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Sechstes Hauptstück.

Widerlegung verschiedener Einwände.

Stark gekürzt.]

Ich habe mich zwar bestrebt, den Gegenstand so deutlich wie möglich zu machen, um Einwänden zuvorzukommen. Trotzdem bin ich auf Einwände gefaßt, denn sie werden stets erhoben, und zwar aus zweierlei Gründen. Einmal ist der Verfasser mit seinem Gedanken vertraut und sieht darum deutlich, was andere nur unklar sehen. Er kann sich also nicht mehr auf den Standpunkt seiner Leser stellen und erkennt daher nicht, wo es seinem Werk an Beweiskraft der einzelnen Sätze oder an logischem Zusammenhang fehlt; und doch ist beides nötig, um zu überzeugen. Der Leser andererseits, der nicht an systematische Beweisführungen gewöhnt ist, wo jeder Teil mit dem anderen zusammenhängt, vergißt leicht die früheren Behauptungen und Beweise und überblickt daher nicht gleichzeitig das ganze Gedankengebäude. Da er aber die Verkettung der Behauptungen nicht erkennt, empfindet er auch die Kraft der Beweisführung nicht; und doch ist dies nötig, um überzeugt zu werden. Somit ist es nicht erstaunlich, daß er die Schwierigkeiten, denen er begegnet, nicht beheben kann.

Der Verfasser ist also genötigt, manches, was er schon gesagt hat, zu wiederholen, um dem Gedächtnis des Lesers aufzuhelfen. Wer dieser Schwierigkeiten nicht selbst Herr wird, darf an solchen Wiederholungen keinen Anstoß nehmen, denn sie helfen ihm ja nur zur Erkenntnis dessen, was er noch nicht erkannt hatte. Wer sich diese Einwände aber selbst beantwortet hat, braucht die folgenden Antworten nur zu überschlagen.

1. Einwand.

Die Herrscher könnten befürchten, daß die Friedensstadt, diese Art von Freistaat, eines Tages zu mächtig würde.

Antwort.

1. Bei der Verfassung dieses kleinen Staates sind solche Befürchtungen hinfällig. Wer bildet ihn denn, wenn nicht die Herrscher selbst, die Mitglieder des Bundes sind und durch das Organ ihrer Bevollmächtigten alles Wichtige bestimmen, was dort beschlossen wird. Werden diese Bevollmächtigten, um nicht abgesetzt zu werden, nicht in jeder wichtigen Sache die Weisung ihres Herrschers abwarten? Und bestimmen die Herrscher nicht selbst alle Ausgaben, die dort angeordnet werden? Schicken sie nicht selbst die Einkünfte hin, von denen die Besatzung, die die Friedensstadt schützt, besoldet wird? Sind sie nicht in allem die Herren? Somit hat jeder von dieser Republik nur so viel zu fürchten, wie von sich selber. Hat man je gehört, die deutschen Fürsten hätten von seiten ihrer Bevollmächtigten am Reichskammergericht in Speyer, die ich gewissermaßen als Muster des Bundesrates betrachte, je einen Aufstand zu befürchten gehabt!

2. Die Truppen der Friedensstadt bilden eine einfache Besatzung; ihre Einkünfte sind festgelegt, ihre Gebietsgrenzen bestimmt, ihre Einwohner wenig zahlreich. Wie könnte sie also denen gefährlich werden, die sie erhalten?

3. Die Macht des Bundesrats beschränkt sich auf das, was die Herrscher untereinander beschließen; ihm sind also die Hände zum Bösen gebunden; nur zum Guten, zur Erhaltung des Friedens sind sie frei. Er hat nun so viel Gewalt, um den schlimmen Folgen maßlosen Ehrgeizes vorzubeugen und jedem seine Autorität zu erhalten. Selbst wenn diese Gewalt größer wäre, so wäre sie nie zu fürchten. Ja man könnte einem Staate, der nur zu unserem Schutze da ist, gar nicht Macht genug wünschen.

4. Welchen Plan könnte ein Bevollmächtigter fassen? Den Staat seines Herrschers zu erobern? Ein Mann, den dieser täglich abberufen kann und der für klug und weise gilt, sollte solcher Tollheit fähig sein? Und nicht nur er, sondern auch die beiden Vizebevollmächtigten und deren zwei Vertreter, sollten, vom gleichen Wahn ergriffen, ihr wahres Glück aufs Spiel setzen und sich einem zwecklosen Abenteuer ergeben?

