Luis Vaz de Camões
Lusiade
Luis Vaz de Camões

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Zweiter Gesang.

                   

1.

Es eilet nun des Lichtes großer Stern,
    Der jedem Tage seine Stunden spendet,
Zu seinem Ziele, lang ersehnt und fern,
    Daß von den Völkern ab sein Licht sich wendet,
Es öffnet ihm der Nächte Göttin gern
    Die stille Kammer, wo die Reise endet;
Da nah'n des Truges Boten schon den Stranden
Wo eben Ankergrund die Schiffe fanden;

2.

Und Einer war mit hoher Pflicht gedungen,
    Der schlimmsten Arglist Fäden anzuweben,
Der sprach: o Held, dem solcher Weg gelungen,
    Deß Schiffe stolz im Reich Neptunus schweben,
Der König dieser Insel will, durchdrungen
    Von Freud' ob Deines Kommens, Gruß Dir geben
Und Gastfreundschaft und Pflege wirksam weihen
Und Kunde gern vom Nöthigen Dir leihen.

3.

Und, weil er Dich so sehnlich wünscht zu schauen,
    Den großen Mann, dem Ruhm die Götter schenken;
So bittet er: Du mögest auf ihn bauen
    Und Deine Schiffe hin zum Hafen lenken;
Du könntest auch Dein Volk dem Land vertrauen
    Und auf Erholung für die Matten denken;
Wer solcher Reise milden Kampf bestanden,
Der wünsche wohl, im sichern Port zu landen. 31

4.

Und suchtest Waaren Du in diesen Landen,
    Wie in des Aufgangs Zonen sie gedeihn;
So sey Gewürz' in Menge hier vorhanden
    An Nelken, Zimmet, seltnen Arzeneien;
Auch könn' er Dir Rubinen, Diamanten
    Und andrer Edelsteine viel verleihn
Und reichlich Dich mit Jeglichem versehen,
Wornach nur irgend Deine Wünsche gehen.

5.

Darauf beginnt der Feldherr seine Worte:
    (Des Königs Botschaft dünket ihm willkommen)
Noch darf ich landen nicht im fremden Porte,
    Da schon die Sonn' im blauen Meer verglommen;
Doch werd' ich, wenn der Einfarth fremde Orte
    Die Sonne wiederum erhellet, kommen
Und mit der Flotte Deines Königs Willen
Mit frohem Dank und sonder Furcht erfüllen.

6.

Er fragt ihn dann, ob Christus reine Lehren
    Das Volk bekenne, wie ihm sey verkündet.
Worauf der Bote, diesen Wahn zu nähren,
    Als Wahrheit solches lügenhaft befindet.
So muß sich wohl der Muth im Busen mehren,
    Da jeder Argwohn aus der Seele schwindet,
So muß der Held dem falschen Volk wohl trauen
Und sonder Furcht auf diese Kundschaft bauen.

7.

Und, weil ein Häuflein ihm am Bord gegeben,
    Verdammt in Portugal ob böser Dinge,
Zu wagen das mit Schuld verwürkte Leben,
    Wenn zu besorgen, daß nicht viel gelinge;
Befiehlt er, Zween der Klügsten auszuheben,
    Daß tiefer in das Land der Weg sie bringe,
Um von der Mohren Stadt mehr zu erfahren,
Von ihrer Macht und von den Christen Schaaren. 32

8.

Und er versieht sie reichlich mit Geschenken,
    Daß fest der König bleib' in seinem Willen
Und fürder gut und redlich möge denken,
    Ob andre Plän' auch wohl sein Herz erfüllen.
Der Mohren Fahrzeug will nun heimwärts lenken,
    Die ihren Trug in glatten Abschied hüllen,
Wie auch am Strand mit freudigen Geberden
Die zween Gesendeten empfangen werden.

9.

Als nun die Zween, was sie dem König brachten,
    An Gab' und Bothschaft alles ihm verehret,
Und sie die Stadt draus zu durchwandern dachten,
    Ward ihnen wenig nur zu schau'n gewähret,
Weil streng die Mohren ihren Weg bewachten,
    Daß sie nicht fänden, was sie wohl begehret;
Denn wer im Herzen fühlt die Bosheit walten,
Wird auch der Bosheit Andre fähig halten.

10.

Doch JenerBacchus, der nach der Fabel von Semele empfangen und von seinem Vater, dem Jupiter, ausgetragen ward., dem in ew'ger Jugendfülle
    Die Wange glänzt, der, wunderbar geboren,
Zwo Mütter zählt, und dessen arger Wille
    Den Schiffenden Verderben hat geschworen,
Stand, angethan mit Menschenform und Hülle,
    In einem Haus' der Stadt, das er erkohren,
Vor einem Altar im Gebet befangen,
Als sey er Christ, und dürf' an Christo hangen;

11.

Und leuchtend war im schönen Altarbilde
    Des Geistes hohe Herrlichkeit entfaltet;
Die weiße Taube, die mit sanfter Milde
    Hoch über ihr, der Benedeyten, waltet;
Die heil'gen Zwölf, in schimmerndem Gefilde,
    Vom Staunen ob der Wunden schier erkaltet;
Wie einst, als sie in neuen Zungen sprachen,
Und Zungen flammend durch die Lüfte brachen. 33

12.

Dorthin wird nun der Weg der Zween gelenket,
    Wo Bacchus solches Gaukelspiel bereitet;
Sie beten brünstig und das Knie gesenket,
    Zu jenem Gott, der Welt und Schicksal leitet;
Indeß der falsche Gott das Rauchfaß schwenket,
    Daß sich des Weihrauchs süßer Duft verbreitet,
Und zürnend muß den wahren Gott verehren,
Und Preis ihm und Anbetung ihm gewähren.

13.

Auch werden sie mit Freundlichkeit empfangen
    Und guter Pflege, als der Tag verronnen,
Nicht ahnten sich die Beiden hintergangen,
    Und selbst das Heilige mit Trug umsponnen;
Doch als die Erde wiederum zu prangen
    Begann im klaren schönen Licht der Sonnen,
Und Titans Tochter sich am Himmel zeigte,
Und hocherröthend aus den Wolken neigte;

14.

Da kehren auch vom Ufer die Gesandten
    Mit jenen Zween, die in die Stadt gegangen,
Verkündend, daß die Flotte möge landen
    Nach ihres Königs redlichem Verlangen!
Und, da nun sichre Kundschaft war vorhanden,
    Daß feindlich nicht die Küste sey befangen,
Und dort auch Christen sich in Menge fänden,
Will in den Strom der Flotte Bahn sich wenden.

