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Fragment einer türkischen Erzählung.
»
Ein grauses Erinnern,
ein Weh in der Brust,
Das schwarz überschattet das Leid wie die Lust, –
Das dem Leben für immer die Hoffnung benahm,
Der Freude den Balsam, – den Stachel dem Gram.«
Die Erzählung, welche in diesen abgerissenen Bruchstücken enthalten ist, gründet sich auf Zustände, die jetzt im Orient minder gewöhnlich als früher sind; entweder weil die Damen vorsichtiger geworden sind als in »alter Zeit«, oder weil die Christen mehr Glück haben oder weniger Unternehmungsgeist. Die vollständige Geschichte enthielt die Abenteuer einer Sklavin, die wegen Untreue nach muselmännischer Sitte ins Meer geworfen und von einem jungen Venetianer, ihrem Geliebten, gerächt wurde, zu der Zeit, als die Republik Venedig die sieben Inseln in Besitz hatte, und bald nach Vertreibung der Arnauten aus Morea, das sie nicht lange nach der russischen Invasion verheert hatten. Der Abfall der Mainoten, denen man die Plünderung von Misitra nicht gestatten wollte, führte das Aufgeben dieser Unternehmung und die Verwüstung von Morea herbei, während welcher überall Grausamkeiten verübt wurden, die selbst in den Annalen der Rechtgläubigen ohne Beispiel sind.
*
Kein Hauch der Lüfte furcht die Flut
Am Grab, wo der Athener ruht,
Deß Mal zuerst vom Felsenriff
Begrüßt das heimwärts zieh'nde Schiff,
Im Land, das er umsonst befreit –
Ein Held wie der, wann kommt er heut?
*
O schönes Land, wo Frühlingspracht
Die sel'gen Inseln stets umlacht,
Die, von Colonna's Höh' erblickt,
Das Herz erfreun, das, weltentrückt,
Sich an dem Wonnebild entzückt!
Auf sanft gefurchter Meereswange
Erblinkt von manchem Felsenhange
Der Wiederschein; denn lächelnd mild
Umspült die Flut dies Lustgefild.
Und trübt zuweilen flüchtig auch
Des Meers krystallnes Blau ein Hauch,
Und streift
ein Blüthenblatt vom Strauch:
Wie wird man durch sein Wehn erfreut,
Das Düfte weckt und rings verstreut!
Die Rose blüht dort überall,
Die Sultanin der Nachtigall,
Die Holde, der noch jeder Sang
Des liederreichen Sängers klang,
Und die erglüht bei seinem Schall.
Des Gartens Kön'gin, seine Rose,
Die hier nicht Schnee noch Sturmgetose
Verletzt, die in dem mildern Ost
Jedwedes Lüftchen hold umkost,
Haucht, was ihr gab die güt'ge Fluh,
Als Weihrauch sanft dem Himmel zu,
Und dankt der lächelnd heitern Luft
Durch Farbenpracht und würz'gen Duft.
Und manche Sommerblum' ist dort,
Zur Liebe lockt manch schatt'ger Ort,
Und manche Grotte lädt zur Rast –
Doch weilt drin der Pirat als Gast,
Deß in der Bucht verstecktes Boot
Harmlosen Kähnen Unheil droht,
Bis, wenn der Abendstern erblinkt,
Des Schiffers Zitherspiel erklingt;
Dann stürzen sich, die Ruder gut
Umwickelt, aus der Felsen Hut
Die nächt'gen Räuber auf den Fang,
Und Röcheln wird sein Rundgesang.
Seltsam, – daß, wo geformt Natur
Schön, wie für Götter, eine Flur,
Und sie mit jedem Reiz geschmückt,
Der nur ein Paradies beglückt,
Der Mensch, als wär' ihm Qual Genuß,
Zur Wildniß sie veröden muß,
Und jede Blume roh zertritt,
Für die er keine Mühe litt,
Die ohne Pflege seiner Hand
Allwärts in diesem Zauberland
In farbenheller Blüthe steht,
Und nur, daß er sie schone, fleht!
Seltsam, – daß, wo sonst Alles Frieden,
Der Leidenschaft das Reich beschieden,
Und Gier und Raubsucht, mordentbrannt,
Durchtoben wild das schöne Land.
Es ist, als ob Dämonen kriegten
Mit Seraphim, und sie besiegten,
Und jeder freche Höllensohn
Sich setzte auf den Himmelsthron;
So sanft und hehr der Gegend Pracht,
So fluchwerth der Tyrannen Macht!
Wer je am Bett von Todten stand,
Bevor der erste Tag entschwand,
Der erste Tag vom Nichtmehrsein,
Der letzte von Gefahr und Pein,
(Eh' der Verwesung grause Lüge
Noch ausgelöscht der Schönheit Züge,)
Und die verklärte Ruhe da,
Die milde Engelsmiene sah,
Den starren und doch sanften Zug,
Den noch die stille Wange trug, –
Ach! wäre nicht das Auge zu,
Das nicht mehr glänzt, und kost, und weint;
Und wär' die Stirn nicht bleich, versteint,
Die mit der Starrheit kalter Ruh'
Die Seele des Beschauers schreckt,
Als würde auch an ihm vollstreckt
Das Loos, vor dem ihm angstvoll graut; –
Ja, wer nur dies, nur dies nicht schaut,
Noch zweifeln möcht' er kurze Frist,
Ob der Tyrann hier Sieger ist;
So lieblich ist, so ruhig mild
Das erste – ach, das letzte Bild,
Das unserm Blick der Tod enthüllt!
So schön ist dieser Strand, so hehr,
'S ist Hellas, doch nicht lebend mehr!
So todesschön, so schaurig mild,
Doch, ach! die Seele fehlt dem Bild.
Die Lieblichkeit im Tod ist so,
Die ganz nicht mit dem Athem floh;
Doch Schönheit, deren zarter Schein
Gespenstisch weist ins Grab hinein,
Ein Lichtglanz, der verlöschend bebt,
Ein Glorienschein, der um die Trümmer webt,
Ein Scheidestrahl des Geistes, der entschwebt,
Der Glut ein Funken, die vom Himmel stammt,
Und der noch glimmt, doch nicht mehr wärmend flammt!
Du Land der Helden sonder Zahl,
Dereinst vom Berge bis zum Thal
Der Freiheit Heim, des Ruhmes Mal!
Altar der Größe, blieb von dir
Denn Nichts als dies mehr übrig hier?
Tritt her, du Sklave, feig, gemein!
Sprich, sind nicht dies die Thermopylen?
Die Wogen, die dein Land umspülen –
Sag an, du knecht'scher Sproß der Frei'n –
Welch Meer und welcher Strand ist dies?
Der Golf, der Fels von Salamis!
Den Schauplatz stolzer Heldenlieder –
Steh auf! mach ihn dein Eigen wieder!
Den Funken schüre neu zur Glut,
Der in der Väter Asche ruht!
Und wer im Kampf verströmt sein Blut,
Deß Name wird, mit Ruhm bedeckt,
Ein Mahnruf, der Despoten schreckt,
Und noch der Enkel lernt durch ihn,
Den Tod der Schande vorzuziehn;
Denn wißt: der Freiheit heil'ge Schlacht,
Vom Vater auf den Sohn vermacht,
Wird endlich stets zum Sieg gebracht.
Bezeug es, Hellas, dessen Ruhm
Fortdauert manch ein Säkulum!
Verschollner Kön'ge Denkmal blos
Sind Pyramiden, namenlos;
Doch deinen Helden – ob die Zeit
Auch ihrer Gräber Schmuck entweiht –
Blieb noch ein Denkmal, hehr und schön,
In ihrer Heimat Bergeshöhn!
Dort zeigt die Muse heut der Welt
Noch ihr Gedächtniß, ruhmerhellt!
O, lang und trüb wär's zu erkunden,
Wie solcher Glanz zu Schmach geschwunden;
Genug, – durch keinen Fremdling starb
Dein Geist, bis er sich selbst verdarb;
Ja, Selbsterniedrung schlug die Brücke
Für Sklavenfrohn und Zwingherrntücke.
Was klingt uns heut an deinem Strand?
Kein Lied, das deine Vorzeit preist,
Kein Stoff, der hoch, wie ehmals, spannt
Der Muse Flug, als noch dein Land
An edlen Männern nicht verwaist.
Die Herzen, deiner Flur entstammt,
Die Feuerseelen, ach! entflammt
Kein stolzer Thatengeist;
Zum Grabe kriecht jetzt dies Geschlecht
Als Sklav, – ja, als des Sklaven Knecht,
Nur zum Verbrechen dreist;
Von jedes Lasters Gift befleckt,
Das thierischwilde Lüste weckt;
Sogar der rohen Tugend baar,
Kein tapfres Herz in ihrer Schaar –
So treiben sie, im Täuschen klug,
Sprichwörtlich alten Lug und Trug;
Denn darin ist der Grieche fein,
Dies ist sein Ruhm, und dies allein.
Vergebens riefe Freiheit an
Den Geist, der lieb sein Joch gewann,
Zu brechen seiner Knechtschaft Bann.
Mag denn ihr Leid nicht mehr mich quälen!
Ein traurig Stück laßt mich erzählen;
Und glaubt mir: der's zuerst vernahm,
Der hatte Grund zu bitterm Gram.
*
Mißtrauisch auf den Felsen ruht,
Die schwarz sich spiegeln in der Flut,
Des Fischers Auge, wie auf Booten
Der Riffpiraten und Mainoten.
Besorgt um seinen Nachen, sucht
Er Rast nicht in der nahen Bucht;
Ob ihn die Arbeit müd gemacht,
Und schwer auch wiegt die schuppige Fracht,
Fort rudert er mit fester Hand,
Bis Port Leone's sichrer Strand
Ihn aufnimmt bei dem holden Licht,
Das hehr des Ostens Nacht durchbricht.
*
Wer kommt auf schwarzem Roß gesprengt,
Donnernden Hufs, den Zaum verhängt?
Rings weckt der Eisen Klapperschall
Der Höhlenechos Wiederhall,
Die weiter tragen Prall auf Prall;
Des Renners Flanke trieft von Schaum,
Weiß wie der Gischt am Meeressaum.
Ruht friedlich auch der Wellen Schooß,
Des Reiters Brust ist friedelos;
Und dräut ein Sturm auch uferwärts,
Mehr, junger Gjaur, stürmt dir das Herz!
Fluch deinem Stamm! dich kenn' ich nicht,
Doch aus dem finstern Angesicht
Ein starrer Zug des Leidens spricht;
Die junge Stirn ist bleich und fahl,
Versengt von wilder Gluten Strahl;
Erdwärts den bösen Blick gewandt,
Flogst meteorgleich du durch's Land;
Doch warst du Einer, wie mir schien,
Den Moslems tödten oder fliehn.
Fort saust' er, fort, in tollem Ritt,
Verwundert flog mein Auge mit.
Ob wie ein Dämon er am Strand
Vorüber huschte und verschwand,
Ließ doch sein Aussehn und sein Blick
Ein Bild des Grausens mir zurück,
Und lange scholl noch dumpf und schwer
Des Rappen Hufschlag zu mir her.