5. Aber nicht nur ein, zwei oder drei Bevollmächtigte und deren Vertreter müßten dem gleichen Wahnsinn verfallen, sondern alle 24 Bevollmächtigte, 48 Vizebevollmächtigte und 48 Vertreter müßten imstande sein, ganz Europa den Krieg zu erklären und die Beute untereinander zu verteilen. Auch der Wahnsinn hat seine Grenzen, hier aber müßte man annehmen, daß hundert höchst verständige Leute alle auf einmal wahnsinnig werden und einen völlig unsinnigen Plan fassen.

6. Wenn man trotzdem noch irgendwelche Besorgnis hegt, kann man ja übereinkommen, daß jeder Bevollmächtigte nach drei bis vier Jahren abberufen wird.

Zweiter Einwand.

Man hat mir eingewandt, das dauernde Verweilen der Bevollmächtigten in der Stadt des Friedens könne einigen ehrgeizigen Herrschern Gelegenheit geben, durch ihre eigenen Bevollmächtigten Verschwörungen anzuzetteln, um den Bund zu sprengen und sich in die Herrschaft über Europa zu teilen.

Antwort.

1. Eine solche Verschwörung kann nicht gelingen. Sie müßte vielen Personen mitgeteilt werden, und bei einer großen Zahl von Verschwörern werden derartige Pläne stets scheitern oder vielmehr gar nicht zur Ausführung kommen. Die Furcht vor Entdeckung der Verschwörung durch einen anderen, der durch diese Entdeckung vor jeder Gefahr beschützt wird, ja noch eine beträchtliche Belohnung erhält, würde bewirken, daß jeder um die Wette den Anschlag zu entdecken suchte, bevor er gelingt, und diese Furcht wäre hinreichend, um ihn im Keime zu ersticken oder ihn sofort zu entdecken.

2. Es ist ein großer Unterschied zwischen einer Verschwörung, an der tugendhafte Männer aus religiösen Gründen oder zum Schutze des Gemeinwohls gegen die Tyrannei teilnehmen, und einer Verschwörung, zu der sich Leute aus niederer Habgier und Verbrecher zusammentun, die um schnöden Gewinnes willen nicht davor zurückschrecken, einen Bund zu zerstören der alle Völker beglückt. Die besten Geister lieben den Ruhm und fürchten die Schande, und Unternehmungen, die nicht von hervorragenden Geistern geleitet werden, können nie gelingen, besonders nicht, wenn zu ihrer Ausführung Verschwiegenheit, Sündhaftigkeit, Festigkeit und gegenseitiges Vertrauen nötig sind. Eine Diebesgesellschaft kann so lange verborgen bleiben, bis eins ihrer Mitglieder sicher ist, durch ihre Entdeckung viermal mehr zu gewinnen, als wenn es dabei bleibt. Wenn ihm aber durch gute Gesetze eine sehr ehrenvolle und sehr sichere und höhere Belohnung verbürgt wird, die zehnmal beträchtlicher ist, als alles, was es sich von der Verschwörung versprechen kann, so wird es sich hüten, dabei zu bleiben.

3. Leben und Ehre der Bevollmächtigten und ihrer Vertreter, die sich an der Verschwörung beteiligen, steht auf dem Spiel. Es liegt sogar im Interesse des Bundes, ein strenges und weithin sichtbares Exempel zu statuieren: Der Schuldige verliert also Leben und Habe. Welche Herrscher werden also so toll sein, ein so vermessenes, hassens- und tadelnswertes Unternehmen zu wagen? Welche Minister werden ihnen dazu raten oder es unterstützen, zumal wenn sie eine sichere Zuflucht und eine sehr vorteilhafte Belohnung in der Stadt des Friedens und überall sonst finden? Welche Völker würden sich nicht einmütig gegen einen Herrscher empören, der etwas so Unrechtes unternähme, ihnen für immer die Ruhe raubte und sie zu großen Kriegssteuern zwänge?

4. Welche Sicherheit hätten die vom Bund abfallenden Herrscher, daß der Friede unter ihnen erhalten bliebe, selbst wenn ihnen die geplanten Eroberungen glückten? Welche Sicherheit könnten sie einander für die Innehaltung ihres Teilungsvertrages geben, außer ihrem Wort und Versprechen und dem Vertrage selbst? Und wie könnten sie sich darauf verlassen, wo sie doch das Heiligste und Ehrwürdigste, was in ihren Versprechungen, Worten und Verträgen liegt, mit Füßen treten? Sollten sie so unsinnig sein, so viel ohne vernünftige Sicherheit zu wagen?