15.

Die Zween erzählen, daß sie dort gefunden
    Altar und Priester, und auch sonst erfahren
Viel Gastlichkeit, und sanft geruht die Stunden,
    Als Licht und Tag der Welt entflohen waren.
Kurz, alles, was nur irgend zu erkunden,
    Verrathe nichts von drohenden Gefahren,
Denn Volk und König sey uns sehr gewogen,
Sich freuend, daß wir fürbaß nicht gezogen. 34

16.

So sind die Falschen Gama hoch willkommen,
    Als seines Schiffes Borde sie erreichen,
Denn Argwohn und Verdacht scheint nicht zu frommen,
    Wenn sich entfalten solche klare Zeichen.
Das Schiff ist fast von Mohren eingenommen,
    Die all' empor aus ihren Barken steigen,
Und Alle voll Verlangen sind und Freude,
Als hielten sie schon fest die schöne Beute.

17.

Vorrath und Waffen waren auch am Strande
    Sorgsam bereitet, und in großer Menge,
Um, wenn die Flott' im Strome ankernd lande,
    Sie zu erstürmen, muthig im Gedränge.
So hofften sie mit Arglist im Verbande,
    Daß wohl der Tapfern Untergang gelänge,
Und diese hart die Thaten würden büßen,
Die sie zu Mozambique bestehen müssen.

18.

Die Ankertaue werden eingezogen,
    Mit Schiffsgeschrei, wie solches Sitt' und Weise;
Die Winde wehen in der Segel Bogen,
    Hin zu dem Wachtthurm lenkend ihre Gleise.
Da sieht Dione, die auch in den Wogen
    Huldreich bewacht der Auserwählten Reise,
Die hohe Fahr, und will vom Himmel eilen,
Schnell, wie der schnellste von Apollo's Pfeilen.

19.

Sie ruft des Nereus weiße Töchter Chöre,
    Und aller Fluthengötter blaue Schaaren,
Denn billig ist sie Königin der Meere,
    Da sie die schönen Wogen einst gebaren,
Verkündend ihnen, was ihr Sinn begehre,
    Eilt sie, als Jegliche versammlet waren,
Die Schiffenden vom Ufer abzuhalten,
Wo Untergang nur und Verderben walten. 35

20.

Schon wird die Fluth in wilder Eile Toben
    Zu Schaum, in welchem Silberarme ringen,
Bis an die Brust von Wellen rings umwoben,
    Will Clotho wüthender stets vorwärts dringen
Und Nise tanzt, Nerine kämpft, gehoben
    Von krausen Fluthen, welche sie umschlingen,
Die Meere haben furchtsam sie geschieden,
Bang vor dem Zorn der großen Nereiden.

21.

Und von der Schulter wüthender Tritonen
    Ertönt der schönen Göttin zornig Dräuen,
Indeß, nur sanft gebogen von Dionen,
    Die Stolzen sich der hohen Bürde freuen;
Und nahe schon, wo Trug und Tücke wohnen,
    Und doch die Schiffe nicht zu landen scheuen,
Vertheilen sich die Himmlischen und schlingen
Sich um die Segel, die stets vorwärts dringen.

22.

Dione wählt, von ihrer Schaar umgeben,
    Sich Gamas Schiff, des Kieles Lauf zu drehen,
Daß es nicht möge hin zum Lande schweben,
    Ob günstig auch im Segel Winde wehen.
Es zwingt den Mast des weichen Busens Streben,
    Das starke Schiff muß wieder rückwärts gehen,
Und kann nicht dem Gestade fürder nahen,
Wo es Verderben sollte stracks empfahen.

23.

Wie sich die Aemsen stark und mühsam zeigen,
    Wenn sie der Körner schwere Last vergraben,
Um, wenn die kalten Flocken niedersteigen,
    Sich an des Sommers Früchten zu erlaben;
Dann sind den Schwachen hohe Kräfte eigen,
    Zu Müh' und Arbeit reich sich zu begaben,
So mochten Nymphen auch mit schwachen Händen
Die Schiffe ab vom Untergange wenden. 36

24.

Es flieht das Schiff bezwungen nun zurücke,
    Trotz seiner Mannschaft Arbeit und Getöse,
Bemüht, daß sie die Segel nur beschicke,
    Und mit dem Steuer dieses Irrsal löse;
Vergebens ruft der Bootsmann; seinem Blicke
    Enthüllt sich, dräuend wilde Felsenstöße,
Ein Riff im Meere, weit und tief gegründet,
Das jedem Kiel Zertrümmerung verkündet.

25.

Furchtbar ertosendes Geschrei erfüllet
    Die Luft, sich mischend mit der Arbeit Streben,
Wie, wenn der Schlachten Donner weit erbrüllet,
    Beginnt der Mohren falsches Herz zu beben.
Der Schreckniß Grund ist ihnen nicht enthüllet,
    Und, wem es gelte? Kunde nicht gegeben,
Und bald dünkt ihnen ihr Betrug verrathen,
Und nah die Strafe solcher böser Thaten.

26.

Da stürzen in die nahen leichten Bote
    Die Schuld'gen sich von thürmenden Verdecken;
Es kann die Fluth mit ihrem bittern Tode
    Der Schwimmenden tollkühne Flucht nicht schrecken;
Es füllen sich, als ob sie Fahr bedrohte,
    Von Bord zu Bord der Wogen weite Strecken;
Denn lieber wollen sie dem Meer vertrauen,
Als länger sich in Feindes Händen schauen.

27.

Wie in der Wälder kalten feuchten Mooren
    Der Frösche Schaaren bang' erschrocken zagen,
Wenn sich ein Wanderer dahin verloren,
    Wo sie verwegen auf dem Trocknen lagen,
Und sie, zur Wohnung, die sie sich erkohren,
    Forthüpfend, ihre Noth vernehmlich klagen,
Und im bekannten Rohr noch lange beben,
Und aus dem Sumpfe nur die Köpfe heben; 37

28.

So flüchtet auch der Mohren falsche Horde,
    Und der Pilot, gegeben zum Geleite,
Wirft sich in's bittre Meer herab vom Borde,
    Als ob man Strafe seinem Trug bereite;
Doch, immer nahe noch des Abgrunds Pforte,
    Weil schrecklich sie der nahe Fels bedräute,
Läßt Gamas Schiff die großen Anker fallen,
Und gleiches thun die Steuernden auf allen.

29.

