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Finkenberger hatte sich über Gebühr beim Hirschenwirte aufgehalten und im Keller sämtliche Weinsorten mit Kennermiene geprüft. Er war in etwas aufgeregter Stimmung, als er endlich bei einbrechender Dunkelheit seinen Braunen aus dem Stall führte und in die Gabeldeichsel seines Wägelchens schob. Ein lustiger Peitschenknall – der Ruf: »Hü, Rössel!« und blitzschnell sauste der Einspänner die Fahrstraße dahin.
Ein wundervoller Sommerabend war es. Wie von einem matten Nimbus umleuchtet hob sich der Felsenkamm des Haunold vom letzten Flecklein lichten Abendhimmels ab. Jetzt stieg hinter dem runden, mächtigen Haupte des Helm die volle Mondscheibe empor, das ganze Tal mit träumerischem Lichte überflutend. Alles war still ringsum, alles einsam und tot. Der kleine und doch schon so zornige Rienzfluß, dessen Wellen im Mondenstrahle schäumten und blitzten, brachte allein Leben und Rauschen in diese wundersame Stille.
Jetzt bog die Straße vom Flusse ab, der aus der Landroschlucht hervorbricht, und zog an der Schlucht vorbei in gerader Linie über das Toblacherfeld. Heute steht dort, Haus an Haus, die Ortschaft Neutoblach; damals war das Feld einsam und unbewohnt. Am nahen Berge lagerte finstere Waldung. Finkenberger hieb auf das Rößlein ein, und mit verdoppelter Geschwindigkeit sauste der Wagen zwischen den lebenden Hecken, die den Fahrweg einsäumten, dahin.
Nun kam eine Biegung. Nahe daran stand am Wiesenrande, die Hecke unterbrechend, eine Gruppe von Fichten, die Stämme von Buschwerk umdunkelt. Der Wagen raste vorüber, doch im nächsten Augenblicke wurde der Gaul am Zaume gerissen, daß er, sich hoch aufbäumend, stehen blieb.
Schnell hob Finkenberger sich vom Wagensitze und sprang auf die Erde. Er wandte sich zurück. An einen Fichtenstamm gelehnt, stand eine weibliche Gestalt. Sie trug keinen Hut; der Mondstrahl fiel hell auf ihr blasses Gesicht. Finkenberger hatte sich nicht getäuscht – sie war es!
In einem Augenblick war ihm alles klar. Halb verwirrt und ihrer Sinne noch nicht mächtig, war sie von einer Ohnmacht aufgestanden, vielleicht weitergewandelt kurze Zeit, ehe sie erschöpft und traumverloren sich an diesen Baum am Wege lehnte.
Zitternd vor Aufregung stand der Zillertaler und betrachtete, nach vorn geneigt, die Halbbewußtlose mit dem Blicke eines Tigers.
Das war wenige Sekunden nur. Ein Ruck am Wagen mahnte ihn, daß sein Gaul ungeduldig sei. Hastig griff er nach dem Zaume und schlang ihn um die Hecke. Dann wandte er sich wieder der Wehrlosen zu.
Aber da prallte er zurück – was jetzt dort unter den Fichten stand, war ein Mann! War der von der Erde emporgestiegen? Auf seiner Fahrt hatte Finkenberger doch keinen Wanderer überholt!
Erst überlief es ihn kalt, dann aber faßte den vom Weine Erhitzten rasende Wut. Er sprang zum Wagen, riß seine Pistole hervor und spannte sie, einen wilden, gellenden Fluch ausstoßend, gegen den Mann unter den Fichten.
Der aber stand still und starr und rührte sich nicht von der Stelle. Hinter ihm klangen sanfte, klagende Laute, abgerissene Worte des Gebetes aus den Lippen der armen Kirchfahrerin.
So verging eine Spanne Zeit, eine Minute, oder mehr oder weniger. Dann klang Kandidus' Stimme durch die stille Nacht, laut und tief, aber bebend vor Zorn: »Schelm, jetzt seh' ich, daß du an den Galgen gehörst!«
Da ließ der andere die Mordwaffe sinken, und lachte wüst: »Haha, du Trottel! Erschrecken habe ich dich wollen und erschrocken bist!«
Damit riß er den Zaum von der Hecke, schwang sich in den Wagen und ließ die Peitsche über den Rücken seines Pferdes sausen, daß es wie toll davonstürmte.