Augustus und Antonius, denen so viel daran liegen mußte, sich nicht zu veruneinigen, nachdem sie die gewaltige Römische Republik unter sich geteilt hatten, konnten ihr Leben nicht in Frieden beschließen. Auch die späteren west- und oströmischen Kaiser lagen unaufhörlich miteinander im Kriege. Ja sind irgendwelche Herrscher durch ihren Machtzuwachs gerechter, maßvoller und weniger eifersüchtig auf die Größe ihrer Nachbarn, mit einem Worte, friedliebender geworden?

Auch wenn ein Herrscher die ganze Welt eroberte, verlöre er dadurch viel, nicht nur an Ruf, sondern auch für die Sicherheit und die Erhaltung seines Hauses auf dem Throne. Welche Mittel müßte er doch anwenden, um zum Ziel zu gelangen, wieviel Verrat an seinen Versprechungen und Schwüren, an allen Gesetzen der Redlichkeit und des guten Glaubens und am Wohl der Gesellschaft begehen! Er müßte alles tun, was in seiner Macht stünde, um die gegenwärtige und künftige Gesellschaft wieder in das furchtbare Unheil des Zwistes und des Krieges zu stürzen. Kann man sich denken, daß er aus Liebe zum Ruhm ein so entehrendes Verhalten der ganzen Welt gegenüber befolgte?

Auch um die Erhaltung seines Hauses auf dem Throne wäre es nicht besser bestellt. Ist es doch selten, daß zwischen den Söhnen aus erster und zweiter Ehe kein Zwist ausbricht, daß keine vormundschaftlichen Regierungen eintreten, daß keine ehrgeizigen Minister unter schwachen und geistlosen Herrschern zur Macht kommen, wie man es im Oströmischen Reiche und in allen anderen Monarchien erlebt hat.

5. Auch wenn die Friedensstadt durch eine Verschwörung fiele, so wäre der Bund noch nicht vernichtet. Die angegriffenen Herrscher würden nur noch mehr zusammenhalten und doppelt darauf erpicht sein, an ihren Feinden Rache zu nehmen. Ihre Völker wären nur noch mehr geneigt, das Letzte aufzubieten, um diese zu besiegen und zu vernichten. Der Bund würde seinen Mittelpunkt bald wo anders finden, und da die nicht abgefallenen Herrscher viel stärker wären als die Empörer, würde der Krieg nicht lange dauern.

6. Schutzbündnisse können lange bestehen, denn keine Eifersucht sät Zwietracht wegen der Verteilung der eroberten Länder. Man begnügt sich damit, die alten zu erhalten. Eroberungsbündnisse, auch nur unter drei Herrschern, sind dagegen unmöglich oder nur von kurzer Dauer. Man kann beim Vertragsschluß nicht alle möglichen Fälle übersehen, oder wenn man es auch könnte, man einigte sich nicht.

7. Wer sicherte die drei Herrscher davor, daß sich nach der Eroberung Europas oder Asiens zwei von ihnen zusammentäten, um den dritten völlig auszurauben und sich in den Raub zu teilen? Dies Bündnis käme sogar noch leichter zustande. Wie aber sollte ein Mensch ohne solche Sicherheit auf den Schutz des Völkerbundes verzichten? Und wo fände er ohne diesen Bund je eine solche Sicherheit? In Worten, Schwüren und Verträgen, über die sie sich hinwegsetzen? In der Gleichheit der Kräfte, wo zwei von ihnen den dritten überwältigen oder die Zeit einer Regentschaft oder einer schwachen Regierung abwarten können? Ehrgeiz treibt sie, keine Furcht hält sie in Schach – worauf also soll man hoffen? Drei Räuber haben ihre Nachbarn ermordet und sich in die Beute geteilt. Werden sie sich sehr sicher voreinander fühlen, sie, die kein Gesetz scheuen und nur ihrer Habgier folgen?

