinere Kreisröhre und aus dieser, ohne Ausnahme abwechselnd mit den vorhergehenden Verbindungsröhren, fünf bis sechs Röhren schräg abwärts in die größere Kreisröhre; von letzterer aus strecken sich strahlenförmige und ziemlich wagerechte nach außen, und ebenfalls wieder abwechselnd mit den zuletzt genannten Verbindungsröhren etwa acht bis zehn einfache oder verzweigte Gänge nach allen Richtungen hin, die aber in einiger Entfernung meist bogenförmig nach der gemeinsamen Laufröhre umbiegen. Auch aus der Kammer abwärts führt eine Sicherheitsröhre in einem wieder ansteigenden Bogen in diese Laufröhre. Die Wände der Kammer und der zu der Wohnung gehörigen Röhren sind sehr dicht, fest zusammengestampft und glatt gedrückt. Die Kammer selbst ist zum Lager ausgepolstert mit weichen Blättern von Gräsern, meist jungen Getreidepflänzchen, Laub, Moos, Stroh oder zarten Wurzeln, die der Maulwurf größtenteils von der Oberfläche der Erde herbeiführt. Kommt ihm Gefahr von oben, so schiebt er das weiche Lagerpolster zur Seite und fällt nach unten, sieht er sich von unten oder von der Seite bedroht, so bleiben ihm die Verbindungsröhren zu der kleineren Kreisröhre teilweise offen. Die Wohnung bietet ihm zu Schlaf und Ruhe unter allen Umständen Sicherheit dar und ist deshalb auch sein gewöhnlicher Aufenthalt, wenn er nicht auf Nahrung ausgeht. Sie liegt 30 bis 60 Zentimeter unter der Erdoberfläche. Die Laufröhre ist weiter als die Körperdicke, so daß das Tier schnell und bequem vorwärts kommen kann; auch in ihr sind die Wände durch Zusammenpressen und Festdrücken von auffallender Festigkeit und Dichtigkeit. Äußerlich zeichnet sie sich nicht wie die übrigen Gänge durch aufgeworfene Haufen aus, indem bei der Entfernung die Erde nur zur Seite gepreßt wird. Sie dient bloß zu einer möglichst raschen und bequemen Verbindung mit dem täglichen Jagdgebiet und wird nicht selten von andern unterirdischen Tieren, Spitzmäusen, Mäusen und Kröten, benutzt, die sich aber sehr zu hüten haben, dem Maulwurf in ihr zu begegnen. Von außen kann man sie daran erkennen, daß die Gewächse über ihr verdorren und der Boden über ihr sich etwas senkt. Solche Laufröhren sind nicht selten 30 bis 5O Meter lang. Das Jagdgebiet liegt meist weit von der Wohnung ab und wird tagtäglich Sommer und Winter in den verschiedensten Richtungen durchwühlt und durchstampft. Die Gänge in ihm sind bloß für den zeitweiligen Besuch zum Aufsuchen der Nahrung gegraben und werden nicht befestigt, so daß die Erde von Strecke zu Strecke haufenweise an die Oberfläche der Erde geworfen wird und auf diese Weise die Richtung der Röhren bezeichnet. Die Maulwürfe besuchen ihr Jagdgebiet gewöhnlich dreimal des Tages, morgens früh, mittags und abends. Sie haben daher in der Regel sechsmal täglich von ihrer Wohnung aus und wieder zurück die Laufröhre zu durchlaufen und können bei dieser Gelegenheit, sobald gedachtes Rohr aufgefunden ist, mit Sicherheit in Zeit von wenigen Stunden gefangen werden.« Das Innere der Baue steht nie unmittelbar mit der äußeren Luft in Verbindung; doch dringt diese zwischen den Schollen der aufgeworfenen Haufen in hinreichender Menge ein, um dem Tiere den nötigen Sauerstoff zuzuführen. Außer der Luft zur Atmung bedarf der Maulwurf aber auch Wasser zum Trinken, und deshalb errichtet er sich stets besondere Gänge, die zu nahen Pfützen oder Bächen führen, oder gräbt, wo solche ihm mangeln, besondere Schächte, worin sich dann Regenwasser sammelt.