Er spornt sein Roß, – er kommt gesprengt
Zum Riff, das über'm Wasser hängt;
Er wendet um – er schießt hinab,
Vom Felsen hebt sein Bild sich ab;
Mit Unlust, dünkt mich, sieht er nur
Das Auge folgen seiner Spur,
Und jedes Sternes bleiches Licht
Scheint noch zu hell ihm ins Gesicht.
Er wandte sich, – doch einen Blick,
Den letzten, warf er noch zurück,
Noch einmal hielt des Hengstes Lauf
Er an, noch einmal blickt' er auf,
Noch einmal hob er sich im Bügel –
Was späht er zum Olivenhügel?
Den Halbmond sieht man drüber schimmern,
Die Ampeln der Moschee noch flimmern;
Und trägt auch nicht der Wiederhall
Bis hieher der Tupheken Knall,
Gibt doch der Blitz aus jedem Schlund
Der Moslems frommen Eifer kund.
Heut Abend schloß der Ramasan,
Das Beiramsfest hob heute an,
Heut Abend – aber wer bist du,
In fremder Tracht, ohn' Rast und Ruh'?
Was kümmert dich, was du hier siehst,
Daß du verweilest oder fliehst?
Er hielt; – erst schien er furchtdurchbebt,
Bald aber ganz von Haß belebt;
Nicht, wie entflammt von hast'ger Wuth,
Schoß in das Antlitz ihm die Glut, –
Bleich war's, von geisterhaftem Schein,
Wie auf der Gruft der Marmorstein.
Starr war sein Blick, die Stirn gesenkt,
Der Arm hoch in die Luft geschwenkt,
Geballt die Faust, als wüßt' er nicht,
Ob Flucht ihm oder Rückkehr Pflicht.
Doch zornig wiehert, daß sein Lauf
Gehemmt, der Rappe plötzlich auf, –
Da fährt die Hand zum Säbelknauf.
Der Ton hat ihn vom Traum geweckt,
Wie Eulenschrei den Schläfer schreckt.
Er spornt sein Thier, deß Flanken beben, –
Nur fort, nur fort auf Tod und Leben!
Schnell, wie des Dscherids Wurfgeschoß,
Schwebt hoch empor das schwarze Roß, –
Hinab dann von der Felsenwand, –
Vom Hufschlag dröhnt nicht mehr der Strand,
Nicht mehr ist im Geklüft zu sehn
Des Christenhelmes trotzig Wehn.
Nur zwei Sekunden hielt er auf
Des Berberrosses stürm'schen Lauf;
Nur zwei Sekunden, und ins Thal
Schoß er hinab, wie Wetterstrahl.
Doch in dem Augenblicke schien
Erinnrung zu durchschaudern ihn,
Anschwellend diesen Tropfen Zeit
Zu einem Meer von Schuld und Leid.
Drückt solch ein Nu wie Jahreslast
Schon den, der fürchtet, liebt und haßt:
Was fühlt dann
er, dem all die Qual
Durchtobt die Brust mit
einem Mal?
Wer wägt die Pause, schwer und bang,
Drin er mit seinem Schicksal rang?
Ein Nichts beinah im Buch der Zeit,
Doch für die Seele Ewigkeit!
Endlos, dem Raum gleich ohne Schranken,
Sind des Gewissens Qualgedanken,
Voll Weh, das, wie's auch zehrt und brennt,
Nicht Namen, Hoffnung, Ende kennt.
Die Stunde schwand, der Gjaur ist weit;
Floh er allein? fiel er im Streit? –
Der Stunde weh, da er genaht,
Und, rächend Hassan's sünd'ge That,
Warf in sein Schloß des Fluches Saat!
Er kam, er ging, dem Samum gleich,
Dem Boten aus dem Unheilsreich,
Vor dessen Hauch, der sengend weht,
Selbst der Cypresse Laub vergeht,
Das trüb den Schmerz der Andern überdauert,
Und einzig treu am Grab der Todten trauert!
Kein Roß ist heute mehr im Stalle,
Kein Diener weilt in Hassan's Halle;
Und nur die Spinne langsam spannt
Ihr grau Geweb von Wand zu Wand.
Im Harem baut die Fledermaus,
Die Eul' erkor im stolzen Haus
Den Feuerthurm zum Sitz sich aus;
Es heult an dem Springquell der wilde Hund,
Vor Durst und Hunger lechzt sein Mund;
Denn im Marmorbecken der Strahl ist versiegt,
Wo jetzt Unkraut wuchert und Flugstaub liegt.
Schön war's, wenn ehmals seine Kühle
Vertrieb des Sommermittags Schwüle,
Wenn, perlenstäubend, schlank und hoch
Der Silberstrahl gen Himmel flog,
Und rings erfrischt mit seinem Sprühn
Die Lüfte und des Rasens Grün.
Schön war es, wenn die Nacht entlang
Sternlichtbeglänzt sein Wasser sprang,
Und plätschernd leis sein Murmeln klang.
Oft hat an der Fontaine Rand
Hassan als Kind gespielt im Sand;
Oft, an der Mutter Brust geschmiegt,
Hat ihn der Ton in Schlaf gewiegt.
Und oft als Jüngling hat entzückt
Ihn hier der Schönheit Lied berückt,
Und holder schien ihm jeder Klang,
Begleitet von der Flut Gesang.
Doch nimmer wird am Abend nun
Hassan als Greis am Springquell ruhn:
Der Strahl des Borns ist ausgeflossen,
Und seines Herzens Blut vergossen!
Und keine Menschenstimme je
Jauchzt hier in Lust, klagt hier in Weh.
Denn schrill erklang als letzter Ton
Ein Schrei, aus Weibesbrust entflohn, –
Auch der erstarb, und Alles schweigt,
Nur der Laden knarrt, wenn der Nachtwind streicht;
Mag heulen der Sturm und der Regen fließen,
Ach, keine Hand wird je ihn schließen!
Wie uns auf sand'ger Wüstenflur
Erfreut die schwächste Menschenspur,
So weckte selbst der Klage Ton
Sich hier ein tröstlich Echo schon;
Er sagt' uns: »Alle sind hier doch
Nicht todt, es blieb
ein Leben noch.«
Denn manches Prunkgemach lädt ein,
Sich nicht der Einsamkeit zu weihn,
Und langsam nur frißt überall
Krebsartig weiter der Verfall.
Doch schaurig Dunkel webt am Thor,
Der Fakir selbst hält nicht davor,
Noch weilt der Derwisch hier als Gast,
Denn Milde würzt ihm nicht die Rast,
Und Keiner wird ihm dort begegnen,
Das heil'ge »Brot und Salz« zu segnen.
Ob reich, ob arm der Wandrer sei,
Er zieht hier unbemerkt vorbei;
Denn Gastlichkeit und Milde schwand,
Seit Hassan fiel durch frevle Hand.
Sein Dach, so wirthlich Jedem offen,
Hat der Verödung Fluch getroffen.
Der Gast flieht die Halle, die Arbeit der Knecht,
Seit der Gjaur ihm den Turban zerspliß im Gefecht!
*
Ich höre dumpfer Tritte Schall,
Doch keiner Stimme Wiederhall;
Sie nahn, – beturbant jeder Mann,
Von Silber blitzt der Ataghan;
Den ersten hat die grüne Tracht
Als Emir kenntlich mir gemacht.
»Wer bist du, he?« – Mein Salem lehrt,
Daß euch ein gläub'ger Moslem ehrt.
Gewiß, die Last, die ihr so fein
Besorglich tragt, muß kostbar sein;
Sie birgt wohl eine theure Fracht?
Mein Boot nähm' treulich sie in Acht.
»Du redest wahr. Stoß ab vom Land,
Und führ uns fort vom stillen Strand!
Nein, laß dein Segel nur in Ruh,
Das Ruder nimm, und steure zu
Auf jene Felsen, wo die Flut
Des Strombetts tief und dunkel ruht.
Nun raste dich – so – brav gemacht!
Zwar schnell ward unsre Fahrt vollbracht;
Doch war's vielleicht die längste Reise,
Die je ein – –«
*
Dumpf plumpt's hinab, und sank gemach,
Indeß die Flut am Fels sich brach;
Ich sah es sinken, und mir schien,
Als ob die Strömung ihm verliehn
Bewegung fast – doch mocht' es sein
Wohl nur des Mondlichts Flimmerschein.
Ich späht' ihm nach, bis es entschwand,
Wie Kiesel, die man wirft vom Strand;
Ein weißer Punkt, von Well' auf Well'
Forthüpfend hell, vertaucht' es schnell, –
Und sein Geheimniß schläft am Grund,
Den Geistern nur der Tiefe kund,
Die schaudernd in Korallenhöhlen
Es nicht einmal der Flut erzählen.
*
Wie, schwebend auf der Purpurschwinge,
Die Königin der Schmetterlinge
In Kaschmir's ew'ger Lenzespracht
Den Knaben lockt mit süßer Macht,
Von Kelch zu Kelch ihm weiterwinkt,
Bis er ermattet niedersinkt, –
Und dann entfliegt, indeß von Thränen
Sein Auge schwer, sein Herz von Sehnen:
So lockt den Jüngling Schönheit auch
Durch neckische Flucht und farb'gen Hauch
Zu eitler Jagd, die wahnverblendet
Ihn erst berauscht, mit Thränen endet.
Erhascht, ach! büßt mit gleicher Qual
So Schmetterling wie Maid zumal.
Des Mannes Trotz, des Knaben Spiel
Schafft Beiden Sorg' und Leiden viel:
Das schöne Spielzeug, heiß begehrt,
Verlor, wenn man's gewann, den Werth;
Denn von der Hand, die's rauh berührt,
Wird bald sein duft'ger Schmelz entführt,
Bis Schönheit, Reiz und Glanz verwehn, –
Dann mag's entfliegen, mag vergehn!
Die Schwingen wund, das Herz voll Weh,
Wo fände Ruh' das Opfer je?
Kann noch des Falters müdes Leben
Zur Tulpe von der Rose schweben?
Kann Schönheit, die ein Nu versehrt,
Sich freun noch am zerstörten Heerd?
O nein, den bunten Falterschwarm
Bekümmert nicht des Bruders Harm;
Und holdre Wesen, sonst so milde,
Sind hart dem Fehl der eignen Gilde,
Und jedes Weh lockt Thränen nach,
Nur nicht gefallner Schwestern Schmach.
*
Es gleicht das Herz, von Schuld beschwert,
Dem Skorpion in Feuersglut,
Die enger stets der Flammen Heerd
Um den Gefangnen schürt und mehrt,
Bis er, von wilder Qual verzehrt,
Und toll in seiner Wuth,
Nur
einen Trost der Rettung nährt:
Den Stachel, ihm zum Schutz gewährt,
Deß Gift noch nie versagt –
ein Stich,
Und aller Schmerz des Lebens wich! –
Bohrt in das Hirn er selber sich.
So stirbt der Sünder, oder lebt,
Ein Skorpion, von Glut umwebt;
So stöhnt das Herz, dran Reue nagt,
Dem Erd' und Himmel sich versagt,
Nacht droben, drunten Pein und Noth,
Ringsum die Flamme, drinnen Tod!
