George Byron
Marino Faliero - Doge von Venedig
George Byron

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Vorwort.

Die Verschwörung des Dogen Marino Faliero ist eines der merkwürdigsten Ereignisse in den Annalen der eigenthümlichsten Regierung, Stadt und Volksrasse der modernen Geschichte. Sie trug sich im Jahr 1355 zu. Alles, was mit Venedig zusammenhängt, ist oder war außergewöhnlich: seine äußere Erscheinung ist eine Art Traumbild, seine Geschichte ein Roman. Die Geschichte des genannten Dogen ist in allen Chroniken der Stadt erwähnt, besonders ausführlich in den Lebensbeschreibungen der Dogen von Marin Sanuto, wovon im Anhang ein Auszug gegeben ist. Sie ist dort einfach und klar erzählt und vielleicht an sich schon dramatischer als jede auf Grund derselben versuchte dramatische Behandlung.

Marino Faliero scheint ein Mann von Talent und Muth gewesen zu sein. Ich finde ihn als Oberbefehlshaber der Landarmee bei der Belagerung von Zara, wo er den König von Ungarn und dessen 80,000 Mann starkes Heer schlug und ihm 8000 Mann tödtete, während er zugleich die Belagerten im Schach hielt: eine That, die nur in Cäsars Operationen vor Alesia und in Prinz Eugen's vor Belgrad ihres Gleichen findet. In dem gleichen Kriege führte er später die Flotte und nahm Capo d'Istria. Er war Gesandter in Genua und Rom. Während des letzteren Ehrenamts erhielt er die Nachricht von seiner Erwählung zum Dogen. Seine Abwesenheit von Venedig mag als Beweis davon dienen, daß er diese Würde keiner Intrigue verdankte. Er erfuhr den Tod seines Vorgängers und seine eigene Ernennung in derselben Stunde.

Zugleich scheint er aber auch ein Mann von heftiger Gemüthsart gewesen zu sein. Sanuto erzählt, daß er mehrere Jahre früher als Podestà und Stadthauptmann von Treviso den dortigen Bischof mit Ohrfeigen tractirt habe, weil dieser etwas säumig in Darreichung der Hostie war. Dafür verdammt ihn der ehrliche Sanuto, wie Thwackum den Square, meldet uns jedoch nicht, ob er während seiner Amtsführung für diese Gewalttätigkeit vom Senate gestraft oder getadelt wurde. Jedenfalls scheint er im Frieden mit der Kirche geblieben zu sein, denn wir finden ihn, wie gesagt, als Gesandten in Rom; auch wurde er von dem Graf-Bischof von Ceneda mit Val di Marino in der Mark Treviso belehnt und mit dem Grafentitel beehrt. Meine Quellen hiefür sind: Sanuto, Vettor Sandi, Andrea Navagero sowie der Bericht über die Belagerung von Zara, der zuerst von dem fleißigen Abbate Morelli in seinen im Jahr 1796 gedruckten Monumenti Veneziani di varia Letteratura veröffentlicht wurde, welche Quellen ich sämmtlich im Original studirt habe. Die neueren Schriftsteller Daru, Sismondi und Laugier stimmen nahezu mit den alten Chronisten überein. Sismondi schreibt die Verschwörung der Eifersucht Faliero's zu, was aber durch keinen venezianischen Schriftsteller bestätigt wird. Vettor Sandi sagt allerdings: Altri scrissero che . . . dalla gelosa suspizion di esso Doge siasi fatto (Michel Steno) staccar con violenza)Andre schreiben, die Eifersucht des Dogen sei Schuld gewesen, daß er den Michel Steno mit Gewalt habe fortbringen lassen. etc. etc. Dies scheint jedoch keineswegs die allgemeine Ansicht gewesen zu sein, auch erwähnen Sanuto und Navagero nichts hievon, und Sandi selbst setzt gleich darauf hinzu: per altre Veneziane memorie traspiri, che non il solo desiderio di vendetta lo dispose alla congiura, ma anche la innata abituale ambizion sua, per cui anelava a farsi principe independente.Aus andern venezianischen Denkschriften ergibt sich, daß ihn keineswegs blos Rachsucht zu der Verschwörung veranlaßte, sondern auch sein angeborner Ehrgeiz, der ihm den Wunsch eingab, sich zum unabhängigen Herrscher zu machen.