Das Graben selbst wird dem Maulwurfe sehr leicht. Mit Hilfe seiner starken Nackenmuskeln und der gewaltigen Schaufelhände, mit denen er sich an einem bestimmten Orte festhält, bohrt er die Schnauze in den lockern Boden ein, zerscharrt um sich herum die Erdschollen mit den Vorderpfoten und wirft sie mit außerordentlicher Schnelligkeit hinter sich. Durch die Schließfähigkeit seiner Ohren ist er vor dem Eindringen von Sand und Erde in dieselben vollkommen geschützt. Die aufgescharrte Erde läßt er in seinem eben gemachten Gange so lange hinter sich liegen, bis die Menge ihm unbequem wird. Dann versucht er an die Oberfläche zu kommen und wirft die Erde nach und nach mit der Schnauze heraus. Dabei ist er fast immer mit einer 12 bis 15 Zentimeter hohen Schicht lockerer Erde überdeckt. In leichtem Boden gräbt er mit einer wirklich verwunderungswürdigen Schnelligkeit. Oken hat einen Maulwurf ein Vierteljahr lang in einer Kiste mit Sand gehabt und beobachtet, daß sich das Tier fast ebenso schnell, wie ein Fisch durch das Wasser gleitet, durch den Sand wühlt, die Schnauze voran, dann die Tatzen, den Sand zur Seite werfend, die Hinterfüße nachschiebend. Noch schneller bewegt sich der Maulwurf in den Laufgängen, wie man durch sehr hübsche Beobachtungen nachgewiesen hat.
Überhaupt sind die Bewegungen des Tieres schneller, als man glauben möchte. Nicht bloß in den Gängen, sondern auch auf der Oberfläche des Bodens, wo er gar nicht zu Hause ist, läuft er verhältnismäßig sehr rasch, so daß ihn ein Mann kaum einholen kann. In den Gängen aber soll er so rasch gehen wie ein trabendes Pferd. Auch im Wasser ist er, wie bemerkt, sehr zu Hause, und man kennt Beispiele, daß er nicht bloß breite Flüsse, sondern sogar Meeresarme durchschwommen hat. So erzählt Bruce, daß mehrere Maulwürfe an einem Juniabend bei Edinburg gegen zweihundert Meter weit durch das Meer nach einer Insel geschwommen sind, um sich daselbst anzusiedeln. Nicht selten kommt es vor, daß der Wühler über breite Flüsse setzt, und Augenzeugen haben ihn dabei in sehr lebhafter Bewegung gesehen. Auch in großen Teichen bemerkt man ihn zuweilen; er schwimmt hier, den Rüssel sorgfältig in die Höhe gehalten, scheinbar ohne alle Not, und zwar mit der Schnelligkeit einer Wasserratte.
Die Hauptnahrung des Maulwurfs besteht in Regenwürmern und Kerbtierlarven, die unter der Erde leben. Namentlich der Regenwürmer halber legt er seine großen und ausgedehnten Baue an, wie man sich sehr leicht überzeugen kann, wenn man einen Pfahl in lockeres Erdreich stößt und an ihm rüttelt. Die Würmer wissen, daß sie an dem Maulwurf einen Feind haben. Sobald sie die Bewegung verspüren, kommen sie von allen Seiten eilfertig aus der Erde hervor und versuchen, auf der Oberfläche sich zu retten, ganz offenbar, weil sie glauben, daß die Erschütterung von einem wühlenden Maulwurfe herrührte. Außer diesen Würmern und Larven frißt dieser noch Käfer, namentlich Mai- und Mistkäfer, Maulwurfsgrillen und alle übrigen Kerbtiere, die er erlangen kann, wie ihm auch Schnecken und Asseln besonders zu behagen scheinen. Sein ungewöhnlich feiner Geruch hilft ihm die Tiere aufspüren, und er folgt ihnen in größeren oder kleineren Tiefen, je nachdem sie selbst höher oder niedriger gehen. Aber er betreibt nicht bloß in seinen Bauen die Jagd, sondern holt sich auch ab und zu von der Oberfläche, ja, wie man sagt, sogar aus dem Wasser eine Mahlzeit. Die Spitzmaus oder die Wühlmaus, der Frosch, die Eidechse oder Blindschleiche und Natter, die sich in seinen Bau verirren, sind verloren. »Ich habe«, sagt Blasius, »mehrere Male im Freien beobachtet, daß ein Frosch von einem Maulwurf überlistet und an den Hinterbeinen unter die Erde gezogen wurde, bei welcher unfreiwilligen Versenkung das unglückliche Opfer ein lautes, klägliches Geschrei ausstieß«. Lenz erfuhr, daß er ebenso auch mit den Schlangen verfährt.