*
Nicht mehr ergötzt im Haremssaal
Sich Hassan an der Schönheit Strahl;
Er pflegt der ungewohnten Jagd,
Doch nicht von Jägerlust entfacht.
Nie ist er so davongeeilt,
Als Leila sein Serail getheilt.
Ist Leila fern denn? mögt ihr fragen, –
Das könnte Hassan selbst nur sagen.
Seltsame Mären gehn im Ort:
Sie floh an jenem Abend fort,
Wo Ramasan zu Ende geht,
Und hell auf jedem Minaret
Millionen Lampen sich entzünden,
Das Beiramsfest im Ost zu künden.
Es hieß, man sah zum Bad sie gehn,
Doch war vergebens Hassan's Spähn;
Denn in georg'scher Pagentracht
Entfloh sie des Gebieters Macht,
Und höhnt des Moslems Grimm und Harm,
Dem ehrvergessnen Gjaur im Arm.
Wohl schöpfte Hassan schon Verrath;
Doch da sie lieb und zärtlich that,
Vertraut' er noch der Heuchlerin,
Ob Tod verdient ihr falscher Sinn,
Und ging in die Moschee am Abend,
Dann in den Kjosk, am Mahl sich labend.
So sagten seine Nubier aus,
Die nicht zu wohl bewacht das Haus;
Doch Andre sagen, daß beim Schein
Phingari's jene Nacht allein
Der Gjaur auf seinem schwarzen Roß
Dahin am Uferrande schoß,
Mit Blut bedeckt des Rappen Bug,
Der weder Maid noch Pagen trug.
*
Es kann kein Bild von allen Bildern
Des dunklen Auges Liebreiz schildern;
Nur im Gazellenauge ruht
Vielleicht noch solche feuchte Glut,
So tief, so schmachtend, – doch die Seele
Schien strahlend, gleich dem Prachtjuwele
Dschamschid's, mit süßer Zaubermacht
Hervor aus schwarzer Wimpern Nacht.
Ja,
Seele, spräch' auch der Prophet:
»Der Leib ist Staub, drin Odem weht«,
Bei Allah! Nein würd' ich noch sagen,
Wenn mich Al-Sirat's Bogen tragen,
Die über Feuersflut geschlagen,
Wenn schon das Paradies mir blinkte,
Und jede Houri lächelnd winkte.
Wer konnt' in Leila's Augen sehn,
Und auf dem Glauben noch bestehn,
Das Weib sei Staub, ein seelenlos
Spielzeug für herrische Lüste blos?
Selbst Muftis hätten wohl bekannt,
Daß drin ein ewig Licht gebrannt.
Den holden Wangen, zart und rein,
Schien der Granatenblüthen Schein
All seinen duft'gen Hauch zu leihn.
Ihr hyazinthenfarbnes Haar
Floß nieder, wenn's entfesselt war,
Und sie die Dienerinnen alle
Weit überstrahlte in der Halle,
Zum Marmorestrich, wo der Tritt
Der Elfenfüßchen lautlos glitt,
Die weißer als der Schnee geblinkt,
Bevor er noch zur Erde sinkt.
Stolz streicht der Schwan durch Wogen hin,
So schritt auch die Cirkassierin,
Das schönste Kind von Frangistan!
Wie das Gefieder sträubt der Schwan,
Und hinrauscht durch der Fluten Schaum,
Wenn eines Fremdlings Schritte nahn
Des stillen Teiches Ufersaum:
So hob sich Leila's weißerer Nacken;
Vor ihrer Schönheit Wehr entwich
Der Thor, den Angst und Ehrfurcht packen
Vor Reizen, die er frech beschlich.
So hehr erschien sie allerwärts,
So süß am Trauten hing ihr Herz.
Am Trauten? – nannt' er Hassan sich?
Der Name, weh! galt nicht für dich!
*
Zu einer Reise zog von Haus
Mit zwanzig Treuen Hassan aus,
Bewaffnet Jeder, Mann für Mann,
Mit Büchse und mit Ataghan.
Der Führer ritt voran der Schaar;
Am Wehrgehäng den Scimitar,
Den schon Arnautenblut genetzt,
Als der Rebell den Paß besetzt,
Und Wen'ge kehrten, um zu künden
Vom Kampf in Parne's Felsengründen.
Ein Pascha trug vor manchem Jahr
Im Gürtel dies Pistolenpaar,
Das, ob auch gold- und steingeschmückt,
Der Räuber zitternd nur erblickt.
Er zog zu einer Braut, wie's hieß,
Die treuer, als die ihn verließ,
Die Sklavin, die – o schlimmste Schmach!
Für einen Gjaur den Käfig brach.
*
Vom Hügel blinkt der letzte Strahl
Der Sonne auf den Quell im Thal,
Deß klare Flut, die murmelnd fließt,
Der Bergbewohner segnend grüßt.
Der griechische Kaufmann findet hier
Die Rast wohl, die im Stadtrevier
Ihm selten winkt, wo gier'ge Hand
Nach seinen Schätzen stets entbrannt; –
Hier ruh' er, wo kein Blick ihn traf,
In Wüsten frei, am Markt ein Sklav,
Und schlürfe den verbotnen Wein,
Den Osman's treue Söhne scheun.
*
Der vorderste Tartar durchsucht,
Gelbmütz'gen Hauptes, schon die Schlucht;
Die Andern reiten, Mann für Mann,
Den langen Hohlweg still hinan.
Hoch auf dem Bergesgipfel wetzt
Der Geier seinen Schnabel jetzt –
Ihm wird zu Theil ein leckres Mahl
Noch vor dem nächsten Morgenstrahl;
Ein Gießbach drunten, dessen Flut
Versiegte vor der Sommerglut,
Und dessen kahle Rinne heut
Nur ärmliches Gebüsch bestreut;
Zur Seite hingeschleudert, hängt
Manch graues Felsstück, abgesprengt
Durch Zeitenmacht und Bergesblitze
Von ewig nebeldunkler Spitze;
Denn wer hat anders je geschaut
Lykeri's Höh', als dunstumbraut?
*
Den Fichtenhain erreicht die Schaar:
»Bismillah! aus ist die Gefahr!
Gleich spornen wir auf offnem Plan
Zu schnellerm Trab die Rosse an.«
Der Tschiaus spricht's – da plötzlich fegt
Ein tödtlich Blei heran – es schlägt
Der vorderste Tartar zur Erde!
Die Reiter hemmen rasch den Lauf
Der Renner, Jeder springt vom Pferde –
Drei steigen niemals wieder auf,
Und unsichtbarer Feinde Hauf
Verwehrt, daß ihnen Rache werde.
Das Schwert gezückt, den Hahn gespannt,
Gelehnt am Sattel Mancher stand,
Vom Rosse halb geschützt;
Manch Andrer hinter Felsen sucht
Sich Deckung vor der Speere Wucht,
Denn wehrlos nicht verspritzt
Er gern sein Blut, wo ringsum Tod
Aus sicherm Hinterhalte droht.
Nur Hassan nicht verläßt sein Roß,
Er saust dahin in toller Eile,
Bis Flintenblitze, Lanzenpfeile
Ihm künden, daß der Räubertroß
Zu früh den Ausgangspaß gewann,
Als daß der Fang mißlingen kann.
Da sträubt sich ihm der Bart vor Wuth,
Sein Auge flammt in wilder Glut:
»Ob fern und nah die Kugel zischt,
Ich bin schon blut'germ Kampf entwischt!«
Und jetzt bricht aus dem Felsenthor
Auf seine Schaar der Feind hervor;
Doch Hassan's Grimm erschreckt sie mehr,
Als Feindeskugel, Feindesspeer,
Und von den Treuen streckt kein Mann
Die Büchse noch den Ataghan,
Noch schreit er jemals feig: »Aman!«
Und nah und näher dringen schon
Die Feinde, dem Versteck entflohn,
Und aus dem Haine sprengt ein Troß
Herbei von Kämpfern, hoch zu Roß.
Wer führt sie an, mit fremdem Schwert
Die rothe rechte Hand bewehrt?
»Er ist's! er ist's! Ich kenn' ihn wohl
An seinen Wangen, bleich und hohl;
Ich kenn' ihn an dem bösen Blick,
Dem er verdankt sein falsches Glück;
Ich kenn' am Roß ihn, schwarz wie Nacht!
Trägt er auch jetzt arnaut'sche Tracht,
Abtrünnig seinem schlechten Glauben,
Nichts soll mir jetzt die Rache rauben!
Er ist's! er ist es, – Leila's Wahl!
Verfluchter Gjaur! fühl meinen Stahl!«
Wie in das Meer die raschen Wellen
Mit dunkler Strömung wälzt der Fluß;
Und wie der Meerflut Gegenschwellen
In blauen Wogen, stolzen, hellen,
Den Strom zurücktreibt Fuß um Fuß
In schaumaufwirbelndem Erguß,
Indeß, vom Wintersturm erregt,
Hochauf die Brandungswelle schlägt,
Und durch den Gischt mit Donnerschall
Der blitzenden Meeresfluten Schwall
Gespenstisch weiß zum Ufer strebt,
Das unter dem Gebrüll erbebt:
So – wie sich Strom und Meeresflut
Begegnen, toll vor Kampfeswuth –
So treffen Schaar und Schaar zusammen,
Die Rache, Wuth und Haß entflammen.
Der blitzenden Säbel wildes Klirren;
Und fern und nah, im Wiederhall
Nachtönend schrill, der Büchsen Knall,
Der Flintenkugeln tödtlich Schwirren;
Geschrei, Gestöhn und Waffenklang
Erschallt das stille Thal entlang,
Statt Hirtenlied und Vogelsang.
So klein die Zahl, – sie kämpft ergrimmt,
Und Keiner Gnade giebt noch nimmt.
Ach! zärtlich können Herz und Wangen,
In Liebe kosend, sich umfangen,
Und glühend Lipp' an Lippe hangen;
Doch Liebe selbst, wenn sie begehrt,
Was Schönheit seufzend nur gewährt,
Fühlt nicht die Glut, drin Haß entlodert,
Wenn er des Feinds Umarmung fodert,
Wenn Leib und Leib sich wild umfassen,
Die nie mehr von einander lassen:
Freundschaft vergeht, Liebe verloht –
Todfeinde trennt allein der Tod!
*
Den Säbel bis zum Griff zerspellt,
Von Blut noch triefend, – dennoch hält
Krampfhaft die abgehaune Hand
Das ungetreue Schwert umspannt;
Den Turban hinter ihm, zerrissen,
Grad in der Mitte durchgesplissen;
Sein Kleid zerfetzt von manchem Streich,
Und roth, den Morgenwolken gleich,
Die, purpurfarb gestreift, den Gründen
Sturmwetter für den Abend künden;
Blutig die Fetzen, die verlor
An Busch und Strauch sein Palampor;
Die Brust von Wunden rings versehrt,
Gen Himmel sein Gesicht gekehrt,
Liegt Hassan da – sein stierer Blick
Starrt nach dem Feinde noch zurück,
Als ob sein Haß, der düster webt,
Die Todesstunde überlebt;
Und düstrer noch, mit finstrem Sinn,
Beugt über ihn der Feind sich hin.
