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Den gegenwärtigen Stand der Biologie der Schmetterlinge findet man bei M, Hering: Biologie der Schmetterlinge. Berlin 1926, dargestellt. Hier findet derjenige, der tiefer in diesen Gegenstand eindringen will, auch alle nötigen Literaturangaben. Hrsgbr
Unter Berücksichtigung des Gesamteindruckes, den die Körpertracht eines Kerbtieres bei dem Beschauer hervorruft, müssen wir den Hautflüglern die Schmetterlinge, jene bunten Lieblinge unserer naturforschenden Jugend, folgen lassen. Die drei vollkommen verwachsenen Brustringe, die naturgemäß den Mittelleib abschließen, der frei davor sitzende Kopf mit seinen geraden, immer deutlich bemerkbaren Fühlern, der vorwiegend gestreckte, durchweg mit Chitinmasse gepanzerte Körper und die vier Flügel, die ihre Inhaber befähigen, den feuchten, unsauberen Erdboden zu verlassen und im lustigen Gaukelspiel die würzigen Lüfte zum gewöhnlichen Aufenthalt zu wählen, dies alles, aber auch außerdem das Verlangen nach Süßigkeit und nach den Perlen des Taues, um das kurze Leben zu fristen, und die scharf geschiedenen drei Entwicklungsstufen haben die Schmetterlinge mit den Aderflüglern gemein. Auch sie grenzen sich sehr bestimmt von allen andern Kerfen ab durch die Bildung ihrer Mundteile und die Beschaffenheit der Flügel und können darum unmöglich mit dem Gliede einer andern Ordnung verwechselt werden, selbst dann nicht, wenn in einzelnen Fällen durch Verkümmerung der Flügel das Luftleben versagt worden ist.
Die Mundteile sind saugende. Wie schon früher bemerkt, bildet hier der Unterkiefer, auf der Innenseite jeder Hälfte halbröhrenförmig ausgehöhlt, einen längeren oder kürzeren, aufrollbaren Saugapparat, die sogenannte Rollzunge, welche Bezeichnung freilich die Wissenschaft nicht billigen kann. Oberlippe und Oberkiefer werden von den Forschern in drei unbeweglichen Hornplättchen wieder erkannt, die so klein und durch die Bekleidung des Gesichts so versteckt sind, daß ein Uneingeweihter wohl vergeblich danach sucht; ein kleiner dreieckiger Zipfel mit jederseits dreigliedrigen Tastern läßt sich dagegen bequem als Unterlippe unter dem Saugapparat erkennen. Die Taster geben als Freßspitzen (Palpen) besonders bei Kleinfaltern wichtige Unterscheidungsmerkmale ab. Die Kiefertaster endlich finden sich meistenteils vor, verkümmern aber zu kurzen zweigliedrigen Anhängseln und erlangen nur bei den Schaben ( Tineina) als »Nebenpalpen« mitunter in Länge und Gliederzahl eine ungewöhnliche Ausbildung.
Die vier Flügel, deren vordere die hintersten an Größe in den meisten Fällen bedeutend übertreffen, werden in ziemlich gleichmäßiger Weise vorherrschend von Längsadern durchzogen. Weil die neueren Systematiker ein großes Gewicht auf deren Verlauf legen, so können wir die wesentlichsten Verhältnisse und die dafür üblichen Bezeichnungen nicht gänzlich mit Stillschweigen übergehen. Aus der Mitte der Wurzel entspringt eine Zelle, die Mittelzelle (Diskoidalzelle), die ungefähr in der Mitte der Flügelfläche durch eine kurze, meist gebogene oder gebrochene Querader geschlossen wird, in selteneren Fällen aber auch offen bleibt. Die dem Vorderrande des Flügels ( costa) zugewandte Grenze der Zelle heißt vordere Mittelrippe, die entsprechende der entgegengesetzten Seite die hintere Mittelrippe. Diese beiden Benennungen ergeben sich aus derjenigen Lage der Flügel, die man ihnen zu geben pflegt, um den Schmetterling in einer Sammlung aufzustellen; nach ihrer Richtung zum Leibe würden sie bezüglich äußere und innere Mittelrippe zu nennen sein. Aus beiden Mittelrippen und aus der Querrippe entspringt eine Anzahl von Längsrippen, die in den Saum und Vorderrand des Flügels münden. Diese werden am Saum vom Innenwinkel an gezählt, wobei man von zwei anfängt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, ob sie gesondert aus den beiden Mittelrippen und der Querrippe kommen, oder ob zwei oder mehrere sich wurzelwärts vereinigen und auf gemeinschaftlichem Stiele aus jenen entspringen. Außer den eben besprochenen finden sich am Innenrande eine bis drei Rippen, und zwar auf dem vorderen meist nur eine, selten zwei, die aus der Flügel wurzel kommen und in den Saum oder Innenrand verlaufen. Diese heißen Innenrands- oder Dorsalrippen und führen alle die Zahl 1; wo mehrere vorhanden sind, unterscheidet man sie von der Wurzel nach dem Saume, also dem Innenwinkel zu durch 1a, 1b, 1c. Am Außenrand entspringt die Vorderrandsrippe ( Costalrippe, Costa) unmittelbar aus der Wurzel des Flügels; sie erhält beim Zählen stets die höchste Nummer. Im Hinterflügel verbindet sich dieselbe bei vielen Nachtfaltern mit der vorderen Mittelrippe in der Nähe der Wurzel auf eine kurze Strecke oder bis zu dieser hin und scheint in diesem letzteren Falle aus der Mittelzelle zu kommen. Die Verteilung ist indes nicht so einfach, wie man hiernach glauben sollte, weil im Vorderflügel die vordere Mittelrippe hintereinander drei Äste aussendet und dadurch allerlei Unterschiede bedingt, die für viele Schmetterlinge charakteristisch werden können. Im Hinterflügel sendet dieselbe nur zwei Äste aus, die in den Saum verlaufen und größere Übereinstimmung zeigen.
Die durch zwei aufeinander folgende Rippen und das Stückchen Flügelrand zwischen ihnen gebildeten Zellen bezeichnet man ebenfalls mit der Zahlenreihe, so zwar, daß die Zelle jedesmal die Ziffer derjenigen Rippe erhält, auf die sie in der Richtung von innen nach außen folgt. So wird beispielsweise eine offene Mittelzelle zu der sehr langen Zelle 4, weil sie zwischen Rippe 4 und 5 liegt. In andern Fällen wird die genannte durch eine oder auch durch zwei überzählige Längsrippen geteilt; bisweilen gabelt sich eine dieser Rippen saumwärts und bildet am Ende der Mittelzelle, in ihr selbst eine kleine, dreieckige, die sogenannte eingeschobene Nebenzelle. Auch an ihrem Vorderwinkel kann durch eigentümlichen Aderverlauf eine Anhangszelle entstehen, und endlich ist im Hinterflügel vor ihrem Wurzelteile eine größere Nebenzelle möglich. Dies in allgemeinen Umrissen das mehr verborgene Skelett der Flügel; den höchsten Wert aber für das Auge und für ihre Schmetterlingsnatur verleiht ihnen die äußere Bedeckung. Wenn man sagt, die Schmetterlingsflügel seien mit abwischbarem Staube überzogen, so drückt man sich mindestens sehr ungenau aus, denn jedermann weiß, daß es nicht formlose, beliebig aufgestreute, außerordentlich feine Körperchen sind, für die wir eben keinen andern Ausdruck als »Staub« haben, die den Flügeln ihre Schönheit verleihen, sondern sehr zarte Schüppchen von ganz bestimmtem regelmäßigen Zuschnitt. Dieselben heften sich mit längeren oder kürzeren Stielchen lose an die Flügelhaut in bestimmten Reihen an, decken sich, hier dichter, dort loser, wie die Ziegel auf dem Dache und haben in einem und demselben Flügel, je nach der Stelle, die sie einnehmen, je nach der Schmetterlingsart, verschiedene Größe, Form, Farbe, Oberfläche. Es gibt bei einigen männlichen Schmetterlingen auch sog. Duftschuppen, die z. T. besondere Dufthaare ausgebildet haben. Aber auch weibliche Schmetterlinge werden von ihren Männchen wahrscheinlich durch den Geruch aufgespürt. Fabre hat einmal ein Weibchen der großen Nachtpfauenaugen gefangen gehalten und beobachtet, daß es in acht Nächten von etwa 150 Männchen, die von weither gekommen sein mußten, aufgespürt worden war. Hrsgbr. In der Mitte der Flügelfläche pflegt die meiste Übereinstimmung zu herrschen, wenn wir die Farbe ausschließen, an dem Innenrand und Saum gehen die Schuppen in haarartige Gebilde oder in wirkliche Haare über, wie auch häufig auf der Unterseite; die den Saum einfassenden heißen Fransen. Es gibt brasilianische Schmetterlinge, deren Flügel gar keine Schuppen tragen, und auch in Europa eine Sippe zierlicher Falter, die Glasflügler, bei denen ein großer Teil des Flügels durchsichtig bleibt, dafür nehmen die Schuppen des übrigen Teiles die verschiedensten Formen an. Das Streichen der Reihen, ob sie gerade oder gebogen, das festere oder losere, bisweilen sogar senkrechte Aufsitzen der einzelnen Plättchen bieten neben der Größen-, Formen- und Farbenverschiedenheit eine nicht geahnte Abwechslung und verleihen dem unnachahmlichen Gemälde den höchsten Zauber.
Der »Naturselbstdruck«, in dem auf verschiedenen Gebieten bisher die Wiener Staatsdruckerei das Beachtenswerteste im großen geleistet hat, wurde längst schon auf sehr einfache, aber wesentlich verschiedene Weise zum Übertragen von Schmetterlingen auf Papier angewendet. Dieses Verfahren, das sogleich näher angegeben werden soll, hat gelehrt, daß in sehr vielen Fällen, ganz besonders bei den Tagschmetterlingen, die sich dazu am besten eignen, die Rückseite der Flügelschüppchen mit ihrer Oberseite übereinstimmt. Dies gilt beispielsweise nicht von denjenigen, deren Flügel je nach dem verschieden auffallenden Licht anders gefärbt erscheinen, von den sogenannten Schillerfaltern. Selbstverständlich kann man nur die Flügel auf Papier übertragen, den Leib mit den Fühlern und Beinen muß man mit dem Pinsel ergänzen. Wer sich ein Schmetterlingsbilderwerk auf diese Weise selbst beschaffen will, merke folgendes. Eine nicht zu flüssige Lösung von recht reinem Gummiarabikum mit einem geringen Zusatz von Trachantgummi, das jenem den Glanz benimmt, wird als Bindemittel benutzt. Man bestreicht nun, annähernd in der Form, die etwa die vier Flügel eines gut ausgebreiteten Schmetterlings einnehmen würden, mit dieser Lösung das Papier in dünner Schicht, muß aber wegen des raschen Trocknens die Flügel, die abgedruckt werden sollen, in Bereitschaft halten. Ein frisch gefangener Schmetterling eignet sich dazu am besten, ein alter muß auf feuchtem Sand erst aufgeweicht werden, weil seine Schuppen fester sitzen als bei jenem. Mit Vorsicht gibt man nun, natürlich ohne zu schieben, den Flügeln auf dem Gummi die Lage, die sie einnehmen sollen, läßt für den nachzutragenden Mittel- und Hinterleib den nötigen Zwischenraum zwischen der rechten und linken Seite, legt dann ein Stück glattes Papier über die Flügel und reibt mit dem Fingernagel vorsichtig, damit keine Verschiebung möglich, unter mäßigem Drucke über die abzuklatschenden Flügel, alle ihre einzelnen Teile berücksichtigend. Ist alles in Ordnung, so muß man beim nachherigen Abheben der Flügel das Bild derselben auf dem Papier, keine Schuppe mehr auf der Innenseite dieser finden. Die über die Ränder hinausstehenden, das Auge möglicherweise verletzenden Fleckchen des Bindemittels lassen sich durch Wasser und Pinsel ohne Mühe entfernen. Dieses Verfahren kann man durch Umbrechen des Papiers, wenn man Vorder- und Rückseite zugleich haben will, in Kleinigkeiten abändern, wird aber bei Beachtung der Hauptsache und bei einiger Übung immer den gewünschten Erfolg haben.
Die Hinterflügel sind nicht selten mit einem feinen Dorn oder einem Büschel feiner Borsten versehen, die in die vorderen eingreifen und das Zusammenhalten beider bewerkstelligen. – Man hat, um sich bei Beschreibung der Zeichnungen bestimmter ausdrücken und auf dem Vorderflügel, der auch hier wieder die wichtigste Rolle spielt, zurechtfinden zu können, seine Fläche in drei Hauptteile, das Wurzel-, Mittel- und Saumfeld zerlegt. Da es eine große Menge von Schmetterlingen gibt, bei denen durch zwei einfache oder zusammengesetzte Querbinden eine solche Einteilung markiert wird, die vordere Querbinde das Wurzel- vom Mittelfelde, die hintere dieses vom Saumfelde trennt, so hält man diese Anschauungsweise auch da fest, wo durch das Fehlen jener Binden keine sichtlichen Grenzen gezogen werden. Wie Form, Zeichnung und Aderverlauf der Flügel für die Arten charakteristisch sind, so auch die Haltung derselben in der Ruhe.
Außer Mundteilen und Flügeln, als den Trägern des Ordnungscharakters, verdienen auch die übrigen Stücke des Körpers eine wenigstens flüchtige Beachtung. Am zottig behaarten oder gleichfalls beschuppten Kopfe nehmen den größten Teil der Oberfläche die halbkugelig vortretenden, großen Netzaugen ein; einfache verstecken sich, und zwar nur zu zweien vorhanden, ebenso häufig auf dem Scheitel, wie sie gänzlich fehlen. Die vielgliedrigen Fühler sind in den meisten Fällen borsten- oder fadenförmig und werden für die Tagfalter durch eine knopfähnliche Anschwellung an der Spitze zu einem Erkennungszeichen, weichen aber auch vielfach von dieser Bildung ab. Auch hier sind es wieder die Männchen, die durch einfache oder doppelte Reihen einfacher oder doppelter Kammzähne vor den Weibchen etwas voraus haben und hierdurch, wie zum Teil durch das lebhaftere Farbenspiel, durch schlankere, mehr Ebenmaß herstellende Gestalt des Hinterleibes für gewisse Fälle das Streben der Natur andeuten, dieses Geschlecht vor dem weiblichen zu bevorzugen.
Der Mittelleib, bei den einen vorherrschend mit wirklichen, bei den andern mit mehr schuppenartigen Haaren dicht besetzt, läßt darum die drei Ringe nicht unterscheiden, und doch markiert sich der kurze Vorderrücken als Halskragen durch zwei größere Schuppen, die sich auf seiner Mitte in ihren schmalen Seiten berühren und nach außen und unten spitz verlaufen. An sie stößt jederseits die Schulterdecke, eine größere dreieckige Schuppe, welche die kahle Flügelwurzel bedeckt. Nicht selten erhebt sich die Bekleidung in der Mitte des Rückens und Halskragens in zierlichster Weise gegen die glattere Umgebung und bildet einen sogenannten Schopf.
Am angewachsenen, wenigstens nie gestielten Hinterleib kommen sieben bis neun Ringe zur Entwicklung. Seine plumpere, durch die Eierstöcke geschwellte Gestalt verrät in sehr vielen Fällen das Weibchen, bei dem überdies noch eine lange, vorstreckbare Legröhre dann die Spitze kennzeichnet, wenn die Eier weniger oberflächlich abgesetzt werden, als es gewöhnlich geschieht. Von der Bekleidung des Hinterleibes gilt dasselbe, was vom Brustkasten gesagt wurde; auf dem Rücken der vorderen Glieder kommen gleichfalls Schöpfe vor, und die Spitze verläuft dann und wann, besonders beim Männchen, in zierliche Haarbüschel, die gewisse Arten nach Belieben fächerartig ausbreiten können.
Obschon die Beine durch ihre bisweilen dichte und lange Bekleidung einen größeren Umfang einnehmen, müssen sie doch als schlank, zart und lose eingefügt bezeichnet werden; denn der Schmetterling kann leicht um eins derselben kommen. Die Schienen bewehren verhältnismäßig lange Sporen, nicht bloß am Ende, sondern oft auch an den Seiten, fünf Glieder setzen die Füße zusammen, die in kleinen Krallen auslaufen.
Somit stände die den Körper und seine Teile, Flügel und Beine dicht deckende, vorherrschend schuppige Bekleidung der Schmetterlinge der vollkommenen Nacktheit oder sparsamen Behaarung der Aderflügler, wenn wir etwa von den Blumenwespen und einigen Heterogynen absehen, sowie das tatenlose, faule Leben der Falter dem vielbewegten, öfters hohen Kunstsinn verratenden Treiben der Hautflügler gegenüber.
Die Larven oder Raupen der Schmetterlinge kennt man vollständiger als diejenigen irgendeiner andern Kerfordnung, weil sich nirgends mehr, wie hier, die – – Laien der Erforschung unterzogen haben. Wir haben allen Grund, die einen ebenso wegen ihrer Schönheit zu bewundern, wie die andern um ihrer Gefräßigkeit willen zu fürchten. Jede Raupe besteht außer dem hornigen Kopf aus zwölf fleischigen Leibesgliedern, von welchen die drei vordersten je ein Paar hornige, gegliederte und in eine Spitze auslaufende Brust- oder Halsfüße tragen. An den Leibesenden stehen mit wenigen Ausnahmen zwei fleischige und ungegliederte Füße nach hinten hervor, die sogenannten Nachschieber. Zwischen diesen und jenen befinden sich noch zwei bis acht saugnapfartige, kurze Beine am Bauche, die so gestellt sind, daß zwischen den Brustfüßen mindestens zwei und vor den Nachschiebern ebenso viele Glieder frei bleiben. Sonach kann eine Raupe höchstens sechzehn, aber auch nur zehn, in sehr seltenen Fällen sogar nur acht Füße haben, ein Mehr kennzeichnet sie als Afterraupe einer Blattwespe. In Südamerika soll es indes Schmetterlingsraupen mit zwanzig Beinen geben. Wo nur ein oder zwei Paare am Bauche vorkommen, wird der Gang ein eigentümlicher, den Raum durchspannender, die Raupe streckt sich lang aus, und wenn sie mit dem Vorderteil Fuß gefaßt hat, zieht sie den Hinterkörper, die Mitte in eine Schleife biegend, nach, setzt die vordersten Bauchfüße hinter die hintersten der Brust, läßt letztere los, streckt den Vorderkörper lang vor und kommt auf diese Weise sehr schnell von der Stelle. Man nennt diese Raupen Spannraupen und ihre Schmetterlinge Spanner. Die neun Luftlöcher an den Körperseiten lassen sich bei nicht zu kleinen Raupen leicht erkennen; sie fehlen nur dem zweiten, dritten und letzten der Glieder. Bei den einen ist die Haut nackt oder so gut wie nackt, weil nur sehr vereinzelte Haare hier und da kaum bemerkbar sind, bei den andern verdeckt ein dichtes Haarkleid den Untergrund, ein Haarkleid, das, abgesehen von der Färbung, den verschiedensten Eindruck auf das Auge des Beschauers machen kann, je nach der Verteilung, der Gedrängtheit und der Länge der Haare. Nicht selten stehen sie in Büscheln, die auf diesem und jenem Gliede lang über die andern hervorragen. Außer Haaren bilden aber auch Warzen ( Knospenwarzen), auf denen die Haare meist stehen, Fleischzapfen, einfache oder dornenartig verzweigte, nackte oder behaarte, auch Anhängsel anderer Art allgemeine Verzierungen der Oberfläche oder Auszeichnungen für bestimmte Ringe. Wir werden mit der Zeit einen Begriff von der unendlichen Mannigfaltigkeit bekommen, die in bezug auf die Gestalt und die äußere Erscheinung der Raupen überhaupt herrscht, und begnügen uns jetzt mit diesen kurzen Andeutungen, und fügen nur noch eins hinzu: der Kopf, den im wesentlichen zwei seitliche Hornschalen zusammensetzen, hat vollständig entwickelte beißende Mundteile und eine mikroskopische Öffnung in der Unterlippe, aus welcher der in den beiden Spinndrüsen sich entwickelnde Spinnstoff in Form seiner Fäden entleert wird, da fast jede Raupe spinnen kann. An der vorderen Ecke jeder Schale steht eine Gruppe von fünf bis sechs Augelchen und davor ein aus wenigen zapfenartigen Gliedern zusammengesetzter Fühler.
Auch in Ansehung der Lebensweise kommen größere Unterschiede vor, als man denken sollte. Die einen finden sich immer nur einzeln, weil die Eier vereinzelt wurden, die andern für kürzere oder längere Zeit gesellschaftlich beieinander, mit oder ohne gemeinsames Gespinst, in dem sie wohnen. Die meisten leben auf den Blättern der verschiedensten Pflanzen, und außer den Kryptogamen dürfte es wenige geben, an denen nicht wenigstens eine Raupenart Geschmack fände; wird doch die Eiche, die wir schon als den Liebling der Gallwespen kennenlernten, bei uns von einhunderteinundzwanzig Arten aufgesucht. Wie sie sich auf ihren Blättern einrichten, ist eine andere Frage, deren Beantwortung je nach der Art sehr verschieden ausfällt. Beim Fressen pflegt eine jede wenigstens mit dem vorderen Körperteil auf dem Blattrand zu reiten, weil die Schmetterlingsraupen, sobald sie die ersten Tage zarter Jugend hinter sich haben, nur vom Rande her die Blätter abweiden, sie nicht durchlöchern, wie manche Afterraupen, Käferlarven und die blätterfressenden Käfer selbst; daher ist der Raupenfraß als solcher immer leicht zu erkennen. Die Unterschiede in den Gewohnheiten beziehen sich also auf Ruhe. Die einen pflegen derselben auf dem Blatt selbst, an einer beliebigen Stelle der Fläche oder lang ausgestreckt auf der Mittelrippe, oben oder auf der schattigen Unterseite, andere verlassen das Blatt und kriechen auf den benachbarten Stengel, bei Bäumen an den Stamm, zwischen die Risse der Rinde, oder unter die Futterpflanze auf die Erde, von den Wurzelblättern jener bedeckt, auch flach unter die Erde, wie besonders die an Gras und andern niedrigen Pflanzen bloß im Dunkeln fressenden Raupen vieler Nachtschmetterlinge. Diese ziehen mit wenigen Fäden einen Teil des Blattrandes über sich und sitzen in der dadurch gebildeten Höhlung, oder verwandeln das ganze Blatt in eine Röhre, in der sie mit gleicher Gewandtheit rück- und vorwärts kriechen, um sich vor feindlichen Angriffen zu schützen; jene wieder kleben zwei Blätter mit ihren Flächen aneinander und betten sich zwischen dieselben, oder sie fertigen ein verschieden geartetes Säckchen aus den Abnagseln der Futterpflanze, in dem sie leben wie die Schnecke in ihrem Hause. Es gibt aber auch zahlreiche Raupen, die sich für immer unsern Blicken entziehen, weil sie entweder im Holz oder in den Stengeln krautartiger Gewächse, besonders der Gräser, in Früchten, Blättern oder Wurzeln leben und das Tageslicht scheuen. Dergleichen Raupen sehen meist bleich, schmutzigweiß aus, und jede hat wieder ihre besondere Art, wie sie miniert oder bohrt, und verrät dadurch ihre Gegenwart.
Manche Raupen gelten dem gemeinen Mann für giftig und werden darum oft mehr gefürchtet als wegen des Schadens, den sie an Kulturpflanzen anrichten. Giftorgane hat keine Raupe, bei manchen aber sind die Haare oder die fleischigen, mit beweglichen Seitenästen reichlich versehenen Zapfen hohl, enthalten sehr verdichtete Ameisensäure und nesseln daher beim Abbrechen der Spitzen. So haben wenigstens einige Larven ein Schutzmittel, während auch nicht ein Schmetterling imstande ist, sich zu verteidigen, sondern bei drohender Gefahr durch seine Schwingen einzig auf schleunige Flucht angewiesen ist oder durch Herabfallen von seinem erschütterten Ruheplatze und Erheucheln des Todes auf dem Boden seine Verfolger zu täuschen sucht.
Unter mehreren Häutungen, mit denen häufiger ein Farben- als ein Formenwechsel verbunden ist, wachsen die Raupen in kürzerer oder längerer Zeit, die nicht selten einen Winter in sich schließt, heran und werden reif zur Verpuppung. Die Puppe ist hier mehr verwahrt als bei jedem andern Kerbtier; denn die einzelnen Glieder hüllen sich nicht nur in die zarten Häute, die wir auch anderwärts finden, sondern werden außerdem noch von einer gemeinsamen, gegliederten Chitinschale umschlossen, weshalb man die Puppe eine bedeckte genannt hat. Sie atmet durch die ihr an jeder Seite bleibenden neun Luftlöcher, deren hintere sich mit der Zeit schließen, und läßt auf dem Rücken meist neun Ringel unterscheiden, mithin drei weniger als die Raupe hatte, indem die vordersten zum künftigen Brustkasten verwachsen sind. An der Bauchseite sind die Flügel, Fühler, Augen und der Rüssel, mehr oder weniger deutlich auch die Beine zu unterscheiden. In Ansehung der Form und Farbe, welch letztere sich manchmal nach dem Alter verändert, der Bekleidung und Bildung der Afterspitze ( Kremaster) sowie der Art der Anheftung kommen wieder eine Menge Unterschiede vor, die teilweise auf die Sippe schließen lassen, welcher der künftige Schmetterling angehört. So heften sich zum Beispiel die eckigen Puppen der meisten Tagfalter, die vorzugsweise Chrysaliden heißen, mit der Schwanzspitze an irgendeinen Gegenstand, umgürten wohl auch mit einem zweiten Faden ihren Leib und hängen dann wagerecht oder aufrecht. Die Puppen der meisten Spinner stecken in einem besonderen Gehäuse, das sie zwischen Blätter oder an Zweige befestigen; andere ruhen mit oder ohne solchem in der Erde. Wenn zuletzt die Zeit der Entwicklung gekommen ist, so löst sich im Nacken die Naht, die hinter den Fühlerscheiden hinläuft, und mit ihr die Gesichtsseite der Puppe bis zu den Flügelscheiden, der Rücken des Mittelleibes spaltet sich von oben her der Länge nach, und der Schmetterling kommt heraus, früh am Morgen, wenn er den Tag und die Sonne liebt, gegen Abend, wenn er zur Nachtzeit seine Tätigkeit entfaltet. Hat er erst Fuß gefaßt, so sitzt er vollkommen still und ruht von den gehabten Anstrengungen aus. Die zu erwartenden Flügel stehen auf dem Rücken wie ein Paar gekrümmte, zarte Läppchen, mit den Außenseiten gegeneinander gekehrt. Man kann sehen, wie sie wachsen. In Zeit einer halben Stunde bei Schmetterlingen gewöhnlicher Größe, in etwas längerer Zeit bei den größten Arten, haben sie ihre volle Entwicklung erreicht, die Zeichnung war schon beim Auskriechen deutlich vorhanden, indem die bunten Schuppen sich sehr früh in der Puppe entwickeln. Die Flügel verharren noch kurze Zeit in dieser Lage, dann bringt sie der Schmetterling in die seiner Art eigentümliche und beweist damit, daß er nun vollständig entwickelt sei. Aber auch jetzt noch sind sie zart und weich und erhärten erst an der austrocknenden Luft. Nach wenigen Stunden können sie ihre Tätigkeit übernehmen, bei den kleinen Faltern früher als bei den großen. Haben die meisten, auch der größten Arten, nach wenigen Stunden ihre naturgemäße Ausdehnung noch nicht erlangt, so bekommen sie dieselbe nie und bleiben krüppelhaft.
Schmetterlinge sind in gewissen Arten beinahe überall auf der Erde vertreten, im wesentlichen aber von der Pflanzenwelt, als der Ernährerin ihrer Raupen, abhängig. Wegen ihrer Zartheit konnten sich fossile Überreste schwieriger erhalten als von andern Kerfen und kommen daher auch seltener vor; indessen haben wir aus dem Tertiärgebirge mehrere wohl erhaltene Schwärmer und als Einschluß in Bernstein kleinere und zartere Formen. Die ältesten heute bekannten Schmetterlinge stammen schon aus der Jurazeit. Sie waren noch sehr einförmig und mottenähnlich. Hrsgbr.
Lange Zeit begnügte man sich mit der Linnéschen Einteilung in Tag-, Dämmerungs- und Nachtfalter, von denen nur die beiden ersten natürlich begrenzte Familien bilden, die letzteren dagegen aus den verschiedenartigsten Formen zusammengesetzt sind. Das Bestreben, auch die mit den Jahren bekanntgewordenen zahlreicheren Arten ferner Länder einzuordnen und die genaueren Untersuchungen längst bekannter Inländer zu verwerten, ergab allmählich eine Reihe von mehr oder weniger natürlichen Familien, deren wesentliche nun zur Sprache kommen sollen.
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An der Spitze stehen die Tagfalter, Tagschmetterlinge ( Diurna), Linnés Gattung Papilio. Ein dünner, schmächtiger Körper mit schwächlicher Bekleidung, große und breite Flügel, die in der Ruhe aufrecht getragen werden, so daß sich die Oberseiten berühren, und schlanke Fühler, die an der Spitze selbst oder unmittelbar vor ihr die größte Dicke erlangen, bilden in ihrer Vereinigung die untrüglichen Merkmale, an denen man die zahlreichen Glieder dieser ersten Familie erkennt. Nur bei den Spinnern wiederholen sich die Größenverhältnisse von Flügel und Körper bisweilen, aber die Fühler folgen einem andern Bildungsgesetz. Die Tagfalter haben nie Nebenaugen, keine Haftborsten an den Hinterflügeln, meist bloß zwei Endsporen an den Hinterschienen und fliegen nur bei Tag. Doch sind darum keineswegs alle Schmetterlinge, die bei Tag sich lebhaft zeigen, Glieder dieser Familie. Sie erscheinen mit derselben Beharrlichkeit als die geputzten, liebenswürdigen Tagediebe, mit der ihre Raupen die unersättlichen Vertilger der Pflanzen sind. Dieselben gehen aber mit ihrem äußern Wesen zu sehr auseinander, um über sie im allgemeinen mehr sagen zu können, als daß sie sechzehn Füße haben und kein dichtes und langes Haarkleid tragen. Alle heimischen Dornenraupen gehören hierher. Die Puppen der Tagfalter sind von lichter Farbe, ausgezeichnet durch allerlei Ecken auf dem Rücken und Endspitzen auf dem Scheitel, so daß sie nicht selten in ihrem vorderen Rückenteil ein fratzenhaftes Gesicht zeigen. Die Raupe heftet mittels eines Endhäkchens die Spitze ihres Hinterleibs einem seinen Polster auf, das sie an eine Planke, einen Ast, Baumstamm usw. spinnt, krümmt sich bogenförmig, streift durch Windungen ihres Körpers die Haut ab und erscheint nun als eine mit dem Kopf nach unten gerichtete Puppe, oder stützt sich vorher durch einen Gürtel um den Leib und ruht senkrecht oder wagerecht mit der Bauchseite auf ihrer Unterlage; in selteneren Fällen findet man die Puppe auch unter Steinen, nie aber hat sie weder ein geschlossenes Gehäuse noch ein loses Gespinst um sich. Abgesehen davon, daß einige Raupen in ihrer Jugend ein Nest fertigen, das ihnen besonders für den Winter als Schutz dient, haben sie wenig Veranlassung zu spinnen, darum bleibt auch das dazu dienende Organ ziemlich unentwickelt.
Hinsichtlich des Verhaltens der Tagschmetterlinge zu dem Winter läßt sich wenigstens für die deutschen Arten der Entwicklungsstand angeben, auf dem sich eine jede während dieser Zeit befindet. Nach Werneburg stellt sich heraus, daß von hundert nur neun als Ei, etwa eine gleiche Zahl als Schmetterling, neunundfünfzig als Raupe und achtundzwanzig als Puppe überwintern.
Welchen Einfluß Licht und Wärme gerade auf die Glieder dieser Familie ausüben, ersieht man aus der örtlichen Verbreitung und der Farbenpracht, die nur solchen im vollen Maße zukommt, die unter fast immer senkrechten Sonnenstrahlen heimisch sind, wo sie stellenweise in solchen unglaublichen Massen vorkommen, daß sie den Mangel an Blüten im Urwald reichlich ersetzen. In den nördlicheren Breiten, für welche der vierundsiebzigste Grad die äußerste Grenze des Schmetterlingslebens bildet, und auf höheren Gebirgen, deren Schmetterlingsgrenze je nach den Breitengraden zwischen zweitausendachthundertundzwölf und viertausendundachtzig Meter schwanken kann, werden jene Grenzen von den Tagfaltern nicht erreicht. Während in Deutschland nicht volle zweihundert Arten von Tagfaltern angetroffen werden, in ganz Europa, einschließlich der asiatischen, in dieser Beziehung nicht wohl zu trennenden Grenzländer, kaum vierhundert, fliegen bei Pará in Brasilien sechshundert Arten. Dies eine Beispiel wird genügen, um ihren vorwaltenden Reichtum in den Gleichergegenden erkennen zu lassen. Die Annahme von fünftausend Tagfalterarten dürfte daher eher zu niedrig Die hier angegebenen Zahlen sind heute überholt. Doch dürfte ihr Verhältnis zueinander das gleiche geblieben sein. Hrsgbr. als zu hoch gegriffen sein. Dieser Reichtum erschwert die Auswahl der wenigen Arten, die hier zur Besprechung kommen können, wesentlich.
Man kennt etwa zwanzig verschiedene Schmetterlinge, die den Molukken, Philippinen, Neu-Guinea und den übrigen Inseln jener Gewässer eigentümlich und wegen ihres stattlichen Ansehens mit noch sehr vielen andern von Linné treffend als Ritter bezeichnet worden sind; entschieden bilden sie die Riesen sämtlicher Tagfalter. An der Innenseite der Mittelzelle entspringen auf den sehr großen, dreieckigen Vorderflügeln vier Längsrippen, an der Wurzel der Hinterflügel aber nur eine Innenrandsrippe, Rippe 6 und 7 sind gesondert. Die Fühler verdicken sich allmählich nach der Spitze und biegen sich hier sanft nach hinten, wie ein Paar Stäbchen von Fischbein zieren sie den nicht eben großen Kopf. Der Amphrisus ( Ornithoptera Amplirisus) aus Java zeigt auf der Oberseite seiner Flügel fast dieselbe Zeichnung wie auf der unteren, nur fehlen dort den schwarzbraunen Samtflächen der Vorderflügel die kreideweißen Striemen um die Adern, und die Hinterflügel sind goldgelb, am Saum schwarz gezackt. Der Kopf und der stark entwickelte Mittelleib sind schwarz, der Halskragen des letzteren im Nacken feurig karminrot, der Hinterleib oben dunkelbraun, unten gelb. – Die mit dicken Fleischzapfen reihenweise besetzte Raupe kann aus dem Nacken zwei gabelförmige Hörner vorstrecken, die einen unangenehmen Geruch verbreiten und dem sonst wehrlosen Tier als Schutzmittel dienen. An der Puppe fällt das Vorwalten der großen Flügelscheiden sowie die Zackenbildung auf dem Rücken des Hinterleibs und am Kopf in die Augen. Die Art der Anheftung hat etwas Ungewöhnliches, da alle übrigen aus der nächsten Verwandtschaft aufrecht stehen.
Bekannter als diese Art ist der Priamus ( Ornithoptera Priamus), der nach den beiden Geschlechtern ein sehr verschiedenes Ansehen hat. Das Männchen schmücken samtschwarze Vorderflügel mit smaragdgrünen Rändern und smaragdgrüne Hinterflügel mit schwarzen Rändern und je vier schwarzen, nebst einigen goldgelben Tupfen auf dem grünen Grunde. Dagegen trägt das Weibchen fahlbraune, weißgefleckte Flügel und spannt 15,7 bis 18,3 Zentimeter. Der Hinterleib ist bei beiden Geschlechtern goldgelb gefärbt.
Ein anderer Ritter, der allgemein bekannte Schwalbenschwanz ( Papilio Machaon), breitet sich nicht nur über ganz Europa aus, sondern fliegt auch auf dem Himalajagebirge und in Japan. An den Vorderflügeln sind die schwarzgefleckten und durchaderten, staubartig aufgehauchten gelben Schüppchen auf dem schwarzen Wurzelfelde und der schwarzen Binde vor den gelben Saumflecken deutlich wahrzunehmen, an den geschwänzten Hinterflügeln ist die entsprechende Binde blau aufgeblickt und als ein rotes, in Blau verschwimmendes Auge fortgesetzt; es ist dies gleichsam der Orden, den diese Ritter tragen. Die Unterseite hat fast dieselbe Zeichnung, nur matter und mit vorherrschendem Gelb. Im Juli und August gaukelt dieser schöne Falter in langsamem Flug über die Kleefelder hin, oder nascht aus den Blüten der Wiesen, der Gärten und Wälder, seine Schwingen dabei in wechselndem Spiel flach ausbreitend oder in halbem Schlüsse emporhaltend. Wenn er will, kann er auch in schnellem Zuge dahinsegeln, und er wäre ganz dazu angetan, weite Strecken in kürzester Frist zurückzulegen. Der Kenner weiß es, daß er zur genannten Zeit die zahlreichere Brut vor sich hat; einzeln zeigt sich der Schwalbenschwanz schon im Mai aus überwinterten Puppen. Das befruchtete Weibchen sucht in der Sorge um seine Nachkommenschaft auf Wiesen, in Gärten oder an freien Waldplätzen verschiedene Doldengewächse, namentlich Fenchel, Dill, Kümmel, Möhren, auf, legt ein Ei, auch einige an jede Pflanze und stirbt. Die jugendliche Raupe ist schwarz, über den Rücken hin weiß gefleckt und mit roten Dornen versehen; doch bald ändert sich ihr Aussehen, und ist sie erst größer, so bemerkt man sie häufig oben in den Fruchtständen ihrer Futterpflanze, den Samen nachgehend. Sie ist jetzt eine stattliche Raupe, grün und samtschwarz geringelt, etwas faltig, aber ohne weitere Auszeichnung auf der Oberfläche, da die Dornen verschwunden sind. Wenn man sie anfaßt, stülpt sie, den Zudringlichen zu erschrecken, zwei Fleischzapfen in Form einer Gabel aus dem Nacken hervor, schlägt wohl auch mit dem Körper um sich. Die grünlichgelbe, gelb gestreifte, am Rücken gekielte, auch sonst etwas rauhe Puppe hat zwei stumpfe Spitzen am Kopf, hält sich durch einen Faden in wagerechter oder aufgerichteter Stellung an irgendeinem Zweiglein fest und überwintert, während die der ersten Brut nach wenigen Wochen zum Schmetterling wird.
Der Segelfalter ( Papilio podalirius) ist der nächste Anverwandte unter den heimischen Arten, jedoch weniger ausgebreitet und mehr auf das Hügelland beschränkt. Seine strohgelben Flügel sind schwarz gestreift; über die vorderen ziehen außer dem schwarzen Saum und der schmalschwarzen Wurzel zwei ganze und drei abgekürzte, keilförmige Striemen, die alle mit ihrem breiten Ende am Vorderrand hängen. Die lang geschwänzten Hinterflügel sind am ausgezackten Saum auf schwarzem Grund mit blauen Monden, am geraden Innenrand mit ein paar breiteren Streifen, an die ein roter Fleck stößt, und mit ein paar sehr schmalen durch die Mitte verziert. Die gelbgrüne Raupe lebt auf Schwarzdorn, ist mit roten Punkten, weißgelben Rückenlinien und Schrägstrichen an den Seiten verziert und ohne vorstreckbare Nackengabel. Die Puppe ist vorn braun, hinten gelb und hier mit braunen Ringen und Punkten gezeichnet, sonst in Gestalt und Anheftungsweise von den vorigen nicht unterschieden.
In den übrigen Erdteilen, besonders im südlichen Amerika, leben noch viele hundert Arten solcher Schwalbenschwänze oder Ritter, zum Teil gleich unsern heimischen, mit schwarzen Streifen oder Flecken auf gelbem Untergrund verziert, andere vom herrlichsten Samtschwarz, das gelbe Fleckenreihen unterbrechen, oder mit lebhaft karminroten oder weißen Flecken, die sich bindenartig ordnen. Viele haben einen breit spatelförmigen Schwanz am Hinterflügel, andere mehrere kurze und spitze Zacken oder stumpfe Zähne, oder es fehlen diese Auszeichnungen auch ganz und gar; denn sie bedingen durchaus nicht den Gattungscharakter. Es wurde schon früher, bei dem Blick auf das Leben der Gesamtheit darauf hingewiesen, wie gerade hier große Verschiedenheiten nicht nur in Zeichnung und Färbung, sondern auch in der Form der Flügel bei beiden Geschlechtern einer und derselben Art beobachtet werden. Darin aber stimmen sie alle überein, daß aus der Mittelzelle der breit dreieckigen Vorderflügel nach innen vier Längsadern auslaufen, an der entsprechenden Stelle des Hinterflügels aber nur eine oder gar keine, daß die Vorderbeine ebenso vollkommen entwickelt sind, wie die übrigen, und alle in einfache Klauen endigen, daß die Fühlerkeule lang und nach oben gekrümmt und das Endglied der Taster kurz ist. Auch umgürten die Raupen sich mit einer Schlinge, ehe sie zur Puppe werden, und sorgen dafür, daß deren Kopf nicht nach unten hänge. Die Gesamtheit dieser Merkmale kommt der Gattung Papilio zu. Nur durch untergeordnete Eigenschaften unterscheiden sich davon eine Reihe ausländischer Gattungen, von denen Curius ( Leptocircus Curius) die schwanzartige Verlängerung des Hinterflügels in kaum noch zu übertreffender Vollendung vergegenwärtigt. Der im Vergleich zu der übrigen Ritterschaft kleine Falter lebt in Siam und auf Java, hat braune Flügel, durch deren beider Mitte ein grünlicher Streifen zieht, der bei dem Weibchen beinahe farblos ist, wie der breitere, glashelle im Saumfeld der Vorderflügel. Ein zierlicher weißer Saum faßt überdies sehr schmal die hinteren Flügel ringsum ein.
Die Weißlinge ( Pieridae) haben durchschnittlich eine geringere Größe, entsenden nur drei Längsadern vom Innenrand der Mittelzelle des Vorderflügels und zwei Innenrandsrippen aus der Wurzel des nie geschwänzten Hinterflügels. Die Mittelzelle beider wird nach hinten von Rippen geschlossen, die weder stärker noch schwächer als die übrigen sind. Die Klauen der sechs unter sich gleich langen Beine erscheinen infolge von Afterklauen doppelt. Die Puppen hängen gleichfalls in einer Schlinge. Die Grundform der Sippe, Pieris, zeichnet sich durch eine kurz kegelförmige Fühlerkeule, den Kopf überragende Taster, deren letztes Glied meist so lang ist, wie das vorletzte, durch abgerundete, dreieckige Vorder- und eiförmige Hinterflügel aus. Die zahlreichen Arten sind über alle Länder der Erde verbreitet und teilweise durch die Gefräßigkeit ihrer Raupen dem Landwirt und Gärtner im höchsten Grade mißliebig.
Der große Kohlweißling ( Pieris brassicae) zeichnet sich durch die schwarze Spitze der Vorderflügel und den schwarzen Wisch am Vorderrande der hinteren Flügel aus; dort hat das Weibchen außerdem noch zwei schwarze runde Flecke übereinander hinter der Mitte der Fläche und einen schwarzen Wisch von dem zweiten derselben bis nach dem Innenrande; die auf der Unterseite gelben Hinterflügel tragen gleichmäßig verteilte Stäubchen von gleichfalls schwarzer Farbe. Dieser schlichte »Sommervogel«, der im weiblichen Geschlecht bis 6,5 Zentimeter spannt, treibt sich vom Juli ab auf Feldern, Wiesen und in Gärten umher, in welch letzteren er die etwa vorhandenen Kohlpflanzen, Levkojen und spanische Kresse vorzugsweise umflattert, wenn es sich um das Ablegen der Eier handelt; kommt es ihm dagegen auf den Honig an, so sind ihm natürlich alle Blumen genehm. Gleich weißen Papierschnitzeln, die der Wind hin und her weht, beleben sie selbst, besonders im August, das laute Menschengetümmel auf den Straßen und freien Plätzen der Städte, vorausgesetzt, daß es in der Nähe nicht an Blumenfenstern und Gärten fehlt, wo sie Nahrung und Brutplätze finden; ja, man sieht sie bisweilen die längste Zeit vor einem geschlossenen Fenster hin und her flattern, hinter denen bunte Blumen ihr Verlangen nach Honig erweckt haben. Verweilen wir einige Zeit bei einem Gartenbeet, auf dem Kohlrabi oder Kopfkohl wächst, und sehen dem munteren Treiben zu, aber vorurteilsfrei und unbekümmert um den Schaden, den dieses Geziefer veranlaßt. Da ist ein Weibchen, dem wir an dem schäbigen Kleide ansehen, daß es schon länger zwischen den großen Blättern umhergeflattert ist. Eben kommt es unter einem solchen hervor. Sehen wir uns dieses an. Mehr denn hundert gelbe Eierchen stehen dicht beieinander, wie eine kleine Insel auf der grünen Fläche. An andern Blättern finden sie sich auf der Oberfläche, auch in geringerer Anzahl, jedoch immer zu mehreren beieinander. Bemerken wir ein einzelnes, so rührt es vom kleinen Kohlweißling her, der in Gesellschaft des großen ebenfalls hier ist und sich in seinem Betragen lediglich durch das vereinzelte Legen der Eier unterscheidet. An einem andern Blatt in der Nähe der Mittelrippe sitzen dicht gedrängt beisammen gelbe, schwarz gefleckte Raupen, deren Größe ihr noch jugendliches Alter verrät, während die Löcher in der Blattfläche beweisen, daß sie ihre Freßlust schon befriedigt haben. Hier fesselt ein anderes Gebilde unsere Aufmerksamkeit: kahle Rippen starren in die Luft, ihr zartes Fleisch ist verschwunden, und wo noch eine Spur davon in den Winkeln zu erblicken, da sitzt eine wohlgenährte Raupe von eben jener Färbung und rauh durch kurze Haare, die damit beschäftigt ist, auch diese letzte Blattähnlichkeit zu verwischen. So kann es geschehen, daß wir in Weißlingsjahren, d. h. solchen, die besonders reich an Faltern sind, Eier, Raupen jeder Größe, Schmetterlinge und auch Puppen nebeneinander finden. Ein seltener Fall, alle Stände eines Kerbtieres zu derselben Zeit beisammen zu haben. Die Puppen sitzen indessen schwerlich an einer der Pflanzen. Die erwachsene Raupe hat nämlich die Gewohnheit, diese zu verlassen und an einer benachbarten Wand, an einem Baumstamm in die Höhe zu kriechen und hier ihre Verwandlung zu bestehen. Mit der vorgerückten Jahreszeit mehren sich die gelben, schwarz gefleckten Puppen und kleben untermischt mit noch unverwandelten Raupen an den benachbarten Wänden, Planken und andern etwas hervorragenden Gegenständen, die Bauchseite der Unterlage zugekehrt, den Kopf nach oben gerichtet, wenn sie nicht unter einem Wetterdach zur Abwechslung eine wagerechte Richtung einnehmen. Viele Raupen liegen auch gebettet auf gelben Gehäusen (nicht Eiern, wie der Unkundige meint) und werden nimmermehr zu Puppen, weil ihnen eine kleine Schlupfwespe ein Leid antat, deren Larven jetzt das Sterbebett der Raupe gesponnen haben. Die gesunden Puppen überwintern. Aus ihnen schlüpfen im April oder Mai des nächsten Jahres die Schmetterlinge, die zu dieser Zeit nur einzeln fliegen, und nicht so in die Augen fallen wie die zweite Brut, deren Treiben eben geschildert wurde. In einem warmen Sommer, dem sich ein schöner Herbst anschließt, sind deren drei zwar möglich, obschon nur zwei Bruten die Regel bilden; denn die Raupen wachsen schnell und überstehen ihre vier Häutungen glücklich, wenn nicht gerade viel Nässe während einer derselben eintritt.
Der Landmann hat einen Begriff von der Menge, in der diese Schmetterlinge bisweilen vorhanden sind, und kann sie am besten beurteilen nach dem Schaden, den ihm die Raupen zufügten. Jene Begriffe übersteigen aber noch einige Aufzeichnungen, die sich in entomologischen Werken finden. Dohrn erzählt von einem Eisenbahnerlebnis, das ihm 1854 zwischen Brünn und Prag begegnete. Der Zug hatte eben einen kleinen Tunnel hinter sich, als er plötzlich auffallend langsamer ging, ohne daß doch an das gewöhnliche Langsamfahren vor einer Haltestelle zu denken war. Aus der langsamen wurde sofort eine schleppende Fahrt, und gleich darauf hielt der Zug vollständig still. Natürlich sah alles aus den Fenstern; einige Reisende stiegen aus und begaben sich zu den Eisenbahnbeamten, die vorn neben der Maschine deren Räder prüfend beobachteten, unter ihnen auch der Berichterstatter. »Da sah ich denn«, fährt dieser fort, »den allerdings ebenso unvermuteten als unglaublichen Grund der Lähmung eines Eisenbahnzuges in voller Fahrt. Was einem Elefanten, einem Büffel nicht gelingen würde – etwa den Fall ausgenommen, daß ihre zerschmetterte Leiche den Zug aus den Schienen gebracht hätte – das hatte die unbedeutende Raupe von Pieris brassicae durchgesetzt. Auf der linken Seite des Schienenstranges befanden sich nämlich einige Felder, an deren abgefressenen Kohlstrünken die Leistungen besagter Raupe deutlich genug zu erkennen waren. Da sich nun in einiger Entfernung rechts von den Schienen noch einige Kohlbeete wahrnehmen ließen, deren Pflanzen noch im vollen Blätterschmuck prangten, so war offenbar kurz vorher in einer Raupen-Volksversammlung einstimmig beschlossen worden, nach der Regel ubi bene ibi patria das enge Vaterländchen des Kleinherzogtums Linksstrang mit dem Großherzogtum Rechtsstrang zu vertauschen. Infolgedessen waren gerade im Augenblick, als unser Zug mit voller Geschwindigkeit heranbrauste, die Schienen auf mehr denn zweihundert Fuß Länge mit den Kohlraupen dicht bedeckt. Daß auf den ersten sechzig bis achtzig Fuß die unglücklichen Fuß- und Afterfußwanderer durch die tölpischen Räder der Maschine in einer Sekunde zerquetscht waren, das war natürlich – aber die schmierige Masse der Tausende von kleinen Fettkörpern legte sich auch gleich mit solcher Kohäsion an die Räder, daß diese in den nächsten Sekunden nur mit Schwierigkeit noch Reibung genug besaßen, um vorwärts zu kommen. Da aber jeder Schritt vorwärts durch neues Raupenquetschen neues Fett auf die Räder schmierte, so versagten diese vollständig den Dienst, noch ehe die marschierende Kolonne der Pieris-Larven durchbrochen war. Es dauerte länger als zehn Minuten, ehe mit Besen die Schienen vor der Lokomotive gekehrt und mit wollenen Lappen die Räder der Lokomotive und des Tenders so weit geputzt waren, daß der Zug wieder in Bewegung gesetzt werden konnte.« Die andern Beweise von massenhaftem Auftreten beziehen sich auf unermeßliche Züge des Schmetterlings. Gegen Ende des Sommers 1846 ward ein solcher bei Dover beobachtet, der aus dem großen und kleinen Kohlweißling bestand und von Deutschland gekommen sein sollte. Wahrscheinlich von denselben Schmetterlingen sah Pastor Kopp am 26. Juli 1777, nachmittags 3 Uhr, bei Kulmbach einen gewaltigen Heereszug. Die Schmetterlinge flogen in solcher Anzahl, daß man sie überall sah, wo man das Auge hinwendete. Sie flogen weit und breit, nicht in einerlei Höhe, teils so hoch, daß man sie kaum bemerken konnte, in der Höhe des Kirchturmes, teils auch niedriger, ohne sich niederzulassen, in gerader Richtung, als wollten sie eine weite Reise machen, beeilten sich aber nicht zu sehr dabei, da ihr Flug bekanntlich kein eben lebhafter ist. Bald kam ein einzelner, bald ein Trupp von zwanzig, dreißig, hundert und noch mehr. So ging es ein paar Stunden fort in der Richtung von Nordost nach Südwest. Die Luft war heiß und windstill. Man hat dergleichen Züge auch anderwärts beobachtet, kann aber nicht angeben, was die Schmetterlinge dazu veranlaßt haben mag.
