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Eine Erzählung.
I suoi pensieri in lui dormir non ponno.
Tasso.
An Thomas Moore, Esq.
Mein theurer Moore!
Ich widme Ihnen das letzte Erzeugniß, womit ich für die nächsten Jahre die Geduld der Leser und Ihre Nachsicht ermüden werde, und bekenne, daß es mir anliegt, diese letzte und einzige Gelegenheit zu benutzen, um meine Blätter mit einem Namen zu zieren, welcher durch unerschütterliche politische Grundsätze und die unbestreitbarsten, mannigfachsten Talente geweiht ist. Während Irland Sie zu seinen standhaftesten Patrioten zählt, während Sie in der Schätzung Ihrer Landsleute als der Erste der irischen Dichter dastehen, und Britannien dieses Urtheil wiederholt und bestätigt: vergönnen Sie mir, der ich seit unsrer ersten Bekanntschaft nichts weiter zu beklagen hatte, als die Jahre, die ich vor deren Beginne verloren habe, – den bescheidenen, aber aufrichtigen Ausspruch der Freundschaft mit der Stimme von mehr denn einem Volke zu vereinigen. Es wird Ihnen mindestens beweisen, daß ich das Vergnügen, das mir der Umgang mit Ihnen gewährte, nicht vergessen, und die Hoffnung auf Erneuerung desselben, sobald Ihre Muße oder Neigung Ihnen erlaubt, Ihre Freunde für eine nur allzu lange Abwesenheit zu entschädigen, nicht verloren habe. Unter diesen Freunden geht das hoffentlich begründete Gerücht, daß Sie mit Abfassung einer Dichtung beschäftigt seien, deren Schauplatz Sie in den Osten verlegt hätten. Gewiß, Niemand kann diesen Schauplatz besser würdigen, als Sie. Die Leiden Ihres eigenen Vaterlandes, der erhabene, feurige Geist seiner Söhne, die Anmuth und Sanftheit seiner Töchter sind auch dort heimisch, und Collins, der seine irischen Eklogen orientalische nannte, wußte nicht, wie richtig, zum Theil wenigstens, seine Parallele war. Ihre Einbildungskraft wird eine strahlendere Sonne, einen wolkenfreieren Himmel erschaffen; aber Wildheit, Zartheit und Eigenthümlichkeit bilden einen Theil Ihres nationalen Anspruchs auf orientalischen Ursprung, worauf Sie bereits Ihr Anrecht überzeugender, als die eifrigsten Alterthumsforscher Ihres Landes dargethan haben.
Darf ich einige Worte noch über einen Gegenstand sagen, über welchen, wie man annimmt, Jedermann überfließt und Keiner gerne gehört wird – über mein Ich? Ich habe viel geschrieben und mehr als genug drucken lassen, um ein längeres Schweigen zu rechtfertigen, als ich für jetzt im Sinne habe. Jedenfalls aber ist es meine Absicht, in den nächsten Jahren nicht weiter den Lohn von »Göttern, Menschen oder Säulen« zu versuchen. In vorliegender Dichtung habe ich keineswegs die schwierigste, vielleicht aber die unserer Sprache angemessenste Versart versucht, die guten alten, jetzt vernachlässigten epischen Reimpaare. Die Spenserstanze dürfte für eine Erzählung wohl zu schleppend und gemessen sein, obgleich sie – wie ich gestehe – mir am meisten nach dem Herzen ist. Die fatale Leichtigkeit der achtsilbigen Verse hat vom lebenden Geschlecht Scott allein zu überwinden verstanden, und dieser Triumph ist nicht der geringste seines fruchtbaren und gewaltigen Genies. Im reimfreien Verse sind Milton, Thomson und unsre Dramatiker die Leuchtthürme, die über das Meer strahlen, zugleich aber auch vor dem schroffen und öden Felsen warnen, auf welchem sie leuchten. Das heroische Reimpaar ist sicherlich nicht die beliebteste Versart; weil mich indeß nicht die Absicht, der sogenannten öffentlichen Meinung zu schmeicheln, zur Wahl einer andern Versform bestimmt hat, so will ich diese ohne weitere Entschuldigung aufgeben und es wieder mit jenem Metrum versuchen, in welchem ich bisher nur Dichtungen veröffentlicht habe, deren Erscheinen mir jetzt und in Zukunft zu steter Reue gereicht.
Was meine Erzählung und Erzählungen überhaupt anlangt, so würde ich sehr erfreut gewesen sein, wenn meine Charaktere vollkommner und liebenswürdiger geworden wären, dieweilen ich öfter Tadel erfahren habe und für ihre Thaten und Eigenschaften, als wären sie meine eigenen, verantwortlich gemacht worden bin. Immerhin! Gerieth ich wirklich auf den Abweg unseliger Eitelkeit, mich selbst zu zeichnen: so sind die Bilder, eben weil sie ungünstig sind, wahrscheinlich ähnlich; wo nicht, so wird wohl Keiner meiner Bekannten sich täuschen lassen, und die Andern, welche mich nicht kennen, aus ihrem Irrthume zu reißen, habe ich wenig Interesse. Es ist mir nichts daran gelegen, daß (meine Freunde ausgenommen) Jemand den Autor für besser halte, als die Geschöpfe seiner Phantasie; nur kann ich nicht umhin, einige seltsame Einwendungen der heutigen Kritik überraschend, vielleicht auch unterhaltend zu finden, wenn ich verschiedene (allerdings weit verdienstlichere) Poeten in höchst ehrenvollem Rufe und von allem Antheile an den Gebrechen ihrer Helden freigesprochen sehe, welche letztere gleichwohl nicht viel sittlicher sein dürften, als der Giaur und vielleicht ... Aber nein, Childe Harold, das muß ich zugeben, ist eine höchst abstoßende Persönlichkeit, und was seine Identität anlangt, so mag ihm, wer Lust hat, ein beliebiges Alias ertheilen.
Wäre es sonst der Mühe werth, diesen Eindrücken entgegenzuarbeiten, so möchte es für mich nicht ohne einigen Vortheil sein, daß ein Mann, welcher zugleich die Lust seiner Leser und seiner Freunde, der Dichter aller Kreise und der Abgott seines eigenen ist, mir hier wie bei allen Gelegenheiten erlaubt, mich zu empfehlen
aufrichtig und herzlich
als seinen ergebenen Diener
G. G. Byron.
I.
Frei wie der Ocean und ohne Schranken
Durchfliegen wir das Meer mit den Gedanken;
So weit der Wind uns trägt, die Wogen schäumen,
So weit auch herrschen wir in seinen Räumen;
Sein grenzenloses Reich ist unser eigen,
Vor unsrer Flagge muß sich jede neigen.
Und wechselvoll ist unser wildes Leben,
Bald Freuden, bald Gefahren hingegeben.
Doch nicht der feige Sklave seiner Lüste,
Der vor der Wuth des Meers erblassen müßte,
Und nicht wer träg' in Weichlichkeit erstickt,
Den kein Genuß erfreut, kein Schlaf erquickt;
Nein, nur wer selbst mit frischem Muthe stritt
Und tanzend im Triumph das Meer beschritt:
Nur
der kann jene wilde Lust empfinden,
Die wir auf unsern öden Bahnen finden.
Des Kampfes halber in den Kampf zu rennen,
Was sonst Gefahren sind, Vergnügen nennen,
Das, was die Feigen scheuen, zu erstreben,
Da nur zu fühlen, wo die Schwachen beben,
Und anzufüllen die gehobne Brust
Mit schöner Hoffnung und mit Kampfeslust,
Den Tod nicht fürchten, wenn zugleich, vereint
Mit uns im Tode, kämpfend fällt der Feind: –
Das heißt, zu leben um den Preis des Lebens,
Zu sterben, wenn es sein muß, nicht vergebens.
Ja, mag der Schwächling an das Bett sich klammern,
Und lange Jahre siechend darin jammern,
Wenn süßer Schlaf des Tapfern Auge deckt,
Der kampfesmüd' ins frische Gras sich streckt;
Mag jener langsam sich zu Tode quälen,
Wenn raschen Sprungs entfliegen unsre Seelen;
Und mögen sie zum Grabgewölb' ihn tragen,
Mit eitelm Prunk und heuchlerischen Klagen,
Wenn uns des Meeres tiefe Gruft umschließt,
Und eines wahren Freundes Thräne fließt!
Wenn dann beim Mahle froh die Becher kreisen,
So werden sie dem Todten Ehr' erweisen;
Ja, wenn die Sieger theilen ihre Beute,
Dann wird von ihnen nach der heißen Schlacht
Auch des Gefallnen mit dem Wort gedacht:
»Wie sich mit uns der Tapfre jetzt wohl freute!«
II.
So tönten von der Insel der Korsaren,
Die rings am Feuer dort gelagert waren,
Aus Klippen widerhallend die Gesänge;
Die Männer waren rauh wie jene Klänge.
In Gruppen sieht man sie zusammen sprechen,
Die Waffen schärfen, spielen, schmausen, zechen;
Und während mancher seinen Säbel putzt,
Und an das Blut nicht denkt, das ihn beschmuzt,
So nehmen Andre Ruder in die Hand
Und wandeln auch wohl müßig an dem Strand;
Es werden Fischernetze ausgebreitet,
Und Schlingen für den Vogelfang bereitet,
Und beutegierig sucht man, in den Flecken
Am Horizonte Segel zu entdecken.
Auch sprechen Viele von des Hauptmanns Thaten,
Und möchten seinen nächsten Plan errathen;
Doch sind sie nicht gewohnt, ihn zu durchschauen,
Und müssen blindlings seinem Glück vertrauen.
Und dieser Führer? – Wenn ihn Niemand kennt,
Genügt's, daß Alles ihn mit Schrecken nennt.
Nur durch Befehle spricht er mit dem Schwarm,
Sein dunkles Aug' ist scharf, und stark sein Arm.
Nie theilt er seiner Leute Trinkgelage,
Doch sein Erfolg beschwichtigt jede Klage.
Ihn reizt es nicht, wenn hell der Becher blinkt,
Da stets er Wasser statt des Weines trinkt,
Und was er ißt, das würden, wenn sie's sähn,
Die niedrigsten Matrosen wohl verschmähn.
Das gröbste Brot, einfache Gartenfrüchte,
Und kaum im Sommer Obst, sind die Gerichte,
Die seinen Hunger stillen; Eremiten
Vermöchten selbst ein beßres Mahl zu bieten.
Doch wenn die Sinneslust er von sich weist,
So herrscht nur um so mächtiger sein Geist.
»Die Segel aufgezogen! Vorwärts, Leute!
Mir nur gefolgt!« – Gewonnen ist die Beute. –
So wirkt sein Wort, und mehr noch, was er thut.
Und Jeder hört ihn, Vielen fehlt der Muth,
Ihn mehr zu fragen; denn mit strengem Blick
Und kurzen Worten weist er ihn zurück.
III.
»Ein Segel!« – Halt! ein schöner Fang! Doch laßt
Uns sehen, welche Flagge trägt der Mast?
Kein Fang ist's! Doch es spielen mit dem Wind
Blutrothe Wimpel, die willkommen sind.
Die Unsern sind's! Das Barkschiff kommt nach Haus,
Noch diesen Abend wirft's die Anker aus.
Wie's in die Bucht ums Vorgebirge biegt,
Den Schaum durchbrechend durch die Wogen fliegt!
Nie ließ es seine Segel stolz sich blähn,
Um fliehend seinen Feinden zu entgehn!
Es schreitet wie lebendig durch die Flut,
Und spottet kühn der Elemente Wuth.
Wer trotzte nicht, als Herr es zu besitzen,
Dem Schlachtendonner und des Himmels Blitzen?
IV.
Die Taue knarrn, die Segel refft man ein,
Der Anker tauchte schon ins Meer hinein;
Das große Boot gewahrt man drauf von fern
Ins Wasser sinken von des Schiffes Stern;
Es wird bemannt, und das gemeßne Spiel
Der Ruder bohrt bald in den Sand den Kiel.
»Willkommen!« schallt's herüber von dem Strand,
Und jeder schüttelt froh des Freundes Hand,
Bis Frag' und Antwort, Scherze, helles Lachen
Des Wiedersehens Freude lauter machen.
V.
Bald weiß man's auf der Insel; Weiber laufen
Zum Strand hinab, und größer wird der Haufen;
Die Stimmen summen, ängstlich suchen Fraun
Den Gatten und Geliebten zu erschaun;
»Sie leben doch? Wir fragen nichts nach Siegen,
Wenn wir an ihrer Brust nur wieder liegen;
Sie kämpften sicher tapfer in der Schlacht,
Doch habt ihr sie gesund zurückgebracht?
Was zögern sie denn noch, uns zu beglücken,
Den ersten Kuß auf unsern Mund zu drücken?«
VI.
»Wo ist der Hauptmann? Neues bringen wir,
Und kurz wohl dauert nur die Freude hier,
Doch eure Lieb' erkennen wir darin.
He, Juan! sogleich führ' uns zum Hauptmann hin.
Hernach dann wollen wir beim Schmaus nicht fehlen
Und Allen, was sie wünschen, gern erzählen.« –
In Fels gehauen führt ein steiler Pfad
Zu seinem Wachtthurm auf des Berges Grat;
Erquickend wirkt der wilden Blumen Duft,
Es kühlt da mancher Born die heiße Luft,
Der munter sprudelnd dem Granit entquillt
Und frisch den Durst des müden Wandrers stillt.
Dort klimmen sie hinauf. – Wer steht allein
Bei jener Höhl' und schaut ins Meer hinein?
Er stützt gedankenvoll sich auf das Schwert,
Das sonst die blut'ge Hand zum Kampf bewehrt.
»Ja, Konrad ist's!« so sprachen, die ihn sahn.
»Juan, geh voran und meld' ihm, daß wir nahn,
Er sieht das Schiff, und sag ihm, daß wir gern
Gewicht'ge Botschaft brächten unserm Herrn.
Er liebt es nicht, wenn Fremd' ihn unterbrechen
Und gar unaufgefordert mit ihm sprechen.«
VII.
Und Juan ging hin und meldet' es sofort.
Doch jener nickte nur und sprach kein Wort,
Und grüßte schweigend kaum, als schon die Schar
Sich tief verneigend angekommen war.
»Herr, Briefe hier von unserem Spion,
Der immer sagt, daß uns Gefahren drohn.
Was auch er schreibt, wir glauben selbst, es zeigen« –
»Still, still!« rief Konrad, und sie mußten schweigen.
Sie drehn erstaunt sich um und flüstern leise
Vermuthungen sich zu; verstohlnerweise
Wirft mancher einen Blick auf sein Gesicht
Und möchte sehen, was sein Auge spricht.
Doch Konrad, sei's, daß er den Wunsch verstand,
Sei's Leidenschaft und Stolz, stand abgewandt
Und las – »Mein Schreibzeug, Juan! geschwind! Jedoch
Wo blieb Gonsalvo?« – »Auf dem Barkschiff noch.«
»Dort soll er warten. Bring' ihm den Befehl.