Betäubt vor Zorn und Entsetzen blickte Kandidus nach der Staubwolke, die den Elenden einhüllte.
Kandidus hatte sich, als er einige Zeit früher des Rosenwirts Gefährt hinter sich hörte, im Schatten des Wegzaunes gedeckt, damit nicht etwa der lose Geselle, der ihm im Herzen zuwider war, im Vorüberfahren das Wort an ihn richte. Fast unwillkürlich, gedankenlos war das geschehen. Dann hatte er seinen Weg ungesehen fortgesetzt und war eben zur rechten Zeit gekommen, um Schlimmes zu verhüten.
Jetzt blickte er sich nach der Befreiten um. »Moidl!« rief er, und seine Stimme klang wie Schluchzen.
Sie achtete seines Rufes nicht, und als er nach ihrer Hand haschte, bat sie nur: »Laß mich gehen! laß mich!«
Jetzt erst erfaßte er ihre völlige Hilflosigkeit. Zögernd schlang er den Arm um sie. Sie ließ es geschehen; sie ließ sich von ihm leiten und er sagte: »Komm, Moidl!« wie wenn sie ihn hätte verstehen können.
Und so begann sie an seiner Seite zu wandern, langsam, schleppenden Schrittes, wie jemand, der kein Ziel hat. Dabei lallte sie von Zeit zu Zeit sinnlose Worte.
Einmal stöhnte sie laut: »Weh! Weh!« und dann ließ sie den Kopf an seine Schulter sinken wie ein todmüdes Kind.
Er blieb stehen. »Moidl, kennst mich?«
Keine Antwort. Ihm schauderte, wenn er an den dachte, den er vorhin gefunden nur wenige Schritte von ihr wie ein wildes Tier, mitleidlos.
Er neigte den Kopf zu ihr; ihr Haar, von der Nachtluft leise bewegt, streifte seine Wange. Aber um alles in der Welt hätte er's nicht gewagt, mit seinen Lippen dies liebe, träumerisch blasse Gesicht zu berühren, das sich so kindlich unbewußt an ihn schmiegte. Ihm war, als blickten nicht wie sonst Mond und Sterne vom Himmel nieder, sondern die Engelskönigin mit ihrem schneeweißen Gefolge; und so hielt er die Gerettete im Arm wie etwas Kostbares, Heiliges, das er nicht ohne Zagen berührte.
Aber während er mit ihr dahinschritt unter dem hellen Mondlichte, erwachte in ihm ein neues Gefühl, verschieden von jener stillkeimenden Jugendliebe, von jener Neigung, die fast ohne sein Wissen aus süßer Gewohnheit entsprungen war: ein heftiges, brennendes Empfinden war es jetzt, eine Leidenschaft des Mitleids und der Liebe, aber eine Leidenschaft, die seinen Verstand nicht umdüsterte, sondern wie heller Sonnenschein in ihm emporstieg und ihn erkennen ließ, daß eine höhere Macht diese Hilflose in seinen Arm, an sein Herz gelegt hatte.
Als die späten Wanderer nach Innichen kamen, war die Nacht schon vorgerückt. Der Mond war untergegangen und tiefes Dunkel lagerte auf den stillen Häusern. Nur bei Bachmann zitterte noch ein einsames Licht. Aus Veronikas Stübchen strahlte es. Kandidus hob ein Steinchen auf und warf es an die Scheiben.
Sogleich wurde ein Fenster geöffnet. »Bist du's, Kandel?« klang es leise herab.
Gleich nachher erschien Veronika an der Haustüre. »O Gott sei's gedankt. Ich hab' mich geängstigt!«
»Tu's mir verzeihen, Vrena,« bat Kandidus; »du siehst wohl, wer schuld ist.«
Bald war Moidl sanft auf Veronikas Lager gebettet, während Kandidus seine Kammer aufsuchte.