Als Gama nun den Vorfall überschauet,
    Der Mohren Flucht und seltsam banges Eilen,
Und, daß auch der Pilot nicht mehr vertrauet,
    Da scheinen ihm sich Wolken zu zertheilen;
Und, als noch heller das Verständniß grauet,
    Muß er beim Wunder dankbar sich verweilen,
Daß, nicht von Sturm und Brandung abgehalten,
Die leichten Segel nicht zum Strande wallten.

30.

O! großes Schicksal! Räthsel unsrer Welt!
    O! klarer Wunder Morgenlichtes Tagen!
O! schlimmer Trug! so plötzlich aufgehellt.
    O böses Volk, dem bald wir unterlagen!
Wie mag, von solchen Tücken rings umstellt,
    Ein Sterblicher noch eigne Rettung wagen,
Wenn sie, die Schirmerin, von ihrem Throne
Nicht mild sich neigte zu dem Erdensohne!

31.

Wohl zeigen uns die himmlischen Gewalten,
    Wie wenig diese Häfen Schutz gewähren,
Denn deutlich kann sich unserm Blick entfalten,
    Daß sie Verrath nur für die Sichern nähren.
Weil aber, wo nur Trug und Lügen walten,
    Mit eignem Rath wir ganz verlohren wären,
So nimm Du, Schirmerin! der Obhut Sorgen,
Da ohne Dich wir nirgend sind geborgen! 38

32.

Und konnte Dich zu solchem Mitleid rühren
    Des armen Volkes weite schwere Reise,
Daß Du vom falschen Lande abzuführen
    Huldreich beschlossest unsrer Schiffe Gleise;
So woll' uns nun auch einen Port erkühren,
    Der freundlich sich und wirthlich sich erweise,
Ach! oder laß uns, Deine Diener-Schaaren,
Bald das ersehnte, schöne Land gewahren!

33.

Und es vernimmt mit gnädigem Gehöre
    Die schöne Göttin dieser Worte Schallen,
Und sie verläßt der Nymphen hohe Chöre,
    Ob Lust und Muth auch Ihnen drum entfallen.
Durchdringend schon der Himmel dritte Sphäre,
    Wo klar und zahllos weit die Sterne wallen,
Gelangt sie endlich zu der sechsten Zone,
Dort still zu stehen vor des Vaters Throne.

34.

Es glänzen von des Fluges hohem Streben
    Noch eins so schön Gestalt und Züg' und Wangen,
Daß große Sterne rings in Liebe beben,
    Daß Luft und Himmel zittern von Verlangen.
Der Blick, in welchem Amors Zauber weben,
    Will Alles weit mit jener Gluth umfangen,
Mit welcher sie den kalten Pol entzündet,
Den warmen mit des Eises Fesseln bindet.

35.

Sie will, den Vater sichrer zu bewegen,
    Der ewig ihr mit Liebe zugethan,
Nicht mehr Gewand um ihre Glieder legen,
    Als einst die Himmel auf dem Ida sahn.
Wie würde sie Actäons Herz erregen,
    Träf er im klaren Quell die Göttin an;
Nicht seine Thiere brächten ihm Verderben,
In Lieb' und wilder Sehnsucht müßt er sterben! 39

36.

Sie läßt das Haar in goldnen Fluthen schwellen
    Zum Nacken, weiß, dem Schnee auch obzusiegen,
Fortschreitend zittern ihres Busens Wellen,
    Wo Amors Spiele ungesehn sich wiegen,
Und Flammen zucken mächtig aus der hellen
    Umgürtung, Herz und Seele zu umschmiegen,
Und um die Hüften wallen heiße Triebe,
Wie sich um Säulen rankt des Epheus Liebe.

37.

Ein zarter Stoff ist Schirm und zarte Hülle,
    Wo leise Schaam in tiefer Ruhe waltet.
Doch wird von ihm der Rosen Pracht und Fülle
    Nicht ganz umschleiert und nicht ganz entfaltet.
Daß jedes Herz die höchste Glut erfülle
    Ist so der seltnen Blume Kelch umfaltet
Und schon vernimmt der Himmel fern und bang
Vulkanus Zorn und Mavors Liebesdrang.

38.

Ein Schmerz, in welchen sanftes Lächeln strebet,
    Vermischt sich himmlisch mit den Engelmienen,
Wie er auch wohl die Sterbliche durchbebet
    Bey wildem Liebesspiel und raschem Dienen,
Wie dann sie Klag' und Lächeln mild verwebet
    Und freudig ist, ob sie auch bang geschienen,
So bricht die Herrliche, der Alle weichen,
Mehr trüb' als traurig nun das tiefe Schweigen.

39.

Es war mir stets, o Vater! dran gelegen,
    Daß Du zu Allen, die mir theuer wären,
Auch möchtest gnädig Huld und Liebe hegen,
    Sollt' auch ein Gegner Widriges begehren.
Doch kann ich jetzt nicht Deinen Zorn bewegen
    Und willst Du meiner Unschuld nichts gewähren;
So kann wohl Bacchus seiner Macht vertrauen
Und meine Gunst bey Dir vernichtet schauen. 40

40.

Gar übel ist der Meinen Schaar gerathen,
    Wenn ich für sie an Deinem Throne weine,
Verweigert wird, was sie vom Himmel baten,
    Nun seh' ich, daß der Armen Schaar die Meine
Weil ich sie liebe, werden sie verrathen,
    Mit mir gehaßt im traurigen Vereine;
Drum will ich sie verwünschen, ob ich ihnen
So möge noch ein beßres Loos verdienen.

41.

Es mögen sie die wilden Heiden tödten,
    Verlohren ist – da wollen ihre Wangen
Von heißen Thränen höher noch sich röthen,
    Wie Tropfen zart an jungen Rosen hangen;
Sie schweigt, als ob ihr Odem schier vonnöthen,
    Als sey dem Mund der Rede Kraft entgangen,
Dann will sie wieder sprechen und vollenden,
Als sich des Donnrers Augen zu ihr wenden.

42.

Denn, da er solcher Liebe Zeichen siehet,
    Die auch der Tieger Felsenherz durchdringen,
Erglänzt der Blick, vor dem die Nacht entfliehet
    Und Strahlen sich in alle Pole schwingen,
Und, ihre Thränen leise trocknend, ziehet
    Er sie empor, sie küssend zu umschlingen
Und, wären sie von Göttern nicht umgeben,
So würde bald ein neuer Eros leben.

43.