Bereitet rasch die Abfahrt vor! Ich zähl'
Auf euern Eifer; denn noch heute gehn
Wir unter Segel.« – »Heut noch soll's geschehn?«
»Ja, wenn die Sonne taucht ins Meer hinein,
Und ich will selber euer Führer sein.
Wenn's dunkel wird, erhebt der Wind sich wohl;
Mein Panzerhemd und meinen Mantel hol'!
Und wirf dein Hifthorn um! – Daß gut geputzt
Die Flinte sei, und nicht von Rost beschmutzt!
Auch laß mir schleifen noch das Enterbeil,
Mir paßt der Griff davon nicht gut: drum eil'
Und sag's dem Waffenschmied, daß diese Dinge
Er noch vor Abend mir in Ordnung bringe.
Rechtzeitig soll dann die Kanone dröhnen
Und für die Abfahrt der Signalschuß tönen.«
VIII.
Sie eilen fort. Wie kurz doch war ihr Glück!
Schon wieder geht's ins öde Meer zurück.
Doch thun sie's gern, denn Konrad führt sie an;
Wer wagt zu fragen ihn nach seinem Plan?
Ihn, der geheimnißvoll die Menschen flieht,
Den kaum man seufzen hört, kaum lächeln sieht,
Vor dessen Blick der Roh'ste zitternd weicht
Und jede braune Wange fahl erbleicht, –
Der es versteht, gebietrisch zu befehlen
Und blindlings fortzureißen niedre Seelen.
Wie heißt der Zauber, der den Trotz bezähmt,
Den Widerstand erstickt, den Willen lähmt?
Was ist es denn, das solche Wunder schafft?
Nur des Gedankens und des Geistes Kraft,
Wenn, noch vom Glück begünstigt, er geschickt
Den schwachen Willen Andrer völlig knickt,
Und deren Thaten, ohne daß sie's merken,
Zu seinen macht, um seinen Ruhm zu stärken.
So war es stets, und immer wird es scheinen,
Als plage sich die Menge nur für Einen.
So will es die Natur. Doch, daß der Niedre
Nur nicht mit seinem Haß darauf erwidre!
Er sollte nur die Last des Ruhmes kennen,
Leicht wird er dann den eignen Kummer nennen.
IX.
Unähnlich zwar den Helden unsrer Alten,
Die Teufel sind mit göttlichen Gestalten,
War schön von Körper Konrad nicht zu nennen,
So feurig auch die dunkeln Augen brennen.
Er war kein Hercules, kein Riese, nur
Von mittlerer, doch kräftiger Statur;
Doch jeder, der ihn wieder ansah, fand,
Daß über dem Gewöhnlichen er stand.
Nicht konnt' er des Gedankens sich erwehren,
Und doch den Grund davon sich nicht erklären.
Die Wangen bräunte tief der Sonne Glut,
Die hohe Stirn war blaß, und eine Flut
Von dunkeln Locken strömte drüber hin;
Der Lippe Zucken zeigte stolzen Sinn,
Der kaum gebändigt durch den Willen ward
Und immer sich von neuem offenbart.
Wenn seine Stimm' und Züg' auch ruhig schienen,
So lag doch eine Art von Zwang in ihnen;
Man sah ihn oft die Farbe wechseln, und
Ein böser Zug umspielte wohl den Mund,
Als ob in dem verschlossenen Gemüthe
Ein fürchterlicher Sturm verborgen wüthe.
Doch Niemand konnt' ihn lang betrachten, bald
Verscheucht' ihn seines strengen Blicks Gewalt;
Wohl wenig Menschen konnten von sich sagen,
Daß ruhig sie sein volles Aug' ertragen.
Und wär' ein Andrer im Begriff gewesen,
Im Antlitz auch sein Inneres zu lesen,
So rieth sogleich er seines Gegners Plan,
Und sah ihn wieder so durchbohrend an,
Daß jener, eh' er Konrads Absicht wußte,
Sein eigenes Geheimniß schützen mußte.
Sein höhnisch Lächeln konnte teuflisch sein;
Es flößte Wuth zugleich und Schrecken ein.
Weh denen, die sein Haß traf, – für die Armen
Gab's keine Hoffnung mehr und kein Erbarmen!
X.
Aus schwachen Zeichen nur kann man erkennen,
Wie wild die schlimmern Leidenschaften brennen;
Nie scheint der Liebe Mienenspiel zu ruhn,
Jedoch der Ehrgeiz, Haß und Arglist thun
Sich uns durch jenes bittre Lächeln kund,
Wo nur ein leises Zucken um den Mund,
Der starren Wangen plötzliches Erblassen
Das innre Toben uns erkennen lassen.
Man muß, um ihre Opfer zu betrachten,
Wenn einsam sie sich glauben, auf sie achten:
Wie dann sie hastig auf- und niedergehn,
Die Fäuste ball'n, die Augen wild verdrehn,
Aufschreckend um sich schaun und ängstlich hören,
Ob keine Schritte nahen, sie zu stören,
Dann zeigt sich ihre Seel' auch im Gesicht –
Doch folgt nach solchem Sturm die Ruhe nicht.
Wie zucken noch die Muskeln, und wie heiß
Die Wangen glühn! Die Stirn deckt kalter Schweiß!
Ja, wenn du kannst, versuch's, auf sie zu blicken,
Wenn Schlaf die müden Augen soll erquicken!
Sieh den Gedanken an fluchvolle Zeiten
Selbst dann der öden Brust noch Qual bereiten!
Doch wer wird das Geheimniß und das Wesen
Der Menschenseele je vollkommen lesen?
XI.
Doch war Konrad nicht von Natur verloren,
Zum Führer von Verbrechern nicht geboren;
Verstimmt war sein Gemüth, eh' durch die That
Er in den Kampf mit Gott und Menschen trat.
Betrogen von der Welt, war er zu weise
In Worten, sonst ein Narr in
ihrem Kreise.
Zu stolz, um sich zu schmiegen und zu bücken,
Leicht wegen seiner Gradheit zu berücken,
Begann er, seine Tugend zu verfluchen
Und drin den Grund des Unglücks aufzusuchen.
Er hoffte für sich selbst kein Glück und dachte,
Daß er auch Andre niemals glücklich machte.
Geflohn, gefürchtet, noch voll Jugendkraft,
Die Menschen hassend, und der Leidenschaft
Sich blind ergebend, nannt' er seine Rache
An allen Menschen eine heil'ge Sache.
Er glaubte selbst, ein schlechter Mensch, allein
So gut wie jeder Andere zu sein,
Und auch die Besten pflegt' er zu verachten
Und als geschickte Heuchler zu betrachten,
Die solche Thaten, die der Kühne offen
Begeht, verborgen zu begehen hoffen.
Er wußte, wie verhaßt er war, doch daß
Die Furcht noch größer war als selbst der Haß.
Einsam und fremd, vermocht' er Angst und Schrecken,
Doch selten nur Zuneigung zu erwecken;
Man konnt' ihn wohl beklagen, sich entsetzen,
Ihn fürchten, doch niemals gering ihn schätzen.
Wir treten auf den Wurm, doch nur mit Bangen
Naht jeder sich den giftgeschwollnen Schlangen;
Es krümmt der Wurm sich, doch er rächt sich nicht;
Die Schlange stirbt, indem sie tödtlich sticht –
Fest hält sie noch den Feind im Tod umschlungen,
Sie sticht und wird erdrückt, doch nie bezwungen.
XII.
In Jedem wird man etwas Gutes finden:
Ein sanfter Zug auch sollte nie verschwinden
Aus Konrads wilder Brust; und ob er schon
Der Andern spottete mit bittrem Hohn,
Die gleich den Kindern und den eitlen Narrn
Sich fingen in der Leidenschaften Garn,
So kämpft' er selbst vergebens doch dagegen,
Und war der Macht der echten Lieb' erlegen.
Ja, wahre Liebe war's, für alle Zeit
Nur Einer unveränderlich geweiht!
Gleichgültig konnt' er auf geraubte Fraun,
Und auf die schönsten selbst mit Kälte schaun,
Und manche Schönheit schmachtete gefangen,
Doch keine konnte seine Gunst erlangen.
Ja, Liebe war's, wenn Zärtlichkeit so heißt,
Die sich in Noth und Prüfung stark erweist,
Die keine Trennung und kein Wechsel schwächt,
An der, was mehr ist, sich die Zeit nicht rächt!
Sah die Geliebte nur ihn lächelnd an,
War keine Täuschung, kein verfehlter Plan
Im Stand, ihn mürrisch zu verstimmen; – nie
Ergriff der Zorn ihn dann, ja gegen sie
Entschlüpfte seinem Mund in schlimmen Tagen
Kein ärgerliches Wort und keine Klagen.
Er kam mit froher, ging mit heitrer Miene,
Daß nichts als Grund ihr zur Besorgniß diene; –
Wenn's wahre Liebe zwischen Menschen gibt,
So ward von Konrad wahrhaft sie geliebt!
Er war verworfen – ja – der Menschheit Fluch
Traf ihn; doch keine Schuld war stark genug,
Ihn, den sonst alle Tugenden verließen,
Der sanftesten Empfindung zu verschließen!
XIII.
Erst, als die Leute sich dem Blick entzogen
Und abwärts steigend um den Felsen bogen,
Sprach Konrad sinnend: »Wahrlich, sonderbar
Bewegt mich jetzt die drohende Gefahr!
Mir ahnt, daß wir zum letzten Kampfe gehn;
Doch Niemand soll mich deshalb schwanken sehn.
Kühn will ich dem Geschick mich widersetzen,
Weil sonst sie sicher uns zu Tode hetzen;
Und ist das Glück mir hold, so will um Haufen
Von Feindesleichen ich den Sieg verkaufen.
Sie mögen schlummern, träumen ohne Sorgen,
Bis hell wie niemals leuchten wird der Morgen,
Bis unser Feuerwerk entbrennt zur Ehre
Der langsamen Vertheidiger der Meere.
Nun zu Medora! – Wie das Herz mir schlägt!
Wenn ihres nur so Schweres niemals trägt!
Doch hatt' ich Muth – ein Jeder hat ja Muth!
Das kleinste Thier vertheidigt seine Brut,
Und dieser Muth, der auch dem Thiere bleibt,
Den erst Verzweiflung zu dem Aergsten treibt,
Verdient kaum Lob; doch war's mein Ruhm, zu lehren,
Wie Wen'ge gegen Uebermacht sich wehren.
Oft hab' ich sie gerettet aus der Noth
Und heute wieder heißt's: Sieg oder Tod!
So mag's denn sein, – mich wird der Tod nicht schrecken,
Könnt' ich den Rückzug nur den Freunden decken.
Mein Stolz ertrüg' es nicht, wenn wir den Schlingen
Der Feinde nicht noch dieses Mal entgingen.
Was nützte meine Klugheit, wenn zuletzt
Sie Alles doch auf Eine Karte setzt?
Ich selbst und nicht das Glück hat's so verkettet –
Das Glück, das uns allein vielleicht errettet.«
XIV.
So ging noch Konrad mit sich selbst zu Rath,
Als er des Felsens Gipfel schon betrat;
Er stand vor seiner Burg, aus der Gesang
Von einer lieben Stimme sanft erklang;
Dann horcht' er vor dem Gitter noch den Tönen,
Und also sang die Schönste aller Schönen:
Einsam und in der Seele tiefstem Grunde
Wird meiner Liebe Glut von mir gehegt;
Sie wartet still im Herzen auf die Stunde,
In der es deiner Brust entgegenschlägt.
Und gleich der Lamp' in einer Grabkapelle
Erglänzt ihr Feuer ewig ungesehn;
Und selbst verzweifelnd leuchtet sie noch helle,
Wenn unbemerkt die Strahlen auch vergehn.
Behalt mich lieb! – Geh nicht an meinem Grabe
Vorüber, ohne zu gedenken mein;
Der einz'ge Schmerz, den nicht den Muth ich habe
Zu tragen, wär' – von dir vergessen sein.
Gewähre mir, was ich so heiß ersehne!
Der Todten gönnt man ja der Klage Ton;
Ich bat dich nie um mehr als eine Thräne,
Für so viel Lieb' als ersten, einz'gen Lohn!
Rasch trat er durch das Thor, durchschritt die Halle
Und folgte bis zum Zimmer jenem Schalle.
»Medora!« rief er, »traurig hör' ich's klingen.«
»Soll ich, wenn Konrad fern ist, fröhlich singen?
Ob auch der Sängerin der Hörer fehle,
So kommt doch mein Gesang mir aus der Seele.
Und jeder Ton entspringt nur den Gefühlen,
Die ungestillt den Busen mir durchwühlen!
Wie oft hat meine Angst in langer Nacht
Den Wind zum wilden Sturme mir gemacht,
Wo jeder Hauch, der sanft ins Segel blies,
Mir schon den kommenden Orkan verhieß
Und mir ein Klagelied war, das die Strandung
Von deinem Schiff beschrieb in wilder Brandung.
Dann wollt' ich fort, das Feuer anzuschüren,
Und dich durch seinen Schein zum Hafen führen,
Und ruhelos bewacht' ich jeden Stern;
Der Morgen kam, – noch immer warst du fern.
Die Luft begann mich eisig zu durchschauern,
Mich sah der neue Tag in Thränen trauern,
Und immer schaut' umsonst ich in das Meer:
Kein Segel kam am Horizonte her!
Und Mittag ward's – da sah ein Schiff ich nahn –
Wie froh begrüßt' ich's! – ja, es kam heran,
Doch ach, es fuhr vorbei; – dann wieder eins –
Und endlich, o mein Gott, war's wirklich deins.
Wie lang, mein Konrad, soll ich so mich quälen?
Willst niemals du das Glück des Friedens wählen?
Du bist ja mehr als reich, in allen Zonen
Der Erde könnten wir zufrieden wohnen.
Du weißt, daß Furcht nicht mein Beweggrund ist,
Ich zittre nur, wenn du nicht bei mir bist,
Und nicht für mich, ich zittre nur für den,
Der mich verläßt, um in die Schlacht zu gehn. –
Seltsames Herz, es kann mich zärtlich lieben
Und wird zum Kampfe mit der Welt getrieben!«
»Ja, sonderbar ist dieses Herz verstimmt,
Das, einst getreten, jetzt nur Rache nimmt!
Nur noch auf deine Liebe darf es hoffen,
Und kaum noch sieht's den Himmel für sich offen;
Doch mit der Lieb' aus Einer Quelle stammt
Auch dieser Haß, den dein Gefühl verdammt.
Ja, hört' ich auf, die Menschen so zu hassen,
So würd' ich auch von meiner Liebe lassen.
Doch fürchte nichts; denn die Vergangenheit
Verbürgt dir ja mein Herz für alle Zeit.
Doch jetzt, Medora, – such' es zu ertragen, –
Muß ich für kurze Zeit Lebwohl dir sagen.«
»Fort willst du gehn? Es ahnte dies mein Herz!
Mein Glück verwandelt immer sich in Schmerz!