Daß der kleine Kohlweißling ( Pieris rapae) ein getreuer Begleiter des großen ist, wurde bereits erwähnt. Er spannt durchschnittlich fünf Zentimeter und gleicht dem vorigen sehr in der Färbung, nur ist das Schwarz der Vorderflügelspitze matter und weniger ausgedehnt, der schwarze Wisch am Innenrande fehlt dem Weibchen meist, dagegen hat das Männchen öfters einen schwarzen Fleck auf der Oberseite der genannten Flügel. Die Puppe ist wie die vorige gebildet, grün oder grünlichgrau von Farbe, schwarz punktiert und mit drei gelben mehr oder weniger deutlichen Längslinien gezeichnet. Dagegen unterscheidet sich die Raupe wesentlich. Sie ist schmutziggrün, infolge dichter und kurzer Behaarung etwas sammetartig und auf dem Rücken und an den Seiten mit je einer feinen, bisweilen etwas unterbrochenen, gelben Längslinie gezeichnet, die äußere in Begleitung der schwarz umrandeten Luftlöcher. Sie frißt dieselben Pflanzen wie die vorige, sitzt aber auch gern an der wohlriechenden Reseda. Obgleich sie behufs der Verwandlung, gleich der vorigen, andere Orte aufsucht, so kann man sie doch öfters auch an den Blattrippen der Futterpflanzen antreffen; auch erscheint sie in der Regel unverwandelt länger im Jahre. Ich fand noch am 29. Oktober eine an einer Wand, die sich eben den Gürtel um den Leib gelegt hatte. Von einigen anfangs September eingesammelten, der Verpuppung sehr nahestehenden Raupen lieferten die ersten am 27. genannten Monats schon die Schmetterlinge, so daß hier ebenfalls unter günstigen Verhältnissen die zum überwintern bestimmten Puppen einer dritten Brut angehören können.
Der dritte im Bunde, jedoch weniger häufige, ist der Rübsaatweißling, Heckenweißling ( Pieris napi). Er gleicht in der Größe dem vorigen und ist leicht kenntlich an den schwarz bestäubten Rippenenden auf der Oberseite der Vorderflügel und an der schwarzen Bestäubung der ganzen Rippen auf der gelb angeflogenen Unterseite der Hinteren. Seine Raupe ist der des vorigen zum Verwechseln ähnlich, nur etwas dunkler grün, an den Seiten heller mit einigen schwarzen Staubpünktchen und weißen Wärzchen bestreut. Die Puppe hat mehr Schwarz auf gelblichem Untergrund im Vergleich zu der ebenso gebauten vorigen. Dieser Weißling liebt etwas buschige Örtlichkeiten und legt seine Eier gleichfalls nur einzeln ab.
Eine vollständig andere Lebensweise führt der Baumweißling ( Pieris crataegi). Im Juli erscheint der schwach bestäubte Falter, den seine schwarzen Rippen und die Anhäufung gleichgefärbter Stäubchen an ihren Enden charakterisieren. Es muß noch bemerkt werden, daß die anscheinend dickere Rippe als halbe Grenze der Mittelzelle im Vorderflügel von stärkerer Bestäubung herrührt, und daß sie der Regel folgt, die vorher von der Sippe angegeben wurde. Das Weibchen legt alsbald seine gelben flaschenförmigen Eierchen in Häuflein, größeren oder kleineren, an die Blätter der Pflaumen- und Birnbäume, des verwandten Schwarzdorns, am seltensten wohl an den Strauch, der dem Falter seinen wissenschaftlichen Namen verliehen hat, an den Weißdorn. Im Herbst kriechen die Räupchen aus, fressen noch, spinnen aber gleich ein paar Blätter an ihrem Zweig zusammen und an diesen fest, damit sie beim Laubfall sitzen bleiben. In diesem seidenglänzenden Gespinst überwintern sie. Wenn die Bäume ihr Laub verloren haben, fallen diese »kleinen Raupennester« leicht in die Augen. Sobald im nächsten Frühjahr die Knospen grünen, fangen die Räupchen an zu fressen und weiden bald Blätter und Blüten ab, die sich in ihrer Nachbarschaft befinden, oft früher, als jene zu ihrer Entwicklung gelangen konnten. Wenn die Raupen größer geworden sind, verlassen sie ihre gemeinsame Wohnung und zerstreuen sich. Die erwachsene Raupe ist feist und glänzend, ziemlich behaart, hat auf dem Rücken schwarze und rote Längsstreifen, die miteinander wechseln, und sieht am Bauche aschgrau aus. Ende Juni verpuppt sie sich meist in der Nähe ihres letzten Weideplatzes, verläßt denselben aber auch und kriecht auf andere Gegenstände. Die Puppe ist hell gestreift und schwarzfleckig auf einem braungrünen oder gelbgrünen Grunde. Nach zwölf bis vierzehn Tagen kommt der Schmetterling daraus hervor, der, wie die meisten, bald nach seiner Geburt einen gefärbten Saft aus dem After entleert. Dieser hat beinahe eine blutrote Farbe, und weil er zuzeiten in großen Mengen vorkam, so hat dies zu der Sage von dem »Blutregen« Veranlassung gegeben, der ein Vorbote für allerlei böse Ereignisse sein sollte. Entschieden ist dieser Schmetterling mit der Zeit seltener geworden, als er früher war. Zu Pfingsten 1829 bot die Heerstraße von Erfurt nach Gotha, wie Keferstein mitteilt, einen eigentümlichen Anblick. Alle Obstbäume, die sie beiderseits einfassen, waren weiß, als wenn sie in den schönsten Blüten prangten. Dieses Blütengewand bestand aber aus einer ungeheuren Masse von Baumweißlingen. Seitdem ist diese Art nie wieder in solchen Mengen gesehen worden. Ähnliches kann ich aus meiner Jugendzeit berichten. Im Blumengarten meiner Großeltern traf ich als Kind diese Schmetterlinge in Schrecken erregenden Mengen. Besonders interessant war es, gewisse Gewächse zu sehen, an denen sie zum Übernachten des Abends festsaßen, und zwar in solchen Massen, daß sie dieselben ganz bedeckten. Auch kleine Wasserpfützen umsäumten sie am Tage zu Tausenden, eine Liebhaberei, die den Pieriden vorzugsweise eigen zu sein scheint und auch von Reisenden aus fernen Ländern über sie berichtet wird. Seitdem sind vierzig und einige Jahre verflossen, und ich habe kaum einen Baumweißling wieder im Freien zu Gesicht bekommen; dies gilt aber nicht bloß für die Provinz Sachsen, sondern auch für andere Gegenden. Ein Schmetterlingshändler aus Ungarn teilte mir vor einigen Jahren mit, er habe den Auftrag erhalten, hundert Baumweißlinge nach Amerika zu schicken und daher seinen ihn zu Hause beim Sammeln unterstützenden weiblichen Familiengliedern den Auftrag erteilt, auf dieselben zu fahnden, er glaube aber nicht, daß sie eine so große Menge zusammenbringen würden. Es scheint mir an diesem Falter der Beweis geliefert zu sein, wie durch allgemeine und gründliche Verfolgung, die sich hier durch Zerstören der Raupennester vornehmen läßt, mit der Zeit aus einem lästigen Ungeziefer eine vom Sammler gesuchte Seltenheit werden könne. Der Ungar zweifelte am Zusammenbringen von hundert Stück, und in jener Zeit trat ich an manchem Abend deren achthundert tot, ohne auch nur die geringste Abnahme wahrzunehmen.
Von der deutschen Benennung der Sippe, die auf recht viele Arten des In- und Auslandes paßt, darf man nicht den Schluß ziehen, als ob alle Glieder in der Hauptsache weiß aussehen mußten. Fremde Erdstriche ernähren deren, die nur auf den Hinterflügeln wenig Weiß übrig behalten, und diejenigen, bei denen es durch Gelb oder Orange ersetzt wird, brauchen wir nicht in der Ferne zu suchen. Der überaus zierliche Aurorafalter ( Anthocharis cardaminis) erglänzt mindestens im männlichen Geschlecht vor der schmal schwarzen Spitze seiner Vorderflügel in feurigem Orangenrot, während die Unterseite der Hinterflügel bei beiden Geschlechtern die zierlichsten, baumartigen Zeichnungen in Moosgrün aufweist. Die schlanke, lichtgrüne Raupe hat weißgrüne Rückenstreifen und schwarze Pünktchen in den Seiten; sie lebt an verschiedenen Kreuzblümlern der Wiesen, wie Turmkraut, Bergkresse, Lauchhederich und andern, und wird zu einer höchst eigentümlichen Puppe. Dieselbe spitzt sich nach vorn und hinten fast gleichmäßig zu und gleicht einem schmalen, etwas gebogenen Weberschiffchen. Nach der Überwinterung gibt sie im April oder Mai den hübschen Weißling frei, der nur in einer Brut fliegt, und zwar an ganz ähnlichen Stellen wie der Heckenweißling.
Der allbekannte Zitronenfalter ( Rhodocera Rhamni) gehört gleichfalls der Sippe an, obgleich Flügelschnitt und Lebensweise abweichen. Das blaßgelbe, befruchtete Weibchen überwintert. Man kann es bei der Frühlingsfeier am blühenden Weidenbusch zwischen Bienen und Hummeln, welch letztere mit ihm in gleicher Lage sind, und zwischen manchen andern Kerfen teilnehmen sehen, freilich ohne Sang und Klang, sondern stumm wie alle Tagfalter. Von da sucht es einen eben sprossenden Kreuzdorn ( Rhamnus) auf, um seine Eier einzeln abzusetzen. Die Raupen, die aus denselben entstehen, nähren sich von den Blättern und sind grün, an den Seiten mit einem weißen Streifen versehen, der nach oben allmählich in die Grundfarbe übergeht. Sie verwandeln sich in eckige, grüne, seitwärts hellgelb gestreifte und rostbraun gefleckte Puppen mit stumpfkantig heraustretenden Flügelscheiden. Der Falter fliegt im Juli und August; das Männchen zeichnet sich durch zitronengelbe Färbung vor dem blasseren Weibchen aus. Die Cleopatra ( Rhodocera Cleopatra) halten einige für eine bloße Spielart unseres Zitronenfalters. Die allmählich verdickte Fühlerkeule und ein sehr kleines, rundliches Endglied der Taster gehören überdies noch zu den Gattungsmerkmalen.
Andere Weißlinge oder Gelblinge, wie man diese nennen könnte, zeichnen sich durch einen Silberfleck auf der Unterseite der Hinterflügel aus, der an die Form einer 8 erinnert, wie z. B. die blaßgelbe goldene Acht ( Colias Hyale), die orangegelbe, schwarz umrandete Colias Edusa, und andere mehr.
Die größten und schönsten unserer heimatlichen Tagschmetterlinge, die nicht zu den bereits besprochenen gehören, haben mit noch viel zahlreicheren ausländischen Arten die zu sogenannten Putzpfoten verkümmerten Vorderbeine gemein, große, schräg vorgestreckte Freßspitzen, gleichmäßig entwickelte Flügel, auf deren hintersten Rippe sechs und sieben gesondert aus der Mittelzelle entspringen, und bilden die Sippe der Nymphaliden. Ihre Puppen hängen gestürzt, mit dem Kopf nach unten, und zeichnen sich öfters durch Prächtige Gold- und Silberflecke aus.
Allbekannt sind die Perlmutterfalter ( Argynnis), die der Unterseite der Hinterflügel ihren Namen verdanken. Hier stehen in mehreren Reihen Flecke oder Striemen von dem Silberglanze der Perlmutter, während schwarze, damenbrettähnliche Zeichnungen den orangeroten Grund auf der Oberseite bedecken, darunter schlecht geschriebenen Ziffern vergleichbare hinter dem Vorderrand der Vorderflügel. Sie sind Bewohner des Waldes und dessen Umgebungen. Einzelne Arten oder mehrere, untermischt mit andern Sommervögeln, besuchen das blühende Heidekraut, den Rasen des roten Quendels auf freien Waldplätzen oder dürren Triften. Im heißen Sonnenschein umflattern sie die genannten und andere Honigquellen, daß man, wenn ihrer viele vorhanden, manchmal den Flügelschlag vernehmen kann. An den Tausenden von Blütchen löst einer den andern ab, um jenen die Süßigkeiten zu entlocken. Spielend und tändelnd fliegt dieser jenem nach; weit ab vom reichen Weideplatz schwinden sie unserm Blick. Bald ist der eine von dieser, der andere von jener Seite wieder da, verjagt eine gleichfalls durstige Fliege, einen andern Kameraden von der Blüte, auf die er sich niederläßt, oder kehrt auf den Blättern eines benachbarten Eichengebüsches die volle Fläche seiner Schwingen der Sonne zu, die sie als Gold zurückstrahlt. In diesem bunten Durcheinander gibt es weder Ruhe noch Rast, denn jenes Liebäugeln mit der Sonne ist eben auch nur ein Spiel von kurzer Dauer. Und doch, welch ein Gegensatz zwischen dieser Geschäftigkeit und der der emsigen Biene, der streitbaren Wespe, der sorgsamen Wegwespe und anderer Aderflügler, die an solchen Stellen nicht minder vertreten sind! Jetzt verbirgt sich die Beherrscherin des Tages hinter einer dicken Wolke. Plötzlich sitzt alles still, es sei denn, daß allzu große Nähe eine kleine Balgerei zur Folge hat. Verweilen wir etwas näher bei dieser und jener Erscheinung.
Unser größter Perlmutterfalter ist der Silberstrich oder Kaisermantel ( Argynnis paphia), der mindestens sechs Zentimeter spannt. Die orangeroten Flügel führen im Saumfeld drei Reihen schwarzer Flecke, die vorderen im Wurzelfelde nahe dem Vorderrande eine Zeichnung, aus der man rechts mehr oder weniger deutlich die Zahl 1556 herauslesen kann – auf dem linken Flügel folgen natürlich die Ziffern in umgekehrter Reihe. Beim Männchen schwellen außerdem die schwarz beschuppten Rippen schwielig an. Auf der grünen Unterseite der Hinterflügel schimmern vier Perlmutter streifen violett, zwei keilförmige und abgekürzte in dem Wurzel-, zwei durchgehende im Saumfeld, wie an dem Kaisermantel zu ersehen ist. Die gelb bedornte braune Raupe, über deren Rücken eine geteilte, gelbe, braun eingefaßte Längslinie läuft, lebt an Veilchen, Nesseln, Himbeergesträuch in Wäldern, besonders der Ebene. Sie überwintert ziemlich jung. – Der große Perlmutterfalter ( Argynnis Aglaja) ist besonders an der grünlichgelben Spitze auf der Unterseite der Vorderflügel kenntlich, in der sechs Silberpunkte glänzen, ähnliche Flecke ordnen sich in vier Querreihen auf dem Hinterflügel. Die Raupe ist ästig schwarz bedornt, auf schwärzlichem Untergrunde unterscheidet man einen gelben Rückenstreifen und ziegelrote Seitenflecke. Sie lebt auf dem Hundsveilchen gleichzeitig mit der vorigen. – Europa hat mit den beiden erwähnten Permutterfaltern im ganzen fünfundzwanzig Arten, von denen achtzehn in Deutschland vorkommen und Namen wie Niobe, Daphne, Lathonia und ähnliche führen; in andern Ländern, aber nur der nördlichen Halbkugel, leben wieder andere; denn die südamerikanischen Arten von gleicher Färbung und meist weit gedrängteren Perlmutterflecken auf der Unterseite aller Flügel unterscheiden sich durch einen wesentlich andern Schnitt dieser und bilden die Gattung Agraulis.
Die Scheckenfalter ( Melitaea) sind gleichfalls sehr zahlreich und stehen den vorigen ungemein nahe in Färbung und Zeichnung auf der Oberseite der Flügel, auf der unteren fehlen ihnen jedoch die Silberflecke; dieselben sind »blind«, wie auch bei Abweichungen mancher Argynnis-Arten. Die Mittelzelle der Hinterflügler bleibt bei ihnen offen, und die langen Freßspitzen sind aufstehend behaart, während bei Argynnis jene geschlossen, diese anliegend beschuppt sind; auch fehlt der Fühlerkeule das feine Spitzchen, das wir dort bemerken. Die Raupen tragen statt der Dornen Haarbüschel und leben gleich den vorigen von Kräutern (»niederen Pflanzen«, wie sich der Schmetterlingskundige auszudrücken pflegt). Die kleinen, kolbigen Puppen sind weiß, gelb und schwarz getigert, ohne Metallglanz. Waldwiesen und offene Stellen der Wälder bieten den Schmetterlingen die liebsten Tummelplätze. Hier vertreten sie die weiter unten zu erwähnenden Äugler der gewöhnlichen Wiesen. Die meisten der ungefähr sechzehn europäischen Arten kommen auch in Deutschland vor, manche von ihnen in nicht unbedeutenden Spielarten.
Die Eckflügler, eckflügeligen Falter ( Vanessa), gehören zu den meistverbreiteten, teilweise zu den Weltbürgern und für Deutschland zu den stattlichsten Faltern in Ansehung des zierlichen Schnittes, wie der oft schönen bunten Farben auf der Oberseite ihrer Flügel; die Unterseite ist meist düster gefärbt, wie marmoriert. Die Augen sind stark behaart, die Fühlerkeulen geknöpft, wie bei den vorigen, und nicht allmählich verdickt. Diese Schmetterlinge fliegen überall, nicht vorherrschend in Wäldern oder deren Nachbarschaft. Die Raupen aller haben eine mit durchaus unschädlichen Dornen bewehrte Haut und leben teils an niederen Pflanzen, teils an Bäumen und Sträuchern. Die eckigen Puppen zeichnen sich vor allem durch schönen Metallglanz aus, der bei einer und derselben Art ebenso oft vorkommen, wie fehlen kann, weil er von Feuchtigkeit herrührt, die von zarter Glashaut bedeckt wird und ohne Nachteil für die Puppe auch eintrocknen kann.
Den Flügelschnitt mag das ebenso gemeine wie in der Färbung prahlende Tagpfauenauge, der Pfauenspiegel ( Vanessa Jo) veranschaulichen. Der lebhaft braunrote Samt als Untergrund wird in der Nähe der Vorderecken auf den vier Flügeln von prächtigen Augenflecken in Braunschwarz, Schwarz und Blau auf den Hinterflügeln, unter Zutritt von Gelb auf den vorderen verziert. Die lichte Stelle am ziemlich schwarzen Vorderrande der letzteren ist von derselben holzgelben Farbe wie der äußere Ring des Auges. Die glänzend schwarze, sein weiß punktierte Dornenraupe lebt gesellig auf der großen Brennessel und auf Hopfen; sie verdankt überwinterten Weibchen ihren Ursprung. Unter sonst günstigen Umständen gelangt auch eine zweite Brut zum Abschlüsse. Eckig, wie der Flügelschnitt des Falters, ist in ihrer Art auch die Puppe, deren Mittelrücken mit einem fratzenhaften Gesicht verglichen werden kann. – Der stattliche Admiral ( Vansssa Atalanta) hat ungefähr dieselbe oder etwas beträchtlichere Größe, ist samtschwarz auf der Oberseite der Flügel, an den Fransen weiß und durch eine zinnoberrote Binde, die vom Vorderrande am Ende des Wurzelfeldes bis nahe zum Innenwinkel hinüberreicht, und zwei größere wie einige kleinere weiße Flecke nach der Spitze hin ausgezeichnet. Der Hinterrand der Hinterflügel ist gleichfalls zinnoberrot, zwischen den Rippen viermal schwarz punktiert. Auf der Rückseite wiederholen sich an den Vorderflügeln die Zeichnungen der Oberseite, nur matter, die Hinterflügel deckt lebhafter Marmor in gelben Tönen, auf dem nahe an der Wurzel die Zahl 8118 in schwarzen Zügen zu lesen ist. Die buntscheckige Dornenraupe lebt einzeln, leicht eingesponnen zwischen den Blättern der Brennesseln. Auch sie stammt von überwinterten Weibchen. Der Admiral gehört zu den Weltbürgern, denn er breitet sich über ganz Europa und Nordamerika aus, fliegt auch auf dem Himalaja, auf den Sundainseln, auf Neuseeland und in Ostindien. – Der Distelfalter ( Vanessa cardui) hat ungefähr dasselbe Verbreitungsgebiet wie der vorige, lebt im Raupenzustand in gleicher Weise an Disteln, auch an den gebauten Artischocken, und wird dadurch so recht zum Segler über Felder und Wege; auch in der Zeichnung steht er dem Admiral am nächsten, er ist rot, schwarz und weiß gescheckt unter fast gleichmäßiger Beteiligung der beiden ersten Farben. Im Juni erscheinen die ersten frischen Falter, von denen häufig noch eine zweite Brut zustande kommt. Befruchtete Weibchen überwintern auch hier. Bisweilen fliegen die Distelfalter in außerordentlicher Menge, wie von unwiderstehlicher Wanderlust getrieben. Prevost beobachtete am 29. Oktober 1827 in Frankreich einen zehn bis fünfzehn Fuß breiten Zug, der zwei Stunden lang von Süden nach Norden flog; Ghiliani ebenfalls im südlichen Europa am 26. April 1851 einen andern frisch ausgekrochenen Falter, und weitere ähnliche Erscheinungen finden sich in den entomologischen Jahrbüchern verzeichnet. – Der Trauermantel ( Vanessa Antiopia) hält sich vorzugsweise im Walde auf, denn seine Raupe ernährt sich am liebsten von den Blättern der Birke. Mit ihr dehnt er sich auch über ganz Europa und Nordamerika aus. Indem er bis 6,6 Zentimeter spannt, wird er zu dem größten heimischen Eckfalter. Eine breite lichtgelbe Einfassung der samtartig schwarzbraunen Flügel läßt ihn schon aus der Entfernung erkennen, eine Reihe blauer Flecke vor der Kante ist nur in der Nähe bemerkbar. Vom Juli an zeigt er sich jedoch auch in der Nähe von Dörfern und Städten, wo Weiden und Pappeln wachsen, denn auch von diesen frißt die Raupe. Dieselbe lebt gesellig an den genannten Bäumen, weil das überwinterte Weibchen seine Eier ziemlich hoch oben an die knospengeschwellten Bäume in Häufchen absetzt. Die kahlen Stellen verraten mit der Zeit dem aufmerksamen Beobachter die Anwesenheit der Raupen. Erwachsen, sind diese tief blauschwarz mit ziegelroten Flecken längs des Rückens und mit kurzen Dornen über den ganzen Körper ausgestattet. Sie kommen jetzt aus ihrer Höhe herab, zerstreuen sich und hängen sich mit der Leibesspitze an einen Zweig, an den Stamm oder andere Gegenstände in der Nachbarschaft auf, wobei sie sich nach der Bauchseite einkrümmen, die fünf vorderen Ringe mehr und mehr nach oben erhebend, so daß ihr Ende, der Kopf, aufrecht steht. Er scheint dünner zu werden und etwas vorzutreten, während der Körper dahinter unmerklich anschwillt. Durch Hin- und Herwinden spaltet sich endlich die Haut im Rücken, und der vorderste Puppenteil tritt heraus. Weiteres Aufblähen und Nachschieben läßt die Haut der Raupe bis zum hintersten Fußpaare bersten und nachgeben; damit letztere aber nicht herunterfalle, was leicht geschehen könnte, faßt sie mit zwei Ringen ihres Hinterleibes, die sie etwas übereinanderschiebt, also wie eine Zange benutzt, die eben weichende Haut, hebt sich, faßt mit dem nächsten Ringe zu und läßt mit jenen los. In dieser Weise klettert sie gewissermaßen an der sie noch eben umschließenden Haut in die Höhe, bis die Schwanzspitze zu dem Gespinste gelangt, das zuerst als Henkel für die Nachschieber gewebt worden war. Hier wird die Spitze hineingeschoben und bleibt mittels unsichtbarer Häkchen dicht neben der Raupenhaut hängen. Noch gibt sich die Puppe nicht zufrieden, denn sie will diese nicht neben sich dulden, biegt deshalb ihre Leibesspitze S-förmig, daß jene berührt wird, und wirbelt sich wie ein Kreisel bald links, bald rechts, bis sie den Balg abgestoßen hat. In dieser Weise arbeitet sich jede gestürzte Puppe aus ihrer Raupenhaut heraus, um sich aufzuhängen. Nun ruhen sie aus, die Puppen, von den eben überstandenen Wehen und von den Mühen und Sorgen ihrer Raupenzeit, während der sie in sich anhäuften, was ihnen nun in ihrer Untätigkeit zur Nahrung dient. Alles ist aber anders geworden. Die Füße sind nicht mehr die Füße, die sie waren, denn was soll der künftige Segler der Lüfte mit den vielen schwerfälligen Beinen der Raupe? Der Kopf ist nicht mehr der Kopf von ehemals, denn er hat die gewaltigen Kinnbacken abgeworfen, da der künftige Liebhaber der Blumen diesen nur mit seiner langen Rollzunge die Süßigkeiten raubt und ihre Schönheit in dem Maße achtet, als die Raupe alles ihr Annehmbare verzehrte. Der Hauptteil der inneren Raupe, der entwickelte Verdauungsapparat, die Eingeweide, sind hier fast auf ein Nichts zusammengeschrumpft, dafür aber die geschlechtlichen Werkzeuge aufgetreten, und namentlich nimmt der Eierstock beim Weibchen fast die ganze Bauchhöhle für sich in Anspruch. Dies alles ist schon da und war in der Raupe als Anlage vorhanden, hat man doch in einzelnen acht Tage vor ihrer Verwandlung die Eikeime gefunden. Öffnet man eine jugendliche Puppe, so erblickt man in ihrem Leichentuche nichts, als einen formlos scheinenden Schleim, aus dem sich erst in längerer oder kürzerer Frist die Glieder des künftigen Schmetterlings fest absondern. Die Entwicklung ist eine gleichmäßig fortschreitende und zeigt sich hier in der Puppe auch äußerlich in all den angedeuteten Teilen des künftigen Falters wesentlich weiter gefördert. Wenige Wochen genügen, damit die alles belebende Wärme Festigkeit in das Flüssige bringe und das ganze Werk herrlich hinausführe.
Einige orangebraune Eckfalter schließen sich den genannten an und umsäumen zum Teil ihre Flügel auf schwarzem Grunde mit blauen Mondflecken. Die große Blaukante oder der große Fuchs ( Vanessa polychloros) hat zwei größere schwarze Flecke am Vorderrand der Vorderflügel und fünf kleinere gerundete auf der Fläche derselben, einen größeren am Vorderrand der Hinterflügel außer der schwarzen Binde vor dem Saum aller Flügel. Seine gelb bedornte, schwarzbraune Raupe, über deren Rücken drei gelbe Streifen ziehen, lebt gesellig auf Kirsch-, Birnen- und einigen andern Bäumen und frißt die Spitzen der Zweige kahl. Sie kommt nur einmal im Jahre vor und verdankt überwinterten Weibchen ihren Ursprung. An solchen Bäumen, die Wege einfassen, findet man sie am meisten, und gern tummelt sich der stattliche Falter an Waldrändern, jetzt unten auf dem Boden, dann wieder oben auf den Blättern seine Flügel der Sonne ausbreitend. – Die kleine Blaukante oder der kleine Fuchs ( Vanessa urticae) ist etwas lichter braun, mehr gelbrot, an der Wurzel der Flügel schwarz, besonders an den Hinterflügeln; auf den vorderen stehen drei kleinere Flecke auf der Scheibe, drei größere und viereckige am Vorderrand von gleicher Farbe, und zwischen dem hintersten dieser und der schwarzen Saumbinde ein weißlicher Fleck. Der Falter fliegt überall und beinahe das ganze Jahr hindurch und kommt öfters einmal in die Zeitungen als Verkünder des lange ersehnten Frühlings, auf welchen der Berichterstatter nun mit Sicherheit rechnet, dabei aber den Umstand übersieht, daß dieser Schmetterling ebensowenig wie der Zitronenfalter, dem jene Ehre auch widerfahren kann, keiner Puppe entschlüpft, sondern durch den wärmeren Sonnenschein aus seinem winterlichen Versteck hervorgelockt worden ist. Glücklicherweise ist der kleine Fuchs, der sich bei Beginn dieses Jahres in meiner Behausung fand und so lebendig war, daß er sofort zum offenen Kammerfenster hinausflog, als ich ihn einfangen wollte, von einem Zeitungsberichterstatter nicht gesehen worden, sonst hätte uns dieser mit Beginn des Januar den nahen Frühling verheißen! Die schwarze Dornenraupe lebt in zwei Brüten gesellig auf der Brennessel, die sie öfters ganz kahl abweidet. Man erkennt sie an den gelben und gelbgrünen Längsstreifen in den Seiten. Auch dieser Schmetterling bekommt Lust zum Wandern, wenn er ausnahmsweise in ungezählten Mengen vorhanden ist. Godet beobachtete am See von Neuchâtel im Juli 1828 einen Zug, der eine halbe Stunde dauerte.
Der große Eisvogel oder Aspenfalter ( Limenitis populi) zählt nächst den Rittern zu den stattlichsten europäischen Tagschmetterlingen, denn solche von sieben Zentimeter Flügelspannung gehören noch nicht zu den größten. Ein Bewohner der Wälder, beherrscht er die höheren Luftschichten und hält es unter seiner Würde, sich auf den Blumen unter das kleine Gesindel zu mischen. Man sieht ihn besonders die Pfützen der Waldwege aufsuchen, wo er eifrig saugt und, obschon sonst sehr scheu, sich leicht fangen läßt. Ich sah vorzeiten Mitte Juni, denn nur zu dieser Zeit fliegt der Schmetterling einige Wochen, eines der viel selteneren und von den Sammlern gesuchten Weibchen hoch oben in den Lüften über eine Lichtung im Walde herbeigeflogen kommen und neben einem Bache förmlich einfallen, als wenn es von weitem das Wasser gewittert hätte. In diesem Zuge und Fluge lag etwas ganz anderes, als man für gewöhnlich bei den Schmetterlingen beobachtet und das in Worte übersetzt etwa so lauten würde: »Ich habe gar nichts zu versäumen; komme ich heute nicht hierher, so ist morgen auch noch ein Tag, und komme ich morgen nicht, so liegt wenig daran, das Wohin bleibt sich ja ganz gleich, wenn ich nur meine Zeit in gemächlicher Bewegung verbringe.« Jenes Weibchen wußte, wohin es wollte, die Ausführung seines Willens gereichte ihm freilich zum Verderben, denn es geriet in die Gewalt des Jägers; bedeckt mit dem Netz, war es um seine Freiheit, um sein Leben geschehen. Bei ihm wird die tiefbraune Oberfläche der am Saum etwas geschwungenen Flügel durch eine weiße Fleckenbinde, die quer über die Hinterflügel läuft, unterbrochen, auf den vorderen durch einzelne weiße Flecke, deren mittlere sich gleichfalls zu einer schrägen Querbinde ordnen. Beim Männchen ist diese weiße Zeichnung eben nur angedeutet. Außerdem unterscheidet man bei beiden Geschlechtern nahe dem Saum schwarze, gestreckte Flecke, die von innen durch lichte, gelbrote Halbmonde eingefaßt werden und in der Regel auf den Hinterflügeln deutlicher und vollständiger hervortreten als auf den vorderen. Im Vergleich zu dieser eintönigen, mehr düsteren Färbung überrascht die lebhafte und bunte Färbung der Unterseite. Die weißen Zeichnungen der Oberseite treten hier schärfer und bestimmter hervor, auch beim Männchen; die Grundfarbe bildet jenes Gelbrot der Mondflecke von oben, unterbrochen von schwarzen Fleckenreihen, die auch auf der Oberfläche angedeutet sind; nur der Innenrand der Hinterflügel und der wellige, schwarz besäumte Hinterrand beider Flügel sind bleigrau; an den Vorderflügeln hat die Innenecke einen schwarzen Anflug. Die grünlichgelbe, am vierten, sechsten, achten und neunten Ringe rötlichbraune, braun und schwärzlich gefleckte und gestreifte Raupe hat große Spiegelflecke an den Seiten des fünften und siebenten Gliedes und zwei Reihen dicker Fleischzapfen mit geknöpften Härchen längs des Rückens, von welchen die im Nacken bedeutend länger sind als die übrigen. Sie lebt im Mai und anfangs Juni von der ersten Brut und dann wieder im Juli und August auf hohen Zitterpappeln, und hängt sich zur Verpuppung gern an den Blättern auf. Die gelbliche, braun und schwarz gefleckte Puppe ist am Kopf und Brustrücken höckerig und hat an letzterem einen henkelartigen Auswuchs; die der ersten Brut kriecht schon nach acht bis neun Tagen aus. – Limenitis enthält noch mehrere kleinere Arten, die in der Zeichnung, wenn auch nicht in der Farbenmischung, viel Ähnlichkeit haben und darin, wie im Flügelschnitt, der Bedornung ihrer Raupen, die alle an Bäumen leben, den Gattungscharakter wahren.
Die Schillerfalter ( Apatura) haben denselben Flügelschnitt und fast die gleiche Zeichnung wie der große Eisvogel, auch, wie dieser, die offene Mittelzelle aller Flügel, aber die Fühlerkeule ist breitgedrückt, die spitz auslaufenden, den Kopf überragenden Taster liegen einander an, und die Oberseite der Flügel zeichnet sich beim Männchen durch lebhaften Schiller in prachtvollem Blau oder Violett aus; überdies weist jeder Flügel einen Augenfleck auf, der hier mehr auf der Oberseite, dort deutlicher auf der unteren zur Entwicklung gelangt. Die dornlosen, grünen Raupen spitzen sich nach hinten zu, wodurch sie die allgemeinen Umrisse einer nackten Schnecke annehmen, und zeichnen sich durch zwei eigentümliche, nach oben gerichtete Zipfel am Kopf aus. Sie leben an Weiden und Zitterpappeln. Die beiden deutschen Arten Apatura Iris und A. Ilia, mit einigen Abänderungen, sind ziemlich verbreitet, jedoch mehr an gewisse Örtlichkeiten gebunden und erscheinen mit dem vorigen in Wäldern, aber etwas längere Zeit im Jahre. Ein steter, schwebender Flug und rastloses Hin- und Hereilen an den Rändern breiter Fahrwege, welche die Wälder durchschneiden oder ihnen entlang ziehen, zeichnet sie aus.
Die riesigen Morphiden Südamerikas sind Falter von glanzvoller Färbung, die hoch oben, meist nicht unter sechs Meter Entfernung vom Erdboden in den Lichtungen und breiten Wegen der brasilianischen Wälder sich tummeln und dem Beschauer einen überraschenden Anblick gewähren. Wenn die großen Ritter, von denen früher die Rede war, durch die Straßen der Städte segeln, in die Gärten, ja zum offenen Fenster hineinfliegen, wo sie Blumen erblicken, so lassen sich unsere »trojanischen Helden«, ein prachtvoll blauer Menalaus, oder ein Telemachus, ein Hector mit nur blauem Querbande von matterer Färbung, ein durchaus weißer Morpho Laërtes, auf der Unterseite der Hinterflügel mit der zierlichsten Mosaikarbeit in einer Querreihe gezeichnet, und andere nicht soweit herab und kommen höchstens nach Gewitterregen zur Erde, um ihren Durst zu stillen. Sie alle haben eine Flügelspannung, die das Maß von 13 bis 18 Zentimeter noch übertreffen kann, so daß sie selbst in größerer Entfernung dem Blick nicht entgehen. Die Männchen aller Morphos haben sehr kleine, pinselähnliche Vorderbeine, beide Geschlechter kurze, dünne Fühler mit schwacher Keule, zusammengedrückt, weit voneinander getrennte Taster, die mit einem kleinen, kegelförmigen Glied enden, große, nackte Augen und meist am Saum etwas ausgebuchtete Vorderflügel. Der Neoptolemus ( Morpho Neoptolemus) glänzt auf der Oberseite in Azurblau, wie poliertes Metall und spielt in Regenbogenfarben wie Opal, aber mit viel gesättigterer Farbenpracht; rings um den Rand läuft eine schwarze, nach hinten schmäler werdende Einfassung. Die braune Unterseite wird von gelblichgrauen Zeichnungen: Zackenlinien und weiß gekernten Augenflecken reichlich verziert. – Auch hier schließen sich viele Gattungen an, deren zahlreiche Arten über die Gleichergegenden verbreitet sind.
Die Äugler ( Satyridae) bilden eine artenreiche Sippe, die sich mehr durch Färbung und Zeichnung als durch den Schnitt der Flügel sowie durch einige andere Merkmale bestimmt abgrenzt und in Europa vorherrschend vertreten zu sein scheint. Die heller oder dunkler braune Oberseite der Flügel kann fast einfarbig sein, wird aber meist von einzelnen runden Pünktchen, »blinden« oder gekernten Augenflecken gezeichnet, die in geringer Menge oder auch zahlreicher, aber dann immer in einer Reihe, und zwar nahe dem Saum stehen; öfters und vorzugsweise bei dem Weibchen auf dem Vorderflügel in einem lichteren Fleck. Die Unterseite der Flügel, vorn meist der oberen entsprechend, hinten vorherrschend braun marmoriert, trägt die Augenflecke schärfer und vollständiger, so daß die Oberseite nur die mehr oder weniger vollkommen entwickelten Fortsetzungen dieser zu sein scheinen. Dieselben sind in der Regel schwarz und haben einen Weißen, bisweilen auch einen metallisch glänzenden Mittelpunkt, nicht selten überdies einen lichteren, wohl auch metallischen Außenring. Neben der soeben beschriebenen Flügelzeichnung und dem gesonderten Austreten von Rippe 6 und 7 aus der Mittelzelle der Hinterflügel kommen allen Satyriden noch zu: ein behaarter Körper, gespaltene oder gekerbte Fußklauen, mäßig lange, voneinander abstehende Taster, die aufgerichtet und abstehend dicht behaart sind. Die meisten von ihnen erreichen nur mittlere Größe. Manche Formen kommen ausschließlich im hohen Norden vor und sind durch lichtere Grundfarbe und ein auffallend dünnes und durchsichtiges Schuppenkleid ausgezeichnet; andere sind den Alpen und übrigen höheren Gebirgen eigentümlich, die zahlreiche Arten, wenn auch nicht immer ausschließlich, ernähren. Zu diesen gehören die dunkelsten, auf der Unterseite mit fein geadertem Marmor gezeichneten. Sie tummeln sich besonders auf Wiesen und Grasplätzen umher. – Die Raupen der Äugler laufen am verdünnten Ende in zwei Schwanzspitzchen aus, welche die Stelle der fehlenden Nachschieber vertreten, sind glatt oder runzlig, sehr häufig samtartig behaart und heller oder dunkler der Länge nach gestreift. Sie leben fast ausschließlich an Gräsern, und zwar sehr versteckt; weil sie des Nachts fressen, verbergen sie sich bei Tag am Grunde ihrer Futterpflanzen in oder an der Erde. Die bräunlichen Puppen runden sich mehr ab, als die der meisten übrigen Tagfalter und finden sich flach unter der Erde oder unter Steinen, andere aufgehängt.
Man hat die zahlreichen Arten, je nach der Beschaffenheit einiger Längsrippen, ob sie dicke Schwielen bilden oder nicht, je nach dem Längenverhältnisse der Mittelschienen zu ihrem Fuße, je nach den geknopften oder allmählich in eine Keule übergehenden Fühlern, je nach der Gestalt der Hinterflügel, ob sich dieselben am Innenrande ausschweifen oder nicht, in eine Reihe von Gattungen zerlegt, von denen Erebia ( Randbandäugler), Chionobas ( durchsichtige Äugler), Satyrus ( Breitbandäugler), Epinephele ( düstere Äugler, Ochsenaugen), Pararge ( scheckige Äugler), Coenonympha ( kleine Äugler) die verbreitetsten sind.
Die Rostbinde, Semele ( Satyrus Semele), ist ein außerordentlich scheuer, gewandter Falter, der überall während des Juli und August auf waldigen, lichten Höhen, an trockenen, sonnigen Waldplätzen und an den Rändern der Kiefernwälder anzutreffen ist. Es gereicht ihm zum besonderen Vergnügen, an einen Baumstamm zu fliegen, die Fläche der zusammengeklappten Flügel durch Aufeinanderschieben so klein wie möglich zu machen, sich mit Blitzesschnelle zu erheben, um an einer zweiten Stelle desselben Stammes dieselbe Stellung einzunehmen und sofort dieses nichtssagende Spiel zehn- bis zwanzigmal zu wiederholen. Hat sich die Rostbinde auf diese Weise hungrig gespielt, so besucht sie die roten Blüten des Quendels in der Nachbarschaft des sandigen Waldsaumes, wo sie ihresgleichen und andere Nichtstuer in Menge antrifft. Jetzt wiederholt sie ihr Auffahren, das Niederlassen und Zusammenschieben der Flügel von neuem und hat nimmer Rast, solange die Sonne noch über dem Gesichtskreise steht und von Wolken nicht bedeckt wird. Nie sieht man sie, wie es die Eckflügler so gern tun, jener ihre Flügeloberfläche darbieten, stets hat sie dieselben zusammengeklappt und ineinander geschoben, daher bekommt man ihre Oberseite wegen des schnellen Fluges auch nie im Freien zu sehen. Dieselbe ist braun, grau angeflogen und trägt auf den Vorderflügeln im Saumfelde zwei fein weiß gekernte Augenflecke hintereinander, eins im Hinterflügel, nahe dem Innenwinkel; sie stehen in lichtem, gelbroten Felde, das bei dem Weibchen deutlicher sichtbar als bei dem kleineren, bedeutend dunkler gehaltenen Männchen ist. Auf der Unterseite stimmt die Zeichnung der Vorderflügel so ziemlich mit der Oberseite, an den Hinterflügeln ist die Fläche sauber grau, dunkelbraun und schwarz marmoriert und das kleine Auge nur beim Weibchen sichtbar, beim Männchen verschwindet es; dafür markiert sich hier eine lichte, nach der Wurzel scharf dunkel und mehrfach eckig begrenzte Binde. Vorderrands- und Mittelrippe sind in der Nähe der Wurzel schwielig aufgetrieben, die Fühler geknopft, die Taster wenig voneinander abstehend, borstig behaart, ihr Endglied dünner und anliegend beschuppt. Die Flügelspannung des Weibchens beträgt durchschnittlich 5,8 Zentimeter. – Die glatte, graue, am Bauche grünliche Raupe hat fünf schwarze Längsstreifen, deren mittelster am dunkelsten ist, an jedem Luftloch einen schwarzen Punkt und sechs schwarze Streifen am Kopfe. Sie frißt Gras und überwintert in ziemlich jugendlichem Alter. Die Puppe ruht flach unter der Erde oder unter einem Stein.
Ganz in derselben Weise entwickelt sich die ähnliche Briseis ( Satyrus Briseis), kenntlich an dem weißgelben Vorderrande der Vorderflügel und einer ebenso gefärbten Fleckenbinde derselben, die sich verwischt und meist fleckenartig über die hinteren fortsetzt; ebenso die etwas größere, dunklere und auf dem Hinterflügel entschiedener und schärfer weißgelb bandierte Alcyone, der Honiggrasfalter ( Satyrus Alcyone). Beide sind gleich flinke wie scheue Falter, die nie ihre Flügel ausbreiten, sondern in festem Schlusse halten und zusammenfallen lassen, wenn sie sitzen. Man findet sie auf sonnigen, steinigen Höhen, über die sie dem Geröll nahe in eiligem Fluge hinsegeln und sich von Stein auf Stein setzen, immer bereit, wieder aufzufahren, wie Semele von Baumstamm auf Baumstamm. Die Alcyone ist die seltenere Art und fliegt vorzugsweise im nördlichen, östlichen und südlichen Deutschland.
Der Hirsengrasfalter, Grasfalter ( Epinephele Hyperanthus), ist ein echter Wiesenbewohner in sehr schlichtem Gewande. Seine dunkelbraunen Flügel kennzeichnen weiße Fransen und je zwei schwarze, weiß gekernte, fein gelb umringte Augen, beide nahe beieinander. Die Unterseite hüllt sich in Graugelb und zeigt auf dem Vorderflügel einen kleinen dritten Augenfleck unter den beiden oberen und außerdem in der Mitte des Vorderrandes zwei zu einer 8 zusammenhängende aus den Hinterflügeln. Die Vorderrandsrippe und die innere Mittelrippe verdicken sich schwielig an der Wurzel, und der Innenrand des Hinterflügels schweift sich nahe der Innenecke schwach aus, wodurch diese mehr vorgezogen erscheint. Die Fühler verdicken sich allmählich zu einer langen, dünnen Keule, die Taster laufen in ein langes, dünnes Endglied aus, und die Mittelschiene ist wenig kürzer als der Fuß. Die Flügelspannung des größeren Weibchens beträgt 4,1 Zentimeter. Von Mitte Juni bis in den August tummelt sich dieser Grasvogel überall, hängt sich an die Halme mit halbgeöffneten Flügeln und besucht fleißig die Blumen der grünen Wiesendecke, des begrasten Grabens oder Hügelabhanges. Sein Flug ist schwankend und ohne Ausdauer. Wenn der Abend kommt, schläft er, wie alle Tagfalter, mit zusammengelegten Flügeln. Seine Raupe nährt sich vorzugsweise vom Hirsengrase ( Milium effusum), aber auch von andern Arten, wie von dem so vielen Grasfressern genehmen Rispengrase ( Poa annua). Sie ist in der Mitte am stärksten, graurötlich, samtartig behaart, hat über den grauen Füßen einen weißen Streifen und einen braunen längs des Rückens, der jedoch erst vom fünften Ringe an deutlich hervortritt. Nach der Überwinterung verwandelt sie sich anfangs Juni in eine kurz kegelförmige, vorn gerundete Puppe, deren hellbraune Oberfläche von dunklen Streifen durchzogen wird.
Das große Ochsenauge, Sandauge, der Riedgrasfalter oder gemeine Wiesenvogel ( Epinephele Janira), beweist durch seine vielen Namen, daß er einer der gemeinsten und bekanntesten Äugler ist; und in der Tat treibt er sich vom Juni ab ein Vierteljahr auf allen Wiesen umher und bietet hinreichende Gelegenheit, seine unbedeutende Persönlichkeit kennenzulernen. Männchen und Weibchen unterscheiden sich hier mehr als bei mancher andern Art. Jenes ist oben dunkelbraun, ziemlich langhaarig an Wurzel und Mittelfeld der Vorderflügel, auf denen gegen die Spitze hin ein blindes Auge steht. Dasselbe bekommt einen weißen Kern auf der gelbroten, ringsum gebräunten Unterseite. Der augenlose Hinterflügel trägt sich hier graubraun und deutet das Streben an, nach dem Saume hin eine lichte Binde zu bilden. Das Weibchen sieht bedeutend lichter aus, hat die eben erwähnte Binde der Hinterflügel entschiedener und einen roten Fleck um das weiß gekernte Auge auf der Oberseite der Vorderflügel. Die bei voriger Art erwähnte Bildung der Rippen, Fühler, Taster und der Schnitt der Hinterflügel kommen als Charaktere der Gattung Epinephele natürlich auch dieser Art zu. Die grüne oder gelblichgrüne Raupe hat einen weißen Längsstreifen über den Füßen und kurze, gekrümmte Härchen über den ganzen Körper. Sie frißt verschiedene Gräser, besonders Wiesenrispengras ( Poa pratensis), und lebt wie die vorige. Die am Kopfe schwach zweispitzige Puppe zeichnet sich durch mehrere bräunlich violette Längsstreifen und zwei Reihen brauner Rückenpunkte auf grünlichem Untergrunde aus.
Der Mauerfuchs, Mauer- oder Bandargus ( Pararge Megaera), liebt es, sich mit halb offenen Flügeln an Lehmmauern, an steile Wände der Hohlwege oder Gräben, in Steinbrüche oder auf die nackte Erde zu setzen und legt somit wenig Sinn für das Grün des Wiesenteppichs oder Laubdaches und für bunte Blumen an den Tag; denn er fliegt nur an jenen Stellen, wo er ausruht, auf und ab in schlaffer Haltung seiner rotgelben, schwarz bandierten und gefleckten Schwingen und läßt sich höchst selten auf Blumen betreffen. Die Augen haben einen feinen weißen Kern und die Fransen zwischen den Rippen ebenfalls diese Farbe; ferner ist die bleiche Rückseite der Flügel auf den gelbbraunen Hinterflügeln weißgrau angeflogen.
Die behaarten Augen unterscheiden die Scheckenäugler ( Pararge) von den Ochsenaugen ( Epinephele), mit denen sie die an der Wurzel schwielig verdickte Vorderrandrippe und innere Mittelrippe gemein haben, ferner sind bei allen Gattungsgenossen die Fühler schwarz und weiß geringelt und enden mit einem lang eiförmigen Knöpfchen; die Taster sind länger als der Kopf, ihr Endglied ist anliegend behaart, die Mittelschiene wenig kürzer als der Fuß. Der Mauerfuchs fliegt in mehreren Bruten vom Frühjahr bis tief in den Herbst hinein; verspätete Schmetterlinge sollen auch überwintern, wie bei der Raupe Regel ist. Dieselbe lebt an allerlei Gräsern, ist samtartig behaart, blaßgrün von Farbe; an den Seiten, über die dunklen Luftlöcher hinweg, läuft ein weißer, vorn allmählich verschwindender Streifen, fünf dunkelgrüne, blaß eingefaßte Streifen ziehen den Rücken entlang. Die schwärzlichgrüne Puppe trägt zwei Reihen heller Knöpfchen auf dem Rücken.
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Das Viereichenfalterchen, Eichenschillerchen, der kleine Changeant ( Thecla quercus), fällt im Freien weniger in die Augen als die meisten andern Sippengenossen; denn er kommt nur einzeln vor und verläßt die höheren Luftschichten des Waldes, wenigstens das Eichengebüsch, nur selten. Mit dicht zusammengeklappten, nicht gleichzeitig zusammengeschobenen Flügeln spaziert er auf einem Eichenblatt, das die Sonne bestrahlt, umher und scheint die Einsamkeit aufzusuchen. Wie in einem fallenden, kurzen Fluge ist er von diesem Blatt verschwunden, um auf einem andern seine Spaziergänge zu wiederholen. Nur wenn das Weibchen den Besuch eines Männchens erwartet, dann breitet es seine Flügel aus, von denen die vorderen eine keilförmige Gestalt haben, die hinteren sich abrunden, im Innenwinkel schwach lappig und in geringer Entfernung davon in einem schmalen Zähnchen heraustreten. Sie bieten eine einfarbig schwarzbraune Fläche dar, die bei günstiger Beleuchtung wie mit violettem Duft überzogen erscheint. Jetzt schlägt auch das Männchen seine Flügel auseinander und brüstet sich der gefallsüchtigen Dame gegenüber. Es trägt in der Tat den Preis der Schönheit davon, denn zwei Keilflecke von prächtigstem Azur erglänzen an der Wurzel der Vorderflügel dicht beieinander, der innere in größerer Erstreckung als der äußere. Wir wollen aber die beiden Verliebten nicht stören und uns einen verlassenen Spaziergänger besehen, um sein alltägliches Gesicht, seine Außenseite kennenzulernen. Dieselbe ist glänzend silbergrau und hat im Saumfelde eine weiße, nach innen dunkler gefaßte Strieme nebst einigen rötlichen Fleckchen dahinter. Die zierlich weißgeringelten Fühler verdicken sich allmählich zur Keule und reichen mit ihrer Spitze bis zur Hälfte des Flügelvorderrandes. Die zart weiß umschuppten Augen sind behaart, die Vorderbeine bei beiden Geschlechtern etwas schwächer als die andern. Die Flügelspannung beträgt 32,5 bis 35 Millimeter.