8. Kann jemand, der einen solchen Plan gefaßt hat und kein Narr ist, ihn anderen Fürsten mitteilen, die vor ihm auf ihrer Hut sind, ihn stets mit Eifersucht betrachten und bei allem äußeren Anstrich von Redlichkeit nur auf seine Schwächung sinnen? Entweder liegt ein schriftlicher Vorschlag von ihm vor oder nicht. Liegt keiner vor, so wird jeder Herrscher argwöhnen, daß man ihn auf die Probe stellt, um ihn zu einem falschen Schritt zu verleiten. Liegt ein ernster schriftlicher Vorschlag vor, so liegt darin eine Tollheit, und welcher Herrscher möchte mit einem Tollen im Bunde bleiben? Wird er nicht im Gegenteil vorziehen, ihm einen großen Teil seiner Staaten zu nehmen, indem er die Beweise seines Verrats vorlegt, statt sich ohne Hoffnung auf Erfolg zu seinem Mitschuldigen zu machen?

9. Der ständige Bundesrat erleichtert solche verräterischen Abmachungen nicht, vielmehr ist die dauernde Überwachung aller Herrscher durch die Bundesversammlung ein neues Vorbeugungsmittel gegen solche Bündnisse.

10. Kurz, vernünftige Leute geben sich zu einem so tollen Unternehmen nicht her, und Tolle können es nicht ausführen, somit brauchen die Vernünftigen es nicht zu fürchten.

Dritter Einwand.

Ein Herrscher, besonders ein mächtiger, wie der türkische Sultan und der Zar, hat gewichtige Gründe, dem Völkerbund nicht beizutreten. Denn im System des Krieges hat er bei seinen Streitigkeiten mit den Nachbarn nur Gott zum Richter und sein Sieg hängt lediglich von seiner eigenen Kraft, von der Zahl, der Tapferkeit und Leistung seiner Truppen und Offiziere, kurz nur vom Waffenglück ab. Im System des Völkerbundes und des ewigen Friedens dagegen setzt er die anderen Herrscher zu Schiedsrichtern ein und gibt ihnen die Gewalt und Autorität, ihre Urteile zu vollstrecken. Er erkennt eine höhere Gewalt an und begibt sich in eine Abhängigkeit, in der er sich bisher nicht befand.

Antwort.

1. Seine ganze Abhängigkeit bezieht sich auf Streitigkeiten mit seinen Nachbarn oder seinen ungehorsamen Untertanen, die er dem Schiedsgericht unterbreitet. Nun aber bestimmt einer der Grundartikel des Bundes, daß dieser sich in Streitigkeiten mit seinen Untertanen nur einmischen darf, um ihm entscheidende Hilfe gegen deren Auflehnung zu leisten. Hat er also keine Streitigkeiten mit seinen Nachbarn, so ist er zeitlebens vom Bund unabhängig. Damit wird seine Abhängigkeit schon sehr beschränkt. Was aber den Ungehorsam der Untertanen betrifft, so ist hier entscheidend, daß die überwiegende Mehrzahl der Bundesmitglieder absolute Herrscher sind, denen selbst am meisten daran liegen muß, von ihren Untertanen völlig unabhängig zu sein. Sie brauchen also ihrem Bundesbevollmächtigten nur den Auftrag zu geben, im Bundesrat im Sinne der absoluten Herrschermacht zu stimmen. Allerdings können das englische Parlament, der polnische Reichstag und die deutschen Reichsstände verlangen, daß sie an der Gesetzgebung ihrer Länder beteiligt bleiben und daß die Pacta conventa, der Westfälische Friede, die Kaiserlichen Kapitulationen usw. in Kraft bleiben, aber diese Ausnahmen gehen die übrigen Herrscher nichts an. Sie werden ihre Macht über ihre Untertanen um so mehr fühlen, wenn sie sehen, daß die ihrer Nachbarn geringer ist.

2. Erkennt ein Herrscher die anderen als seine Richter in seinen Streitigkeiten an, so trifft dies auch umgekehrt zu. Er gibt einerseits also nur so viel auf, als er andererseits gewinnt; räumt er ihnen eine Art von höherer Gewalt über sich ein, so tun sie ihrerseits ein Gleiches. Soweit ist für ihn im System des Schiedsgerichts oder des ewigen Friedens alles gleich.