Und jetzt? Es kann nicht sein! In dieser Stunde?
Es liegt ja kaum die Bark' im Ankergrunde;
Die andre kam noch gar nicht, und dazu
Bedarf die Mannschaft doch zuvor der Ruh'.
Du willst mich wegen meiner Schwäche necken,
Und durch Gewöhnung meinen Muth erwecken;
Doch spiele nicht mit meiner Seelenpein,
Es würde solch ein Scherz zu grausam sein.
Sprich mir nicht mehr davon, mein Konrad! theile
Das Mahl, das jetzt ich zu bereiten eile.
'S ist leicht gethan; ich hab' die beste Frucht
Von jedem Baum für dich schon ausgesucht.
Dreimal hab' ich den Weg zum Quell genommen,
Um ja das kühlste Wasser zu bekommen;
Und dein Sorbet wird besser sein als je –
Sieh her, ich stellt' ihn lange schon in Schnee.
Denn dich erfreut ja nie der Saft der Reben,
Und du willst mäß'ger als ein Türke leben;
Doch nicht, um dich zu tadeln, war's gesagt,
Mich freut's, wenn dir das Einfache behagt.
Jetzt komm, denn unsre Tafel ist gedeckt,
Die silberne Lampe wird noch angesteckt,
Dann will ich dir mit Tanzen und mit Singen
Mit meinen Mädchen wohl die Zeit verbringen.
Gern hörst du's ja, wenn ich Guitarre spiele;
Doch wenn es heute dir nicht mehr gefiele,
So lesen wir, was uns Ariost erzählt,
Wie sich Olympia verlassen quält.
Du wärst ja schlimmer als der Ungetreue,
Der sie betrog, wenn jetzt du mich aufs neue
Verlassen wolltest, ja, wohl schlimmer gar,
Als der verrätherische Heide war,
Der einst Ariadnen undankbar verstieß
Und einsam dort auf jener Insel ließ,
Die man bei klarer Luft im Osten hier
Noch liegen sieht – Vor kurzem zeigt ich dir
Sie noch und sprach, halb scherzend, halb voll Sorgen,
Denn Niemand weiß, womit der nächste Morgen
Ihm droht: So wird es mir noch einst ergehn!
Du täuschtest mich – ich sollt' dich wiedersehn!«
»Du sollst noch oft mich sehn, noch oft, mein Leben!
Sonst würd' es keine Hoffnung für mich geben.
Jedoch mit doppelter Geschwindigkeit
Enteilt beim Abschied uns die kurze Zeit.
Und willst du noch, wohin ich gehe, wissen,
Weshalb wir Lebewohl uns sagen müssen?
Ich sagt' es gern, doch reicht die Zeit nicht aus;
Genug, es geht zu keinem harten Strauß.
Auch soll hier eine starke Wache bleiben,
Um jeden Ueberfall zurückzutreiben;
Du bleibst ja nicht allein – bin ich nicht da,
Sind unsre Fraun und deine Mädchen nah;
Dich tröste, bis ich wieder dich begrüße,
Daß Sicherheit die Ruhe dann versüße.
Doch horch! Das Hifthorn tönt, du darfst nicht weinen –
Leb wohl – noch einen Kuß – noch einen – einen!« –
Rasch springt sie auf und drückt, von ihm umfangen,
An seine starke Brust die blassen Wangen.
Er wagt es nicht, auf sich ihr Auge her
Zu ziehn, es starrt so groß und thränenleer;
Der Athem scheint im Busen ihr zu stocken,
Es fallen ihre dichten blonden Locken,
Vom Sprung gelöst, in reizend wilder Flut
Auf seinen Arm, in dem sie schwankend ruht.
Doch horch! es donnert die Signalkanone,
Und ihn verwünschend, folgt er doch dem Tone.
Noch einmal hat ans Herz er sie gedrückt,
Die stumm und flehend in sein Auge blickt;
Dann zieht er noch mit zärtlicher Gewalt
Zum Lager hin die sinkende Gestalt,
Das Liebste, das er auf der Welt gefunden –
Er küßt die kalte Stirn und – ist verschwunden.
XV.
Und ist er wirklich fort? Wie oft wohl fragt
Ein Herz voll Liebe so, das einsam klagt!
»Vor einem Augenblick noch stand er dort,
Und jetzt« – Hinaus ins Freie stürzt sie fort,
Und nun entlasten Thränen ihre Brust,
In großen Tropfen schimmernd, unbewußt,
Und immer stärker fließen sie, doch spricht
Der Mund das letzte Lebewohl noch nicht:
Als schwände nur mit jenem Unglückslaute
Der letzte Hoffnungsschein, dem sie vertraute.
Ihr ernstes, blasses Angesicht bekam
Allmählich einen Zug von tiefem Gram,
Die zärtlich blauen Augen starrten leer
Und ausdruckslos hinunter in das Meer,
Bis endlich sie noch einmal ihn erblickt:
Da leuchten ihre Augen wie verzückt,
Und Thränen strömen reichlicher jetzt wieder
Von ihren langen dunkeln Wimpern nieder.
»Ich bin allein!« – Sie preßt die Hand ans Herz,
Das Auge blickt verzweifelnd himmelwärts
Und dann noch Einmal nach dem Meer hinab;
Sie segeln fort – Rasch wendet sie sich ab –
Und schreitet schwankend in die Burg hinein –
»Es ist kein Traum – ich bin allein – allein!« –
XVI.
Von Fels zu Fels in raschen Sprüngen eilt
Konrad zum Strand hinab; doch nirgends weilt
Er zaudernd, und er schaut auch nie zurück.
Bei jeder Wendung, wo sich seinem Blick
Die Burg zufällig zeigt, da zuckt er noch:
Die Burg, die seine Heimat ist, die hoch
Am Felsen gastlich ihm Willkommen sagt,
Wenn ihm das wilde Meer nicht mehr behagt,
Und die Geliebte, die ihm sonst von fern
Entgegenstrahlt gleich einem lieben Stern,
Sie wagt er jetzt nicht anzuschaun, – es war
Zu groß doch für sein Bleiben die Gefahr.
Einmal beinahe zögert schon sein Fuß,
Es schwankt in seinem Herzen der Entschluß;
Doch nein – es darf nicht sein; – wohl ihn zu rühren
Vermögen Thränen, doch nicht zu verführen.
Er sieht das Schiff, der Wind ist gut, da rafft
Er noch zusammen seine ganze Kraft,
Und vorwärts eilt er. Schon berührt sein Ohr
Gesang vom fröhlichen Matrosenchor,
Es tönt der Ruder Takt, ihm wohlbekannt;
Er sieht das emsige Gewühl am Strand,
Wie die Matrosen auf den Raaen stehn,
Wie sich der Anker hebt, die Segel blähn,
Wie Fraun am Ufer ihre Tücher schwingen,
Den Scheidenden den letzten Gruß zu bringen;
Blutroth sieht seine Flagg' er sich entfalten
Und staunt, daß fast sein Herz ihn festgehalten.
Sein Auge sprüht, wild hebt sich seine Brust,
Er wird sich seiner alten Kraft bewußt.
In wen'gen Sprüngen wird der Saum erreicht,
Wo weißer Sand den Fuß des Felsens bleicht;
Dort hält er an. Doch wen'ger fesselt ihn
Der Wunsch, die frische Seeluft einzuziehn,
Als den gemeßnen Schritt, der sonst ihm eigen,
Statt jener wilden Hast dem Volk zu zeigen.
Wohl wußte Konrad, was dem Herrscher nützt,
Und was den Stolz verhüllt und oft ihn schützt;
Der hohe Gang, der fremde Blick, der leicht
Zudringliche Vertraulichkeit verscheucht,
Und das vornehme Wesen, das gewandt
Und maßvoll jede laute Lust verbannt,
Sie wußten schnell Gehorsam zu erzwingen.
Doch konnt's ihm, wenn er wollt', auch leicht gelingen,
Durch Freundlichkeit die Menschen zu gewinnen;
Dann tönte seine Stimme tief von innen,
Die Furcht verschwand, und magisch riß sein Wort,
Zum Herzen dringend, die Gemüther fort.
Doch ließ er selten nur sich so herab,
Weil wenig er auf Andrer Liebe gab;
Nach dem, was er erfuhr in seiner Jugend,
Galt ihm Gehorsam für die beste Tugend.
XVII.
Und bald umringt ihn voll Ergebenheit
Die treue Schar. »Sind Alle sonst bereit?«
»Ja, schon an Bord«, sprach Juan; »den Hauptmann
fährt
Das letzte Boot.« »Den Mantel und mein Schwert!«
Das Schwert wird umgegürtet, und man bringt
Den Mantel, den er um die Schultern schwingt.
»Ruft Pedro her!« Er kam, und Konrad neigt,
So freundlich, wie nur Wen'gen er sich zeigt,
Nach ihm sich hin und spricht: »Empfange hier
Und lies nachher sorgfältig dies Papier:
Es handelt sich um eine wicht'ge Sache.
Verdopple dann noch die gewohnte Wache,
Und wenn das Schiff Anselmo's kommt, empfehle
Ihm ebenfalls die nämlichen Befehle.
Die Sonne wird noch dreimal untergehn,
Bis unser Werk gethan. Auf Wiedersehn!«
Und kräftig schüttelt er ihm noch die Hand,
Und schreitet stolz zum Boot hin an den Strand.
Die Ruder tauchen ein, und ringsumher,
Von ihrem Schlag bewegt, erglänzt das Meer.
Bald steht er auf dem Deck, und jeder Mann
Greift, wie der Bootsmann pfeift, die Arbeit an.
Er sieht, wie schön das Fahrzeug sich bewegt,
Mit welchem Eifer sich die Mannschaft regt,
Und gönnt ihr gar ein Wort des Lobes, doch
Er grüßt besonders stolz Gonsalvo noch –
Da plötzlich fährt er auf und scheint voll Trauer,
Es traf sein Blick soeben ja die Mauer
Der alten Burg – er denkt der Abschiedsstunde,
Und stärker fühlt im Herzen er die Wunde.
Ob auf das Schiff wohl jetzt Medora schaut?
Doch gibt's viel Arbeit, bis der Morgen graut,
Und sich ermannend, wendet er sich ab,
Steigt mit Gonsalvo zur Kajüt' hinab
Und zeigt ihm, welchen Plan er vorbereitet;
Die Karte liegt vor ihnen ausgebreitet,
Und sie berathen bei der Lampe Schein
Sorgfältig noch tief in die Nacht hinein,
Denn Leidenschaft läßt leicht die Zeit vergessen.
Ein günst'ger Wind bläst wacker unterdessen,
Es fliegt das Schiff, als ob's ein Falke sei,
Bei mancher steilen Insel rasch vorbei,
Und lang noch dauert's bis zum Morgengrauen,
Als durch das Glas sie schon den Hafen schauen,
In dem des stolzen Pascha's Flotte liegt.
Konrad zählt jedes Segel und betrügt
Die trägen Türken leicht, die ohne Sorgen
Trotz ihrer Lichter träumen bis zum Morgen.
Er segelt unbemerkt nach einer Bucht,
Die für den Hinterhalt er ausgesucht,
Wo hinter einem hohen Felsenrücken
Er sicher liegt vor seines Feindes Blicken.
Schon rüstet sich zum Kampfe seine Bande,
Die tapfer ficht zur See und auf dem Lande,
Und ruhig schaut ihr Führer in die Flut,
Und ruhig spricht er, ruhig – doch von Blut!
I.
Die Bai von Koron wimmelt von Galeeren,
Von tausend Lampen strahlt die Stadt zu Ehren
Von Said-Pascha; prächtig ist das Fest,
Das schon im Voraus jetzt er feiern läßt:
Denn sicher muß es diesmal ihm gelingen,
In Fesseln die Piraten heimzubringen.
Er schwor's bei Allah und bei seinem Schwert,
Und kaum hat seinen Aufruf sie gehört,
Als sich die Flotte sammelt in der Bai;
Matrosen strömen scharenweis' herbei
Und theilen prahlend schon sich in die Beute –
So klein erscheint der Feind für solche Leute.
Wenn sie nur woll'n, wird auch in wen'gen Stunden
Gewiß die Räuberinsel überwunden!
Es schlummert ruhig unterdeß die Wache
Und nimmt im Traum schon an den Feinden Rache;
Das meiste Volk zerstreut sich weit und breit
Und übt an Griechen seine Tapferkeit.
Wie groß doch muß sich solch ein Türke fühlen,
An armen Sklaven seinen Muth zu kühlen!
Sie brechen in die Häuser ein, doch morden
Nicht mehr wie sonst, da sanfter sie geworden;
Es sei denn, daß der Uebermuth sie treibt,
Zu sorgen, daß der Arm in Uebung bleibt.
Der Grieche lächelt, der den Kopf noch liebt,
Wenn sich der Türke seiner Lust ergibt;
Er muß die besten Bissen für ihn suchen
Und darf erst, wenn die Küste rein ist, fluchen.
II.
In seiner Halle ruhet von dem Schmaus
Mit bärtigen Vasallen Said aus;
Man sagte, daß er selbst Getränke schlürfe,
Die sonst kein Muselman genießen dürfe;
Doch unterdessen reicht die Dienerschaft
Den Andern der erlaubten Bohne Saft,
Und während aus den Pfeifen Wolken steigen,
Betrachtet man der Tänzerinnen Reigen.
Am nächsten Morgen schifft man dann sich ein,
Verräthrisch soll das Meer des Nachts ja sein,
Und besser ist der Schlaf auf seidnem Kissen,
Als auf der See sich in Gefahr zu wissen.
Mehr als der Kampf gilt ihnen der Genuß,
Und Allah hilft, sobald man kämpfen muß.
Sodann vertraut der Pascha noch den Zahlen
Und hat das Recht, mit seiner Macht zu prahlen.
III.
Demüthig nahet vor dem äußern Thor
Der Sklave, der's bewacht, und tritt hervor;
Er neigt sich tief, den Boden trifft die Hand,
Dann spricht er zu dem Pascha hingewandt:
»Ein Derwisch, der den Räubern kaum entflohn,
Ist hier und träte gern vor deinen Thron.«
Und Saids Augen winken die Gewähr,
Man führt den frommen Pilger schweigend her.
Und schwachen Schritts, auf seinem grünen Kleide
Die Arme kreuzend, mehr von langem Leide
Als von der Zeit gebeugt, doch ohne Bangen
Erscheint er; blaß sind seine hagern Wangen,
Der Ausdruck matt vom Fasten und Entbehren;
Die schwarzen Locken, welche nie zu scheren
Er seinem Gott gelobt, sind noch bedeckt
Von einem Hut, der stolz empor sich streckt,
Und dicht umhüllt ein faltiges Gewand
Die Brust, die sich dem Himmel zugewandt.
Er blickt bescheiden, aber nicht verlegen,
Den Augen, die ihn treffen, auch entgegen;
Neugierig möchte Mancher schon ihn fragen,
Doch vor dem Pascha darf es Keiner wagen.
IV.