Dieser hübsche Falter fliegt im Juni allerwärts in Europa, wo es Eichen gibt, nachdem er die überwinterte Puppe verlassen hat. Das Weibchen legt nach einiger Zeit seine Eier einzeln an die Blätter der Eichbäume oder des eichenen Stangenholzes, und die ihnen entschlüpfenden Räupchen, von denselben fressend, erlangen nicht nur im Laufe des Sommers ihre volle Größe, sondern kriechen zur Verpuppung zuletzt auch noch unter Moos. Sie gehören zu den sogenannten Asselraupen, weil sie nach oben gewölbt, nach unten platt gedrückt und gedrungen, in der Gestalt den bekannten Kellerasseln gleichen. Den braunen, hinten gelblichen Untergrund decken feine Härchen, und auf dem Rücken stehen reihenweise gelbe, erhabene Dreieckchen, die durch eine schwarze Längslinie geteilt werden. Das lichte, braun gefleckte Püppchen wäre eiförmig zu nennen, wenn es sich nicht vor der Mitte etwas einschnürte; es liegt steif und unbeweglich und schnellt bei der Berührung nicht lebhaft mit dem Hinterleibsende hin und her, wie es die schlanken Puppen der Tagfalter zu tun pflegen. Noch viele andere Theclas ( spini, pruni. rubi, ilicis und andere) sind in Deutschland heimisch, die mit der eben beschriebenen hinsichtlich der Bildung der Flügel, Fühler, Beine und Augen übereinstimmen und an andern Holzgewächsen auf dieselbe Weise leben, wie die Thecla quercus an Eichen; die Oberfläche ihrer Flügel ist dunkelbraun, auch dunkelgrün ( Thecla rubi), mit unbestimmten roten oder rotgelben Flecken gezeichnet oder ohne solche. Die Unterfläche erscheint immer lebhafter gefärbt, niemals jedoch mit Augenflecken geziert. Der Feuervogel, Dukatenfalter, Goldrutenfalter ( Polyommatus virgaureae) hat dieselbe Größe und Gestalt wie der vorige. Das Männchen ist der feurigste unserer heimischen Falter, nicht dem Wesen, sondern der Farbe nach, denn die Oberseite seiner Flügel glänzt wie ein stark mit Kupfer versetzter Dukaten, die schwarzen Ränder ausgenommen, während das Weibchen mit schwarzen Flecken wie besäet erscheint, wenigstens auf den Hinterflügeln; an den vorderen ordnen sich dieselben in zwei Querreihen des Saumfeldes, und für das Mittelfeld bleiben noch zwei nebeneinander stehende übrig. Die Unterseite stimmt bei beiden so ziemlich überein; auf glanzlosem Gelbrot sind schwarze Pünktchen über den Vorderflügel zerstreut, darunter drei in gerader Linie innerhalb der Mittelzelle, als Gattungscharakter. Der Hinterflügel ist ärmer an solchen, gegen den Saum hin mit zwei weißen Tupfen geziert, die sich beim Weibchen zu einer ziemlich vollständigen Binde erweitern. Sein Rand ist etwas eckig, zumal am Hinterwinkel, ohne Zahn, wie bei dem vorigen, wodurch sich diese Rötlinge, deren gemeinster der gefleckte Feuerfalter ( Polyommatus Phlaeas) sein dürfte, von der vorigen Gattung unterscheiden. Der Dukatenfalter fliegt im Juli und August geschäftig an Blumen in den Wäldern und deren nächster Nähe umher und läßt sitzend die Oberseite seiner Flügel sehen. Er fehlt im nordwestlichen Deutschland. Die grüne, gelbstreifige Asselraupe lebt auf der Goldrute ( Solidago virgaurea) und dem Spitzampfer. Das Püppchen hat die gedrungene Gestalt und Regungslosigkeit der vorigen, überhaupt aller aus Asselraupen entstandenen, ist bräunlichgelb, an den Flügelscheiden dunkler.
Die eigentlichen Bläulinge ( Lycaena) haben ihren Namen von der schön blau gefärbten Oberseite der männlichen Flügel; auf denen der Weibchen herrscht Dunkelbraun vor, und Blau bleibt nur an der Wurzel oder als Schiller übrig. Die Unterseite ist ärmer oder reicher mit schwarzen Punkten (blinden Augen) oder Augenflecken bestreut, die sich nach dem Saum zu in Reihen ordnen und nicht selten durch Silberkerne lebhaft erglänzen. Eins dieser blinden Augen steht immer auf der Querrippe des Vorderflügels als Kennzeichen der Gattung. Die Netzaugen können nackt oder behaart sein. Einige Arten, die früh im Jahre an Buschwerk fliegen, haben je ein zartes Schwanzspitzchen am Hinterflügel, das den meisten fehlt. Man kennt mehrere hundert Arten aus allen Weltteilen, die sämtlich aus Asselraupen entstehen. Alle diese kleineren Falter treiben ihr munteres Spiel überall im Hochsommer auf den Blumen der Wiesen und Felder, der Wälder und dürren Heideflächen, scheinen aber weitere Ausflüge nicht zu unternehmen. Der Hauhechelfalter ( Lycaena Icarus Borkhausens, Alexis Fabricius') hat noch viele Namen, wie die meisten seiner Gattungsgenossen, woraus hervorgeht, wie schwer es bei der großen Übereinstimmung vieler den Schriftstellern wurde, die von einem andern bestimmte Art aus der Beschreibung wiederzuerkennen. Die Oberseite der Flügel schimmert hier schön rötlichblau und ist mit einem feinen schwarzen Rändchen vor den weißen Fransen umsäumt. Die Unterseite ist bräunlichgrau, an der Wurzel grünbläulich und mit zahlreichen Augenflecken und rotgelben Fleckchen auf den Hinterflügeln besetzt. Der Falter fliegt fast das ganze Jahr hindurch in zwei Bruten und ist überall gemein, aber nicht immer beständig in den Zeichnungen. Die blaßgrüne Raupe kennzeichnen ein dunkler, weißlich besäumter Rückenstreifen und zwei Reihen dunkler Schrägstriche. Sie findet sich im Mai und dann wieder im Juli an der gemeinen Hauhechel ( Ononis spinosa), deren Blüten sie besonders verzehrt.
Der schöne Argus, Adonis ( Lycaena Adonis) ist entschieden der prächtigste unserer deutschen Bläulinge, denn das Blau seiner Flügel wird in Feuer und Glanz von keinem andern erreicht; in Jahren, die ihn zahlreich erzeugten, kommen auch Weibchen vor, deren sonst braune Flügel reich in Blau erglänzen. Der Falter hat zwei Bruten und lebt als Raupe auf Klee und andern Schmetterlingsblümlern, scheint aber nur strichweise vorzukommen; dem nördlichen Tieflande fehlt er. Bei Halle und im Saaletal weiter aufwärts findet er sich dagegen häufig.
Die Dickköpfe ( Hesperidae) unterscheiden sich leicht von allen andern Tagfaltern durch die in der deutschen Benennung ausgesprochene Eigenschaft und durch zwei Sporenpaare, die bei den meisten die Hinterschienen bewehren. Ihre Raupen leben zwischen zusammengezogenen Blättern. Es gibt Hunderte von Arten, deren meiste wiederum Südamerika bewohnen, von denen viele durch kräftigere Gestalt, lebhafte Farben, lichte Fensterflecke, lange Schwänze an den Hinterflügeln und andere Eigentümlichkeiten ausgezeichnet sind. Die Europäer erreichen etwa die mittlere Größe der Bläulinge, sind aber untersetzter und eintöniger in den Farben. Die kurzen Schwingen haben derbe Rippen, die hinteren eine offene Mittelzelle. Am dicken Kopfe stehen große, nackte Augen, je eine Haarlocke an den weit voneinander entfernten Fühlerwurzeln, meist eine Krümmung an der Keulenspitze, und in beiden Geschlechtern bleiben die Vorderbeine in ihrer Entwicklung gegen die übrigen nicht zurück. Dies ungefähr die Kennzeichen der artenreichen Gattung Hesperia. In ziemlich raschem und straffem Fluge erscheint der Dickkopf auf einer Blume, an der er saugt, oder auf dem Erdboden, sperrt die Hinterflügel weit auseinander, während er die vorderen in die Höhe richtet. So schnell wie er kam, so schnell verschwindet er wieder. Alle seine Bewegungen weisen auf eine gewisse Federkraft im Körper und Bestimmtheit wie Keckheit im Willen hin. Statt aller werde hier das Strichfalterchen ( Hesperia comma) genannt, das sich im Juli und August überall zeigt und bis zu den höchsten Alpen hinaufgeht. Männchen und Weibchen, oberwärts braungelb, unten grünlichgelb, stimmen im äußeren Ansehen nicht überein. Jenes hat einen dunkelbraunen Saum, fünf lichtere Flecke und eine schwarze schräge, durch eine silberglänzende Linie der Länge nach geteilt erscheinende Mittelschwiele auf den Vorderflügeln, einen dunkeln Saum und lichte Flecke daran auf den Hinterflügeln. Beim Weibchen zieht eine Fleckenreihe über beide Flügel, die besonders auf den hinteren gelblichweiß erscheint; statt der schwarzen Schwiele hat es auf der Rückseite zahlreichere grüne Schuppen. Die grüne, an den Seiten schwarzpunktierte Raupe lebt auf der Kronwicke.
Zum Schlusse sei es vergönnt, die Zahlen der europäischen und deutschen Tagfalterarten nach den verschiedenen Sippen noch anzuführen. Von den vierzehn europäischen Papilioniden kommen sechs in Deutschland vor, von den einunddreißig Pieriden sechzehn, von den neunundfünfzig Nymphaliden sechsundvierzig, von den fünfundsiebzig Lycäniden neunundvierzig und von den neunundzwanzig Hesperiden achtzehn. Außerdem fliegt Chrysippus ( Danais Chrysippus) vereinzelt aus Sizilien als einziger Danaide in Europa, und in der kleinsten Perlbinde ( Nemeobius Lucina) hat die reiche brasilianische Sippe der Eryciniden für Europa und Deutschland ihren einzigen Vertreter.
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Der äußeren Erscheinung wie der Lebensweise nach stehen die Schwärmer, Dämmerungsfalter ( Sphingidae oder Crepuscularia), als zweite Schmetterlingsfamilie im geraden Gegensatze zu den Tagfaltern. Ein dicker und umfangreicher Körper, den ein dichtes Schuppen- oder Haarkleid deckt, unterwärts kräftig geäderte, oft zottig behaarte Flügel, deren vorderste meist schmal und gestreckt, die hintersten gerundet und klein im Vergleiche zu den Vorderflügeln sind, auch vorn eine Haftborste tragen, sowie ein spindelförmiger, dem Brustkasten eng sich anschließender Hinterleib unterscheiden sie auch bei dem flüchtigsten Blicke von den im Körper schmächtigen, in den Flügeln weit sich ausbreitenden Tagfaltern. Infolge kurzer und breiter Taster läuft der verhältnismäßig kleine Kopf nach vorn stumpfspitzig aus, bleibt ohne Nebenaugen und trägt kurze, dicke Fühler. Dieselben sind dreikantig, an der Wurzel meist etwas dünner als im weiteren Verlaufe und enden in eine haarfeine, nach hinten hakig umgebogene Spitze. Die Rollzunge kommt hier zu ihrer vollkommensten Entwicklung und übertrifft bisweilen an Länge die des Körpers um das Doppelte. Die Bekleidung des Mittelrückens und Hinterleibes liegt bei unsern heimischen Arten glatt an, und nur bei einigen ausländischen erhebt sie sich dort zu einem sehr unscheinbaren Schopfe. Den Vorderflügel zeichnen eine wurzelwärts gegabelte Innenrandrippe, den kurzfransigen Hinterflügel zwei Innenrandrippen und ein schräger Verbindungsast zwischen der Rand- und vorderen Mittelrippe aus. Die Vorderbeine bleiben in ihrer Entwicklung nie gegen die übrigen zurück, und die Schienen der Hinterbeine sind mit zwei Paaren von Sporen bewehrt. Wie bei vielen Tagfaltern treten auch bei den Schwärmern die Geschlechtsunterschiede äußerlich wenig hervor.
Am Tage sitzen die Schmetterlinge mit wenigen Ausnahmen ruhig an schattigen, versteckten Plätzchen und lassen dabei die Flügel etwas klaffend und lose wagerecht auf dem Körper liegen, drücken die nach hinten gerichteten Fühler dicht an die Flügelwurzeln an, so daß man dieselben nicht bemerkt, und schlafen, wenigstens lassen sie sich, wenn man einen und den andern in seinem Schlupfwinkel zufällig antrifft, ergreifen, ohne nur einen Versuch zum Entweichen zu machen. Sobald aber die Abenddämmerung gekommen, fangen ihre Augen an zu leuchten. Sie verlassen ihre Verstecke, um ihre Artgenossen und Blumen aufzusuchen, und man hört sie in der Regel früher, als man sie zu sehen bekommt, denn in stark brummendem Tone sausen sie durch die Lüfte, summend schweben sie vor der Blume, während sie mit ihrer langen Rollzunge den Honig aus derselben saugen. So träge sie am Tage scheinen, so wild und unbändig sind sie jetzt. Pfeilschnell fahren sie dahin von Blüte zu Blüte und huschen in größeren und größeren Bogen oder schnurstracks von bannen, wenn hier nichts mehr zu finden, oder wenn irgendeine Störung von außen kommt, etwa ein Jäger am Natterkopf, am Salbei, am Geißblatt usw. auf der Lauer steht. Ihr rascher Flug dauert ohne Unterbrechung bis zum späten Abend, bis sich die Geschlechter zusammengefunden, wenn es sich darum handelt, oder bis die Muskeln nach stundenlanger, ununterbrochener Tätigkeit endlich erschlaffen und der Ruhe bedürfen. Diese außerordentliche Flugfertigkeit hängt entschieden zusammen mit den schmalen und langen Flügeln, mit einem sehr ausgebildeten Luftröhrennetze im plumpen Körper; ihr haben wir es zuzuschreiben, daß einige südeuropäische Schwärmer, wie der Sphinx Nerii, Celerio und lineata, in heißen Sommern, vielleicht durch aus Süden wehende Winde unterstützt, bis zu den nördlichen Küsten des deutschen Gebietes Vordringen und daselbst ihre Brut absetzen. Die Sippe der Zackenschwärmer, die wir bald nachher kennenlernen werden, entbehrt dieser außerordentlichen Flugfertigkeit infolge ihrer anders geformten Flügel, stimmt aber in der Entwicklung und im Baue der Raupen mit den andern überein. Diese sind alle nackt, gestreckt, meist nach vorn etwas verdünnt, sechzehnfüßig und tragen auf dem Rücken des vorletzten Gliedes ein längeres oder kürzeres Horn, sind häufig sehr lebhaft gefärbt und gezeichnet und sitzen, wie die Schmetterlinge, am Tage träge und festgeklammert an ihrer Futterpflanze. Des Nachts entwickeln sie ihre volle Freßgier und setzen die Kinnbacken in gleiche rührige Tätigkeit, wie der Schmetterling seine Flügel. Sie leben niemals gesellig. Ist ihre Zeit gekommen, so bohren sie sich ausnahmslos in die Erde ein, glätten um sich ein Lager, ohne irgend welches Gespinst, und werden zur spindelförmigen, düsteren, mitunter auch lichteren Puppe, die lebhaft den Hinterleib bewegt, wenn man sie stört, und häufig an der Rüsselscheide eine besondere Auszeichnung, bis zu einem vollständigen Henkel, aufzuweisen hat. Jede bedarf in der Regel der Winterzeit zu ihrer Entwicklung, manche haben dieselbe ausnahmsweise erst nach Verlauf mehrerer Jahre vollendet. – Die Familie enthält in runder Zahl etwa 800 Arten, von denen die meisten auf Südamerika, die wenigsten auf Neuholland kommen; Europa ernährt mit voller Sicherheit nur fünfunddreißig, von denen die deutschen Arten sämtlich im Puppenstande überwintern.
Der Totenkopf ( Acherontia Atropos), nächst der A. Medor aus Mexiko, in Ansehung seiner Körpermasse der größte Der heute als größter bekannte Schmetterling ist eine brasilianische Eule ( Erebus agrippina Cram.). Sein Querdurchmesser beträgt 27 Zentimeter. Hrsgbr. aller Schmetterlinge – er hält 19,6 Zentimeter im Querdurchmesser – hat durch zweierlei eine gewisse Berühmtheit erlangt. Der pelzartig dicht braun behaarte, blaugrau schimmernde Mittelleib trägt auf seinem Rücken eine ockergelbe Zeichnung, die auffällig einem Totenkopfe ähnelt, unter dem sich zwei Knochen kreuzen, und zum zweiten bringt der Schmetterling, sobald er gereizt wird, einen pfeifenden, schrillenden Ton hervor. Daß dieser Laut durch Reibung gewisser Teile des Vorderkörpers entstehe, wurde seit Réaumurs Beobachtungen allgemein angenommen, und zwar sollte die Reibung des Rüssels an der inwendig mit Leistchen versehenen Tasterwurzel diese zum Teil klagenden Töne hervorbringen. Die anatomischen Untersuchungen R. Wagners ergaben eine überaus große, durch Luft ausgedehnte Saugblase, die dicht vor dem sogenannten Magen, in das Ende der Speiseröhre mündend, den ganzen Vorderteil des Hinterleibes ausfüllt und sich beim Öffnen desselben sogleich von der Rückseite her hervordrängt. Auch fand sich die Speiseröhre stets mit Luft gefüllt. Wagner hält es nun für wahrscheinlich oder fast ausgemacht, daß die Stimme durch Ein- und besonders durch Ausstoßen der Luft aus der großen Saugblase durch die enge Speiseröhre und vorzüglich durch den Rüssel hervorgebracht wird; je kürzer dieser durch Abschneiden wird, um so schwächer wird sie... Doch ist es möglich, daß ein Teil der Luft durch ein Spältchen streicht, das an der Vorderflächenmitte durch die nicht völlig aneinandergedrückten Rüsselhälften offen zu bleiben scheint. Auch Landois meint durch seine jüngsten Beobachtungen, die seinen früheren Ansichten widersprechen, die Wagnerschen zu unterstützen, und nimmt nach seinen Versuchen an, daß der Totenkopf beim Pfeifen die Luft aus dem Saugmagen Diese Annahme hat sich als unhaltbar erwiesen. Auch entsteht der Ton nicht durch gegenseitige Reibung der Rüsselhälften; vielmehr scheint er nach Untersuchungen von Prochnow in einem kleinen Luftsack des Kopfes zustande zu kommen. Hrsgbr. durch jene Rüsselspalte ausstoße; denn man kann ihm durch den Rüssel Luft unter sichtlicher Anschwellung des Hinterleibes einblasen und macht ihn durch Abschneiden des Rüssels oder durch Fortschaffen jener Spalte stumm, sei es, daß man sie verklebt oder durch Auseinanderbiegen beider Rüsselhälften beseitigt. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, daß noch von einigen andern Schmetterlingen Lautäußerungen ausgehen. Darwin hat von der Ageronia feronia ein Geräusch vernommen, wie das eines Zahnrades, das unter einem federnden Sperrhaken läuft, als sich zwei dieser brasilianischen Schmetterlinge in unregelmäßigem Laufe jagten, und nimmt an, daß es wahrscheinlich während der Bewerbung der Geschlechter hervorgebracht werde. Doubleday hat einen häutigen Sack an der Vorderflügelwurzel entdeckt, dessen Mitwirkung jener Laut zugeschrieben werden dürfte, wie auch eine blasige Grube am Hinterflügel der männlichen Thecophora (Noctua) fovea nach Bertholds Beobachtung beim Flattern einen schrillenden Ton erzeugen soll. Der Totenkopf, um nach diesen Abschweifungen sein Bild zu vollenden, nimmt der Länge nach durchschnittlich einen Raum von 55 Millimetern ein und spannt dabei 114 Millimeter. Die fast gleich dicken, kurzen Fühler enden mit einem Haarpinsel, der Hinterleib in eine gerundete Spitze. Die Vorderflügel sind tiefbraun, schwarz und etwas ockergelb gewölkt, durch zwei gelbliche Querbinden in die bekannten drei Felder geteilt, deren mittelstes ein lichtes Mittelpünktchen zeigt. Die ockergelben Hinterflügel zieren zwei schwarze Querbinden, deren breitere, äußere an den Rippen zackig, wie ausgeflossen erscheint. Über den gleichfalls gelben, schwarz geringelten Hinterleib zieht eine breite blaugraue Längsstrieme. Die Rollzunge ist sehr kurz, bedeutend kürzer als bei jedem andern Schwärmer und erlaubt dem Schmetterling nicht, in der oben geschilderten Weise seine Nahrung zu sich zu nehmen. Man findet ihn bei uns zulande, und zwar nur im Herbst, entweder mit dachförmig auf den Körper gelegten Flügeln an einer Mauer, einem Stein sitzend, oder er geht dem Licht nach und erscheint schwärmend in einem Wohnzimmer, wodurch er schon manchmal Furcht und Staunen veranlaßt hat. – Die stattliche Raupe kommt in der Regel im Juli und August auf Kartoffelkraut, Teufelszwirn ( Lycium barbarum), Stechapfel vor, man will sie jedoch auch auf Jasmin ( Jasminum officinale), Mohrrübe und Färberröte angetroffen haben. Sie mißt 13 Zentimeter und trägt auf dem vorletzten Ringe ein 8-förmig gebogenes, an der Wurzel verdünntes und wie ein Schwänzchen herabhängendes Horn. Man kann nach Färbung mehrere Spielarten unterscheiden, für gewöhnlich ist sie grünlichgelb, dicht mit schwarzblauen Pünktchen bestreut, die drei ersten und das letzte Glied ausgenommen, und hat vom vierten ab schön blaue, nach vorne offene, unterwärts schwarz beschattete Winkelhaken über den Rücken, je einen auf jedem Gliede. Dann und wann kommt die Raupe nicht selten vor, während man sie sonst nur einzeln oder auch gar nicht findet. Im Jahre 1783 brachte ein Sammler bei Weimar achtunddreißig Stück zusammen. Kam eine der andern in dem Futterkasten zu nahe, so suchten sie sich mit ihren Freßzangen, mit denen sie ein dem Zähneknirschen ähnliches Geräusch hervorbringen können, an den Hälsen zu fassen, wobei die Angegriffene trotz ihrer sonstigen Trägheit mit großer Gewandtheit auszubiegen verstand. Vor der Verpuppung kriechen sie in die Erde, kommen bisweilen nach fünf bis sechs Stunden wieder hervor, oder stecken bloß den Kopf heraus und zehren an einem erreichbaren Blatte. Die Unruhe vieler Raupen zu dieser Zeit ist oft sehr merklich und kann durch gewisse Zufälligkeiten erhöht werden. So erzählte mir ein Freund, daß die schon zur Verwandlung in die Erde gegangene Raupe des Windigs ( Sphinx convulvi), an Größe der des Totenkopfes nichts nachgebend, allemal wieder hervorgekommen und aufgeregt in ihrem Zwinger umhergekrochen sei, sobald man in ihrer Nähe Klavier gespielt habe. Die glänzend schwarzbraune Puppe des Totenkopfes, die vorn hinter dem Kopfe flach sattelartig eingedrückt erscheint, wird bei der Kartoffelernte in unsern Gegenden einzeln in einer Erdhöhle aufgefunden und liefert in der allernächsten Zeit oder niemals den Falter, weil sie weniger als die meisten andern Puppen während der Entwicklung gestört sein will. Der Totenkopf kommt in Mexiko, in ganz Afrika und auf Java vor, in Europa mehr in den südlichen als in den nördlichen Gegenden. Diejenigen, die im mittleren und nördlichen Deutschland während des Herbstes auskriechen, pflanzen sich nicht fort, und im Frühjahre ist meines Wissens noch keiner aufgefunden worden. Daher müssen die bei uns vorkommenden Raupen von zugeflogenen Weibchen herrühren, wofür auch ihr vorübergehendes und örtliches Erscheinen spricht.
Der Rainweiden-, Ligusterschwärmer ( Sphinx ligustri), ist einer der stattlichsten heimischen Schwärmer, der im Mai und Juni mit starkem Gebrumme überall in Deutschland an den honigreichen Blumen in den frühen Abendstunden fliegt und seinen sehr langen Rüssel in dieselben versenkt. Seine Vorderflügel, die bis 10,8 Zentimeter spannen, sind rötlich braun, am Vorderrande und Saume stark grau gemischt, in einem Schrägstreifen vom Innenrande nach der Spitze hin schwarzbraun, hier und da zwischen den Rippen mit einigen schwarzen Linien gezeichnet, die Hinterflügel rosenrot und von drei schwarzen Querbinden durchzogen. Der spitz zulaufende graue, durch die Mitte fein schwarz gestriemte Hinterleib ist in den Seiten rosenrot und schwarz bandiert. Als nächtlicher Schmetterling kommt er uns nur zufällig und vereinzelt an einem Baumstamme schlafend zu Gesicht, während einige Monate später die erwachsene Raupe auf den Büschen des spanischen Flieders ( Syringa) in Gärten und städtischen Anlagen, auf Liguster, Hartriegel, Geißblatt, Spierstauden leicht in die Augen fällt. Sie ist lebhaft grün, glatt und glänzend, reichlich querriefig, auf dem Rücken des vorletzten Gliedes mit einem schwarzen Horn, jederseits mit sieben vorn lila, hinten weißen Schrägstrichen und am kleinen, eingezogenen Kopfe mit einer lila Umfassungslinie versehen. Ende August, anfangs September steigt sie in die Erde hinab und wird in einer ausgeglätteten Höhlung zu einer schwarzbraunen Puppe, deren Rüsselscheide als nasenartiger, aber anliegender (nicht gehenkelter) Anhang vorspringt.
Der Kiefernschwärmer, das Tannenpfeil ( Sphinx pinastri), ist der unscheinbarste aller Schwärmer; denn er unterscheidet sich kaum in der Farbe von dem Kiefernstamme, an dem er sitzt; er fehlt wohl nirgends, wo dieser Baum wächst. Die Oberseite seiner schlanken Fühler sind fleckenartig und die Fransen weiß, die Vorderflügel mit einigen schwarzen Längsstrahlen gezeichnet und der Hinterleib wie bei der vorigen Art, nur mit dem Unterschiede, daß die wechselnden lichten Seitenbinden hier eine weißgraue, nicht rosenrote Färbung tragen. Der Rüssel erreicht eine Länge von vier Zentimetern. Wenn der Schmetterling in der oben geschilderten Weise aller echten Schwärmer die kurze Lebenszeit verbracht, das befruchtete Weibchen seine bleichgrünen Eier an die Nadeln der Kiefernbäume angeklebt hat, dauert es ungefähr zehn bis vierzehn Tage, ehe die Räupchen daraus hervorbrechen; dieselben häuten sich durchschnittlich alle zehn Tage, fressen meist ihren Balg auf, was auch viele andere Raupen tun, und bekommen mit der Zeit ihre bunte Längsstreifung, gelb, grün, lila. Die nach der vierten Häutung erwachsene Raupe hat schwache, teilweise schwarze Querrunzeln und die oben genannten Farben mehr oder weniger in Fleckenstreifen aufgelöst. Bei der Berührung schlägt sie wild um sich, bricht einen braunen Magensaft aus und versucht zu beißen. Derartige Wahrnehmungen werden meist nur möglich, wenn sie zur Verpuppung von den Bäumen herabsteigt; denn in jungen Beständen hält sie sich nur selten auf, sondern meist oben in den Gipfeln der Bäume. Ungefähr in der ersten Hälfte des September bohrt sie sich in die Erde ein; umgibt eine Moosdecke den Fuß des Baumes, so geht sie unter diese und nimmt Puppengestalt an, in der die Überwinterung erfolgt. Eine kurze, nasenartig heraustretende Rüsselscheide charakterisiert die schwarze Puppe. Daß im nächsten Frühlinge nicht immer der zu erwartende Schmetterling hervorkommen müsse, sondern große Schlupfwespen ( Ichneumon pisorius und I. fusorius) seine Stelle vertreten können, wurde bereits früher erwähnt. Bisweilen erscheinen die Raupen in einer für die Bäume verderblichen Menge, wie z. B. der Umstand beweist, daß 1837 und 1338 in der Annaburger Heide seitens der Forstverwaltung auf das Quart derselben ein Preis von fünfzehn Pfennigen gesetzt ward und namhafte Summen dafür verausgabt worden sind. – Wer sollte nicht schon die feiste, schön gelb getigerte Raupe im Sommer auf der Cypressen-Wolfsmilch ( Euphorbia Cyparissias), aber auch nur auf dieser, haben sitzen sehen, aus der der gemeinste aller Schwärmer hervorgeht, der nach der Futterpflanze benannte Wolfsmilchschwärmer ( Sphinx euphorbiae). Seine ledergelben, öfters rosa bestäubten Vorderflügel schmücken an der Wurzel und hinter der Mitte vorn je ein olivengrüner Fleck sowie eine keilförmige Strieme von gleicher Farbe vor dem roten Saume; die hinteren Flügel, heller und dunkler rosenrot, an der Wurzel und vor dem Saume bindenartig schwarz, sind am Innenwinkel weiß wie der Mittel- und Hinterleib an den Seiten. Ähnliche Färbungen kommen noch bei manchem andern Schwärmer des In- und Auslandes vor.
Der Oleanderschwärmer ( Sphinx nerii) trägt in Ansehung der Farbenfülle und der Flugfertigkeit die Siegespalme von allen europäischen Dämmerungsfaltern davon. Er gehört allerdings für Europa nur zu den Zugvögeln, indem Nordafrika und Kleinasien als seine Heimatländer bezeichnet werden. In einem zeitigen Frühjahr kommt er nach Kefersteins Ansicht nach Frankreich, wo sich in neunzig Tagen aus den gelegten Eiern neue Schmetterlinge entwickeln, die weiter nach Norden ziehen und da ihre Eier absetzen, wo sie den Oleander in größeren Mengen in den Gärten vorfinden. Seit den dreißiger Jahren ist in heißen Sommern der Schmetterling gefangen oder aus der Raupe gezogen worden, außer in der Schweiz bei Barmen, Elberfeld, Passau, Halle, Pirna, Berlin, Frankfurt an der Oder, Stettin, Braunschweig, ja bis Riga hinauf und anderwärts. Schon im Juli fand sich die Raupe meist bei Braunschweig, sonst kommt sie besonders im August vor. Erwachsen mißt sie 9,2 bis 11 Zentimeter und weist wie die Totenkopfraupe zwei Farbenunterschiede auf: eine grüne Grundfarbe und eine ockergelbe mit bräunlichen, wolkigen Streifen; der Körperfarbe entspricht auch die des Kopfes. Auf der Vorderhälfte des dritten Ringes steht jederseits ein auf dem Rücken einander sehr nahegerückter »Spiegel«, d. h. eine aus zwei nierenförmigen, von Schwarzblau durch Braun in einen weißen Kern übergehenden Flecken, einem größeren hinteren und kleineren vorderen, zusammengesetzte Fläche, die in der Ruhelage der Raupe zum Teil vom vorhergehenden, faltig sich überlegenden zweiten Ringe bedeckt, und nur bei der im Kriechen ausgestreckten Raupe sichtbar wird. Ungefähr in der Mitte der Körperseite geht vom vierten bis elften Gliede eine beiderseits verwaschene weiße Linie, die sich hinten bis unter die Wurzel des wachsgelben Hornes hinaufzieht und auf beiden Seiten von unterwärts mehr gereihten, zahlreichen weißen, lila oder blau umzogenen Pünktchen begleitet wird. Ungefähr vierundzwanzig Stunden vor dem Verkriechen der Raupe flach unter der Erde, wo sie Moos und andere zu Gebote stehende Gegenstände der Bodendecke durch einige Gespinstfäden fest verbindet, ändert sie ihre Farbe wesentlich. Unter jener Decke kann sie bis sechs Tage liegen, meist aber streift sie schon früher ihre Haut ab und wird zu einer schlanken, anfangs bräunlichgelben, später dunkleren, durch zahlreiche schwarze Pünktchen noch mehr verdunkelten Puppe, die auf dem Rücken rauher und weniger glänzend als an der glatten Bauchseite erscheint. Nach vier bis sechs Wochen Puppenruhe schlüpft der stattliche Schwärmer aus, dessen Flügel in einer halben Stunde ihre volle Größe, drei bis vier Stunden später ihre wagerechte Lage neben dem Hinterleib einnehmen. Derselbe ist in der Grundfarbe lebhaft grasgrün, auf den Vorderflügeln mit weißlichen, rosenroten und violetten Streifen wie Flecken, auf der Wurzel der Hinterflügel breit violett und ebenso bunt am Körper gezeichnet.
Im Mai und Juni sieht man nicht selten an den Pappelstämmen der Heerstraßen oder der Dorfteiche einen rötlichgrauen Schmetterling hängen, den man aus der Entfernung für ein dürres Blatt halten könnte. Die ausgezackten Flügel legen sich so über den Rücken, daß der Außenrand der Hinteren über den Vorderrand der vorderen hervorragt. Er hängt in der Tat, denn nur seine Vordersüße halten ihn fest. Manchmal hängen ihrer zwei aneinander, die Köpfe einander entgegengesetzt, und verweilen in dieser Lage halbe Tage lang. Es ist dies eine von den Eigentümlichkeiten dieser Schwärmer, die man ihrer abweichenden Flügel wegen auch Zackenschwärmer genannt hat, daß sie, gegen die Weise der echten Schwärmer, über Tage sich in der Paarung betreffen lassen, und daß sie nach Art gewisser Spinner, denen sie auch in der Körpertracht nahe stehen, dieselbe sofort beginnen, wenn die beiden Geschlechter in einem Zwinger den Puppen entschlüpft sind. Ihre zweite Eigentümlichkeit besteht darin, daß sie infolge ihrer weichen und schwachen Zunge nicht schwärmen, sondern während des Nachts lebhaft umherfliegen, ohne gerade den Blumen nachzugehen; wenigstens fängt man sie nie an solchen Stellen, wo Windig, Liguster-, Wolfsmilch-, Weinschwärmer, Tannenpfeil und andere summend und brummend Honig naschen. Trotzdem haben den Zackenschwärmern ihre allgemeine Körpertracht, der Verlauf des Flügelgeäders, die Fühlerbildung sowie die gehörnte Raupe und deren Verpuppungsweise ihren Platz unter den Schwärmern gesichert. Der Pappelschwärmer ( Smerinthus populi), der anfangs gemeint war, hat stumpf ausgezackte, ziemlich breite Flügel, auf deren vorderen zwei braunrote, etwas gewellte, schmale Binden die drei Felder abscheiden, ein weißes Möndchen sowie ein braunroter sogenannter »Mittelschatten« das mittelste kennzeichnen; durch die am Vorderwinkel ausgeschweiften, am Innenrande braunrot beschatteten Hinterflügel ziehen zwei Binden. Die Fühler des im Leibe schlankeren Männchens zeichnet eine Doppelreihe von Kammzähnen aus. Im Spätsommer kriecht eine und die andere spitzköpfige, gelbgrüne, durch erhabene Punkte rauhe Raupe, deren Seiten mit weißlichen Schrägstrichen gezeichnet sind und deren vorletztes Glied ein schwarz bespitztes Horn ziert, auf der Landstraße umher, überzieht sich auch mit deren Staub bis zur Unkenntlichkeit. Sie kam vom Baum herab, um sich in der Erde ein Kämmerlein zur Verpuppung zu suchen, übrigens frißt sie auch Weiden, wie die ähnliche Raupe des schönen Abendpfauenauges ( Smerinthus ocellatus), das sich durch das blaue Pfauenaugs auf den karminroten, in der Farbe nicht echten, d. h. leicht ausbleichenden Hinterflügeln vorteilhaft vor allen heimischen Schwärmern auszeichnet. Der Lindenschwärmer ( Smerinthus tiliae), mit ausgenagten Vorderflügeln und von ockergelber Grundfarbe mit veränderlich dunkler Bindenzeichnung, ist der dritte der in Deutschland allgemein verbreiteten Zackenschwärmer, deren jeder seinen eigenen Flügelschnitt hat.
Die breitleibigen Schwärmer ( Macroglossa) vereinigen ein breiter, an den Seiten und der Spitze mit Haarschöpfen versehener Hinterleib, mehr keulenförmige Fühler, welche die halbe Vorderrandslänge der Flügel überragen, und eine lange, hornige Rollzunge zu einer dritten Sippe, deren Glieder auch im Betragen von den übrigen Familiengenossen abweichen. Die meisten breitleibigen, gleichzeitig auch kleinsten Schwärmer fliegen bei Sonnenschein in derselben Weise wie die echten Schwärmer in der Dämmerung, Der Nachtkerzenschwärmer ( Macroglossa oenotherae) ist von den heimischen der zierlichste und durch den ausgefressenen Saum der Vorderflügel ausgezeichnet; dieselben sind grün am Saum und in einer Mittelbinde dunkler, die Hinterflügel gelb mit schwarzer Saumbinde verziert. Mir ist kein Falter bekannt, der in seiner Größe so auffällig hinter der seiner Raupe zurückbleibt. In der ersten Jugend grün, nimmt diese nach den späteren Häutungen eine graubraune Grundfarbe an, die auf dem Rücken durch dichte, schwarzbraune Punkte und in den Seiten durch fast schwarze Schrägflecke und schwarze Längsadern vielfach verdunkelt wird. Mitten in den Seitenflecken stehen die gelben Luftlöcher und an Stelle des bei den Verwandten vorhandenen Hornes ein gelber, schwarz umringter Augenfleck mit gewölbter und polierter Oberfläche. Sie ernährt sich während des Juli und August von Nachtkerze, verschiedenen Arten des Weidenröschens ( Epilobium) und von dem Blutkraut und findet sich, wo sie einmal vorkommt, in größeren Mengen beisammen, wie mich meine Beobachtungen in der Gegend von Halle gelehrt haben. Die Verbreitung ist keine allgemeine und scheint sich für Deutschland vorzugsweise auf das Hügelland und die Vorberge des Gebirges zu beschränken. Die erwachsene Raupe hat in der Gefangenschaft die üble Gewohnheit, unruhig umherzulaufen und schließlich ermattet zugrunde zu gehen, so daß der Mehrzahl der Sammler die Erziehung des Schmetterlings nicht hat glücken wollen. Nach manchen vergeblichen Versuchen erreichte einer meiner Freunde seinen Zweck vollständig, indem er jede unruhig werdende Raupe auf einen kleinen, mit Erde gefüllten Blumentopf setzte, diesen mit einem Glasscherben bedeckte, um das Entweichen zu verhindern und die Wirkungen der Sonnenstrahlen zu erhöhen, denen der Topf preisgegeben ward. Jede Raupe verfügte sich alsbald in die Erde und lieferte eine entwicklungsfähige Puppe. Dies allen denen zur Beachtung, die in der Lage sind, die Raupen des Nachtkerzenschwärmers zu züchten!
Das Karpfen- oder Taubenschwänzchen ( Macroglossa stellatarum) treibt sich überall in zwei Bruten vom Mai bis in den Oktober an den verschiedensten Blumen umher, bildet durch seinen Flug, durch sein ebenso blitzschnelles Erscheinen wie Verschwinden einen höchst eigentümlichen Gegensatz zu dem übrigen Faltervölkchen und bringt das Betragen der echten Schwärmer denjenigen zur Anschauung, denen es von den andern das Dunkel der anbrechenden Nacht verbirgt. Abgesehen von den rostgelben, am Saume etwas verdunkelten Hinterflügeln, ist dieser Schwärmer graubraun gefärbt und auf den Vorderflügeln mit einigen dunkleren, bindenartig verteilten, am Hinterleibe dunkleren sowie an dessen Seiten weißlichen Flecken gezeichnet.
Die gehörnte Raupe ist heller oder dunkler grün, bisweilen rotbraun und hat acht Reihen weißlicher, erhabener Perlflecke und vier weiße Längslinien, von denen zwei sich vor dem bläulich-grünen Horn auf dem Rücken vereinigen, die beiden andern hinter demselben. Sie frißt Labkraut ( Galium) und Färberröte ( Rubia tinctorum). Die graubraune, rauhe Puppe hat einen dunklen Rückenstreifen, ein zugeschärftes, stumpfes Kopfende und erscheint darum nach vorn schmächtig; von der zweiten Brut überwintert sie. – Zwei unter sich sehr ähnliche Arten, Macroglossa fuciformis und M. bombyliformis, wegen ihrer oberflächlichen Ähnlichkeit mit einer Hummel zu deutsch Hummelschwärmer genannt, verdanken auf Skabiosen und Schneebeeren gleichfalls freilebenden, gehörnten Raupen ihren Ursprung und leiten infolge ihrer stellenweise durchsichtigen Flügel zu den Glasflüglern über, denen wir jetzt unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.
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Von der Familie der Holzbohrer ( Xylotropha) gelten nur zwei gemeinsame Merkmale: nach vorn spitz endende Fühler und zwei Sporenpaare an der Innenseite der Hinterschienen, im übrigen gehen sie weit auseinander. Es findet sich bei ihnen die breite Flügelform, die an die Tagfalter erinnert, die schmale der Schwärmer, zu denen manche von ihnen bisher gerechnet worden sind, und die in der Mitte stehende, die in Vereinigung mit dem dicken Hinterleibe die Spinner kennzeichnet. Somit haben wir es hier mit einer Übergangsgruppe zu tun, deren Glieder nur wegen ihrer Entwicklungsgeschichte zur Vereinigung berechtigen. Die walzigen oder niedergedrückten, einzeln behaarten und sechzehnfüßigen Raupen aller leben nämlich in der Jugend unter der Rinde holziger Gewächse, bohren sich, wenn sie größer werden, tiefer hinein und arbeiten Gänge im Holze oder zwischen diesem und der Rinde aus. Weil sie sich vom Sonnenlicht abschließen, fehlen ihnen lebhaftere Farben gänzlich, und die meisten erscheinen in dem lichten, beinfarbenen Gewande, das den ebenso lebenden andern Kerflarven eigentümlich zu sein pflegt. Als Bohrer bedürfen sie auch einer längeren Zeit zu ihrer Entwicklung, und einmalige Überwinterung wird bei ihnen zur Regel; es kommt aber auch eine zweimalige vor. Manche fertigen sich, wenn sie erwachsen sind, ein geschlossenes Gehäuse aus den Spänen ihrer Umgebung, andere verpuppen sich frei in der etwas erweiterten Höhlung des Ganges. Darin aber stimmen alle überein, daß die Raupe dafür sorgt, dem der Puppe entschlüpften Schmetterling die Freiheit zu sichern. Sie hat während ihres Lebens einen Ausgang bereitet, der ihr zum Hinausschaffen des Kotes diente, wie sie jenem zum Ausfliegen dienen wird. Der Kot quillt in Form zusammengebackener Sägespäne daraus hervor, bleibt zum Teil daran hängen, verstopft das Loch stets und wird zum Verräter der Raupe. Diese nun, wenn sie im Begriff steht, sich zu verpuppen, begibt sich unmittelbar hinter jenen verstopften Ausgang und kehrt sich mit dem Kopfe ihm zu. Die Natur, die nichts halb tut, pflanzte der Raupe nicht nur diesen Trieb ein, sondern baute auch die Puppe so, daß sie durch eine scharfe Spitze am Kopf oder durch Borstenkränze an ihren Leibesringen bohren und sich durch Windungen ihres Körpers vorschieben kann, wenn das erwachte Schmetterlingsleben im Drange nach Freiheit dazu Veranlassung bietet. Sonach ist der Schmetterling gegen seine Brüder, deren Puppen im Freien hängen, kaum benachteiligt; er hat nur, bevor er im Nacken die Hülle der letzteren sprengt, durch einige Wurmbewegungen, wie der Schwärmer in der Erde, die Puppe wenige Linien vorwärtszuschieben. Diese Eigentümlichkeit in der Entwicklung und der Mangel gewisser Kennzeichen, die andere Arten haben, deren Larven gleichfalls bohrend leben, sind es, welche die gleich näher zu betrachtenden zu einer Familie vereinigen lassen.
Die Glasflügler ( Sesia) stimmen wenigstens in der Körpertracht und Bildung der Fühler wie hinsichtlich der an den Hinterflügeln befindlichen Haftborste mit den Schwärmern überein, von denen sie die eben näher geschilderte Lebensweise, das Vorhandensein zweier Punktaugen auf dem Scheitel, die durchaus glashellen Hinterflügel, die in der Regel sehr unvollständig beschuppten, schmalen Vorderflügel wesentlich unterscheiden. Von diesen überaus zierlichen Faltern kennt man etwa sechzig Arten aus Europa, darunter siebenundzwanzig deutsche, außerdem zahlreiche in Amerika. Sie fehlen schwerlich in den übrigen Erdteilen; Der Hornissenschwärmer z. B. ist auch in Asien weit verbreitet. Auch aus allen übrigen Erdteilen kennt man Glasflügler. Hrsgbr. es hat aber eine ganz eigentümliche Bewandtnis mit ihrem Auffinden. Soweit meine Erfahrungen reichen, kriechen die Schmetterlinge, die Puppe halb aus dem Schlupfloch mit sich nehmend, in den Morgenstunden zwischen neun und zwölf Uhr aus, sitzen kurze Zeit ruhig am Baumstamm, um vollkommen abzutrocknen, fliegen dann aber lebhaft am Laube umher, um sich zu paaren. Ihr Flug ist ein ungemein leichter, flüchtiger und ihre Bewegung eine hüpfende. Ihre Lebensdauer dürfte eine nur kurze sein. Wer die Entwicklungszeit und Futterpflanze der einzelnen Arten kennt und zu bestimmter Zeit an Ort und Stelle ist, wird unter Umständen eine reiche Ausbeute halten, während der eifrigste Sammler, der dies alles nicht kennt, jahrelang umherlaufen kann, ehe er nur ein Stück und dies zufällig zu sehen bekommt. Diejenigen Arten, deren erwachsene Raupen gesammelt werden können, ohne daß man Bäume zu fällen braucht, lassen sich auch erziehen. Steckt man jene einzeln in einen etwas ausgehöhlten, trockenen Brombeerstengel, so bohren sie sich weiter ein, spinnen die Öffnung zu und gedeihen vortrefflich in diesen Patronen. Abgesehen von einigen wenigen Arten, wie die vorherrschend gelbe Sesia empiformis Esp., S. tenthrediniformis Ochsenh., deren Raupe in dem Wurzelstock der Zypressen-Wolfsmilch lebt, der Schmetterling aber im Sonnenschein um die Futterpflanze fliegend angetroffen wird, bekommt man noch am häufigsten unsere größte Art zu sehen:
Den Hornissenschwärmer ( Trochilium apiforme). Die lichten Stellen an seinem Körper sind goldgelb, die dunklen einschließlich der Fühler braun bis schwarzbraun, die Adern, Fransen aller Flügel und der Vorderrand der vorderen nebst den Beinen rostgelb (bronzefarben). Die Raupe lebt unten im Stamme junger Pappeln und Espen, am liebsten an der Stelle, wo er aus der Erde heraustritt, aber auch tiefer unten, und es fehlt nicht an Beispielen, wo der Wind dergleichen Stämmchen umgebrochen und diese Raupe genau dieselben Wirkungen hervorgebracht hat, wie die Larve des großen Pappelbocks ( Saperda carcharias), die wir früher kennengelernt haben. Die Verwandlung der Raupe verteilt sich auf zwei Kalenderjahre, jedoch nur auf eines ihres Lebens. Im Juni und anfangs Juli werden die Eier zwischen die Rindenschuppen abgesetzt, und im nächsten März findet man die Raupe ziemlich erwachsen. Lebte sie im Wurzelstock, so kann die Verpuppung auch in der Erde, nahe der Oberfläche, erfolgen.
Es sei noch bemerkt, daß man die alte Gattung Sesia neuerdings in mehrere zerlegt hat und daß die Schmetterlinge, die jenen Namen behielten, bedeutend schlanker im Hinterleibe sind als der Hornissenschwärmer und in einen zierlichen Haarbusch endigen, der fächerartig ausgebreitet werden kann, was besonders bei der Paarung geschieht. Als ich einst in den Morgenstunden (11. Juni) auf den Fang der hübschen Sesia myopiformis ausging, eines glänzend blauschwarzen Glasflüglers, dessen schmächtigen Hinterleib ein roter Ring verziert und dessen Raupe hinter der Rinde der Apfelbäume lebt, beachtete ich auch die Grashalme des neben den Bäumen hinlaufenden Landstraßengrabens, weil sie nicht selten an denselben ruhten. Hier sah ich das Gesuchte auch sitzen und daneben eine fette Wespe. Als ich mich näherte, um mich des Apfelbaum-Glasflüglers zu bemächtigen, flog jene davon. Wie groß war aber mein Staunen, als ich ein Männchen gefangen hatte, dessen Hinterleib um die beiden letzten Glieder eines weiblichen verlängert war; alles übrige Fleisch dieser unglücklichen Mutter war den Zähnen der Futter besorgenden Wespe verfallen.
Vornehmlich in dem Baume, von dem der Weidenbohrer ( Cossus ligniperda) seinen deutschen Namen erhalten hat, aber auch in Obstbäumen, Rüstern, Pappeln, Erlen, Eichen und Linden, wohin gerade das eierlegende, ziemlich träge Weibchen verschlagen wurde, lebt seine Larve. Sie findet sich meist einzeln oder nur in geringer Anzahl in einem Baume, kommt aber auch ausnahmsweise in größeren Mengen vor. In den Anlagen um Göttingen rodete man im Dezember 1836 drei je fast einen Fuß im Durchmesser haltende Trauerweiden aus, in denen beim Zerklüften des Holzes hundert Raupen gefunden wurden. Hinter der Rinde eines Eichenstubben traf ich einmal im März neun rosenrote Raupen eben derselben Art, die etwa 13 Millimeter maßen und aus Eiern vom Juli des vorangegangenen Jahres abstammten. Sie saßen nahe beieinander und waren noch nicht in das Holz eingedrungen. Die Gänge, die sie später bohren, verlaufen in der Regel mit der Längsachse des Baumes; sie verbindende Querzüge scheinen nur dadurch entstanden zu sein, daß eine neue Straße angelegt wurde, oder, wenn sie nach außen führen, zum Fortschaffen der Auswürfe zu dienen. Die Raupe wächst bei der holzigen Kost, die wenig Nahrungsstoff bietet, sehr langsam, und ehe sie daher ihre volle Größe von durchschnittlich 9 Zentimeter Länge und fast 2 Zentimeter Breite erlangt hat, vergehen mindestens zwei Jahre. Weil sie gesundes Holz ebenso wie mürbes angreift, so stattete sie Mutter Natur mit sehr kräftigen Freßzangen, bedeutender Muskulatur – die berühmte Anatomie der Weidenbohrerraupe von Peter Lyonnet weist 4041 Muskeln nach – und mit einem ätzenden Safte aus, den sie auch demjenigen in das Gesicht spritzt, der sich mehr mit ihr zu schaffen macht, als sie vertragen kann. Die rosenrote Farbe des Jugendkleides vertauscht sie in vorgerückterem Alter mit einer schmutzigen Fleischfarbe an den Seiten, am Bauch und in den Gelenkeinschnitten, während sich die Rückenfläche der Ringe braun, Nacken und Kopf schwarz färben. Zur Verpuppung begibt sie sich in die Nähe des Ausgangsloches und spinnt ein Gehäuse. Gelangt sie bei ihrer Unruhe vor der Verpuppung tief genug, daß sie die Erde erreicht, so fertigt sie von solcher ein Gespinst; lebt sie dagegen in einem schwachen Stamme, der für jenes zu eng sein würde, so enthebt sie sich gänzlich der Vorarbeit und nimmt mit dem nackten Gange als Totenkammer fürlieb, wenn sie es nicht vorzieht, herauszugehen und unter dem ersten besten Stein ein Obdach für die Puppenruhe zu suchen. Die braune, auf dem Kopfe schnabelartig zugespitzte Puppe mißt etwa 40 Millimeter, fast deren 13 in der größten Breitenausdehnung und wird durch die Borstenkränze an den scharfen Rändern der Ringe ungemein rauh. Je näher die Zeit ihrer Vollendung heranrückt, desto unruhiger wird sie, bohrt gegen das vorn nicht feste Gehäuse, durchbricht es und schiebt sich zur Hälfte aus demselben heraus, ja, sie verläßt es ganz, wenn es dem Flugloch etwas entfernter lag. Sie muß fühlen, daß mindestens ihr Kopf von der freien Luft angehaucht wird. Nach kurzer Ruhe stößt der nach weiterer Freiheit ringende Falter gegen den vorderen Teil, und die dünne Schale spaltet sich in der gewöhnlichen Weise. Die Beine kommen mit dem Kopf und den Fühlern zunächst zum Vorschein, jene fassen Fuß, und der schwerfällige Körper wird nachgezogen. Die gefalteten, dickrippigen Flügel wachsen in derselben kurzen Zeit wie bei andern Faltern, nur bedürfen sie länger der Einwirkung von Luft und Wärme, um durch Verdunstung der überflüssigen Feuchtigkeit die gehörige Härte und Festigkeit zu erlangen. Mit anbrechender Nacht erst scheint dem Erstandenen das Leben zu kommen, er umschwirrt seine Geburtsstätte, besonders das Gesellschaft suchende Männchen, und freut sich des geflügelten Daseins, das durch seine Kürze für das lange Höhlenleben nur einen spärlichen Ersatz bietet. Am Tage sitzt er mit dachförmig den Hinterleib verbergenden Flügeln in bockender Stellung, d. h. durch Naheaneinanderbringen der vorderen Beine wird der vordere Körperteil von der Unterlage, dem Baumstamm, abgerückt, von dessen Rinde er sich kaum unterscheiden läßt. Seine Vorderflügel und der in dieser Stellung nur sichtbare Mittelleib sind durch zahllose geschlängelte Linien und Flecke in allen Schattierungen von Braun, Grau und Schwarz wie sein marmoriert; Scheitel und Halskragen zeichnen sich durch gelbgraue Färbung aus. Die Hinterflügel sind braungrau und dunkeln vor dem Saume undeutlich. Der ebenfalls graue, weißlich geringelte Hinterleib endigt beim Weibchen mit einer vorstreckbaren Legröhre, damit es seine Eier tief zwischen die Rindenritze hineinschieben könne. Der Mangel der Nebenaugen, eine in die Mittelzelle eingeschobene Zelle, zwei freie Innenrandsrippen der Vorderflügel, drei der Hinteren, die auch Haftborsten haben, und zwei Sporenpaare an den Hinterschienen bilden die Hauptmerkmale der Gattung, die noch einige, aber seltenere Arten aufzuweisen hat, wie die Sippe noch verwandte Gattungen.