*
»Ja, Leila schläft in tiefer Flut,
Ihm aber ward ein Grab voll Blut;
Ihr Geist hat gut den Stahl gelenkt,
Den ich ins Schurkenherz gesenkt.
Er rief zu Mahmud, dessen Hand
Des Gjauren Zorn nicht abgewandt;
Zu Allah rief er, doch sein Wort
Flog unerhört im Winde fort.
Du türkischer Narr! war Leila's Flehn
Umsonst, wie konnte deins bestehn?
Ich traf die Zeit, ich warb die Kühnen,
Dein ruchlos Frevelwerk zu sühnen;
Es ist geschehn, die That war mein,
Jetzt geh' ich – doch ich geh' allein.«
*
Die Glöckchen der Kameele klingen;
Vom Söller seine Mutter schaut.
Sie sieht im Abendwind sich schwingen
Der Weide Riedgras, hell bethaut;
Hervor schon einzle Sterne dringen:
»Gewiß, er naht – die Dämmrung graut!«
Es läßt keine Rast ihr in Garten und Haus,
Sie späht durch das Gitter des Thurmes hinaus:
»Was säumt er? Seiner Rosse Muth
Scheut sonst doch nicht des Sommers Glut;
Was schickt mir der Bräut'gam die Gabe nicht zu?
Ward kälter sein Herz? braucht sein Renner der Ruh?
Nein, eitler Vorwurf! den Tartar
Nehm' ich schon auf dem Hügel wahr;
Behutsam von dem Felsgestein
Lenkt er sein Roß in's Thal hinein;
Und die Gabe hängt an dem Satteljoch –
Was schalt sein Roß ich langsam doch?
Reich lohn' ich ihm bei seinem Nahn
Den schnellen Ritt auf schwerer Bahn.«
Vom Pferd stieg der Tartar am Thor,
Kaum hielt er mühsam sich empor;
Sein Antlitz trug der Schmerzen Spur,
Doch war's gewiß Ermattung nur;
Mit Blut war sein Gewand bespritzt,
Wohl nur vom Gaul, der sich geritzt;
Die Gabe, hoch emporgehalten –
Weh! Hassan's Turban ist's, vom Hieb zerspalten!
Sein Kalpak klafft, sein Tuch ist roth –
»Weib! eine grause Braut entbot
Zur Hochzeit deinen Sohn – sie heißt der Tod!
Mich schonten sie, aus Mitleid nicht,
Nein, zu dem schrecklichen Bericht.
Ruh' ihm, der kühn sein Blut vergoß!
Dem Gjauren Weh, durch den es floß!«
*
Ein Turban, roh aus Stein gemetzt,
Und, unkrautüberwuchert jetzt,
Die Säule, drauf mit Mühe man
Den Koranspruch noch lesen kann,
Bezeichnen jenen Ort im Thal,
Wo Hassan traf der Rächerstahl.
Dort schläft der treuste Osmanli,
Der jemals fromm gebeugt sein Knie,
Der nie verbotnen Wein begehrt,
Sich betend ostwärts stets gekehrt,
Wenn er in feierlicher Ruh'
Nachmurmelte das »Allah Hu!«
Und dennoch fiel durch Fremdlingshand
Im eignen, nicht in fremdem Land,
Im Kampfe fiel voll Heldenmuth,
Und nicht gerächt noch ward in Blut.
Doch Paradiesesmädchen laden
Ihn froh in ihre Hallen ein,
Sich in dem Himmelsglanz zu baden
Von ihrer dunklen Augen Schein;
Es winkt der grünen Tücher Gruß,
Den Tapfern lohnt ihr Willkommskuß!
Denn werth ist, wer da fiel im Streit
Mit Gjauren, ew'ger Herrlichkeit.
*
Doch dir, Ungläub'ger, sei das Leid
Von Monkir's Sensenstahl bereit;
Und wenn du dieser Qual entflohn,
Sollst du umwandern Eblis' Thron;
Und um dich flammen, in dir zehren
Soll Feuersglut, und ewig währen;
Es soll der innern Hölle Pein
Kein Wort zu schildern fähig sein!
Doch erst, als Vampyr umzugehn,
Soll aus der Gruft dein Leib erstehn;
Gespenstisch schleiche dich in's Haus,
Und saug das Blut den Deinen aus,
Die warme, rothe Lebensflut,
Der Tochter, Schwester, Gattin Blut!
Und dennoch ekeln vor dem Mahl
Soll's deinen Leichnam, graus und fahl;
Dein Opfer, eh's im Tod erblich,
Erkenn' als seinen Mörder dich,
Wenn fluchend dir, von dir verflucht,
Die Blüthe hinwelkt ohne Frucht.
Und Eine soll als Opfer fallen,
Die Jüngste, Liebste dir von Allen,
Sie soll dich segnend
Vater nennen –
Das Wort wird dich wie Flammen brennen!
Doch würgen mußt du sie, und sehn
Der Wangen letztes Roth verwehn,
Das Auge sehn, das gläsern stiert,
Wenn leblos drin das Blau gefriert;
Ruchlos zerraufen sollst du gar
Mit frevler Hand ihr goldnes Haar,
Von dem ein Löckchen sonst, ein Band
Die Liebe trug als süßes Pfand, –
Nun soll's von dir zerrissen sein,
Als Zeichen wilder Todespein!
Feucht triefe dir von Zahn und Mund
Das Blut aus ihres Herzens Grund;
Dann taumle in dein Grab voll Grausen,
Mit Gouls und mit Afrits zu hausen,
Bis ihre Schaar das Weite sucht
Vor'm Scheusal, mehr, als sie, verflucht!
*
»Wie nennt Ihr den Kalojer da?
Die Züge sind mir wohlbekannt;
In meiner eignen Heimat sah
Ich ihn vor Jahren an dem Strand
Hinjagen auf dem schnellsten Roß,
Das blitzgleich je von dannen schoß.
Nur einmal schaut' ich ihn, – allein
Ein Antlitz so voll innrer Pein
Prägt unvergeßlich tief sich ein.
So finster ist's noch heut geblieben,
Als stünde Tod darauf geschrieben.«
»Zweimal drei Sommer sind es her,
Seitdem er zu uns Brüdern kam;
Für eine That wohl, schwarz und schwer,
Sucht er hier Lindrung seinem Gram.
Doch nie sah man zur Vesper ihn
Und niemals vor dem Beichtstuhl knien,
Noch achtet er's, wenn Weihrauch wallt
Und Chorgesang zum Himmel schallt.
In seine Zelle dumpf gebannt
Bleibt er, und selbst aus welchem Land,
Weß Glaubens er, ist unbekannt.
Vom Türkenufer über's Meer
Schifft' er, und kam vom Strand hieher;
Indeß ein Osman scheint er nicht,
Ob auch nur christlich sein Gesicht;
Vielleicht ein flücht'ger Renegat,
Den's reuet, daß er übertrat,
Wiewohl der Kirch' er sich verschließt,
Und nie das Mahl des Herrn genießt.
Das Kloster hat er reich bedacht,
Und so den Abt sich freund gemacht.
Doch wär' ich Prior, solchem Gast
Gönnt' ich hier keine Stunde Rast;
Zum mind'sten müßte der Geselle
Auf immer in die Büßerzelle.
Oft murmelt er im Traume schwer
Von Mädchen, tief versenkt in's Meer,
Von Feindesflucht, von Säbelstreichen,
Gerächtem Frevel, Moslemsleichen.
Auch sprach er an der Klippe Rand,
Wie irr, von einer blut'gen Hand,
Die frisch vom Arm herabgehaun,
Doch die nur er vermocht zu schaun,
Und die ihm wink' ins dunkle Grab
Und auf den Meeresgrund hinab.«
*
Stier sind die Augen, die voll Graun
Aus seiner finstern Kutte schaun;
Ihr glüh'nder Blick, geöffnet weit,
Spricht zu viel von vergangner Zeit;
Ob wechselnd ihrer Farbe Licht,
Erträgt man ihren Glanz oft nicht;
Denn wie ein Zauber, der den Sinn
Allmächtig fesselt, blitzt darin
Ein Geist, noch stolz und ungebeugt,
Der seine Uebermacht bezeugt;
Und wie der Vogel, angstbedrängt,
Gebannt am Blick der Schlange hängt,
So beben Manche scheu zurück,
Und weilen doch auf seinem Blick.
Die Mönche zwar vermeiden ihn,
Und suchen scheu vor ihm zu fliehn,
Als ström' auf sie auch Schuld und Graus
Sein Blick, sein bittres Lächeln aus.
Nicht oft, daß er ein Lächeln zeigt,
Das trüb dann seinen Mund umschleicht,
Und nur dem Leid zum Hohn gereicht!
Wie bleich verzerrt die Lippe bebt,
Und dann so steinern unbelebt
Erstarrt, als hätten Spott und Qual
Gelächelt drauf zum letzten Mal!
Ja, wär' es so! – solch grause Lust
Kam nie aus frohgesinnter Brust.
Noch trüber wär' es zu erkunden,
Was einstmals dieses Herz empfunden.
Zeit hat die Züge nicht verwischt,
Mit lichtern finstre nur gemischt;
Aufflackernd noch zuweilen sprüht,
Nicht ganz erloschen, das Gemüth,
Ob auch von Sünden wundgeglüht.
Die Menge sieht den Frevel blos,
Der argen That verdientes Loos;
Wer aber tiefer blickt, dem weist
Sich edle Herkunft, hoher Geist.
Ach, wurden beide auch versehrt,
Durch Gram entstellt, durch Schuld entehrt,
So war doch kein gemeines Wesen
Für solche Gaben auserlesen,
Und nicht mit Furcht allein und Graun
Wird man ein solches Antlitz schaun.
Am Hüttendach, das morsch zerfällt,
Mag nicht der Schritt des Wandrers zaudern,
Indeß der Thurm, vom Blitz zerspellt,
Solang noch
eine Mauer hält,
Sein Auge lockt mit heil'gem Schaudern,
Weil jeder Pfeiler, moosbedeckt,
Des alten Ruhms Erinnrung weckt.
»Vom falt'gen Mönchsgewand umschlossen,
Huscht er den Kreuzgang still entlang;
Mit Scheu erblickt, folgt er verdrossen
Der Andachtsfeier ernstem Gang.
Doch wenn der Chorgesang erschallt,
Die Mönche knien, entweicht er bald;
Ein einsam trüber Fackelstrahl
Beglüht sein Antlitz am Portal;
Dort harrt er stumm, ein Bild von Stein,
Hört ihr Gebet, doch stimmt nicht ein.
Wie in der Dämmrung, matt erhellt,
Sein dunkles Haupthaar niederfällt,
Das wild die bleiche Stirn umkränzt,
Als hätten schillernd dort geglänzt
Die schwärzesten der grausen Schlangen,
Die um der Gorgo Scheitel hangen!
Denn da er nicht den Eid geschworen,
Ward ihm auch nie das Haar geschoren.
Sonst trägt er unser Ordenskleid,
Und mehr aus Stolz als Frömmigkeit
Hat er der Kirch', an die kein Band
Ihn knüpft, viel Gaben zugewandt.
Seht Ihr nicht, wenn beim Orgelklang
Gen Himmel steigt der Lobgesang,
Wie aus dem fahlen Steingesicht
Halb Trotz und halb Verzweiflung spricht?
