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Der Husarenoffizier und der Journalist – denn das waren die beiden Herren in der Laube – verweilten nicht mehr lange. Ihr Gespräch schien ziemlich ernsthaft geworden zu sein; nur manchmal konnte der Eine oder der Andere sich erneuerten Lachens nicht enthalten, in welches dann der Freund einstimmte. Übrigens wollte der Offizier noch immer nicht recht glauben, daß man den Herrn von Syllabus richtig auf dem Scheuermannschen Hofgute abgefaßt habe. Wiewohl er nur zu gut wußte, mit welcher kecken List er den Streich vorbereitet hatte, so war es ihm doch unangenehm, daß ein dritter Unschuldiger darunter leiden sollte. Hätte er freilich geahnt, daß der junge Kranich durchaus nicht unschuldig büße, so würde er die Sache wohl leichter genommen haben. Aber dieses blieb nicht nur für jetzt, sondern auch später ein Geheimniß der Familie Kranich.
Name und Wohnort des Öconomen, welcher damals das verhängnißvolle Gabelfrühstück in der Restauration einnahm, waren sehr leicht auszukundschaften. Die beiden Freunde hatten ja von dem Gaste selbst erfahren, daß er in der nächsten Umgegend der Residenz ansässig sei. Es währte daher nicht lange, und der junge Offizier hatte schon seinen Namen kennen gelernt und hinreichende Studien über die Familie Scheuermann gemacht. Er richtete zu diesem Zwecke manchen seiner Spazierritte nach dem Dorfe, und sah sich bei Gelegenheit in Civilkleidern auch einmal das Hofgut selber an. Das war ihm bald klar geworden, daß, vorausgesetzt, die abenteuerliche Wette könne gelingen, kein besserer Held als Herr Öconom Scheuermann aufzutreiben war.
Vor allem machte er sich einen angenehmen Zeitvertreib daraus, alle Criminalfälle, welche in der Residenz und deren Umgebung vorfielen, mit etwas stark aufgetragenen Farben in den Blättern erscheinen zu lassen, von welchen er wußte, daß sie von dem Öconomen gelesen wurden. Natürlich war er aber nicht allein der Absender des anonymen Briefes an den Bürgermeister, sondern auch schon vorher der Verfasser jener furchtbaren Räubergeschichte in der Zeitung. Da diese förmliche Erdichtung war, so bediente sich der kecke Soldat eines Auskunftsmittels, welches in unsern Tagen, wie man hört, nicht selten angewendet wird, nicht allein zu Privatgeschäften, sondern auch zu Staatsactionen. Er ließ nämlich die Schauergeschichte nur in ein einziges Exemplar des Journales seines Freundes drucken, und zwar in jenes, welches der Bote des Herrn Scheuermann empfing, der täglich auf der Expedition des Blattes erschien, um die neueste Nummer abzuholen. Der Journalist protestierte zwar gegen einen solchen Mißbrauch; aber der Offizier erinnerte ihn an die Bedingungen der Wette, und bestand auf seinem Rechte.
»Weißt du auch« – sagte der Journalist, »daß du hier die schlimme Jesuitenmaxime praktisch verwerthest: Der Zweck heiligt die Mittel.«
»Ich weiß aber auch« – versetzte der Offizier, »daß die Jesuiten diesen Grundsatz nie und nimmer angewendet haben, wohl aber ihre Feinde und Verläumder.«
»Darüber werden wir vor der Hand nicht ganz einig« sagte der Journalist.