Die erste Veranlassung scheint allerdings, die derbe wörtliche Beleidigung gegeben zu haben, welche Michel Steno auf den Stuhl des Dogen schrieb, sowie die leichte und unangemessene Strafe, welche die Vierzig, zu deren drei Häuptern der Schuldige zählte, über denselben verhängten. Die Huldigungen Steno's scheinen übrigens nicht der Dogaresse selbst, sondern einem ihrer Fräulein gegolten zu haben, denn gegen den Ruf der ersteren liegt nicht der leiseste Verdacht vor, so hoch sie auch wegen ihrer Schönheit und Jugend gepriesen wurde. Auch finde ich nirgends – wofern man nicht den Wink Sanuto's dafür nehmen will – die Behauptung aufgestellt, daß Eifersucht auf seine Gemahlin die Triebfeder des Dogen gewesen sei, vielmehr scheint ihn einzig die Verehrung für sie und die Achtung für seine eigene Ehre, die auf seine vergangenen Dienste und seine gegenwärtige Würde fußte, geleitet zu haben.

Von Engländern hat nur Dr. Moore die geschichtliche Thatsache in seiner Schilderung Italiens behandelt. Seine Darstellung ist jedoch unrichtig und oberflächlich, voll schaler Witze über alte Männer und junge Frauen: er wundert sich, daß eine so geringfügige Ursache eine so große Wirkung gehabt habe. Wie ein so scharfer und strenger Beobachter von Menschen, wie der Verfasser des Zeluco war, sich hierüber wundern konnte, ist schwer zu begreifen. Er wußte doch, daß ein auf Mistreß Masham's Kleid verschüttetes Glas Wasser den Herzog von Marlborough seines Commandos beraubte und zu dem unrühmlichen Frieden von Utrecht führte; daß Ludwig XIV. in den furchtbarsten Krieg verwickelt wurde, nur weil es seinen Minister Louvois geärgert hatte, daß der König ein Fenster im Schlosse tadelte und er ihn mit etwas Anderem beschäftigen wollte; daß Troja durch Helena verloren ging; daß die Tarquinier durch Lucretia aus Rom vertrieben wurden; daß Cava die Mauren nach Spanien brachte; daß ein beschimpfter Ehemann die Gallier nach Clusium und von da nach Rom führte; daß ein Vers Friedrich's II. von Preußen an den Abbé de Bernis und ein Witz über Madame de Pompadour die Schlacht von Roßbach zur Folge hatte; daß die Entführung Dearbhorgils durch Mac Murchad die Engländer veranlaßte, Irland in Ketten zu schlagen; daß ein persönlicher Hader zwischen Marie Antoinette und dem Herzog von Orleans die erste Verbannung der Bourbons beschleunigte; daß Commodus, Domitian und Caligula nicht wegen ihrer offenkundigen Tyrannei, sondern als Opfer der Privatrache fielen; daß der Befehl, welcher Cromwell das Schiff wieder verlassen hieß, in welchem er schon nach Amerika segeln wollte, den König und die Monarchie vernichtete. Nach solchen Vorgängen brauchte sich Dr. Moore darüber nicht zu wundern, daß ein Mann, der zu befehlen gewohnt war, und der die wichtigsten Aemter inne gehabt, in der Hitze seines Alters es aufs Aeußerste empfand, daß die gröbste Beleidigung, die einem Manne, sei er nun Fürst oder Bauer, angethan werden kann, ungerochen bleiben sollte. Das Alter Faliero's macht nichts zur Sache, es wirkt im Gegentheil nur verstärkend:

Strohfeuer ist des jungen Mannes Wuth,
Des Greisen Grimm ist Stahl in rother Glut,
Der Jüngling schnell verletzt und schnell vergißt,
Der Greis in Beidem sehr bedächtig ist.