O Sankt Franziskus, schließ ihn aus
Von unsrer Schaar, sonst fährt mit Graus
Der Grimm des Herrn in unser Haus!
Wenn je ein böser Engel wallt
Hienieden, trägt er
die Gestalt;
So wahr mir soll vergeben werden,
Im Himmel nicht und nicht auf Erden
Sind heimisch solcherlei Geberden!«
Das weichste Herz verfällt der Liebe,
Doch nie mit vollem Glutentriebe,
Es ist zu scheu, ihr Weh zu tragen,
Zu schwach, das Aeußerste zu wagen;
Und nur das starke Herz ereilt
Die Wunde, die die Zeit nicht heilt.
Des Schachtes rohes Erz muß glühn
Im Feuer, soll es Glanz versprühn,
Erst in den Flammen wird es weich
Und schmilzt, – und bleibt sich selbst doch gleich.
Alsdann, gehärtet, nach Begehr
Dient es zur Waffe dir und Wehr,
Als Harnisch in Gefahr und Noth,
Als Klinge, die den Feind bedroht;
Doch wird ein Dolch daraus gemacht,
Dann habe, wer ihn schmiedet, Acht!
So wird gebeugt ein Herz voll Kraft
Durch Weiberlist und Leidenschaft;
Es trägt die Glutspur ihres Lichts,
Verwandelt und gestört durch Nichts,
Und eh' sich's wieder beugte, – bricht's.
*
Folgt Einsamkeit auf tiefstes Leid,
So fühlt das Herz sich nicht befreit;
In seiner Oede scheint's ihm gar,
Daß Lindrung fast der Schmerz ihm war.
Was wir nicht theilen, macht uns Pein –
Das Glück selbst schmerzt, trägt man's allein;
Und sieht das Herz sich ganz verlassen,
So sucht es endlich Trost – im Hassen.
Es gleicht dem Todten, welcher fühlt,
Wie schon der Wurm heran sich wühlt;
Mit Grausen merkt er schon den Zahn
Des Unthiers seiner Hülle nahn,
Und hat die Kraft nicht, abzuwehren
Die eklen Gäste, die dran zehren.
Dem Wüstenvogel gleicht dies Herz,
Der für die Brut, die hungrig kreischt
Sich gern die eigne Brust zerfleischt,
Und stumm erträgt den Todesschmerz,
Doch, als er sich geopfert schon,
Die Jungen sieht dem Nest entflohn.
Das tiefste Weh, das uns durchglüht,
Ist Wonne gegen jene Leere,
Da welk erstorben das Gemüth
Versinkt in öder Dumpfheit Schwere.
Wer möcht' in einen Himmel sehn,
Dran Sonne nicht noch Wolken stehn?
Viel besser wilder Stürme Toben,
Als nie die Wellen mehr erproben,
Als einsam, wenn die Winde schwiegen,
Ein Wrack, am Schicksalsstrande liegen,
In stiller Bucht, und fern von Allen,
Langsam zermürbt zu Staub zerfallen; –
Besser in Blitzesglut verlodern,
Als stückweis auf dem Fels vermodern!
*
»Dir, Vater, schwand in Ruh' dein Leben
Bei Rosenkränzen und Gebet.
Die Sünden Andrer zu vergeben,
Selbst rein von Schuld, nur flüchtig eben
Von ird'scher Sorgen Hauch umweht,
War dein Beruf von früh bis spät.
Du wirst dich segnen, daß den Brand
Der Leidenschaft du nie gekannt,
Der stürmisch wild durchras't das Blut,
Wie mancher Büßer kund dir thut,
Der die geheime Schuld und Lust
Versenkt in deine fromme Brust.
Mein Leben hat, ob kurz von Jahren,
Viel Lust, doch mehr noch Leid erfahren;
Allein in Drangsal und Genuß
Beschlich mich nie der Ueberdruß.
Vom Feind verfolgt, vom Freund geehrt,
War müßige Ruh' mir nie bescheert.
Jetzt, wo mir Haß und Liebe starb,
Wo Hoffnung mir und Stolz verdarb,
Wär' lieber ich der ekle Wurm,
Der giftig kriecht im Kerkerthurm,
Als so verdammt zu dumpfem Brüten
Die Tage wechsellos zu hüten.
Wohl quält ein Wunsch mich immerzu
Nach Ruh' – doch wunschlos sein, ist Ruh'.
Bald wird mein Schicksal ihn gewähren,
Und meinen Schlaf kein Traum beschweren
Von dem, was einst ich war, und sein
Noch möchte, ob gen Himmel schrein
Auch meine Schuld und Seelenpein.
Ein Grab der Lust ist mein Erinnern,
Und jede Hoffnung todt im Innern;
Ach, besser wär's mit ihnen sterben,
Als langsam so in Qual verderben!
Nie sträubt' ich mich mit bangem Zagen,
Endloser Leiden Weh zu tragen,
Auch sucht' ich nie mit feigem Beben,
Ein Thor, mir selbst den Tod zu geben;
Doch hab' ich auch ihn nie gescheut –
Im Kampfe hätt' er mich gefreut,
Wenn noch Gefahr zum Streit mich triebe
Als Knecht des Ruhmes, nicht der Liebe.
Ich trotzt' ihr, – nicht aus Ehrbegier;
Was gälten Lorbeerkränze mir?
Mag, wer da will, im Spiel der Schlachten,
Um Ruhm und Sold nach ihnen trachten!
Doch zeige wieder mir den Preis,
Den würdig ich des Strebens weiß:
Die Maid, zu der mich Lieb' erfasse,
Den Gegner, den ich tödtlich hasse,
So will mein Loos ich kühn erjagen,
Will retten sie und ihn erschlagen,
Ob mir ein Wald von Schwertern droht,
Und blitzend Feuer mich umloht!
Glaub nicht, ich prahl' in eitlem Wahn –
Ich thäte, was ich schon gethan.
Vorm Tode mag der Feigling beben,
Der Tapfre kühn die Stirn erheben:
Er trifft ihn doch! Mag denn das Leben
Zu Dem, der es verliehn, entschweben!
Nie hab' ich die Gefahr gescheut
In Glück und Glanz – wie sollt' ich's
heut?
*
»Ich liebt', ich betete sie an –
Nein, Mönch! das Wort ist zu gemein –
Durch Thaten zeigt' ich mich als Mann:
Das Blut von dieser Klinge rann,
Nie wird der Stahl von Flecken rein;
Sie starb für mich – es floß für sie,
Es wallt' im Herzen des Verhaßten;
Nein, schaudre nicht – beug' nicht dein Knie –
Die That kann nicht als Sünde lasten,
Und nicht der Gnade Spruch mir rauben,
Denn feindlich war er deinem Glauben!
Der Name »Nazarener« schon
War Greuel diesem Heidensohn.
Dankloser Thor! schlug doch dies Schwert,
Das eine Christenhand bewehrt,
Ihm jene Wunde, die ihm gleich
Erschloß das Türken-Himmelreich;
Sonst möchten wohl in Edens Garten
Die Houris lang ihn noch erwarten!
Ich liebte sie – die Liebe wagt
Selbst Wege, wo der Wolf verzagt;
Und bleibt sie nur nicht ängstlich stehn,
So wird ihr nicht der Lohn entgehn.
Gleichviel, wodurch und wann und wie,
Vergebens seufzt' ich nicht um sie;
Doch wünsch' ich manchmal reuig fast,
Sie hätte lieber mich gehaßt.
Sie starb – o, frag mich nimmer, wie?
Auf meiner Stirne steht es – sieh!
Lies dort der Unthat Kainszeichen
In Zügen, welche nie verbleichen!
Doch eh' du mich verdammst, halt ein;
Der Anlaß, nicht die That war mein.
Zwar thät' ich selbst wohl, was er that,
Wenn mich getroffen ihr Verrath.
Treulos an ihm – führt' er den Streich,
Mir aber treu – macht' ich ihn bleich;
Denn wie verdient ihr Loos auch schien,
Aus Treu' zu mir betrog sie ihn.
Mir schenkt' ihr Herz sie, jene Welt,
Die kein Tyrann in Fesseln hält.
Zu retten, kam ich, ach! zu spät,
Als schon ihr letzter Hauch verweht;
Doch was ich geben konnte, gab
Ich – armer Trost! – dem Feind ein Grab.
Sein Tod wiegt leicht, doch ihr Geschick
Macht hassenswerth mich deinem Blick.
Sein Loos stand fest, und war ihm kund,
Denn warnend scholl zu ihm empor
Des Tahirs Ruf, in dessen Ohr
Der Todesschuß erklang zuvor
Beim Ritt im düstern Thalesgrund.
Auch fiel er im Gewühl der Schlacht,
Wo Nichts uns Angst und Sorge macht;
Ein Ruf zu Mahomed, ein Schrei
Zu Allah, und es war vorbei.
Er sah mich, und ihn traf mein Schlag –
Ich starrt', als er am Boden lag,
Auf ihn, bis daß sein Auge brach:
Dem Panther gleich durchbohrt vom Stahl,
Fühlt' er doch halb nicht meine Qual.
Vergebens sucht' ich eine Spur
Von Schmerz in seinen Zügen nur;
Sein leichenfinstres Angesicht
Verrieth nur Wuth, doch Reue nicht.
Was hätte Rache drum gegeben,
Verzweiflung wild den Blick erheben
Zu sehn in grausem Todesbeben!
Die Reue, die zu spät sich naht,
Wenn Buße keine Kraft mehr hat,
Die Schrecknisse der Gruft zu mindern,
Und weder retten kann, noch lindern!
*
»In kaltem Land ist kalt das Blut,
Und Liebe kaum des Namens werth;
Doch meine glich der Lavaflut,
Die in des Aetna Flammen gährt.
Ich hab' in Worten, schön gesetzt,
Von holder Minne nie geschwätzt;
Doch wenn der Wangen fliegend Roth,
Wenn Glut, die in den Adern loht,
Der Lippe Zucken bei dem Schmerz,
Wenn siedend Hirn und springend Herz,
Wenn kühne That, rachgier'ger Stahl,
Und was ich fühlte allzumal,
Und jetzt noch fühle, – Liebe heißt,
Dann liebt' ich, wie mein wilder Geist
Durch all sein bittres Thun beweist.
Zwar konnt' ich nimmer schmachtend werben,
Erringen mußt' ich oder sterben.
Ich sterbe – doch ich seh' zurück
Auf voll und ganz beseßnes' Glück.
Wie zürnt' ich selbstgeschaffnem Loos?
Nein, gieb – an Allem arm und bloß,
Nur ohne Leila's Todesqual –
Mir Lust und Leiden sonder Zahl,
So leb' und lieb' ich noch einmal!
Ich traure, Mönch! – doch nicht um mich,
Der stirbt, – um sie nur, die erblich.
Das tiefe Meer schlang sie hinab –
Ach, hätte sie ein ird'sches Grab,
Dies schwanke Haupt, die kranke Brust
Theilten ihr enges Grab mit Lust.
Ganz Leben war sie und ganz Licht,
Wer sie gesehn, vergaß sie nicht,
Und immer war sie, nah und fern,
Mir der Erinnrung Morgenstern!