»Das weiß ich, Theuerster!« – entgegnete der Offizier. »Es gibt nichts Stärkeres und Zäheres als das Vorurtheil!«
»Sicherlich!« – sagte der Offizier. »Aber wir haben auch die Pflicht, selbst sie abzulegen und an andern sie zu bekämpfen.«
»Und diese Rolle des Drachentödters Sanct Georg hast du mir gegenüber übernommen?«
»Freilich, lieber Karl!« – rief der Offizier und seine Augen strahlten. »Und da ich sehe, daß ich den Drachen des Vorurtheils gegen die Jesuiten jetzt dir noch nicht vom Halse schaffen kann, so versuche ich es in meiner Wette mit einem andern gräulichen Lindwurm.«
»Und der wäre?« –
»Der Lindwurm der Bildung unsers aufgeklärten Jahrhunderts!« – sprach der Offizier mit launigem Pathos. »Ich halte diese Bildung zu nicht geringem Theile für einen riesenhaften Humbug. Du sollst es an unserm Öconomen erleben, wenn er den gefürchteten Rinaldo Rinaldini Deutschlands, den Gaunerbaron von Syllabus vor das Polizeiamt ausliefert. Ist dieses Ungeheuer glücklich erlegt, so wird es mir mit dem Jesuitendrachen um so leichter werden.«
»So leicht wird dir das nicht gelingen« – sagte der Journalist.
»Gut! Aber die Wette besteht.« –
Dem Husaren selbst aber schien es keine ganz glatte Aufgabe, die Wette zu gewinnen. Namentlich war es eine Schwierigkeit, wem die Rolle des Herrn von Syllabus übertragen werden sollte. Er dachte zuerst an seinen Reitknecht; aber dann hatte er doch Mitleiden mit dessen ehrlicher Haut, welche wenigstens ihren Püffen nicht entgehen würde. Vielleicht wäre auch unter den Schauspielern niedern Ranges am Hoftheater ein Buffo zu finden gewesen, welcher mit einem gewissen künstlerischen Bewußtsein die Rolle durchgeführt hätte. Endlich aber blieb er bei dem so practischen Institute der Dienstmannschaft der Residenz stehen. Zweifelsohne könnte ein Dienstmann gefunden werden, welcher die Sache ganz geschäftlich auffaßte, und sich bei gehörig gesteigertem Lohne auch einmal als Arrestant auf die Polizei transportiren ließ.
Gerade am nächsten Tage wollte der Offizier abermals einen Ritt hinaus ins Dorf, und wo möglich auf das Hofgut unternehmen, um sich zu versichern, ob die Sache reif sei. Da hatte der blinde Zufall oder vielmehr die strafende Nemesis dem jungen Herrn Kranich die Heldenrolle in der Tragikomödie überwiesen. Um sich völlige Gewißheit zu verschaffen, ritt er noch am Abend hinaus. Beim Bürgermeister des Dorfes erfuhr er, daß er freilich die Wette gewonnen habe.
Am nächsten Morgen hielt er es für seine erste Pflicht, auf das Polizeiamt zu eilen, und, wenn nöthig, das Mißverständnis beseitigen zu helfen. Zu seiner großen Beruhigung erfuhr er jedoch, daß Caspar Kranich schon gestern Abend in Freiheit gesetzt worden sei. Er ließ sich den Gasthof nennen, wo derselbe abgestiegen war. Dort aber vernahm er, daß der Herr heute schon mit dem Frühzug abgereist sei.