»Derwisch, woher des Wegs?« – »Gefangen saß
Ich bei den Räubern.« – »Wo und wann geschah's,
Daß die Piraten dich gefangen nahmen?« –
»Wir segelten nach Chios, und wir kamen
Von Scalanova her. Doch Allahs Zorn
Traf unser Schiff, die Ladung ging verloren;
Nichts konnten wir vor jenen Räubern retten,
Sie schlugen unsre Glieder noch in Ketten.
Mich schreckte nicht der Tod, und ich verlor
Die Freiheit nur, zu wandern wie zuvor;
Doch endlich sah ich Nachts ein Fischerboot,
Das mich befreien konnt' aus meiner Noth,
Und ich bestieg's – bin glücklich jetzt geborgen:
Was könnt' ich unter deinem Schutz besorgen?« –
»Was treibt denn der Banditenführer? Glaubt
Er zu vertheid'gen, was er sich geraubt?
Hat schon von unsrer Rüstung er gehört,
Die bald wohl dies Skorpionennest zerstört?« –
»Ich dacht' ans Fliehen, Pascha! Schlecht wohl taugen
Zum Spioniren des Gefangnen Augen.
Ich hörte nur noch auf die Meereswogen
Und wär' mit ihnen gern davongezogen;
Mir schien der Himmel und der Sonne Schein
Zu schön für die Gefangenschaft zu sein;
Die Freiheit mußte wieder ich genießen,
Sonst würden ewig meine Thränen fließen.
Jedoch, daß ich entkam, beweist schon klar,
Daß jetzt sie wenig denken an Gefahr;
Denn hätten sie mich aufmerksam bewacht,
So hätt' ich meine Flucht wohl nie vollbracht.
Ja, wenn die Wachen mich nicht fliehen sahn,
So kannst auch du dich unbemerkt wohl nahn.
Jedoch mein schwacher Leib verlangt nun Speise
Und Ruhe, Pascha, nach so langer Reise.
Jetzt laß mich ziehn. Mit dir sei Frieden! Frieden
Mit Allen! Ruhe werde mir beschieden!«
»Halt, Derwisch! Gib mir besseren Bericht!
Bleib – ich befehl's – und setz dich! Hörst du nicht?
Mehr muß ich wissen. Speise sollst du haben;
Du sollst nicht darben, wo sich Alle laben,
Und nach der Mahlzeit sag' mir ohne Säumniß,
Wonach ich frag' – ich liebe kein Geheimniß.« –
Warum doch zuckte so der fromme Mann,
Und sah den Divan gar nicht freundlich an?
Er zeigte kein Verlangen nach dem Mahl
Und wenig Achtung für der Gäste Zahl;
Ja, seine blassen Wangen überflog
Ein schwaches Roth, das sich sogleich verzog.
Dann setzt' er schweigend sich, sein Antlitz nahm
Den ruh'gen Ausdruck an, mit dem er kam.
Doch ward umsonst das Mahl ihm aufgetischt,
Und er verschmäht's, als sei's mit Gift gemischt;
Trotz seines Hungers schien den leckern Speisen
Der Gast nur wenig Ehre zu erweisen.
»Was fehlt dir, Derwisch? Iß – meinst du vielleicht,
Es wär' ein Christ, ein Feind, der dir es reicht?
Warum verschmähst du Salz, das selbst dem Schwert
Die Kraft nimmt gegen den, der es verzehrt,
Das die Versöhnung nach dem Streit bescheinigt
Und bittre Feinde brüderlich vereinigt?«
»Salz reizt den Gaumen nur. Mich sätt'gen schnell
Der Erde Wurzeln, und mich tränkt der Quell,
Und mein Gelübde, meines Ordens Weisung
Verbieten mir gemeinschaftliche Speisung.
Ja, dir erscheint's vielleicht wohl sonderbar;
Doch, käm' ich selbst deswegen in Gefahr,
Mich könnte nicht des Sultans Thron verführen,
Brot, wenn ich nicht allein bin, anzurühren;
Denn würd' ich diese Regel übertreten,
Wie käm' ich dann zum Grabe des Propheten?«
»Nun, wenn so fromm du bist, so mag's geschehn;
Nur eine Frage noch, dann sollst du gehn. –
Doch, was ist das? Es kann der Tag nicht sein!
Es glänzt die Bai wie heller Sonnenschein!
Ein einz'ges, ungeheures Feuermeer!
Verrätherei! Bringt meinen Säbel her!
He, Wache! Die Galeeren stehn in Flammen!
Verfluchter Derwisch! Haut ihn gleich zusammen!
Du hast gelogen! Ja, ein Spion bist du!
Ein Spion! Ergreift ihn, tödtet ihn, schlagt zu!«
Und blitzschnell sprang der Derwisch jetzt empor,
Furchtbar verwandelt kam er ihnen vor.
Der Mönch, den sonst ein Bußgewand umschloß,
Glich einem Ritter jetzt auf hohem Roß.
Rasch wirft er Hut und Kleid ab und bewehrt
Vom Panzer strahlt die Brust. Er schwingt das Schwert,
Hell glänzt der runde Helm, darüber nickt
Ein schwarzer Federbusch – noch finstrer blickt
Das Auge, düstrer ist der Stirne Dräun;
Als wär' er aus der Höll' entstiegen, scheun
Die Sklaven starr zurück – Was kann der hoffen,
Den solchen Teufels Todesstreich getroffen?
Das Angstgeschrei vom Hafen, Wuthgeheul
Und Schwerterklirrn, des wilden Kampfes Greul,
Die Fackeln, die Verwirrung und die Flammen,
Der dicke Rauch, sie machen jetzt zusammen
In einem Augenblick aus dieser Stelle
Der Erde schon ein wahres Bild der Hölle!
In Todesangst fliehn Alle hin und her,
Sie sehn voll Blut und Flammen schon das Meer.
Was kümmert sie des Paschas Wuth! Den Mann,
Den Teufel rühren sie darum nicht an!
Die Hoffnung hatte Konrad aufgegeben,
Nur dieser Schrecken konnt' ihn neu beleben;
Denn viel zu früh begann der Kampf: bevor
Er das Signal gab, stieg die Flamm' empor.
Doch sah er ihre Furcht und setzte schon
Sein Hifthorn an den Mund, der kurze Ton
War scharf und gellend, und von draußen klingt
Die Antwort – »Brav, daß schnell ihr Hülfe bringt!
Wie konnt' ich gegen euch argwöhnisch sein
Und mich verrathen glauben und allein!« –
Dann eilt er um so mehr nach dem Verzuge,
Und wirbelnd kreist sein Säbel wie im Fluge;
Sein Zorn vollbringt, was ihre Furcht begann,
Die Vielen zittern vor dem Einen Mann!
Zerfetzt liegt mancher Turban auf der Erde,
Kein Arm erhebt sich, daß ihm Rache werde;
Selbst Said, überrascht und knirschend, räumt
Ihm jetzt das Feld, wenn auch vor Wuth er schäumt;
Kein Feigling ist er, aber dennoch scheint
In der Verwirrung ihm zu groß der Feind!
Die brennenden Galeeren lähmen ihn,
Den Bart zerraufend muß er endlich fliehn;
Er sieht durch's Thor bereits die Räuber eilen,
Und tödtlich wäre längeres Verweilen;
Die Sklaven schreien, knieen, flehn vergebens
In Todesangst nur um die Gunst des Lebens!
Indessen folgen schon in dichten Scharen
Dem Ton des Hifthorns eilig die Korsaren,
Und Todesseufzer, klägliches Geschrei
Bezeugen, wo der tapfre Kämpfer sei;
Bis jauchzend ihn sie finden, einsam wild
Gleich einem Tiger, der den Hunger stillt.
Kurz war der Gruß, und kurz der Gegengruß:
»'S geht gut – doch Said floh, der sterben muß!
Viel ist gethan; doch mehr noch muß geschehn,
Die Flotte brennt – soll denn die Stadt noch stehn?«
V.
Gesagt, gethan! – Ein jeder Räuber faßt
Den Brand und schleudert ihn in den Palast,
Und Konrads Auge glüht von wilder Lust –
Da zuckt ein tiefer Schmerz durch seine Brust;
Denn er vernimmt das Wehgeschrei der Fraun,
Und ihn durchschauert ein geheimes Graun.
Er, dessen Gleichmuth kein Getümmel störte,
Erschrak, als diesen Klageton er hörte.
»Zum Harem hin! Bei euerm Leben kränkt
Kein schwaches Weib! – an unsre Weiber denkt!
Auf unsre fällt dereinst dafür die Rache;
Denn nur der Männerkampf ist unsre Sache.
O, ich vergaß – doch Gott wird's nie verzeihn,
Wenn wir hülflose Fraun dem Tode weihn!
Folgt, wenn ihr wollt! – Ich gehe – dies Verbrechen
Soll niemals gegen mich verdammend sprechen!«
Er stürmt die Trepp' hinauf und sprengt die Thüren
Und scheint des Bodens Hitze kaum zu spüren,
Ihn hindert nicht des dicken Rauches Qual,
Er stürzt hindurch und eilt von Saal zu Saal.
Sie suchen, finden, retten; – voll Erbarmen
Trägt Jeder seinen Fund auf rüst'gen Armen;
Sie trösten und beschwicht'gen sie, sie halten
Schonungsvoll diese schwankenden Gestalten:
So konnte Konrad ihre Wildheit zähmen,
Und ihre blutbefleckten Hände lähmen.
Doch wer ist jene, die sein Arm umschlingt,
Und kühn durch Trümmer, Rauch und Flammen bringt?
Des Paschas schönste Freundin trägt er hin,
Gulnare, seines Harems Königin!
VI.
Doch Konrad fand zu einem raschen Gruße
Und wen'gen Trostesworten kaum die Muße;
Das Mitleid unterbrach den kurzen Krieg,
Und man verfolgte nicht den leichten Sieg;
Doch sahn die Türken kaum den Rücken frei,
So stürzten sie, sich sammelnd, schnell herbei,
Und Said merkte nun, wie klein die Schar
Der Feinde gegen die der Freunde war.
Vor Scham erröthend mußt' er jetzt entdecken,
Daß sie geflohn vor einem blinden Schrecken.
»Allah il Allah!« hört man's laut erklingen,
Und Wuth und Rache will den Sieg erzwingen.
Zugleich hört der Korsaren Siegeslauf,
Zu rasch begonnen, plötzlich wieder auf;
Dies scheint den Feinden neue Kraft zu geben,
Und ihre Sieger kämpfen bald ums Leben.
Und Konrad sah die Noth, und wie der Feind
Mit immer neuen Scharen sich vereint;
Nur
ein Versuch schien Rettung zu versprechen:
»Ein rascher Anlauf soll den Kreis durchbrechen!«
Sie sammeln sich – sie greifen an – sie schwanken –
Sie sind verlor'n! In immer engre Schranken
Gedrängt und ohne Hoffnung, doch voll Muth,
Vertheid'gen sie sich mit verbiß'ner Wuth;
Man schlägt sich nicht mehr in geschloß'nen Reihn,
'S ist ein Gemetzel; – schweigend und allein
Kämpft Jeder, bis er todt am Boden liegt,
Mehr aus Erschöpfung, als vom Feind besiegt.
Die Sterbenden noch führen matte Streiche,
Und starr umfaßt den Säbel noch die Leiche!
VII.
Doch eh' der Feind zu sammeln sich begann,
Und eh' das Handgemenge sich entspann,
War schon Gulnare, von den Fraun begleitet,
Nach einem anderen Palast geleitet:
Also geschah's, weil Konrad es gebot.
Die Thränen trocknet sie, die, in der Noth
Für Ehr' und Leben kurz zuvor vergossen,
Noch immer aus den dunkeln Augen flossen;
Verzweiflung drückte schon die Arme nieder,
Doch jetzt erhebt ein neuer Muth sie wieder.
Sie denkt an jenes Räubers feine Sitten,
Der freundlich sprach und sanft erschien inmitten
Des Kampfes – sanfter selbst als blut'ger Feind,
Als Said je als Liebender erscheint.
Der Pascha bat um Lieb', als ob die Ehre
Ein großes Glück für seine Sklavin wäre;
Doch Schutz gelobt, sie tröstend, der Pirat,
Als ob ein Weib ein Recht auf Huld'gung hat.
»'S ist unrecht, ja wohl niemals kann's geschehn –
Doch möcht' ich diesen Räuber wiedersehn;
Ich muß ihm danken, ihm, der während dessen,
Daß Said mich vergaß, mich nicht vergessen.«
VIII.
Sie sah ihn dann im dichtesten Gedränge,
Und stark schon lichtete der Tod die Menge;
Er kämpft für sich allein mit Feindeshaufen,
Die jeden Zoll um theuern Preis erkaufen.
Er blutet, fällt und sucht den Tod vergebens,
Der stets ihn flieht; denn seines ganzen Lebens
Verbrechen soll er fürchterlich noch büßen,
Und wider Willen wird er leben müssen.
Die Rache, die auf neue Schmerzen sinnt,
Stillt jetzt sein Blut, daß bald es stärker rinnt;
Sie will ihn tropfenweise nur verderben,
Nie soll er todt sein; aber ewig sterben!
Ist dies der Krieger, dessen blut'ge Hand,
Wo sie sich zeigte, schnell Gehorsam fand?
Er ist's, der waffenlos, doch unverzagt
Das Schicksal, das ihn leben ließ, beklagt.
Wie gern wohl hätt' er, statt der leichten Wunden,
Den Tod durch eines Feindes Arm gefunden!
Gibt's keinen, welcher ihn ins Jenseits sendet,
Da gegen ihn so manches Schwert sich wendet?
War's recht, daß der allein am Leben blieb,
Der selbst die meisten Feinde niederhieb?
Doch das, was jedes Menschen Herz erschreckt,
Wenn ihn das falsche Glück zu Boden streckt,
Die eigne Schuld, langsame Todesqualen,
Die solche Sieger als Vergeltung zahlen –
Das fühlt er tief und dunkel; – doch ihm bleibt
Der Stolz, der sonst zu schlimmer That ihn treibt.
In seinen strengen würdevollen Zügen
Scheint fast des Siegers Selbstgefühl zu liegen,
Und todesmatt, voll Wunden und gefangen,
Schaut ruhig er umher und ohne Bangen.
Des Pöbels wilder Jubel zwar, so groß
Wie früher seine Furcht, bricht donnernd los;
Jedoch die Bessern, die ihm näher standen,
Verschonen den, vor dem sie Furcht empfanden,
Und mit geheimer Scheu sogar betrachten
Die Wachen den, den sie zum Kerker brachten.
IX.
Dann kam der Arzt, doch nicht aus Mitleid – nein,
Er soll nur sehn, wie stark die Kräfte sei'n;
Er hält ihn stark genug für schwere Ketten,
Und nichts kann vor den Martern ihn erretten.