»Ja, Liebe ist ein Himmelsstrahl, –
Des ew'gen Lichts, von Gott verliehn,
Ein Funken, um vom Erdenthal
Den niedern Sinn emporzuziehn.
Andacht mag uns zum Himmel heben,
Doch Liebe läßt ihn niederschweben;
Der Gottheit selbst ist sie entstammt,
Ist Läutrungsglut, die uns durchflammt;
Von Ihm, der Alles schuf, ein Glanz,
Der Seele heil'ger Strahlenkranz!
Sei
meine Liebe sündhaft auch,
Und nenne Unrecht sie der Brauch,
Mag, wenn du willst, verrucht sie sein –
Nur sprich von Schuld die
ihre rein!
Sie schwand, die Sonne meiner Welt,
In deren Nacht kein Strahl mehr fällt!
O, winkte mir noch jetzt ihr Schein,
Und wär's zu Tod und Todespein!
Was wundert's euch, daß, wer dies Glück
Verliert, in Finsterniß geborgen,
Nicht still mehr ringt mit seinen Sorgen,
Nein, rasend anklagt sein Geschick,
Und wilde Thaten thut, die Schmach
Und Schuld noch zu dem Jammer legen?
Der Brust, die einwärts blutet, ach!
Bangt es nicht mehr vor äußern Schlägen.
Nicht fragt, wem jedes Glück zerschellt,
In welches Abgrunds Nacht er fällt.
Wild, wie des finstern Geiers Wesen,
Erscheint dir, Alter, all mein Thun;
Abscheu läßt mich dein Antlitz lesen,
Sei's drum, auch dies ertrag' ich nun!
Wahr ist's, daß, gleich dem Geier dort,
Ich meine Bahn befleckt mit Mord;
Doch folgt' ich auch dem Taubentriebe,
Zu sterben ohne zweite Liebe.
Geschöpfe, so gering in Ehren,
Könnten den Menschen dies noch lehren:
Ein Lieb, und nur ein einz'ges, nimmt
Der Specht, der an dem Waldbaum klimmt,
Der Schwan, der auf dem Wasser schwimmt.
Es mag der Thor dem Wechsel fröhnen,
Und treue Liebe frech verhöhnen;
Laßt ihm den Rausch an feiler Brust –
Ich neid' ihm nicht die flücht'ge Lust,
Und wen'ger gilt in seinem Wahn
Mir solch ein Geck, als jener Schwan,
Noch wen'ger als das eitle Ding,
Das er belog und hinterging.
Nein, solche Schmach war nimmer mein –
Leila, mein ganzes Herz war dein!
Du warst mein Wohl, mein Weh, mein Hort,
Mein Alles hier, – mein Hoffen dort.
Wie du, lebt Keine mehr auf Erden,
Und lebt sie, kann sie mein nicht werden;
Denn, ach! bei Keiner fänd' ich Ruh',
Die Ähnlich dir, und doch nicht du.
Die Sünden selber, die mich beugen,
Dies Sterbebett kann es bezeugen:
Du warst, du bist – o Qual! o Lust!
Die Wahnsinnsflamme meiner Brust!
»Und sie war hin – ich lebte noch,
Doch war's kein menschlich Leben mehr:
Ein Wurm, der um das Herz mir kroch,
Aufreizte mich zu toller Wehr.
Mich faßte allerwärts ein Graun,
Ins Antlitz der Natur zu schaun;
Denn was mir farbig sonst gelacht,
War schwarz wie meiner Seele Nacht.
Das Andre kennst du schon zumal,
All meine Schuld, halb meine Qual,
Doch sprich nicht mehr von Buße mir –
Du siehst, ich scheide bald von hier;
Sollt' auch dein Wort als wahr bestehn:
Machst
du Geschehnes ungeschehn?
Nicht danklos bin ich – doch mein Leid
Ist gegen Priestertrost gefeit.
Im Stillen ahne meine Pein,
Und laß dein Mitleid wortlos sein.
Rufst Leila du zurück ins Leben,
Dann bitte Gott, mir zu vergeben;
Dann sei ein Fürsprech dort mir Armen,
Wo man für Messen kauft Erbarmen!
Zur Löwin, der des Jägers Hand
Die Jungen aus der Höhl' entwandt,
Geh hin, und sprich ihr Sanftmuth ein –
Doch Trost ist Spott für
meine Pein!
»In frühern Tagen, sanftern Stunden,
Wo Seel' um Seele gern sich tauscht,
War mir ein treuer Freund verbunden,
Wo meiner Heimat Welle rauscht.
Send' ihm dies Pfand, daß ich mit nichten
Vergaß den flücht'gen Jünglingsschwur;
Mein Ende möcht' ich ihm berichten; –
Ob auch, in Leid versenkt, mich nur
Noch kurz durchzuckt der Freundschaft Feuer,
Blieb stets mein Unheilsnam' ihm theuer.
Seltsam! er hat's mir prophezeit –
Ich lachte – damals konnt' ich's noch, –
Wenn er mich voll Verständigkeit
Gewarnt – was galt sein Warnen doch!
Nun raunt Erinnerung mir zu,
Was einst mir nicht gestört die Ruh'.
Sag ihm: sein Ahnen ward erfüllt –
Er wird es mit Verwundrung hören,
Und seinen Sehergeist verschwören –
Sag ihm: obschon ich achtlos wild
Ihn auch gekränkt bei manchem Streit
In unsrer goldnen Jugendzeit,
Hätt' ich ihn gern mit bleichem Munde
Gesegnet in der letzten Stunde,
Doch könnte Gott mit Zorn nur sehn
Den Sünder für den Reinen flehn.
Nicht wehr' ich ihm, mein Thun zu schelten,
Er gönnt wohl Ruh' dem Blitzzerspellten;
Und was kann mir der Ruf noch gelten?
Nicht wehr' ich ihm, mich zu beweinen,
Die Fordrung müßt' als Trotz erscheinen;
Und was kann mehr als Freundeszähren
Des Bruders Sarg im Tod noch ehren?
Bring ihm den Ring, den er mir gab,
Und sag ihm, wie ich sank ins Grab:
Zerstört der Leib, der Geist erschlafft,
Ein Trümmerrest der Leidenschaft,
Ein herbstlich umgetriebnes Blatt,
Vom Sturm der Leiden welk und matt!
*
»Sprich mir nicht mehr von Truggesicht!
Nein, Vater, nein, ich träumte nicht.
Nur Schläfern kann ein Traum erscheinen,
Ich wacht' und sehnte mich zu weinen;
Doch konnt' ich's nicht, denn an die Stirn
Schlug pochend heiß, wie jetzt, mein Hirn.
Wie lechzt' ich, ach! nach
einer Zähre,
Die neues, liebstes Glück mir wäre!
Sie war mein Flehn, sie ist es noch,
Verzweiflung wehrt dem Wunsch jedoch.
Verschwende nicht dein fromm Gebet,
Dem die Verzweiflung widersteht!
Ich schmachte nicht nach Edens Fluh,
Ich will kein Paradies, – nur Ruh'.
Da war's – ich sag dir's, Vater – da
Sah ich sie lebend wieder – ja! –
Im weißen Symar glänzend fern,
Wie durch die Wolken jener Stern.
Ich schau' zu ihm jetzt, wie zu ihr,
Doch schien und scheint sie holder mir;
Dämmrig verblaßt sein Zitterschein –
O, morgen Nacht wird's dunkler sein,
Und eh' am Himmel blinkt sein Strahl,
Liegt meine Hülle starr und fahl.
Irr red' ich, Vater, da mein Geist
Sich seinen Fesseln bald entreißt.
Ich sah sie, Mönch – mit
einem Mal
Vergessen war die alte Qual,
Ich sprang empor mit stürm'scher Lust,
Und riß sie wild an meine Brust;
Ich hielt sie – doch was hielt mein Arm?
Kein athmend Wesen, liebewarm,
Kein Herz, das heiß an meinem schlüge –
Doch, Leila, sind es deine Züge!
Ach, bist du so verwandelt heut,
Daß meinen Blick dein Auge scheut?
Doch, wärst du, Liebste, noch so kalt,
Mein Arm umfängt mit Glutgewalt
Die langersehnte Huldgestalt.
Weh! eines Schattens luft'ge Glieder
Umfassend, sinkt er kraftlos nieder.
O sieh, da ist's! – in sanfter Ruh'
Winkt sie mit fleh'nder Hand mir zu,
Mit schwarzem Auge, seidnem Haar –
Siehst du wohl, daß sie todt nicht war?
Doch er ist todt! den ew'gen Schlaf
Schläft dort er, wo mein Schwert ihn traf;
Er steigt nicht aus der Erde Schacht,
Nie mehr – wie bist denn du erwacht?
Man sagte mir, die Wellen schlügen
Hoch über den geliebten Zügen;
Man sagte mir – o Schandbericht! –
Es nachzusprechen wag' ich nicht.
Doch, kommst du aus der Meeresschluft,
Zu suchen eine stillre Gruft,
So kühle mit der feuchten Hand,
Sanft streichelnd, meiner Stirne Brand,
Leg sie aufs Herz, das kranke, mir!
Gestalt – Gespenst – o bleibe hier,
Und laß mich ewig ruhn bei dir!
Sonst laß mich weiter mit dir gehn,
Als Wellen rauschen, Winde wehn!
*
»Mein Name dies – dies mein Bericht.
Gebeichtet, Vater, hab' ich hier
Den Jammer, der das Herz mir bricht,
Und für die Thräne dank' ich dir,
Die du geweint statt meiner nun.
Bei den Geringsten laß mich ruhn,
Ein schlichtes Kreuz zu Häupten mir,
Doch ohne Namen, ohne Zier,
Daß nicht der Fremdling danach spähe,
Der Pilger dort nicht stille stehe.«
*
Er schied – kein Zeugniß ward bekannt
Von seinem Namen, seinem Stand,
Als was der Mönch geheim bewahrt,
Dem er es sterbend offenbart.
Dies Bruchstück, wirr und halb verloren,
Ist Alles, was zu unsern Ohren
Von ihr und ihm die Kunde trug,
Die er geliebt, den er erschlug.
Ein eigenes Erlebniß des Dichters während seines Aufenthaltes zu Athen im Frühjahre 1810 gab, wie Lord Byron später seinem Freunde, dem Capitän Thomas Medwin, erzählte, die Anregung zu dieser poetischen Erzählung. Byron hatte das Glück, einer jungen Türkin, die er leidenschaftlich liebte, und an der wegen ihres Liebesverkehres mit einem Christen die Strafe des Ersäufens im ägäischen Meere vollzogen werden sollte, durch sein beherztes Eingreifen das Leben zu retten. Sie wurde zu ihren Verwandten nach Theben geschickt; »und dort starb sie,« fügt Medwin hinzu, »drei Tage nach ihrer Ankunft, an einem Fieber, – vielleicht der Liebe.«
Die Handschrift dieses fragmentarischen Gedichtes, welche der im Mai 1813 erschienenen ersten Ausgabe zu Grunde lag, enthielt wenig mehr als 400 Verse; der bei weitem größere Theil wurde allmählich während des Druckes dieser und der folgenden Auflagen hinzugefügt.