»Die Wette hast du gewonnen« – sagte lachend der Journalist zu seinem Freunde. »Aber der eigentliche Erfolg scheint mir kein besonderer. Erstens: Gewissensbisse, wie du nicht leugnen kannst; zweitens: sehr geringe Belehrung deines antisyllabistischen Freundes.«
»Das Zweite leugne ich« – erwiderte der Husarenoffizier – »und gebe mich in diesem Punkte den größten Hoffnungen hin. Denn du hast Kopf und nebenbei auch ein Herz. Wo die beiden zusammen kommen, ist die Wahrheit stets Siegerin früher oder später. Was aber Numero Eins betrifft, so gestehe ich es ehrlich zu. Sei deßhalb so gut, und schicke die hundert Ducaten den barmherzigen Schwestern für ihre Armen.« – –
Caspar Kranich saß mit geschwollenen Händen und Beulen am ganzen Körper im Eisenbahnzuge, um nach Hause zu kommen. Er kochte vor Wuth und Ingrimm, und wußte nicht, wie er sich Genugthuung verschaffen sollte. Daß er nicht ganz ohne Schuld am Ausgang seines Abenteuers sei, wollte er sich nicht eingestehen. Und dennoch war sein und seines Vaters geplante Überlistung der Familie Scheuermann ein viel größeres Unrecht, als ihm gestern von dem alten Freunde seines Vaters geschehen war. Er hatte sehr lustige Tage in der Residenz verlebt, und bald einen Ausflug nach dem Landsitze des Herrn Scheuermann, aber im strengsten Incognito, unternommen. Das Glück war ihm günstig und gleich beim ersten Versuch konnte er der Tochter des Hauses ansichtig werden. Er war im Dorfe eingekehrt, und sah eine junge Dame aus der Kirche gehen, deren Erscheinung ihn sofort fesselte. Es war Friederike, wie ihm die Wirthsleute sagten. Schon am folgenden Tage sah er sie dann zu seiner größten Freude im Theater, wo er nicht weit von ihr einen Logensitz hatte. Als sie so rasch ihren Platz verließ, war er ihr unwillkürlich nachgeeilt, und sah sie in die Thüre des ihm unbekannten Hauses verschwinden. Dieser Abend hatte über sein Herz entschieden, von dessen Dasein er bis jetzt eigentlich noch keine rechte Kenntniß gehabt hatte. Der geheime Wunsch des alten Herrn Kranichs war zu eitel Wasser geworden. Des nächsten Morgens in aller Frühe machte er die einsame Landparthie in den Wald seines zukünftigen Schwiegerpapas, wo er mit Hans, dem Großknechte, zusammenstieß. Das Glück, welches ihm die ersten Tage gelächelt, war ihm jetzt minder hold; er sah Friederike nicht mehr, obwohl er wiederholt hinausging. Das versetzte ihn in wenig Tagen in eine große Ungeduld. Er wollte die Sache fertig machen, und fuhr an jenem Unglücksnachmittage in der Absicht nach dem Hofgute, sofort um die Tochter anzuhalten. Daß er einen Korb erhalten könne, besorgte der reiche Erbe durchaus nicht. Er war ja schon der Einstimmung der Eltern gewiß, und sann nur über die Ausrede nach, womit er sein frühes Erscheinen begründen könne. Sie war bald gefunden: er wollte sagen, daß die Geschäfte bezüglich der Erbschaft erst im Winter abgethan werden sollten, und daß ihn das Verlangen nach seiner liebenswürdigen Braut so schnell herbeigeführt habe. Vor Allem verließ er sich auf den Effect, welche die allerdings bedeutende Erbschaftsziffer auf die Familie Scheuermann machen würde.
So setzte er sich denn als siegesgewisser Brautwerber in das Cabriolet, – um zu Fuße als Arrestant in die Residenz zurückzukehren. Daß sich auf der Polizei das Mißverständnis sofort aufklärte, war natürlich. Caspar aber hatte das Residenzleben und die Brautwerbung satt, und fuhr im Courierzuge nach Hause.
Vater Kranich war furchtbar aufgebracht, als er den Sohn solchergestalt zurückkehren sah. Daß die ganze Sache ein Irrtum gewesen, war klar. Der Alte verheimlichte sich auch nicht die Schuld, welche er an der Geschichte eigentlich trug, wenn er auch nicht für nöthig fand, über diesen Punkt mit seinem Sohn zu reden. Nachdem der erste Zorn verraucht war, glaubte er aber aus der fatalen Geschichte so viel Nutzen als möglich ziehen zu müssen. Vor allem lag ihm daran, daß das Heirathsproject, welches nicht mehr nach seinem Geschmacke gewesen war, jetzt und für immer vollständig beseitigt werde. Der Brief, welchen er deßwegen an seinen alten Freund schrieb, war ein Muster von klassischer Grobheit. Im Augenblick wußte Herr Scheuermann auch nicht, was er erwidern sollte. Aber später bat er brieflich um Verzeihung, und der alte Kranich erwiderte fast launig, indem er die Hochzeit seines Sohnes mit einer steinreichen, kinderlosen Wittwe anzeigte.