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Wenn die Glieder der eben besprochenen Familie aus der Übereinstimmung in Form und Lebensweise der früheren Stände, nicht aber aus der Gleichartigkeit der Schmetterlinge ihre verwandtschaftlichen Verhältnisse ableiten, so können dies die Mitglieder der Bärenfamilie ( Cheloniariae) weder in der einen noch in der andern Beziehung. Von den drei Sippen, die sie umfaßt, finden wir in den meisten Büchern die Blutströpfchen eigentlich nur wegen Übereinstimmung der Fühler mit den Schwärmern, die beiden übrigen mit den Spinnern vereinigt, denen sie entschieden sehr nahe stehen. Unter Berücksichtigung der ungemein zahlreichen ausländischen Arten zeigt sich jedoch ein so unmerklicher Übergang von der einen Sippe zu der andern, daß ihre Vereinigung zu einer Familie keinem Bedenken unterliegt; außerdem läßt ihre Trennung von den Spinnern eine schärfere und natürlichere Begrenzung dieser eben genannten Familie zu, und fast allen hierher gehörenden Schmetterlingen kommt überdies noch eine Eigentümlichkeit zu, die wieder in anderer Hinsicht auf eine nahe Verwandtschaft untereinander hindeutet. Wenn man sie nämlich zwischen die Finger nimmt, stellen sie sich durch Schlaffwerden der Fühler und Beine wie tot und lassen aus beiden einen gelben, dicklichen Saft in Form von Tröpfchen hervortreten; ebenso aus der Wunde des Mittelleibes, wenn derselbe mit einer Nadel durchbohrt wird. Sonst stimmen die Bären im weiteren Sinne noch überein in der Entwicklung der Rollzunge, in dem Vorhandensein von Nebenaugen bei den meisten, durch glatte anliegende Behaarung des Körpers, in der Ruhe dachförmig getragene Flügel, die meist lebhaft und grell gefärbt sind und mittels einer Haftborste der Hinterflügel zusammengehalten werden. Die sechzehnfüßigen Raupen sind nie nackt, öfters sogar sehr stark behaart. Die Puppen ruhen weder in der Erde noch in Pflanzenteilen, sondern in einem sehr verschiedenartigen Gespinste über jener.
Auf der Skabiose z. B. sehen wir von Mitte Juni bis in den August, wie auch an den verschiedenen Waldblumen, Schmetterlinge sitzen, die durch ihren dicken Hinterleib, die schönen roten Hinterflügel und roten Tupfen auf den stahlgrünen oder blauschwarzen Vorderflügeln auffallen. An unfreundlichen Tagen sitzen sie ruhig und träumerisch, bei Sonnenschein saugen sie eifrig, manchmal ihrer drei, vier an einem Blütenköpfchen und begeben sich in schwerfälligem Fluge von dannen, wenn sie hier nichts mehr finden, um dort ihr Heil weiter zu versuchen. Harmlos sitzen sie jederzeit, einzeln oder gepaart in entgegengesetzter Richtung, und lassen sich mit den Fingern erhaschen. Man kann selbst verschiedene Arten in Vereinigung antreffen, daher entstehen Mischformen, die die Schwierigkeit noch erhöhen, sehr nahestehende Arten mit Sicherheit zu unterscheiden, zumal einzelne an sich schon die Veränderung in der Färbung zu lieben scheinen. Man hat diese hübschen Falter wegen ihrer etwas geschwungenen Fühler Widderchen, wegen der roten Flecken auf den Vorderflügeln Blutströpfchen ( Zygaena)genannt und findet an allen als gemeinsame Merkmale eine stark entwickelte Rollzunge, zwei Nebenaugen, zwei Sporenpaare an den Hinterschienen, zwei Innenrandsrippen in den stumpf gespitzten Vorderflügeln, drei in den breiteren und spitzeren, roten Hinterflügeln, die überdies eine Haftborste haben, ungezähnte, verhältnismäßig lange, vor der Spitze stark angeschwollene Fühler, die nach dem Tode infolge ihrer dünnen Wurzel ungemein leicht abbrechen, Flaumhaare an den kopflangen Tastern und an der Unterseite der Schenkel. Das Steinbrech-Widderchen ( Zygaena filipendulae) hat sechs gleichgroße, karminrote Fleckchen auf den blaugrünen Vorderflügeln, das mittlere Paar genähert und wenig schräg; es kommen auch Stücke mit kaffeebraunen Zeichnungen und Hinterflügeln als Seltenheiten vor ( Z. chrysanthemi). Die Raupe findet man auf Wegerichblättern, die sie neben verschiedenen andern niederen Pflanzen, wie Löwenzahn, Mäuseöhrchen und andern, frißt. Sie ist wie die meisten dieser Raupen lichtgelb, reihenweise schwarz gefleckt, etwas weichhaarig und zieht ihr kleines Köpfchen gern in den ersten Körperring zurück. Ziemlich erwachsen überlebt sie den Winter. Nachdem sie sich im nächsten Frühling noch einige Wochen ernährt hat, kriecht sie an einem Stengel in die Höhe und fängt an, ein Gespinst zu fertigen, das nach seiner Vollendung starkem, gut geleimtem Papier ähnlich ist und sich dem Stengel anschmiegt. Oben bleibt es lockerer, und wenn der Schmetterling im Juni zum Leben erwacht, so nimmt er beim Auskriechen die Puppe halb mit heraus.
Das Weißfleck, der Ringelschwärmer (die Siebenbrüder, Syntomis Phegea), ein blauschwarzer, weißgefleckter, am Hinterleibe einmal gelb geringelter Schmetterling, ist in der Körpertracht einem Blutströpfchen sehr ähnlich und doch in einigen Punkten wesentlich verschieden. Zunächst fehlen die Punktaugen, sodann verdicken sich die schlanken Fühler nicht nach vorn. In jedem Flügel steht nur eine Innenrandsrippe und an den kleinen Tastern eine borstige Behaarung. Wo dieses hübsche Tier einmal vorkommt, ist es sehr gemein und zeigt dieselbe Lebensweise wie die Widderchen, nur daß es beim Saugen auf Blüten die Flügel ein wenig gehoben trägt. Die gleichfalls überwinternde Raupe ernährt sich von Baumflechten, ist bürstenartig mit graubraunen Haaren dicht bedeckt und verwebt, wenn sie reif ist, diese zu einem lockeren Gespinste für die braune, beiderseits stumpfe Puppe, die nur wenige Wochen ruht.
Wenn wir eine Reihe lichtgefärbter, schwarz punktierter Schmetterlinge und eine noch größere in sehr lebhaften Farben prahlender als Bären bezeichnet finden, so muß uns das wundernehmen, weil wir an ihnen schlechterdings keine Ähnlichkeit mit den plumpen, brummigen Bären wahrnehmen können. Kennen wir aber ihre Raupen, so finden wir die Bezeichnung eher gerechtfertigt, weil jene mit langen, meist dunklen Haaren dicht und zottig bewachsen sind wie ein Bär. Sie können alle flink laufen und ruhen lang ausgestreckt, haben aber je nach der Art ein sehr verschiedenes Aussehen. Man hat nach allerlei feinen Merkmalen die Falter in zahlreiche Gattungen verteilt. Einer der gemeinsten ist der Braune Bär ( Arctia caja). Seine Raupe begegnet uns häufig vom August an und nach der Überwinterung wieder bis zum Mai, denn sie frißt an allen möglichen Pflanzen, krautartigen ebenso wie an Sträuchern, »man kann sie mit Brot füttern«, äußerte gegen mich einmal ein Sammler, um damit anzudeuten, daß sie kein Kostverächter sei. Vor andern Bärenraupen ist sie kenntlich an den schwarzen, weiß bespitzten Haaren, die eben nur die Körperhaut durchschimmern lassen; bloß seitlich und auf den drei ersten Ringen verändert sich das schwarze Haarkleid in ein fuchsrotes. Der Schmetterling hält sich den Tag über versteckt. Er ist von lebhafter Färbung; die weißen Zeichnungen der Vorderflügel stehen auf samtartig rotbraunem Untergrunde, den sie mit Kopf und Mittelleibsrücken teilen, und der zinnoberrote Hinterleib und die ebenso gefärbten Hinterflügel sind schwarz, letztere blauschwarz gezeichnet. Die weißen Fühler werden bei dem Männchen durch kurze Kammzähne etwas dicker als beim Weibchen. In warmen Nächten des Juni und Juli fliegt der braune Bär umher, langsam und bedächtig, und nur während dieser Zeit erfolgt die Paarung, bei der Männchen und Weibchen unter einem betauten Blatte am frühen Morgen wohl noch ertappt werden. Die erwachsene Raupe verfertigt aus ihren langen Haaren ein loses Gespinst, in dem die schwarze, gedrungene Puppe an der Erde, unter dürrem Laube eine kurze Ruhe von wenigen Wochen hält. Nicht selten erscheint sie auch gar nicht in diesem Gespinste, sondern statt ihrer eine Anzahl von fünf bis sieben schwarzen Tonnenpüppchen, aus denen ihrer Zeit schwarzgraue Fliegen zum Vorscheine kommen, sogenannte Tachinen, die in zahlreichen Arten sich im Grase umhertreiben, um die verschiedensten Schmetterlingsraupen mit Eiern zu beschenken. – Einige Sippengenossen fliegen ausnahmsweise im Sonnenschein umher, wie z. B. der prächtige Purpurbär ( Arctia purpurea), oder die Jungfer ( Callimorpha dominula), wenige, wie beispielsweise die Spanische Fahne ( Callimorpha Hera), haben sich dies zur Regel gemacht und zeigen sich dabei sehr scheu und flüchtig, die meisten jedoch ruhen während dieser Zeit, indem sie den Hinterleib mit ihren Flügeln dachartig bedecken.
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Was von dickleibigen, breitflügligen, im männlichen Geschlecht stark kammfühlerigen Schmetterlingen noch übrig, zählt zu der Familie der Spinner ( Bombycidae), die an Reichtum der Arten den vorigen nicht nachstehen, an Übereinstimmung der Körpertracht sie übertreffen. Die Spinner, meist von mittlerer, aber auch von außergewöhnlicher Größe, sind der Mehrzahl nach von trüber, blasser und wolkiger Flügelfärbung, meist ohne Nebenaugen, sehr allgemein durch auffallende Unterschiede der beiden Geschlechter in Form und Größe ausgezeichnet. Die an sich borstigen Fühler bleiben so oder versehen sich nur mit Säge- oder kurzen Kammzähnen bei dem Weibchen, während die männlichen ungemein lange, nicht selten sehr buschige Kammzähne führen. Die breiten Flügel werden in der Regel dachartig getragen. Der dicht und wollig behaarte Körper, bei beiden Geschlechtern durch diese Behaarung plump, erscheint indes beim Männchen oft schlank gegen den bedeutend größeren, durch zahlreiche Eier geschwellten Hinterleib der Weibchen. Hiermit geht die größere Flugfertigkeit und Beweglichkeit jener im Vergleiche zu diesen Hand in Hand. Denn viele Männchen sausen bei Tag unstet und hastig in ausdauerndem Fluge zwischen Gras und Gebüsch umher, indem es sich um das Aufsuchen der Weibchen handelt, denen sie mit scharfem Witterungsvermögen nachspüren. Es geschieht dies bald, nachdem sie die Puppe verlassen haben, sobald sie, nicht hinter den Ohren, sondern an den Flügeln trocken geworden sind. Die Weibchen dagegen entfernen sich meist nicht weit von ihrer Geburtsstätte, manche können es sogar nicht, weil ihnen regelrecht entwickelte Flügel dazu fehlen. Wegen ihrer Schwerfälligkeit legen sie gewöhnlich die Eier auch in gedrängte Haufen beieinander, so daß die Raupen zahlreich zusammenhalten und, sofern sie sich von angepflanzten Bäumen ernähren, in den Obstgärten und in dem Walde den bedeutendsten Schaden anrichten können. Dieselben sind unter sich sehr verschiedenartig, stimmen aber alle darin überein, daß sie bei der Verpuppung ein Gespinst fertigen, das sie an einen Gegenstand ihrer Umgebung anheften; daher der Familienname.
Wie Ornithoptera und Morpho für die Tagfalter, Sphinx für die Schwärmer, so ist die alte Gattung Saturnia der Stolz der ganzen Familie, ja der ganzen Ordnung; denn unter den sogenannten Nachtpfauenaugen treffen wir nicht nur die Riesen aller Schmetterlinge, sondern auch kühn geschwungene Formen der ungeheuren Flügel, deren Mitte entweder ein Glasfenster oder ein prächtiger, großer Augenfleck auszeichnet. Sie sind hier zu groß, um dachartig getragen werden zu können; den vorderen fehlt eine Anhangszelle, den breiten hinteren, die unter allen Umständen den Hinterleib weit überragen, die Haftborste, sie haben nur eine deutliche Innenrandsrippe, und alle vier entsenden die fünfte Längsrippe aus der vorderen Ecke der Mittelzelle. Die doppelte Reihe der langen, nach beiden Enden hin abnehmenden Kammzähne an den kurzen männlichen Fühlern bringt einen blattähnlichen Umriß derselben zuwege. Die Nachtpfauenaugen kommen in allen Erdteilen vor, besonders zahlreich in Amerika. Um den größten aller Schmetterlinge nicht mit Stillschweigen zu übergehen, sei der Atlas ( Saturnia Atlas) aus China genannt. Seine ausgespannten Flügel haben eine Spannweite von etwa 24 Zentimetern, dabei mißt sein Körper nur 37 Millimeter. Wie schon einmal angemerkt, ist eine brasilianische Eule noch etwas größer. Sie mißt 27 Zentimeter. Hrsgbr
Bekanntlich ließen es die verschiedenen Krankheiten, die seit dem Anfange der fünfziger Jahre unter den »Seidenwürmern« bedeutende Verheerungen anrichteten und deren Züchtern schwere Verluste beibrachten, wünschenswert erscheinen, sich nach andern Spinnern umzuschauen, die möglicherweise durch das Gespinst ihrer Raupen eine Seide liefern könnten, die den Ausfall wenigstens einigermaßen deckte. Die in allen größeren Staaten Europas verbreiteten, so heilsam wirkenden Vereine für Einbürgerung ausländischer Tiere und Pflanzen (Akklimatisationsvereine) nahmen sich auch dieser Angelegenheit an und sorgten für Beschaffung verschiedener Spinner, denen man schon längst in Ostindien in dieser Beziehung Aufmerksamkeit geschenkt und durch künstliche Zucht Seide abgewonnen hatte. Seitdem sind Zuchtversuche von den verschiedensten Liebhabern angestellt worden, die gegen die Verpflichtung, die Ergebnisse derselben gewissenhaft zu berichten, von den einzelnen Vereinen mit Eiern dieser und jener Art versorgt worden sind. Diese Bestrebungen haben seit Erfindung der Kunstseide heute ihre wirtschaftliche Bedeutung nahezu verloren. Hrsgbr. Für Deutschland können selbstverständlich nur solche eine Zukunft erlangen, deren Raupen sich mit heimischen Pflanzen ernähren lassen. Wir könnten höchst beachtenswerte Erfahrungen mit den verschiedensten Arten verzeichnen, wenn der knapp zugemessene Raum uns nicht nötigte, uns nur auf die drei wichtigsten zu beschränken. Die ersten umfassendsten Versuche bezogen sich auf den in Assam Erya genannten Ailanthus-Spinner ( Saturnia Cynthia) der meines Wissens zuerst 1854 von der Pariser Gesellschaft verbreitet worden ist. Den Unterschied, den man in letzterer Zeit zwischen einer Cynthia und Arindia aufrechterhalten will, von denen jene Ailanthus glandulosa (Götterbaum), diese Ricinus communis fressen soll, kann ich nicht anerkennen. Ich habe durch den Berliner Akklimatisationsverein Eier der Saturnia Cynthia erhalten, die Raupen mit beiden Pflanzen gefüttert und gefunden, daß sie bei letzterer fast besser gedeihen; auch will mir der Unterschied nicht einleuchten, der im Ansehen zwischen beiden Schmetterlingen stattfinden soll. Der Ailanthus-Spinner also entwickelt sich sehr schnell und läßt im Jahre bequem drei Bruten zu, wenn man nur imstande ist, Futter zu besorgen, was freilich ein Treibhaus voraussetzt. Meist im Juni oder erst im Juli kriechen die Raupen der zweiten Brut aus; nehmen wir einen späteren Zeitpunkt, den 14. Juli, an, so erfolgt den 19. die erste, am 23. die zweite, den 8. August die dritte und am 14. die vierte Häutung. Diese Zeitpunkte sind ermittelt, sollen aber nur die ungefähren Zwischenräume angeben, da Unterschiede von einigen bis acht Tagen nach meinen Erfahrungen stets vorkommen. Die Raupen sind grünlichgelb gefärbt und haben außer den sechs Reihen fleischiger Zapfen schwarze Pünktchen, zwei auf jedem Ringe zwischen den drei oberen Zapfenlinien, drei um das schwarz besäumte Luftloch zwischen den äußersten Reihen und außerdem noch zwei übereinander auf jeder Fußwurzel. Nach der letzten Häutung bekommen sie einen weißen, häufiger noch einen außerordentlich zarten blauen Anflug. Die Raupen wurden mehr oder weniger erfolgreich auch mit Weberkarde gefüttert. Im Herbst 1864, als die frühen Nachtfröste die beiden erstgenannten Futterpflanzen zugrunde richteten, geriet ich in die größte Verlegenheit, indem ich viele hundert Raupen mühsam bis über die dritte Häutung, viele bis zur vierten gebracht hatte. Die letzteren ließen sich teilweise durch die Blätter des Essigbaums ( Rhus typhina), die mit denen des Götterbaumes einige Ähnlichkeit haben und weniger stark vom Froste gelitten hatten – täuschen; sie fraßen dieselben, und ich erhielt einige dreißig, allerdings dürftige Puppengehäuse. Dieselben wurden über Winter in einem kalten Zimmer aufbewahrt, und vom 12. Mai des nächsten Jahres an erschienen einige Schmetterlinge, die eben nicht zu den größten gehörten. Wird durch erniedrigte Temperatur das Ausschlüpfen nicht verzögert, so dauert die Puppenruhe nur wenige Tage über drei Wochen. Die Eier brauchen ungefähr vierzehn Tage, bis die Räupchen daraus hervorbrechen, wenn man sie nicht absichtlich durch möglichst niedrige Temperatur daran hindert. Über den schönen Spinner sei nur bemerkt, daß die Grundfarbe in einem lebhaften, samtartigen Rehbraun besteht, die Binden weiß, die Hinterränder der mondförmigen Glasfenster gelblich und die Augen vorn nach außen schwarz sind. Die weißen Haarschöpfchen des Hinterleibes nehmen sich sehr zierlich aus. Die beiden Futterpflanzen des eben besprochenen Seidenspinners, der Götterbaum und der Wunderbaum, gedeihen zwar im Sommer sehr wohl bei uns, sind aber eingeführt und grünen viel zu spät im Jahre, um sich im großen für mehrere Raupenbruten zu eignen. Dies sah man wohl auch bald ein und schaffte zwei andere Spinner herbei, deren Raupen sich mit Eichenlaub erziehen lassen.
Der chinesische Eichen-Seidenspinner ( Saturnia Perny) – wir ziehen den einmal eingebürgerten Gattungsnamen dem vergessen gewesenen Hübnerschen Antheraea vor – ist infolge eines Berichtes des Abbé Paul Perny an den Pariser Akklimatisationsverein mit obigem Namen belegt und durch des Genannten Vermittlung sowie durch chinesische Geschäftsverbindungen mit inländischen Seidenwarenhandlungen in Europa eingeführt worden. Der stattliche Schmetterling von Form des vorigen hat ledergelbe Flügel, durch die je eine fein weiße, nach innen schmal braun eingefaßte hintere und eine fast nur braune, mehr gebogene vordere Querbinde zieht. Ein schmal dunkel eingefaßter, unterbrochen weiß geringter, runder Fensterfleck sitzt auf dem Ende jeder Mittelzelle. Der Vorderrand der Vorderflügel ist außerdem in der reichlichen Wurzelhälfte weißlich gesäumt. Sobald die Schmetterlinge ausgebildet sind, paaren sich nach Spinnerart die Geschlechter sofort und bleiben ausnahmsweise sehr lange (40 bis 50 Stunden) vereinigt. Drei Tage nach der Paarung legen die Weibchen ihre großen, braunen Eier in Häufchen an die Wände ihres Aufenthaltsortes ab. Acht bis zehn Tage später schlüpfen die schwarzen Räupchen aus, die nach der zweiten Häutung eine gelblich grüne Färbung annehmen und nach den beiden noch übrigen Häutungen beibehalten. Die erwachsene Raupe zeichnet sich durch einen braunen, dunkelfleckigen Kopf von der sehr ähnlichen des nachher zu besprechenden japanesischen Eichenseidenspinners aus und kann daher zur Unterscheidung von ihr (der grünköpfigen) die »braunköpfige Eichenraupe« genannt werden. Über den kleinen, braunen Luftlöchern zieht vom vierten Gliede an eine gelbliche, oberhalb fein braun eingefaßte Seitenlinie den Körper entlang, erweitert sich am Ende etwas dreieckig und faßt mit schmal braungrünem Saume die beiden Afterklappen ein. Unter den Luftlöchern befindet sich eine Reihe blauer Knospenwärzchen, auf dem Rücken vom zweiten bis drittletzten Gliede eine Doppelreihe etwas nach vorn gerichteter Spitzhöcker, die gleichfalls in blauen Knöpfchen enden, an den vorderen Gliedern mehr durch die Körperstellung als in Wirklichkeit etwas kräftiger erscheinen und hier ein silberglänzendes Seitenfleckchen tragen; sie alle sind mit einzelnen, längeren oder kürzeren, etwas keulenförmigen Borstenhaaren besetzt sowie der ganze Körper mit zahlreichen Punktwärzchen von gelber Farbe. Die Raupe ist ungemein träge, sitzt sehr fest, und zwar in der Ruhe mit eingezogenem Kopfe und etwas zurückgelegten vorderen Körperringen, frißt bei Tage und bei Nacht mit Unterbrechung von kurzer Zeit, während der sie das Unverdaute in einem regelmäßigen, ringsum tiefgefurchten Pfropfen entleert, und verspeist nach jeder Häutung zuerst den abgestreiften Balg. Der Schmetterling hat in seinem Vaterland, wie bei uns, zwei Bruten im Jahre, doch schlüpfen nicht alle Puppen von der ersten aus, eine Erscheinung, die auch bei andern Spinnern beobachtet werden kann, die sich durch gewisse Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung vor allen Schmetterlingen auszeichnen.
Nach den Berichten Pernys aus der Provinz Kuy-Tscheu an die Pariser Gesellschaft werden die Gehäuse der zweiten Brut mit ihren Puppen in den Zimmern überwintert und durch Regelung der Temperatur das zu frühe wie das zu späte Auskriechen der Schmetterlinge sorgfältig überwacht. Im April erfolgt es. Die befruchteten Weibchen setzt man in Weidenkörbe, hier legen sie die Eier ab; den in acht bis zehn Tagen ausgeschlüpften Raupen legt man Eichenzweige hin; sobald sie an dieselben gekrochen sind, setzt man den Korb in den Eichenwald, der nur aus Buschholz besteht, dessen Boden man rein hält, um die herabgefallenen Seidenraupen leicht auflesen zu können. Zu diesem Zwecke und um die den Raupen sehr gern nachstellenden Vögel zu verscheuchen, wird bei jeder Pflanzung ein Wächter angestellt, der auch die Raupen von einem abgefressenen auf einen belaubten Busch zu setzen hat. In vierzig bis fünfundvierzig Tagen nach dem Ausschlüpfen der Raupen erfolgt gemeiniglich die Gehäuseernte. Die besten werden zur Weiterzucht ausgesucht, die andern auf Bambushürden durch untergelegtes Feuer geröstet, um die Puppe zu töten. Hierauf werden dieselben acht bis zehn Minuten lang in kochendem Wasser liegen gelassen. Sodann löst man in einem Napfe mit Wasser zwei Hände voll Buchweizenasche auf und fügt die Mischung dem Kochkessel bei. Die Buchweizenasche wird aber auf folgende Weise gewonnen. Nachdem die Körner geerntet sind, trocknen die Chinesen die Stengel an der Sonne und zünden die aufgehäuften an; die Asche hat nach Vermutung des Berichterstatters die Wirkung von Pottasche. Die Puppengehäuse werden nun mit einem Spatel so lange gerührt, bis man die Seidenfäden sich ablösen und um den Spatel wickeln sieht. Hierauf nimmt der Haspler fünf bis acht Fäden, je nach der Stärke des Garns, das er wünscht, führt sie in die erste Öffnung der Haspelmaschine und haspelt die Gehäuse ab.
Die zweite Zucht erfährt dieselbe Behandlung wie die erste. Ungefähr zwanzigjährige Seidengewinnung von diesem Spinner hat den Chinesen einen reichen Gewinn abgeworfen und allerlei Kunstgriffe gelehrt, die hier nicht weiter hergehören. Sie haben, wie sich von selbst versteht, warme Witterung als begünstigend, rauhe und nasse als das Wachstum verzögernde Einflüsse, auch Krankheiten der Raupen kennengelernt und schätzen die Seide darum sehr, weil sie fester und billiger als die des Maulbeerseidenspinners ist. Die in Europa in sehr verschiedenen Gegenden, im Zimmer und im Freien angestellten Zuchtversuche stimmen im wesentlichen mit den in China gemachten Erfahrungen überein, vielleicht mit dem Unterschiede, daß bisher bei uns die Eier nicht so gleichmäßig und gleichzeitig ausgeschlüpft sind wie dort, was zum Teil seinen Grund darin haben mag, daß viele solcher Eier erst längere oder kürzere Reisen zurücklegen mußten. Wenn ich in der Kürze meine Zuchtversuche aus dem Jahre 1874 hier anführe und dieselben mit denen eines hiesigen Freundes vergleiche, so gebe ich nicht nur in der Hauptsache wieder, was auch andere erzielt haben, sondern weise auch aus einige wichtige Umstände hin, die bei der Weiterzucht dieses Spinners der Beachtung wohl wert sind.
Von auswärts erhielt ich eine Anzahl Eier, die einer inländischen Zucht entnommen waren. Dieselben hatten entschieden länger als zehn Tage gelegen, als am 23. Mai die Räupchen ziemlich gleichmäßig auskrochen und ohne weitere Pflege als Darreichung reichlichen Futters freudig gediehen. Am 31. Mai beobachtete ich die erste, am 8. Juni die zweite, vom 13. bis 15. die dritte und Ende desselben Monats die vierte Häutung. In der Nacht vom 12. zum 13. Juli fingen die ersten Raupen an, sich zu verspinnen, was stets an einigen Blättern der Futterpflanze geschieht. Obgleich, wie bereits erwähnt, die Räupchen ziemlich gleichmäßig ausschlüpften, so stellte sich doch bald der Umstand ein, den jeder Raupenzüchter bei jeder Art beobachten kann, daß eine oder die andere im Wachstum zurückblieb, ohne deshalb zugrunde zu gehen; denn ich habe durch den Tod bei den verschiedenen Häutungen kaum ein Dutzend von mehr als hundert Raupen verloren. Dieselben waren anfangs in einem, als sie größer geworden waren, in zwei luftigen Kästen eingezwingert, erhielten in Wasser gesteckte Eichenzweige verschiedener Art, wurden jeden Morgen oder bei Erneuerung des Futters tüchtig mit Wasser bespritzt und standen in einer Schlafkammer, so daß den ganzen Tag über frische Luft durch ihre Behälter strich. Als sie größer geworden waren, und das Schroten sowie das fortwährende Herabfallen der Kotklumpen die Inhaber der Schlafkammer am Einschlafen hinderten, trug ich die beiden Kästen in die benachbarte Wohnstube. Einige unfreundliche Tage ließen offenbar Verzögerung der in den Häutungen sitzenden Raupen und verminderte Freßlust der gesunden wahrnehmen, und jene Tage werden die Bemerkungen in meinem Tagebuch: »dritte Häutung vom 13. bis 15., letzte Häutung Ende Juni«, veranlaßt haben, da ich die unfreundlichen Tage nicht aufgezeichnet, sondern nur noch in der Erinnerung habe. In der zweiten Augusthälfte schlüpften unter jenes Freundes Pflege die Schmetterlinge aus sämtlichen Puppen bis auf eine aus. Dieselben waren durchschnittlich kleiner als diejenigen, die er selbst erzogen hatte. Die Raupen seiner Zucht hatten ziemlich vierzehn Tage kürzer gelebt, die Puppen krochen früher aus; denn schon vor dem 12. August wurden ihm einige Schmetterlinge geboren. Diese günstigeren Ergebnisse konnten ihren Grund nur in folgenden drei Umständen haben: Die Raupen hatten größeren Spielraum im Zwinger, ein eigenes (nach Morgen gelegenes) Zimmer und waren noch nässer gehalten worden; denn sie erhielten täglich frisches, in Wasser getauchtes Futter und wurden außerdem noch bespritzt, sobald das Laub abgetrocknet war.
Gerade in dem Umstände, daß die braunköpfige Eichenraupe zweimal im Jahre vorhanden ist, sehe ich sie behufs des deutschen Seidenbaues im großen für die geeignetste Art an. Ihre Aufzucht muß jedoch im Zimmer erfolgen, wo bei ungünstigen Witterungsverhältnissen durch künstliche Wärme die Entwicklung so geregelt werden kann, daß der Züchter so leicht nicht um Futter für die zweite Brut in Verlegenheit kommen kann. Hat man im wärmeren Europa die Zucht des Maulbeerseidenspinners nicht in das Freie verlegen können, wie kann man sich einbilden, für unsere rauheren Gegenden Deutschlands die Einbürgerung dieses Fremdlings so weit ausdehnen zu dürfen? Daß zwei Bruten im Freien nicht erzielt werden können, sieht man wohl ein, darum ist der Vorschlag gemacht worden, den Seidenspinner an eine Brut zu gewöhnen, die in die beste Jahreszeit fällt und an Futter nie Mangel leiden wird. Vorausgesetzt, es ließe sich der Schmetterling so gewöhnen, was wir bezweifeln, so scheinen die darauf bezüglichen Versuche außerordentlich überflüssig, da uns in der grünköpfigen Eichenraupe bereits eine Art vorliegt, die ohne Zurichtung in der für uns passenden Jahreszeit lebt; die ungünstigen Witterungsverhältnisse, die Verfolgungen seitens insektenfressender Vögel lassen sich durch jene Kunstgriffe nicht abwenden und werden Opfer verlangen, die durch die einmalige Ernte an Seidengehäusen kaum aufgewogen werden. Nein, man züchte diese Art in ähnlicher Weise wie den Maulbeer-Seidenspinner und suche den Vorteil in der zweimaligen Ernte, das ist das Nächstliegende, das Natürlichste und darum das Vernünftigste!
Der japanesische Eichen-Seidenspinner ( Saturnia Yama mayu) ist dem chinesischen ungemein ähnlich, nur in der Grundfarbe veränderlich, indem diese vom reinen Gelb durch Ledergelb bis in Braun übergehen kann, außerdem sind die Glasfenster in den Augen weniger kreisförmig und verhältnismäßig kleiner. Auch die Raupe hat die größte Ähnlichkeit mit jener, aber ein saftigeres, durchsichtigeres Grün als Körperfarbe, einen grünen Kopf und dieselben Silberfleckchen an den Seiten der vorderen Rückenhöcker in veränderlicher Anzahl; dieselben werden durch einige Luftzellen erzeugt, die unter der durchsichtigen Körperhaut liegen. Im Betragen, namentlich aber in der Entwicklungsweise, finden zwischen dieser und der vorigen Art wesentlichere Unterschiede statt. Die jungen Raupen sind bis zu ihrer ersten Häutung sehr unruhig, ersaufen leicht in den Gefäßen, in denen man ihnen das Futter reicht, wenn sie in dieselben gelangen können, und beweisen hierdurch ihr Verlangen nach Wasser. Obiger Freund, der nach den verschiedenen von mir gelesenen Berichten so ziemlich die günstigsten Ergebnisse erzielt und die Raupen in der ersten Jugend mit Weißdorn (auch Wollweide) gefüttert hat, teilte mir in zwei verschiedenen Jahren Raupen mit, die die zweite Häutung hinter sich hatten; ich behandelte sie genau so wie die braunköpfigen Eichenraupen, wies ihnen denselben Wohnort an, konnte aber keine zur Verpuppung bringen, obschon sie durch ihre geringe Anzahl im Zwinger einander in keiner Weise zu nahe kamen. Sie sind nach den verschiedenen Erfahrungen empfindlicher als die vorigen und weniger zu lohnender Seidengewinnung geeignet, da sie nur eine Brut im Jahre absetzen. Bei dieser Art überwintern die Eier, die sehr sorgfältig überwacht werden müssen, damit sie die Raupen nicht früher liefern, als Futter für dieselben vorhanden ist. Werden letztere in ihrer Entwicklung durch ungünstige Witterungsverhältnisse nicht aufgehalten, so häuten sie sich nach je acht bis zehn Tagen viermal, spinnen sich durchschnittlich am zweiundfünfzigsten Tage ein und liefern vierzig Tage später den Falter, der weit kürzere Zeit in der Paarung verharrt als der vorige.
Auch diese Art ist von verschiedenen Seiten aus ihrer Heimat nach Europa und Deutschland gelangt, aber früher als die vorige. Es liegen mir Berichte aus dem Jahre 1866 vor, nach denen durch Mach aus Slatenegg in Unterkrain Zuchtversuche im Freien mit dem besten Erfolge angestellt worden sind und mit solcher Zuversicht auf ferneres gewinnreiches Gelingen, daß nur der bisherige Mangel an Züchtern beklagt wird. Wir haben unsere Ansicht über diesen Gegenstand bereits ausgesprochen und fügen hier nur noch hinzu, daß es für alle diejenigen, die sich der Seidenzucht im großen zuwenden wollen, entschieden geraten ist, hierzu verschiedene Spinnerarten gleichzeitig zu verwenden, damit ein jeder für seine Verhältnisse diejenige Art auswählen kann, die er als die zweckmäßigste befunden hat; wir unseresteils würden uns für den chinesischen Seidenspinner entscheiden, falls nicht einige in allerneuester Zeit aus Nordamerika herbeigeschaffte Pappel- und Weiden-Nachtpfauenaugen ihm den Vorrang ablaufen sollten, was wir indessen schon darum nicht glauben, weil die beiden genannten Baumarten für die Stubenzucht schlechtere Futterpflanzen als die Eiche sind; Zimmerzucht aber halten wir unter allen Umständen für unsere Witterungsverhältnisse als die einzig zuverlässige Behandlungsweise fest!
Drei Nachtpfauenaugen ohne Glasfenster in den Augen der schön braunen Flügel und ohne zu der Gewinnung von Seide verwendbare Raupengespinste sind in Deutschland heimisch: das große Wiener Nachtpfauenauge ( Saturnia pyri), das mittlere ( Saturnia spini) und das gemeinste von ihnen, das kleine ( Saturnia carpini). Ihre grünen Raupen tragen weniger auffallend gestielte Warzen, jedoch den Charakter der ausländischen, und ernähren sich in der genannten Reihenfolge von den Blättern des Birn- und Pflaumenbaumes, des Schwarzdorns wie der verschiedensten Sträucher (Rosen, Buchen, Eichen usw.).
Der Seidenspinner, Maulbeerspinner ( Bombyx mori), steht heutzutage im System einzig da, indem der Gattungsname Bombyx, den Linné der ganzen Familie verlieh, ihm allein noch geblieben ist. Wie die schönsten Sänger unter den Vögeln das schlichteste Kleid tragen, so der nützlichste unter allen Schmetterlingen. Er hat 40 bis 45,5 Millimeter Flugweite, ist mehlweiß, an der Doppelreihe der bei beiden Geschlechtern langen Fühlerzähne schwarz. Von den kurzen Flügeln erhalten die vorderen durch tiefen Bogenausschnitt des Saumes eine sichelförmige Spitze; eine gelbbräunliche Querbinde über beide ist ebensooft sichtbar wie ausgewischt. Der äußeren Erscheinung, aber auch dem Drange nach, sofort sich zu paaren, wenn er die Puppe verlassen hat, ist der Schmetterling ein echter Spinner, die nackte Raupe, gemeinhin »Seidenwurm« genannt, die vollendetste aller Spinnerinnen, ihrer äußeren Tracht nach dagegen schwärmerartig, denn sie führt hinten ein kurzes Horn, auch verdickt sie ihren Hals fast in der Weise wie die Raupe des mittleren Weinschwärmers ( Sphinx Elpenor). Sie ist grauweiß, auf dem Rücken mit braunen Gabel- und rotgelben Augenflecken an den Seiten der vorderen Ringe veränderlich gezeichnet. Ihre einzige Nahrung bilden die Blätter des Maulbeerbaumes. Die eiförmigen, geleimten, auswendig von losen Seidenfäden umgebenen Gehäuse sind entweder weiß oder gelb, die beiden Farben, in denen bekanntlich die rohe Seide vorkommt. Zwillingsgespinste gehören keineswegs zu den Seltenheiten, kommen auch in Form der einfachen vor und liefern doch zwei Schmetterlinge.
Aller Wahrscheinlichkeit nach stammt der Schmetterling aus China, Nach Perty berichten die Annalen des Chinesischen Reiches aus dem Jahre 2600 v. Chr., daß die Kaiserin Si-Ling-Chi die Bedeutung des Seidenspinners erkannt und seine Kultur organisiert habe. Hrsgbr dem Vaterlande seiner Futterpflanze, und verbreitete sich mit ihr von Norden nach Süden in der nächsten Umgebung, bis unter der Regierung des Kaisers Justinianus zwei persische Mönche Maulbeerpflanzen und Eier (Graines), die sie entwendet und in ihren ausgehöhlten Wanderstäben verborgen hatten, nach Konstantinopel einschmuggelten. Hier wenigstens ward in Europa zuerst seit 620 n. Chr. der Seidenbau betrieben, blieb aber bis in das 12. Jahrhundert Einzelrecht des griechischen Kaiserreichs, wo die Insel Kos die bedeutendste Rolle in dieser Beziehung spielte. Von Griechenland aus ward der Seidenbau durch Araber nach Spanien verpflanzt. In der Mitte des 12. Jahrhunderts kam er durch den Krieg, den Roger II. mit dem Byzantiner Emanuel führte, nach Sizilien und breitete sich allmählich über Florenz, Bologna, Venedig, Mailand und das übrige Italien aus, unter Heinrich IV. nach Frankreich und von da weiter nach Norden. In Deutschland bildete sich 1670, und zwar in Bayern, die erste Seidenbaugesellschaft. Friedrich der Große nahm sich dieses Erwerbszweiges in seinen Ländern auf das wärmste an, und so fand in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts der Seidenbau überall in Deutschland Eingang. Die Freiheitskriege gaben der neuen Errungenschaft einen gewaltigen Stoß, denn die Zeiten waren nicht dazu angetan, Seidenraupen zu pflegen und Maulbeerblätter zu pflücken. Die Bäume wurden älter, mehrten sich nicht, und man achtete ihrer kaum, höchstens die Dorfjugend um der süßen Früchte willen. In neueren Zeiten ward der Gegenstand wieder angeregt, von den Regierungen, in Preußen wenigstens, begünstigt. Man setzte Belohnungen auf eine gewisse Menge erzielter Gespinste aus, pflanzte statt der bisher benutzten Bäume Maulbeer hecken, die weit schneller und bequemer das nötige Futter liefern, und schien so auf dem besten Wege zu sein, dem Nebenerwerbszweige einen neuen Aufschwung verleihen zu wollen – da mehrten sich die Berichte aus den seidenzüchtenden Ländern im Süden Europas über die Krankheitserscheinungen Die schlimmste Erkrankung ist die sogenannte Fleckenkrankheit, die durch einen winzigen tierischen Parasiten ( Nosema bombycis) verursacht wird. In den Seidenzuchtgebieten beraten heute eigene Forschungsinstitute die Seidenspinnerkultur. Hrsgbr der »Seidenwürmer« und mochten die Anfänger in Deutschland kopfscheu machen; es begannen die Zuchtversuche mit andern Spinnern und lenkten von dem edelsten aller ab; kurz, Deutschland erzeugt, soviel mir bekannt, bis auf den heutigen Tag im Verhältnis zu dem Seidenbedarf so gut wie keine Seide!
Bei der Zucht dieser Seidenraupen ist gleichmäßige Wärme (bis etwa 18° R.) wesentlicher als bei den vorigen, und trockenes Futter die Grundbedingung eines fröhlichen Gedeihens. Sie erscheinen gleichfalls nur einmal im Jahre. Die erwachsene Raupe klebt ihren Spinnstoff, der den zwei dicht beisammenliegenden mikroskopischen Öffnungen der Unterlippe entquillt, an einen Zweig der Futterpflanze oder an die ihr dargebotene Hürde, zieht denselben als einzelne lose Fäden, die hier und da weiter befestigt werden, um ihren Körper, damit sie zunächst eine Hängematte gewinne. Dieselbe wird dichter und dichter, umschließt den Raupenkörper immer enger und verbirgt ihn schließlich vollständig dem Blicke des Beobachters. Einige Zeit danach hört man die webende Tätigkeit im Innern, bis zuletzt vollkommene Ruhe eintritt, nachdem die letzte Larvenhaut abgestreift ist. Die kräftigsten Gespinste, gleich viele von jedem Geschlecht, werden zur Weiterzucht ausgewählt. Die männlichen Puppen sind nämlich walziger, in der Mitte mehr oder weniger eingeschnürt, die weiblichen eiförmig. Die Gespinste, die Seide liefern sollen, müssen der Backofenwärme oder heißen Wasserdämpfen ausgesetzt werden, damit die Puppen sterben und der ausschlüpfende Schmetterling beim Durchbohren des Gespinstes den einen bis sechshundert Meter langen Faden nicht zerstöre und unbrauchbar mache. Diesen von außen nach innen, dem hohlen Knaule, als welcher sich das Gespinst darstellt, abzuwickeln, ist die nächste Aufgabe. Zu diesem Zweck werden die Gehäuse in fast kochendem Wasser mit Reisbesen bearbeitet, bis sich der die Fäden zusammenhaltende Leim löst und die Anfänge jener zeigen. Die in solcher Weise vorbereiteten Gespinste kommen nun in ein anderes, aber nur mit warmem Wasser gefülltes Becken, das mit einer Haspel in Verbindung steht, deren Einrichtung verschiedener Art sein kann. Da der Faden des einzelnen Gespinstes zu fein sein würde, so haspelt man deren, je nach den Bedürfnissen, drei bis acht und noch mehr gleichzeitig ab, die auf dem »Fadenleiter«, durch gläserne Ringe gehend, infolge des ihnen noch innewohnenden Leimes alle zu einem Faden sich vereinigen. Bei dieser in der Regel von Mädchen ausgeführten Arbeit ist auf Gleichmäßigkeit des Fadens zu achten, der, je weiter nach innen, an jedem Gespinst feiner wird und daher nach dem Ende hin der Zuziehung neuer Fäden bedarf. Die nächste Umhüllung der Puppe läßt sich nicht abwickeln, sondern bleibt als pergamentartiges Häutchen zurück. Zehn bis sechzehn Kilogramm frische (»grüne«) Gespinste oder sieben bis neun gebackene geben nach dem Abhaspeln ein Kilogramm Rohseide, deren weitere Behandlung Gewerken anheimfällt, die uns hier nicht interessieren.
Der Kiefernspinner ( Gastropacha pini) gehört überall, wo Kiefern wachsen, nicht zu den Seltenheiten, seine schöne Raupe zu den vom Forstmann gefürchtetsten. Sie findet sich halb erwachsen oder noch kleiner im Winterlager unter Moos, und zwar im Bereich des Schirmes sechzig- bis achtzigjähriger Bestände. In einer Höhlung uhrfederartig zusammengerollt, liegt sie hier feucht, wird auch steif, wenn der Frost die Erde durchdringt. Weicht der Frost, so bekommt sie wieder Geschmeidigkeit und bäumt je nach der Witterung früher oder später, bestimmt dann, wenn im Revier der Wärmemesser auf 8° R. steht, wieder auf. Ist sie gegen Ende April oben in den Nadeln angelangt, so kommt sie meist nicht wieder herunter, es sei denn kurz vor der Verwandlung. In Braun und Weißgrau bestehen ihre beiden Hauptfarben, die in verschiedenen Schattierungen und Anordnungen miteinander wechseln und stellenweise filzige Behaarung mit dem herrlichsten Perlmutterglanz tragen. Die Einschnitte des zweiten und dritten Ringes bilden sogenannte Spiegel, je einen stahlblauen Samtfleck. Zur Verpuppung spinnt sie ein geschlossenes Gehäuse, nicht immer zwischen den abgefressenen Nadeln, sondern auch unten am Stamme zwischen Rindenschuppen. Häufig kommt sie aber auch gar nicht dazu, denn Hunderte von Schlupfwespenlärvchen schmarotzten in ihrem Leibe und kamen zuletzt daraus hervor, um sich aus der allein von ihr noch übrigen Haut in schneeweiße Püppchen zu verwandeln. Namentlich die kranken Raupen scheinen in ihrer Angst von den Bäumen herabzusteigen, denn ich habe in Revieren, wo sie nur einzeln vorkamen, dergleichen gespickte Bälge in auffälligen Mengen bis in Mannshöhe und tiefer an den Stämmen kleben sehen. Die gesunde Puppe im Gespinst braucht etwa drei Wochen zu ihrer Entwicklung, so daß um die Mitte des Juli der Schmetterling fliegt. Er zeigt sich in der Färbung ebenso veränderlich wie die Raupe; Grau und Braun in verschiedenen Mischungen kommen auch ihm zu. Ein weißes Mondfleckchen auf dem Vorderflügel und eine unregelmäßige schmälere oder breitere rotbraune Querbinde dahinter machen ihn leicht kenntlich. Das größere Weibchen ist sehr träger Natur; aber auch das Männchen fliegt nicht leicht bei Tage. Daß die Schmetterlinge bisweilen weitere Züge unternehmen, lehrte mich vorzeiten der sonderbare Umstand, daß ich eine Gesellschaft von ungefähr acht Stück beiderlei Geschlechts an einer Glocke auf dem Kirchturm sitzend antraf, in einer Gegend, in der stundenweit keine Kiefern wuchsen. Auch Ratzeburg gedenkt einzelner Fälle, die auf solche Wanderungen hinweisen. Das befruchtete Weibchen legt alsbald nach der Paarung, die meist am Abend seines Geburtstages erfolgt, hundert bis zweihundert Eier an den Stamm, an die Nadeln oder auch an einen Zweig in größeren oder kleineren Partien beieinander. Dieselben sind lauchgrün, kurz vor dem Ausschlüpfen im August grau. Daß auch sie unter den Schmarotzern ihre Liebhaber finden, haben wir bereits früher erfahren und in einem Teleas den einen davon kennengelernt, der bis zu zwölf Stück aus einem Ei erzogen worden ist. Das junge Räupchen begibt sich sofort auf die Nadeln, beschabt dieselben zuerst, kann sie aber bald mit Stumpf und Stiel verdauen. Man hat nach sorgfältig angestellten Beobachtungen ausgerechnet, daß eine regelrecht sich entwickelnde Raupe durchschnittlich tausend Nadeln braucht, um die Verpuppungsreife zu erlangen, und daß eine halbwüchsige in fünf Minuten mit einer fertig wird, wenn sie sich nicht unterbricht. Daraus geht hervor, daß Massen von ihnen etwas leisten können. Nachrichten über Schäden durch den Fraß dieser Raupe hat man seit dem Jahre 1776. Nur eine einzige Mitteilung aus jüngster Zeit, die mir von einem Forstbeamten zugegangen ist, mag den Beweis liefern, in welchen ungeheuren Massen dieser Spinner austreten kann. In dem Revier Möllbitz bei Wurzen wurden im Jahre 1869 ein Zentner neunundvierzig Pfund Eier, vierundsechzig Dresdener Scheffel weibliche Schmetterlinge und hundertvierundzwanzig Scheffel Raupen gesammelt, ohne den Feind bewältigen zu können. Obschon seit jenen älteren Zeiten die Forstverwaltung ein aufmerksames Auge auf denselben hat und besonders neuerdings durch Teerringe die im Frühjahr aufbäumenden Raupen in ungezählten Mengen abfängt und vernichtet, so würde doch wenig damit gedient sein, wenn nicht die Natur selbst in den mancherlei Schlupfwespen seinen allzu großen Vermehrungen Schranken setzte, einen Pilz ( Botrytis Bassiana) im Körperinnern wuchern ließe, der ihnen den sicheren Tod bringt; ja selbst Frösche hat man auf den Bäumen angetroffen, auf denen die Raupen in verheerenden Mengen saßen.