Der Hunger des Maulwurfs ist unstillbar. Er bedarf täglich so viel an Nahrung, als sein eigenes Körpergewicht beträgt, und hält es nicht über zwölf Stunden ohne Fraß aus. Lenz nahm einen frischen und unversehrt gefangenen Maulwurf und ließ ihn in ein Kistchen, dessen Boden bloß 5 Zentimeter hoch mit Erde bedeckt war, damit er hier, weil er keine unterirdischen Gänge bauen konnte, sich die meiste Zeit frei zeigen mußte. Schon in der zweiten Stunde seiner Gefangenschaft fraß er Regenwürmer in großer Menge. Er nahm sie, wie er es auch bei anderm Futter tut, beim Fressen zwischen die Vorderpfoten und strich, während er mit den Zähnen zog, durch die Bewegung der Pfoten den anliegenden Schmutz zurück. Pflanzennahrung der verschiedensten Art, auch Brot und Semmel, verschmähte er stets, dagegen fraß er Schnecken, Käfer, Maden, Raupen, Schmetterlingspuppen und Fleisch von Vögeln und Säugetieren. Am achten Tage legte ihm Lenz eine große Blindschleiche vor. Augenblicklich war er da, gab ihr einen Biß und verschwand, weil sie sich stark bewegte, unter der Erde. Gleich darauf erschien er wieder, biß nochmals zu und zog sich von neuem in die Tiefe zurück. Dies trieb er wohl sechs Minuten lang; endlich wurde er kühner, packte fest zu und nagte, konnte aber nur mit großer Mühe die zähe Haut durchbeißen. Nachdem er jedoch erst ein Loch gemacht hatte, wurde er äußerst kühn, fraß immer tiefer hinein, arbeitete gewaltig mit den Vorderpfoten, um das Loch zu erweitern, zog zuerst Leber und Gedärme hervor und ließ schließlich nichts übrig als den Kopf, die Rückenwirbel, einige Hautstücke und den Schwanz. Dies war am Morgen geschehen. Mittags fraß er noch eine große Gartenschnecke, deren Gehäuse zerschmettert worden war, und nachmittags verzehrte er drei Schmetterlingspuppen. Um fünf Uhr hatte er bereits wieder Hunger und erhielt nun eine etwa 80 Zentimeter lange Ringelnatter. Mit dieser verfuhr er gerade so wie mit der Blindschleiche, und da sie aus der Kiste nicht entkommen konnte, erreichte er sie endlich und fraß so emsig, daß am nächsten Morgen nichts mehr übrig war als der Kopf, die Haut, das Gerippe und der Schwanz.