Laugier's Betrachtungen sind philosophischer: Tale fu il fine ignominioso di un uomo, che la sua nascita, la sua età, il suo carattere dovevano tener lontano dalle passioni produttrici di grandi delitti. I suoi talenti per lungo tempo esercitati ne' maggiori impieghi, la sua capacità sperimentata ne' governi e nelle ambasciate, gli avevano acquistato la stima e la fiducia de' cittadini, ed avevano uniti i suffragj per collocarlo alla testa della republica. Innalzato ad un grado che terminava gloriosamente la sua vita, il risentimento di un' ingiuria leggiera insinuò in suo core tal veleno che bastò a corrompere le antiche sue qualità, e a condurlo al termine dei scellerati, serio esempio, che proba non esservi età, in cui la prudenza umana sia sicura, e che nell' uomo restanto sempre passiono capaci a disonorarlo, quando non invigili sopra se stesso.Dies war das schmachvolle Ende eines Mannes, den Geburt, Alter und Charakter von den Leidenschaften hätten ferne halten sollen, welche große Verbrechen zur Folge haben. Die Talente, welche er viele Jahre lang in Ausübung der höchsten Aemter an den Tag gelegt hatte, seine Befähigung, welche, sich in der Verwaltung von Provinzen und bei Gesandtschaften gezeigt hatte, hatten ihm die Achtung und das Vertrauen seiner Mitbürger erworben und alle Stimmen vereinigt, um ihn an die Spitze der Republik zu stellen. Auf eine Stelle erhoben, wo er sein Leben ruhmvoll abschließen konnte, erzeugte eine leichte Beleidigung einen solchen Ingrimm in seinem Herzen, daß er genügte, um seine trefflichen Eigenschaften zu vernichten und ihm das Ende der Verbrecher zu bereiten, ein mächtiger Beweis, daß es kein Alter gibt, in welchem die menschliche Klugheit auf ganz sichern Füßen steht, und daß sich in jedem Menschen Leidenschaften bergen, die ihn entehren können, wenn er nicht über sich wacht.

Wo hat Dr. Moore gefunden, daß Marino Faliero um sein Leben gebeten habe? Ich habe die Chroniken deshalb durchgestöbert, aber nichts der Art zu entdecken vermocht. Allerdings hat er Alles bekannt, auch die Tortur bestanden; aber nirgends steht, daß er um Gnade gefleht habe. Schon der Umstand, daß er auf die Folter gespannt wurde, spricht dafür, daß er keinen Mangel an Festigkeit gezeigt hat. Es wäre dies gewiß von den ins Detail eingehenden Geschichtschreibern, die ihn durchaus nicht schonen, erwähnt worden. Ein solches Benehmen wäre mit seinem Charakter als Soldat, mit der Zeit, in der er lebte, und dem Alter, in dem er starb, ebenso wenig zu vereinigen wie mit der historischen Wahrheit. Die Verleumdung eines geschichtlichen Charakters läßt sich aber durch nichts entschuldigen, mag derselbe uns in der Zeit noch so ferne liegen. Den Todten und den Unglücklichen ist man Wahrheit schuldig. Diejenigen, welche auf dem Schaffot gestorben sind, haben in der Regel wirkliche Fehler genug gehabt; man braucht ihnen nicht auch noch solche anzudichten, welche schon dadurch, daß sie sich den Gefahren ausgesetzt, die zu ihrem gewaltsamen Tode führten, ganz unwahrscheinlich werden. – Der schwarze Schleier, welcher in der Dogengalerie über die Stelle des Marino Faliero gemalt ist, und die Riesentreppe, auf welcher er gekrönt, abgesetzt und enthauptet wurde, erregten meine Einbildungskraft ebenso sehr, wie sein ungestümer Charakter und seine merkwürdige Geschichte. Im Jahre 1819 ging ich mehr als einmal nach der Kirche San Giovanni e Paolo und suchte nach seinem Grabe. Als ich einst vor dem Grabmal einer anderen Familie stand, kam ein Priester zu mir her und bemerkte: »Ich kann Ihnen noch schönere Denkmäler zeigen«. Ich sagte ihm: ich suche die Gräber des Hauses Faliero und besonders das des Dogen Marino. »O,« erwiderte er, »das will ich Ihnen zeigen!« und führte mich an die Außenseite der Kirche, wo ich einen Sarkophag mit einer nicht mehr leserlichen Inschrift in der Mauer erblickte. Er sagte, der Sarkophag habe sich in einem benachbarten Kloster befunden, sei aber während der Anwesenheit der Franzosen von dort entfernt und an seine gegenwärtige Stelle verbracht worden. Er habe bei diesem Anlaß die Gruft selbst gesehen, wo man noch einige Gebeine, aber keine sichere Spur der Enthauptung vorgefunden habe. Die Reiterstatue, die ich im dritten Acte als vor dieser Kirche stehend erwähnte, ist übrigens nicht die eines Faliero, sondern eines weniger bekannten Generals aus späterer Zeit.Bartol. Colleoni 1495.