Wer hätte nicht schon an den Stämmen der Obstbäume Ende Mai, Anfang Juni die hellblaue, braun- und gelbstreifige Raupe, über deren Rücken außerdem noch ein weißlicher Mittelstreifen läuft und deren blauer Kopf zwei schwarze Flecke trägt, in gedrängten Scharen beieinander sitzen und lustig mit dem Vorderteil ihres Körpers hin und her schlagen sehen, wenn ihr die Sonne recht warm auf den Leib scheint? Dieselbe, auch Livreeraupe genannt, wegen der bunten Streifen und Besätze, entschlüpft im Frühling dem fast steinharten Ringe von Eiern, der sich um einen Zweig windet und wegen gleicher Färbung mit diesem schwer zu erkennen ist. Bis zur dritten Häutung ungefähr lebt die Raupe mit den Geschwistern vereint, und silberglänzende Fäden verraten die Straße, die sie zu wandern pflegen, wenn es zu Tische und von da nach dem gemeinsamen Ruheplätzchen geht. Insofern die gesellige Vereinigung zusammengehöriger Brut ein Nest genannt werden kann, lebt auch diese Raupe nesterweise; da sie aber kein Nest spinnt, so ist der Begriff des Raupennestes hier ein anderer, als wir ihn beim Baumweißling bereits kennenlernten und weiterhin noch finden werden. Erst dann, wenn sie erwachsener ist und mehr Futter bedarf, scheint jeder die allzu große Nähe der Schwestern eine Beeinträchtigung der eigenen Bedürfnisse in sich zu schließen, und man zerstreut sich daher mehr und mehr. Erwachsen spinnt sie, am liebsten zwischen Blättern, ein gelbliches, in der Regel mehlig bestäubtes, geschlossenes Gehäuse, in dem die stumpfe, gleichfalls stark bepuderte Puppe einige Wochen ruht; denn im Juli und August erscheint der Ringelspinner ( Gastropacha neustria), wie man den Schmetterling wegen der Art des Eierlegens genannt hat. Am Tage sitzt er versteckt und träge, erst mit einbrechender Dunkelheit beginnt der Hochzeitsreigen. Eine licht ockergelbe Grundfarbe ist das gewöhnliche Kleid, und die helleren, fast geraden und unter sich ziemlich gleichlaufenden Querlinien unterscheiden diese Art von einer sehr ähnlichen, der Gastropacha castrensis, deren noch buntere, schön goldigbraune Raupe gesellig an Wolfsmilch lebt. – Die beiden näher besprochenen und noch zahlreiche andere Spinner Europas und Amerikas hat man zur Sippe der Glucken vereinigt, so genannt, weil viele von ihnen in der Ruhe einen Streifen der Hinterflügel über den Vorderrand der vorderen heraustreten lassen, so daß sich die Flügel etwas ausbreiten, wie die einer Gluckhenne, die ihre Küchlein darunter verbirgt. Bei dem etwas abweichenden Aderverlauf, den die Flügel mancher zeigen, stimmen sie doch in folgenden Merkmalen überein: die kräftigen, verhältnismäßig kurzen Vorderflügel haben zwölf Rippen, keine Anhangszelle und eine nicht gegabelte Innenrandsrippe, die kurz gefransten breiten Hinterflügel keine Haftborste, zwei Innenrandsrippen, deren hintere in den Afterwinkel mündet. Bei beiden Geschlechtern sind die Fühler, die zwischen viertel und halber Vorderflügellänge schwanken, zweireihig gekämmt, die Zähne des Männchens lange Kammzähne, die des Weibchens meist sehr kurze Sägezähne. Punktaugen fehlen, ebenso an den hintersten Schienen der kurzen, starken Beine ein oberes Sporenpaar.
Eine in mehr als einer Hinsicht höchst interessante Sippe bilden die Sackträger ( Psychina), darum so genannt, weil die Raupen in einem Futteral stecken, das sie sich aus den verschiedensten Pflanzenteilen und in der mannigfachsten Anordnung derselben anfertigen, jede jedoch so eigenartig, daß man den Sack kennen muß, um mit Sicherheit den Schmetterling von einem andern, ungemein ähnlichen unterscheiden zu können. Eine zweite Eigentümlichkeit besteht in der Flügellosigkeit der Weibchen, von denen viele den Sack, in dem sich die Raupe stets verpuppt, nicht verlassen und viel eher einer Made als einem vollkommenen Kerf ähnlich sehen, am allerwenigsten einem Schmetterling. Andere haben Beine und Fühler und setzen sich wenigstens auf die Außenseite ihrer Wiege. Die in der Regel zottig behaarten, düster gefärbten und zeichnungslosen Männchen erweisen sich als muntere Gesellen, die aus weiter Ferne das andere Geschlecht wittern, in hastigem Fluge herbeikommen und womöglich in die Schachtel eindringen, in die der Sammler ein ihrer Art zugehöriges Weibchen einsperrte. Die Fühler sind buschig gekämmt, und zwar in der gewöhnlichen Weise doppelt, Taster und Zunge fehlen oder verkümmern mindestens sehr stark. Die Vorderflügel haben eine meist nach dem Saum zu gegabelte Innenrandsrippe, die Hinterflügel deren drei und eine Haftborste. Im übrigen unterliegt der Rippenverlauf je nach der Art verschiedenen Abänderungen. Sie fliegen bei Tage und in der Dämmerung und legen ruhend die Flügel dachförmig auf den Hinterleib. Zu den zwei erwähnten kommt noch eine dritte Eigenheit, die zwar nicht zur Regel wird, aber doch einzelne Arten betrifft. Man hat nämlich jungfräuliche Geburten ( Parthenogenesis) bei einigen beobachtet, Fortpflanzung ohne vorangegangene Befruchtung; ja bei einer, der Psyche helix, die aus Sandkörnchen einen Sack verfertigt, der einem Schneckenhause der Gattung Helix nicht unähnlich, kannte man das Männchen noch gar nicht, bis Claus (1866) aus Tiroler Raupen, die sich mit Teucrium Chamaedrys und Alyssum montanum füttern ließen, dieselben erzog, nachdem er solche bereits in der Raupe erkannt hatte. Die Säcke beider unterscheiden sich außer durch geringere Größe des männlichen auch noch dadurch, daß bei letzterem die obere seitliche Öffnung nicht viel über eine einzige Windung von der unteren Eingangsmündung entfernt liegt, während diese Entfernung beim weiblichen Sack fast deren zwei beträgt. – Mitte Juni waren sämtliche Räupchen verpuppt, und am 1. Juli erschien das erste, am 10. das zweite Männchen. Durch die großen, dunkelschokoladenbraunen Vorderflügel, die dichte Behaarung des 3 Millimeter langen Körpers und durch die große Hinfälligkeit zeichneten sie sich aus, denn sie starben schon am ersten Tage ab. Beobachtungen von jungfräulicher Fortpflanzung wurden außerdem an Psyche unicolor, P. viciella und P. apiformis, an der Talaeporia nitidella, Solonobia lichinella, triquetrella sowie vereinzelt und ausnahmsweise an einigen größeren Spinnern angestellt.
Die Psychenraupen bedürfen bei ihrer Lebensweise zwar der sechs hornigen Brustfüße, die sie mit den dazugehörigen Körperteilen herausstecken, um, ihr kleines Haus mit sich schleppend, an Baumstämmen, Grasstengeln, Holzplanken usw. umherzukriechen und sich Futter zu suchen, die übrigen Füße sind überflüssig und daher zu Wärzchen verkümmert oder spurlos verschwunden. Um sich zu verpuppen, verlassen die meisten Psychinen ihre Futterpflanze und spinnen die vordere Mündung ihres Sackes an einen Baumstamm, einen Bretterzaun, einen Stein und dergleichen fest. Sodann kehrt sich die Raupe um, mit dem Kopfende gegen die hinten freie Mündung. Die beiderseits stumpf gerundete Puppe des Weibchens zeigt wenig Bewegung und bleibt, auch wenn der Schmetterling auskriecht, am Grunde des Gehäuses liegen, während die gestreckte, mit Borstenkränzen ausgerüstete männliche sich vor dem Ausschlüpfen bis zur Hälfte aus dem hinteren Ende hervorarbeitet.
Der gemeine Sackträger, Mohrenkopf ( Psyche unicolor oder graminella), mag als die verbreitetste Art ein Bild von diesen interessanten Faltern geben. Er zeichnet sich zunächst dadurch aus, daß die Raupen der verschiedenen Geschlechter verschiedene Säcke fertigen. Der große Sack des Männchens trägt im vorderen Teil allerhand umfangreiche Pflanzenabfälle, der des Weibchens hat eine weit gleichmäßigere Oberfläche und wird nie so lang wie jener. Da die Raupe überwintert, findet man die Säcke vom Spätherbst ab an geschützten Orten, besonders auch an Baumstämmen festgesponnen. Mit dem Erwachen alles Lebens im nächsten Frühling beißt die Raupe die jenen festhaltenden Seidenfäden durch, sucht Gras auf, um sich weiter zu ernähren, bis etwa Mai oder Anfang Juni, zu welcher Zeit die Verpuppung in der vorher angegebenen Weise erfolgt. Die Raupe ist gelblich, grauschwarz punktiert, die Puppe gelbbraun. Nach spätestens vier Wochen erscheint der Schmetterling. Das schwarzbraune Männchen hat weiße Fransenspitzchen und einzelne weiße Zottenhaare am Bauch, an den Hinterschienen nur Endsporen. Die traurige Gestalt des madenförmigen Weibchens, nachdem es die Puppe verlassen, kommt gar nicht zum Vorschein, hält sich aber am hinteren offenen Ende des Sackes auf und wartet in Demut, bis – – einer kommt, um zu freien. Der Hinterleib des Männchens besitzt eine ungemeine Streckbarkeit und kann behufs der Paarung tief in den weiblichen Sack hineingesteckt werden, wo ihm das zapfenartige Ende des weiblichen Hinterleibes entgegenkommt. Diesem fehlt nämlich eine Legröhre ebenso wie entwickelte Augen, gegliederte Fühler und ordentliche Beine. Es wurde oben bemerkt, daß bei dieser Art jungfräuliche Fortpflanzung beobachtet worden sei. Ich will dies nicht leugnen, aber doch auf zwei Umstände aufmerksam machen, die dazu angetan sind, eine Täuschung zu veranlassen und zu allergrößter Vorsicht bei derartigen Beobachtungen aufzufordern. Das regelmäßige Vorkommen von Parthenogenese bei Psychiden ist indessen auch durch neuere Untersuchungen sichergestellt. Hrsgbr Nach erfolgter Begattung schiebt sich das Weibchen in die verlassene Puppenhülse zurück, um seine Eier in dieselbe abzusetzen. Wie leicht kann es nun geschehen, daß man es einsammelt und bei näherer Untersuchung für eine Puppe hält; kommen später junge Psychenraupen zum Vorschein, so liegt die Behauptung nahe, daß hier Parthenogenesis stattgefunden habe. Aber nicht bloß die Puppenhülse wird voll Eier gepfropft, sondern der ganze Sack, der sich dann dem Auge und Gefühl prall darstellt, als wenn er bewohnt wäre, und besonders glaubt man die Puppe darin zu fühlen, und hierin liegt eine weitere Möglichkeit der Täuschung. Die Geschlechtsorgane des Weibchens sind vollkommen entwickelt und weisen entschieden darauf hin, daß, wenn ohne vorhergegangene Befruchtung Eier gelegt wurden, die sich entwickelten, ein einzelner Ausnahmefall vorlag. Sobald die Räupchen die Eischalen verlassen haben, spinnt sich jedes sein Häuschen, das anfangs, wie wir auch an der Spitze des männlichen sehen, ohne Bekleidung ist und nur aus den Seidenfäden des Spinnstoffes besteht; erst mit der durch das Wachstum der Raupe bedingten Vergrößerung werden fremde Gegenstände eingewebt. Ich habe übrigens allen Grund anzunehmen, daß bei gewissen Arten das Futteral nicht durch Ansatz vergrößert, sondern aufgezehrt und durch ein größeres, neues ersetzt wird. Lange Zeit dient der jungen Raupe die Geburtsstätte als Schutz und zur Ernährung, nach und nach trennt man sich, und jede geht ihren eigenen Weg. – Wieder anders gestalten sich die Verhältnisse im einzelnen bei der Gattung Fumea und einer dritten Epichnopteryx, deren Arten im weiblichen Geschlecht etwas mehr entwickelt sind als die der Gattung Psyche.
Die Sippe der Lipariden zeichnet sich aus durch breite, kurzfransige Hinterflügel ohne Haftborste, aber mit zwei Innenrands- und außerdem noch sechs oder sieben Rippen, von denen Rippe 4 und 5 dicht beisammen entspringen, 8 aus der Wurzel kommt und bald nachher die obere Mittelrippe nur berührt oder mit ihr verbunden bleibt. Nebenaugen fehlen. Mehrere Arten dieser Sippe haben durch den Fratz ihrer Raupen mehr Aufmerksamkeit auf sich gelenkt, als es die Einfachheit ihres Kleides vermocht haben würde.
Der Rotschwanz, Buchenspinner, Kopfhänger ( Dasychira pudibunda) – wollten wir seine wissenschaftlichen Namen in das Deutsche übertragen, müßten wir ihn den »verschämten Wollfuß« nennen – ist ein heller und dunkler, graubraun und weiß gezeichneter Spinner, dessen Weibchen noch matter und verwischter erscheint als das Männchen. Er fliegt anfangs Juni und macht sich in keinerlei Weise bemerklich. Seine Raupe aber fällt nicht nur durch ihre Schönheit auf, sondern richtet sogar manchmal an jungen Buchenbeständen erheblichen Schaden an. Auf Eichen findet man sie gleichfalls, mehr im nördlichen Deutschland. Sie gehört zu den Bürstenraupen, ist für gewöhnlich schwefelgelb, nur am hintersten Haarpinsel (dem Schwanze) rot, bisweilen haben auch die übrigen Haare einen schön rosenroten Hauch. Sie »hängt den Kopf« und läßt die prächtig samtschwarzen Spiegel zwischen den vorderen Bürsten dann sehr deutlich sehen. In der Jugend gleitet sie bei der Erschütterung des Busches, auf dem sie frißt, an einem Faden herab, erwachsen tut sie es nicht, sondern fällt frei und liegt nach innen gekrümmt und einen Kreis bildend, indem sich das Leibesende über den Kopf legt, ruhig auf dem Boden, bis sie die Gefahr für beseitigt glaubt. Dann rafft sie sich auf und besteigt ihren Wohnplatz von neuem. Im Oktober sucht sie zur Verpuppung das dürre Laub des Bodens auf, fertigt ein lockeres, mit den Haaren vermischtes Gewebe, in diesem ein zweites, festeres Gespinst, das aber noch locker genug ist, um die dunkelbraune Puppe durchscheinen zu lassen.
Nach einem Berichte des Oberförsters Fickert auf Rügen, wo die Raupe seit zweihundert Jahren haust, kam der stärkste Fraß im warmen Sommer 1368 zustande, indem sämtliche Buchen der Stubbenitz auf einer Fläche von mehr als zweitausend Hektar schon Ende August vollständig entlaubt waren. Nach der Buche kamen Ahorn, Eiche, Hasel und sämtliche kleine Gesträuche, zuletzt Espe, Erle, Lärche, Birke an die Reihe; selbst die Ränder der Fichtennadeln wurden befressen, dagegen Eschen gänzlich verschont, während bei einem früheren Fräße die Eschen vor den Erlen und Birken in Angriff genommen wurden. Es ist überhaupt eine öfters gemachte Erfahrung, daß dann, wenn ein Kerf in ungewöhnlich großen Massen auftritt, keine Regel hinsichtlich der Reihenfolge der angegriffenen Pflanzen aufgestellt werden kann. Der Rotschwanz war über den ganzen Waldkörper der Stubbenitz verbreitet; auffällig wurde sein Fraß zunächst nur da, wo größere Massen vereinigt waren, breitete sich allmählich ringförmig aus und griff schnell um sich; denn sobald das Laub anfing, lichter zu werden, genügten acht Tage, um hundert bis zweihundert Hektar vollkommen kahl erscheinen zu lassen. Die Stämme waren jetzt dicht bedeckt mit auf- und abkriechenden Raupen, die vergeblich nach Nahrung suchten und zuletzt massenhaft am Boden umkamen; denn sobald erst drei oder vier Raupen ringend aneinander geraten, hört jedes weitere Fortschreiten auf. An Örtlichkeiten, wo zwei Fraßringe zusammenstießen, war die Anhäufung eine so überraschende, daß man unter einer Buche zwischen fünf und sechs Scheffel sammeln konnte. Nur an zwei Örtlichkeiten von geringerer Ausdehnung reichte für eine Sehne des fortschreitenden Kreises die Nahrung bis zur Zeit der Verpuppung aus. Dort erfolgte dieselbe auch massenhaft in dem Bodenüberzuge, dem obenaufliegenden Laube und an den bemoosten Stämmen.
Der Weidenspinner ( Dasychira salicis) ist weiß schwach beschuppt und atlasglänzend, die Kammzähne der Fühler und Ringe an den dichtbehaarten Beinen, deren hinterste an den Schienen nur Endsporen haben, sind schwarz. Er ist es, der in den warmen Nächten des Juni und Juli geisterhaft und oft zu Tausenden um die schlanken Pappeln unserer Landstraßen umherflattert und von den Fledermäusen weggefangen wird, so daß die abgebissenen Flügel auf der Straße ausgestreut liegen. Am Tage erglänzen sie aus weiter Ferne an den Stämmen, fallen herab, wenn Sperlinge und andere Vögel unter ihren Scharen sich ein Mahl bereiten, und bestreuen, zertreten, halbtot umherkriechend, im Staube sich wälzend, den Boden. Das befruchtete Weibchen klebt seine Eier in kleinen Inseln zwischen die Rindenschuppen der Stämme. Sie sind in einen gleichfalls wie Atlas glänzenden Schleim eingebettet und darum leicht schon aus der Entfernung zu erkennen. Im nächsten Frühjahre, bisweilen noch im Herbste, dann aber zu ihrem Verderben, weil der Winter sie tötet, kriechen die mäßig behaarten, rot bewarzten Raupen daraus hervor, fallen alsbald durch die schwefelgelbe oder weiße Fleckenreihe längs des braungrauen Rückens in die Augen und fressen bisweilen die Pappeln oder Weiden – an beiden sitzen sie gleich gern – vollständig kahl. Ende Mai hängen die beweglichen, glänzend schwarzen Puppen, die mit zerstreuten gelben Haarbüschchen besetzt sind, hinter einigen Fäden an den Stämmen oder lose zwischen wenigen Blättern der Futterpflanze.
Der Goldafter ( Porthesia chrysorrhoea) ist gleich dem vorigen einfarbig weiß, aber an der Hinterleibsspitze rotbraun gefärbt; dieselbe endet beim schlankeren Männchen in einen Haarpinsel, beim Weibchen knopfartig verdickt. Die Fühlerstrahlen sind rostgelb und die Gattung von der vorigen dadurch unterschieden, daß die Hinterschienen in der Nähe der Mitte ein zweites Sporenpaar tragen, daß Rippe 6 und 7 der Hinterflügel aus gemeinsamem Stiele kommen und daß Rippe 10 der Vorderflügel aus 8 entspringt. Dieser Spinner erscheint gleichzeitig mit dem vorigen, führt dieselbe Lebensweise, nur weiß er sich mehr an der Rückseite der Blätter versteckt zu halten und beschränkt sich nicht auf Weiden und Pappeln, sondern sitzt an fast allen Waldbäumen (Eiche, Buche, Hainbuche, Rüster, Weide, Schwarzdorn), auch an den meisten Obstbäumen, an Rosen und andern Ziersträuchern der Gärten. Auf allen diesen findet man anfangs Juli das Weibchen damit beschäftigt, seine Eier zu legen, und zwar gewöhnlich an die Kehrseite der Blätter. Vermittels zweier Schuppen der Leibesspitze rupft es die rostbraunen Haare aus dem Hinterleibsknopfe und bettet in diese die gleichzeitig gelegten Eier, die in einen Haufen übereinander gepackt werden. Die hinteren Filzhaare des Polsters kommen zuerst an die Reihe, später die andern, so daß zuletzt, wenn nach einem bis zwei Tagen das Geschäft abgetan, ein sogenannter »kleiner Schwamm« fertig, auch das Afterpolster fast gänzlich von der Leibesspitze verschwunden ist. Auf jenem Schwamme, der länglich und dicker ist als der Hinterleib, bleibt das nun erschöpfte Weibchen bisweilen tot hängen oder fällt herab. Nach fünfzehn bis zwanzig Tagen, also Ende Juli, auch später, kriechen die Räupchen aus und benagen die Blätter ihrer nächsten Umgebung. Sie sind schmutziggelb am Kopfe, Nacken und Reihen von Rückenpunkten schwarz. Allmählich spinnen sie ein Nest, das immer dichter gewebt wird, je näher die rauhe Jahreszeit kommt, und immer bemerkbarer, je mehr das Laub herabfällt; in ihm findet man meist den Eierschwamm. Dies sind die sogenannten großen Raupennester. Im nächsten Jahre zeigen die Raupen ihr Erwachen durch Ausfressen der Knospen an, sonnen sich in den Astgabeln und gehen in das alte Nest zurück oder spinnen ein neues, das sie gleichfalls verlassen, sobald sie größer geworden sind. Ende April erfolgt die zweite Häutung – die erste war der Überwinterung vorausgegangen –, gegen Ende Mai die dritte. Die erwachsene Raupe ist stark behaart und dunkelbraun, hat vom vierten Ringe an je einen weißen Seitenfleck, vom sechsten bis zehnten zwei rote, etwas geschlängelte Rückenstreifen und je eine ziegelrote Warze mitten auf dem neunten und zehnten Ringe. In der ersten Hälfte des Juni wird sie in einem losen, durchscheinenden Gespinste zwischen Blättern zu einer schwarzbraunen Puppe. Diese Raupen sind es in erster Linie, die unsern Obstbäumen stark zusetzen und nicht selten durch ihr massenhaftes Auftreten Zeugnis von der unverantwortlichen Nachlässigkeit der Baumbesitzer ablegen, da während des Winters oder im zeitigsten Frühjahre das Abschneiden und Verbrennen der so leicht zu erkennenden Raupennester doch ein so bequemes Mittel an die Hand gibt, sich dieses Feindes der Obstbäume zu bemächtigen. Wer durch gewissenhafte Handhabung der Raupenschere seine Bäume zu schützen sucht, darf das Buschwerk und die lebenden Zäune um dieselben nicht unberücksichtigt lassen, da diese, besonders wenn sie aus dem beliebten Weißdorne bestehen, wahre Brutstätten dieses Ungeziefers bilden!
Der Schwan oder Gartenbirnspinner ( Porthesia auriflua) ist dem Goldafter ungemein ähnlich, nur sind die Afterbüschel lichter, mehr goldgelb, so daß ihm der deutsche Name des vorigen mit größerem Rechte gebührte, und überdies hat der Innenrand der Vorderflügel einen ungewöhnlich langen Fransensaum. Seine Lebens- und Entwicklungsgeschichte ist beinahe dieselbe; der goldgelbe Eierschwamm findet sich weniger im Walde als in Gärten und Hecken, aber auch hier weit einzelner. In einem Punkte gehen beide Spinner aber wesentlich auseinander. Nach der ersten Häutung vor Winters Anfang zerstreuen sich die Räupchen; jede einzelne sucht an den gewöhnlichen Verstecken ein Unterkommen, spinnt sich hier jedoch in ein weißes Futteral ein. Erwachsen ist sie schwarz, hat einen zinnoberroten Doppelstreifen längs des Rückens, einen einfachen über den Füßen, eine wellige, weiße Seitenlinie und auf dem vierten, fünften und letzten Ringe einen schwarzen, weiß bestäubten Haarbüschel. Weil sie weniger die Geselligkeit liebt wie die vorige, so kann sie zwar deren Zerstörungswerk unterstützen, nie aber durch ihre Art allein so beträchtlichen Schaden anrichten.
Der Schwammspinner, Dieses Tier ist neuerdings Objekt sehr interessanter Vererbungsstudien geworden. Durch Kreuzung seiner verschiedenen Rassen untereinander gelang es Goldschmidt, alle möglichen sexualen Zwischenstufen zwischen dem vollkommenen Männchen und dem vollkommenen Weibchen experimentell zu erzeugen. (Intersexualität.) Hrsgbr. Dickkopf ( Ocneria, neuerdings: Lymantria dispar), unterscheidet sich im Aderverlauf der Flügel dadurch von den beiden vorigen, daß im Vorderflügel Rippe 10 aus 7 entspringt und im Hinterflügel Rippe 6 und 7 aus einem Punkte, nicht aus einem gemeinschaftlichen Stiele kommen. Die vier Sporen an den Hinterschienen haben beide Gattungen miteinander gemein. Den wissenschaftlichen Namen führt dieser Spinner mit voller Berechtigung; denn beide Geschlechter haben ein so verschiedenartiges Ansehen, daß der Unkundige jedes für eine besondere Art ansprechen könnte. Das kleinere, graubraune Männchen hat einige mehr oder weniger ausgeprägte schwarze Zackenbinden über die Vorderflügel und lange Kammzähne an den Fühlern, die ihnen die Umrisse eines Hasenohres verleihen. Das außerordentlich plumpe und träge Weibchen hat schmutzigweiße Flügel, deren vordere ähnliche schwarze Zackenbinden tragen, und einen braunen, knopfartigen Haarwulst am Ende des häßlichen Hinterleibes. Beide sind Ende Juli oder im August der mattschwarzen Puppe entschlüpft. In den Abendstunden geboren, scheinen sie auch nur während der Nachtzeit berechtigt zu sein, den beiden Trieben zu folgen, von denen allein nur alle vollkommenen Kerfe beseelt sind: zu leben und leben zu lassen. Kaum sind dem Männchen seine Schwingen gewachsen, so fliegt es in wilder Lust umher, wie ein Schatten gleitet es an uns vorüber und ist im Augenblick wieder verschwunden, weil sein fledermausartiger Flug und die Dunkelheit uns nicht vergönnen, ihm mit den Augen zu folgen. Am andern Tage finden wir es wieder, oder wenigstens seinen Bruder, an einer Wand, in dem Winkel eines Fensters, von der nächtlichen Schwärmerei ruhend. Sehr fest sitzt es aber nicht, wir brauchen ihm nur nahe genug zu kommen, daß es unsere Gegenwart merkt, so fliegt es davon, und weil die Störungen mannigfacher Art sein können, so geschieht es, daß wir an sonnigen oder schwülen Tagen die Tiere in ewiger Unruhe umherfahren sehen. Ganz anders das Weibchen. Träge sitzt es an Wänden oder Baumstämmen und bedeckt seinen häßlichen, dicken Hinterleib dachartig mit den nichts weniger als schönen Flügeln. Kann man durch einen Fußtritt den Baumstamm erschüttern, an dem es hängt, so fällt es herab mit nach vorn gekrümmter Hinterleibsspitze, es der Mühe kaum wert erachtend, durch Flattern dem erhaltenen Stoß entgegenzuwirken. Nur bei anbrechender Dunkelheit erhebt es mühsam seine Flügel und taumelt um die Bäume, ein fetter Bissen für die beutelüsternen Fledermäuse. So bringt es seine kurze Lebenszeit hin, des Tages in fauler Ruhe, des Nachts in unbeholfenem Flattern, bis ein Männchen ihm Ruhe beigebracht hat, und muß sich, wie auch das Männchen, nur vom Tau ernähren; denn an Blumen findet man beide nie. Endlich trifft man es vor einem braunen, dem Feuerschwamm nicht unähnlichen Filze, einem »großen Schwamm«, sitzend. Wie der Goldafter und der Schwan beginnt es mit einem Schleimüberzuge, an dem die unterste Schicht des Filzes hängen bleibt, den es seinem tiefbraunen Afterpolster entzieht. Hierauf kommt eine Lage Eier, dann eine weitere Haarschicht, und so fort, bis ein ansehnliches Häuflein ohne bestimmte Form an dem Baumstamm, der übertünchten Lehmwand oder an ähnlichen, stets aber geschützten Stellen untergebracht ist. Je zahlreichere Schwämme im angeführten Sinne sichtbar werden, desto seltener werden die Weibchen, die Männchen waren bereits früher von der Schaubühne abgetreten.
Erst in dem nächsten Frühjahr erwacht in den Eiern das Leben, wenn nicht ein sorgsamer Landwirt oder Gärtner die ihm zugänglichen beizeiten vertilgt hat, wobei jedoch eine gewisse Vorsicht nötig ist. Sie an Ort und Stelle zu zerdrücken, ist mißlich, weil sie sehr hart sind und in dem federnden Filze eher wegspringen als sich zerdrücken lassen. Man muß sie daher sorgfältig abkratzen, auf einem untergehaltenen Papier, Brettchen usw. sammeln und verbrennen, aber nur in kleineren Mengen, weil sie mit heftigem Knalle zerspringen. Auf der weichen Unterlage sonnen sich in fröhlichem Gewimmel die schwarzen Räupchen, gehen jedoch bald auseinander, treffen aber an den Astgabeln, an der Unterseite der Äste, um vor Nässe geschützt zu sein, immer wieder zusammen, und jede sieht zu, wo für sie der Tisch gedeckt ist. Sie gehört keineswegs zu den Kostverächtern; denn die Rosenblätter unserer Gärten, die Blätter der Eichen im Walde, der Weide am Bache, der Pappel an der Heerstraße und der verschiedensten Obstbäume sagen ihr ohne Unterschied zu. Es kommen Jahre vor, in denen sie durch ihre ungeheure Menge zur Plage größerer Landstriche wird. So berichten französische Blätter unter dem 14. Juli 1818: »Die schönen Korkeichenwälder, die sich von Barbaste bis zur Stadt Podenas im südlichen Frankreich erstrecken, sind in einer ganz verzweifelten Weise von der Raupe der Ocneria dispar vernichtet. Nachdem sie nicht nur die Blätter der Korkbäume, sondern auch die Eicheln dieses und des folgenden Jahres verschlungen hatten (die Frucht braucht ein Jahr, ehe sie reift), wurden unsere Mais- und Hirsefelder, unsere Futterkräuter und unsere sämtlichen Früchte ihnen zur Beute. Die den Bäumen benachbarten Wohnungen sind von ihnen erfüllt und können den unglücklichen Eigentümern nicht mehr zum Aufenthalte dienen. Selbst die Weinstöcke, die hier und da auf unserm Sandboden zerstreut wachsen, sind nicht verschont geblieben.« Ich selbst habe bei einer andern Gelegenheit beobachtet, wie die Tiere sich unten auf dem Boden krümmten und mit dem Hungertode rangen, nachdem sie eine vereinzelte, an einem Felseneinschnitte wachsende Gruppe von Pflaumenbäumen vollständig entblättert hatten und ihnen die Möglichkeit genommen war, mehr Futter zu erlangen; denn weitere Wanderungen danach unternehmen sie nicht, wie gewisse andere Raupen. Im Jahre 1752 waren sie in Sachsen scharenweise vorhanden, so daß sie in den Gegenden von Altenburg, Zeitz, Naumburg, Sangerhausen nicht nur alle Obstbäume, sondern zum Teil ganze Wälder kahl abgefressen hatten. Blaue und rote, borstig behaarte Warzen ziehen in Reihen über den graubraunen Körper, und wenn die Raupe erst erwachsen ist, macht ein dicker Kopf, der aus den dichten Borsten hervorsieht, sie leicht vor dem übrigen Ungeziefer kenntlich. Zur Verpuppung zieht sie einige Fäden zwischen den Blattüberresten ihres letzten Weideplatzes oder zwischen Rindenrissen an den Stämmen und ist als Puppe ungemein ungehalten, wenn sie gestört wird; denn sie wirbelt und windet ihre Hinterleibsglieder lange, wenn man sie anfaßt. Sie bedarf nur wenige Wochen der Ruhe.
Die Nonne ( Ocneria, monacha) steht dem Schwammspinner als würdige Schwester zur Seite, sowohl in Rücksicht auf die äußere Erscheinung wie im Benehmen und in der Schädlichkeit der Raupe, die vorzugsweise den Nadelhölzern zuspricht. Der Schmetterling erscheint gleichzeitig mit dem vorigen, trägt in beiden Geschlechtern reineres Weiß und schärfere schwarze Zackenbinden auf den Vorderflügeln, schwach getrübte Hinterflügel, gescheckte Fransen an beiden, und das Weibchen kann seine rosenrote Hinterleibsspitze durch die ausstreckbare Legröhre bedeutend verlängern, wenn es die Eier hinter Rindenschuppen ankleben will. Ist der Schmetterling in einem Jahre sehr häufig, so gehören fast ganz schwarze Abänderungen ( Ocneria eremita) keineswegs zu den Seltenheiten. Der Schmetterling sitzt träge an den Stämmen der Waldbäume und anderer Bäume in Waldesnähe, das Männchen jedoch loser als das träge Weibchen, denn es läßt sich an warmen Tagen leicht aufscheuchen, wenn man ihm beim Durchstreifen des Reviers zu nahe kommt. Vereinigt findet man die Geschlechter bei Tage so wenig wie die der vorigen Art. In der Eiablage unterscheiden sich, wie bereits erwähnt, die Weibchen beider Arten wesentlich.
Ende April oder anfangs Mai des nächsten Jahres kriechen die Räupchen aus, und die von einer Eiergruppe stammenden bleiben einen bis sechs Tage in der Weise zusammen sitzen, wie wir es hier sehen, bis sie sich auf die Nadeln begeben. Der Forstmann nennt eine solche Gesellschaft einen Spiegel und den Inbegriff aller Vorkehrungen, um durch das Töten derselben ihrem Fraße vorzubeugen, das Spiegeln. Im Juni oder Juli sind die Raupen erwachsen, auf graugrünlichem, weißgrau und schwarz gemischtem Grunde blau und rot bewarzt, vorn durch eine weiße Stelle hinter einem samtschwarzen Spiegel und hinter der Mitte gleichfalls durch einen lichten Sattel ausgezeichnet, infolge der Borstenbehaarung der Warzen, der Kopfbildung und Körperform den Dickkopfraupen sehr ähnlich. Hinter wenigen Seidenfäden werden sie an einem Stamme zur schönen bronzeglänzenden, büschelig weiß behaarten Puppe. Da die Laubhölzer die verlorenen Blätter wieder ersetzen können, so leiden sie durch den Nonnenfraß weniger als die Kiefern und zarteren Fichten. Bis zum Jahre 1823 galt die Nonne nur für eine Feindin der Kiefer, als, etwa 1852 beginnend, eine Nonnenverheerung über die ostpreußischen, litauischen, masurischen und polnischen Forsten hereinbrach, die lehrte, daß die Fichte weit mehr noch von ihr zu leiden habe als die Kiefer. Willkomm wurde 1863, nachdem das furchtbare Ereignis bereits vorüber war, von der königlich sächsischen Regierung in jene so entsetzlich heimgesuchten Waldquartiere entsendet und hat einen gründlichen Bericht darüber erstattet, der teils auf eigene Anschauung, teils auf Einsicht der dortigen Revierakten und auf Mitteilungen der Forstbeamten gegründet ist. »Es war am 29. Juli 1858«, so lautet dieser Bericht, »als am Schwalzer Schutzbezirke, dem südlichsten des Rothebuder Forstes, der Nonnenschmetterling auf einmal in unzähliger Menge erschien, indem derselbe in wolkenartigen Massen, vom Südwinde getrieben, herbeizog. Binnen wenigen Stunden verbreitete sich der Schmetterling auch über die angrenzenden Schutzbezirke, und zwar in solcher Menge, daß z. B. die Gebäude der Försterei Ragonnen von Faltern förmlich inkrustiert und die Oberfläche des Pillwungsees von darin ertrunkenen Schmetterlingen wie mit weißem Schaume bedeckt erschien. Glaubwürdige Augenzeugen, die ich gesprochen, versichern, daß es im Walde gewesen wäre, wie beim ärgsten Schneegestöber, und daß die Bäume wie beschneit ausgesehen hätten, in solcher Masse wäre der Schmetterling überall niedergefallen. Nachforschungen Schimmelpfennigs ergaben, daß die Nonne bereits seit mehreren Jahren in den südlich von der Bodschwingkenschen Heide gelegenen Privatforsten, besonders aber in den Polnischen Grenzwaldungen, gefressen und sich dort, wo nichts für ihre Vertilgung geschehen war, so ungeheuer vermehrt hatte, daß manche Waldbesitzer in ihrer Verzweiflung im Jahre 1852 ganze Wälder niederbrennen ließen, um das Insekt loszuwerden. In welcher Mannhaftigkeit 1853 der Nonnenfalter aufgetreten sein mag, erhellt aus der Tatsache, daß die Menge der vom 8. August bis zum 8. Mai des folgenden Jahres auf Rothebuder Revier gesammelten Eier ungefähr dreihundert Pfund betrug oder, da auf ein Lot mindestens 15000000 Stück gehen, etwa 150 000 000 Stück! Außerdem wurden während der Flugzeit, die in der Hauptsache nur bis zum 3. August währte, drittehalb preußische Scheffel weiblicher Falter (etwa 1 500 000 Stück) gesammelt. Trotz dieser energischen Maßregel zeigte sich im folgenden Frühjahr wieder eine solche Menge von Raupenspiegeln, selbst in den drei- bis viermal abgesuchten Beständen, daß man sich überzeugen mußte, man habe kaum die Hälfte der abgelegten Eier gesammelt. Und das war allerdings nicht wunderbar, da die Nonne ihre Eier, allen bisherigen Beobachtungen und Erfahrungen Hohn sprechend, sogar an die Wurzeln und zwischen das Moos der Bodenstreu, desgleichen bei den Fichten in der Krone bis zum höchsten Wipfel hinauf, abgelegt hatte, was das Sammeln natürlich sehr erschweren mußte. Nichtsdestoweniger waren in fast allen Forsten, wo der Schmetterling sich in Menge gezeigt hatte, im ganzen auf einer Fläche von 14 500 Morgen, die Bäume Stamm für Stamm abgesucht worden, und zwar bis zu fünf Fuß Höhe mit den Händen, weiter hinauf auf Leitern. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß in den mit Kiefern gemischten Fichtenbeständen, auch in den ältesten, die Eier fast immer nur an den Fichten abgelegt erschienen, selten an Kiefern, denn bisher ist in so gemischten Beständen das Gegenteil beobachtet worden. Die meisten Eier fand man immer an alten, starken Fichten (bis zwei Lot an einem Stamme!), sowie längs der Wurzeln und im Moos. Unter den Fichten waren nur die bereits mit rauher Borke versehenen mit Eiern belegt, niemals die noch glattrindigen, überhaupt keine Stämme unter zwölf Zoll Durchmesser am unteren Ende. Auch an Birken und Hornbäumen (Hainbuchen) fand man Eier. Bei den Kiefern wurden solche selten über zwanzig Fuß Höhe, bei den starkrissigen Birken nicht über sechs Fuß, bei den Hornbäumen bis etwa zehn Fuß vom Boden gerechnet gefunden; dagegen bei den Fichten, wie schon bemerkt, von der Wurzel bis zum Wipfel. Zur Vertilgung der Eier trugen wesentlich der Buntspecht, ferner die Finken bei; auch wurde eine große Menge von Clerus-Larven um die Eierhaufen bemerkt. Trotz alledem war eine ungeheure Menge Eierhaufen übriggeblieben; denn nach Schimmelpfennigs Berechnung wären durchschnittlich hundert Arbeiter und zwanzig Aufseher im nächsten Jahre nötig gewesen, um nur auf einem Morgen das Spiegeltöten schnell und gründlich durchführen zu können! Unter diesen Umständen erklärte Schimmelpfennig in seinem Bericht vom 15. Februar 1854, in dem er bereits voll tiefen Schmerzes den Untergang der Wälder voraussagt, das Spiegeln für unausführbar, überhaupt menschliche Hilfe für unzureichend und alles auf fernere Vertilgungsmaßregeln zu verwendende Geld für vergeblich verausgabt.
Gleichwohl wurde seitens der Regierung das Spiegeln angeordnet und auf Rothebuder Revier auch wirklich bis zum 13. Mai vorgenommen, natürlich mit völlig unzureichenden Kräften. Dabei hatte man die Beobachtung gemacht, daß die frisch ausgelaufenen Räupchen vorzüglich an den überall eingesprengten Hornbäumen fraßen und erst nach der Entwicklung der Fichtenmaitriebe zu den Fichten wanderten, wo sie zuerst die Maitriebe so stark benagten, wohl gar durchbissen, daß dieselben vertrockneten. Wie vorauszusehen gewesen war, hatte das Spiegeln gar nichts geholfen, denn die Raupe verbreitete sich schnell über das ganze Revier, und es wurden durch dieselbe bis zum 12. Juli, wo der Fraß zu Ende ging, schätzungsweise achthundert Morgen Fichten vollkommen kahl abgefressen und vernichtet. Schon jetzt zeigten sich übrigens viele kranke Raupen und unzählige Ichneumoniden ( Microgaster), deren weiße Puppentönnchen später schneeartig das Unterholz bedeckten. Dennoch mochte der größte Teil der Raupen zur Verpuppung gelangt sein, denn die ausgekrochenen Schmetterlinge bedeckten die Bestände noch massenhafter als das Jahr zuvor.
Während der Fraßzeit wurde beobachtet, daß die Raupe die Fichtennadeln ganz verzehrte, die Kiefernadeln dagegen, wie längst bekannt, in der Mitte, die Birkenblätter am Blattstiel durchbiß, weshalb der Boden unter den Kiefern und Birken mit herabgefallenen Nadelstücken und Blättern übersät war; ferner, daß in den aus Fichten, Kiefern und Laubhölzern gemischten Beständen die Kiefern erst dann an die Reihe kamen, nachdem die Fichten kahlgefressen waren, die Hornbäume dagegen sofort, gleichzeitig mit den Fichten; daß in kahlgefressenen Nadelholzarten die etwa eingesprengten Weiden, Aspen, Eschen, Ahorne usw. verschont blieben, dagegen das Farnkraut und die Beersträucher den hungrigen Raupen zur Beute fielen; endlich, daß ein am 6. und 7. Juni eingetretener starker Spätfrost den Raupen nur sehr wenig schadete. Ein Umherwandern der Raupen aus kahlgefressenen Beständen nach noch unversehrten wurde nicht wahrgenommen, im Gegenteil überall beobachtet, daß die Raupen von den kahlgefressenen Bäumen ermattet herabstürzten und sich unter deren Schirmfläche ansammelten. Viele derselben mögen nicht zur Verpuppung gelangt sein, viele wurden auch von den Fröschen (!) gefressen. Bäume, unter denen sich Ameisenhaufen (von Formica rufa) befanden, blieben vom Raupenfraß verschont.
Zur Vertilgung der Schmetterlinge wurden, da das Sammeln zu langsam ging, schon während der ersten Flugzeit (vom 29. Juli bis 3. August 1853 und auch 1854) große Leuchtfeuer an vielen Stellen angezündet. Wenn auch diese Maßregel nicht den gewünschten Erfolg hatte, so stellte sich doch heraus, daß die Schmetterlinge in den kahlgefressenen Orten, wo allein Leuchtfeuer unterhalten wurden, ihre Eier ablegten und nicht weiterflogen, so daß dann die Vertilgung der Eier durch Verbrennen der abgeschälten Rinde leicht bewirkt werden konnte. Allein trotzdem und obwohl große Massen von Schmetterlingen selbst in den Feuern umkamen, erschienen nach der Flugzeit von 1854 die Eier so massenhaft abgelegt, daß man von weiterem Sammelnlassen derselben absehen mußte, denn die Stämme der Fichten waren nicht mehr mit Eierhaufen zwischen den Borkenschuppen besetzt, sondern an der ganzen Oberfläche von dicht an- und übereinanderliegenden Eiern förmlich inkrustiert, so daß die Arbeiter sie mit den Händen abstreichen konnten, wenigstens an den Stämmen, an denen man im Winter zuvor des Einsammelns halber die Borkenschuppen abgekratzt hatte; denn auch an solche hatte die Nonne ihre Eier abgelegt. Die Wipfel waren jedoch diesmal verschont geblieben. Dagegen fand man zahlreiche Eierhaufen an Kräutern aller Art, sogar auf Tabakpflanzen (es wird in Masuren Nicotiana rustica häufig angebaut, namentlich auch in den Gärten der niederen Forstbeamten), ja selbst auf Giebeln von Häusern und an den Bretterzäunen – lauter bisher nie dagewesene und unerhörte Erscheinungen! In welcher unglaublichen Menge damals Nonneneier vorhanden gewesen sein mußten, geht auch daraus hervor, daß sich Hunderte von Leuten erboten, Eier für den geringen Preis von vier Pfennig je Lot zu sammeln, während 1853 beim Beginn des Einsammelns das Lot mit fünf Silbergroschen bezahlt werden mußte.
So kam denn im Mai 1855 ein Raupenfraß zur Entwicklung, wie ein solcher wohl seit Menschengedenken noch nicht dagewesen ist. Bis zum 27. Juni waren auf dem Rothebuder Revier bereits über 10 000 Morgen Nadelholzbestand kahlgefressen, außerdem 5000 andere Morgen so stark angegangen, daß auch hier ein völliger Kahlfraß in Aussicht stand. Allein selbst die schlimmsten Befürchtungen sollten noch weit übertroffen werden! Denn bis Ende Juli erschienen die meisten Fichten des ganzen Reviers kahlgefressen, dieselben auf einer Fläche von 16354 Morgen bereits getötet, auf einer andern von 5841 Morgen so stark beschädigt, daß voraussichtlich der größte Teil zum Abtrieb kommen mußte, und nur auf 4932 Morgen ziemlich verschont. Schimmelpfennig taxierte die bis zum September trocken gewordene Holzmasse auf 264 240 Massenklafter oder auf 16 Klafter pro Morgen der oben angegebenen Fraßfläche. Die Raupen machten keinen Unterschied mehr zwischen Nadel- und Laubholz, noch zwischen den Altersklassen, denn auch Fichtenschonungen, ja selbst vor- und diesjährige Kulturen, wurden von ihnen befallen und kahlgefressen, wobei sich herauszustellen schien, daß die Pflanzungen am meisten zu leiden hatten. An jüngeren Fichten und Kiefern krümmten sich die Wipfel unter der Last der klumpenweise daran sitzenden Raupen bogenförmig, und an allen Bäumen hingen die Äste abwärts; der Raupenkot, der zuletzt den ganzen Boden des Waldes zwei bis drei Zoll hoch, ja an manchen Stellen bis sechs Zoll hoch bedeckte, rieselte ununterbrochen gleich einem starken Regen aus den Kronen der Bäume hernieder, und bald war fast kein grünes Blatt, kein grüner Halm mehr zu sehen, soweit das Auge reichte.«
Der Berichterstatter erwähnt dann weiter einer sich daran anschließenden Verheerung durch Borkenkäfer und schließt mit den Zahlenangaben aus dem Bericht von Schimmelpfennig vom 1. Oktober 1862, nach dem auf dem Rothebuder Revier bis dahin 290 000 Massenklafter getötet worden waren, davon 235 000 durch Nonnen-, 5000 durch Käferfraß. Auf dem Stamm befanden sich damals noch mindestens 153 000 Klafter. Die verwüstete Fläche betrug 32 931 Morgen und hatte sich somit beinahe über das ganze Revier erstreckt.
Die Eiche, die bekanntlich mehr Schmetterlingsraupen ernährt als irgendein anderes Gewächs, wird stellenweise von einer höchst interessanten und sonderbaren Raupe heimgesucht, die, wenn irgendeine, es mit Recht verdient, als giftig verschrien zu sein. Ihre langen, weißbespitzten, unter dem Mikroskop oben mit Ästchen versehenen Haare enthalten so viel Ameisensäure, daß sie auch auf weniger empfindlicher Haut ein entsetzliches Brennen und Jucken hervorbringen. Es fehlt nicht an Beispielen, wo sie, in das Innere menschlicher oder tierischer Körper gelangt, die bedenklichsten Entzündungen der Schleimhäute hervorgerufen und bei Vernachlässigung den Tod herbeigeführt haben; Rinder zeigten vollständige Tollwut. Der Träger dieser gefährlichen Brennhaare findet sich im Mai und Juni und wird von der sonderbaren Gewohnheit, mit seinesgleichen in gewisser Ordnung zum Fraß auszumarschieren und von den Weideplätzen ebenso geordnet wieder in das Nest zurückzukehren, Prozessionsraupe genannt. Dieselbe kommt im Mai aus den Eiern, die das Weibchen im Sommer zuvor in Häufchen von einhundertfünfzig bis dreihundert Stück der Rinde eines Eichenstammes anklebte, untermischt mit graubraunen Haaren aus einer filzigen Afterspitze, in ähnlicher Weise, wie wir es bei den verschiedenen Porthesia-Arten kennengelernt haben. Von der Anzahl der Eier hängt die Größe der Gesellschaft ab, die nicht nur während ihres etwa sechswöchentlichen Raupenlebens, sondern auch bei der Verpuppung in der innigsten Gemeinschaft bleibt. Nur bei sehr großer Häufigkeit kann es vorkommen, daß mehrere Gesellschaften, die aus ihren Wanderungen zusammentreffen, sich zu einer vereinigen. Gleich am ersten Abend ihres Geburtstages ziehen sie, bei geringerer Anzahl eine hinter der andern im Gänsemarsch, bei größerer in keilförmiger Anordnung, eine voran, die nächsten Glieder paarweise, dann zu dreien, Vieren usw. nach der Baumkrone, um an den Blättern, deren Oberseite sie im ersten Anfang nur bewältigen können, wie alle sehr jungen Raupen, ihre Nahrung zu suchen. Wie sie hier reihenweise geordnet schmausen, so kehren sie nach der Mahlzeit in demselben geordneten Zuge nach einer geschützten Stelle des Stammes zurück, am liebsten an Astgabeln oder ziemlich tief nach unten. Hier richten sie sich häuslich ein, sitzen dichtgedrängt beisammen, wenn sie größer geworden sind, nicht bloß neben-, sondern auch aufeinander und spinnen ein lockeres Gewebe über sich. Im Anfang wird der Standort öfters gewechselt, später hingegen bleibt er unverändert, und das Gespinst wird durch die abgeworfenen Häute und den teilweise hängenbleibenden Kot immer dichter; aus einiger Entfernung könnte man es für einen beulenartigen Auswuchs des Stammes halten. Aus diesen Gespinstballen werden die Brennhaare durch den Wind verstreut, fallen auf das Gras, das vom Vieh abgeweidet wird, oder gelangen, in der Luft umherfliegend, den Holzarbeitern, die in der Nachbarschaft bewohnter Bäume ihr Frühstück usw. verzehren, in den Magen. Mit anbrechender Dunkelheit verlassen die Raupen ihr Nest, an dem man unten ein Loch als Aus- und Eingang bemerken kann, um ihre Straße aufwärts zu ziehen, und dies wiederholt sich allabendlich mit Ausschluß der auf eine jedesmalige Häutung fallenden zwei Krankheitstage. Manchmal sieht man sie auch bei Tage auf dem Boden hinziehen, vielleicht irgendwie und hauptsächlich aus Futtermangel genötigt, ihren Baum und ihr Nest zu verlassen. Der Zug gewährt dann einen höchst überraschenden Anblick; wie ein dunkles Band, eine Schlange, windet sich derselbe dahin und kommt nur langsam von der Stelle. Die Raupe hat einen breit blauschwarzen Rücken mit rotgelben Wärzchen, welche die Haarsterne tragen, und weißliche Seiten. Erwachsen 39 bis 52 Millimeter lang, begeben sich alle auf den Grund des Nestes und bereiten Reihen von Gespinsten, die mit einem ihrer Enden unter rechtem Winkel auf der Stammoberfläche stehen und fest miteinander verbunden sind. Sie erinnern in ihrer Vereinigung an die gedeckelten Zellen der Bienen. In jeder Zelle ruht eine dunkelrotbraune Puppe, deren Bauchringel scharfe Ränder haben.
Im Juli und August, sobald es des Abends zu dämmern beginnt (nach acht Uhr), kommen die Schmetterlinge aus jenen hervor, deren Männchen durch baldiges Davonfliegen ihre Wildheit zu erkennen geben. Ich habe die Tiere oft genug erzogen, merkwürdigerweise im Freien aber kein einziges zu Gesicht bekommen. Das schlichte, bräunlichgraue Gewand läßt auf dem Vorderflügel einige dunklere Querlinien, besser beim dunkleren und schärfer gezeichneten Männchen als beim Weibchen, erkennen; den gelblichweißen Hinterflügel kennzeichnet eine verwischte Querbinde, sieben Rippen spannen ihn, und eine Haftborste vereint ihn im Fluge mit dem vorderen, welcher von zwölf Rippen durchzogen wird. Bei beiden Geschlechtern tragen die Fühler bis zur Spitze zwei Reihen Kammzähne, die Hinterschienen nur Endsporen; von einer Rollzunge ist nichts zu bemerken. Die Art verbreitet sich im südlichen und nordwestlichen Deutschland, in der Ebene mehr als im Gebirge, und erreicht nach Speyer bei Havelberg ihre Polargrenze.