Recht deutlich kann man sich an gefangenen Maulwürfen von der Schärfe ihrer Sinne überzeugen. Ich brachte einen Mull in eine Kiste, die etwa 16 Zentimeter hoch mit Erde bedeckt war. Er wühlte sich sofort in die Tiefe. Nun drückte ich die Erde fest und legte fein geschnittenes, rohes Fleisch in eine Ecke. Schon nach wenigen Minuten hob sich hier die Erde, die feine, höchst biegsame Schnauze brach durch, und das Fleisch wurde verzehrt. Der Geruch befähigt ihn, die Nahrung zu entdecken, ohne sie zu sehen oder zu berühren, und führt ihn erfolgreich durch seine verwickelten, unterirdischen Gänge. Alle Maulwurfsfänger wissen, wie scharf dieser Sinn ist, und nehmen deshalb, wenn sie Fallen stellen, gern einen toten Maulwurf zur Hand, mit dem sie die Rasenstücke oder Fallen abreiben, die sie vorher in ihrer Hand gehabt haben. Die spitzige, äußerst bewegliche Nase dient ihm zugleich als Tastwerkzeug. Dies sieht man hauptsächlich dann, wenn der Mull zufällig auf die Oberfläche der Erde gekommen ist und hier eine Stelle erspähen will, die ihm zu raschem Eingraben geeignet scheint. Er rennt eilig hin und her und untersucht tastend überall den Grund, bevor er seine gewaltigen Grabwerkzeuge in Tätigkeit setzt. Auch während er eifrig gräbt, ist diese Nase immer sein Vorläufer nach jeder Richtung hin. Das Gehör ist vortrefflich. Wahrscheinlich wird es besonders benutzt, um Gefahren zu entgehen; denn der Maulwurf vernimmt nicht bloß die leiseste Erschütterung der Erde, sondern hört auch jedes ihm bedenklich erscheinende Geräusch mit aller Sicherheit und sucht sich dann so schnell als möglich auf- und davonzumachen. Daß der Geschmack hinter diesem Sinne zurücksteht, geht schon aus der Vielartigkeit der Nahrung und aus der Gier hervor, mit der er frißt. Er gibt sich keine Mühe, erst zu untersuchen, wie eine Sache schmeckt, sondern beginnt gleich herzhaft zu fressen, scheint auch zu zeigen, daß ihm so ziemlich alles Genießbare gleich sei. Deshalb ist jedoch noch nicht abzuleugnen, daß auch sein Geschmackssinn rege ist, nur freilich in einem weit untergeordneteren Grade als die vorher genannten Sinne. Hinsichtlich des Gesichts will ich hier nur an die bereits in der Einleitung angeführten hochdichterischen Worte unseres Rückert erinnern; übrigens weiß man, daß der Maulwurf sich nach diesem Sinne richtet, wenn er schwimmend Ströme übersetzt, die ihm zum Unterwühlen zu breit sind. Sobald er sich in die Notwendigkeit versetzt sieht, zu schwimmen, legt er augenblicklich die das Auge umgebenden Haare auseinander und zeigt die kleinen, dunkelglänzenden Kügelchen, die er jetzt weit hervorgedrückt hat, um sie besser benutzen zu können.
Schon aus dem bis jetzt Mitgeteilten ist hervorgegangen, daß der Maulwurf im Verhältnis zu seiner Größe ein wahrhaft furchtbares Raubtier ist. Dem entsprechen auch seine geistigen Eigenschaften. Er ist wild, außerordentlich wütend, blutdürstig, grausam und rachsüchtig und lebt eigentlich mit keinem einzigen Geschöpf im Frieden, außer mit seinem Weibchen, mit diesem aber auch bloß während der Paarungszeit und solange die Jungen klein sind. Während des übrigen Teils des Jahres duldet er kein andres lebendes Wesen in seiner Nähe, am allerwenigsten einen Mitbewohner in seinem Bau, ganz gleichgültig, welcher Art dieser sein möge. Nicht einmal mit andern seiner Art, seien sie nun von demselben Geschlecht wie er oder nicht, lebt er in Freundschaft. Zwei Maulwürfe, die sich außer der Paarungszeit treffen, beginnen augenblicklich einen Zweikampf miteinander, der in den meisten Fällen den Tod des einen, in sehr vielen andern Fällen aber auch den Tod beider herbeiführt. Am eifersüchtigsten und wütendsten kämpfen erklärlicherweise zwei Maulwürfe desselben Geschlechts miteinander, und der Ausgang solcher Gefechte ist dann auch sehr zweifelhaft.