Unserm Öconom war es freilich an jenem Nachmittage, als der vermeintliche Gauner und Räuber in die Residenz geführt war, nicht sonderlich wohl zu Muthe; er konnte sich über den Grund selber keine genügende Aufklärung geben. Seine Frau war so angegriffen, daß sie fast ernstlich krank wurde. Sie hatte so viele Bedenken über die ganze Geschichte, daß es dem Eheherrn selber allgemach unheimlich wurde. Als sodann am nächsten Tage der Bürgermeister todtenbleich die Nachricht brachte, daß der Arrestant auf freien Fuß gesetzt sei, war der Herr Provincialrath einer Ohnmacht nahe. Der Brief vom alten Kranich vollendete die Niederlage. Einige Zeit ging Herr Scheuermann mit dem Gedanken um, seiner angegriffenen Gesundheit wegen noch im Herbst ins Bad zu reisen, und seine Frau war vollkommen damit einverstanden. Der eigentliche Grund war aber, weil er, wie früher die Räuber, so jetzt die Geschichte fürchtete. Aber es blieb Alles still. Herr Scheuermann hatte das niemand anders zu verdanken, als dem Husaren, welcher ihm den Streich gespielt hatte, und nun bei seinen Freunden in der Magistratur Alles aufbot, damit man die Sache fallen lasse. Das geschah auch. Und da nach einigen Wochen noch immer kein Gerichtsbote sich auf dem Hofgute zeigte, wenn auch der Hausherr stundenlang am Fenster saß, und die Landstraße hinabspähte, so wurde das Project der herbstlichen Badereise stillschweigend wieder aufgegeben.
Rike wurde in der ganzen Sache nicht klar. Ihr reines Herz schlug so muthig, daß sie die Furcht des Vaters nicht begreifen konnte. Den Brief des alten Herrn Kranichs theilte jener nur der Mutter mit. Eine andere Frage beschäftigte auch Friederike um so ernster, je weniger sie mit derselben in's Reine kommen konnte. Plötzlich brach sie eines Nachmittags, nachdem sie lange sinnend in ihrer Stube gesessen, auf und eilte in's Dorf zum Pfarrhofe.
Der alte greise Herr im Silberhaare, welcher sie getauft hatte, empfing sie freundlich, wie immer.
»Ich habe eine Frage, Hochwürden, und Sie müssen so gut sein, sie mir zu beantworten« – sagte Friederike.
»Wenn ich kann, gewiß, mein Kind!« – versetzte lächelnd der Greis.
Rike setzte in aller Einfachheit die Geschichte ihres Theaterabends auseinander, während der Pfarrer aufmerksam zuhörte. Nachdem sie geendet hatte, frug sie:
»Nun möchte ich wissen, ob ich gefehlt habe, oder wie ich hätte handeln sollen.«
»Das Beste wäre gewesen, nicht hinzugehen« – sagte der Pfarrer. »Wer sich in die Gefahr begibt, kommt darin um.« –
»Da ich nun einmal zu schwach war, nein zu sagen und zu Hause zu bleiben,« – versetzte Rike – »was war zu thun? – Sollte ich alle diese Dinge mit ansehen, sollte ich mich so herabwürdigen, das, was mir das Erhabenste ist, in solcher Weise verläumdet und verhöhnt zu sehen?« –
Das Gesicht des Mädchens hatte sich geröthet, in seinen Augen glänzten Thränen.
»Ich tadle nicht, was du gethan hast, meine Tochter« – entgegnete der Greis. »Aber du siehst, wie mißlich unsere Lage werden kann, wenn wir zu rechten Zeit nicht klug genug gewesen sind.« –
»Nun bin ich schon darüber beruhigt. Aber« –
Rike stockte.
»Aber?« –
»Ich hätte eigentlich noch eine Frage, die Hauptfrage, weswegen ich kam« ? sagte Rike, und Purpur übergoß ihr Antlitz und sofort stürzte ein Thränenstrom aus ihren Augen.