3. Seine Abhängigkeit vom Schiedsgericht richtet sich nach der Größe der Streitfragen, die ihm unterbreitet werden. Da nun ein Grundartikel des Bundes bestimmt, daß jeder Herrscher im ewigen Besitz seines ganzen gegenwärtigen Gebietes bleibt, daß kein Staat sein Gebiet durch Erbfolge, Schenkung, Verkauf oder sonstwie vergrößern oder verkleinern kann und daß der Handel frei, gleich und gegenseitig ist, so ergibt sich, daß alle Rechtsstreitigkeiten nur um Geringfügigkeiten geführt werden, um irgendeine unbewohnte Insel oder ein paar Hütten von Wilden. Selbst bei einem ungerechten Schiedsspruch hätte ein Herrscher also nicht mehr zu befürchten als den Verlust dieser Dinge. Hätte er in seinem Leben auch zwei bis drei solcher kleinen Prozesse zu führen, so ist seine Abhängigkeit von den Schiedsrichtern doch so klein, daß sie ihm kaum fühlbar wird.

4. Die Abhängigkeit von den Schiedsrichtern verringert sich aber nicht nur durch die kleine Zahl von Rechtsstreitigkeiten und ihre geringe Bedeutung, sondern auch noch in dem Maße, als man die Richter für gerecht, aufgeklärt und eifrig bestrebt hält, ihre Schiedssprüche mit peinlicher Gewissenhaftigkeit zu fällen. Die Kleinigkeiten, um die es sich handelt, sind persönliche Streitigkeiten oder solche um Grenzen und unwichtige Handelsfragen. Sollten da nicht alle Richter gerechte Urteile fällen, da sie oder ihre Kinder ja auch Kläger oder Beklagte werden können, die Grenz- oder Handelsstreitigkeiten miteinander haben? Sie werden also um so mehr darauf sehen, keiner Partei Unrecht zu tun, als sie sich selbst das gleiche oder noch größeres Unrecht zufügen könnten, wenn sie vom Weg der Gerechtigkeit abwichen. Da jede Partei in anderen Fällen selbst Richter wäre, läßt sich kein Schiedsgericht denken, das weniger zu fürchten und mehr zu wünschen wäre. Je weniger aber dies Schiedsgericht zu fürchten ist, um so geringer ist die Abhängigkeit von ihm.

5. Die anderen Abhängigkeiten, denen man durch das Schiedsgerichtsverfahren entgeht, sind weit beträchtlicher, denn es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, entweder das Schiedsgericht des Friedenssystems oder die Zufälligkeiten des Kriegssystems. Ein Herrscher, der als Angreifer oder Verteidiger sein Recht mit den Waffen sucht, setzt seinen ganzen Staat aufs Spiel. Wird er völlig geschlagen, so verliert er nicht nur den Gegenstand des Streites, sondern tausendmal mehr. Steht aber die Größe der Abhängigkeit im Verhältnis zur Wichtigkeit des Streitpunktes, so ist es klar, daß die Abhängigkeit vom Waffenglück unendlich viel größer ist als die, in die sich ein Herrscher begibt, wenn er sich gerechten Richtern unterwirft. Denn im Schiedsgerichtsverfahren setzt er immer nur den Gegenstand des Streites aufs Spiel, und das ist wenig; im System des Krieges hingegen setzt jede Partei alles aufs Spiel, auch wenn sie nur um wenig kämpft.

6. Die Kosten eines Krieges sind erdrückend und für beide Parteien völlig weggeworfen, wenn sie nichts erobert haben und aus Erschöpfung zum Frieden oder vielmehr zum Waffenstillstand gezwungen sind. Diese Kosten übersteigen den Wert des umstrittenen Gegenstandes oft hundertfach. Im System des Friedens dagegen greift niemand zu den Waffen, und der Schiedsspruch ist unentgeltlich.

7. Bei der jetzigen europäischen Lage hat der Sieger sehr geringe Aussicht auf Kriegsentschädigung, denn wenn er große Eroberungen machte, die ihn für seine Kosten entschädigen, so würden seine Nachbarn sich sofort sämtlich gegen ihn verbünden, damit er sie wieder herausgibt.