Eine andere sehr ähnliche Art, der Kiefern-Prozessionsspinner ( Cnethocampa pinivora), treibt ihr Wesen ebenso, aber nur an Kiefern und mit dem Unterschiede, daß die Raupe nicht ausschließlich an den Stämmen ruht, sondern klumpenweise flach unten auf dem Boden, an Steinen, die auf demselben umherliegen, und daß sie als Puppe überwintert. Sie kommt im nordöstlichen deutschen Flachlande, in Südschweden und um Petersburg vor. Auf den Nadelhölzern des südlichen Europa, besonders den Pinien, lebt eine dritte Art, der Pinien-Prozessionsspinner ( Cnethocampa pityocampa), die in der Lebensweise der vorigen sehr nahesteht.
Es schließen sich hier noch einige Falter an, die als solche weniger als im Raupenstande ein gewisses Interesse für sich in Anspruch nehmen, insofern ihre Raupen statt der Nachschieber zwei nach oben gerichtete fadenartige Anhänge tragen. Man hat dieselben mit einer Gabel verglichen und ihre Träger, wie die aus ihnen entstehenden Spinner, Gabelschwänze genannt. Nun können diese Raupen aber auch einen noch längeren, dünnen Faden aus diesen Stäbchen hervorstülpen, die wie die Schnur einer Peitsche an ihrem Stiel herabhängen und ihnen den sehr bezeichnenden Namen Peitschraupen eingetragen haben. Nur wenn sie gereizt werden, zeigen sie ihre Peitsche, wie die Schwalbenschwanzraupe ihre Nackengabel. In der Ruhe nehmen diese Tiere eine höchst sonderbare Stellung auf dem Blatt des betreffenden Strauches oder Baumes an, den sie bewohnen. Sie ruhen nämlich auf den Bauchfüßen und haben den vorderen und Hinteren Teil des Körpers in die Höhe gerichtet, jenen mehr als diesen, den Kopf tief eingezogen und mit Ausschluß der Gesichtsseite in dem dadurch angeschwollenen, nach vorn jederseits eckig vorspringenden vordersten Körperteil verborgen. Eine dieser tückisch aussehenden Raupen ist lichtgrün und hat einen violetten Sattelfleck über dem Rücken, der auf dem siebenten Ringe bis zum Luftloch seitlich herabreicht und ringsum sauber weiß eingefaßt ist. Sie findet sich besonders im Juli und August auf Weiden oder den verschiedenen Pappelarten und gehört dem großen Gabelschwanz ( Harpyia vinula) an. Zur Verpuppung benagt sie den Stamm ihrer Futterpflanze und spinnt über das vertiefte Lager eine gewölbte Decke, welche die Farbe der Umgebung hat und den Winter über die rotbraune, stumpfe Puppe umschließt. Im Mai kommt der bei Tage sehr träge, an Stämmen, Pfählen und Planken sitzende Falter daraus hervor, der weiß aussieht, gelbe Rippen hat und schwarze, zum Teil verwischte Flecke und Zackenzeichnungen auf den Flügeln. Er legt diese dachartig über den Leib und seine dickwollig behaarten Vorderbeine lang vorgestreckt nebeneinander.
Das Fratzenhafteste aller einheimischen Raupen stellt aber die des Buchenspinners ( Stauropus fagi) dar, der gleichzeitig mit dem vorigen fliegt, dieselbe Körpertracht hat, aber sich graubräunlich trägt. Die beiden stabförmigen Anhängsel am breiten Leibesende der Raupe entsprechen den Peitschen der Peitschraupen, können sich selbst aufrichten, aber keinen Faden hervorschieben, und die sechs ungemein verlängerten Brustfüße geben der lederbraunen Raupe offenbar eine gewisse Spinnenähnlichkeit. Sie findet sich im Herbst auf Buchen oder Eichen und nimmt durch das Emporrichten des vorderen Körperteils, Ausstrecken und Erzitternlassen der langen Beine eine komisch drohende Gestalt an, wenn man sie in ihrer Ruhe stört. Vor dem Winter erfolgt die Verpuppung in einem dichten Gespinst zwischen Blättern an der Erde.
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Die Eulen, Noctuen ( Noctuina), bilden eine sehr große Familie, deren Mitglieder meist von nur mittlerer Größe sind und sich mit Ausnahme weniger Gattungen wegen des übereinstimmenden Baues und der stets wiederkehrenden Zeichnungslage leicht als hierher gehörig erkennen lassen. Der Körper ist in der Regel kräftig, ohne gerade plump genannt werden zu können, der Hinterleib meist zugespitzt, länger als der Innenrand des Hinterflügels, die Behaarung dicht, auf Mittel- und Hinterleib nicht selten durch Schöpfe von verschiedener Form ausgezeichnet. Die behaarten oder nackten Augen leuchten im Dunkeln, Nebenaugen nahe den zusammengesetzten fehlen nur in seltenen Fällen, sind aber unter der dichten Behaarung versteckt. Die borstigen Fühler sind etwas länger als der halbe Vorderflügel, stehen auf verdicktem Grundglieds und tragen in der Regel Wimperborsten, bei den Männchen weniger Arten Kammzähne oder pinselartig bewimperte Sägezähne. Die Taster, mehr oder weniger kräftig entwickelt, überragen fast immer den Kopf, steigen nur mäßig auf, ihr zweites Glied ist dick behaart oder beschuppt, das letzte weniger und erscheint darum immer dünner; bloß in einer früher zu den Kleinfaltern gerechneten Sippe, den Herminiden, erreichen dieselben eine ungewöhnliche Länge. Nur in sehr seltenen Fällen gelangt die Rollzunge nicht zur vollen Entwicklung, sondern bleibt weich oder auch ganz aus. Die Beine sind kräftig, stärker und besonders die hintersten länger als bei den Spinnern, die Vorderschienen kürzer, die hintersten länger als ihre Schenkel, diese unten, die Schienen außen mehr oder minder stark behaart, seltener anliegend beschuppt, die Schienen und Füße öfters mit Längsreihen seiner Dornen und jene an den Hinterbeinen mit zwei Sporenpaaren bewehrt. An den kräftigen Vorderflügeln erreicht der Innenrand stets eine größere Ausdehnung als der Saum; zwölf Rippen durchziehen sie meist, deren Verlauf wenig Unterschiede und mit Ausnahme weniger Sippen eine Anhangszelle zeigt, die dadurch entsteht, daß die aus der vorderen Mittelrippe entspringende zehnte Rippe einen Schrägast in die aus der vorderen Ecke der Mittelzelle in die Spitze gehende Rippe entsendet, der diese meist schneidet und als siebente Rippe in den Saum ausläuft. Die kürzeren und breiteren Hinterflügel Pflegen düster gefärbt zu sein, meist am Saum allmählich dunkler als an der Wurzel. Die Flügel bedecken in der Ruhe dachartig den Hinterleib, manchmal liegen sie ihm aber auch wagerecht auf, was besonders von den Ackereulen ( Agrotis) gilt.
Die Raupen dieser Familie bilden drei natürliche Gruppen. Die einen stehen durch ihre auffallende Behaarung und sechzehn Füße den meisten Spinnerraupen zunächst und ruhen, für jedermann offenkundig, bei Tage an ihren Futterpflanzen. Die andern haben gleichfalls sechzehn Füße, aber keine merkliche Behaarung, halten sich am Tage meist versteckt und kommen nur des Nachts zum Fraß hervorgekrochen, wo sie dann der eifrige Sammler beim Schein der Laterne bequemer aufzufinden versteht als bei Tage. Ihre Anzahl überwiegt alle. Eine dritte Gruppe endlich hat ein oder zwei Fußpaare weniger, ist nackt, sitzt bei Tage frei an den Futterpflanzen und baut in ihrer ersten Eigenschaft den Eulen die Brücke zur nächsten Familie, den Spannern. Sämtliche Raupen spinnen bei der Verpuppung, jedoch unvollkommen, die frei auf Pflanzen ruhenden an diesen oder an dürrem Laube auf der Erde, die der zweiten Gruppe in der Regel unter der Erde, deren Krümchen sie mit verweben oder mit ihrem Speichel nur lose zusammenleimen.
Wegen der großen Übereinstimmung der Eulen sind die Sippen bei einer Einteilung von wenig Wert, selbst die Gattungen haben vielfach gewechselt, weshalb die Unsitte der Sammler, einen Schmetterling nur mit einem Namen, dem der Art, zu benennen, leicht erklärt, wenn auch nicht gerechtfertigt werden kann. Die viele tausend bekannten Arten verteilen sich über die ganze Erde. Wenn deren nahezu tausend auf Europa kommen, so ist daraus der Schluß zu ziehen, daß die Arten unsers Erdteils am sorgfältigsten erforscht, in andern, kerfreicheren Ländern wegen der versteckten Lebensweise und des weniger in die Augen fallenden Äußeren übersehen worden sind, überdies dürfen wir nicht unbeachtet lassen, daß in den Gleicherländern, die weit vollkommener von der Sonne beherrscht werden als unsere Gefilde, die nächtlichen Eulen gegen die bunten Tagfalter, großen Spinner und andern Schmetterlinge bedeutend zurücktreten und in an sich geringerer Artenzahl dort leben. Von den deutschen Arten überwintern auf hundert vier im Ei, siebenundfünfzig als Raupen, fünfunddreißig im Puppenstande und nur vier als Schmetterlinge.
Wir beginnen mit einem Schmetterling, dem Blaukopf oder Brillenvogel ( Diloba coeruleocephala), den die betreffenden Bücher sonst allgemein unter den Spinnern aufführten, während ihn die neueren den Eulen zuzählen. Die stark gekämmten Fühler des Männchens und der dicke, wollig behaarte Körper des Weibchens lassen seine nahe Verwandtschaft mit jenen, wenn nur die Körpertracht entscheiden sollte, nicht verkennen. Die schokoladefarbenen, im Saumfelde lichteren Vorderflügel werden von zwei stark gezackten, am Innenrande sich sehr nähernden, schwarzen Querlinien durchzogen. Indem die beiden grünlichgelben vorderen Flecke zusammenfließen und sich der Zapfenfleck in runder Form an den Ringfleck anhängt, entsteht ein großer lichter Klecks, der sich mitunter in zwei nierenförmige Flecke auflöst. Die weißlichgrauen, am Innenwinkel dunkelgefleckten Hinterflügel entsenden die siebente Rippe aus der Vorderecke der Mittelzelle. Als Gattungsmerkmale, die dieser Art ganz allein zukommen, gelten noch kleine Nebenaugen, kurze und hängende Taster, die schwache und weiche Zunge und die bewimperten Augen. Der Falter fliegt vom September an, gehört also zu den sogenannten »Herbsteulen«, und sitzt bei Tage an Baumstämmen oder Wänden. Im Frühjahr erscheinen die dicken, bläulichweißen, gelbgestreiften und schwarz bewarzten Raupen, deren blauer Kopf den Namen des Schmetterlings veranlaßt hat, auf Schwarzdorn und Pflaumenbäumen; diesen letzteren können sie durch ihren Fraß nachteilig werden, wenn sie in großen Mengen im Mai und Juni vorhanden sind. Wenn die Raupe erwachsen ist, fertigt sie von Holzspänen, dem Kalk einer Wand usw. eine geleimte Hülle an feste Gegenstände, von der die stumpfe, rotbraune Puppe eng umschlossen wird, ganz in Spinnerweise.
Im August, mehr noch im September, fällt häufig auf verschiedenen Bäumen städtischer Anlagen, besonders an Ahorn und Roßkastanie, eine schöne Raupe in die Augen, die in gekrümmter Lage an der Unterseite der Blätter ruht, in Wäldern oft auch auf Eichen angetroffen wird. Sie ist gelb, an den Seiten zottig gelb behaart und hat über den Rücken eine Reihe blendend weißer, schwarz umringelter Flecken. Ich entsinne mich, daß dieselbe Art vor Jahren eine stattliche Kastanie vor einem Hause hiesiger Stadt vollkommen entblättert hatte. Die vor Hunger matten Tiere fielen den unter dem Baume vorübergehenden Leuten auf die Köpfe. Der aus der überwinterten Puppe im Mai oder Juni des nächsten Jahres ausschlüpfende Schmetterling heißt die Ahorn-Pfeilmotte ( Acronycta aceris) und ist ebenso unansehnlich wie die übrigen, zahlreichen Gattungsgenossen, deren Raupen sämtlich durch ihr buntes Kleid in die Augen fallen. Derselbe ist weißgrau, auf den Vorderflügeln ziemlich verworren gelblich und bräunlich bestäubt, so jedoch, daß die beiden Querlinien und vorderen Eulenflecke als lichtere Zeichnungen sich deutlich erkennen lassen.
Den Orion ( Moma Orion), einen ungemein sauberen Falter, können wir im Mai oder Juni, manchmal sogar recht häufig, im Walde an den Baumstämmen sitzen sehen, und zwar stets mit dem Kopfe nach unten gerichtet. Der abstehend behaarte Mittelleib, dessen Flügelschuppen Seitenschöpfe bilden, der Hinterleib und die Vorderflügel haben auf hellgrüner Grundfarbe schwarze und Weiße Zeichnungen. An letzteren unterscheidet man zwei tiefschwarze Querlinien und in der Mitte des sehr breiten Mittelfeldes einige Hieroglyphen, die allenfalls eine dritte zusammensetzen. Die graubraunen, nach außen dunkleren Hinterflügel haben einen Weißen, schwarz geteilten Innenrandsfleck und wie die vorderen schwarz- und weißgescheckte Fransen. Die hübsche Raupe findet sich einige Wochen später, zunächst gesellschaftlich auf Eichengebüsch, und läßt sich an einem Faden herab, wenn sie Gefahr wittert. Später, wenn sie erst größer wird, sucht sie die Einsamkeit und fertigt vor Einbruch der rauhen Jahreszeit für die Puppe ein festes Gespinst. Sie ist oben samtschwarz, an den Seiten gelblich, trägt auf roten Wärzchen lange rotbraune Haare und auf dem Rücken des zweiten, vierten und siebenten Ringes je einen großen gelben Fleck.
Während die Raupen der bisher betrachteten Eulen und deren Verwandten in der Regel auffällig behaart sind und mit wenigen Ausnahmen an Holzgewächsen sich aufhalten, ohne versteckt zu sein, so kommen die meisten nackten Raupen der nun folgenden Eulen nur denjenigen zu Gesicht, die sie in ihren Schlupfwinkeln aufzufinden wissen. Sie ernähren sich vorzugsweise von Kräutern und Gräsern, haben alle sechzehn Füße und suchen zur Verpuppung die Erde auf. Auch die Schmetterlinge leben verborgen und besuchen in der Dunkelheit die Blumen, blühende Getreide- und Grasähren sowie von Blattläusen versüßte Bäume, Sträucher und andere Gewächse, um Honig und Tau zu lecken. Wenn sich nicht eine oder die andere in die menschlichen Wohnungen verflog, sei es, daß sie dem Lichte folgte, oder um ein verstecktes Ruheplätzchen für den Tag zu finden, bleibt die Mehrzahl derselben unsern Augen verborgen. Trotz der Verborgenheit der Raupen machen sich doch manche von ihnen fühlbar durch den Schaden, den sie an den Kulturgewächsen anrichten.
Die lederbraune, bisweilen etwas grau angeflogene Queckeneule ( Hadena basilinea) hat am Vorderrande und im Mittelfelde mehr rostbraune Vorderflügel. Ring- und Nierenfleck sind groß, dieser Heller, besonders saumwärts. Aus der Mitte der Flügelwurzel geht ein schwarzer Strahl aus, sie hat eine »Linie an der Basis« ( basilinea). Die beiden Querstreifen, an den zugekehrten Seiten dunkler eingefaßt, die Wellenlinie, der Zapfenfleck, sie alle sind deutlich zu erkennen. Kleine schwarze Mondfleckchen zwischen den Rippen bilden die Saumlinie, zwei dunkle andere ein Band über den wellenrandigen Fransen. Die glänzend gelbbraunen, saumwärts und auf den Rippen dunkleren Hinterflügel entsenden ihre siebente Rippe aus der vorderen Ecke der Mittelzelle. Die Augen sind nackt und unbewimpert, die Zunge ist stark und die Taster enden mit einem kurzen, geneigten Glieds. Am Vorder- und Hinterrande des Mittelrückens stehen je zwei Haarbüschelchen empor, zwei geteilte Schöpfe bildend, ungeteilte und dunklere auf dem Rücken des dritten und vierten Hinterleibsgliedes. Die Flügelspannung beträgt 39 Millimeter. Nach der Paarung legt das Weibchen mehrere Eier an Grasstengel und Blätter, von denen sich die Raupe später ernährt, dieselben bei Nacht von oben an abfressend, während sie sich am Tage unten verborgen hält. Diese Gräser können auch die angebauten Getreidearten Roggen und Weizen sein. Für diesen Fall fressen sie sich in die noch weichen Körner ein. Solange es ihnen der Raum gestattet, verbergen sie sich in der Ähre und sind schwer zu finden, weil ihre Farbe zur Zeit kaum von der Umgebung abweicht. Die Raupen, die manchmal in großer Menge vorkommen, hat man, nachdem sie aus dem Getreide beim Einfahren desselben herausgefallen waren, an den Hauswänden der Straßen sitzen sehen, durch die die Erntewagen gefahren sind, ebenso an den Wänden und auf dem Boden der Scheunen. Sie haben sich mit Weißbrot, nach der Überwinterung mit junger Saat und Gras füttern lassen. Wenn man sie nicht stört, würden die in den Garben verbliebenen an den Körnern weiterfressen, bis sie in winterliche Erstarrung verfallen, im Frühjahre das Geschäft fortsetzen, einzelne wohl auch das Gras im Freien aufsuchen und sich anfangs Mai verpuppen. Die erwachsene Raupe erscheint nach hinten etwas verengt und in bleich graubrauner, wenig glänzender Grundfarbe, die Rückenhälfte durch unregelmäßige Aderung schwärzlich, durch eine weißliche Mittellinie geteilt, dreimal weiß durchschnitten auf dem glänzend rotbraunen Nackenschilde und der roten Afterklappe. Eine Reihe dunkler Fleckchen hinter den Luftlöchern, eine zweite über den Fußwurzeln unterscheidet man noch außerdem an der lichten Bauchhälfte. Die gedrungene, gelblich-braune Puppe endet in eine unebene Warze, die sechs etwas gekrümmte Borsten bewehren, zwei stärkere nebeneinander inmitten der vier andern. – In ihrer Lebensweise stimmt hiermit eine zweite, der eben beschriebenen Raupe sehr ähnliche überein, aus der sich die mattgezeichnete Eule ( Hadena infesta) entwickelt. Wenn das Getreide gemäht wird, hat sie die Größe von 15 Millimeter erlangt, fällt, um einer andern Art zu gedenken, wie sich dergleichen Raupen zu helfen wissen, aus den Ähren, verbirgt sich unter dem liegenden Getreide, unter Erdschollen usw. und sucht Gras zur weiteren Ernährung auf, wenn sie sich nicht mit einernten läßt. Bis Mitte Oktober, oder bei günstiger Witterung noch länger, frißt sie und überwintert fast erwachsen. Im nächsten Frühlinge ernährt sie sich noch ein Paar Wochen in derselben Weise von Gras und verwandelt sich Ende April oder im Mai in eine hellbraune, schlanke und lebhafte Puppe, die in zwei auswärts gebogene Dornen endigt, die von einigen Borsten umgeben sind. Die gelbgrauen, bräunlich gewölkten Vorderflügel der Eule zeigen am Ende der Wellenlinie eine scharfe ( W) Zeichnung und nach außen bis zum Saume einen schwärzlichen Anflug. Aus den weißlichen Hinterflügeln setzen sich eine Saumbinde und ein Bogenstreifen grau ab. Mittelleibsrücken und vordere Hinterleibsringe tragen schwache Schöpfe.
Die Flohkrauteule oder der Sägerand ( Mamestra persicariae) ist gemein und nicht zu verkennen an den tief blauschwarzen, gelblich marmorierten, wellenrandigen Vorderflügeln, deren weißer, gelblich gekernter Nierenfleck gegen den dunklen Grund gewaltig absticht. Ihre Raupe lebt im Herbste auf den verschiedensten Gewächsen, gern auch in unsern Gärten und verrät sich besonders an den Georginen durch den auf den großen Blättern sich ansammelnden Kot. Sie lebt keineswegs versteckt und zeichnet sich durch das leistenartige Hinterende des vorletzten Leibesgliedes aus, von dem an der Körper schräg nach hinten abfällt, sowie durch eine hellere oder dunklere, bisweilen in Braun übergehende grüne Körperfarbe, die von einer sein lichteren, beiderseits dunkel eingefaßten Längslinie auf dem Rücken durchschnitten wird. Ein nach hinten halbkreisförmig begrenzter, vorn allmählich verwaschener Rückenfleck des vierten und fünften Ringes, der Hinterrand des elften und fast der ganze zwölfte sowie verwischte Schrägstriche unter den Luftlöchern sind braun. Die schwarzbraune, hinten stumpfe Puppe, die hier zwei geknöpfte, etwas auseinander stehende Gabelspitzchen trägt, überwintert in der Erde.
Zwei sehr hübsche Eulen, die in Farbe und Zeichnung wesentlich auseinandergehen, stimmen in ihren Raupen und deren Lebensweise in dem Grade miteinander überein, daß es ungemein schwer wird, sie dann voneinander zu unterscheiden, wenn man sie beide zugleich vor sich sieht. Beide haben schon bedeutenden Schaden an den Wiesengräsern angerichtet, von denen sie sich ernähren, und zwar in sehr verschwenderischer Weise. Sie beginnen nämlich am Grunde des Blattes, dessen Spitze bald verwelkt und ihren Hunger dann nicht mehr stillen kann. Die eine ist die Lolch- oder Futtergras-Eule ( Neuronia popularis oder lolii) und wurde wegen ihres langhaarigen Brustkastens früher den Spinnern beigesellt, zu denen sie trotz der stark gekämmten männlichen Fühler aber nicht gehört. Ihre schön rotbraunen Vorderflügel schimmern pfirsichblütenrot und fallen durch die gelblichweiße Beschuppung aller Rippen, der Wellenlinie und der drei Eulenflecke in einer Weise auf, die sie mit keiner andern Art verwechseln läßt. Der Kopf und schopflose Mittelrücken sind braun und weiß gemischt, die trübweißen Hinterflügel vor dem Saume gebräunt. Das Weibchen übertrifft das Männchen etwas an Größe und hat eine lang vorstreckbare Legröhre, mit der es im August oder September seine zahlreichen Eier tief am Grunde der Graspflanzen unterbringen kann. Aus diesen schlüpfen die Räupchen noch vor Winter aus und durchschlafen denselben je nach dem Herbstwetter in verschiedener Größe. Anfangs Juni habe ich dieselben in hiesiger Gegend fast erwachsen und immer nur einzeln unter Steinen gefunden. Der feiste Körper glänzt bronzebraun auf der durch die schwarzen Luftlöcher begrenzten oberen Seite und wird von drei lichten Längslinien durchzogen, die auf dem Nackenschilde beginnen und sich am Ende der Afterklappe vereinigen; zwischen den beiden äußeren dieser Linien und den Luftlöchern bemerkt man noch eine weniger reine und mehrfach unterbrochene Linie. Ihre Verpuppung erfolgt gleichfalls unter Steinen. Des Nachts kommt sie hervor und befrißt in der angegebenen Weise die Gräser ihrer Nachbarschaft, am liebsten das Queckengras ( triticium repens); mit dem Taumellolch ( Lolium temulentum), von dem sie den Namen hat, konnte ich sie nicht erziehen.
Verrufener als vorige ist die, wie schon erwähnt, ganz gleiche, nur etwas kleinere Raupe der Graseule ( Charaeass graminis), eines mehr im Norden verbreiteten schönen Falters. Er hat behaarte Augen wie der vorige, einen schopflosen, wolligen Mittelrücken, das Männchen gekämmte Fühler. Die Vorderflügel zeichnen sich durch eine staubig olivengrünliche Grundfarbe und sehr veränderliche Zeichnungen aus. Das Mittelfeld und die äußere Hälfte des Saumfeldes sind in der Regel dunkler als die Grundfarbe, die drei Flecken Heller als diese, mehr oder weniger weiß. Der breit gezogene Ringfleck verbindet sich mit dem besonders hellen Nierenflecke durch die hier fast weiße Mittelrippe. Wellen- und Querlinien lassen sich nicht wahrnehmen, dagegen bisweilen eine Saumlinie, gebildet von dunkleren Längsfleckchen zwischen den Rippen. Die weißgelb befransten, gelblichgrauen Hinterflügel werden nach der Wurzel hin Heller. Im Juli und August entschlüpft das zierliche Eulchen seiner glänzend rotbraunen, in zwei Hakenspitzchen endenden Puppe und fliegt manchmal im Sonnenscheine an Wiesenblumen. Schweden und andere Teile des nördlichen Europa, besonders aber Nordamerika, haben öfter von den Raupen leiden müssen als unsere deutschen Wiesen. Vom Jahre 1771 berichten die Jahrbücher aus der unteren Wesergegend und später (1816 und 1317) aus dem braunschweigischen Anteile des Harzes böse Dinge von ihnen. Bei Bremen hatten sie in einer Nacht zwei Morgen Wiesen verwüstet und saßen so gedrängt beieinander, daß auf dem Räume einer ausgebreiteten Hand zwölf und mehr Stück gezählt werden konnten. In der Harzburger Gegend zeigten sie sich 1816 in unglaublichen Mengen. Die an ihren Weideplätzen vorbeiführenden Wege wurden schlüpfrig und kotig, und handhoch füllten sich die Wagengeleise. Das Jahr darauf fraßen sie mehr denn dreitausend Waldmorgen Wiese gänzlich ab, da man nichts gegen sie getan, sondern die Zeit mit Beratungen hatte hingehen lassen. Alle Vorsichtsmaßregeln, die man für das dritte Jahr gegen sie getroffen hatte, kamen zu spät; denn die Raupen waren auf ihr ursprüngliches Maß zurückgeführt. Man vermutete, daß ein achtundvierzigstündiger Regenguß Mitte Mai, infolge dessen Flüsse und Bäche aus ihren Ufern traten, den Verheerungen ein Ende gemacht habe. – Wir kennen noch einen schwarzbraunen Schmetterling ( Neuronia caespitis), dessen Wellen- und Querlinien wie die Umsäumungen der Flecke fein gelb hervortreten. Er ist viel seltener, seine Raupe dem äußeren Ansehen und der Lebensweise nach aber die dritte im Bunde.
Einen wesentlich andern Eindruck macht die Mangoldeule oder der Agatvogel ( Brotolomia meticulosa), bei dem sich der Saum der Vorderflügel in einer Weise auszackt, wie es bei den Eulen nur selten vorkommt. Dieselben tragen sich rötlich ledergelb, im Mittelfelde olivenbraun. In der dachförmigen Ruhelage falten sie sich ein wenig der Länge nach. Die Hinterflügel sind licht ledergelb, am Saume verwischt dunkler gestreift. Den Rücken des Mittelleibes ziert vorn ein schneidiger Längskamm, der sattelartig nach hinten aufsteigt und in einen abgestutzten Querwulst endigt. Die Augen sind nackt und unbewimpert, die Zunge stark. Diese schöne Eule erscheint zweimal im Jahre, zuerst im Mai und Juni, dann wieder im August und September. Von der zweiten Brut überwintert die Raupe. Sie schwankt in der Färbung zwischen Grün und Zimtbraun, hat eine gelbe, nach oben dunkler besäumte Seitenlinie über den Füßen, eine Weiße, unvollkommene Linie längs des Rückens und oben dunkle, nach vorn offene Winkelzeichnungen. Sie frißt allerlei niedere Pflanzen und kommt vereinzelt fast überall in Deutschland vor.
Interessant durch die Lebensweise ihrer Raupen wird die Sippe der Rohreulen ( Nonagria), zeichnungslose, graugelb, wie trockenes Schilfrohr aussehende Schmetterlinge, die sich durch nackte, unbewimperte Augen, einen vorstehenden Stirnschopf, unter dem sich eine wagerecht vortretende, viereckige Hornplatte versteckt, durch einen gewölbten, glattwolligen Mittelleibsrücken und einen gestreckten Hinterleib auszeichnen, für den Sammler aber noch die üble Eigenschaft an sich haben, daß sie leicht ölig werden. Sie fliegen bei Nacht vom August bis zum Oktober nur in der Nähe ihrer Geburtsstätten und breiten sich weit aus, einige Arten jedoch nur im nördlichen Deutschland. Ihre Raupen leben bohrend im Rohrstengel von Schilf und schilfartigen Gräsern, die dadurch an den Spitzen der Blätter vergilben. Abgeschlossen vom Lichte haben sie bleiche Farben und ein wurmartiges Ansehen. Sie verpuppen sich auch in ihrer engen Klause, nachdem sie vorher ein Flugloch für den Schmetterling genagt haben, das durch die Oberhaut des Stengels verschlossen bleibt oder durch Bohrspäne verstopft wird. Je nach der Art liegt die Puppe gestürzt unmittelbar über diesem Loche, oder aufrecht gleich darunter. Zu den verbreitetsten und größten Arten gehört die 39 Millimeter spannende gemeine Rohrkolbeneule ( Nonagria typhae). Die schilffarbenen bis rotgrauen, neben den weißlichen Rippen mehr oder weniger dunkel bestäubten Vorderflügel haben eine stumpfe Spitze und einen ziemlich geraden, schwach gewellten Saum, an dem zwei Reihen schwarzer Pünktchen stehen. Statt der vorderen Querlinie bemerkt man sehr einzelne, an Stelle der hinteren zahlreichere schwarze Punkte, Pfeilfleckchen vertreten die Wellenlinie. Eine helle Stelle deutet den Nierenfleck an, und bisweilen markiert sich in gleicher Weise sein runder Nachbar. Die gelblichen Hinterflügel haben eine dunklere, von den Rippen lichter durchschnittene Saumbinde; Federbüschchen und je zwei längere Borsten zieren die Kammzähne der männlichen Fühler. In den beiden Rohrkolbenarten ( Typha latifolia, und angustifolia) lebt die schmutzigfleischfarbene Raupe. Drei lichte Rückenlinien, schwärzliche Luftlöcher, ein bräunliches Nackenschild und eine noch dunklere Afterklappe bringen wenig Abwechslung in das eintönige Kleid. Die schlanke, gelbbraune Puppe, die sich durch eine stumpf nach oben gerichtete Rüsselscheide und eine nabelartige Erhöhung gegen das Leibesende hin auszeichnet, steht auf dem Kopfe, mithin über dem Flugloche. Trotz der Abgeschlossenheit der Raupe ist sie vor feindlichen Nachstellungen nicht sicher. Man erzieht nicht selten aus der Puppe (diese nur darf man einsammeln, wenn man den Schmetterling zu haben wünscht) eine Schlupfwespe, den Exephanes (Ichneumon) ocoupator. – Sehr eng an die Nonagrien schließen sich die Leucanien an, teils durch die Tracht und Färbung der Schmetterlinge, teils durch die Lebensweise der Raupen, die jedoch meist außen an den Grasblättern fressen; jenen fehlen die Stirnplatte, den männlichen Fühlern die Zähne, und gewisse andere Eigentümlichkeiten lassen eine Vereinigung beider Gattungen nicht zu. Eine Art, die Leucania extranea, hat durch ihre Verheerungen als Raupe, namentlich in den westlichen Staaten Nordamerikas (1861), unter dem Namen des amerikanischen Heerwurmes ( Army worm) eine gewisse Berühmtheit erlangt. Diese Raupe nährt sich, wie die unserer heimischen Arten, von Gräsern und hat in der kürzesten Zeit ganze Wiesen verheert; gebricht es ihr dann an Futter, so wandert sie nach andern Weideplätzen aus und fällt auch über Roggen, Mais und Sorghum her. Nach einem Bericht aus jenem Jahr hat ein solcher Raupenzug in der Zeit von zwei Stunden sechzig englische Ellen (Yards) zurückgelegt. Man sah die Raupen in drei Schichten übereinander fortrücken und manchmal eine halbe englische Meile weit von einem Orte zum andern wandern. Der Schmetterling legt seine Eier im Juni oder Juli an die Grashalme, und im nächsten Frühjahre entwickeln sich die Raupen aus denselben. Man brennt deshalb im Spätherbste oder Winter die trockenen Grasstoppeln an solchen Stellen, wo sich die Raupen gezeigt haben, als Vorbeugungsmittel gegen weiteren Schaden ab.
In den achtziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts richtete in den fränkischen und sächsischen Kiefernwaldungen plötzlich eine Raupe so gewaltige Verheerungen an, daß die dortigen Behörden ihre Naturgeschichte untersuchen ließen, um womöglich den weiteren Verwüstungen derselben ein Ziel zu setzen. Man schlug die Akten nach und fand, daß dieselben Raupen schon 1725 die Föhrenwälder verheert hatten, und zwar binnen vierzehn Tagen im Juli mehrere hundert Morgen. Die Raupen saßen auf den Gipfeln der höchsten Bäume und fraßen die Nadeln von der Spitze an ab, bis jene in kurzer Zeit kahl und wie verbrannt aussahen und – nach einigen Jahren abstarben. Im August ließen die Raupen vom Fraße ab, wurden matt und fielen in solchen Mengen herunter, daß der Boden von ihnen schwarz gefärbt wurde. Die gesunde Raupe hat nichts Schwarzes an sich, den grünen Körper durchziehen mehrere weiße Rückenlinien und ein orangenfarbener Streifen in den Seiten. In jenem zuerst genannten Jahre geschah es auch, daß in der Kurmark, einem Teile der Neumark und Vorpommerns, sowie in der Görlitzer Gegend die Forsten durch dieselbe Raupe und stellenweise ganz besonders durch die früher erwähnte des Kiefern spinners dem Verderben preisgegeben waren. Seitdem ist sie dann und wann, so 1808 und 1815 wieder in Franken, in letzterem Jahre auch in Ostpreußen, in den dreißiger Jahren besonders in Pommern, Mecklenburg, in der Uckermark und um Berlin, in den fünfziger Jahren in Preußen, Posen, abermals in der Mark Brandenburg in Bedenken erregenden Massen aufgetreten und hat für lange Zeit die Spuren der Verwüstung zurückgelassen. Ohne sehr bemerklich zu werden, findet sie sich von Ende Mai bis Mitte Juli wohl in allen Kiefernwäldern und hält sich am liebsten in den dreißig- bis vierzigjährigen Beständen auf. Die jungen Räupchen spinnen die Nadeln zusammen, lassen sich zur schnelleren Fortbewegung oder zu ihrem Schutze an Fäden herab, haben einen spannerähnlichen Gang und bohren sich zum Teil bei dem Fuße tief in den Maitrieb, der durch Braunwerden sein Absterben verrät. Dies alles läßt sich im Freien weniger wahrnehmen, da sie ihr Unwesen hoch oben auf den Bäumen treiben, aber in Raupenzwingern angestellte Beobachtungen haben es gelehrt. Erwachsen erreichen sie ungefähr die Länge von 35 Millimeter und kommen herab, um sich unter Moos in einer Höhlung in eine anfangs grüne, später dunkelbraune Puppe zu verwandeln, die auf dem Rücken ihres vierten Hinterleibsringes ein nach hinten durch einen Wulst begrenztes Grübchen erkennen läßt und überwintert. Die am Schlusse jener amtlichen Mitteilung erwähnte Erfahrung hat sich später vielfach wiederholt. Man hat die Raupen vertrocknet an den Nadeln hängend oder auf dem Boden reichlich ausgestreut und faulend gefunden und diesen Umstand zum Teil auf Rechnung feuchter und kalter Witterung bringen können, die gerade diese Raupe wenig verträgt, zum Teil aber auch für eine unter ihnen ausgebrochene Epidemie erklären wollen. Weiß doch die Natur überall Rat, das irgendwo gestörte Gleichgewicht bald wiederherzustellen. Es versteht sich von selbst, daß in solchen Fällen ihre sichtbaren Hilfstruppen nicht fehlen; denn Tausende und abermals Tausende von kleineren und größeren Schlupfwespen umschwärmen die belagerten Bäume und bringen ebenso vielen Raupen einen gewissen Tod. Man kennt einige dreißig verschiedene Schmarotzer an dieser Art, die fast alle in der Puppe zu ihrer vollkommenen Ausbildung gelangen. Wenn gegen Ende März die Sonne mehrere Tage hintereinander warm geschienen, so kommt die Forleule, Kieferneule ( Trachea piniperda), denn ihr gehört die besprochene Raupe an, schon in diesem Monate, sicher aber im folgenden zum Vorschein. Sie schließt sich den buntesten Eulen an, sitzt mit dachförmigen Flügeln an den Kiefernstämmen oder zwischen den Nadeln und durchstreift auch bei Tage nach blühenden Weidenkätzchen ihr Revier. Man findet kaum zwei Stück, die vollkommen gleich wären, so ändert sie in Färbung und Zeichnung ab. Im allgemeinen sind die Vorderflügel und der zottige, schopflose Brustkasten zimtrötlich gefärbt mit gelbgrauer Beimischung; die innere Beschattung der Wellenlinie ist rotbraun, jeder der beiden großen vorderen Flecke weiß. Der Hinterleib und dessen benachbarte Flügel sind einfarbig dunkel graubraun. Durch die Bemerkung, daß die Augen behaart, die kurzen, dünnen Fühler bei dem Männchen etwas perlschnurartig und bewimpert sind und die kurzen Taster sich in der wolligen Behaarung verstecken, möge das Bild der Kieferneule vervollständigt sein. Im Mai legt das Weibchen seine Eier, sechs bis acht aneinander gereiht, an die Nadeln.
Die Gefräßigkeit der Raupen, fast sprichwörtlich geworden, kennt jedermann, denkt aber dabei an die ihm vielleicht verunstalteten Ziergewächse seines Blumengartens, an die fehlgeschlagene Obsternte oder an die eben geschilderten Verwüstungen im Forst. Im Jahre 1924 richtete die Forleule in den masurischen Forsten wieder ungeheure Verwüstungen an. Ein viele Quadratkilometer großes Kieferngebiet ist von ihnen radikal abgefressen worden, so daß die kahlen Stämme gefällt werden mußten. Hrsgbr. Daß eine Raupe die andere auffrißt, weiß nur der Sammler und Züchter solchen Geziefers und lernt diese löbliche Eigenschaft auch nur bei gewissen von ihnen kennen. Dieselben hat er zu fürchten, denn er darf darauf rechnen, daß, wenn er eine einzige dieser Mordraupen mit andern zugleich in dieselbe Schachtel einschloß, um sie heimzutragen, unterwegs ein Teil der mühsam errungenen Ausbeute zugrunde gerichtet wird. Ich zweifle, ob in freier Natur, wo unter den Kerfen Mord und Raub zum gewöhnlichen Handwerk gehören, dergleichen Raupen sich an andern vergreifen, da jede der andern leicht ausweichen kann; in der Gefangenschaft gehört es aber zu den gewöhnlichen Erscheinungen, zumal wenn viele in einem Behälter beisammen sind, auch unter der Voraussetzung, daß es keiner an grünem, frischem Futter gebricht. Delessert teilt eine Beobachtung mit, die das Grauenhafte der Gefräßigkeit in volles Licht stellt. Eine Mordraupe ( Scapelosoma satellitia), nachdem sie sich an einer andern Raupe fettgefressen hatte, wurde mit einer zweiten Mordraupe ( Cosmia trapezina) zusammengesperrt, von dieser an der Seite angefressen, daß die Eingeweide heraushingen, dann aber vom Ende her nach und nach aufgezehrt. Um die Lebenszähigkeit dieses Opfers festzustellen, wurden ihm die eigenen Eingeweide vorgelegt. Die Raupe fraß dieselben auf, während sie von hinten her selbst mehr und mehr verschwand; erst dann, als ihr der Kopf und der Halsring allein noch übrig waren, hörten die Bewegungen der Kinnbacken auf. Dieses Doppelmahl nahm einen Zeitraum von zwei Stunden in Anspruch. Die letztgenannte Gattung enthält mehrere Arten, deren Larven sämtlich den Mordraupen angehören, so die im Mai auf Rüstern lebende, ihrem äußeren Ansehen nach recht artige Raupe der Feldulmeneule ( Cosmia diffinis). Dieselbe, mit glänzend braunem Nackenschilde und schwarzbraunem Kopfe, ist auf gelbgrünem Grunde von fünf weißen Längslinien in gleichen Abständen durchzogen und mit braunen, behaarten Wärzchen in weißen Fleckchen bestreut. Eine lichte, gabelförmige Stirnzeichnung und braune Luftlöcher vollenden ihre Ausstattung. Nicht minder zierlich, glatt und kastanienbraun glänzend, rotgrau angeflogen, besonders am Innenrande, nimmt sich der Schmetterling aus, den am gelbgrauen Vorderrande zwei große weiße Flecke, die Anfänge der Querlinien, deren hintere stark gebrochen ist, kenntlich machen. Die Stirn beschuppt sich anliegend, der schopflose Mittelleib wird von feinen, glatt gestriegelten Haaren bedeckt, und die Taster, ebenfalls glatt beschuppt, steigen stark auf. Von noch zwei Rüstern bewohnenden Brüdern ( Cosmia affinis und pyralina), die mit ihm im Juli erscheinen, ist er der seltenste, aber entschieden auch der hübscheste; jener hat sehr schwache weiße Fleckchen am Vorderrande der Vorderflügel, dieser gar keine.
Man hat unter dem Gattungsnamen Agrotis, der sich am besten durch Ackereule verdeutschen läßt, eine große Menge von Eulen vereinigt, deren viele schmutzig und unscheinbar aussehen, grau wie der Erdboden, auf dem sie sich, unter Laub versteckt, am liebsten aufhalten; andere wieder genießen den bei Eulen im allgemeinen seltenen Vorzug, daß ihre Hinterflügel bunt gefärbt sind, gelb mit einer schwarzen Saumbinde. Wenn sie somit das Kleid, das in einer wissenschaftlichen Einteilung überhaupt nicht maßgebend sein darf, nicht vereinigt, so stimmen sie in andern Merkmalen, wenn auch nicht ausnahmslos, mehr überein. Ein kräftiger Körperbau, ein anliegend behaarter Kopf und Mittelleib, welch letzteren kein schneidiger Längskamm auszeichnet, nackte, unbewimperte Augen, aufsteigende Taster mit geneigtem Endglied, ein schopfloser, oft breitgedrückter Hinterleib, unten behaarte Schenkel, die Mittel- und Hinterschienen mit Dornenborsten bewehrt und, wie bei so vielen andern, die siebente Rippe der Hinterflügel aus der vorderen Ecke der Mittelzelle entspringend, das dürften in der Hauptsache die körperlichen Eigenschaften sein, die wir bei ihnen antreffen. Nehmen wir nun noch dazu die bereits erwähnte Art, sich bei Tage zu verbergen, die auf dem Rücken wagerecht übereinandergelegten Flügel, wenn sie ruhen, die zitternde Bewegung, die sie mit denselben vornehmen, wenn sie am Tage gestört werden, bevor sie aufgehen, ein Stück hinfliegen, um sich dann wieder an der Erde zu verkriechen, und das sehr versteckte Wesen ihrer nur Kräuter oder Gras fressenden, nackten und feisten Raupen, die meines Wissens nach ohne Ausnahme überwintern und sich dann in der Erde verpuppen: so vereinigen sich eine Menge Umstände, die ihre Zusammengehörigkeit außer Zweifel setzen. Der Raum gestattet leider nicht, mehr als ein paar der gewöhnlichsten Arten näher vorzuführen.
Das Erdfahl, die Hausmutter ( Agrotis pronuba), fälschlich von der sammelnden Jugend auch als gelbes Ordensband bezeichnet, weil die ockergelben Hinterflügel eine schwarze Saumbinde tragen, erscheint in zwei Abänderungen; bei der einen ( Agrotis innuba) sind die Vorderflügel fast einfarbig, rötlich lederbraun; die andere, schärfer gezeichnete, hat auf den genannten Flügeln eine rotbraune, graubraune bis ins Schwarze ziehende Grundfarbe, die im Wurzel- und Mittelfelde mehr oder weniger aschgrau gemischt ist. Bei beiden Formen ist das Mittelfeld mehr oder weniger dunkel quergestrichelt, der Nierenfleck licht und außen noch dunkel umzogen, oft schwärzlich ausgefüllt, im Innern weißlich bestäubt und die Wellenlinie wurzelwärts scharf schwarzgefleckt. Die Flügelspannung beträgt ungefähr 58 Millimeter. Im Juni und Juli trifft man diese Eule überall und nicht selten. Bei ihren nächtlichen Flügen gelangt sie auch in die menschlichen Wohnungen und setzt sich beim Grauen des Morgens in ein düsteres Winkelchen. Ihre schmutzigbraune Raupe trägt eine helle Rückenlinie, oben schwarze, unten weißliche Längsstriche daneben und von da nach unten und rückwärts gewendete, dunkle Schrägstriche; hinten treten diese Zeichnungen viel schärfer hervor als auf den vorderen Gliedern. Ungefähr noch sechs andere Arten, deren einige sehr schöne, gesättigte Farben auszeichnen, alle mit gelben Unterflügeln, werden auch unter den Gattungsnamen Triphaena von den übrigen abgeschieden.
Die Wintersaateule ( Agrotis segetum) möchte ich darum nicht unerwähnt lassen, weil ihre Raupe auf dem Feld und im Garten fast alljährlich, einmal in dieser, das andere Mal in einer andern Gegend nicht nur lästig, sondern höchst schädlich wird. Sie ist erdfahl, braun, reichlich mit Grau und etwas Grün gemischt, die Haut durchscheinend und stark glänzend, das Nackenschild dunkler als der Körper, die Afterklappe dagegen nicht. Die Hornfleckchen (Warzen) auf den Gliedern fallen, weil kaum dunkler als der Grund, wenig in die Augen. Ihre Anordnung stimmt bei allen derartigen Raupen in folgender Weise überein: auf dem Rücken des zweiten und dritten stehen vier in einer Querlinie, von da bis zum neunten einschließlich zwei große, unter sich entferntere hinten, zwei kleinere, einander mehr genäherte vorn, auf dem zehnten findet kein Unterschied in den Entfernungen der Paare statt, und auf dem elften treten die vorderen weiter auseinander als die hinteren. Aus jedem dieser Hornplättchen, deren andere noch in den Seiten sich reihen, entspringt ein Borstenhaar, über die beiden äußeren der durch jene Anordnung entstehenden vier Warzenreihen laufen zwei schmale gelbliche, aber verwischte Längsstreifen. Die Raupe wird bis 52 Millimeter lang und so dick, wie ein kräftiger Gänsekiel. Von August bis Oktober, bei anhaltend milder Witterung auch bis zum November, macht sie sich durch ihren Fraß am Winterraps und Rübsen, an den verschiedenen Rüben, Kohlarten, Kartoffeln und der Wintersaat auf den Feldern, an allerlei Pflanzen in den Gärten bemerklich, ohne sich äußerlich blicken zu lassen; denn sie verbirgt sich bei Tage unter Steinen und Erdschollen oder, wo diese fehlen, flach unter der Erde an der Wurzel ihrer Futterpflanze und kommt nur des Nachts hervor, um dieser sich zu bemächtigen. Ich fand sie nicht selten noch unter halbwüchsig und dann von bedeutend dunklerer Farbe am 20. Juli an Zuckerrüben. Nirgends geht sie die Wurzel an, wie man meinen sollte, da die Sammler sie und ihresgleichen als »Wurzelraupen« bezeichnen, sondern frißt die junge Pflanze über der Wurzel ab und zieht, das Herz verzehrend, die oberirdischen Teile, so weit sie folgen, in ihr Lager, wie der Regenwurm auch tut, oder faßt umgekehrt dieselben von oben an, sich nach unten hineinbohrend. In Rüben und Kartoffeln arbeitet sie, wie der Engerling, Löcher und höhlt letztere manchmal ganz aus. Erwachsen überwintert sie, und nur in seltenen Fällen gelangt sie noch zur Verpuppung, in noch selteneren zum Schmetterling. Die am 20. Juli in Zuckerrüben gefundenen Raupen hatte ich eingezwingert und später das betreffende Glas offen auf einem Tisch stehen. Am Abend des 15. September schwärmte zu meiner nicht geringen Verwunderung eine Wintersaateule um meine Lampe, und beim Nachsuchen im offenen Behälter fand sich die leere Puppenhülse.
Nach gewöhnlichen Verhältnissen verwandeln sich die aus dem Winterschlafe erwachten Raupen in leicht zerbrechlicher Erdhöhle zur Zeit, wo die Rübsaat in den Gipfeln ihre Blüten zu entwickeln beginnt. Die gedrungene, glänzend gelblichrote Puppe endigt in zwei kurze, etwas auseinandergehende Dornspitzchen. Nach ungefähr vier Wochen Ruhe schlüpft der unansehnliche, 44 Millimeter spannende Schmetterling aus. Seine Vorderflügel sind gleichmäßig heller oder dunkler graubraun und schillern bei dem meist helleren Männchen gelblich. Die beiden Querlinien, dunkler eingefaßt, treten bei den dunklen Stücken nur undeutlich hervor, dagegen lassen sich die beiden vorderen Flecke infolge ihrer schwarzen Umsäumung gut erkennen. Die Wellenlinie ist etwas heller und verläuft, abgesehen von zwei stumpfen Ecken nach außen (dem stumpfen W), vom Saum ziemlich gleich entfernt. Die Linie auf diesem besteht aus dunklen Dreieckchen zwischen den Rippen. Beim Männchen bleiben die Hinterflügel weiß mit Ausschluß der gelblich leicht bestäubten Rippen und des Außenrandes, beim Weibchen erscheinen sie durch stärkere Bestäubung auf der ganzen Fläche wie angeräuchert. Dort tragen außerdem die Fühler bis über die Mitte etwas keulenförmige, immer kürzer werdende, bewimperte Kammzähne. Man begegnet von der zweiten Hälfte des Mai (1862 schon am vierten des genannten Monats) diesem traurigen Proletarier, häufiger im Juni, aber auch im Juli und August, ja, im trockenen Jahre 1865 fand ich ihn noch einzeln im September, am 18. Oktober ein ganz frisches Weibchen unter dem Grase und am letzten Tage des genannten Monats ein abgeflattertes Männchen. Nach dem vorher Gesagten stammten diese Nachzügler ganz entschieden von einer zweiten Brut, deren Nachkommen natürlich bedeutend kleiner durch den Winter kommen müssen und Spätlinge für das nächste Jahr liefern. Die Wintersaateule ist nicht nur über ganz Europa, sondern auch über einen großen Teil von Asien sowie über Südafrika und Nordamerika verbreitet, gehört also entschieden zu den Weltbürgern.
Man darf indes nicht meinen, daß die im obigen Sinne geführten Klagen über Schädigungen an unsern Kulturpflanzen die eben besprochene Raupe allein treffen. Es gibt noch mehrere ihr sehr ähnliche, ebenso schmutzige und schwer durch Wort oder Bild untrüglich wiederzugebende, die mit ihr gleichzeitig oder einige Wochen später leben und nicht minder unschönen Ackereulen angehören, wie beispielsweise dem Ausrufezeichen ( Agrotis exclamationis), dessen sonst fast zeichnungslose, gelblich rotgraue Vorderflügel nur die drei dunkleren Eulenflecke tragen, oder der rindenfarbigen Ackereule ( Agrotis corticea), die etwas in Größe hinter den vorigen zurückbleibt, sonst sich von der Wintersaateule eigentlich nur dadurch unterscheidet, daß die Hinterflügel in beiden Geschlechtern braun aussehen.