Es gab vor Marino noch zwei Dogen aus seiner Familie: nämlich Ordelafo, der im Jahre 1117 bei Zara, wo sein Nachkömmling die Ungarn schlug, fiel, und Vital Faliero, der schon im Jahre 1082 regierte. Die Familie stammte aus Fano und gehörte nach Alter und Reichthum zu den ersten Geschlechtern einer Stadt, die sich der reichsten und ältesten Häuser Europa's rühmte. Die Ausführlichkeit, womit ich mich über diesen Gegenstand verbreite, beweist, welch großes Interesse ich daran nehme. Ob mir nun die Tragödie gelungen ist oder nicht, so habe ich doch jedenfalls eine der Erinnerung würdige geschichtliche Begebenheit in unsere Sprache übertragen.

Es ist jetzt vier Jahre her, daß ich das Werk begann. Ehe ich die Urkunden geprüft hatte, war ich geneigt, die Sache auf die Eifersucht Marino's zurückzuführen. Als ich aber sah, daß sich dies historisch nicht begründen ließ, und mir überdies die Eifersucht als ein ausgepeitschtes Thema erschien, gab ich dem Drama eine mehr historische Färbung. Der verstorbene Matthew Lewis, mit dem ich im Jahre 1817 in Venedig über mein Vorhaben sprach, gab mir hiebei einen guten Rath. »Wenn Sie ihn eifersüchtig machen,« sagte er, »so haben Sie mit Schriftstellern zu rivalisiren, deren Ruf fest begründet ist; Shakespeare's nicht zu gedenken. Ueberdies bleibt es ein verbrauchtes Thema. Halten Sie sich deshalb lieber an den wirklichen Charakter des heftigen alten Dogen, mit dem Sie wol hinauslangen, wenn er richtig gezeichnet wird; und machen Sie Ihren Plan so einfach als möglich.« Sir William Drummond gab mir nahezu den gleichen Rath. Inwieweit es mir gelungen ist, diesen Männern zu folgen, oder ob ihr Rath wirklich ein richtiger war, möge das Publikum entscheiden.