Und, als sein Mund sich auf dem ihren wieget,
    Entströmen wilder ihr die lauten Zähren,
Wie Mütter, an die Kleinen angeschmieget,
    Die sie gezüchtigt, nur die Klage mehren,
Er will ihr nun, was in der Ferne lieget,
    Zu reichem Trost viel Künftiges ihr lehren
Und, ihr verkündend, was die Hohen wollen,
Des Schicksals große Bücher ihr entrollen. 41

44.

O fürchte nicht, Du Liebliche! Gefahren
    Ob Deiner Lusitanen kühnen Reise!
Was gelten mir der andern Götter Schaaren
    Bey Deinen Thränen, Deiner sanften Weise!
Verdunkelt soll sich Hellas Ruhm gewahren
    Und Roma's Stadt, weil ich Dir jetzt verheiße,
Daß dieses Volk glorreicher Lusitanen
Im Orient soll pflanzen seine Fahnen.

45.

Und wenn Ulyß so manche List ersonnen,
    Sich als Calypsos Sklaven nicht zu schauen,
Und AntenorAntenor. Unter Mehrern, die diesen Namen führen, soll ein Antenor aus Troja nach Zerstörung dieser Stadt in die Gegend des jetzigen Venedig gekommen seyn und unter andern Orten auch Padua gegründet haben. Illyriens Strand gewonnen,
    Wo des Timavus tiefe Bronnen thauen,
Und auch Aeneas Scyllas Arm entronnen
    Und der Charybdis Fluthen durfte trauen;
So werden Deine Größres noch beginnen,
Und neue Welten ihrer Welt gewinnen.

46.

Denn Festen wird und Thürme, Schlösser, Pforten
    Die tapfre Schaar, o liebe Tochter, gründen!
Im wilden Kampf die kriegerischen Horden
    Der rohen Türken vielfach überwinden!
Die Herrscher Indiens, zu Sklaven worden,
    Soll ihre Hand in ewge Fesseln binden.
Durch ihren Scepter soll in neuen Welten,
Bald das Gesetz und Zucht und Sitte gelten!

47.

Vor ihm, dem Helden, der in bangen Tagen
    Hin nach des Indus alten Wogen strebet,
Wird zitternd selbst der Meere Gott einst zagen,
    Wann auch kein Lüftchen seine Wellen hebet
O Wunder! das sich nie noch zugetragen,
    Daß wild das Meer bey leiser Stille bebet.
O großes Volk! ob dessen Unterfangen
Die großen Elemente selbst erbangen! 42

48.

Dort, wo die Fluthen jetzt zu landen wehren,
    Wird bald ein Hafen wirthlich Dich empfangen,
Die, schiffend aus des Abends fernen Meeren,
    Erquickung auf dem weiten Weg verlangen.
Die Küste, die, die Reise zu erschweren,
    Nur mit Verrath und Tücken umgegangen,
Wird unterthan einst Lusus tapfern Söhnen
Und, ihre That zu büßen, zinsbar fröhnen.

49.

Vor ihnen wird das rothe Meer erbleichen
    In banger Furcht, trotz seines Ruhmes Glanze.
Es harrt der Sieg in Ormus weiten Reichen
    Zweimal der Herrscher mit dem Lorbeerkranze.
Die Mohren, die dem Arm der Helden weichen,
    Ereilt der Tod mit ihrer eignen Lanze,
Denn, wer im Kampfe gegen sie entglühte,
Soll wissen, daß er gegen sich nur wüthe!

50.

In Dios Festen, nimmer noch erstiegen,
    Soll herrlich groß der Deinen Werth erprangen,
Der wilde Feind wird zweimal vor ihr liegen
    Und Schmach nur und Verderben dort empfangen,
Daß auch bei Deiner Heere Kampf und Siegen
    Des Neides Pein selbst Mavors wird umfangen
Und Tausende der Mohren seh' ich sterben
Und, Mahom's Irrlehr fluchend, schnöd' verderben.

51.

Die schöne Goa müssen sie verlieren
    Und diese Stadt mit ihren hohen Zinnen
Soll einst den ganzen Orient regieren,
    Den Deiner Helden Siege sich gewinnen.
Das Sklavenjoch soll alle Heiden zieren,
    Die irgend noch der Rache Schwert entrinnen
Und jedes Land die harte Fessel tragen,
Das Widerstand und Waffenspiel will wagen. 43

52.

Mit wenig Helden wird vor Feindes Heeren
    Sich Cananora hoch und glorreich schirmen
Und Calecut der Deinen Macht vermehren
    Mit seinen Bürgern, seinen hohen Thürmen.
In Cochims Fluren, Cochims weiten Meeren
    Erglänzt ein StolzerEin Stolzer, der Dichter meint hier den Eduard Pacheco. in des Kampfes Stürmen,
Daß nie die Cither Siege hat besungen,
Gleich seiner, würdig ew'ger Huldigungen!

53.

So brannte nie von Mavors wildem Streiten
    Leucates Meer in grausempörten Wogen,
Als in der Bürgerschlachten bösen Zeiten
    August ans hohe Actium gezogen,
Dem Römer Tod und Schande zu bereiten,
    Der weit vom Nil und von des Bactrus Bogen,
Siegreiche Schaaren führt' und schöne Beute,
Mit welcher ihn Aegyptens Land erfreute;

54.

Als einst die Fluthen lauterbrennend tosen,
    Die Deiner Schaaren Heldenkampf entzündet,
Wenn ihre starke Hand die Götterlosen,
    Die Heiden und die Mohren überwindet,
In Meeren, die ans ferne Sina stoßen,
    Im goldnen Chersonesus Herrschaft gründet
Und auch die fernsten Inseln jener Zonen,
Den Orient Besiegte nur bewohnen!

55.

So wird o Tochter Deiner Helden Streiten
    Weit über jede Menschenthat sich heben,
Von Cadix Meeren herrlich sich verbreiten,
    Bis, wo des Ganges gelbe Fluthen schweben,
Von Norden bis zu jenen fernen Weiten,
    Von denen Kunde Magellan gegeben,
Entstiegen auch die Todten ihren Reichen,
Sie müßten Alle Deinen Helden weichen. 44

56.

So spricht er und der Maja schneller Sohn
    Wird zu der Erde hin sogleich beschieden,
Der Flotte, welcher tausend Uebel drohn,
    Bald einen Hafen freundlich anzubieten.
Doch, daß der Held, nicht zu Mombaza schon
    Anlandend, sich vertraue falschem Frieden,
Soll ihm Merkur im Traum ein Land bescheiden,
Wo Ruhe bald die Flotte möge weiden.