*
Nach wenigen, schlaflos zugebrachten Stunden machte sich Kandidus auf und eilte beim ersten Grauen des Sommermorgens den Innichnerberg hinan, um Moidls Angehörigen beruhigende Kunde zu bringen.
Als er zum Silvesterhof kam, trat eben Scholastika noch mit verschlafenen Augen unter die Haustüre.
»Sorgt euch nicht um die Moidl! Sie ist bei uns über Nacht geblieben!« rief Kandidus atemlos zu.
»Ah so! Ist schon recht!« antwortete Scholastika gähnend.
Der junge Mann kam sich mit einem Male ganz albern vor. Warum war er denn eigentlich so bergauf gelaufen? Halb verlegen fragte er, ob sich der alte Bauer nicht um Moidl geängstigt habe.
»O, den hab' ich beizeiten ins Bett geschickt, dann gibt er schon Frieden ... Veitl, der Kandel ist da,« wandte sie sich an ihren Bruder, dessen rotes, dickes Gesicht eben an einem Fenster des Erdgeschoßes sichtbar wurde.
Kandidus trat hinzu und erzählte ihm, wie er seine Schwester gestern ganz verwirrt auf offener Straße gefunden und sie mit sich geführt habe bis Innichen, wo sie sich in guter Obhut befinde.
»Bis heut auf Nacht könnt ihr sie schon abholen,« schloß er.
Diese Worte versetzten den Silvestersohn in Heiterkeit. »Die braucht's Abholen nicht, die geht eh' nicht verloren!« Und Scholastika fügte ernsthaft bei: »Brauchst nicht verzagt zu sein, Kandel; es ist nicht das erste Mal, daß sie in einem fremden Hause aufwacht!«
»Ihr dürft ihr das Herumziehen nimmer leiden,« drängte Kandidus mit bebender Stimme. »Denkt grad, was ihr zustoßen könnt, wenn sie auf offener Straße liegen bleibt!«
Aber die Besorgnisse des Kramsacher-Kandel hatten beim Silvestersohn nur einen neuen Heiterkeitserfolg. Seine Antwort war so roh, daß Kandidus ihm am liebsten einen Schlag ins Gesicht versetzt hätte; allein er beherrschte sich und wandte ihm schweigend den Rücken.
Als er nach Hause kam, hörte er, Moidl sei wach und ihrer Sinne mächtig; aber er hielt es für besser, ihr jede Aufregung zu ersparen, und ging, ohne sie zu sehen, an seine Arbeit.
Etwas später als gewöhnlich kam Meister Bachmann in seine Werkstube. Ob er schon mit seiner Tochter gesprochen hatte? Kandidus fühlte sein Herz klopfen vor Aufregung, und doch sehnte er sich, allein zu sein mit dem Alten und sich endlich voll und klar auszusprechen. Alle Scheu war mit einem Male überwunden; er staunte nur über sich selbst, daß er nicht schon früher den Mut gefunden habe, dem Meister die ganze Wahrheit zu gestehen, ihm schlicht und einfach zu sagen, daß eine andere sein Herz besitze.
Der Meister saß den ganzen Vormittag an seinem Zeichnungstische und sprach kein Wort. Ängstlich sehnte Kandidus die Stunde des Mittagessens herbei. Als endlich die Zeit gekommen und Gesellen und Lehrlinge die Arbeit verlassen hatten, blieb Kandidus geflissentlich in der Werkstätte zurück. Auch Bachmann blieb, doch ohne von seinen Zeichnungen aufzusehen.
Da nahm sich der junge Mann ein Herz und trat zu ihm. Bachmann aber wandte sich rasch um, als er sein Nahen merkte. »Kandel, gehst nicht essen? Es ist Zeit!«
Kandidus verstand, daß Vater Bachmann von der Sache zu schweigen wünsche, die ihm noch kürzlich so am Herzen gelegen war. Ein Gefühl schmerzlicher Befangenheit kam über den Jüngling. Während des Essens getraute er sich kaum aufzuschauen aus Angst, Veronikas Blick zu begegnen, und nach der Mahlzeit wollte er sogleich wieder in die Werkstätte zurück.