Die Goldeulen, Plusien ( Plusia), sind über alle Erdteile verbreitet und auch in Europa durch zahlreiche Arten vertreten; sie zeichnen sich größtenteils durch metallisch glänzende Flecke auf ihren Vorderflügeln vorteilhaft aus; es kommen Bildungen, beispielsweise den griechischen Buchstaben γ, ν oder λ ähnlich, vor, die aus dick aufgetragenem Gold oder Silber zu bestehen scheinen. Auf dem schlanken Hinterleibe erheben sich starke Schöpfe. Die Schulterdecken bestehen aus drei mehr oder weniger deutlichen Lagen von Haaren, deren Ränder sich markieren und von denen die vordere Reihe mit der vorderen Behaarung des Mittelrückens gewissermaßen einen zweiten Halskragen bildet. Die aufsteigenden Taster erreichen bei den verschiedenen Arten sehr verschiedene Länge, stehen z. B. bei der prächtigen, blaßgoldenen Plusia moneta wie ein paar krumme Säbel vor und über dem Kopfe. Diese schönen Eulchen ruhen mit steil dachförmigen Flügeln, und viele von ihnen fliegen auch bei Tage. Die Raupen kennzeichnen ein kleiner Kopf, überhaupt ein nach vorn verjüngter Leib und das Schwinden der vordersten Bauchfüße, so daß sie spannerartig kriechen und gern mit buckelig emporgezogenem Vorderkörper ruhen. Sie leben alle frei an Kräutern und fertigen meist an der Futterpflanze ein lockeres Gespinst für die Puppe. Diese hat eine stark entwickelte Rüsselscheide und bedarf nur kurzer Zeit zu ihrer Entwicklung.
Das Gamma, die Ypsilon-Eule ( Plusia gamma) gehört zu den Arten, deren Vorderflügel ein dicker Silberbuchstabe in Form des griechischen γ ( gamma) auszeichnet, und dürfte gleichzeitig die gemeinste und verbreitetste von allen sein; denn sie fliegt auch in Nordamerika. – Das Gamma begegnet uns in Feld und Wald, auf Wiesen und in Gärten, im Sonnenschein nicht minder, wie am frühen und späten Abend in scheuem und hastigem Fluge und saugt geschäftig an allen möglichen Blumen Honig. Wird es in seiner Ruhe gestört – denn es sitzt bei Tage auch still unter einem Blatte –, so fährt es auf, setzt sich aber bald wieder nieder, und noch unschlüssig, ob es weiterfliegen soll, zittern die Flügel krampfhaft, und die Fühler bleiben vorgestreckt; erst wenn es sich sicher fühlt, legt es letztere an den höckerigen Brustkasten, jene dachartig über den braungrauen Hinterleib. Wie wir das Gamma zu jeder Tageszeit antreffen können, so auch fast zu jeder Jahreszeit, natürlich innerhalb der Grenzen des bemerkbaren Insektenlebens. Aus diesem Grunde und weil in den warmen Monaten die Entwicklung sehr rasch vonstatten geht, kommen während derselben alle Zustände gleichzeitig vor, so daß es schwierig ist, mit Sicherheit die Zahl der Bruten anzugeben. Für gewöhnlich nimmt man an, daß die Raupe überwintere, ich fing aber am 7. Mai 1865 einen Schmetterling, der seinem Ansehen nach kein Kind des Frühlings war, während ein anderer, am 1. Oktober 1874 gefangener, vor kurzem erst der Puppe entschlüpft sein mußte und entschieden nur nach der Überwinterung seinen Lebenszweck erfüllen konnte. Die Vorderflügel sind grau, heller und dunkler braun marmoriert und rostbraun gemischt, außer dem γ oder y sind die feinen, lichten Zeichnungen silbern. Die an der Wurzel hellbraunen Hinterflügel werden nach dem Saum hin bindenartig dunkler samt der Wurzel der weißen Fransen. Die gelbgrüne, der Länge nach weißgestreifte Raupe schnürt sich in den Gelenken ein und frißt an den verschiedensten Kräutern, manchmal in verheerender Weise. So hat sie 1828 in Ostpreußen die Leinfelder vernichtet, anderwärts Hanf, Raps, Hülsenfrüchte usw. stark beschädigt; vor einigen Jahren trat sie wiederholt auf den Zuckerrübenfeldern in den Herzogtümern Sachsen und Anhalt verheerend auf, und als ich vor wenigen Jahren aus Raupen, die an Weidengebüsch häufig saßen und meiner Meinung nach einer andern Goldeule angehörten, die in ihren Raupen zum Teil einander ungemein nahestehen, unsern Proletarier erzog, mußte auch eine Holzpflanze unter den Küchenzettel seiner Raupe aufgenommen werden, was bisher neu war.
Die größten Eulen, denen gleichzeitig ihre Hinterflügel einen bestimmten Charakter aufprägen und den größten Schmuck verleihen, hat man Ordensbänder ( Catocala) genannt und sie weiter als blaue, gelbe und rote unterschieden. Das blaue Ordensband ( Catocala fraxini), das größte von allen, denn es kann 105 Millimeter und darüber spannen, wird ohne Mühe an der breit lichtblauen Binde, die mitten durch die schwarzen Hinterflügel geht, erkannt, die übrigen Arten führen auf den gelben oder roten in Betracht kommenden Flügeln außer der schwarzen Saumbinde noch eine zweite, mehr oder weniger gezackt durch die Mitte verlaufende. Eine der gemeinsten Arten, das rote Weiden-Ordensband ( Bachweideneule, Frau, Catocala nupta). Die Vorderflügel bieten in ihrem grauen Gewande wenig Abwechslung, lassen jedoch die gewöhnlichen Eulenzeichnungen außer dem Ring- und Zapfenflecke deutlich erkennen. Die bogig weiß befransten Hinterflügel sind lebhaft blutrot und unterscheiden sich durch die etwas anders verlaufende, besonders knieförmig gebogene Mittelbinde von einer zweiten, sehr ähnlichen Art ( Catocala elocata). Von Mitte Juli ab kann man dieses stattliche Tier an Baumstämmen, in Winkeln der Häuser, unter Wetterdächern mit angezogenen Flügeln ruhen sehen; dieselben sind zu groß, um im gewöhnlichen Sinne dachförmig den Leib zu bedecken. Naht man der betreffenden Stelle, husch, so ist es auf und davon, mit öfters hörbarem Flügelschlage sucht es sich hastig einen sichereren Platz; denn es ist sehr scheu wie alle seine Brüder. Mit einbrechender Dunkelheit umflattert es von freien Stücken, einer kleinen Fledermaus gleichend, die Bäume und sucht seine andere Hälfte; daß bereits befruchtete Weibchen aber Rindenrisse eines Pappel- oder Weidenstammes, um hier einige Eier abzulegen, nie viele an einer Stelle. Hier verbringen dieselben ohne weiteren Schutz, als ihnen die Borke bietet, den Winter und beleben sich erst im Frühling, wenn die jungen Blätter den Räupchen das nötige Futter gewähren. Bis Mitte Juni sind sie erwachsen. Am Tage ruhen sie lang ausgestreckt am Stamme, des Nachts begeben sie sich höher hinauf. Um sie vor feindlichen Angriffen einigermaßen zu schützen, verlieh ihnen die Natur ungefähr dieselbe Farbe, die der Baumstamm auch hat; überdies zeichnen sie sich durch Fransen aus, die seitlich am Bauche stehen und dann besonders als ein schmaler Rand erscheinen, wenn der Bauch glatt auf seine Unterlage angedrückt wird. Faßt man eine Ordensraupe an, so schlägt sie mit dem Vorder- und Hinterteile des Körpers um sich, gerade so wie ein mitten im Körper gehaltener Fisch, beißt auch, wenn sie den Finger fassen kann; kurz, sie gebärdet sich sehr wild. Unter Rinde, Moos oder dürrem Laube zieht jede schließlich einige Fäden um sich und wird zu einer schlanken, bläulich bereiften Puppe. In der angegebenen Weise treiben es alle Ordensbänder, nur an zum Teile andern Futterpflanzen (Eichen, Pflaumen usw.); die gelben, überall selteneren, erreichen nicht die Größe der andern, sondern haben durchschnittlich nur 52 Millimeter Flügelspannung. Nordamerika ernährt gleichfalls viele Arten.
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Weil es bei den Schmetterlingen, besonders wenn man die ausländischen nicht gänzlich außer acht lassen will, überhaupt schwierig wird, die Familien mit wenigen Worten zu kennzeichnen, da Übergänge nach allen Seiten hin eine scharfe Abgrenzung nicht wohl gestatten, so können auch die Merkmale der Familie der Spanner ( Geometridae) hier unmöglich in einer allgemeinen Schilderung erschöpft werden. Der dünne Leib der meisten und die breiten Flügel, deren Hintere in Färbung den vorderen gewöhnlich gleich-, in Zeichnungsanlage wenigstens nahekommen, erinnern an die Tagschmetterlinge, von denen sie sich jedoch durch die borstigen oder bei manchen Männchen gekämmten Fühler wesentlich unterscheiden. Den Eulen stehen sie in mehr als einer Hinsicht schon ferner; zwar fehlt es nicht an Querbinden auf den Flügeln, wohl aber an den Flecken, statt deren sich die Linien vermehren. Die dickleibigeren, die nicht selten vorkommen, haben oft große Spinnerähnlichkeit, daher man hier eine größere Menge von Merkmalen zu Hilfe nehmen muß, um einer Verwechslung vorzubeugen. Die Spanner stimmen der Hauptsache nach in folgenden Merkmalen überein. Am kleinen Kopfe, der keine Nebenaugen auf dem Scheitel verbirgt, treten die Taster nur wenig vor, die Zunge dagegen durchläuft die verschiedensten Stufen der Vollkommenheit. Im Vorderflügel zählt man elf oder zwölf Rippen, darunter nur eine des Innenrandes, das Vorkommen von nur zehn gehört zu den Seltenheiten. Dem breiten, kurzbefransten Hinterflügel kommen eine Haftborste, höchstens zwei Innenrandsrippen und außerdem noch sechs oder sieben andere zu; von jenen beiden pflegt die erste in der Mitte des Innenrandes, die zweite in den Innenwinkel zu münden. Die Vorderrandsrippe kommt aus der Wurzel und berührt in der Regel die vordere Mittelrippe bald nach ihrem Ursprung auf einer kurzen Strecke, oder sie entspringt aus ihr selbst, ein Unterschied, der die Systematiker veranlaßt hat, zwei Hauptabteilungen darauf zu gründen. Die meisten Spanner tragen in der Ruhe ihre zarten Flügel etwas ausgebreitet, wenn auch nicht so weit, wie wir sie in Sammlungen sehen; einige halten sie halb geschlossen hoch und einige verbergen ihren Hinterleib dachartig mit denselben. Viele fliegen bei Tage oder lassen sich wenigstens leicht aus Gras und Gebüsch aufscheuchen, in der Nachtzeit zeigen aber die meisten größere Lebendigkeit.
Schärfer als im entwickelten Zustande grenzen sie sich durch die Raupen von den übrigen Familien ab. Daß bei denselben die Bauchsüße außer dem letzten Paare verkümmern und ihr Gang darum ein spannender ist, wurde früher bereits erwähnt. Sie verfügen mithin nur über zehn, in seltenen Fällen über zwölf zum Gehen taugliche Füße und klammern sich in der Ruhe gern mit den Nachschiebern an einen Zweig an, den schlanken Leib steif ausstreckend oder auch schleifenartig krümmend, so daß die ganze Raupe bei der vorwiegend braunen Farbe, die vielen eigen, einem dürren Ästchen zum Verwechseln ähnlich sieht. Einige wenige heften sich wie Tagfalter mittels einer Schlinge zur Verpuppung an ein Blatt, die meisten jedoch spinnen sich mit einigen Fäden in grüne wie dürre Blätter oder gehen in die Erde. Wenn nur die deutschen Arten berücksichtigt werden, so überwintern vom Hundert 6,5 als Eier, 35 als Raupen, 53 als Puppen und nur 0,5 im vollkommenen Zustande.
Man kennt gegenwärtig ungefähr eintausendachthundert Diese Zahl ist heute auch weit überholt. Der Formenreichtum der Spanner ist schier unermeßlich. Hrsgbr. Arten aus allen Weltteilen, deren wenigste eine mittlere Größe überschreiten ( Nyctalemon Patroclus aus China ist der Riese derselben). Linné beschrieb die ihm bekannten in der Gruppe » Geometrae« unter der Gattung Phalaena und ließ die Namen sämtlich auf aria oder ata endigen, je nachdem er ihre Fühler gekämmt oder einfach fadenförmig fand; die neueren Schriftsteller haben wie überall, so auch hier möglichst zahlreiche Gattungsnamen geschaffen. Wir müssen uns auf wenige Arten beschränken, die entweder die wesentlichsten Formen zur Anschauung bringen oder durch das Auftreten ihrer Raupen allgemeineres Interesse bieten, und werden uns dabei nicht um die wissenschaftliche Anordnung kümmern, sondern eine unseren Zwecken entsprechende Gruppierung wählen.
Der Birkenspanner ( Amphidasis betularia) gehört seiner Körperbeschaffenheit nach zu den spinnerähnlichen Spannern und infolge der gestreckten Vorderflügel zu den größten heimischen Arten. Die weiße Grundfarbe erscheint überall, Leib, Fühler und Füße nicht ausgenommen, braunschwarz besprenkelt. Viele punktgroße Sprenkel fließen hier und da, besonders am Vorderrande der Vorderflügel, zu Flecken und Linien zusammen. Das merklich kleinere Männchen unterscheidet sich durch einen schlankeren Leib und, mit Ausschluß der Spitze, durch doppelt gekämmte Fühler vom Weibchen. Die Raupe ist überall gleich dick, am Scheitel des kleinen Kopfes tief ausgeschnitten, an jeder Seite des achten Gliedes mit einem warzenartigen Knötchen versehen, und veränderlich in der Farbe, wie es scheint je nach der Futterpflanze, grünlichgrau, seltener bräunlich oder gelblich. Sie sitzt zwar an Birken, Ebereschen und andern Laubhölzern, und nimmt in der Ruhelage die vielen Spannerraupen eigene Astähnlichkeit an. Im September oder Oktober hat sie ihre volle Größe erlangt und geht in den Boden, um in einer Höhlung noch vor dem Winter zur Puppe zu werden. Im Mai oder Juni schlüpft der Schmetterling aus, den man nie bei Tage fliegen, wegen seiner Größe und lichten Färbung jedoch öfters mit halb klaffenden Flügeln an einem Baumstamme im Walde sitzen sieht. Andere Arten aus der nächsten Verwandtschaft und gleichfalls von spinnerartigem Ansehen, neuerdings verschiedenen Gattungen zugeteilt, erscheinen sehr früh im Jahre aus der überwinterten Puppe, namentlich habe ich das Männchen des Birnspanners ( Phigalia pilosaria), dessen Weibchen flügellos ist, nach einigen milden Tagen im Februar schon an Baum stammen angetroffen, den Zeitverhältnissen gemäß allerdings ziemlich regungs- und teilnahmslos.
Der Blatträuber, Entblätterer, große Frostspanner ( Hibernia defoliaria) fliegt spät im Jahre, zu einer Zeit, wo die meisten andern Kerfe ihre Winterquartiere aufgesucht haben und zum Teil schon der Erstarrung anheimgefallen sind, weil die Sonne keine Wärme mehr spendet und die Pflanzen aufgehört haben, die nötige Nahrung zu liefern. Im Oktober und November erscheint dieser träge Spanner, der nicht einmal bei Tage die wenigen Sonnenblicke benutzt, sondern in den kalten Nächten taumelnd umherfliegt, um an den Stämmen der Bäume eine Lebensgefährtin zu suchen, die ihm nicht auf halbem Wege entgegenkommt, weil ihr das Flugvermögen versagt wurde. Das Männchen hat große, zarte und dünn beschuppte Flügel von hell ockergelber Grundfarbe; ein dunkler Mittelpunkt und seine Sprenkelung zeichnet alle aus und breit rostbraune Umsäumung des Mittelfeldes die vorderen noch insbesondere. Die Beine tragen anliegende Schuppen und die Fühler zwei Reihen Kammzähne. Das flügellose, gelb und schwarz gescheckte Weibchen kriecht gegen Abend an den Baumstämmen in die Höhe, in der Erwartung, daß das Männchen seine Pflichten erfülle; denn es will gesucht werden, und dieses weiß es zu finden. Nach der Paarung legt es seine Eier einzeln oder in geringer Anzahl vereinigt oben an die Knospen der Bäume, die es mit seinen langen Beinen zu Fuße in der kürzesten Zeit erreicht. Schon vor Mitte April, wenn es sonst die Witterung erlaubt, schlüpfen die Räupchen aus, finden unter den Schuppen der Knospen Schutz und beginnen ihr Zerstörungswerk, bevor die Entwicklung dieser möglich wird; an den Obstbäumen machen sich dieselben am leichtesten kenntlich und mitunter für den Besitzer empfindlich fühlbar, an den Waldbäumen weniger, weil hier die Zerstörung der Fruchtknospen wenig schadet. Die erwachsene Raupe ist auf dem Rücken braunrot, an der Bauchhälfte schwefelgelb und führt hier rotbraune Striche auf jedem Gliede. Zur Verpuppung sucht sie die Erde auf, spinnt mit wenigen Fäden die kleine Höhle aus und verwandelt sich in eine rotbraune Puppe, die in eine Stachelspitze endet. Noch eine zweite gelbe Art derselben Gattung ( Hibernia aurantiaria) fliegt gleichzeitig, zwei andere, eine gleichfalls gelbe ( Hibernia progemmaria) und eine weißgraue ( Hibernia leucophaearia), im ersten Frühjahre.
Der kleine Frostspanner, Winterspanner, Spätling ( Cheimiatobia brumata) hat fast ganz die Lebensweise des vorigen, fliegt aber noch später; denn sein wissenschaftlicher Artname bezeichnet den kürzesten Tag ( bruma); dagegen verläßt seine Raupe die Futterpflanze etwas früher, wodurch gegen dort die Puppenruhe durchschnittlich um einen Monat verlängert wird. Ein weiterer Unterschied zwischen beiden besteht darin, daß die Raupe auch im erwachsenen Alter nicht frei an der Futterpflanze sitzt, sondern zwischen zusammengezogenen und zum Teile vertrockneten Blattüberresten. Der kleine Frostspanner ist für die nördlichen Gegenden Europas, was der große für die südlicheren: ein Zerstörer der Obsternten, wo er massenhaft auftritt. In Mitteldeutschland, beispielsweise in der Provinz Sachsen, kommen beide häufig genug nebeneinander an Waldbäumen vor, der kleine ausschließlich schädlich für die Obstbäume, und wo die »Spanne« in der Blüte ungestört haust, kann Jahre hintereinander die Obsternte vollständig fehlschlagen. Die zarten und gerundeten Flügel des Männchens sind staubgrau sparsam beschuppt, die vorderen durch rötlichen Anflug dunkler und mit noch dunkleren Querlinien unregelmäßig und veränderlich gezeichnet. Ihre Anhangszelle ist ungeteilt und Rippe 7 und 8 entspringen getrennt voneinander; im Hinterflügel übertrifft die Mittelzelle die halbe Flügellänge, und die einzige. Innenrandsrippe mündet in den Afterwinkel. Das staubgraue Weibchen zeichnet sich durch Flügelstumpfe mit je einer dunkeln Querbinde und durch weißgefleckte lange Beine aus.
Das Räupchen kriecht im ersten Frühjahre grau aus dem Ei, ist nach der ersten Häutung gelblichgrün, am Kopfe und Nackenschilde schwarz. Nach der zweiten Häutung verliert sich das Schwarz, die Grundfarbe wird reiner grün, und eine vorher angedeutete weiße Rückenlinie tritt schärfer hervor. Nach der letzten Häutung ist sie bei sechsundzwanzig Millimeter Länge gelblichgrün oder dunkler gefärbt, am Kopfe glänzend hellbraun, über den Rücken in einer feinen Linie noch dunkler; diese letztere ist beiderseits weiß eingefaßt, und ebenso zieht noch eine lichte Linie über den als dunkle Pünktchen erscheinenden Luftlöchern hin. Ein pralles, festes Wesen zeichnet diese Raupe überdies noch vor vielen andern Spannerraupen aus. Spätestens zu Anfang des Juli verläßt sie ihre Futterpflanze, um flach unter der Erde zu einer gelbbraunen, an der Spitze mit zwei auswärts gerichteten Dörnchen bewehrten Puppe zu werden.
Um Obstbäume gegen den verderblichen Raupenfraß zu schützen, hat sich seit langer Zeit der Teerring oder Schutzgürtel bewährt, wenn er auf die rechte Weise gehandhabt wird, und in Schweden hat man auf einem kleinen Raum achtundzwanzigtausend Weibchen mit demselben abgefangen. Er besteht aus einem handbreiten Papierstreifen, der für den Arbeiter in bequemer Höhe so um die einzelnen Stämme gelegt wird, daß unter ihm kein Weibchen aufwärtskriechen kann. Dieser Gürtel wird mit einem Klebstoff bestrichen und klebrig erhalten, solange die Flugzeit dauert. Man wählte hierzu anfangs reinen Kienteer, vertauschte denselben, da er brauchbar schwer zu erlangen war, mit andern, die Klebrigkeit länger bewahrenden Mischungen. Seitdem man die Kiefernstämme gegen die Spannerraupe anteert (ohne Unterlage eines Papierstreifens), haben sich zahlreiche »Leimsiedereien« in diesem Sinne aufgetan.
Der Kiefern- oder Föhrenspanner ( Bupalus piniarius) weiß die Zeit seines Erscheinens besser zu wählen als die vorigen und kann auch von allen denen nicht unbeachtet bleiben, die an einem warmen Junitage zwischen Kieferbäumen dahinwandeln, und sei es nur, um die würzige Luft des Nadelwaldes in vollen Zügen zu genießen. Denn in wankenden, immerhin aber hastigen und wilden Bewegungen fliegen Männchen und Weibchen zwischen den Stämmen und Nadeln der Föhren umher. In kurzen Umflügen von den Nadeln nach den Stämmen, hier und da mit aufrechten und zusammengeklappten Flügeln zeitweilig ausruhend, auch hier die Männchen nur größere Lebhaftigkeit an den Tag legend als die Weibchen, vertreiben sich diese Spanner die Zeit, bis sich die Pärchen zusammengefunden haben. Als ich vor mehreren Jahren an einem gewitterschwülen Junitage nach warmem Regen durch einen Kiefernwald streifte und ihre Zahl, wie manchmal zum Leidwesen des Forstmannes, eine sehr bedeutende war, umflatterten sie mich zu Hunderten, rannten mir in das Gesicht, saßen auf dem Wege, so daß man jederzeit einen zu zertreten fürchten mußte, und trieben sich paarweise an den Stämmen umher. Wir erblicken hier das Männchen in seinen lichten und veränderlichen Flecken- und Strahlenzeichnungen auf schwarzbraunem Grunde ausgebreitet; diese haben auf der Oberseite eine strohgelbe, auf der Rückseite eine mehr rein weiße Farbe. Bei dem noch mehr veränderlichen Weibchen wechseln in ähnlicher Weise düsteres Rotgelb mit Rotbraun, so jedoch, daß einmal die eine, das andere Mal die andere der beiden Farben vorwaltet. Eine Anhangszelle im Vorderflügel, eine Vorderrandsrippe im Hinterflügel, die aus der Wurzel selbst entspringt, eine flach anliegend beschuppte Stirn, kurze Beine, besonders Hinterschienen und ein Flügelschnitt, wie wir ihn vor uns sehen, charakterisieren die Gattung. Hoch oben in die Krone der Kiefern legt das Weibchen die Eier an die Nadeln, und im Juli kriechen die Räupchen aus denselben hervor; ihr Fraß aber wird, wenn sie in Menge da sind, erst im August bemerkbar. Im September hängen sie sich gleich Spinnen an Fäden auf und kommen bis zur halben Höhe herab, wie es scheint, nur zum Vergnügen, denn sie arbeiten sich wieder empor, bis sie im Oktober, einzelne auch erst im November, nach erlangter Reife in derselben Weise oder zu Fuß ganz Herabkommen, um sich im Bereich des Baumes unter Moos oder Streu zu verpuppen. Die sehr schlanke, grüne Raupe hat drei Weiße Rücken- und zwei gelbe Seitenlinien, die sich über den Kopf fortsetzen. Die anfangs grüne, später mit Ausschluß der Flügelscheiden braun werdende Puppe endigt in eine zweiteilige Spitze und überwintert. Im nächsten Jahre liefert sie nicht immer den Schmetterling, denn die Raupe hat viele Schlupfwespen als Liebhaber, einige mit der Forleule gemein, da sie im ganzen dieselbe Lebensweise führt; überdies gelangt in Jahren ihrer großen Häufigkeit manche gar nicht zur Verpuppung, weil sie durch einen in ihr wohnenden Pilz ( Botrytis) getötet worden ist.
Die artenreiche Spannergattung Larentia gehört einer Gruppe an, bei deren Gliedern die Vorderrandsrippe im Hinterflügel nicht wie bei den bisher erwähnten, den kleinen Frostspanner ausgenommen, aus der Wurzel selbst kommt, sondern aus der vorderen Mittelrippe, und zwar meist kurz vor der vorderen Ecke der Mittelzelle. Im Vorderflügel kommt eine vollkommen geschlossene Mittelzelle und eine geteilte Anhangszelle vor. Da sich jedoch innerhalb dieser Merkmale noch allerlei Unterschiede im Verlauf des Flügelgeäders finden, so ist die Gattung je nach der Auffassungsweise des betreffenden Schriftstellers mehrfach geteilt worden, worauf wir unter den gegebenen Verhältnissen keine Rücksicht nehmen können.
Der Birkenbuschspanneroder das Spießband ( Larentia hastata) ist in der Natur schwarzweiß und gleich dem vorigen ein ausschließlicher Waldbewohner; jedoch findet er sich nicht in Wäldern ohne Ausnahme, sondern nur in solchen, wo Birkengebüsch örtlich vorherrscht. Hier fliegt dieser zierliche Spanner an den Birken im Mai ziemlich lebhaft und scheu umher, wie gleichzeitig, aber auch früher oder später – denn er hat zwei Brüten – der fast ebenso gezeichnete, aber minder große Trauerspanner ( Larentia tristata) im Grase des Gehölzes und der Gebüsche. Die Raupe des Spießbandes findet sich später zwischen zusammengezogenen Birkenblättern, ist querfaltig, zimtbraun und in den Seiten mit je einer Reihe gelber, hufeisenförmiger Flecke gezeichnet. Sie verpuppt sich in der Erde, wo die Puppe überwintert. – Weiße oder gelbe, dichter oder sparsamer dunkel kandierte Larentien sind es, die das Gras feuchter Gründe beleben und rechts und links aus demselben auffliegen, um sich auf einem Busch, der Unterseite eines Blattes, auf einem Baumstamm bald wieder niederzulassen oder von neuem im Grase ein Versteck zu suchen, wenn man in einer für sie etwas verdächtigen Weise solche Gegenden durchstreift. Man merkt ihnen an, daß sie sich aus Furcht entfernen und daß sie lieber die Dunkelheit abwarten, um aus eigenem Antrieb und im Dienst der Ernährung und der Fortpflanzung lebendigere Umflüge zu halten.
Der Gänsefußspanner, gelber Marmor ( Larentia chenopodiata), hält sich an ähnlichen Örtlichkeiten, besonders in den Dorfgärten und deren Nachbarschaft, auf, sitzt infolgedessen an Wänden der Stallgebäude, an Stämmen und nicht im Grase, so daß er sich weniger aufscheuchen läßt als andere und fliegend so leicht nicht gesehen wird. Die grünlich ledergelbe Grundfarbe wird an den Grenzen des Mittelfeldes beim Weibchen mehr bindenartig, beim Männchen ausgedehnter dunkler, und zwar gelbbraun. Die Gestalt der Vorderflügel, die Teilung der Spitze durch einen dunklen Schrägstrich, die wellenrandigen, schwächer gezeichneten Hinterflügel, deren Vorderrand den Innenwinkel der vorderen überragt, finden wir bei vielen andern Arten, die zum Teil noch viel sauberer gezeichnet und lebendiger gefärbt sind, wieder. Unser Spanner ist im Juli und August nirgends selten. Seine Raupe, die überwintert, erscheint an den Seiten etwas knotig, Platt von oben her und verschieden in Färbung und Zeichnung, bräunlichgrau oder zimtbraun, auf dem Rücken mit nach vorn spitzen Winkelhaken verziert, die eine seine, dunkle Linie teilen, und gelb an den Seiten durch eine gezackte Linie, Sie ernährt sich von den verschiedenen Gänsefußarten ( Chenopodium), an denen man sie manchmal in größeren Gesellschaften beisammen trifft; zur Verpuppung geht sie tief in die Erde.
Neben dem »gelben Marmor« sehen wir den Harlekin, Stachelbeerspanner ( Abraxas grossulariata), der sich gleichzeitig mit ihm an den gleichen Örtlichkeiten findet, wenn ihn auch eine wohlgeordnete Schmetterlingssammlung weit entfernt von jenem und lange vor ihm seine Stelle anweist. Er kann mit keinem andern Schmetterling verwechselt werden, auch wenn der Aderverlauf in den Flügeln unberücksichtigt bleibt, der ihn überdies an eine andere Stelle verweist. Auf weißem Grunde tragen die Flügel schwarze Punktreihen; an der Wurzel und zwischen den beiden letzten, nahe beisammenstehenden Querbinden der Vorderflügel sowie an den Körperseiten kommt die dottergelbe als dritte Farbe hinzu. Bei Tage sitzt der Harlekin weniger zwischen Gebüsch, in Hecken usw. verborgen, als mancher andere, weil er sich nicht so eng an die Blätter anschmiegt und weniger bestimmt die Blattunterseite als Ruheplatz auswählt. Mit einbrechender Dunkelheit beginnt er seine taumelnden, geisterhaften Umflüge, bei denen sich die beiden Geschlechter aufsuchen und finden. Das befruchtete Weibchen legt im August seine strohgelben Eier in kleinen Gruppen zwischen die Blattrippen verschiedener Holzgewächse, namentlich der Stachelbeer-, Johannisbeersträucher, der Pflaumen- und Aprikosenbäume unserer Gärten, des Schleh- und Kreuzdorns außerhalb derselben. Spätestens bis zu der ersten Hälfte des September kriechen die Räupchen aus, häuten sich vor dem Winter noch ein- oder zweimal und fallen mit dem Laube oder vor ihm herunter, um sich am Boden ein Versteck zu suchen. Aus dem Winterschlaf erwacht, suchen sie die Futterpflanze auf, und sind sie recht zahlreich, so bleibt kein Blatt an ihr, da sie mit dem Fraß beginnen, ehe die Blätter zur vollen Entwicklung gelangt sind. Indem die Raupen von Natur auf das Leben in der Geselligkeit nicht angewiesen sind, so kommen sie in der Regel auch nur vereinzelt vor. Sie liefern uns ein seltenes Beispiel von Farbengleichheit zwischen Larve und vollkommenem Kerf. Sie ist schwarzfleckig, rückwärts auf weißem, am Bauch auf dottergelbem Untergrunde. Mit Abschluß des Mai ist sie für gewöhnlich erwachsen, spinnt sich mit einigen Fäden an ihrem letzten Weideplatze oder in dessen Nähe fest und wird hinter denselben zu einer glänzend schwarzen, gedrungenen Puppe, an der die erhabenen Hinterränder der Hinterleibsglieder dottergelb gefärbt find. Diese zierliche Puppe ruht nur wenige Wochen.
Infolge der Übereinstimmung in Farbe und Zeichnung wird es teilweise schwierig, die zahlreichen und unscheinbaren Arten der Gattung Eupithecia richtig zu würdigen. Sie zeichnen sich durch die auffallend kleinen Hinterflügel mit gerundetem oder gestutztem, aber ganzrandigem Saume aus, deren sechste und siebente Rippe auf gemeinschaftlichem Stiele stehen, die vorderen haben eine ungeteilte Anhangszelle und die sechste und siebente Rippe getrennt; überdies sind die Schenkel anliegend beschuppt, die Stirn schmaler als der Durchmesser der Augen, die Taster ihrer Kleinheit wegen meist von oben nicht sichtbar und die Fühler nur bewimpert. Die vorherrschend grauen, von lichterer oder dunklerer Wellenlinie als Hauptzeichnung durchzogenen Flügel werden in der Ruhelage alle vier sichtbar und die vorderen durch ihren sehr langen Außenrand auffällig. Die Raupen sehr vieler leben an Blüten und Früchten. Ich erwähne hier das wegen der milchweißen Grundfarbe als Sonderling zu bezeichnende Flockblumenspannerchen ( Eupithecia signata) oder ( centaureata). Es hat zierliche Zeichnungen: vorn einen schwarzgrauen Fleck und am Saume eine breit rotgrau angelegte Wellenlinie. Der mehr nächtliche Spanner fliegt im Mai und Juni überall, wenn auch nicht zahlreich, und lebt als Raupe von den Blüten und unreifen Samen der Flockblumen, Hauhechel und einiger anderer. Die weißliche Raupe wird durch hellrote, zackige Zeichnungen charakterisiert.
Wir fanden hinreichende Gelegenheit, den verschiedenen Geschmack der Spanner in Rücksicht auf ihr Tun und Treiben kennenzulernen. Die einen sitzen am Tage fest und verborgen und kommen ihres nächtlichen Lebens wegen nur dem zu Gesicht, der sie dort aufzufinden weiß oder dem ihre Zucht aus der Raupe glückte, die, beiläufig bemerkt, hier schwieriger wird als bei den andern Schmetterlingsfamilien. Andere fliegen bei Tag und Nacht oder vorwiegend an ersterem, diese mit Vorliebe im üppigen, von Bäumen beschatteten Grase, an lebenden Zäunen, im niederen Buschwerk, jene im dichteren Walde. Auf Triften, Stoppelfeldern, an breiten Feldwegen, sich in der Regel auf die nackte Erde setzend, so daß man überhaupt nicht recht begreifen kann, was er an dergleichen blumenarmen Stellen eigentlich suche, fliegt im Juli und August ein zierlicher Spanner, der, obgleich nicht groß, durch sein rotes Kleid doch leicht in die Augen fällt. Es ist der Wegtrittspanner ( Lythria purpuraria), der aus überwinterten Puppen einzelner schon im Mai fliegt. Die Vorderflügel des Männchens sind olivengrün, die des Weibchens bisweilen mehr dunkel ockergelb und verziert mit zwei oder drei purpurroten Querstreifen, die aber nicht immer in gleicher Vollkommenheit ausgeprägt sind, insofern besonders der Hintere den mannigfaltigsten Abänderungen unterworfen, einfach oder doppelt oder nur vorn gabelartig geteilt ist. Eine purpurne Saumlinie und ebenso gefärbte Fransen kommen noch hinzu; auch die dunkel ockergelben Hinterflügel, deren purpurrote Mittelbinde von unten aus der Oberseite nicht selten durchschimmert, umsäumen mit den vorderen gleichfarbige Fransen. Die ungeteilte Anhangszelle der Vorderflügel entsteht durch Kreuzung der elften Rippe mit dem gemeinschaftlichen Stiel der siebenten und zehnten, der vor der Ecke aus der Mittelzelle entspringt. Im Hinterflügel mündet die eine nur vorhandene Innenrandsrippe in den Afterwinkel, die sechste und siebente sind gestielt, und die Mittelzelle zeichnet sich durch ihre Kürze aus. Lange Haare an den Schenkeln, lange Kammzähne, die fast bis zur Spitze reichen, an den männlichen Fühlern, vollenden das Bild dieses die Trockenheit liebenden Spanners. Seine in den Gelenken etwas eingeschnürte Raupe hat auf dem braungelben Rücken einen lichten Längsstreifen; Seiten und Bauch sind dagegen grün; sie lebt an verschiedenen niedrigen Pflanzen, vorzugsweise aber auf dem kleinen Sauerampfer.
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Die Kleinfalter ( Microlepidoptera), deren die europäischen Verzeichnisse in runder Zahl zweitausendsiebenhundert Arten aufzählen gegen zweitausendfünfhundertdreiundachtzig Großschmetterlinge, von denen bisher die Rede war, enthalten die kleinen und kleinsten Falter. Ihre Kenntnis ist mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden, weil ihre Unterscheidung, ihre Behandlung, ihre Fangweise und Zucht infolge der Kleinheit und Neuheit dessen, was man unter den Händen hat, meist ein bewaffnetes Auge und andere Vorkehrungen erheischen. Es gibt ja in allen Ordnungen der Kerfe Gruppen, die der Sammler und Liebhaber gern beiseite schiebt, weil er deren schwierige Untersuchungen scheut und daher lieber diesem und jenem, immer vereinzelten Forscher überläßt, der im Dienste der Wissenschaft Zeit, Mühe, Augen zu opfern bereit ist und dem das Bewußtsein, jener genutzt zu haben, als einziger Lohn für seinen ausdauernden Fleiß bleibt. Neben jenem Bewußtsein erwirbt er sich womöglich noch ein – mitleidiges Lächeln seiner dem Zeitgeist dienenden, dem reellen Nutzen huldigenden Nebenmenschen, deren Grundsatz »Zeit ist Geld« er in seinen Beschäftigungen wenigstens nicht anerkennt.
Nach von Heinemanns Vorgang beginnen wir die Kleinschmetterlinge mit der Familie der Wickler ( Tortricina), mittelkleinen bis kleinen Schmetterlingen, die sich durch ihre Körpertracht und Flügelbildung scharf von den übrigen absondern und auf den ersten Blick als verjüngte Ausgabe der Eulen gelten könnten. Die gestreckten Vorderflügel, häufig metallisch glänzend und bunt in ihren Zeichnungen, haben einen kurzen Saum und einen an der Wurzel bauchigen Vorderrand, mithin vorspringende Schultern, sie sind »geschultert«, wie man sich kurz ausdrückt. Sie werden von einer wurzelwärts gegabelten Innenrandsrippe und noch elf Rippen gestützt. Die zeichnungslosen, breiten Hinterflügel sind ungeteilt, ohne eingeschobene Zelle, mit Haftborste versehen, mit drei freien Innenrandsrippen und noch sechs oder sieben Rippen. Aus dickem Grundgliede entspringen die einfach borstigen Fühler, welche die Vorderrandslänge der benachbarten Flügel nicht erreichen, die wenig vortretenden Taster richten ihr kurzes, fadenförmiges Endglied vorwärts oder abwärts, und Nebenaugen sind vorhanden. Freiwillig fliegen die Wickler nur bei Abend oder in der Nacht, sie lassen sich aber aus Gebüsch und Gras aufscheuchen, wo sie, wie an Baumstämmen, mit dachartig den Hinterleib verbergenden Flügeln bei Tage ruhen. Um die zahlreichen Gattungen zu unterscheiden, in welche die alte Gattung Tortrix zerlegt worden ist, hat man auch die gegenseitige Lage der Rippen zu berücksichtigen, darauf zu sehen, ob die hintere Mittelrippe der Hinterflügel an der Wurzel aufstehend behaart ist oder nicht und ob die Spiralzunge entwickelt ist oder fehlt. Bei Bestimmung der Arten kommen die Vorderflügel hauptsächlich in Betracht. Ihre Zeichnung ist sehr verschieden, meist ist ein dunkles Wurzelfeld vorhanden oder wenigstens durch seine Begrenzung angedeutet; dahinter kommt ein hellerer, oft bindenartiger oder als ein Innenrandsfleck auftretender Raum, sodann ein dunkles Schrägband, das aus der Mitte des Vorderrandes nach dem Innenwinkel zieht, oder annäherungsweise. Zwischen demselben und der Spitze steht noch ein dunkler Fleck am Vorderrande, der sich verdünnt oft bis zum Innenwinkel ausdehnt; oft fehlen aber auch diese Zeichnungen gänzlich. Zahlreiche Arten, namentlich die mit behaarter Mittelrippenwurzel im Hinterflügel, zeigen am Vorderrande meist paarweise gestellte Häkchen, vier Paare zwischen der Spitze und Mitte, setzen sich wohl auch noch weiter fort und werden von der Spitze aus gezählt, weil sie hier am regelmäßigsten auftreten. Oft entspringen aus ihnen lichte, metallisch glänzende Linien, die sogenannten Bleilinien. Diejenigen, die vom dritten und vierten Paare nach dem Innenwinkel ziehen, umschließen häufig über demselben einen durch andere Färbung ausgezeichneten, ovalen oder viereckigen Fleck, den sogenannten Spiegel, der in der Regel zwischen den Rippen eine Senkreihe schwarzer Punkte oder Längsstriche führt. Von Zeichnungen, wie sie dem vorderen Eulenflügel eigen sind, findet sich hier auch nicht die leiseste Andeutung.
Die sechzehnfüßigen Raupen der Wickler tragen einzelne kurze Härchen aus kleinen Warzen, die leicht übersehen werden können, und in der Regel ein festes, licht durchschnittenes Halsschild sowie eine chitinisierte Afterklappe, ziehen durch wenige Fäden die Blätter zusammen, zwischen denen sie leben, und haben hiervon ihren Familiennamen erhalten, obschon viele andere Raupen eine gleiche Gewohnheit haben, und umgekehrt zahlreiche Wicklerraupen bohrend in den verschiedenen Pflanzenteilen, namentlich auch in Früchten leben. Letztere pflegen zur Verpuppung ihren Weideplatz zu verlassen, während die zwischen Blättern eingesponnenen auch hier zu Puppen werden und in der Vorderhälfte der Puppenhülse hervortreten, wenn der Schmetterling ausgeschlüpft ist. Nur bei wenigen Arten sind zwei Bruten beobachtet worden.
Obschon die Wicklerraupen nicht gesellig leben, wie so viele Spinnerraupen, so werden doch manche von ihnen den menschlichen Kulturen, namentlich in Garten, Wald und Weinberg, mehr oder weniger unangenehm, ja sogar gefährlich. Dicke Wicklerraupen von schwarzbrauner oder grauer Farbe sind es, und verschiedenen Arten angehörig, die an den jungen Triebspitzen der Gartenrosen zum Vorschein kommen, wenn man die zusammengezogenen Blätter auseinanderzieht. Sie zerfressen hier alles, so daß keine Blüte zur Entwicklung kommt, wenn man nicht jede einzelne herausholt und tottritt, sobald man diese in der Entwicklung zurückgehaltenen Triebspitzen bemerkt. Andere Arten leben in gleicher Weise in verschiedenen Obstsorten, namentlich denen, die mehr in Buschform erzogen werden. Eine fleischfarbene, an Kopf, Halsschild und Brustfüßen glänzend schwarze Raupe ist unter dem Namen der Traubenmade oder des Springwurms in den Blütenständen der Rebe berüchtigt, mehr aber noch, wenn sie bohrend in den unreifen Beeren vorkommt, indem sie einer zweiten Brut angehört und dann auch Heuwurm oder Sauerwurm in den Weinländern genannt wird. Sie gehört dem einbindigen Traubenwickler ( Conchylis ambiguella) an und ist nur durch das sorgfältige Absuchen der überwinternden Puppen zu bekämpfen, die sich hinter den Rindenfetzen der Rebe, in den Rissen der Weinpfähle, zwischen dem Anbindestoff der Reben an diese und an ähnlichen Stellen ihren Aufenthalt gewählt haben.
Eine zweite, weniger verbreitete und weniger häufige Art, der bekreuzte Traubenwickler ( Grapholitha botrana), lebt in gleicher Weise, soll aber den Weinreben der Gärten und Häuser mehr Schaden zufügen als denen, die auf größeren Flächen gebaut werden.
Der Grünwickler, Kahneichenwickler ( Tortrix viridana), ist leicht kenntlich an der hellgrünen Farbe des Vorderkörpers und der Vorderflügel; Hinterleib nebst Hinterflügeln glänzen in grauer Färbung. Wenn im Mai die Knospen der beiden deutschen Eichenarten sich zu entfalten beginnen, bemerkt man schon die Räupchen, die den einzeln hinter den Schuppen jener überwinterten Eiern entsprossen sind und sich in die Knospen einbohren. Später leben sie frei an den Blättern, die sie bespinnen, auch etwas zusammenziehen, so daß besonders zur Zeit der Verpuppung ihre Gespinstfäden von den Bäumen wie Spinnenweben herabhängen. Die gelbgrüne Raupe ist am Kopf, am Hinterrande des Halsschildes, an der Afterklappe und den bräunlich behaarten Warzen schwarz. Ende Mai oder Anfang Juni erfolgt die Verpuppung in der angegebenen Weise oder in Rindenritzen. Um Johanni erscheint der Schmetterling, seltener erst im Juli. Im Mai 1863 traten die Raupen im Tiergarten zu Berlin so massenhaft und verheerend auf, daß das junge Grün der Eichen alsbald fast gänzlich wieder verschwand, stellenweise auch an den Hainbuchen, Linden sowie andern Laubhölzern, wo die Eichen nicht mehr ausreichten, und daß der Johannistrieb, der etwas verfrüht schon Anfang Juni eintrat, das Grünwerden kahler Bäume zum zweiten Male vorführte.
Der Kieferngallen-Wickler ( Retina resinella) gehört zu denjenigen Wicklern, deren dunkle Vorderflügel sich durch zahlreiche Wellenlinien von meist Silberglanz vorteilhaft auszeichnen und deren Raupen in verschiedener Weise den Trieben und dem jungen Holze der Nadelbäume nachteilig werden. Er ist tief dunkelbraun, auf den Vorderflügeln versilbert und fliegt bereits an den schönen Maiabenden zwischen den Kiefernnadeln umher. Die Nachwehen seines Erscheinens werden zunächst im Herbst ersichtlich, und zwar durch Harztränen unterhalb des für das kommende Frühjahr vorbereiteten Knospenquirls, von dem sie immer noch durch einige Nadelpaare geschieden sind. Untersucht man dieselben näher, so findet man einen Gang, der bis zum Mark führt und von einer kleinen Raupe bewohnt wird, die durch ihre Tätigkeit eben jenen Harzausfluß erzeugt hat. Derselbe wird im Laufe des nächsten Jahres bedeutend größer, bis er zuletzt endlich den Umfang einer Lambertsnuß erreicht, eine schmutzigweiße Farbe bekommt und am Grunde des mittlerweile herausgewachsenen Quirls leicht in die Augen fällt. Es liegen mithin fast zwei Jahre zwischen der Zeit, zu der das Weibchen seine Eier absetzte, und dem Frühling, in dem die gelblich rotbraune, 11 Millimeter lange Raupe mit dickem, schwarzem Kopf in der sogenannten Galle zur Puppe wird. Diese ist schwarz und läßt nicht lange auf die Entwicklung warten, falls die Raupe nicht von der obenerwähnten Glypta resinanae) angestochen war. Nimmt man die Puppe aus ihrem Lager, so entwickelt sie sich niemals.
Der Kieferntrieb-Wickler, Buols-Wickler ( Retina Buoliana), hat lebhaft fuchsrote Vorderflügel und weiße, silberglänzende Zeichnungen, während die Hinterflügel und Unterseite aller einfach rötlichgrau sind. Im Juli, wenn die Maitriebe der Kiefer bereits verholzt sind, fliegt das Wicklerchen des Abends in jungen Beständen und legt seine Eier zwischen die Knospen an den Spitzen der Triebe ab. Die Räupchen schlüpfen noch im Herbst aus und benagen die Knospen, die infolgedessen etwas mehr Harz ausschwitzen. Erst im folgenden Mai, wenn sie sich zu Trieben entwickelt haben, bemerkt man den schädlichen Einfluß der Raupen, die in der Jugend dunkelbraun, später etwas heller aussehen und einen ziemlich schwarzen Kopf, ein schwarzes, feingeteiltes Nackenschild und ebenso gefärbte Brustfüße haben. Der Trieb krümmt sich nämlich zur Seite da, wo jene einzeln unter einer Harz- und Gespinsthülle die Rinde und das noch junge Holz durchmessen, auch wohl von dem einen zu einem benachbarten Triebe übergehen. Die Krümmung bleibt, während der obere, unverletzte Teil regelrecht fortwächst. Ende Juni verwandelt sich die Raupe in eine schmutziggelbbraune Puppe, die mit dem Kopf nahe am Eingangsloch liegt und zur oben angeführten Zeit, nachdem sie sich etwas herausgearbeitet hat, den Schmetterling entläßt.
Der rehfarbene Erbsenwickler ( Grapholitha nebritana) entsteht aus der sogenannten Made in den grünen Erbsen. Daß es keine Made sei im Sinne der Kerfkundigen, ergeben die nicht schwer zu erkennenden sechzehn Beine, welche die blaßgrüne, an Kopf, Nackenschild, Afterklappe und den Brustfüßen dunkle Raupe hat. Bei einer Länge von höchstens 8,75 Millimeter ist sie erwachsen, verläßt die Hülse, um in der Erde ein Gehäuse zu fertigen, in dem sie in zusammengezogener, veränderter Gestalt, aber noch nicht verwandelt, überwintert. Erst im nächsten Frühjahr erfolgt die Verpuppung, und im Mai erscheint der Schmetterling, der sich zur Blütezeit auf den Erbsen- und Linsenfeldern einstellt. Hier knüpfen sich Bekanntschaften an, und das befruchtete Weibchen legt seine Eier einzeln am Grunde der Blüten oder an sehr junge Hülsen ab. Der Schmetterling hat rehfarbene, gleichzeitig metallisch schimmernde Vorderflügel, an deren Vorderrand von der Spitze bis hinter die Mitte die Weißen Vorderrandshäkchen mit schwarzen Stricheln wechseln, von jenen setzen sich drei Bleilinien fort; der lichtere Spiegel wird von zwei blaugelben Strichen begrenzt. Die schwarzen, bronzeschimmernden Hinterflügel haben einfarbig weiße Fransen. Der mondfleckige Erbsenwickler ( Grapholitha dorsana) lebt ganz ebenso und sieht ebenso aus, bis auf den weißen Mond vor dem Spiegel. Er ist etwas größer als der vorige und seine Raupe mehr orangengelb, auch treten bei ihr die Wärzchen, die je ein Borstenhaar tragen, weniger deutlich hervor als dort, wo sie etwas düsterer gefärbt sind. Diese Art scheint weniger verbreitet zu sein als die sehr gemeine vorige. Die Raupen beider sind es, die an den trockenen Erbsen die unregelmäßigen Fraßstellen zurücklassen und bei großer Häufigkeit den Ernteertrag derselben wesentlich beeinträchtigt haben.
Zum Schluß gedenken wir noch der sogenannten »Obstmade«, jener gleichfalls sechzehnfüßigen, blaß rosenroten oder gelbrötlichen, am Bauche lichteren Raupe, die an den langbeborsteten Wärzchen und an der Afterklappe grau gefärbt ist und Äpfel und Birnen durchbohrt, weniger dem Fleische als den Kernen des Gehäuses nachgehend. Die Eier werden an das halbreife Obst gelegt, und das schwarze Fleckchen, das man an dem sogenannten »angestochenen« findet, bezeichnet die Stelle, durch die sich das Räupchen den Eingang verschafft hat. Dieselbe wird später meist erweitert, um den Kot herauszuschaffen. Nur bei Obstsorten mit sehr großem Kerngehäuse ist hinreichender Raum für diesen, und daher fehlt hier das sonst übliche Aushängeschild des Einwohners. Die angestochenen Birnen und Äpfel erlangen bekanntlich eine etwas frühere Reife und fallen auch teilweise noch unreif von den Bäumen. Aus den früheren Sorten geht die Raupe meist zugrunde, weil sie beim Verbrauchen des Obstes gefunden und herausgeworfen wird, bevor sie vollkommen erwachsen; mit dem Winterobst gelangt sie dagegen in die Vorratsräume, arbeitet sich hier durch das Eingangs- oder ein zweites angelegtes Loch heraus und sucht irgendeinen Winkel außerhalb, um sich zu verpuppen, verschläft in einem Gespinst den Winter und wird erst im Mai zur Puppe, natürlich ohne vorher wieder Nahrung zu sich genommen zu haben. Zahlreiche andere Raupen erlangen ihre Reife draußen, noch ehe die Obsternte gehalten worden ist, weil sie bei der nicht gleichmäßigen Entwicklung eben früher erwachsen sind oder weil die bewohnte Obstsorte länger hängen muß. Diese Raupen gehen am liebsten hinter die Rindenschuppen des betreffenden Baumes, und sollten es selbst unterirdische sein, hinter Moos und Flechten, sofern der unachtsame Obstzüchter dergleichen an den Stämmen und Asten duldet, auch suchen sie Bohrlöcher anderer Kerfe auf. Nur bei sehr gut gepflegten Obstbäumen werden sie verlegen um ein passendes Winterversteck sein und dann die Erde in der Stammnähe aufsuchen müssen. Wenn die Stämme zu der Zeit ihres Auswanderns mit Schutzgürteln versehen sind, sammeln sie sich massenhaft unter denselben an und fertigen ihre weißen, plattgedrückten Gespinste an der Rückseite jener. Dieser Umstand gibt einen Fingerzeig, wie man diese Raupen ohne Mühe in Menge wegfangen könne. Man braucht nur dafür zu sorgen, daß im September die Baume Schutzgürtel haben oder, wo diese gegen die Spannraupe nicht nötig sind, Tuchlappen tragen, unter denen sich eine Menge von Ungeziefer ansammelt, das beim Untersuchen dieser Lappen zu der für jeden Fall entsprechenden Zeit getötet werden kann.