57.

Schon läßt er durch die Luft die Flügel klingen,
    Die ihn herab zu unsrer Erde leiten.
Den Götterstab die leichten Hände schwingen,
    Der Schlummer allen Müden kann bereiten
Und, Todte wieder an das Licht zu bringen,
    Vermag und Sturm und Wetter zu bedeuten;
So und die Stirn vom Flügel-Helm umgeben,
Will er hernieder nach Melinde schweben.

58.

Und Fama mit ihm, welche laut verkündet
    Der Fremden Ruhm und Preis und Huldigungen,
Da Jeglichen ein hoher Nam' entzündet,
    Zu lieben den, dem Herrliches gelungen,
Und so befreundet sie und so begründet
    Sie dieser Helden Gunst auf allen Zungen,
Daß in Melinde schon die Wünsche brennen,
Des tapfern Volkes Sitt und Art zu kennen.

59.

Straks eilt Merkur auch nach Mombazas Strande,
    Dem nahe noch die bangen Schiffe lagen,
Daß sich die Flotte näher nicht dem Lande
    Und in das Netz der Falschen möge wagen,
Denn vor der Bosheit arger Höllenbande
    Muß alle Kraft und alle Kunst verzagen
Und Muth und List kann wenig Hoffnung nähren,
Wenn nicht die Himmel selbst uns Rath gewähren. 45

60.

Schon hatte ihres stillen Weges Reise
    Die bleiche Nacht am Himmel halb geendet;
Es schimmerten der Sterne helle Kreise
    Und Schlummer war den Sterblichen gespendet,
Als ab von seiner Sorgfalt stetem Fleiße
    Der Held nun auch die müden Augen wendet
Um mit der halben Mannschaft auszuruhn,
Indeß die Andern froh das Ihre thun.

61.

Da tritt Merkur zu ihm in leisen Träumen
    Und spricht: o fliehe, fliehe, Lusitane!
Nicht lange wird der böse König säumen,
    Dich zu verderben, in dem sichern Wahne.
Nicht Stürme drohn und nicht die Wellen schäumen!
    Die Sonne schwimmt auf glattem Oceane!
In sichern Hafen wirst Du bald gelangen,
Wo andre Herrscher gastfrei Dich empfangen!

62.

Hier wird nur blut'ge Gastfreundschaft genossen,
    Wie Diomedes einst den Gästen weihte,
Der, statt des goldnen Hafers, wilden Rossen
    Der Gäste Glieder wohl zur Nahrung streute.
Busiris Altar, stets von Blut umflossen,
    Harrt Deiner hier, statt Freundschaft und Geleite,
Drum, willst Du dich vor Untergang bewahren,
So fliehe dieser Ufer falsche Schaaren!

63.

Denn, weiter hin, als dieser Strand zu blicken,
    Wird aus dem Meer ein beßres Ufer steigen,
Wo senkrecht schier der Sonne Strahlen zücken
    Und Tag und Nacht an Stundenzahl sich gleichen.
Dort wird die Schiffe frohe Rast erquicken,
    Ein König Gunst und Freundschaft Dir erzeigen
Und sichre Herberg Deiner Schaar bereiten,
Durch Lootsen Dich nach Indien geleiten! 46

64.

So sprach Merkur und Gama's Augenliede
    Entfliehen schon des Schlummers leichte Schwingen;
Er staunt und sieht dir nächtlichen Gebiete
    Ein heitres Licht mit schnellem Strahl durchdringen,
Es wird ihm klar, wenn er dies Land nicht miede,
    Verdürb' er in der Feinde bösen Schlingen,
Drum läßt er, hoch erfrischt mit neuem Leben,
Den leichten Winden alle Segel geben.

65.

Er spricht: – Die Segel auf! – Die Winde wehen!
    Es schirmen uns die himmlischen Gewalten.
Ihr lichter Bote ward von mir gesehen,
    Der Hohen Rath mir liebreich zu entfalten.
Da wollen Alle frisch zur Arbeit gehen,
    Daß hier und dort hin laut die Stimmen schallten,
Die Anker werden freudig eingehoben,
Mit hoher Kraft, von Jeglichem zu loben.

66.

Da nahen still und ränkevoll die Heiden,
    Um die sich rings die dunkeln Schatten bogen,
Die Ankertaue listig zu zerschneiden,
    Die ab vom Ufer noch die Segel zogen.
Doch, als die Falschen schon ihr Werk bereiten,
    Gewahrt der Wache Blick sie auf den Wogen,
Drum eilen sie, der Strafe zu entrinnen,
Mit Rudern nicht, auf Fittigen von hinnen;

67.

Und schon zertheilt der Flotte scharfer Kiel
    Des nassen Silbers tiefe lange Straßen,
Im hohen Segel rauscht der Lüfte Spiel,
    Die schmeichelnd auf die Fluth sich niederlassen.
Bestandner Fahr gedenkend oft und viel
    Wird nun der Rede Zügel freigelassen,
Denn großes Unglück, das so furchtbar drohte,
Vergißt man nicht im ersten Morgenrothe. 47

68.

Die Sonne war hinab ins Meer gegangen
    Und glänzte wieder an dem Himmelsbogen,
Als sich zwo Barken durch die Fluthen schlangen,
    Von Morgenwinden leise fortgezogen;
So Schiff' als Mannschaft schneller zu erlangen,
    Rang stärker noch die Flotte mit den Wogen
Darob die Mohren, die in Einem waren,
Zur Küste fliehn, als droheten Gefahren.

69.

Das Andre, nicht von gleicher Angst befallen,
    Vertraut der Hand der edeln Portugiesen,
Vulkanus Wuth darf donnernd nicht erschallen,
    Nicht Mavor's wildes Schwert von Blute fließen;
Ob auch der Mohren Herzen muthig wallen,
    Mag doch das Häuflein nicht den Kampf erkießen,
Drum wollen sie nicht lange widerstehen,
Weil größres Unheil würde sonst geschehen.

70.

Ob Gama aber auch so hoch begehret,
    Nach Indien Piloten zu erlangen,
Und, sie zu finden, schon die Hoffnung nähret,
    Weil er der Mohren Fahrzeug aufgefangen;
So wird es doch dem Helden nicht gewähret,
    Denn keiner will sich dessen unterfangen,
Doch sagen Alle, daß er zu Melinde
Gewiß viel kundiger Piloten finde.

71.