Für das leichtere Verständniß des Ganzen sei in der Kürze bemerkt, daß als Erzähler der Geschichte jener Fischer (S. 13) zu denken ist, der aus Furcht vor den mainotischen Seeräubern, welche die Küste Attika's unsicher machen, Abends mit seinem Nachen in den Hafen von Port Leone (dem alten Piräus) einläuft, und Augenzeuge der meisten, von ihm geschilderten Ereignisse gewesen ist. Nach der lebhaften Schilderung des gespenstischen Reiters, der zuerst seine Neugierde erweckt hat, unterbricht er plötzlich (S. 16) den Fluß seiner Erzählung, um Verwünschungen auf das Haupt des Gjauren (Ungläubigen) zu häufen, die Verödung des einst so prächtigen Harems zu schildern, und den jähen Tod des Besitzers Hassan und seiner Sklavin Leila zu beklagen. Er enthüllt dadurch gleichsam unabsichtlich die Katastrophe, und erregt das Mitgefühl seiner Hörer, ohne die erwartungsvolle Spannung derselben zu vermindern. Mit dem Tode Hassan's und den Betrachtungen, welche sich demselben anschließen, ist die Erzählung des Fischers (S. 31) zu Ende. Der Rest bildet gewissermaßen einen zweiten Gesang, und ich habe ihn durch das typographische Arrangement als solchen bezeichnet, da der vollständige Wechsel der Scenerie und der Zeitabschnitt von sechs Jahren, welcher zwischen den beiden Hälften des Gedichtes liegt, andern Falls leicht den Leser verwirren könnte.
Die nachstehenden Anmerkungen zu diesem Gedichte rühren, mit Ausnahme der von Klammern umschlossenen, sämmtlich von dem Dichter selber her.
S. 8. Am Grab, wo der Athener ruht.
Ein Grabmal oberhalb der Felsen des Vorgebirges, das von Einigen für das Grab des Themistokles gehalten wird.
S. 8.
Die Rose blüht dort überall,
Die Sultanin der Nachtigall.
Die Liebe der Nachtigall zur Rose ist ein bekanntes persisches Märchen. »Bülbül der tausend Lieder« ist, wenn ich nicht irre, eine ihrer Benennungen.
S. 9. Des Schiffers Zitherspiel erklingt.
Die Zither ist Abends der ständige Zeitvertreib des griechischen Schiffers; bei dauernd günstigem Winde und während einer Windstille wird stets dazu gesungen, und oft auch getanzt.
S. 10.
Die mit der Starrheit kalter Ruh'
Die Seele des Beschauers schreckt.
»Ja, aber sterben! gehn, wer weiß, wohin!
In kalter Starrheit liegen!«
Shakespeare's »Maaß für Maaß«, Akt III., Sc. 1.
S. 10.
So lieblich ist, so ruhig mild
Das erste, – ach, das letzte Bild,
Das unserm Blick der Tod enthüllt!
Vermuthlich haben wenige meiner Leser je Gelegenheit gehabt, das zu sehen, was ich hier zu schildern versuchte; wer aber Gelegenheit dazu fand, hat gewiß eine schmerzliche Erinnerung der eigenthümlichen Schönheit bewahrt, die, mit seltenen Ausnahmen, die Züge der Todten wenige Stunden, aber auch nur wenige Stunden, nachdem der Geist entflohen ist, überstrahlt. Es ist zu bemerken, daß bei einem durch Schußwunden herbeigeführten gewaltsamen Tode der Ausdruck stets der der Schlaffheit ist, wie kräftig auch der Charakter des Getödteten gewesen sei; daß aber bei einer Erdolchung das Gesicht seine Züge von Sanftmuth oder Wildheit und der Geist sein Gepräge bis zuletzt bewahrt.
S. 12.
Zum Grabe kriecht jetzt dies Geschlecht
Als Sklav, – ja, als des Sklaven Knecht.
Athen ist das Eigenthum des Kislar-Aga (Sklave des Serails und Hüter der Frauen), welcher den Woywoden ernennt. Ein Kuppler und Eunuch – die Bezeichnungen sind nicht fein, aber wahr – beherrscht jetzt den Herrscher von Athen!
S. 14. – – – der Tupheken Knall.
»Tupheke« = Muskete. – Der Beiram wird bei Sonnenuntergang durch Kanonensalven angekündigt; die Erleuchtung der Moscheen und das Feuern aus allerlei kleinen Gewehren, die mit Kugeln geladen sind, geben ihn während der Nacht bekannt.
S. 15. Schnell, wie des Dscherids Wurfgeschoß.
Dscherid, ein stumpfer türkischer Wurfspieß, der mit großer Kraft und Gewandtheit vom Pferde herabgeschleudert wird. Es ist dies eine Lieblingsübung der Muselmänner; ob sie jedoch eine männliche genannt werden kann, weiß ich nicht, da die schwarzen Eunuchen Konstantinopels die Geschicktesten in dieser Kunst sind. Nächst ihnen war, meiner Ansicht nach, ein Mameluk in Smyrna der Gewandteste, welcher mir vor Augen kam.
S. 18. Das heil'ge »Brot und Salz« zu segnen.
Theilnehmen am Mahle, Brot und Salz mit dem Wirthe essen, verbürgt die Sicherheit des Gastes, dessen Person, wäre es selbst ein Feind, von diesem Augenblick an geheiligt ist.
S. 18.
Der Gast flieht die Halle, die Arbeit der Knecht,
Seit der Gjaur ihm den Turban zerspliß im Gefecht.
Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß Mitleid und Gastlichkeit die Hauptpflichten sind, welche Mahomed einschärft, und welche in der That von seinen Jüngern allgemein geübt werden. Das höchste Lob, welches einem Häuptling zu Theil werden kann, ist die Verherrlichung seiner Milde, – sodann seiner Tapferkeit.
S. 18. Von Silber blitzt der Ataghan.
Der Ataghan, ein langer Dolch, den man nebst den Pistolen im Gürtel trägt, und zwar in einer metallenen Scheide, die gewöhnlich von Silber und bei Reicheren vergoldet oder von Gold ist.
S. 18.
Den Ersten hat die grüne Tracht
Als Emir kenntlich mir gemacht.
Grün ist die privilegirte Farbe der zahlreichen angeblichen Nachkommen des Propheten. Bei ihnen wird, wie hier, vorausgesetzt, daß der Glaube (ihr Familienerbtheil) die Nothwendigkeit guter Werke aufhebe; sie sind die Schlechtesten eines höchst unbedeutenden Gezüchts.
S. 18. » Wer bist du? he!« – Mein Salem lehrt –
»Salem Aleikum! Aleikum Salem!« (Friede sei mit dir! Mit dir sei Friede!) ist der Gruß für die Gläubigen. Für einen Christen sind »Urlarula!« (Gute Reise!) oder »Saban Hiresem, Saban Serula« (Guten Morgen, guten Abend!), bisweilen auch »Möge dein Ende glücklich sein!« die gewöhnlichen Begrüßungen.
S. 19. Die Königin der Schmetterlinge.
Der blaugeflügelte Schmetterling von Kaschmir, der seltenste und schönste dieser Gattung.
S. 20.
Es gleicht das Herz, von Schuld beschwert,
Dem Skorpion in Feuersglut.
Anspielung auf den zweifelhaften Selbstmord des Skorpions, welchen zartfühlende Naturforscher des Experiments halber in diese Lage versetzen. Einige behaupten, daß die Stellung, bei welcher der Stachel gegen den Kopf gewendet ist, nur eine Krampfbewegung sei; Andere jedoch haben ernstlich das Verdikt » Felo de se« abgegeben. Die Skorpione haben gewiß ein Interesse an einer baldigen Entscheidung der Streitfrage; denn sind sie erst einmal als Insekten-Catos wirklich anerkannt, so wird man sie hoffentlich so lange leben lassen, wie es ihnen gutdünkt, und sie nicht mehr einer Hypothese wegen zu Märtyrern machen.
S. 21. Wo Ramasan zu Ende geht etc.
Ein Kanonenschuß bei Sonnenuntergang schließt den Ramasan. Vgl. die zweite Note auf S. 154.
S. 22. – – – – – –
beim Schein
Phingari's.
Phingari, der Mond.
S. 22.
Schien strahlend, gleich dem Prachtjuwele
Dschamschid's.
Der berühmte fabelhafte Rubin des Sultans Dschamschid, des Verschönerers von Istakar; wegen seines Glanzes Schebgerag, »die Fackel der Nacht«, auch »die Schale der Sonne« etc. genannt.
S. 22. Wenn mich Al-Sirat's Bogen tragen.
Al-Sirat, die Brücke, welche schmäler als der Faden einer ausgehungerten Spinne und schärfer als die Schneide eines Schwertes ist, und über welche die Muselmänner ins Paradies hinüberglitschen müssen, da sie den einzigen Eingang zu demselben bildet. Aber das ist noch nicht das Schlimmste; denn der Fluß darunter ist die Hölle, in welche, wie zu erwarten steht, die Ungeschickten und Zartfüßigen mit einem » facilis descensus Averni« hinabtaumeln, nicht eben die erfreulichste Aussicht für den nächsten Passagier. Unterwärts ist ein kürzerer Weg für die Juden und Christen.
S. 22.
Das Weib sei Staub, ein seelenlos
Werkzeug für herrische Lüste blos.
Ein gewöhnlicher Irrthum; der Koran erkennt Frauen, die sich gut aufgeführt haben, doch wenigstens ein Drittheil des Paradieses zu; aber bei Weitem die Mehrzahl der Muselmänner deutet den Text nach eigenem Gefallen und schließt ihre Ehehälfte ganz vom Himmel aus. Als Gegner der Platoniker vermögen sie in den Seelen des andern Geschlechtes keine »geistige Tüchtigkeit« zu finden und meinen, selbige würden durch die Houris ersetzt werden.
S. 22.
Den holden Wangen, zart und rein
Schien der Granatenblüthen Schein
All seinen duft'gen Hauch zu leihn.
Ein orientalisches Gleichniß, das man, obgleich es nur gestohlenes Gut ist, vielleicht » plus Arabe qu'en Arabie« finden wird.
S. 23. Ihr hyazinthenfarbnes Haar.
Hyazinthen, arabisch »Sunbul«, sind bei den orientalischen Dichtern ein eben so gebräuchliches Bild, wie vormals bei den Griechen.
S. 23. Das schönste Kind von Frangistan.
»Frangistan«, Cirkassien.
[S. 25. Lykeri's Höh' –
Lykeri oder Liakura, der alte Parnaß.]
S. 25. Bismillah! aus ist die Gefahr.
»Bismillah!« (im Namen Gottes!) der Anfang fast aller Kapitel des Korans, sowie der Gebete und Danksagungen.
S. 26. Da sträubt sich ihm der Bart vor Wuth.
Eine bei einem zornigen Muselman nicht ungewöhnliche Erscheinung. Im Jahre 1809 gerieth bei einer diplomatischen Audienz der Backenbart des Kapudan Pascha in nicht geringere Zornbewegung als der einer Tigerkatze, so daß alle Dragomans von Schreck befallen wurden; während der riesige Schnurrbart zusammengedreht blieb, sträubte sich der Rest des Bartes auf eigene Hand und drohte jeden Augenblick seine Farbe zu verändern; endlich jedoch war er so freundlich, sich zu beruhigen, was muthmaßlich mehr Häupter rettete, als er Haare enthielt.