Ja, morgen Abend, wenn die Sonne scheidet,
Gewahrt sie, wie des Spießens Qual er leidet,
Und übermorgen, nach dem Morgengrauen
Wird, wie die Schmerzen er erträgt, sie schauen;
Die schlimmste, längste Strafe wird gewählt,
Die nebendem durch Durst die Dulder quält;
Ja, während solcher tagelangen Qual
Umkreisen gier'ge Geier schon den Pfahl;
Und »Wasser! Wasser!« flehen nur die Armen,
Doch lächelnd kennt der Henker kein Erbarmen;
Denn würde Wasser ihnen eingeflößt,
So würden bald sie durch den Tod erlöst.
So schrecklich sollte Konrads Strafe sein,
Der jetzt gefesselt daliegt und allein.
X.
Vergeblich wär's, was er empfand, zu schildern,
Was er gefühlt bei jenen Schreckensbildern!
Wie jede Leidenschaft ihm im Gemüthe
Im wirren Durcheinander kämpfend wüthe,
Wie reuelos er knirscht, und wie's Gewissen
Mit ungestümer Mahnung ihn zerrissen!
Der Dämon – ruhig hielt er früher sich
Und ruft sodann zu spät: »Ich warnte dich!«
Umsonst! sein ungebeugter Sinn erneut
Den Widerstand – der Schwächling nur bereut!
In solcher Einsamkeit, wo Alles schweigt,
Und sich dem Geist sein eignes Wesen zeigt,
Wo kein Gedanke, keine Leidenschaft
Vor allen andern herrscht mit ganzer Kraft:
Da stürmen alle wilder stets und trüber
Auf tausend Wegen im Gemüth vorüber.
Gekränkter Ehrgeiz und des Ruhms Verlust,
Der nahe Tod, vergangne Liebeslust,
Zerstörte Freude, bittrer Haß und Groll
Auf den, den unser Sturz erheben soll,
Der düstre Rückblick und der Zukunft Drohn,
So ungewiß und doch so nahe schon, –
Gedanken, Worte, halbvergeß'ne Thaten,
Die nie so deutlich vor die Seele traten,
Die sonst wohl leicht und lobenswerth erschienen
Und dem Gewissen jetzt zum Vorwurf dienen, –
Die bittre Qual verborgener Verbrechen,
Die drum nicht minder laut und drohend sprechen, –
Kurz Alles, wovor jedes Aug' erschrickt,
Wenn's in das offne Grab des Herzens blickt,
Enthüllt dem Blick sich, bis der Stolz dann spricht,
Den Seelenspiegel wegreißt und – zerbricht.
Ja, dieser Stolz deckt Alles zu, der Muth
Trotzt Allem, bis der Tod das Schlimmste thut.
Furcht hat ein Jeder; wer sich ihrer wehrt,
Ist selbst als Heuchler noch des Lobes werth, –
Doch nicht der Feigling, welcher prahlend flieht,
Nein, wer dem Tod ins Antlitz schweigend sieht.
Und so gestärkt durch langes Ueberlegen
Ging Konrad seinem Schicksal halb entgegen.
XI.
Gefesselt hielt der Pascha ihn, der Erker
Des höchsten Thurms war des Gefangnen Kerker.
Verbrannt war der Palast, und diese Feste
Barg seinen Feind sowohl wie seine Gäste.
Said, besiegt, hätt' Aehnliches ertragen,
Und Konrad konnte drum sich nicht beklagen.
Er hatte schon in seiner Einsamkeit
Das schuld'ge Herz geprüft und war bereit.
An Eins nur konnt' er – wagt' er nicht zu denken:
»Wie wird Medora diese Nachricht kränken!«
Und dann – nur dann – erhebt er sinnverwirrt
Den Arm und horcht, wie seine Kette klirrt;
Doch bald, vielleicht nur scheinbar, faßt er Muth
Und spottet, bitter lächelnd, seiner Wuth:
»Mag, wenn es sein muß, die Tortur mich quälen,
Jetzt soll der Schlaf dafür die Kräfte stählen!«
So sprechend kroch er müde nach der Matte,
Wo bald der Traumgott ihn umfangen hatte. –
Als er den Kampf begann, war's Mitternacht,
Und, einmal reif, ward schnell der Plan vollbracht,
Da rasch ja die Zerstörung vorwärts schreitet,
Wenn jegliches Verbrechen sie begleitet.
Dieselbe Stunde sah ihn auf den Wogen,
Vermummt – entlarvt – zum Kampf hinausgezogen –
Zur See als Räuber und zu Land als Krieger,
Sie sah gefangen dann den frühern Sieger,
Sie sah zerstören ihn und sah ihn retten,
Und sieht ihn schlafend jetzt in seinen Ketten!
XII.
Und ruhig schien sein Schlaf, und leise ging
Die Brust – wenn doch der Tod ihn so umfing'!
Er schläft – Wer beugt auf ihn sich jetzt herab?
Der Feind ist fern, die Freunde deckt das Grab.
Ist es ein Engel, der ihm Trost verspricht?
Ein ird'sches Wesen, himmlisch von Gesicht,
Steht vor ihm, und sie hebt die Lamp' empor
Und hält den weißen Arm zum Schutz davor,
Daß nicht des Lichtes Schein mit Einem Mal
Sein Auge treffe mit zu grellem Strahl;
Einmal noch öffnen wohl sich jene Lider,
Und schließen sich – vielleicht auf ewig – wieder.
Wie kam die dunkeläugige Gestalt,
Die dichtes, braunes Lockenhaar umwallt,
Durch finstre Nacht und Wachen bis hierher?
Kein Ton verrieth ihr Nahen dem Gehör;
Ihr nackter Fuß erglänzt wie frischer Schnee,
Und lautlos schwebt sie hin gleich einer Fee!
Doch welches Weib erschrickt wohl vor Gefahren,
Die jung und mitleidsvoll ist gleich Gulnaren?
Sie floh der Schlaf; – im lauten Traum erscheint
Dem Pascha neben ihr sein wilder Feind;
Da schleicht sie fort, jedoch vorher entwand
Sie noch den Siegelring aus Saids Hand;
Dies Zeichen hat durch Wachen sie getragen,
Die schläfrig ihm gehorchen ohne Fragen.
Sie hatten, müde von dem wilden Streit,
Erst Konrad schlafen sehn mit stillem Neid,
Und streckten endlich selbst die matten Glieder
Vor jenes Thurmes Thür zur Ruhe nieder,
Erhoben kaum die Köpfe vor dem Ringe,
Und fragten nicht, wer denn das Zeichen bringe.
XIII.
Verwundert sah sie hin auf ihn. – »Wie kann
So ruhig jetzt doch schlummern dieser Mann,
Um dessentwillen wohl so mancher Feind
Und auch so mancher Freund voll Trauer weint?
Mich selber treibt es ruhelos hierher,
Ja, welch ein Zauber fesselt mich so sehr?
Mir und den Mein'gen hat er mehr gegeben
Und mehr gerettet freilich als das Leben –
Jedoch zu spät wird's jetzt von mir bedacht,
Denn horch! wie schwer er seufzt – er regt sich – wacht!«
Er hebt das Haupt; geblendet von dem Licht,
Mißtrauet er zuerst noch dem Gesicht;
Er rührt den Arm – die Kette rasselt schon,
Und rauh ans Leben mahnt ihn dieser Ton.
»Was seh' ich hier? Wenn dies kein Luftgebilde,
So schaut mein Henker lieblich aus und milde!« –
»Du kennst mich nicht – es treibt der Dank mich an
Für Thaten, die zu selten du gethan.
Gedenke der, die deine Hand dem Brande
Entriß und rettete vor deiner Bande.
Ich kam im Finstern, – weiß kaum, wie's geschehn,
Doch möcht' ich morgen dich nicht sterben sehn.« –
»Dann, edle Dame! wirst du ganz allein
Von solchem Anblick nicht befriedigt sein.
Mich haben meine Feinde jetzt in Händen,
Und recht ist's, wenn zum Nutzen sie's verwenden;
Doch find' ich ihr Benehmen rücksichtsvoll,
Daß ich so schönen Ohren beichten soll.« –
Wie sonderbar, daß mit dem tiefsten Schmerze
Nicht selten sich verbinden düstre Scherze!
Ja, geben sie zum Trost auch keinen Grund,
So lächelt – bitter freilich – doch der Mund,
Und häufig schritten schon mit solchem Spotte
Die Weisesten und Besten zum Schafotte.
Zwar Andre täuscht oft solche Lustigkeit,
Doch immer fühlt das Herz das eigne Leid!
Was Konrad auch empfand, dies wilde Lachen
Schien jetzt beinahe fröhlich ihn zu machen;
Und heiter klang das Wort aus seinem Munde,
Als sei dies seine letzte frohe Stunde;
Und selten war's bei ihm – sein kurzes Leben
War von Gefahr und Schrecken stets umgeben.
XIV.
»Dein Schicksal ist beschlossen – doch vielleicht
Wird Said noch durch meine Macht erweicht.
Ich möchte gern dich retten – dich befrein –
Die Zeit – die Hoffnung – deine Kräfte leihn
Mir keinen Beistand jetzt; doch ich vermag
Das Urtheil zu verzögern einen Tag;
Mehr kann ich nicht – auch würdest du's verschmähn,
Wenn beide wir dadurch zu Grunde gehn.« –
»Das würd' ich – ja, was kann mich noch bedrohn?
Ich fürchte nichts, zu schrecklich fiel ich schon.
Zur Flucht vor Feinden, die zu stark mir waren,
Machst du mir Hoffnung, schaffst dir selbst Gefahren!
Soll ich, zu schwach zum Siege, fliehn mit Schande
Aus Todesfurcht, der Einz'ge meiner Bande?
Und doch gibt's Eine, deren liebes Bild
Mich stets umschwebt, bis sie mir zärtlich wild
Entgegenstürzt. Nichts hat sich mir bewährt
In meinem Leben, als mein Schiff, mein Schwert
Und meine Lieb' und – Gott! – Ja früher stieß
Ich ihn zurück, bis er dann mich verließ;
Was mir die Menschen thaten, kam von Gott,
Und mein Gebet erschiene jetzt wie Spott.
Was nützen mir verzweiflungsvolle Klagen?
Genug, ich athme noch und kann ertragen.
Mein treues Schwert entfiel der schwachen Hand,
Die solchen Freund zu halten nicht verstand;
Mein Schiff mag jetzt am Meeresgrunde liegen; –
Und meine Liebe – ja, für diese stiegen
Gebete wohl zum Himmel noch hinan;
Sie bleibt das Einz'ge, das mich fesseln kann
An diese Erde! – denn es bricht der Schmerz,
Wenn ich nicht mehr bin, noch ein treues Herz,
Und welche Schönheit! – Bis ich dich gesehn,
Fand außer ihr ich keine Andre schön.« –
»So liebst du eine Andre? Doch weswegen
Befrag' ich dich – ist mir daran gelegen?
Genug – du liebst! – Beneidenswerte Fraun,
Die dem Geliebten ganz ihr Herz vertraun!
Die nie des Herzens Einsamkeit beklagen
Und nach erträumten Schattenbildern jagen.« –
»Du selbst beglückst doch liebend den gewiß,
Für den mein Arm den Flammen dich entriß?« –
»Ich sollte Said lieben? Nein, o nein!
Die Liebe kann nur unter Freien sein.
Vergebens hat mein Herz, das jetzt ihr flucht,
Zu theilen seine Leidenschaft gesucht!
Denn Sklavin bleib' ich immer, wenn die Welt
Die Favoritin auch für glücklich hält.
Wie oft schon hab' ich selber mich gefragt:
Ist dieses Lieb'? – und schmerzvoll Nein! gesagt.
Ja, schwer ist's, eine Zärtlichkeit zu stillen,
Die nur ich dulden kann mit Widerwillen;
Doch schwerer wird Abneigung noch verhehlt,
Wenn einen Andern sich das Herz erwählt.
Gleichgültig lass' ich fassen ihn die Hand,
Und ruhig strömt mein Blut, das nichts empfand;
Die Hand entschlüpft, gleich einer todten Last,
Ihm, den ich nie geliebt und nie – gehaßt.
Kein Feuer kann mein Mund ihm wiederschenken,
Und schaudernd nur kann ich an Andres denken.
Ja, hätt' ich selber Liebe je gekannt,
So wär' ich jetzt vielleicht von Haß entbrannt;
Doch nun seh' ich ihn kommen, seh' ihn gehn,
Und ohne Lust und Trauer kann ich's sehn,
Und oft geschieht's, daß, wenn er bei mir weilt,
Mein Geist von ihm hinweg zu Andern eilt.
Ja, werd' ich's einst genauer überlegen,
So, fürcht' ich, muß ich tiefen Ekel hegen;
Jetzt bin ich seine Sklavin – doch mir graut,
Sobald ich denk', ich wäre seine Braut.
O! möchte seine Leidenschaft doch enden,
Vielleicht sich gegen eine Andre wenden!
Dann wäre doch Erlösung mir beschieden,
Wär's nicht seit gestern anders, sagt' ich, Frieden!
Doch schein' ich zu vertraulich dir zu sprechen,
So denk', ich möchte deine Ketten brechen,
Vergelten dir das mir geschenkte Leben,
Dich Allem, was dir lieb ist, wiedergeben;
Daß Jene Trost in deiner Liebe finde,
Wenn selbst ich nie so reines Glück empfinde!
Leb' wohl, – mich scheucht hinweg das Morgenroth, –
Schwer ist's – doch heute fürchte nicht den Tod!«
XV.
Ans Herz noch preßt sie des Gefangnen Hand,
Bis, sich verneigend, lautlos sie verschwand.
Sollt's nur ein schöner Traum gewesen sein?
Und war sie dort? Und ist er jetzt allein?
Doch hell erglänzend auf der Kette scheint
Die heil'ge Thrän', um fremdes Leid geweint,
Die reine Perle von des Mitleids Schacht,
Die Gottes eigne Hand so schön gemacht!
Wie überredend, wie gefährlich winkt
Die Thräne, die im Frauenauge blinkt!
Wie bleibt sie stets der Schwachen starke Wehr,
Sie schützt und siegt – ist Schild zugleich und Speer!
Ja, fürchte sie! – Die weise Tugend irrt,
Wenn zärtlich solch ein Schmerz betrachtet wird.
So floh einst um Kleopatra ein Held,
Und ihre Thräne bracht' ihn um die Welt;
Jedoch des Römers Schwäche sei verziehn,
Da Manche selbst dem Himmel so entfliehn –
Dem bösen Feinde lassen sie die Seele,
Damit ein üpp'ges Weib nicht mehr sich quäle!
Der Morgen kommt – und keine Hoffnung spricht
Aus Konrads gramverstörtem Angesicht.
Was wird er schon am Abend sein? Vielleicht,
Daß hungrig über ihm ein Rabe streicht,
Den sein geschloß'nes Auge nicht mehr schaut;
Dann sinkt die Sonn', und Alles wird bethaut,
Die Erde, neu erfrischt, belebt sich wieder,
Doch kalt und feucht erstarren seine Glieder!
I.