Die Mohren preisen laut des Königs Güte,
    Die Redlichkeit, die ihm im Herzen wohne,
Wie menschlich er beherrsche sein Gebiete
    Und würdig trage seines Reiches Krone.
Und glaubhaft dünkt des Admirals Gemüthe
    Die Kunde, da von Majas schnellem Sohne
Er Gleiches schon gehört, daß er auch reiset,
Wohin ihn Traum und Kunde nun verweiset. 48

72.

Es war die frohe Zeit, wo Phoebus Wagen
    Europens Stier mit heißem Strahl ereilet
Und Flora, hoch in Lüften fortgetragen,
    Mit Amaltheas Horn am Himmel weilet,
Der heil'ge TagDer heilige Tag. Der Dichter deutet wahrscheinlich auf den Ostersonntag. Einige Ausleger verstehen unter diesen Worten nur den Sonntag überhaupt., glorreich vor allen Tagen,
    Die mit der Erde je die Sonne theilet,
An welchem er, dem unterthan die Stärke,
Das Siegel aufgedrückt dem großen Werke;

73.

Als nun die Flotte naht den milden Gränzen,
    Wo sich Melinda's Reiche schön erheben
Und Flagg' und Wimpel muß die Schiffe kränzen,
    Dem heil'gen Tage Preis und Glanz zu geben.
Paniere zittern, schöne Fahnen glänzen,
    Daß fernehin des Purpurs Farben streben,
Und Trommeln klingen und Schallmeyentöne,
So nahen froh Dionens Heldensöhne!

74.

Es füllen sich Melindas weite Strande
    Mit Schaaren an, die Schiffe zu betrachten.
Ein gutes Volk, gewohnt, der Treue Bande
    Und Menschlichkeit vor manchem Volk zu achten.
Der Anker sinkt hinab zum nahen Lande
    Und von den Mohren, welche mit sie brachten,
Ziehn Zween voran, dem König zu verkünden,
Daß sich im Port die Lusitanen finden!

75.

Der König, welcher schon den Namen kannte,
    Den diese Helden groß und ruhmvoll tragen
Und, wie sie dessen werth, vor Freude brannte,
    Daß sie bereits in seinem Hafen lagen,
Ergoß im Wort, das alle Furcht verbannte,
    Gefühle, die in edler Brust nur schlagen,
Begehrend, daß sie bald an's Ufer kämen,
Und jegliches, als wär' es eigen, nähmen. 49

76.

Und redlich ist des Königs Art und Weise
    Und wohlgemeinet sind die frohen Gaben,
Gesandt den Christen, nach der langen Reise
    Sich wiederum mit guter Kost zu laben.
Der zarten Lämmer wohlbekannte Speise
    Und Küchlein, wie sie auch am Duro haben,
Und Früchte werden ihnen reich beschieden,
Und immer möcht' er besseres noch bieten.

77.

Und es empfängt der Held mit frohen Händen
    Die Gaben, die der König ihm bescheidet,
Und will nun wieder zur Vergeltung senden,
    Was schon daheim zu diesem Zweck bereitet.
Ein Purpurkleid, das Auge schier zu blenden,
    Korallen, schön an Schnuren hingebreitet,
Korallen, weiche Ranken in den Wogen,
Und Felsenhart, wenn sie an's Licht gezogen.

78.

Er sendet wen, der Sprache wohlerfahren,
    Ein Bündniß mit dem König abzuschließen,
Und zu entschuld'gen, daß die fremden Schaaren
    Zur Stunde nicht die Flotte schon verließen.
Beredt vor Allen, die am Borde waren,
    Führt der das Recht der tapfern Portugiesen,
Und spricht zum Könige mit hoher Kunde,
Ihm einst geworden aus der Pallas Munde.

79.

Erhabner König! vom Olymp erkohren,
    Auf des Geschicks gerechten heil'gen Wegen
Zu bändigen die stolzen wilden Mohren,
    Die hohe Liebe dennoch zu Dir hegen!
Wir waren schier im weiten Meer verlohren,
    Da kam Dein sichrer Hafen uns entgegen,
Berühmt vor allen hier im schönen Morgen,
Daß er uns mög' entheben unsrer Sorgen. 50

80.

Wir sind nicht Räuber, die in wilden Horden
    Durchstreifen unbewohnter Städte Hallen,
Mit Flamm' und Schwert die Bürger zu ermorden,
    Zu rauben, was dem Fleiße zugefallen.
Weit von Europa sind gesandt wir worden,
    Nach fernen Landen schiffend hinzuwallen
Und Indien, das reiche, zu erkunden,
Sind unserm großen König wir verbunden!

81.

Doch, welches Volk! an dieses Meeres Stranden!
    O schlimmer Brauch! mehr als Barbarensitten!
Die Schiffe zu verderben, welche landen,
    Zu tödten, die um mildes Gastrecht bitten.
Als, wenn nur Trug in unsrer Brust vorhanden,
    Und sie von uns das Aergste schon erlitten,
Will uns, die Wenigen, ihr Netz umschlingen,
Der kleinen Schaar Tod und Verderben bringen.

82.

Du aber, Herr! auf dessen Wort wir bauen,
    Weil jeder Argwohn völlig uns verschwunden,
Auf dessen Huld und Hülfe wir vertrauen,
    Wie bey Alcinous Ulyß gefunden –
Daß wir uns hier in Deinem Hafen schauen,
    Nach tausend Fahren, mühvoll überwunden,
Das ist das Werk der himmlischen Gewalten:
Drum kann in Dir Verrath und Trug nicht schalten.

83.

Nur sey es übel nicht von Dir vernommen,
    Daß unser Feldherr, froh Dich zu begrüßen
Und Dich zu sehen, nicht ans Land gekommen,
    Als ob er Arglist noch befahren müssen;
So that er nur, gehorsam nachzukommen
    In Allem seines Königes Beschlüssen,
Der ihm geboten, nie ans Land zu gehen,
Wenn auch im sichern Port die Schiffe stehen. 51

84.

Und weil es Recht ist, nach Vasallenpflichten
    Dem Haupt als Glieder unterthan zu leben;
So wirst Du, König selbst! den Mann nicht richten,
    Der seinem König nicht will widerstreben.
Doch wird der Admiral Dir Dank entrichten
    Für Gnad' und Gunst, die Du bereit, zu geben
Und, wie er weiß und kann, Dir Segen zollen,
So lang ins Meer der Ströme Fluthen rollen.

85.