Ein andres Leben beginnt um die Paarungszeit. Jetzt verlassen die liebebedürftigen Männchen und Weibchen zur Nachtzeit häufig ihren Bau und streifen über der Erde umher, um andere Maulwurfspaläste aufzusuchen und hier Besuche abzustatten. Es ist erwiesen, daß es weit mehr Männchen als Weibchen gibt, und daher treffen denn auch gewöhnlich ein Paar verliebte Männchen eher zusammen als ein Maulwurf mit einer Maulwürfin. Sooft dies geschieht, entspinnt sich ein wütender Kampf, und zwar ebensowohl über als unter der Erde oder hier und dort nacheinander, bis schließlich der eine sich für besiegt ansieht und zu entfliehen versucht. Endlich, vielleicht nach mancherlei Kampf und Streit, findet der männliche Maulwurf ein Weibchen auf und versucht nun, es mit Gewalt oder Güte an sich zu fesseln. Er bezieht also mit seiner Schönen entweder seinen oder ihren Bau; hier legt das Weibchen ein Nest für ihre Jungen an, in der Regel da, wo drei oder mehr Gänge in einem Punkte zusammenstoßen, damit bei Gefahr möglichst viele Auswege zur Flucht vorhanden sind. Das Nest ist eine einfache, dicht mit weichen, meist zerbissenen Pflanzenteilen, hauptsächlich mit Laub, Gras, Moos, Stroh, Mist und andern derartigen Stoffen ausgefütterte Kammer und liegt gewöhnlich in ziemlich weiter Entfernung von dem früher geschilderten Kessel, mit dem es durch die Laufröhre verbunden ist. Nach etwa vierwöchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen in dieses Nest drei bis fünf blinde Junge, die zu den unbehilflichsten von allen Säugern gerechnet werden müssen. Sie sind anfangs nackt und blind und etwa so groß wie eine derbe Bohne. Aber schon in der frühesten Jugend zeigen sie dieselbe Unersättlichkeit wie ihre Eltern und wachsen deshalb sehr schnell heran. Die Mutter gibt die größte Sorgfalt für die Erhaltung ihrer Kinderschar kund und scheut keine Gefahr, wenn es deren Rettung gilt. Wird sie zufällig mit den Jungen aus dem Boden gepflügt oder gegraben, so schleppt sie dieselben im Maul in ein nahes Loch oder in einen Moos-, Mist- oder Laubhaufen usw. und verbirgt sie hier vorläufig so eilig als möglich. Aber auch das Männchen nimmt sich, wie behauptet wird, ihrer an, trägt ihnen Regenwürmer und andere Kerbtiere zu, teilt bei Überflutungen redlich die Gefahr und sucht die Jungen im Maule an einen sichern Ort zu schaffen. Nach etwa fünf Wochen haben diese ungefähr die halbe Größe der Alten erreicht, liegen jedoch immer noch im Neste und warten, bis eines von den Eltern ihnen Atzung zuträgt, die sie dann mit unglaublicher Gier in Empfang nehmen und verspeisen. Wird ihre Mutter ihnen weggenommen, so wagen sie sich wohl auch, gepeinigt vom wütendsten Hunger, in die Laufröhre, wahrscheinlich um nach der Pflegerin zu suchen; werden sie nicht gestört, so gehen sie endlich aus dem Neste heraus und selbst ans die Oberfläche, wo sie sich necken und miteinander balgen. Ihre ersten Versuche im Wühlen sind noch sehr unvollkommen: sie streichen ohne alle Ordnung flach unter der Oberfläche des Bodens hin, oft so dicht, daß sie kaum mit Erde bedeckt sind, und versuchen es nur selten, Haufen auszuwerfen. Aber die Wühlerei lernt sich mit den Jahren, und im nächsten Frühjahr sind sie schon vollkommen geschult in ihrer Kunst.