Die Sonne taucht im schönsten Purpurschein
In das Gebirge von Morea ein,
Nicht nebelhaft verhüllt, wie wohl im Norden,
Ein lichter Feuerball ist sie geworden!
Und ihre goldnen Strahlen übersprühn
Die Wogen, die darin erzitternd glühn.
Der Gott der Freude lächelt, und es glänzt
Aegina's Fels und Hydra meerumkränzt,
Bis zögernd er von seinem Reich sich trennt,
In dem jetzt kein Altar mehr für ihn brennt.
Die Schatten fliehn den Berg hinunter bis
An deinen Golf, ruhmvolles Salamis!
Und immer tiefre Purpurstreifen schmücken
Die langgezognen, blauen Bergesrücken;
Im zartsten Farbenspiel erglühn die Spitzen,
Auf denen noch die letzten Strahlen blitzen,
Bis über Meer und Land sich Schatten strecken
Und Delphi's Gipfel ihren Gott verdecken. –
An solchem Abend mußt' er einst, Athen!
Erblassend deinen Weisen sterben sehn;
Wie blickten deine besten Söhn' auf ihn,
Der scheidend ihres Lehrers Mord beschien!
Noch nicht! noch nicht! – Sol zögert auf der Bahn,
Und langsam rückt die Abschiedsstund' heran;
Der Gott blickt düster, als die Augen starren,
Daß selbst die Höhn in dunkler Nacht verharren;
Er hüllt in Finsterniß sein Lieblingsland,
Das niemals früher seinen Zorn empfand.
Doch eh' hinterm Cithäron er versunken,
War auch der Leidenskelch schon ausgetrunken;
Die Seel' entflog, die nie vor Furcht erbebte,
Dem Manne, der wie Keiner starb und lebte!
Doch sieh! es herrscht die Königin der Nacht
Durch Berg und Thal in ihrer stillen Pracht;
Kein trüber Dunst, der nahen Sturm verspricht,
Verhüllt Dianens helles Angesicht;
Der weißen Säule lichtumglänzter Schaft
Empfängt voll Dankbarkeit der Göttin Kraft,
Und zitternd in den Strahlen funkelt mild
Auf jedem Minaret ihr goldnes Bild.
Auf dunkelgrünenden Olivenbüschen,
Auf des Cephissus karger Flut dazwischen,
Auf trauernden Cypressen um Moscheen,
Auf Thürmchen, die auf bunten Kiosken stehn,
Auf jener Palme, die voll Majestät,
Verlassen bei dem Theseustempel steht,
Erglüht im bunten Farbenglanz das Licht –
Und nur ein blödes Auge achtet's nicht.
Und auch das weite Meer ist still und ruht
Ermattet von der Elemente Wuth;
In mildern Farben schimmern seine Wogen,
Von Gold und von Saphiren wie durchzogen,
Und fernhin sieht man Inseln noch im Dunkeln,
Wie drohend – wo die Wellen heiter funkeln.
II.
Was konnt' auf dich hier den Gedanken lenken,
Athen? Doch wer kann deines Meers gedenken
Und dich nicht nennen, wer den Zauber meiden,
Den Alle wir bei deinem Namen leiden?
Wer sah dich je beim Sonnenuntergang,
Dem nicht dein Bild tief ins Gedächtnis drang?
Der nicht, den, ob im fernsten Land er lebt,
Der Reigen der Cykladen stets umschwebt!
Was vom Korsareneiland er gesungen,
Ist auch zu deinem Ruhme noch erklungen,
Und was erobert deine Bürger hatten,
Mög' einst die Freiheit dir zurückerstatten!
III.
Die Sonne sank; – doch düstrer als die Nacht
Steht jetzt Medora noch auf hoher Wacht.
Schon war's der dritte Tag, er war beendet,
Und fern war Konrad, hatte nichts gesendet!
Der Wind war günstig, aber schwach geblieben,
Und keine Stürme hatten ihn vertrieben;
Anselmo's Schiff kam gestern Abend an,
Er sagte nur, daß nicht sie Konrad sahn.
Wie anders wäre sein Bericht geartet,
Wenn Jener noch sein Segel hätt' erwartet!
Der Wind ward frisch; – sie hatte jeden Mast
Voll Hoffnung diesen Tag ins Aug' gefaßt;
Jetzt saß sie traurig da; – gen Mitternacht
Ward sie von Ungeduld hinabgejagt.
Sie schreitet, finster blickend, an den Strand
Und achtet nicht den Schaum, der ihr Gewand,
Sie warnend, schon bespritzt; sie sieht und fühlt
Jetzt nichts, und merkt den Wind nicht, der sie kühlt.
Doch als der Zweifel ihr Gewißheit ward,
War auch im Busen ihr das Herz erstarrt,
Und hätte jetzt sie plötzlich ihn gesehn,
Wär's wohl um ihres Lebens Preis geschehn!
Und endlich kam ein halbzerschelltes Boot,
Und Wen'ge drin, verwundet und halbtodt,
Die spähend ihre Herrin gleich gewahren;
Kaum wußten sie, wie sie gerettet waren.
Und Alle standen dort in düsterm Schweigen,
Als scheuten sie sich, etwas anzuzeigen
Von Konrads Loos; sie sorgten, daß die Kunde
Medora's zartes Ohr zu sehr verwunde.
Und sie begriff's, doch Niemand sah sie schwach;
In ihrem liebenden Gemüthe lag
Mit jenem stillen Schmerz ein hoher Sinn,
Und ungeahnte Kräfte ruhten drin.
Sonst hoffnungsvoll, doch schwankend und in Thränen,
Mußt' Alles jetzt verloren wohl sie wähnen.
Zwar starb nicht ihre Sanftmuth – doch sie schlief,
Als nun erwachend die Verzweiflung rief:
»Was bleibt zu fürchten, wenn die Liebe stirbt!«
Doch gegen die Natur war's; so erwirbt
Der Kranke Kraft in Fieberphantasien,
Wenn ihm im Irrsinn alle Pulse glühn! –
»Ihr schweigt – auch möcht' ich nicht Gehör euch schenken –
Ihr sprecht nicht, athmet kaum, wohl kann ich's denken –
Doch wüßt' ich gern – es drückt das Herz mir ab,
Drum sagt's geschwinde – wo – wo ist sein Grab?«
»Wir wissen's nicht – Wir flohen selbst mit Noth;
Doch Einer hier sagt, Konrad sei nicht todt,
Er sah gefesselt ihn, voll Blut und Wunden,
Doch hat er ihn am Leben noch gefunden.«
Sie hört nicht mehr – vergebens kämpft sie – doch
Der Athem stockt, kaum schlägt das Herz ihr noch;
Den Widerstand zerbricht die Leidenschaft,
Und diese Worte rauben ihr die Kraft.
Sie schwankt – bewußtlos fällt sie hin, – es zogen
Sie fast ins nasse Grab hinein die Wogen;
Doch jener Räuber rohe Herzen wenden
Mit feuchten Blicken, dienstbefliß'nen Händen,
Was rasch das Mitleid ihnen eingab, an:
Die blassen Wangen netzt der Ocean,
Sie reiben ihr die Stirn – sie halten – heben
Sie auf, bis endlich wiederkehrt das Leben;
Sie wecken ihre Mädchen, und es schaun
Mit Schmerz auf ihren Gram die andern Fraun;
Dann suchen sie Anselmo und erzählen
Ihm schnell die Mär – der leider Siege fehlen.
IV.
Und eifrig ward berathen jetzt die Sache,
Man dacht' an Lösegeld, an Hülf' und Rache,
Nur nicht an Flucht und Nichtsthun; – noch nicht ruhte
Hier Konrads Geist, er lebt' in ihrem Muthe.
Ihn, der so oft sie schützte vor Verderben,
Woll'n jetzt sie retten oder mit ihm sterben:
Weh seinen Feinden! Wen'ge sind's, die leben,
Doch sind sie muthvoll und ihm treu ergeben.
V.
In seinem Harem sitzend übersann
Der Pascha seinen finstern Racheplan;
Er denkt ingrimmig bald an den Korsaren,
Bald wieder eifersüchtig an Gulnaren.
Zu seinen Füßen sitzt die holde Schöne
Und sinnt, wodurch sie seinen Zorn versöhne.
Ihr großes dunkles Auge möchte gern
Mitleid erspähn in ihrem strengen Herrn;
Doch während seines scheinbar auf ihr ruht,
Zeigt ihm die Phantasie des Feindes Blut.
»Pascha! dich schmückt der Ruhm, der Sieg ist dein!
Die Andern fielen, Konrad sitzt allein
Gefangen und muß sterben; er verdient
Gewiß den Tod, der sein Verbrechen sühnt.
Jedoch zu klein für dich ist solch ein Feind;
Auf kurze Zeit wohl wäre, wie mir scheint,
Der Räuber doch auf freien Fuß zu setzen,
Wenn er's erkauft mit allen seinen Schätzen.
Und unermeßlich nennen sie die Leute,
Wie gerne gönnt' ich meinem Herrn die Beute!
Jetzt ist er schwach, entmuthigt und gefangen, –
Blieb' er bewacht, wär's leicht, sie zu erlangen;
Doch ist er todt, geht wohl der Rest der Bande
Mit seinem Gold davon in fremde Lande.« –
»Für jeden Tropfen seines Blutes nehm'
Ich nicht, Gulnare, Stambuls Diadem!
Ja, wenn für jedes Haar jetzt eine Mine
Vom reinsten Golde bittend hier erschiene;
Wenn Alles, was Arabiens Märchen je
Von Schätzen träumten, ich vereinigt säh',
Nicht eine Stunde würd' ich drum ihm geben!
Auch würd' er wohl schon lange nicht mehr leben,
Doch meine Rache muß noch Martern wählen,
Die langsam tödten und am längsten quälen.« –
»Ich such' auch deinen Zorn nicht abzukühlen;
Er ist gerecht, du darfst nicht Gnade fühlen.
Doch wünscht' ich nur, daß dein der Reichthum sei;
Selbst losgelassen, wär' er noch nicht frei:
Des Golds beraubt und seiner halben Macht,
Würd' auf dein Wort er leicht zurückgebracht.« –
»Zurückgebracht! – auf einen Tag befrein
Soll ich den Elenden, der jetzt schon mein?
Ich meinen Feind befrein? auf deine Bitten?
Mitleid'ges Herz! für seine feinen Sitten,
Dafür, daß dich er ganz allein verschont.
Wird wohl durch deine Fürsprach' er belohnt?
Er sah wohl nie, wie schön die Beute war?
Und ich soll danken, ja dich loben gar!
Doch möcht' ich etwas rathen dir zuvor,
Und deshalb schenke freundlich mir dein Ohr:
Ich traue dir nicht, Weib! – Was ich gehört,
Bestätigt nur, was Argwohn mich gelehrt.
Sag, dachtest du an keinen Fluchtversuch
Mit ihm, als durch die Flammen er dich trug?
Ich will nichts hören; auf den Wangen brennt
Die Röthe, die mir deine Schuld bekennt.
Drum, schöne Freundin, sei auf deiner Hut!
Nicht nur für ihn ist solche Vorsicht gut.
Ein Wort noch und – jedoch es ist gewiß –
Verfluchter Augenblick, als er dich riß
Aus jenen Flammen! – Besser war's – doch nein –
Du würdest dann von mir betrauert sein.
Jetzt warn' ich dich als Herr – Solch falschem Dinge
Beschneid' ich wohl die gar zu kecke Schwinge!
Ich pflege nicht mit Worten nur zu dräun, –
Nimm dich in Acht – du könntest es bereun!«
Und sich erhebend bei dem letzten Wort,
Ging zornig blickend langsam nun er fort.
Er schätzte nur gering, was Frauen thun,
Die doch auf bloßes Drohen niemals ruhn;
Wie stark Gulnarens Herz war im Empfinden,
Wie kühn im Wagen, konnt' er nie ergründen.
Sein Mißtraun kränkte sie; noch unbekannt
War ihr, woraus ihr Mitgefühl entstand;
Als Sklavin fühlte sie, davon betrogen,
Zu dem Gefangenen sich hingezogen.
Nicht achtend Saids Zorn, ohn' Ueberlegen
Ging stets sie weiter auf so schlimmen Wegen,
Und trotzte – bis in ihr ein Kampf voll Schmerzen
Entstand, wie nur er tobt in Frauenherzen!
VI.
Angstvoll in schrecklicher Einförmigkeit
Verstrich für Konrad unterdeß die Zeit.
Doch konnten Zweifel selbst und Todesbangen
Den Sieg nicht über seinen Stolz erlangen,
Wo doch in jeder Stunde das Signal
Zu Schlimmerm droht, als selbst des Sterbens Qual,
Wo jeder Schritt, der in dem Thor verhallte,
Als ob er ihm den Henker brächte, schallte,
Und jede Stimme, die ringsum erklang,
Vielleicht zum letzten Mal ins Ohr ihm drang.
Wenn Furcht ihn zähmen konnt', hätt' er, gebeugt,
Zum Tode nicht sich so bereit gezeigt;
Sein Geist war abgespannt – doch war's genug,
Daß still er diesen schwersten Kampf ertrug.
Die heiße Schlacht, des Sturmes Heftigkeit,
Sie lassen freilich kaum zum Fürchten Zeit;
Doch einsam und gefesselt im Gefängniß,
Zu grübeln in so schrecklicher Bedrängniß,
Ins eigne Herz zu schauen, mit Geduld
Zu denken stets an unsühnbare Schuld,
Dem kommenden Geschick entgegengehn,
Und nirgends eine Hülfe zu ersehn,
Zu zählen jede Stunde bis zum Ende,
Ohn' einen Freund, der Trostesworte spende,
Der wenigstens an Andere nachher
Erzähl', ob muthig er gestorben wär', –
Rings Feinde, die des Lebens letzte Züge
Beflecken mit verleumderischer Lüge, –
Die Furcht, daß, wenn den Martern auch die Seele
Trotz biete, doch die Kraft dem Leibe fehle,
Und das Bewußtsein, daß ein einz'ger Schrei
Dem Ruhm der Tapferkeit verderblich sei; –
Dann der Gedanke an ein künft'ges Leben,
Das Tugendhafte keinem Andern geben,
Das mehr als zweifelhafte Paradies,
Und die Geliebte, die zurück er ließ: –
Dies Alles stürmte jetzt auf Konrad ein,
Und übermenschlich schien die Qual zu sein;
Jedoch er trug's; doch wie? wird Mancher fragen,
Nun, schwer genug war's schon,
daß er's ertragen!
VII.
Der erste Tag verstrich – der zweite – dritte,
Und noch nicht nahten sich Gulnarens Schritte.
Jedoch, was sie versprochen, war geschehn,
Sonst hätt' er längst das Licht nicht mehr gesehn.
Es schwand der vierte Tag schon, und die Nacht
Ward finstrer noch durch wilden Sturm gemacht.
Wie freut's ihn, als das Meer er toben hörte,
Das niemals früher seinen Schlummer störte!
Er horcht, wie laut sein Element sich regt,
Und wilder wird sein wilder Sinn bewegt.