S. 26. Noch schreit er jemals feig: »Aman!«
»Aman!«, Gnade, Pardon.
S. 26. Ich kenn' ihn an dem bösen Blick.
Der »böse Blick«, ein gewöhnlicher Aberglaube in der Levante; seine eingebildeten Wirkungen auf Diejenigen, welche sich davon getroffen wähnen, sind höchst eigenthümlich.
S. 28.
Blutig die Fetzen, die verlor
An Busch und Strauch sein Palampor.
Die geblümten Shawls, welche von Personen von Rang allgemein
getragen werden.
S. 29. Sein Kalpak klafft, sein Tuch ist roth.
Der Kalpak ist die starke Kappe oder der mittlere Theil der Kopfbedeckung; der darum gewundene Shawl bildet den Turban.
S. 30.
Ein Turban, roh aus Stein gemetzt,
Und, unkrautüberwuchert jetzt,
Die Säule, drauf mit Mühe man
Den Koranspruch noch lesen kann.
Der Turban, die Säule und der darauf eingegrabene Trauervers zieren die Gräber der Osmanlis auf dem Kirchhofe wie in der Wildniß. Im Gebirge kommt man oft an solchen Denksteinen vorüber, und erfährt auf Befragen, daß sie an irgend ein Opfer des Aufruhrs, des Raubes oder der Rache erinnern.
S. 30.
Wenn er in feierlicher Ruh
Nachmurmelte das »Allah Hu!«
»Allah Hu!« die Worte, mit welchen der Gebetsaufruf des Muezzin von der höchsten Galerie an der Außenseite des Minarets schließt. Wenn der Muezzin, was häufig der Fall ist, eine schöne Stimme hat, so ist die Wirkung an einem stillen Abend weit feierlicher und schöner, als alles Glockengeläut in der Christenheit.
S. 30.
Es winkt der grünen Tücher Gruß,
Den Tapfern lohnt ihr Willkommskuß.
Diese Stelle ist einem Schlachtgesange der Türken entlehnt: »Ich seh', ich seh' ein dunkeläugiges Mädchen des Paradieses, und sie winkt mit einem Tuche, mit einem grünen Tuche, und ruft laut: Komm, küsse mich, denn ich liebe dich, etc.«
S. 30.
Doch dir, Ungläub'ger, sei das Leid
Von Monkirs Sensenstahl bereit.
Monkir und Nekir sind die Todtenrichter, vor welchen der Leichnam einem kurzen Noviziat und Vorbereitungskursus der Verdammniß unterzogen wird. Wenn seine Antworten nicht ganz deutlich sind, so wird er mit einer Sense emporgehoben und mit einer rothglühenden Keule niedergehauen, bis er, mit Hülfe einiger weiteren Proben, in die gehörige Verfassung kommt. Das Amt dieser Engel ist keine Sinekure; es sind ihrer nur zwei, und da die Zahl der abscheidenden Rechtgläubigen im Verhältniß zu den Uebrigen nur gering ist, so haben sie immer alle Hände voll zu thun.
S. 30. Sollst du umwandeln Eblis' Thron.
Eblis, der orientalische Fürst der Finsterniß.
S. 30.
Doch erst, als Vampyr umzugehn,
Soll aus der Gruft dein Leib erstehn.
Der Vampyr-Aberglaube ist in der Levante noch immer allgemein. Der biedere Tournefort erzählt eine lange Geschichte davon, welche Herr Southey in seinen Noten zu »Thalaba« Betreffs dieser »Vroukolochas«, wie er sie nennt, citirt. Der neugriechische Ausdruck ist »Vardoulacha«. Ich erinnere mich, daß einmal eine ganze Familie durch das Aufschreien eines Kindes erschreckt wurde, weil sie sich einbildete, dies müsse von einer solchen Heimsuchung herrühren. Die Griechen sprechen das Wort nie ohne Schaudern aus. Ich finde, daß »Broukolokas« eine alte echthellenische Benennung ist – wenigstens hat man sie auf Arsenius angewandt, der nach dem Glauben der Griechen nach seinem Tode vom Teufel wieder belebt wurde. Die Modernen jedoch bedienen sich des obenerwähnten Ausdrucks.
S. 31.
Feucht triefe dir von Zahn und Mund
Das Blut aus ihres Herzens Grund.
Die Frische des Gesichtes und eine von Blut feuchte Lippe sind die untrüglichen Kennzeichen eines Vampyrs. Die Geschichten, die man sich in Ungarn und Griechenland von diesen schändlichen Blutsaugern erzählt, sind merkwürdig, und einige derselben sind auf das Unglaublichste bestätigt worden.
[S. 31. Mit Gouls und mit Afrits zu hausen.
Die Gouls und Afrits sind verruchte Dämonen, welche, der Hölle entsteigend, besonders in der Wüste ihren unheimlichen Spuk treiben, die Wanderer äffen und auf Irrwege locken etc. Sie sind mit den Dschinns verwandt, nur daß diese nicht immer böse Geister sind.]
[S. 32. Wie nennt Ihr den Kalojer da?
Kalojer, Kaloger, Kaluger oder Kaludscher, griechischer Mönch.]
S. 36. Dem Wüstenvogel gleicht dies Herz.
Der Pelikan ist, wenn ich nicht irre, der Vogel, welchem man nachsagt, daß er seine Jungen mit seinem Blute nähre.
S. 40.
Denn warnend scholl zu ihm empor
Des Tahirs Ruf, in dessen Ohr
Der Todesschuß erklang zuvor.
Diesen Aberglauben eines »zweiten Gehörs« (denn einem »zweiten Gesicht« bin ich eigentlich nie im Morgenlande begegnet) habe ich einmal selbst beobachtet. Als wir bei meiner dritten Reise nach Cap Colonna im Frühjahre 1811 den Hohlweg passirten, der aus dem Dorfe zwischen Keratia und Colonna hinaus führt, sah ich Derwisch Tahiri etwas vom Wege abreiten und sein Haupt schmerzlich auf die Hand stützen. Ich ritt zu ihm hin, und frug nach der Ursache. »Wir sind in Gefahr«, antwortete er. – »Was Gefahr! Wir sind jetzt nicht in Albanien, noch in den Engpässen von Ephesus, Missolunghi oder Lepanto; unsere Schaar ist zahlreich und wohlbewaffnet, und die Choriaten haben nicht den Muth, Spitzbuben zu sein.« – »Wahr, Effendi, aber nichtsdestoweniger hallt der Schuß in meinen Ohren.« – »Der Schuß? Keine Tupheke ist heute Morgen abgefeuert worden.« – »Dennoch höre ich sie – bum – bum – so deutlich, wie ich Eure Stimme höre.« – »Unsinn!« – »Wie's Euch gefällt, Effendi; wenn es geschrieben steht, so wird es geschehen.« – Ich verließ den feinhörigen Fatalisten, und ritt zu Basili, seinem christlichen Landsmanne, dessen Ohren, obwohl sie durchaus nicht prophetisch waren, die Nachricht doch offenbar nicht erfreute. Wir kamen Alle in Colonna an, blieben dort mehrere Stunden, und kehrten dann gemächlich zurück, indem wir dem schlechten Propheten in mehr Sprachen, als den babylonischen Thurmbau verhinderten, allerlei Annehmlichkeiten sagten. Romaisch, Arnautisch, Türkisch, Italienisch und Englisch ergoß sich in den verschiedensten Witzworten über den unglücklichen Muselman. Während wir die schöne Aussicht betrachteten, machte sich Derwisch zwischen den Säulen zu schaffen. Ich glaubte ihn in einen Alterthumsforscher verwandelt und frug ihn, ob er ein »Palaocastro«-Mann geworden sei. »Nein«, erwiderte er, »aber diese Säulen werden ein guter Deckungsort sein«; und dann fügte er noch mehrere Bemerkungen hinzu, die wenigstens seinen eigenen Glauben an diese lästige Gabe des Vorherhörens bewiesen. Bei unserer Rückkehr nach Athen erfuhren wir von Leoné (einem Gefangenen, der einige Tage nachher ans Land gesetzt wurde) von dem beabsichtigten Ueberfall der Mainoten, dessen, nebst der Ursache seines Unterbleibens, in den Anmerkungen zum zweiten Gesange von »Harolds Pilgerfahrt« gedacht worden ist. Es kostete einige Mühe, den Mann auszufragen, und er beschrieb die Tracht, die Waffen und die Abzeichen der Pferde bei unserer Schaar so genau, daß wir, in Verbindung mit anderen Umständen, nicht daran zweifeln konnten, er habe sich in »schurkischer Gesellschaft« und wir selbst uns in böser Nachbarschaft befunden. Fortan stand Derwisch als Wahrsager hoch in Ehren.
S. 44.
Nicht danklos bin ich – doch mein Leid
Ist gegen Priestertrost gefeit.
Die Rede des Mönchs ist weggelassen. Sie scheint auf den Kranken so wenig Wirkung geübt zu haben, daß sie nicht hoffen dürfte, großen Eindruck auf den Leser zu machen. Es genügt, zu bemerken, daß sie die gewöhnliche Länge hatte (wie aus den Unterbrechungen und dem Unbehagen des Kranken ersichtlich ist), und daß sie in dem herkömmlichen Tone aller orthodoxen Prediger abgehaspelt ward.
S. 46. Im weißen Symar –
Symar, ein Leichentuch.
S. 48.
Dies Bruchstück, wirr und halb verloren,
Ist Alles –
Der Vorfall, auf den sich obige Erzählung bezieht, war eben nicht ungewöhnlich in der Türkei. Vor wenigen Jahren klagte die Gemahlin des Muchtar Pascha bei dessen Vater über die Untreue seines Sohnes; er erkundigte sich nach der Mitschuldigen, und sie war so grausam, eine Namensliste der zwölf schönsten Frauen von Janina einzureichen. Sie wurden ergriffen, in Säcke geschnürt und noch selbige Nacht im See ertränkt! Einer von der Wache, welcher zugegen gewesen, erzählte mir, auch nicht eines der Opfer habe einen Schrei ausgestoßen oder ein Zeichen des Schreckens verrathen bei einer so plötzlichen »Trennung von Allem, was wir kennen; von Allem, was wir lieben«. Das Schicksal Phrosine's, der Schönsten unter den Hingeopferten, ist der Gegenstand manches romaischen und arnautischen Liedes. Die von mir behandelte Geschichte erzählte man vor vielen Jahren von einem jungen Venetianer, und sie ist jetzt beinahe vergessen. Ich hörte sie zufällig von einem Kaffeehaus-Erzähler vortragen, deren so viele in der Levante ihre Geschichten vorsingen oder recitiren. Die Zusätze und Einschiebsel des Uebersetzers wird man durch den Mangel an orientalischen Bildern leicht von dem Uebrigen unterscheiden, und ich bedauere, daß mein Gedächtniß so wenige Bruchstücke des Originals behalten hat.