Ich dachte dabei nicht an eine Darstellung auf der Bühne. Bei dem gegenwärtigen Zustande derselben könnte eine solche Darstellung auch nicht wohl das Ziel dichterischen Ehrgeizes sein. Ich selbst bewegte mich zu viel hinter den Coulissen, um zu glauben, daß die Bühne jemals etwas so Großes sein könnte, um unsern Ehrgeiz zu erregen. Ich kann auch nicht begreifen, wie sich ein Mann von empfindlichem Nervensystem der Gnade eines Auditoriums preisgeben mag. Der spöttelnde Leser, die laute Kritik und der beißende Recensent sind vereinzelte und mehr fern liegende Unannehmlichkeiten; aber das Gestampfe einer verständigen oder auch einer unverständigen Zuhörerschaft bei einer Darstellung, die, ob nun gut oder schlecht, jedenfalls den Schriftsteller eine geistige Anstrengung gekostet hat, ist ein unmittelbarer und greifbarer Schmerz, der dadurch noch erhöht wird, daß man die Urtheilsfähigkeit des Publikums bezweifelt, und einsieht, wie unklug man handelte, als man es zum Richter erkor. Wäre ich im Stande ein Drama zu schreiben, welches als bühnengerecht erachtet werden könnte, so würde mir der Erfolg kein sonderliches Vergnügen, ein Mißerfolg dagegen großen Aerger bereiten. Aus diesem Grunde habe ich, selbst zu der Zeit, da ich dem Comité eines Theaters angehörte, nie einen Versuch gemacht, ein Stück von mir auf die Bühne zu bringen und werde es auch künftig nicht thun.So lange ich im Untercomité des Drury Lane-Theaters saß, haben meine Collegen und wie ich mir schmeichle, auch ich Alles gethan, um das ächte Drama wieder zur Geltung zu bringen. Ich versuchte alles Mögliche, um de Montfort wieder auf die Beine zu bringen, jedoch umsonst; ebenso wirkte ich vergebens zu Gunsten von Sotheby's »Iwan«, der doch als bühnenfähiges Stück galt. Auch gab ich mir alle Mühe, Coleridge zum Dichten einer Tragödie zu veranlassen. Diejenigen, welche nicht hinter die Coulissen sehen, werden es kaum glauben, daß »die Lästerschule« dasjenige Stück war, welches am wenigsten Geld eintrug, wenn man die Durchschnittssumme seiner Vorstellungen in Rechnung zieht. So versicherte mir wenigstens der Unternehmer Dibdin. Was seit der Aufführung von Matuvins »Bertram« geschah, weiß ich nicht. Vielleicht thue ich aus Unwissenheit eingen trefflichen neueren Dramatikern Unrecht; sollte dies der Fall sein, so bitte ich ihnen ab. Ich war beinahe fünf Jahre von England abwesend, lese erst seit einem Jahre wieder englische Zeitungen und wurde bis dahin nur durch den Pariser Galignani und zwar nur für die letzten zwölf Monate mit Theaterangelegenheiten auf dem Laufenden erhalten. Ich bitte deshalb alle tragischen oder komischen Schriftsteller, denen ich zwar alles Gute wünsche, von denen ich aber nichts weiß, um Verzeihung. – Die Klage über den gegenwärtigen Zustand der Bühne hat übrigens ihren Grund nicht in den Schauspielern. Ich kenne keine besseren Darsteller als Kemble, Cooke und Kean in ihren sehr verschiedenen Partieen, oder als Elliston im feineren Lustspiel und einigen tragischen Rollen. Miß O'Neill sah ich nie, da ich den festen Vorsatz gefaßt und bis jetzt auch gehalten habe, mir die Erinnerung an die Siddons durch nichts zu stören oder theilen zu lassen. Die Siddons und Kemble waren meine Ideale tragischer Darstellung; ich sah nie Etwas, was ihnen gleichkam, nicht einmal in der äußeren Erscheinung. Deshalb werden wir Coriolan und Macbeth nicht wieder sehen wie damals. Wenn man an Kean getadelt hat, daß es ihm an Würde fehle, so müssen wir bedenken, daß dies etwas Angeborenes und nicht Sache der Kunst ist, noch durch Studium gewonnen werden kann. In allen nicht übernatürlichen Rollen ist Kean vollkommen, selbst seine Fehler gehören zu der Rolle, oder scheinen dazu zu gehören, und erscheinen wahrer als die Natur. Von Kimble aber können wir mit Beziehung auf seine Darstellungsgabe dasselbe sagen, was der Cardinal de Retz von dem Marquis von Montrose sagte: »er ist der einzige Mann, der uns an die Helden des Plutarch erinnert hat«. Aber gewiß ist da, wo eine Johanna Baillie, ein Millman und ein John Wilson leben, eine dramatische Kraft vorhanden. »Die Stadt der Pest« und »Der Fall von Jerusalem« gehören zu dem besten Tragödienmaterial, das seit Horace Walpole da war, mit Ausnahme einiger Stellen aus Ethwald und de Montfort. Es ist jetzt Mode. Horace Walpole herabzusetzen, erstens weil er von Adel und zweitens weil er ein Mann von Welt ist. Aber abgesehen von seinen unvergleichlichen Briefen und von dem Castell von Otranto, ist er der »ultimus Romanorum«, der Verfasser der geheimnißvollen Mutter, einer Tragödie ersten Ranges, die von einem winselnden Liebesstück weit entfernt ist. Er ist der Vater des ersten Romans und der letzten Tragödie in unserer Sprache, und gewiß eines höheren Platzes würdig als jeder lebende Schriftsteller, heiße er wie er wolle.

Bei Besprechung meines Marino Faliero vergaß ich vorhin zu erwähnen, daß der Wunsch, mich mehr der dramatischen Einheit zu nähern, als der Regellosigkeit zu fröhnen, die man dem englischen Drama häufig zum Vorwurf macht, mich veranlaßt hat, die Verschwörung als bereits vorhanden anzunehmen und den Dogen erst hinzutreten zu lassen, während dieselbe in Wahrheit durch ihn und Israel Bertuccio angezettelt wurde. Die übrigen Charaktere – den der Dogaresse ausgenommen – die näheren Umstände und nahezu auch die Zeit, die für ein solches Beginnen in der Wirklichkeit merkwürdig kurz war, sind streng historisch behandelt, mit der alleinigen Ausnahme, daß in der Wirklichkeit alle Berathungen der Verschworenen im Dogenpalaste selbst Statt fanden. Hätt' ich dies beibehalten, so wäre die Einheit noch besser gewahrt worden. Es war mir aber darum zu thun, den Dogen mitten unter die versammelten Verschworenen treten zu lassen, statt daß er in monotoner Weise stets im Dialog mit den gleichen Individuen erschien.

Der Anhang enthält den wirklichen Thatbestand.


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