Er war's gewohnt, zu tanzen auf den Wellen,
Und ließ sich gern empor von ihnen schnellen;
Und jetzt traf ihr Gebrüll so nah sein Ohr,
Gleich eines Freundes Stimme kam's ihm vor!
Und draußen heult der Sturm, jedoch noch stärker
Von Donnerschlägen dröhnt des Thurmes Erker;
Die Blitze zucken vor den Eisengittern,
Da fühlt von wildem Muth das Herz er zittern;
Er schleppt ans Fenster seine schwere Kette
Und hofft, daß
die Gefahr ihn endlich rette!
Dann fleht er, daß der Himmel ihn erhöre,
Und jenen Leib, den er erschuf, zerstöre:
Das Eisen und dies lästernde Gebet –
Es zuckt ein Blitz – sein Leben wird verschmäht –
Und schwächer wird des Donners Roll'n – es schweigt –
Ihm war's, als hätt' ein Freund sich falsch gezeigt!
VIII.
Nach Mitternacht erst hört er etwas nahn –
Dann ward es still, – doch endlich kam's heran.
Es knarrt das Schloß, als sich der Schlüssel dreht,
Und vor ihm, wie sein Herz es ahnte, steht
Gulnare, die, was sie auch sonst gesündigt,
Gleich einem Engel Rettung ihm verkündigt.
Und schön wie sonst, doch geisterhaft erblaßt
War ihr Gesicht, noch wilder ihre Hast;
Ihr düstres Aug' und ihr verstörter Blick
Verkünden, eh' sie spricht, ihm sein Geschick.
»Ja, du mußt sterben! Eines rettet nur,
Das fast noch schlimmer ist – dich vor Tortur.«
»Ich hoffe nichts mehr. – Was aus meinem Munde
Du schon vernahmst, gilt auch in dieser Stunde.
Warum doch willst du retten mich von Strafen,
Die, lange schon verdient, den Schuld'gen trafen?
Denn wegen vieler früherer Verbrechen
Will außerdem sich Said an mir rächen.«
»Warum ich's will? Ward ich durch dich nicht frei,
Als mehr mir drohte noch als Sklaverei?
Warum ich's will? – Macht Unglück dich so blind,
Daß unverständlich dir die Frauen sind?
Und muß ich sagen, wenn sich's Herz empört,
Was, wenn es Fraun auch fühlen, niemand hört –
Was mich zu dem Verbrecher hergetrieben?
Ich fühlte Dank – dann Mitleid – mußte lieben!
Antworte nicht! – nur jetzt verschone mich –
Ich lieb' umsonst, die Andre fesselt dich –
Wie groß auch ihre Lieb' und Schönheit war,
So trotz' ich mehr als sie doch der Gefahr;
Ja, wärest wirklich du so theuer ihr,
So wärst du, glich sie mir, nicht einsam hier.
Solch eine Gattin kann zu Hause bleiben,
Und ihr Gemahl muß auf dem Meere treiben!
Doch schweige jetzt, – ein schwacher Faden hält
Das Schwert, bis auf uns Beid' es niederfällt;
Hast du noch Muth, die Freiheit zu gewinnen,
So nimm den Dolch und eilen wir von hinnen!«
»Ja und in Ketten! daß mich niemand höre,
Und daß mein Schritt nur keinen Schlummer störe!
Gedachtest du nicht dieser meiner Tracht,
Und ist dies Werkzeug für den Kampf gemacht?«
»Du zweifelst noch! – Die Wache macht' ich schon
Zum Aufstand reif und gierig auf den Lohn;
Die Fessel löst ein einz'ges Wort von mir,
Wie wär' ich selbst denn ohne Beistand hier?
Ich wandte diese Tage nützlich an,
Und that ich unrecht, ist's für dich gethan.
Ist's unrecht, den Tyrannen zu verderben?
Ja, Konrad, der Verhaßte muß jetzt sterben!
Du schauderst? – Doch ich selbst bin anders jetzt:
Gekränkt, verschmäht, gescholten, tief verletzt,
Und einer Schuld, die niemals ich begangen,
Bezichtigt, will ich Rache nur erlangen.
Ich war ihm treu, trotz meiner Sklaverei!
Du lächelst – damals war mein Herz noch frei;
Er hatte wenig Anlaß zum Verdacht,
Doch sprach er's aus, und dieser Argwohn macht,
Daß solch ein finstrer, quälender Tyrann
Mit Recht erleidet, was er selbst ersann.
Ich liebt' ihn nicht. Ich ward gekauft, – allein
Trotz seines Geldes blieb mein Herz doch mein.
Ich murrte niemals, dennoch warf der Thor,
Daß ich mit dir entfliehn gewollt, mir vor.
Du weißt, wie falsch es ist; drum mag er's büßen,
Wenn seine Worte Wahrheit werden müssen.
Ja, du verdankst es auch nicht meinen Bitten,
Daß du bis heute nicht den Tod erlitten;
Er wollte neue Qualen nur erdenken,
Um dich zu strafen und um mich zu kränken.
Mir selber drohte Tod, wenn ich nicht wüßte,
Daß ihn zurück noch halten seine Lüste;
Doch wenn er meiner überdrüssig wär',
So wär' mein Grab der Sack und dort das Meer.
Bin ich denn nur ein Spielzeug, das gefällt,
So lang den Glanz der Neuheit es behält?
Ich sah dich – liebte dich – und war bereit,
Zu zeigen einer Sklavin Dankbarkeit.
Ja, stünde nicht mein Leben auf dem Spiele,
Würd' ich dich retten, ohne daß er fiele;
Doch er verzeiht nicht, wenn er einmal haßt.
Jetzt bin ich dein – auf Alles schon gefaßt:
Du liebst mich nicht – du hältst mich gar für schlecht –
Zum ersten Male lieb' und hass' ich recht!
Ach, könntest meine Treue du erkennen,
Du würdest diese Glut nicht strafbar nennen;
Sie leuchtet uns zur Rettung – der Mainote
Erwartet uns im Hafen mit dem Boote –
Doch einen Gang zur Kammer mußt du machen,
Wo Said schläft, – um nimmer zu erwachen!«
»Gulnare! Niemals hab' ich's so empfunden,
Wie schlimm mein Loos ist, wie mein Ruhm geschwunden!
Mein Feind ist Said; grausam, aber offen,
Hat seine schwere Hand mich einst getroffen,
Und deshalb hab' ich auch mein Schiff bewehrt,
Den Krieger zu bekämpfen mit dem Schwert.
Den Dolch zu brauchen, bin ich nicht gewohnt;
Den Schlaf ermordet nicht, wer Fraun verschont.
Dich hab' ich gern gerettet; laß mich glauben,
Du wolltest dies Verdienst mir jetzt nicht rauben.
Leb' wohl! – der Friede kehre bei dir ein!
Der Morgen naht – mag's denn mein letzter sein!« –
»So bleibe denn! Der erste Sonnenstrahl
Sieht deine Glieder zucken auf dem Pfahl!
Ich hörte den Befehl – ich sah – Jedoch,
Wenn du den Tod begehrst, was zaudr' ich noch?
Der Haß, die Liebe, mein zukünft'ges Loos
Steht auf dem Spiel – Korsar! ein einz'ger Stoß!
Sonst wäre Flucht vergebens; – wie entkämen
Wir der Verfolgung? Rache muß ich nehmen
Für meine schmachbedeckte Jugendzeit –
Ein Stoß nur, der auf immer uns befreit!
Jedoch wenn Mord du wen'ger liebst als Brand,
So treff' ihn eines schwachen Weibes Hand!
Mein sind die Wachen. Bald ist es vorbei –
Wir sehn uns nimmer wieder oder frei!
Fehlt meine Hand, dann mag das Morgengrauen
Dich auf dem Pfahl und mich als Leiche schauen!«
IX.
Er wollte reden, und sie war verschwunden,
Doch an den Ausgang bleibt sein Blick gebunden;
Zusammen rafft er seine Ketten dann,
Zu dämpfen ihr Geklirr, so gut er kann,
Und folgt, so rasch die Fesseln es gestatten,
Durch Thüren, die jetzt keine Wächter hatten.
Im Finstern tappend, schleicht er dann entlang
Durch einen engen und gewundnen Gang,
Bis matt er schimmern sieht ein trübes Licht –
Soll diesem Schein er folgen oder nicht?
Der Zufall leitet ihn – ihm scheint's, er fühle,
Daß Morgenluft die heiße Stirn ihm kühle.
Er kommt an eine offne Galerie,
Und sieht den Morgenhimmel – sieht noch, wie
Der letzte Stern verschwindet. Doch noch mehr
Reizt ihn ein Licht von einer Kammer her;
Er eilt hinzu, doch er erkennt noch immer
In jener Kammer nichts als diesen Schimmer.
Dann öffnet sich die Thür – und plötzlich tritt
Jemand daraus hervor mit heft'gem Schritt –
Sie ist's! – Doch ohne Dolch – Nichts zeigt die That.
»Gut, daß ihr Herz sie dran verhindert hat!«
Er sieht noch einmal hin – ihr wilder Blick
Fährt angstvoll vor dem Morgenlicht zurück;
Sie zaudert – drängt zurück das Lockenhaar,
Das über ihr Gesicht gefallen war,
Als ob sie über eine Schreckensstätte
Das schöne Haupt hinabgebogen hätte.
Sie sehn sich, – auf der Stirn – er sieht's voll Schreck –
Ließ ihre rasche Hand – s' war nur ein Fleck –
Er sieht die Farbe – schaudert, als er's thut:
Die Schuld ist klar – der kleine Fleck war Blut!
X.
Er war vertraut mit Schlachten – hatt' allein
Gegrübelt über nahe Todespein;
Er hatte der Versuchung widerstanden;
Er war, vielleicht für immer, noch in Banden;
Doch Kampf, Gewissensangst, Gefangenschaft,
Sie hatten nie mit so gewalt'ger Kraft
Sein Inneres durchschauert und erstarrt,
Als dieses rothen Males Gegenwart:
Der blut'ge Fleck, der schwache, schuld'ge Strich,
Vor dem jetzt ihre Schönheit rasch verblich!
Schon oft sah Blut – und ungerührt – er fließen,
Doch nur im Kampf, wo Männer es vergießen!
XI.
»Es ist geschehn – fast wär' er aufgewacht;
Um theuern Preis hab' ich dich freigemacht.
Wozu noch Worte? Fliehen wir jetzt schnell!
Die Barke wartet, und schon wird es hell.
Ein Theil der Wache, die jetzt völlig mein,
Wird deinen Freunden eine Hülfe sein.
Rechtfert'gen will ich dann wohl, was geschehn,
Wenn dies verhaßte Land wir nicht mehr sehn.«
XII.
Sie klatschte mit den Händen; – Griechen, Mohren,
Zur Flucht gerüstet, stürzen aus den Thoren.
Stillschweigend lösen sie die Fesseln wieder,
Und wie ein Vogel fühlt er frei die Glieder!
Jedoch sein Herz bedrückt jetzt eine Last,
Als hätten jene Ketten es umfaßt.
Sie sprechen nicht; – sie winkt, und offen steht
Die Thür zur Treppe, die zum Hafen geht.
Die Stadt liegt hinter ihnen; schnell erreicht
Wird auch der Strand, den weißer Flugsand bleicht.
Und Konrad folgte seiner Führerin,
Und unbekümmert schritt er nun dahin,
Ob Rettung ihm bevorstand, ob Gefahr,
Da Widerstand hier so vergeblich war.
Als lebte Said noch, um an den Leiden
Des Opfers seine Augen recht zu werden.
XIII.
Sie treten in die Bark' hinein; es sind
Die Segel bald gespannt vom leichten Wind –
Und Konrad sank alsbald in tiefes Sinnen,
Bis er gewahrte jenes Felsens Zinnen,
Bei dem zuletzt sein Schiff vor Anker lag.
Was hatt' er nicht erlebt seit jenem Tag!
Doch seinem Geiste schien die kurze Zeit
An Schmerz und Schrecken eine Ewigkeit.
Und als er in des Berges Schatten kam,
Verhüllt' er das Gesicht in bitterm Gram;
Er sah im Geist Gonsalvo, seine Bande,
Den kurzen Sieg und seine spätre Schande,
Und die Geliebte seiner Jugendjahre, –
Und vor ihm saß – die Mörderin Gulnare!
XIV.
Sie sah sein Antlitz, sah den finstern Zug,
Den kalten Blick, bis sie's nicht mehr ertrug;
Von Thränen ward das Auge heiß befeuchtet,
Das unnatürlich wild zuvor geleuchtet,
Und seine Hand umklammernd, auf den Knien,
Rief sie: »Von dir doch werde mir's verziehn,
Sieht Allah selbst verdammend auch mich an!
Was wärst du jetzt, hätt' anders ich gethan?
Du magst mich schelten, – jetzt nur schone mein!
Zu laut spricht gegen mich der böse Schein, –
Mich trieb die Schreckensnacht zu wilder Wuth, –
Daß nur der Wahnsinn nicht noch Schlimmres thut!
Die Liebe trieb mich an, den Dolch zu fassen,
Sonst lebtest du nicht mehr, um mich – zu hassen!«
XV.
Sie sah nicht, daß er mit sich selber grollte,
Daß ihr er keinen Vorwurf machen wollte;
Und finster brütend schweigt er, sein Gewissen
Wird ihm von bittrer Reue jetzt zerrissen.
Doch vorwärts jagt ein frischer Wind den Kiel,
Und blaue Wellen treiben rings ihr Spiel.
Und fern am Horizont erscheint ein Fleck –
Ein Mast – ein Segel – ein bemanntes Deck!
Die Wache drauf hat schon das Boot bemerkt,
Die mächt'gen Segel werden noch verstärkt.
Und näher kommt es, majestätisch wild,
Der Kraft und Schnelligkeit furchtbares Bild!
Es zuckt ein Blitz – und über ihnen zischt
Die Kugel, hoch auf spritzt der weiße Gischt.
Und aufgerüttelt springt jetzt Konrad schnell
Empor, sein Auge leuchtet wieder hell.
»Die rothe Flagg' ist's! ja, sie kommen her!
Noch bin ich nicht verlassen auf dem Meer!«
Sie sehen seinen Gruß, sie grüßen wieder,
Und schlaffer fallen ihre Segel nieder.
»'S ist Konrad, Konrad!« hört man Alle schrein,
Und alle Mannszucht scheint gelöst zu sein.
Bald war er auch mit freudig stolzen Mienen
Am Bord von seinem eignen Schiff erschienen;
Froh lächeln manche wetterbraune Wangen,
Und herzlich möcht' ihn mancher Arm umfangen.
Und fast vergessen schien schon alle Noth,
Als seinen Gegengruß er ihnen bot;
Voll Freude schüttelt er Anselmo's Hände
Und fühlt, daß einmal noch das Glück sich wende!
XVI.