Im Juni erblickt der Schmetterling das Licht der Welt unter dem Namen Apfel- oder Obstwickler ( Grapholitha pomonella). Er kommt uns vorzugsweise an den Wänden und in den Fenstern solcher Häuser zu Gesicht, worin Wintervorräte von Äpfeln aufbewahrt werden; draußen im Freien drückt er sich bei Tage zwischen die Rindenschuppen der Bäume und wird wegen seiner ähnlichen Färbung schwer entdeckt. Die blaugrauen Oberflügel durchziehen feine, geschlängelte Querlinien von brauner Färbung, und ein rötlich dunkelbrauner, rotgolden eingefaßter, wurzelwärts tiefschwarz begrenzter Spiegelfleck nimmt an der Innenecke einen bedeutenden Raum ein. Die rötlichbraunen Hinterflügel überzieht ein leichter Kupferglanz, und graue Fransen umsäumen sie. – Weit seltener bekommt man den noch düstereren, kleineren Pflaumenwickler ( Grapholitha funebrana) zu sehen, obschon seine Raupe in manchen Jahren die Mehrzahl der Pflaumen bewohnt und, sich von deren Fleisch ernährend, oft die Hälfte desselben in die ekelhaften Kotkrümel verwandelt.
Die Familie der Zünsler oder Lichtmotten ( Pyralidina) vereinigt die größten bis ziemlich kleinen Mikrolepidopteren von wesentlich weniger Gleichförmigkeit im äußeren Ansehen als die vorige Familie. Die übereinstimmenden Merkmale beruhen hauptsächlich auf dem Verlauf des Flügelgeäders und sind daher versteckterer Natur. Die gestreckten, dreieckigen Vorderflügel werden von elf oder zwölf, seltener von neun oder zehn Rippen gestützt, überdies kommt den in Rede stehenden Flügeln eine ungeteilte Mittelzelle zu. Der immer breitere Hinterflügel ist ungeteilt, ohne eingeschobene Zelle, mit Haftborste, drei freien Innenrands- und noch sieben, seltener sechs oder fünf Rippen versehen. Die Fühler sind borstenförmig, die Augen nackt und meist stark halbkugelig hervorgequollen, die Nebenaugen fehlen nur selten und sind meist gleich hinter der Fühlerwurzel zu suchen. Die Taster ändern in Größe, Form und Richtung außerordentlich und sind meist durch die sogenannten Nebentaster, d. h. um höchstens dreigliedrige Kiefertaster, vermehrt. Die Raupen der Zünsler lassen sich in ihrer äußeren Erscheinung und in der Lebensweise von denen der Wickler nicht unterscheiden; sie sind es, die in den weitaus meisten Fällen überwintern, nur selten gilt dies von der Puppe, nie, wie es scheint, von den Eiern oder den Faltern selbst.
Die Familie in der angenommenen Fassung zerfällt in eine Reihe von Sippen ( Pyralididae, Botidae, Chilonidae, Cambidae, Phycidae und Galleriae), deren eine oder andere wir nur an wenigen Vertretern erläutern können.
Aus der ersten, nur dreizehn deutsche Arten umfassenden Sippe, ausgezeichnet durch zwölf Rippen im Vorderflügel, durch geschlossene Mittelzelle im Hinterflügel und durch gleiche Taster in beiden Geschlechtern, begegnen uns einige Arten bisweilen in unsern Behausungen, weil die Raupen derselben lebende Pflanzenkost verschmähen.
Die Fettschabe, der Schmalzzünsler ( Aglossa pinguinalis), hat rotgraue, seidenglänzende Flügel, deren vordere mit querbindenartigen Flecken besetzt und hier und da weißlich gewürfelt sind und deren einfarbige Hinterflügel sehr lange Fransen auszeichnen. Die Rollzunge fehlt, nicht die Nebenaugen; die vorstehenden Taster sind unten borstig behaart und enden in ein schräg aufsteigendes nacktes und walziges Glied, die Nebentaster sind klein und fadenförmig. Die borstigen Fühler des Männchens unterscheiden sich von denen des Weibchens leicht durch seine Haarpinsel, die Hinterleibsspitze des ersteren durch einen Haarbüschel gegen die lang vorstreckbare Legröhre. Die Flugbreite beträgt 22 bis 30,5 Millimeter. Im März und April, ungefähr vier Wochen vor der Geburt des Schmetterlings, zeigt sich mitunter die sechzehnfüßige, glänzend braune Raupe an den Wänden der Speisekammern oder in einem staubigen Winkel, im Begriff, sich einen passenden Platz zur Verpuppung aufzusuchen. Bis dahin lebte sie im verborgenen von Schmalz, Butter, Speck und hält sich daher vorzugsweise in den Vorrats – und Speisekammern auf. Seit Linnés Zeiten, der diesen Gegenstand schon erwähnt, wurden mehrere Fälle beobachtet, in denen diese Raupe bis zu sieben Stück und erwachsen von Menschen ausgebrochen wurde. Die Erscheinung ist wunderbar genug, um sie bei dargebotenen Gelegenheiten weiter zu verfolgen; denn eine annehmbare Erklärung derselben konnte noch niemand geben.
Der Mehlzünsler ( Asopia farinalis) lebt in Gesellschaft des vorigen und gesellt sich dem Ungeziefer zu, denn seine Raupe lebt im Mehle. Der ungemein zierliche, spannerartige Zünsler hat die Eigenheit, den Hinterleib beim Ruhen im Bogen nach vorn aufzubiegen, wie es auch ein weißer, braunbindiger Spanner ( Cidaria ocellata) tut, den man an einer Wand gleichfalls bei Tage in dieser Stellung ruhen sehen kann. Zwei zart weiße, unregelmäßig verlaufende Querlinien grenzen auf den olivenbraunen Vorderflügeln ein breites, mehr gelbes Mittelfeld ab; auf den grauen Hinterflügeln sind gleichfalls zwei lichte Schlangenlinien angedeutet. Die aufsteigenden Taster sind anliegend beschuppt und enden fadenförmig; eine Rollzunge ist hier vorhanden, aber die Nebenaugen fehlen. Der Zünsler fliegt vom Juli bis September und findet sich auch im Freien, da seine Raupe nicht nur vom fertigen Mehle, sondern auch von dem Mehl in den Körnern und vom Stroh lebt. Die Raupen dieser Sippe scheinen überhaupt frische Pflanzenkost zu verschmähen. So fand ich vor mehreren Jahren hier im benachbarten Wald in einem vollkommen vertrockneten Eichenkranz, der ein Laube geschmückt hatte, massenhaft ein schwarzbraunes Räupchen, aus dem ich die zierliche Asopia glaucinalis erzog.
Um die ungemein artenreiche Gattung
Botys, die allein über hundert Europäer enthält, scharen sich die Mitglieder der zweiten Sippe, von der vorigen nur dadurch unterschieden, daß im Vorderflügel Rippe 7 und 8 gesondert voneinander entspringen. Die auf zahlreiche Gattungen verteilten Arten haben in ihrer äußeren Erscheinung viel Spannerartiges. Manche von ihnen, es sind namentlich kleinere und dunklere bis schwarze Arten mit weißen Zeichnungen, fliegen nur bei Sonnenschein, setzen sich auf Sandboden mit halb ausgebreiteten Flügeln oder suchen Rasen bildende Blumen aus, um daselbst Honig zu naschen, zeigen sich aber dort wie hier scheu und flüchtig und lassen sich schwer ergreifen. Andere, namentlich weiße Arten
Die Lebensweise dieser sogenannten »Weißen Zünsler« ist besonders interessant und neuerdings von
Stephan und
Rehfous erforscht worden.
Stephan schreibt darüber folgendes:
»Das Weibchen des Zünslers legt die Eierchen, die es mit einer Schutzdecke aus grauem Filz überzieht, an die Stengel von Binsen (
Scirpus palustris), und zwar etwa 60 bis 70 Zentimeter über dem Wasserspiegel. Die Lärvchen fressen zunächst die Eischale und zerstreuen sich dann auf die Nachbarpflanzen, die sie mittels eines vom Winde getragenen Wasserfadens erreichen. Fallen hierbei auch etliche ins Wasser, so schadet das weiter nichts; denn die mit einer fettigen Haut begabten Tierchen haben unter der Nässe nicht zu leiden und können sich, falls sie nicht eine Beute der Fische werden, leicht retten. Einige Zentimeter über dem Wasser bohren sie sich in das Mark ihrer Futterpflanze ein und beginnen nun ihren Schmaus. Innerhalb zweier Wochen verstehen sie es, einen meterlangen Gang herzustellen, d. h. sich bis zum Rhizom hinabzufressen. Ende August schicken sie sich an, im Wurzelknollen ihr Winterquartier herzustellen, indem sie länglichrunde, ihrer Körpergröße angepaßte Zellen herausnagen. Als ob die Larve wüßte, daß im Augenblick, wo das Wasser infolge des Wegbrechens des oberen Stengelteils in diesen eindringt, es auch in jene Zelle dringen würde, verschließt sie ihre Kammer nach oben mit einem weißen, seidenartigen, undurchlässigen Deckel. Hiermit ist der erste Abschnitt des rätselvollen Lebensganges vollendet. Während dieser Zeit, also der ersten Jugend, halten sich stets mehrere Larven in einem Stengel auf, gewöhnlich drei oder vier, man hat jedoch schon ihrer neun beisammen gefunden.
In ihrem Winterverlies erfolgt die zweite Häutung der Raupe. Das anfangs schwarz, dann weißlich gefärbte Kleid wird jetzt olivengrün. Im April, wenn die Schossen wieder zu wachsen beginnen, erwacht sie und verläßt ihr Quartier, indem sie sich umdreht und den Deckel öffnet. So gelangt sie ins Wasser. Nur in geringer Entfernung von ihrer Winterwohnung sucht sie sich eine neue Schosse, klettert daran in die Höhe und bohrt sich wiederum ein, um in dritter Lebensphase wieder im Marke fressend abwärtszusteigen. In diesem Stadium ist die Larve stets allein in ihrer Frühlingsschosse, da diese für einen zweiten Kostgänger nicht genügend Nahrung bieten kann. Ihr bewunderungswürdiger Instinkt sagt der Raupe, ob eine Schosse noch frei oder schon besetzt ist. Das zu wissen, ist freilich für sie eine Lebensfrage.
Wieder im Wurzelstock angelangt, kehrt das Tierchen, das inzwischen natürlich bedeutend gewachsen ist, um und frißt sich nochmals ein Stück aufwärts. Ungefähr einen halben Meter unter dem Wasserspiegel nagt es einen Bogengang nach der Außenwand, von der es nur ein dünnes Häutchen übrigläßt, kehrt abermals um und richtet ein bis zwei Zentimeter vom vorbereiteten Schlupfloch ein Lager für die Verpuppung her. (Ein solcher Frühlingsgang maß zwei Meter abwärts, 1,12 Meter aufwärts – also 3,12 Meter – gewiß eine Riesenleistung für ein so winziges Tierchen!) Der Kokon wird in der Weise gebildet, daß die Raupe ihren Gang auf die Länge von drei bis vier Zentimeter vom Deckel an mit Seide auskleidet und ihn unten und oben horizontal abdeckelt. Auch diese Seidenkammer ist für das Wasser absolut undurchdringlich. Die Puppe ist, wie die meisten der im Innern von Pflanzenteilen lebenden Arten, am Ende mit kleinen Dornen bewaffnet, die vor dem Ausschlüpfen des Schmetterlings den Deckel des Kokons einstoßen. Die dünne, zarte Wand, die den jungen Falter noch von der Außenwelt trennt, wird von diesem selbst geöffnet. Im Wasser angelangt, kriecht der Zünsler am Stengel empor und härtet an der Luft seine Flügel.« mit gelb oder braun in doppelten
Schlangenlinien bemalten Flügeln, lassen sich in der Umgebung von pflanzenreichen Teichen und Wasserlöchern aufsuchen und beleben bei anbrechender Dunkelheit, wie Geister über dem Wasser hintaumelnd, solche Örtlichkeiten, indem die verschiedenen Wasserpflanzen ihren Raupen Nahrung bieten. Die Mehrzahl der Arten, und zwar die größten der ganzen Sippe und meist licht, vorherrschend gelb gefärbten, sind Nachtschmetterlinge, ruhen am Tage verborgen im Gebüsche, fliegen jedoch auf, wenn sie gestört werden, um in mäßig raschem, etwas stoßendem Fluge ein neues Versteck aufzusuchen. Einige Arten werden durch ihre Raupen unter Umständen den Feldkulturen nachteilig, was jedoch nicht von dem
Getreidezünsler
(
Botys frumentalis) gilt, wie man aus seinem Namen schließen könnte; denn seine Raupe lebt von verschiedenen Kreuzblümlern, die als Unkraut auf den Getreidefeldern, namentlich im Weizen, wachsen.
Der Rübsaatpfeifer ( Botys margaritalis) hat schmutzig-schwefelgelbe Vorderflügel, die zwei rostgelbe, mehr oder weniger deutliche und zum Teil unterbrochene Querbinden, ein rostbrauner Schrägstrich aus der Spitze durchziehen und rostbraune, stark grau gemischte Fransen einfassen. Die glänzend strohgelben, kurzen und breiten Hinterflügel haben eine seine rostbraune Saumlinie und am Innenwinkel einen graubraunen Fleck auf den schwach grauschimmernden Fransen. Die gerundete Stirn ist schmäler als die Augen und mit Nebenaugen versehen, die Taster sind kurz, rundlich beschuppt und vorgestreckt, die Nebentaster lang und fadenförmig. Im Juni und Juli fliegen die Zünsler des Abends über die Felder, und das befruchtete Weibchen legt die Eier an die Schoten der Ölsaaten, des Pfennigkrautes und des Bauernsenfes, wo das bald auskriechende Räupchen zwischen denselben einige Fäden spinnt, Löcher bohrt, um sich von den Samen zu ernähren und einer solchen Schote das ungefähre Ansehen einer Flöte verleihen kann, daher der Name »Pfeifer«. Die im September erwachsende, dann bis 17,5 Millimeter messende Raupe ist gelbgrün, außer vier Reihen schwarzbrauner, einzeln geborsteter Warzen über den Rücken und einer Reihe dunkler Pünktchen über den gleichfalls dunklen Luftlöchern, der Kopf und das durch drei weiße Längslinien geteilte Halsschild sind schwarz. Sie sucht nun die Erde auf, fertigt ein eiförmiges, im Innern sehr zart mit Seide austapeziertes Gehäuse und bleibt in demselben als Raupe während des Winters liegen. Erst einige Wochen (26 Tage) vor dem Erscheinen des Schmetterlings, also im Mai, erfolgt die Verwandlung. Die gelbrote Puppe ist in der Mitte am breitesten, am Kopf stumpf spitzig, am kolbigen Hinterende mit breitem Aftergriffel versehen. – Das ähnliche Räupchen des Hirsezünslers ( Botys silacealis)) lebt bohrend in den Hirsehalmen oder in den Stengeln des Hopfens oder Hanfes und kann diesen Pflanzen schädlich werden.
Die Rüsselmotten ( Crambidae) beleben den ganzen Sommer hindurch die Wiesen und mit Gras bestandene Blößen der Wälder und fahren rechts und links aus der Pflanzendecke, wenn sie der Schritt des Fußgängers aufscheucht, um sich entfernter von neuem zu Verstecken und mit mantelartig den schlanken Leib umhüllenden Flügeln zu ruhen, bis die Abenddämmerung sie zu freiwilligen Umflügen auffordert. Die Taster sind lang und stehen wagrecht vor, wie ein Rüssel, die pinselförmigen Nebentaster liegen ihnen auf. Die langen und schmalen Vorderflügel werden von zwölf, selten von nur elf Rippen gestützt, deren erste nicht gegabelt ist, und fallen bei vielen durch Weiße Längsstriche oder Keilflecke auf mehr oder weniger dunklerem Grunde oder durch metallisch glänzende Linien, besonders Fransen des Saumes, auf. Die sehr breiten, einfarbig grauen Hinterflügel, die der Länge nach gefaltet werden müssen, um Deckung von den Vorderflügeln zu erlangen, haben eine offene Mittelzelle und an der Wurzel eine behaarte Hintere Mittelrippe. Manche dieser zierlichen Schmetterlinge finden sich nur an den trockensten, von der Sonne verbrannten Stellen in Gemeinschaft gewisser Phycideen, mit denen sie äußerlich große Übereinstimmung haben, und leiten somit auch in der Lebensweise zu dieser Sippe über. Die Mitglieder derselben unterscheiden sich durch die geschlossene Mittelzelle im Unterflügel und durch weniger Rippen im Vorderflügel von der vorigen; auch zeichnen sich die Männchen vielfach durch eigentümliche Gebilde an der Fühlerwurzel sowie durch andere Formen der Nebentaster vor den Weibchen aus, wo diese Teile regelmäßig verlaufen. Viele Arten ruhen bei Tag in gleicher Weise wie die Rüsselmotten im Grase, an dem Laub der Eichen oder andern Buschwerks im Walde, werden aber nur dann bemerklich, wenn man ihre Ruhestätten erschüttert und sie zum Herabfliegen oder Herabfallen veranlaßt. Erst nach Sonnenuntergang werden sie lebendig.
Zum Schluß der Zünsler sei noch der Wachsschabe, Honig- oder Bienenmotte ( Galleria mollonella) gedacht, eines Mitglieds der letzten kleinen Sippe, die folgende Merkmale kennzeichnen: die männlichen Taster sind kurz und laufen in ein spitzes, innen ausgehöhltes, nacktes Endglied aus, während sie bei dem Weibchen beschuppt vorstehen. Im Vorderflügel kommen zwölf, elf oder zehn Rippen vor. Im Hinterflügel ist die Hintere Mittelrippe an der Wurzel behaart, die Mittelzelle ganz oder nur an der Hinteren Hälfte geschlossen. Bei der genannten Art sind die Vorderflügel aschgrau, am Innenrande ledergelb, rotbraun gefleckt, am kurzen Saum schwach geschweift und am Innenwinkel scharf geeckt, die Hinterflügel beim Männchen grau, beim größeren Weibchen weißlich, die Fußwurzel bei beiden Geschlechtern mit einem weißen Schuppenzahne versehen. Die Motte erscheint zweimal im Jahre, im Frühling und dann wieder vom Juli ab. Die beinfarbene, sechzehnfüßige Raupe ist am Kopfe und Nackenschilde kastanienbraun, lichter an der Afterklappe, auf dem zweiten und dritten Ringe stehen gelbe, geborstete Wärzchen paarweise in einem Kranze beisammen, auf den übrigen je acht einzeln. Sie lebt in den Stöcken der Honigbiene, besonders in alten Brutwaben, gerät mitunter auch in honiggefüllte, und ernährt sich vom Wachse, das sie gangartig wegfrißt, dabei eine lose Gespinströhre anlegend, die ihre Straße anzeigt. Sie ist schon in fortlaufenden Brüten erzogen worden, indem die folgende sich immer mit dem Kot der vorhergehenden ernähren mußte, der wenig von dem Wachs verschieden zu sein scheint. Réaumur hat sie jahrelang mit Leder, Wollzeug, dürrem Laub, Papier und dergleichen gefüttert. Sie ist besonders des Nachts tätig und während derselben vor den Nachstellungen der Bienen am sichersten, kann übrigens den ganzen Stock verderben, wenn man sie gewähren läßt. Die Entwicklung der Raupe geht rasch vor sich und beansprucht im Sommer nur drei Wochen. Die letzte Brut überwintert als Puppe, die in einem dichten, gestreckten Gespinst steckt, deren man meist mehrere der Länge nach dicht aneinander findet. In diesem Gespinst liegt die Raupe vier Wochen, ehe sie zu einer braungelben, auf dem rotgrauen Rücken gekielten Puppe wird. Hat diese bis etwa achtzehn Tage geruht, so erscheint im Mai der Falter, der flink davonläuft und das Dunkle aufsucht, sobald man ihn dem Tageslicht aussetzt.
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Bei weitem die größere Hälfte aller Kleinschmetterlinge ist zu der Familie der Schaben oder Motten ( Tineïna) vereinigt worden, die jedoch eine allgemeine Schilderung wegen des großen Wechsels in Körpertracht und Lebensweise ihrer Glieder kaum zuläßt. Stellen wir uns die Urbilder vor, so erscheinen die Flügel schmal und zugespitzt, linien- oder lanzettförmig und bekommen erst durch die ungemein langen Fransen ihren einem Schmetterlingsflügel eigenen Umriß, werden gewissermaßen erst zu Flügeln. In der Ruhe liegen sie dem Körper auf, decken ihn dachartig, wobei nicht selten die langen Fransen das Dach am Ende in Form eines Kammes überragen, bei wieder andern wickeln sie sich um den schlanken Körper gleich einem Mantel. Die Hinterflügel pflegen wie bei den Wicklern und den meisten Eulen einfarbig, meist grau und unansehnlich zu sein, während die Vorderflügel durch ihre oft lebhaften bunten Farben, durch die in dem herrlichsten Metallglanz strahlenden Zeichnungen die Motten entschieden zu den prächtigsten aller Schmetterlinge erheben. Leider wird diese Pracht infolge der Kleinheit dem Blicke vielfach entzogen und kommt nur dem bewaffneten Auge zum vollen Bewußtsein. Die Mehrzahl trägt Borstenfühler von mäßiger Länge; es kommen aber auch sehr lange Fühler vor, die besonders bei gewissen Männchen um ein sehr Vielfaches die Körperlänge übertreffen, auch trägt das genannte Geschlecht mancher Arten stattliche Kammzähne an denselben. Die Taster sind meist stark entwickelt, in Richtung, Bekleidung namentlich des Endgliedes großen Schwankungen unterworfen und zu Erkennungszeichen von der größten Wichtigkeit; auch die Kiefertaster oder Nebentaster, wie wir sie immer genannt haben, sind gleichfalls gut entwickelt und vortretend. Die Bekleidung des Kopfes, ob beschopft, buschig oder glatt behaart, die des Mittelrückens und allerlei ähnliche Verhältnisse, die nur ein geübtes Auge herausfindet, müssen berücksichtigt werden, um die zahlreichen Gattungen und weit zahlreicheren Arten mit Sicherheit unterscheiden zu können. Nehmen wir hierzu noch den Umstand, daß die Hinterschienen nicht über doppelt so lang wie ihre Schenkel, die Augen nackt sind und das letzte Tasterglied aufsteigt oder in der Richtung des Mittelgliedes verläuft, so haben wir die Punkte beisammen, die zu der Erkennung einer Motte führen.
Dieser Vielgestaltigkeit in der äußeren Erscheinung der Falter entsprechen auch die vierzehn- oder sechzehnfüßigen Räupchen mit ihrer Lebensweise, Die einen halten sich gesellig beieinander in einem großen Gespinste, mit dem sie ganze Äste und kleinere Sträucher schleierartig umstricken, andere wickeln Blätter oder ein Blatt und bewegen sich in der dadurch entstandenen, vorn und hinten offenen Röhre mit gleicher Schnelligkeit rückwärts wie vorwärts, immer bereit, an einem Faden herabzugleiten, wenn sie in Gefahr sind. Noch andere (Koleophoren usw.) leben in einem Hörnchen, das sie aus den Abnagseln der Futterpflanze anfertigen und mit sich herumtragen, wie die Schnecke ihr Haus, und gar verschiedengestaltig und verschiedenfarbig können diese Futterale sein. Sehr viele leben als Minierer zwischen der Ober- und Unterhaut eines Blattes, eigenartige Gänge fressend, die natürlich mißfarbig werden und dadurch leicht in die Augen fallen, hier verpuppen sie sich auch ( Lithocolletis) oder verlassen die Mine, um dies in der Erde zu vollziehen, oder auch an der Außenseite des Blattes ein Puppengespinst anzulegen, während wieder andere einfach in den verschiedensten Pflanzenteilen bohren. Diese Andeutungen mögen genügen, um einen Begriff von der Vielgestaltigkeit des Lebens dieser kleinsten Falter zu geben, denen sich erst in den letzten Jahrzehnten zahlreichere Liebhaber zugewendet haben als früher.
Nicht einmal auf die Charakteristik einiger Sippen können wir hier eingehen, sondern müssen uns darauf beschränken, wenige, einem allgemeinen Interesse nahetretende Arten in der Kürze zu besprechen, obschon eine größere Reihe durch das Zerstörungswerk der Raupen unsere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken vermag.
Bei der Gattung Tinea treten die sehr entwickelten vier- bis siebengliedrigen Nebentaster weit hervor, das zweite Glied der Lippentaster ist am Ende beborstet, die Zunge verkümmert, der Kopf mit einem großen Haarschopf, aber keinen Nebenaugen ausgestattet. Die Borstenfühler erreichen nicht die Länge des Vorderflügels; dieser ist gestreckt und zugespitzt und wird von zwölf Rippen gespannt, Der Hinterflügel ist gestreckt, fast lanzettförmig, beschuppt und lang gefranst. Mehrere Arten führen sich in unsern Behausungen mißliebig auf.
Die Kornmotte, der weiße Kornwurm ( Tinea granella), wird als Raupe, wie der früher erwähnte »schwarze Kornwurm«, dem Getreide auf den Speichern schädlich. Man kann den bis 13 Millimeter spannenden Schmetterling während des Juni im Freien allerwärts bei Tage festsitzen sehen, dachartig mit den durch die Fransen nach hinten verbreiterten Vorderflügeln den Leib deckend. Ich erzog ihn aus Holzschwämmen der Eichen und Obstbäume. Die stumpf lanzettförmigen Vorderflügel – diese Gestalt haben sie ohne die Fransen – sind silberweiß, dunkelbraun bis schwarz marmoriert. Die Fransen und Ränder erscheinen dunkelfleckig, und ziemlich beständig verläuft der größte Fleck von der Mitte des Vorderrandes bindenartig bis zum Innenwinkel. Die Hinterflügel sind einfarbig, glänzend weißgrau. Die fadenförmigen, schwarzen Fühler erreichen ungefähr zwei Drittel der Vorderflügellänge, die walzigen Taster stehen geradeaus und wenig über den Stirnschopf hervor. An den bläulichgrauen Beinen sind die Schienen mit zwei silberweißen Sporenpaaren bewehrt, die der hintersten mit langen, weißen Haaren besetzt. Eben ausgekrochen paaren sich die Tierchen, und das Weibchen sucht nachher mit Vorliebe die Getreidespeicher auf, wenn es nicht daselbst geboren wurde, legt ein bis zwei Eier an ein Korn, welcher Art, scheint ihm ziemlich gleichgültig. Bis Mitte Juli spätestens beendigt es dieses Geschäft und büßt es mit dem Tode. Dort kann man die kleinen Leichen zahlreich in den Spinnengeweben hängen sehen. Nach zehn bis vierzehn Tagen kriechen die Räupchen aus. In der letzten Woche des Juli wird man sie schon gewahr an den kleinen Kothäufchen, die an den von ihnen benagten und zu drei, vier und mehr zusammengesponnenen Körnern hängen, sie halten sich nicht an ein Korn, sondern naschen an mehreren und verbinden dieselben durch ein Gewebe, unter dessen Schutze sie äußerlich daran fressen. Die Raupe ist beinfarben, an Kopf und Nackenschild dunkler, hat sechzehn Beine und erreicht in einer Länge von etwa 10 Millimeter ihr volles Maß. Ende August oder anfangs September wird sie unruhig, läuft auf dem Getreide umher, überall Seidenfäden zurücklassend, und sucht ein geeignetes Plätzchen zur Verpuppung. Dasselbe findet sich ebensowohl in ausgehöhlten Körnern, wie in den Ritzen der Dielen oder Balken. Im Gespinste, das sie aus den Abnagseln ihrer Umgebung anfertigt, bleibt sie bis zum Frühling liegen, dann erst wird sie zu einer bräunlichgelben Puppe, deren Kopfende in eine stumpfe Spitze ausläuft. Die Gespinste finden sich öfters in kleinen Gesellschaften beisammen.
Von den Raupen der Kleider- oder Pelzmotten ist bekannt, daß sie in unsern Wohnungen an Plätzen, wo sie nicht gestört werden, als da sind Kleiderschränke, gepolsterte Stühle und Sofas, Schubladen, in denen wollene Stoffe aufbewahrt werden, auch in Naturaliensammlungen jeder Art, mit Ausschluß der Steine, arg wirtschaften und da, wo sie recht zahlreich vorkommen, über Winter an den Decken in kleinen Säckchen hängen, die sie als Wohnung aus Stoffen ihrer Umgebung anfertigen, um sich später darin auch zu verpuppen. Es kommen zwei Arten durcheinander vor, die Tinea pellionella,, gelblich seidenglänzend, Vorderflügel mit einem oder zwei dunklen Pünktchen in der Mitte, die jedoch auch fehlen können, mit lehmgelben Kopfhaaren und grauen, gelblich schimmernden Hinterflügeln. Sie ist die kleinere (11 bis 17,5 Millimeter) und die 15 bis 22 Millimeter spannende Tinea tapetzella, deren Kopfhaare weiß, Vorderflügel an der kleineren Wurzelhälfte violettbraun, dahinter gelblichweiß, an der Spitze mit einem violettgrauen Fleck gezeichnet sind, die Hinterflügel, wie vorher, grau und gelb schimmernd. Sie hält sich mehr an das Pelzwerk und die Felle ausgestopfter Tiere. Juni und Juli umfassen die Schwärmzeit beider Schmetterlinge, die jedoch einzeln schon früher oder später vorkommen, je nach den Wärmeverhältnissen der von ihnen bewohnten Örtlichkeiten. Sie sind natürlich tunlichst zu verfolgen, Neuerdings hat man Stoffe mit bestimmten gegen Motten schützende Chemikalien imprägniert. Ein solches ist z. B. das in den Leverkuser Farbwerken hergestellte Eulan. Hrsgbr in der Regel aber schwer zu fangen, weil sie nach Mottenart aus dem Fluge oft in eine rutschende Bewegung auf fester Unterlage übergehen und sich schleunigst Verstecken, Sobald man die Motten einzeln bemerkt, sind alle Gegenstände vor den legenden Weibchen möglichst zu schützen, die Polster fleißig auszuklopfen, die Kleidungsstücke öfters zu lüften und gleichfalls auszuklopfen, wodurch man auch die etwa schon vorhandenen Raupen zum Herausfallen veranlaßt, die vom August ab vorhanden sind. Werden Pelzwaren beiseite gelegt, so muß man sie vorher sorgfältig lüften, in ein leinenes Tuch einpacken, am besten einnähen (mit Insektenpulver bestreuen), und an einem gut schließenden oder luftigen Ort aufbewahren. Der Geruch von Terpentinöl und aller dasselbe enthaltenden Stoffe sowie der verschiedenen Mineralöle ist den Motten wie jedem andern Ungeziefer zuwider und ein gutes Schutzmittel gegen dieselben. In dunklen, dumpfen Winkeln gedeihen sie, wenn daselbst wollene Stoffe oder andere ihnen genehme Nahrungsmittel unbeachtet liegen, am besten, was schon den Alten bekannt war; denn Aristoteles (S. 26) erzählt, daß in Wolle und wollenen Zeugen Tierchen entständen, wie beispielsweise die Tuchmotten, besonders wenn die Wolle staubig und noch mehr, wenn eine Spinne mit eingeschlossen werde; denn diese trockne die Wolle, indem sie alle Feuchtigkeit, die etwa da sei, wegtrinke. Heutigestags würden wir der Meinung sein, daß die Spinne die Motte aussauge.
Zu den mannigfachen Genüssen, die dem Naturfreunde ein Frühjahrsgang durch einen Laubwald bietet, gehört auch das muntere Spiel einer an Kopf und Beinen zottig schwarz behaarten, an den Vorderflügeln metallisch dunkelgrün erglänzenden Motte, die man den grünen Langfühler ( Adela viridella) nennen könnte. An einem und dem andern von der Nachmittagssonne beschienenen, das Grün des jungen Laubes in wunderbarem Zauber zurückwerfenden Eichenbusche habe ich Hunderte dieser Mottchen auf- und abtanzen sehen, wobei sie ihre langen Fühler senkrecht in die Höhe halten, die beim Weibchen die Flügellänge merklich, beim Männchen mehr als um das Doppelte überragen und gleich Silberfädchen, getragen von den herrlich glänzenden Flügeln, fortwährend auf- und niedergehen. Es ist entschieden der Hochzeitsreigen, den diese Tierchen in lautloser Stille nur nach dem Takte der Farbentöne aufführen; denn ab und zu begibt sich ein Weibchen mit weit ausgebreiteten Flügelchen aus eines der Blätter und winkt mit den Fühlern nach rechts und links. Es bleibt aber unbeachtet und fliegt nach kurzer Zeit der Ruhe wieder auf, um sich von neuem unter die muntere Schar zu mischen, die so dicht gedrängt, als es die langen Fühler gestatten, ihr Auf- und Abwogen unterhält. Kurze Zeit ruht dann auch ein Männchen, und in dieser Weise geht das lustige Spiel weiter, bis schließlich nach dem Scheiden der Sonne unter dem westlichen Himmel der Knäuel sich löst und die einzelnen Pärchen zwischen dem würzigen Laub verschwinden. In manchen Jahren trifft man diese Motten sehr häufig und dann an den sonnigen Nachmittagsstunden in der eben geschilderten Weise, sonst träge an dem Laube sitzend und die Fühler in gemessenem Takte wiegend, oder in Gesellschaft anderer Brüder und Schwestern und der verschiedensten Kerfe an blühenden Weidenkätzchen, der um diese Jahreszeit am reichlichsten fließenden Honigquelle, ihr kurzes Dasein fristend.
Die Apfelbaum-Gespinst- oder Schnauzenmotte ( Hyponomeuta malinella) ist ein 19 Millimeter spannendes Mottchen von vorherrschend weißer Färbung mit Atlasglanz. Auf den gestreckten Vorderflügeln stehen drei Längsreihen schwarzer Pünktchen, die vor den Fransen des Saumes durch einige weitere Pünktchen verbunden sind; die dunkelgrauen, an der Wurzel weißlichen Hinterflügel haben gleichmäßig lichtgraue Fransen und der Hinterleib ebenfalls graue Färbung. Ende Juni oder anfangs Juli kriecht und sitzt bei Tage dieser bescheidene Falter an Apfelbäumen, fliegt jedoch des Abends umher, vorausgesetzt, daß sich ebenda zwischen den Ästen florartige Gespinste zeigen und bereits früher vorhanden waren. Es sind die Weideplätze seiner bräunlichgrauen, schwarz bewarzten Raupe. Dieselbe wird erst durch die zarten Gespinstschleier bemerklich, mit denen sie die Blätter umwickelt, die sie sich zur Nahrung ausersehen hat, und die sie nach Bedürfnis mehr und mehr erweitert. Weil mehrere Eier beisammengelegt werden, die Raupen also gesellig leben und bei größerer Häufigkeit sich mehrere Gesellschaften nicht selten vereinigen, so kann es geschehen, daß ganze Aste eines Apfelbaums überschleiert sind und innerhalb dieses Netzwerkes das Grün mehr und mehr durch Skelettieren der Blätter schwindet. Sind die Raupen, die sich lebhaft im Neste bewegen, wenn sie nicht der Ruhe nach eingenommenem Mahle oder bei den jedesmaligen Häutungen pflegen, einem Angriff ausgesetzt, so läßt sich jede sofort an einem Faden herab, um vom Boden aus in schleunigem Laufe zu entfliehen. Sobald sie erwachsen sind, spinnen sie sich gedrängt beieinander ein, und das ganze Nest enthält in Klumpen ebensoviel klebrige Hülsen, durch die die rötlichgelbe, untersetzte Puppe durchscheint, als vorher Raupen vorhanden waren. Die befruchteten Weibchen legen ihre Eier an die Rinde eines Zweiges in länglichen Haufen. Wie behauptet wird, kriechen dieselben in etwa vier Wochen aus. Dieselbe Art habe ich auf Schwarzdorn erzogen. Andere leben an andern Sträuchern, namentlich am Pfaffenhütchen, deren kleinere Büsche von den Raupen nicht selten vollständig entblättert und gänzlich überspannen werden. Da die meisten Arten nach den Futterpflanzen benannt worden sind, sich aber nicht auf eine solche beschränken, so herrschte große Verwirrung hinsichtlich der Namen unter den Schriftstellern, bis Zeller, einer unserer gründlichsten Kenner der Kleinschmetterlinge, mehr Ordnung hergestellt hat.
Die Ackereulenmotten ( Depressaria) vertreten unter den Schaben die Eulengattung Arotis in Rücksicht auf die mehr düsteren Farben der platt auf dem breitgedrückten Hinterleib aufliegenden Flügel, deren vordere breit, hinten stark gestutzt oder gerundet sind, während die Hinteren am Saum einen Ausschnitt haben. Sie fliegen in derselben Weise auf, wie jene, wenn sie am Tag gestört werden, oder laufen dahin, um sich zu Verstecken. Ihre großen Taster schließen aneinander, steigen hoch auf und bergen eine wohlentwickelte Rollzunge, auf dem Scheitel des polsterartig beschuppten Kopfes stehen Nebenaugen. Von den zahlreichen Arten, die als Schmetterlinge überwintern, leben viele als Raupen im Blüten- und Fruchtstande von Dolden, und ist als für den Feldbau verderblich zu nennen: die dunkelrippige Kümmelschabe, der Pfeifer im Kümmel ( Depressaria nervosa). Die Motte hat wenig für sich Gewinnendes infolge der rötlich graubraunen Vorderflügel, die auf den Rippen, besonders saumwärts, schwärzlich bestäubt sind, am meisten aber durch einen lichten Winkelhaken auffallen, dessen Spitze nach der Flügelspitze gewendet und ihr genähert ist, und dessen längerer Schenkel mit dem Vorderrande nahezu gleichläuft. Die Hinterflügel sind graubraun, das Endglied der Taster zweimal schwärzlich geringelt, das vorletzte bürstenartig, die Bürste durch eine Längsfurche geteilt. Die Flügelspannung beträgt durchschnittlich 20,15 Millimeter. Je nach der warmen oder kühlen Witterung kommen die Schaben früher oder später aus ihren winterlichen Verstecken, und das Weibchen legt seine Eier mehr einzeln an die Kümmelpflanzen, wenn es deren habhaft werden kann, wo nicht, an andere Dolden, unter denen Oenanthe aquatica ( phellandrium aquaticum) und Sium latifolium neben noch einigen andern genannt werden. Am Kümmel wird die Raupe bemerklich, sobald er mitten in der Blüte steht. Sie sitzt halb- oder ganz erwachsen in den Dolden, die sie in der Regel durch wenige Fäden zusammenzieht, und frißt die Blüten und jungen Samen; sollten beide nicht mehr ausreichen, so nagt sie auch die zarteren Zweige an. Es sind Fälle vorgekommen, in denen man den Ausfall der Ernte durch ihre Schuld auf mehr denn die Hälfte veranschlagt hat. Das sechzehnfüßige Raupchen ist ungemein lebendig, schnellt um sich, wenn man es berührt, oder läßt sich an einem Faden zur Erde hinab, auf der es eilfertig davonkriecht. In der Gefangenschaft weiß es sich durch die engsten und verborgensten Spalten durchzuzwängen, um ihr zu entgehen. Nach viermaliger Häutung ist die Raupe erwachsen, wozu sie vom Ei an durchschnittlich fünf Wochen gebraucht, wenn ungünstige Witterung ihre Entwicklung nicht aufhält. Sie ist etwa 15 Millimeter lang und ziemlich bunt gefärbt: ein breiter orangener Seitenstreifen mit den schwarzen Luftlöchern teilt den Körper in eine blaß olivengrüne, breitere Rücken- und eine lichtere Bauchhälfte; an jener stehen auf jedem Ringe vom vierten an in einer Querreihe vier glänzend schwarze, weiß geringelte Warzen und je zwei noch dahinter, auf dem vorletzten Glieds nur vier in einem nach vorn offenen Halbkreise, auf dem zweiten und dritten dagegen sechs in einer Querlinie. Kopf, Nackenschild und Afterklappe glänzen schwarz, beide letztere umgibt ein rotgelber Saum, jenes teilt überdies noch eine ebenso gefärbte Längslinie. Die untere Körperhälfte zeichnen gleichfalls mehrere Warzenreihen aus. Zur Verpuppung bohrt sich die Raupe in den Stengel der Futterpflanze ein und nagt sich ein bequemes Lager aus, spinnt das Flugloch durch ein schräges Deckelchen zu und wird zu einer etwas flach gedrückten Puppe, die, von einigen Seidenfädchen in der Stengelhöhlung festgehalten, gestürzt über dem Flugloch zu liegen pflegt. Sind die Raupen sehr zahlreich, so kann man dreißig bis vierzig Löcher in einer Staude zählen, Zugänge zu ebensovielen Puppenlagern, und ihre Ähnlichkeit mit einer Flöte dürfte größer sein als bei der vom Pfeifer angebohrten Rapsschote. Die entschlossene Raupe ist übrigens nicht leicht verlegen, wie ich an gefangenen beobachtet habe. Hat sie keinen geeigneten Stengel, so verpuppt sie sich in der etwas zurechtgenagten und zugesponnenen Dolde, wie viele ihrer Gattungsgenossen, oder auch frei an der Erde. Zur Zeit, in der man den Kümmel rauft, sind alle Raupen in den Stengeln verpuppt, einzelne Schmetterlinge schon ausgeschlüpft. In den ersten Tagen des Juni erhielt ich bereits dergleichen aus zerbohrten Stengeln, die ich eingetragen hatte. In einem andern Jahre traf ich dagegen am 13. August noch Raupen und Puppen in den Stengeln der Oenanthe aquatica und erzog aus letzteren nach zwei Tagen die ersten Schmetterlinge. So können die Entwicklungszeiten in verschiedenen Jahren und an verschiedenen Futterpflanzen auseinandergehen, denn diese Erfahrungen möchten schwerlich zu der Annahme von zwei Bruten berechtigen.
Vor mehreren Jahren fiel mir die Verunstaltung der Blätter an den Syringen in den städtischen Promenaden zu Halle auf, und nachdem ich den Urheber kennengelernt und in seinem Treiben beobachtet hatte, lese ich in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie, daß auch dort die öffentlichen Anlagen und die Privatgärten in gleicher Weise seit längerer Zeit verunstaltet werden, und in Frankreich kommen gleiche Wahrnehmungen vor; denn sicher ist es nur Verunstaltung zu nennen, wenn die überwiegende Anzahl der Blätter eines Baumes oder Strauches nicht ihre natürliche Gestalt und Farbe hat, sondern eingerollt, zerfressen und schließlich gebräunt erscheint. Das winzige Räupchen der ebenso winzigen Fliedermotte ( Gracilaria syringella) beleidigt hier so ganz entschieden das Auge. Das sechzehnfüßige, lichtgrüne Wesen mit braunem Kopfe lebt in Gesellschaften bis zu zwanzig, nicht nur an den Blättern des gemeinen und persischen Flieders, sondern auch an denen der Esche ( Fraxinus excelsior), des Pfaffenhütchens ( Evonymus europaeus), der Rainweide ( Ligustrum vulgare) und noch einiger andern Sträucher. Sie nagen zunächst die Oberhaut weg, dann das darunter befindliche Blattfleisch, die Haut der Unterseite bleibt immer stehen und bräunt sich allmählich. Nach der ersten Häutung verlassen sie die Mine des Nachts und bewirken durch gezogene Fäden, daß sich die ausgefressene Blattspitze aufzieht und aufrollt. So treiben sie es allnächtlich, kriechen am Tage wieder in die Rolle und verzehren die Blattmasse mit Ausnahme der unteren Haut. Zwischen je zehn oder zwölf Tagen häuten sie sich, und zwar dreimal, hierauf suchen sie sich ein frisches Blatt, behandeln es wie das frühere und lassen sich nach der gleichen Zeit herab, um in der Erde die Verpuppung in einem sehr dünnen Gewebe zu bestehen. Die gelbbraune, spindelförmige Puppe endigt stumpf, die Scheiden ihrer Fühler und Hinterbeine reichen bis zur Spitze, letztere nicht genau so weit; sie liefert in vierzehn Tagen (Ende Juni oder Anfang Juli) den Schmetterling. Gegen Abend fliegen diese um die Futterpflanze, um sich zu Paaren, und sofort wird der Grund zu einer zweiten Brut gelegt, deren Raupen es vorzugsweise sind, welche die oben geschilderten Verunglimpfungen vornehmen; sie gelangen vor Beginn des Winters bis zur Verpuppung, Im nächsten April und Mai fliegen ihre Schmetterlinge aus. Jedes Weibchen kann durchschnittlich hundert Eier legen.
Der zierliche Falter sieht staubgrau aus und hat ungemein lange, gleichgefärbte Fransen an seinen Flügeln, besonders am Innenwinkel der vorderen, die wie ein hoher Kamm hervortreten, wenn sie in der Ruhelage dachartig den Leib verstecken. Die Vorderflügel erscheinen gescheckt durch sechs silberweiße Querbinden, deren drei hinterste seiner und unvollständiger sind als die vorderen. Die grau und weiß geringelten Fühler erreichen die Länge der Vorderflügel, die anliegend beschuppten und daher dünnen Lippentaster stehen schwertförmig vor dem glatten, runden Kopfe, ihr Endglied spitzt sich zu und bildet die Hälfte ihrer ganzen Länge; Rollzunge und Kiefertaster sind deutlich. Eine interessante Stellung nimmt das Mottchen am Tage ein, wenn es schläft. Der Körper ist schräg aufgerichtet und ruht auf den beiden langen Vorderbeinen, deren Knie in einer Fluchtlinie mit der Stirn liegen, die Füße greifen weiter hinten Platz, von den andern Beinen sieht man nichts, weil sie sich zwischen Leib und Flügel verbergen, an deren Fläche nach außen angedrückt der geringelte Fühlerfaden in schnurgerader Linie nach hinten zieht. Die Flügelspannung beträgt durchschnittlich 11,5 Millimeter.
Die Lärchen-Miniermotte ( Coleophora laricinella) ist seidenglänzend aschgrau, an den Fransen etwas matter. Die langen Taster richten sich auf und reichen bis zur Wurzel der Fühler, welche die Länge des Leibes haben. Sie erscheint Anfang Juni im Gebirge und in den Ebenen Deutschlands, wo sie ihre Futterpflanze, die Lärche, findet, fliegt sehr schnell und läuft mit vorgestreckten Fühlern und mehr platten als dachförmigen Flügeln an den Nadeln auf und ab. In die Gegend der nächstjährigen Triebe werden aller Wahrscheinlichkeit nach die Eier abgesetzt. Wenn im Frühjahr die Bäume ausschlagen, kommen die Räupchen hervor und fressen sich einzeln an der Spitze in die Nadel ein, die beim weiteren Fortwachsen zur vorderen Hälfte gelb und gekräuselt ist, und zwar pflegt dies Los fast alle Nadeln eines Büschels zu treffen. Die Raupe bleibt aber nicht darin, sondern fertigt sich aus diesen Abnagseln ein Säckchen, das sie beim Fortkriechen emporhält. Sie ist rotbraun, kaum 4,5 Millimeter lang und zeichnet sich durch den kleinen Kopf sowie die sehr kleinen acht Bauchfüße aus. Meist schon vor Ende Mai ist sie erwachsen, spinnt sich an einer Nadel fest, kehrt sich um, verpuppt sich, und nach zwei bis drei Wochen kommt das Mottchen aus dem Hinterende des Säckchens herausspaziert, ohne die Puppenhülse mit herauszunehmen.
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Schließlich wollen wir noch mit ein paar Worten der Geistchen oder Federmotten ( Pterophoridae) gedenken, welche die letzte Schmetterlingsfamilie bilden. Ihre Flügel sind in lange, beiderseits gefranste Zipfel gespalten, so daß sie mit den Fahnen nebeneinanderliegender Federn verglichen werden können. Die Vorderflügel pflegen sich in zwei, die Hinteren in drei oder bei andern jeder in sechs Federn zu zerlegen, dabei gäbe die Verschiedenheit des Aderverlaufes Anlaß genug, noch mehrere Gattungen von den schon vorhandenen abzutrennen. Der Körper und vorzugsweise die Beine sind sehr gestreckt und zart, der Kopf ist kugelig, die Rollzunge stark entwickelt; die Taster sind vortretend und mit langem Mittelglieds versehen. Nebenaugen kommen vor, fehlen aber auch. Die sechzehnfüßigen Räupchen leben frei an niederen Pflanzen oder Sträuchern und verpuppen sich an denselben in losen Gespinsten oder auch an der Erde. Bei Pterophorus ( Alucita)) fehlen die Nebenaugen, die Vorderflügel spalten sich erst vom letzten Drittel an in zwei Federn, und zwar in zugespitzte, am Innenwinkel gerundete. Die sehr zahlreichen Arten wurden von Zeller in mehrere Gruppen je nach dem Aderverlauf geordnet. Eine der gemeinsten Arten, von Schonen und Gotland bis nach Sizilien und östlich bis in das Kasansche verbreitet, ist der 22 bis 24 Millimeter spannende Pterophorus pterodctylus. Körper und Vorderflügel sind graugelb oder zimtbraun, letztere an der Teilungsstelle und am Saum dunkler gefleckt. Die grauen Hinterflügel haben an der dritten Feder sehr lange Fransen. Dies letzte Merkmal unterscheidet die Art von dem ungemein ähnlichen P. fuscus. Sehr leicht kenntlich wird durch die schneeweiße Färbung der P. pentadactylus, eine der größten und am meisten verbreiteten Arten, die in ganz Europa, mit Ausnahme des hohen Nordens, vorkommt. Die Raupe lebt auf der Acker- und Zaunwinde.
Die Arten, deren Flügel dadurch fächerartig werden, daß sich jeder in sechs linienförmige Federn bis zur Wurzel spaltet und denen gleichzeitig Nebenaugen zukommen, hat man neuerdings sogar zur Familie der Alucitinen erhoben. Die zierliche Alucita polydactyla teilt das Ansehen mit mancher recht ähnlichen Art. Bei ihr ist das letzte Tasterglied aufsteigend und dem vorletzten an Länge gleich, die blaß gelbgrauen Flügelstrahlen erscheinen durch mehrere dunkle Querbinden wie gewürfelt, zwei verloschen weiß gerandete durchziehen die Vorderflügel, von denen die äußere mit einem einfachen dunklen Fleck am Vorderrande beginnt. Das 13 Millimeter spannende Geistchen verbreitet sich im mittleren Europa allgemein. Die Raupe lebt in der Blüte des Geisblattes ( Lonicera periclymenum), in die sie sich am unteren Röhrenteil einbohrt, so daß der Saum vorn nicht zur Entwicklung gelangt, sondern geschlossen bleibt. Wo sie einmal haust, findet sie sich alljährlich wieder. An der Erde erfolgt die Verwandlung zur Puppe.