So sprach er und es schallt von Aller Zungen
    Der Fremden Ruhm in des Gespräches Kreise,
Daß ihrem Muth die große Fahrt gelungen
    Durch viele Himmel, vieler Meere Gleise.
Der König, den Erstaunen tief durchdrungen
    Bey solcher Treue glänzendem Beweise,
Beginnt, den großen König hochzuachten,
Auf dessen Wort so fern die Helden achten.

86.

Mit heitrer Stirn' und Lächeln in den Blicken
    Beginnt er zum Gesandten drauf zu sprechen:
Es müß' Euch Argwohn fürder nicht mehr drücken
    Und Euern Muth nicht kalte Sorge brechen,
Den Glanz der Thaten, die so hoch Euch schmücken,
    Vermag nicht Zeit und Ferne nicht zu schwächen.
Und wer vermochte Schlingen Euch zu legen,
Kann Edelmuth in seinem Sinn nicht hegen.

87.

Daß all' die Euern nicht ans Ufer gehen,
    Dem eingeführten Brauche nachzutrachten,
Das laß' ich freilich ungern nur geschehen,
    Doch muß ich hoch des Volks Gehorsam achten.
Und da Verbote dem nun widerstehen,
    Wie Deine Worte sorgsam mir gedachten,
So will ich nicht die seltne Treue stören,
Nicht auf den Wunsch in meiner Seele hören. 52

88.

Und morgen, wenn der Sonne Strahl entglommen,
    Und aus dem Meer empor zum Himmel steiget,
Will ich, die Flotte zu besuchen, kommen,
    Nach der sich lange schon mein Sehnen neiget.
Und kann auf weiten Wegen etwas frommen,
    Das Euch zum Trost in fernem Meer gereichet;
So sollt Ihr es aus Freundes Hand erhalten,
Und über Vorrath und Piloten schalten.

89.

So sprach er und in kühle Wellen bogen
    Apollons Rosse mit dem goldnen Wagen,
Als her vom Land der Barke Wimpel flogen,
    Den Abgesandten froh zurück zu tragen.
Die Herzen schwollen von der Freude Wogen,
    Daß um Erfolg nun fürder nicht zu zagen;
Nun würden Sie nach Indien gelangen,
Und festlich ward die schöne Nacht begangen.

90.

Wie zitternde Kometen glanzvoll schweben,
    Beginnen die Raketen aufzuprallen,
Und Stücke fangen donnernd an zu beben,
    Daß Land und Meer und Wolken wiederhallen,
Und der Cyclopen alte Künste heben
    In Feuerkugeln sich, die strahlend wallen,
Und laute Jubel mehren das Getümmel,
Und Instrumente schallen an den Himmel.

91.

Vom Ufer tönt der Mohren Antwort wieder
    Mit Strahlen, die sich hochaufrauschend schwingen.
Es steigt das Rad und sinkt im Bogen nieder,
    Aus welchem bunt des Schwefels Gluthen dringen;
Der Pol erschallt vom Sturm der milden Lieder,
    Die Gluthen wollen schier das Meer bezwingen,
Das Ufer flammt! es feiern sich die Schaaren
Am Strand und Bord, wie Schlachten zu gewahren! 53

92.

Doch schon begann der Morgen zu erstehen,
    Daß froh die Menschen zu der Arbeit eilten,
Und Mavors Mutter schimmerte den Höhen,
    Daß Rast und Schlummer fürder nicht verweilten.
Es zog empor der dunkeln Schatten Wehen,
    Die thauend auf den Blumen sich vertheilten,
Als sich Melindas König vom Gestade,
Die Flotte zu besuchen, langsam nah'te.

93.

Es strömen rings der Küste weite Strande
    Von Menschen, die das Schauspiel hergezogen,
Und Purpurmäntel schimmern und Gewande,
    Mit zarter Seide kunstreich überzogen;
Nicht Speer und Lanze wird am Meeresrande,
    Nicht der Geschosse scharf gespannter Bogen,
Nur Palmenzweige hoch empor gehalten,
Wie sie der Sieger Scheitel stolz umfalten.

94.

Aus einem großen Kahn, den Wimpel kränzen,
    Und seidne Flaggen mannigfach umschweben,
Betritt der König nun Neptunus Gränzen,
    Von vielen Großen seines Reichs umgeben,
Und herrlich ist der Kleider prangend' Glänzen,
    Und reine Woll' und Gold und Seide weben
Um seine Stirne sich zu weichen Binden,
Nach eignem Brauch, im Orient zu finden.

95.

Ein Purpurmantel aus Damascus Seide,
    Vor allem werth die Könige zu schmücken,
Von seinem Gold des Halses Pracht-Geschmeide,
    Wo Kunst und Stoff das Auge gleich entzücken,
Ein schöner Dolch mit diamantner Scheide,
    Im reichen Gürtel herrlich anzublicken,
Und an den Füßen schwellende Sandalen,
Wo Gold und Perlen auf dem Sammet strahlen. 54

96.

Ein Diener trägt an einer goldnen Lanze
    Den hohen Schirm, aus Seide schön gewoben.
Den König schützend vor der Sonne Glanze,
    Hält er den Stab gen Himmel aufgehoben,
Und Hörner schmettern furchtbar durch das ganze,
    Geschmückte Schiff mit wilder Laute Toben,
Daß in den großen ungeheuren Tönen
Die Flotte zittert und die Ufer dröhnen.

97.

Von seiner Helden stolzer Schaar geleitet,
    Die jubelnd sich in leichte Barken schwangen,
Ist Gama hoch und stattlich schon bereitet,
    Aus offnem Meer den König zu empfangen.
Hispanisch ist der edle Held gekleidet,
    Doch hat er einen Mantel umgehangen
Nach Frankreichs Schnitt und vielbegehrter Mode
Und schimmernd in Venedigs schönstem Rothe.

98.

Von Knöpfen sind die Aermel festgehalten,
    Aus deren Gold der Sonne Strahlen schossen;
Von Goldgestickten kriegerischen Falten
    Des Feldherrn Hüften malerisch umflossen;
Die Taschen, die am Leibrock niederwallten,
    Mit gold'nen Nesteln zierlich zugeschlossen.
Italisch sinkt herab der goldne Degen,
Auf das Barret will sich die Feder legen!

99.

Es glänzen seine festlichen Begleiter
    Im Purpur, welchen Tyrus Muscheln zollen,
Und andern Farben, daß die Blicke heiter
    An hundert Trachten auf und niederrollen;
Wenn solchen Schmelz der bunten schönen Kleider
    In Einen Strahl die Augen fassen wollen;
So gleicht er nur der Iris Farbenbogen,
Der schönen Nymphe, von Taumant erzogen. 55

100.