Der Maulwurf hält keinen Winterschlaf wie mancher andere Kerbtierjäger, sondern ist Sommer und Winter in ewiger Bewegung. Er folgt den Regenwürmern und Kerbtieren und zieht sich mit ihnen in die Tiefe der Erde oder zur Oberfläche des Bodens empor, gerade so, wie sie steigen oder fallen. Nicht selten sieht man Maulwürfe im frischen Schnee oder im tief gefrorenen Boden ihre Haufen aufwerfen, und unter dem weichen Schnee unmittelbar über dem vereisten Boden machen sie oft große Wanderungen. Glaubwürdige Fänger haben berichtet, daß sie sich sogar Wintervorräte anlegen sollen: eine große Menge Würmer nämlich, die teilweise, jedoch nicht lebensgefährlich, verstümmelt würden, und ebenso, daß in strengen Wintern diese Vorratskammern reicher gespickt wären als in milden usw.
Dafür, wie es möglich ist, ein so versteckt lebendes Tier überhaupt zu beobachten, will ich ein Beispiel anführen. Lecourt wollte die Schnelligkeit des Maulwurfs in seinen Gängen untersuchen und wandte zu diesem Zweck ein ebenso geeignetes als ergötzliches Mittel an. Er steckte eine Menge von Strohhalmen reihenweise in die Laufröhre, so, daß sie von dem dahineilenden Maulwurf berührt und in Erschütterung gebracht werden mußten. An diese Strohhalme befestigte er oben kleine Papierfähnchen und ließ jetzt den in seinem Jagdgebiet beschäftigten Maulwurf durch einen Hornstoß in die Laufröhre schrecken. Da fielen denn die Fähnchen der Reihe nach in demselben Augenblick ab, in dem sie der Maulwurf berührte, und der Beobachter mit seinem Gehilfen bekam hierdurch Gelegenheit, die Schnelligkeit des Laufes für eine gewisse Strecke mit aller Sicherheit zu ermitteln.
Es läßt sich nicht leugnen, daß der Maulwurf durch Wegfangen der Regenwürmer, Maulwurfsgrillen, Engerlinge und anderer verderblicher Kerbtiere großen Nutzen stiftet, und er wird deshalb an allen Orten, wo man seine aufgeworfenen Haufen leicht wegschaffen kann, immer eines der wohltätigsten Säugetiere bleiben. Allein ebenso gewiß ist, daß er in Gärten nicht geduldet werden darf, weil er hier durch das Durchwühlen der Erde, aus der teure Pflanzen ihre Nahrung ziehen, oder durch das Herauswerfen der letzteren den geordneten Pflanzenstaat wesentlich gefährden kann. Auf Wiesen, in Laubwäldern, in Feldfruchtstücken ist er ein Gast, der unbedingt geschützt werden sollte, an andern Orten verursacht er unsäglichen Ärger und Schaden.
Außer dem Menschen hat der Maulwurf viele Verfolger. Iltis, Hermelin, Eulen und Falken, Bussard, Raben und Storch lauern ihm beim Aufwerfen auf, das kleine Wiesel verfolgt ihn sogar in seinen Gängen, wo er, wie oben bemerkt, auch der Kreuzotter nicht selten zum Opfer fällt. Pinscher machen sich ein Vergnügen daraus, einem grabenden Maulwurf aufzulauern, ihn mit einem plötzlichen Wurfe aus der Erde zu schleudern und durch wenige Bisse umzubringen. Nur die Füchse, Marder, Igel und die genannten Vögel verzehren ihn, die andern Feinde töten ihn und lassen ihn liegen.
Von allen Verwandten des Maulwurfs erwähne ich nur noch den Blindmull ( Talpa caeca), der im Süden Europas und namentlich in Italien, Dalmatien und Griechenland, ferner in Südfrankreich vorkommt. Seinen Namen erhielt er, weil eine feine, durchschimmernde Haut seine überaus kleinen Augen überzieht. Das dichte, samtähnliche Haar des Körpers ist dunkelgrauschwarz mit bräunlichschwarzen Spitzen. Das Nest für die Jungen legt er in seiner Wohnkammer an, im übrigen aber ähnelt er seinem Vetter in jeder Hinsicht.