Der Greis ließ sie niedersetzen und beruhigte sie. Friederike vertraute dann mit manchmal stockender Stimme dem greisen Priester das Geheimnis ihres Herzens an. Gegen die Wahl wußte er nichts einzuwenden.
»Und hier, mein Vater« ? fügte sie nach einer Pause hinzu – »hier sagen Sie mir, ob ich Recht thue, es den Eltern zu verheimlichen.«
»Gewiß nicht – mein Kind!«
»Aber wie brächt' ich's über die Lippen vor dem Vater, und« ? setzte sie leise hinzu – »noch mehr vor der Mutter?«
»Deine Mutter ist eine verständige Frau, die ihre Kinder treu und herzlich liebt. Geh', mein Kind, und vertrau' dein Herz der Mutter!« –
»Danke!« ? rief Rike, küßte dem Greise die Hand und ging.
Als Rike in den nächsten Tagen mit ihrer Mutter darüber sprach, fand sie dieselbe ernst, aber durchaus nicht, wie sie gefürchtet hatte, ihrer Wahl abgeneigt.
»Die Sache will überlegt sein, mein Kind« – sagte sie. »Ich will mit dem Vater sprechen. Es ist aber gut, daß du offen mit mir gesprochen hast.« –
Im Herzen dachte Frau Scheuermann an den jungen Kranich, welchen sie freilich in keinem glücklichen Augenblick persönlich kennen gelernt hatte. Aber wenn sie ihn, und das, was sie inzwischen aus der Residenz von seinem Auftreten gehört hatte, mit Theobald Hartwig und seinem männlichen Wesen verglich, so mußte sie sich beschämt eingestehen, daß die Tochter besser gewählt habe, als die Eltern.
Als dann nach Verlauf von einem Jahre der junge Hartwig sich als zweiter Director einer vielversprechenden neuen Eisenbahn auf dem Hofgute vorstellen konnte, wurde er mit Freude und Liebe als Sohn der Familie aufgenommen. –
Vater Scheuermann wurde in den nächsten Monaten sehr einsylbig. Er las wenig Zeitungen mehr, und wenn er sonst oft von den Kammern im Majestätsplural gesprochen hatte: Wir debattirten, Wir referirten, Wir protestirten – so hörte man jetzt nichts mehr der Art von ihm. Er hatte dabei eine dunkele Ahnung, daß man ihn in der Räubergeschichte hintergangen habe; aber die Fäden des Netzes, in welchen er als arme Fliege hangen geblieben war, konnte er nicht entwirren. Seine Frau sah ihn oft stundenlang in tiefen Gedanken sitzen. Aber das Resultat seiner Grübeleien war stets dasselbe.
»Punctum!« – sprach er zuletzt und klopfte etwas ungestüm auf die goldene Dose.
Dagegen kehrte er zu einer Lieblingsgewohnheit zurück, welcher er, solange er auf hoher politischer See steuerte, fast ganz untreu geworden war. Er wohnte wieder gern den Unterrichtsstunden seines kleinen Franz bei. Er hielt das auf der einen Seite für Pflicht, auf der anderen unterhielt ihn die Wißbegier des regsamen Lateinschülers.
An einem stillen Novembertage saß er wiederum im Lehnsessel am Ofen, während der junge Caplan mit seinem Schüler heute Religion vornahm.
»Was ist also der Syllabus?« – fragte der Caplan eben den fleißigen Zögling. – »Weißt du es noch?« –
Herr Scheuermann horchte hoch auf.
»Syllabus« – sagte der Knabe in hohem Tone her – »ist eigentlich ein griechisches Wort und heißt: Verzeichnis. Heut zu Tage versteht man aber unter Syllabus vornehmlich das Verzeichnis der Hauptirrthümer und falschen Lehren unserer Zeit, welche Papst Pius IX. mit seinem Apostolischen Schreiben vom 8. Dezember 1864 hat veröffentlichen lassen.«
Herr Scheuermann seufzte leise. Es war ihm abermals ein Licht aufgegangen.