Die Töne schmetternder Trommeten füllen
    Die Herzen, daß im frohen Muth sie schwellen,
Der Mohren Kähne, zahllos schier, verhüllen
    Mit losgebundnen Wimpeln alle Wellen.
Die großen Donner der Geschütze brüllen,
    Daß Wolken Rauchs der Sonne Glanz entstellen;
Die Donner und die Blitze rauschen wieder
Und zagend stürzen fast die Mohren nieder.

101.

Mit Gruß und Kuß den Helden zu empfangen,
    Verläßt der König seines Fahrzeugs Borde,
Und, wie mit Herrschern Sitt' und Recht verlangen,
    Beut ihm der Feldherr Huldigung und Worte.
Der Fremden Brauch und nie gesehnes Prangen
    Und ihre Fahrt in diese fernen Orte,
Und daß sie nach des Indus Strome trachten,
Muß er mit Staunen und Bewundrung achten.

102.

Mit hoher Rede will er ihm gewähren,
    Was nur den Feldherrn irgend mög' erfreuen,
Und sollt' er Vorrath jeder Art begehren;
    So dürf' er nicht die Bitte furchtsam scheuen.
Er kenne schon, die jetzt im Hafen wären,
    Der Portugiesen Volk, die Tapfern, Treuen,
Schon lange her sey Nachricht ihm gekommen,
Was sie in andern Ländern unternommen.

103.

Ganz Afrika sey von dem Ruhm durchdrungen
    Der Thaten, die sie glorreich schon bestanden,
Als sie daselbst im schweren Sieg errungen
    Die Krone von der Hesperiden Landen.
Das kleinste, was den Muthigen gelungen,
    Und doch das größte, was die Mohren kannten,
Wird nun mit vielen Worten laut gepriesen,
Doch also sprach der Held der Portugiesen. 56

104.

O Du! der einzig Mitleid noch bezeugte,
    O milder König! freundlich uns zu wahren,
Die hohe Noth durch alle Meere scheuchte,
    So schwache Schiffe kämpfend noch befahren,
Er der sich schirmend zu uns nieder beugte,
    Der Himmel Herrscher und der Menschenschaaren!
Der ewge Gott mag, was wir nicht vollenden,
Für Deine Gunst Dir Lohn und Gnade spenden!

105.

Denn Du allein, im großen Licht der Sonnen,
    Gewährest uns des Hafens Trost und Frieden!
Der Geißel wilder Stürme nur entronnen,
    Ist eine Herberg uns bey Dir beschieden,
So lang der Pol mit Sternen übersponnen
    Und Licht der Welt der Sonne Strahlen bieten,
Wird nie Dein Lob in meiner Brust verwehen,
Und herrlich stets von Mund zu Munde gehen.

106.

Dies sprach er und der Barke Ruder fliehen
    Den Schiffen zu, wie längst der Mohr gedachte,
Ein jedes muß vorüber einzeln ziehen,
    Daß er an Allen alles wohl betrachte.
Zum Himmel auf flog, von Vulkan verliehen,
    Der Stücke Blitz, daß rings der Donner krachte.
Antwortend läßt, indeß Trommeten schallen,
Der Mohren Volk die Hörner wiederhallen.

107.

Doch, als der König Alles nun gesehen,
    Was freundlich ihm zu schauen ward geboten
Und Schrecken kalt durch seine Glieder wehen,
    Ob jener Donner, die so furchtbar drohten,
Gebeut er, nun vor Anker still zu stehen,
    Der Bark' und seiner Folge leichten Boten,
Daß ihm durch Gama möge Kunde kommen
Von Manchem, das er dunkel nur vernommen. 57

108.

Es läßt der Mohr der Rede Zügel schießen
    Und fragt zuerst, sich fröhlich zu belehren,
Wie sich im Krieg der Mohren Volk bewiesen,
    Die, so wie er, den Mahomet verehren;
Dann, wie des Abends fernste Lande hießen,
    Und, wie dort Sitten und Gebräuche wären;
Dann, wie der Nachbar-Staaten Art und Weise,
Dann vieles über Gamas große Reise;

109.

Vor Allem aber wackrer Feldherr sage
    Uns vieles, sprach er, von den eignen Zonen!
Von ihrem Klima, ihrer schönen Lage
    Und von den Völkern, welche sie bewohnen
Und wie, im Lauf der alten Helden-Tage,
    Ein Reich gegründet dort die Nationen
Und, was für große Thaten dann gelungen,
Daß dunkle Kunden selbst zu uns gedrungen.

110.

Erzähl' uns auch von Deiner langen Reise
    Durch vieler Meere hoch empörte Wogen
Und von der Sitten rohen wilden Weise,
    In denen unser Afrika erzogen;
Erzähle, denn auf goldner Wolken Gleise
    Beginnt der Sonne Lauf am Himmelsbogen
Und lieblich glänzt im kühlen Morgenrothe
Der Wellen Spiel um unsre leichten Bote!

111.

Der Ort ist günstig und die schöne Stunde,
    Drum fühl ich mich in hoher Neugier brennen.
Wer mag auch nicht durch langer Zeiten Kunde
    Der Portugiesen großen Nahmen nennen!
Drum sollt ihr uns, auf weitem Erdenrunde
    Die letzten schier, nicht als Barbaren kennen;
Auch uns erfreut der Sonne mildes Glänzen,
Und Thatenruhm gilt auch in unsern Gränzen. 58

112.

Es stürmten einst die Kämpfe der Giganten,
    Die Höhen des Olympus zu erringen
Und Theseus und Pirithous entbrannten,
    In Plutons finstres Schattenreich zu dringen,
Nicht Kleineres ist wiederum vorhanden
    Und Alles wird noch herrlicher gelingen!
Einst sollten Erd und Himmel furchtsam weichen
Jetzt muß im Meere Nereus selbst erbleichen!

113.

Es stürzet hoch in die verruchten Flammen
    Das Prunkgebäu, das Ctesiphon gegründet,
Dianas großer Tempel, wild zusammen,
    Daß Herostrat nur werde laut verkündet.
O! wenn zur That, die Jegliche verdammen,
    Des Ruhmes Wahnsinn unsre Brust entzündet;
Dann dürfen die nach ew'gem Kranz wohl trachten,
Die so viel Großes, Herrliches vollbrachten. 59

 


 


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