Aber Veronika hielt ihn auf. »Ein paar Worte, Kandel!« bat sie.
Tief errötend stand er da, während sie gelassen den Tisch abzuräumen begann. Inzwischen entfernten sich die anderen Gesellen und er blieb allein mit ihr. Sie aber faltete das grobe Tischtuch zusammen und sagte ruhig:
»Kandel, die Moidl sollt' das Kirchfahrten sein lassen.«
Kandidus hatte ihr nichts gesagt von seiner Begegnung mit dem Rosenwirte. Um so mehr Eindruck machte ihm ihr bestimmtes Wesen. Es war, als ahne sie etwas.
»Vrena,« flehte er, »red' du ihr einmal recht ins Gewissen.«
Die Schreinerstochter erhob den Kopf. »Nein, Kandidus, das tu' ich nicht, das ist deine Sach'.«
Er sah sie groß an. Sie lächelte.
»Ihr zwei gehört einmal zusammen, die Moidl und du. Wenn jemand etwas bei ihr ausrichtet, dann ist's der Kandel.«
Kandidus seufzte erleichtert auf. Ihm war, als habe er eine Schwester gewonnen.
Aber sie deutete seinen Seufzer anders. Sie trat näher und legte die Hand wie tröstend auf des Jünglings Arm. »Sei nicht betrübt; wenn's Gottes Willen ist, kommt ihr doch noch zusammen. Der Herrgott kann sie von heut auf morgen gesund machen; er hat schon ärgere Wunder gewirkt als wie das.«
»Aber wenn wir ihr jetzt noch das Kirchfahrten wehren ...« meinte er zögernd.
»Mein guter Kandel: glaub' mir's, bei dem ganzen Kirchfahrten hat die Moidl zu viel ihrem eigenen Kopf gefolgt. Jetzt sollt' sie's einmal mit dem Gehorsam probieren. Geh, sag' ihr das.«
Und ehe Kandidus etwas entgegnen konnte, öffnete sie die Türe ihrer Kammer und rief Moidl beim Namen.
Erst beim zweiten Rufe betrat Moidl schleppenden Schrittes die Stube. Als sie Kandidus erblickte, umdüsterte sich ihr ohnehin trauriges Gesicht.
»Moidele, er hätt' dir etwas zu sagen!« Und Veronika huschte hinaus.
Unwillig wollte sich Moidl wieder in die Kammer zurückziehen, aber Kandidus wehrte es ihr stumm mit der Hand.
Sie trat in den Erker, setzte sich und stierte in die blühenden Blumenstöcke, die dort standen, während er inzwischen nachdenklich in der Stube auf- und niederging. Plötzlich blieb er vor ihr stehen.
»Wie lang ist's her, seit wir zuletzt mit einander geredet haben?«
Sie besann sich, dann murmelte sie: »Wohl lang wird's her sein!«
Es entstand eine Pause. »Wann bist du denn zuletzt kirchfahrten 'gangen?«
»Zu was fragst denn?«
»Gib mir eine Antwort,« befahl er.
Moidl preßte beide Hände an ihre krampfhaft gerötete Stirne. Auf einmal warf sie den Kopf zurück. »Richtig ... Kandidus, mir scheint ... Sag, bin ich nicht gestern mit dir zusammengetroffen!«
»Besinnst dich endlich?«
»Auf dem Gottesacker, gelt? In Aufkirchen droben?«
»Ja; ich bin grad aus der Kirch' herausgekommen und du bist hineingegangen.«
Sie nickte.
»Wie lang bist denn etwa geblieben?«
»Ich weiß nimmer.«
»Probier' und denk' nach.«
Sie schwieg eine Weile; dann schüttelte sie den Kopf.
»Bist um Betläuten noch in der Kirch' gewesen?«
»Ja ...« versetzte sie, sich besinnend, »erst eine Weile danach bin ich heimgegangen.«
»Und heimkommen? Wann bist denn heimkommen?« forschte er mit Nachdruck.