Doch mit der Freude bei dem Wiedersehn
Mischt Aerger sich, daß es so leicht geschehn:
Sie wollten Rache – Hätten sie erfahren,
Welch eine That vollbracht war von Gulnaren,
Sie würden sie zur Königin erwählen,
Und nicht, wie Konrad, sich mit Reue quälen.
Neugierig lächeln sie, sie starr'n erstaunt,
Und manches Wort wird leis ins Ohr geraunt;
Und sie – sie schreckte nicht zurück vor Blut –
Doch sie verlor vor Blicken jetzt den Muth.
Indem sie flehend noch auf Konrad sah,
Fällt rasch ihr Schleier, schweigend steht sie da;
Sie kreuzt demüthig auf der Brust die Hände, –
Er ist gerettet – was auch sonst das Ende.
Wenn Leidenschaft zur Wuth sie gleich erregte,
Und Lieb' und Haß das Herz ihr wild bewegte,
So konnte doch das schrecklichste Verbrechen
Den Zauber echter Weiblichkeit nicht schwächen.
XVII.
Und Konrad, wenn er ihre That auch haßt,
Ward doch für sie von Mitgefühl erfaßt.
Was sie gethan, wäscht keine Thräne rein,
Und strenge mag des Himmels Strafe sein.
Jetzt war's geschehn – Wie groß die Schuld auch schien,
Sie zog den Dolch, vergoß das Blut für ihn,
Und er war frei! – ihm hatte sie geweiht
Ihr ird'sches Glück und ihre Seligkeit!
Auf sie nun fielen seine Blicke wieder,
Und tief gebeugt schlug sie die Augen nieder.
Und anders war sie, schüchtern und befangen,
Noch bleicher wurden ihre blassen Wangen, –
Das einz'ge Roth auf ihrem Antlitz war
Der graus'ge Flecken unter ihrem Haar!
Er faßt die Hand, die jetzt zu spät erbebte,
Wo wilder Haß nicht ihre Kraft belebte.
Er drückt sie – doch auch seine zittert schon,
Und weich wird seiner Stimme leiser Ton.
»Gulnare!« – doch es scheint, sie hört ihn nicht;
»Geliebtes Mädchen!« – nur ihr Auge spricht;
Sie sinkt mit diesem Blick an seine Brust,
Und mehr als menschliche Gefühle mußt'
Er hegen, um von dort sie zu verjagen;
Auch konnt' er diesen Trost ihr nicht versagen,
Und quälten ihn nicht düstere Gedanken,
So mußt' auch seine letzte Tugend wanken.
Den Kuß hätt' auch Medora nicht gerügt,
Der jetzt bei solcher Schönheit ihm genügt:
Ein Mund ließ diesen Treubruch ihn begehn,
Den Amor sich zur Wohnung ausersehn,
Ein Mund, aus welchem Liebesseufzer dringen,
Als fächelte der Gott mit seinen Schwingen!
XVIII.
Schon Abend war's, als sie die Insel sahn,
Die Felsen selber lächelten sie an;
Im Hafen das Gesumme froher Stimmen,
Die Feuer, die rings auf den Klippen glimmen,
Die Boote, welche schnell die Bucht durchziehn,
Und mancher keck sich tummelnde Delphin,
Sogar der heisern Möven gelles Schrein
Lud gastlich sie nach ihrer Heimat ein.
Wo Lichter durch die Fenstergitter blinken,
Scheint ihnen auch ein treuer Freund zu winken, –
Ja, was kann reineren Genuß gewähren,
Als hoffnungsvoll vom Meere heimzukehren!
XIX.
Und unter jenen Lichtern, die sie sehn,
Will Konrad auch Medora's Thurm erspähn.
Er sucht umsonst; – er sieht, – wie sonderbar! –
Daß ganz allein ihr Fenster dunkel war;
Der niemals fehlende, willkommne Schein,
Wenn nicht erloschen, muß verhüllt doch sein.
Er springt ins erste Boot und hat zum Strand
Voll Ungeduld die Augen hingewandt.
Ach, hätt' er jetzt des Adlers rasche Schwingen,
Um pfeilschnell sich nach jenem Thurm zu bringen!
Kaum ruhen auch die Ruder bei der Landung,
So springt er schon hinunter in die Brandung,
Und eilt durch Wogen, die noch schäumend spritzen,
Nach seinen wohlbekannten Felsenspitzen. –
Er kam an seines Thurmes Thür, – und stumm
War Alles drinnen, tiefe Nacht ringsum.
Laut klopft er an, – doch keine Tritte kommen
Und zeigen, daß man drinnen ihn vernommen.
Er klopft, doch schwächer, – seine Hand erbebt,
Weil ahnungsvoll sein Herz in Zweifeln schwebt.
Man öffnet, – und er kennt zwar dies Gesicht,
Jedoch die Heißersehnte ist es nicht.
Das Mädchen schweigt; zweimal schon will er fragen,
Doch scheint den Dienst die Zung' ihm zu versagen.
Er tritt, die Lampe fassend, in die Halle,
Die Lamp' entfällt ihm und erlischt im Falle.
Endlos wär' ihm erschienen wohl die Qual,
Bis sie geleuchtet mit erneutem Strahl;
Doch trüb' und fern im Hintergrunde flimmert
Noch eine, die durch finstre Schatten schimmert;
Er schreitet hin zur Kammer – und ihm sagt
Ein Blick, was er zu glauben nicht gewagt!
XX.
Er sprach nicht – sank nicht um; jedoch es stand
Sein Fuß – zuvor so schwach – jetzt wie gebannt.
Dumpf starrt er hin – und ach, wie lange starrt
Der Schmerz, als ob er nicht vergebens harrt!
Sie war im Leben einst so schön und mild,
Daß sanfter selbst erschien des Todes Bild;
Die kalte Hand hält einen Blumenstrauß,
Und Alles sieht so frisch und lieblich aus,
Als sollte man sie leise schlafend wähnen,
So daß wie Spott erschienen alle Thränen.
Schneeweiße Lider, dunkle Wimpern decken
Das zu, wovor die Blicke sonst erschrecken –
Im Auge zeigt der Tod die größte Macht,
Und stürzt den Thron des Lichts in tiefste Nacht;
In Finsterniß versenkt er diesen Stern,
Jedoch den Lippen bleibt er länger fern –
Sie ruhen zwar, jedoch als ob den Willen
Der Seele sie, wie lebend, noch erfüllen;
Das weiße Bahrtuch aber, und das Haar,
Das lang und schön, doch todt und glanzlos war,
Das sonst, umspielt vom lauen Sommerwinde,
Des Zwanges spottete von seiner Binde,
Und dann die marmorblassen, kalten Wangen,
Sie hatten schon des Todes Hauch empfangen, –
Ja, alles Leben ist aus ihr geschwunden!
Was hält ihn selbst noch an den Ort gebunden?
XXI.
Er fragt nicht – sagt ihm doch ein einz'ger Blick
Auf jene Marmorstirne sein Geschick!
Es ist genug – sie starb; – was nützt das Wissen,
Auf welche Weise sie ihm ward entrissen?
Was blieb ihm noch zu lieben und zu hoffen?
Die Quelle seiner Wünsche war getroffen!
Was seine Lieb' und Sorge zart umfaßt,
Das einz'ge Wesen, das er noch nicht haßt,
Sein Alles war mit Einem Schlag vernichtet –
Und nur allzu gerecht war er gerichtet!
Die Guten suchen da noch Trost und Frieden,
Wo ihn zu suchen Schuld'gen nicht beschieden;
Der Stolze, Trotz'ge, der in dieser Welt
Das Glück begehrt und Leiden oft erhält,
Wenn Alles er verliert, sollt' ohne Klagen
Dem Einzigen, was ihn erfreut, entsagen?
Wie oft verhüllt des Blickes Kälte Herzen,
Die heimlich zucken von den schlimmsten Schmerzen!
Wie muß ein Lächeln oft die bittern Leiden
Der Seele mit dem Schein der Freude kleiden!
XXII.
Am schwersten spricht, wer selbst am tiefsten fühlt,
Den Schmerz aus, der sein Inneres durchwühlt,
Wenn die Gedanken sich an Alles wenden,
Und trostlos immer bei dem Einen enden!
Die Wahrheit läßt den Schmerz sich nicht betrügen,
Wo Worte dem Gemüthe nicht genügen.
Erschöpft war Konrad von der Leiden Last,
Und die Betäubung glich der Ruhe fast.
Er ist so schwach! – die wilden Augen sind
Von Thränen naß, er weint jetzt wie ein Kind.
Doch ist's nur die gebrochne Geisteskraft,
Denn keine Linderung wird ihm verschafft;
Und Niemand sieht ihn, – wär' er nicht allein,
Die Thränen würden nicht geflossen sein.
Auch trocknet er sie bald, und von dem Ort
Eilt hoffnungslos und ohne Trost er fort.
Die Sonne naht, – doch Konrads Tag erbleicht;
Es kommt die Nacht, die nicht mehr von ihm weicht.
Was gleicht an Finsterniß der Geistesnacht,
Wenn Kummer blind die trüben Augen macht!
Sie sehn nicht – woll'n nicht sehn; – den tiefsten Schatten
Aufsuchend, wollen Trost sie nicht gestatten!
XXIII.
Denn sein Gemüth war sanft, – und nur verbittert
Durch Unrecht, durch Verrath und Trug erschüttert;
Sein Herz war hart geworden, aber rein,
Wie der aus Thau gewordne Grottenstein;
Nach Allem, was die Klarheit konnte trüben,
War nur die starre Kälte noch geblieben.
Doch Sturm und Blitze spalten Fels und Erz,
Und also brach ihm dieser Schlag das Herz.
Am Fuß des Felsens wuchs ein Blümelein,
Der Felsen sollte Schutz und Schirm ihm sein;
Der Sturm bricht los, der Blitz reißt beide fort,
Der Fels zerschellt, das Blümchen ist verdorrt.
Und von dem Pflänzchen wird kein Blatt gefunden,
Das seinen Tod erzählt, – es ist verschwunden;
Der Felsen, der es schützte, liegt in Stücken
Zerschmettert auf des öden Berges Rücken.
XXIV.
Und Morgen war's. – Zwar stört ihn Niemand gern,
Doch geht Anselmo nach der Burg des Herrn.
Er war nicht da, man sah ihn nicht am Strande;
Bestürzt sucht überall die treue Bande.
Der zweite Morgen kommt, – sie suchen, schrein,
Ermüdet scheint das Echo selbst zu sein;
Vergebens streichen sie durch Berg und Thal,
Durch Klüft' und Höhlen – Doch (ein Hoffnungsstrahl!)
Am Strand vermißt man einen Fischerkahn,
Und diesem folgt man auf den Ocean.
Umsonst ist Alles! – Mond' um Monde gehn,
Doch Konrad sollen sie nicht wiedersehn;
Und keine Spur und keine Nachricht sagt,
Ob er gestorben, ob er einsam klagt!
Noch lange Zeit bei seiner Bande dauert
Der Schmerz um ihn, den Niemand sonst betrauert;
Sie setzen einen Denkstein seiner Liebe,
Damit Medora's Ruhm erhalten bliebe.
Ihm selbst errichtet man kein Monument,
Weil Niemand ja sein wahres Ende kennt; –
Doch wird das Volk erzählen noch nach Jahren
Die Lieb' und die Verbrechen des Korsaren!
Geschrieben wurde der »Korsar« zu London in der Zeit vom 19. zum 31. December 1813. Die nachfolgenden Anmerkungen sind vom Dichter selbst.
»Die Zeit dürfte in diesem Gedichte zu kurz erscheinen für die Begebenheiten; allein man kann vom Festland aus die sämmtlichen Aegäischen Inseln in wenigen Stunden erreichen, und der Leser muß so gefällig sein, den Wind so zu nehmen, wie ich ihn öfters gefunden habe.«
S. 25. So lesen wir, was uns Ariost erzählt.
Vgl. Ariosts »Rasender Roland«, 10. Gesang.
S. 31.
Ein Derwisch, der den Räubern kaum entflohn,
Ist hier –
Man hat Konrads Verkleidung als Spion unnatürlich gefunden. Vielleicht ist es so. Doch finde ich in der Geschichte manches dem Aehnliche. »In der Begierde, den Zustand des Vandalenreichs mit eigenen Augen kennen zu lernen, wagte es Kaiser Majorian, nachdem er sein Haar gefärbt, Karthago unter der Maske seines eigenen Gesandten zu besuchen, und Genserich war in der Folge nicht wenig verstimmt, als er entdeckte, daß er den römischen Kaiser zu Gaste gehabt und wieder entlassen hatte.« (Gibbon VI, 180.) Daß Konrads Charakter nicht durchaus unnatürlich sei, läßt sich durch einige historische Aehnlichkeiten darthun, die mir nach Abfassung des »Korsaren« aufgestoßen sind. Vgl. den Charakter des Eccelin bei Rolandino und bei Sismondi (III, 2l9-20) und des obenerwähnten Vandalenkönigs Genserich bei Jornandes (» De rebus gestis«, Kap. 33). Diese düsteren Wirklichkeiten mögen meinem Giaur und meinem Korsaren zur Rechtfertigung dienen.
S. 37. Gulnare, seines Harems Königin.
Gulnare, ein Frauenname, bedeutet wörtlich Granatenblüthe.
S. 44.
Und häufig schritten schon mit solchem Spotte
Die Weisesten und Besten zum Schafotte.
Man denke an Sir Thomas Moore auf dem Schafott und an Anna Boleyn im Tower, die, ihren Hals umspannend, bemerkte, er sei zu dünn, um dem Henker viel Schwierigkeit zu machen. Während der französischen Revolution wurde es Mode, ein Bonmot als Vermächtniß zu hinterlassen, und die Sammlung letzter Scherzworte, die damals gemacht wurden, würde ein melancholisches Witzbuch von beträchtlichem Umfange bilden.
S. 48. Der scheidend ihres Lehrers Mord beschien.
Sokrates trank den Schierling kurz vor Sonnenuntergang, der Zeit der Hinrichtungen, trotz der Bitten seiner Schüler, bis nach untergegangener Sonne zu warten.
S. 48. Die Sonne taucht im schönsten Purpurschein etc.
Die Eingangsverse des dritten Gesangs stehen hier vielleicht am unrechten Orte und waren einem nicht veröffentlichten, obschon gedruckten Gedichte angehängt. Sie wurden aber an Ort und Stelle (Frühjahr 1811) geschrieben, und der Leser muß – ich weiß selbst nicht warum – ihr Erscheinen hier entschuldigen, wenn er kann.
S. 49. Thürmchen, die auf bunten Kiosken stehen.
Kiosk ist ein türkisches Gartenhaus. Die Palme steht außerhalb der jetzigen Mauern Athens, nicht fern vom Theseustempel. Das Wasser des Cephissus ist in der That dürftig, und der Ilissus ganz wasserlos.
S. 67. Die kalte Hand hält einen Blumenstrauß.
Es ist morgenländische Sitte, die Körper der Verblichenen mit Blumen zu bestreuen und jungen Personen einen Strauß in die Hand zu geben.