Sie lächelte wehmütig. »Siehst wohl, Kandidus, daß ich noch nicht heimkommen bin.«
»Aber weißt, wo man dich antroffen hat? Auf offener Landstraßen, Moidl! Und bei geschlagener Nacht!«
Sie richtete ihr dunkles Auge voll auf ihn: »Wer hat mich antroffen?«
Kandidus überlegte eine Weile. »Der Rosenwirt,« sagte er endlich.
Da streckte Moidl ihre Hände lautlos empor; dann verhüllte sie ihr Gesicht.
Er sprang an ihre Seite. »Sei ruhig! Keinen Augenblick ist er allein mit dir gewesen, der falsche Spitzbub. Unser Herr hat's so eingerichtet, daß ich grad zuwege gekommen bin.«
Sie ließ die Hände sinken und neigte beschämt das glühende Gesicht.
»Jetzt aber, Moidl, sag' ich dir grad eins,« fuhr Kandidus fort, »was gestern gewesen ist, kann morgen wieder sein. Derwegen darfst du mir von heute an nimmer kirchfahrten gehen, nicht ein einziges Mal mehr!«
Rasch fuhr sie empor mit blitzenden Augen. »Willst Spaß machen? Warum soll denn ich nimmer kirchfahrten gehn?«
»Warum? weil ich dir's verbieten tu'.«
»Du?« Sie sah ihn trotzig herausfordernd an, dann wandte sie sich ab.
»Moidl, ich merk' schon, was du mir sagen möchtest,« sprach Kandidus sanft, aber fest. »Du möchtest mir sagen: das geht dich nichts an, aber du traust dich nicht, weil's eine Lüg' wär'! Oder wen hast denn du etwa, der's besser mit dir meint, als wie ich? Und schau', wenn die Muttergottes unser Gebet erhören tät' und du tätest mein Weibele werden, nachdem müßtest mir halt doch ein bissel folgen, mindestens in den Hauptsachen; und da ist's wohl etwa besser, weil du schon so eine Rebellische bist, du fangst jetzt schon mit dem Folgen an, daß du's leichter gewöhnst.«
Er berührte ihre Schulter mit der Hand, sie aber verharrte in ihrer trotzigen Stellung. Da fuhr er ernster fort: »Es kann nicht so weitergehen mit dir, Moidl. Jahraus jahrein allein im Land herumlaufen – ein junges Mädl und so krank noch dazu und so hilflos – ich sag dir's: das heißt Gott versuchen. Gestern ist dir der Herrgott freilich noch beigestanden und dein heiliger Schutzengel ...«
»Mein Schutzengel ist mir nicht einzig gestern beigestanden,« unterbrach sie ihn rasch.
Zugleich wandte sie ihm voll ihr Gesicht zu. Der trotzige Ausdruck war jetzt gewichen; ihre Wangen glühten, ihr dunkles Auge glänzte vor innerer Begeisterung, während sie dem geduldig Zuhörenden ihre erste Begegnung mit dem Zillertaler erzählte und dessen plötzliche, unerklärte, geheimnisvolle Flucht.
»Und ich denk' nichts anderes,« rief sie, die Hände faltend und wie verzückt nach oben blickend, »als daß mein Schutzengel dem bösen Menschen erschienen ist und ihn erschreckt hat.«
Kandidus lächelte. »O mein gut's Moidele, da tust dem Zillertaler wohl zu viel Ehr' an und ... dem Kramsacher-Kandel auch.«
Moidl blickte ihn an, fragend zuerst, dann mit inniger Rührung. Sie sagte kein Wort; sie griff nur nach seiner Hand und hielt sie fest. Dann ließ sie den Kopf auf die Brust sinken, und Kandidus fühlte warme Tropfen auf seiner rauhen Hand, die in der ihrigen lag ...
Von jenem Tage an sah man die Kirchfahrtmoidl nie mehr die Heerstraße entlang ziehen. Nur dem alten Christusbilde von Innichen klagte sie noch ihr Leid oder der Schmerzensmutter im Heiliggrabkirchlein.