8. Kann ein Herrscher sich auch große Erfolge und Kriegsentschädigungen versprechen, er ist doch sterblich, und einer seiner Nachfolger kann minderjährig sein. Das Herrscherhaus, das er besiegt hat, kann in künftigen Zeiten die Übermacht erlangen und seinen Nachkommen das wieder abnehmen, was er ihm entrissen hat. Ist es da nicht klar, daß alle Kosten und Verheerungen des Krieges, und zwar eines jahrhundertelangen Krieges, für beide Parteien vergebens waren? Sind die Kosten für alle Kriege, die seit 175 Jahren zwischen dem Haus Österreich und Frankreich entbrannten, nicht umsonst gewesen? Und doch übersteigen sie alles in allem den vierfachen Wert von ganz Frankreich, und Frankreich wird in 175 Friedensjahren viermal mehr wert sein, als gegenwärtig.

9. Entweder hält ein Herrscher seinen Anspruch für sehr gerecht oder für ungerecht. Im letzteren Falle gibt es nichts hassenswerteres, als anderen etwas anzutun, von dem man nicht wünscht, daß sie es einem selbst antun. Hält er seinen Anspruch aber für gerecht, so ist es unklug, die Entscheidung dem Zufall des Waffenglücks zu überlassen, anstatt dem Urteil von Schiedsrichtern, die ihr eigenes Interesse aufgeklärt und unparteiisch macht. Sind also diese zwei Arten von Abhängigkeit für einen weisen und gerechten Herrscher auch nur vergleichbar?

10. Im System des Krieges befindet sich auch der mächtigste Herrscher in dauernder Abhängigkeit von seiner Familie, deren Mitglieder während einer vormundschaftlichen Regierung eine Spaltung seines Reiches herbeiführen können, gegenüber den Großen, die sich verschwören, gegenüber seinen anderen Untertanen, die sich unter dem Vorwand erdrückender Steuern oder der Religionsfreiheit auflehnen können. Man darf sich nicht täuschen: ein Herrscher hängt von allen diesen Dingen ab, die ihn und sein Haus stürzen können. Diesen Krankheiten ist im System des Krieges jedes Herrscherhaus ausgesetzt. Das System des Friedens und des Völkerbundes hingegen beugt solchen Mißständen vor; es befreit den Herrscher somit von einer der furchtbarsten Abhängigkeiten. Nun vergleiche man die eine Abhängigkeit von den Schiedsgerichten mit all diesen Abhängigkeiten, und man muß zugeben, daß jene nur ein Atom eingebildeter Abhängigkeit ist, im Vergleich zu der Zahl und Größe der Abhängigkeiten, von denen er sich befreit.

11. Aber selbst wenn die Abhängigkeit von den Schiedsgerichten nicht so gering wäre, ja sogar, wenn die Abhängigkeit im Kriegssystem und im System des Friedens gleich groß wären, so bietet das letztere doch andere Vorteile, die denen des Kriegssystems unendlich überlegen sind, wie wir es im dritten Hauptstück gezeigt haben. Darf also die Furcht vor der Abhängigkeit von den Schiedsgerichten den Ausschlag geben?

12. War Heinrich IV. zur Zeit seines Todes nicht einer der mächtigsten Herrscher Europas? Er hatte sogar den größten Teil der Staatsschulden getilgt und einen erheblichen Schatz gesammelt, besaß große Kriegserfahrung und war der Liebling seines Volkes. Bei seinem hohen Geist, seinem großen Mut und seiner fabelhaften Tatkraft war er für ein ständiges Kriegsgericht und verzichtete zugunsten des Völkerbundes, den er erdacht hatte, auf alle Eroberungspläne. Warum soll der Zar oder irgendein mächtiger Herrscher nicht ebenso weise sein?

Vierter Einwand.

Wie kann ein Plan, der für alle Herrscher so vorteilhaft ist, so vielen aufgeklärten Fürsten und Ministern entgangen sein? Diese Vorteile müssen also nicht so wirklich sein, wie es scheint, oder die Sache muß ihnen unausführbar erschienen sein.

Antwort.

Dieser Einwand ist bestechend, aber nicht stichhaltig.

1. Die schönsten und nützlichsten Erfindungen sind ein Werk des Zufalls, und wenn man mich für den Erfinder dieses Gedankens hält, so kann auch ein mäßig Begabter mehr Glück haben, als ein großer Geist. Mit dem obigen Einwand aber kann man alle neuen Entdeckungen, wahre und falsche, ableugnen. Mit der gleichen Logik empörte man sich vor 80 Jahren gegen die Theorie des Blutkreislaufes. Man darf also nicht bloß seinem Vorurteil folgen, wenn man einen Plan von allen Seiten und in allen seinen Teilen prüfen kann.

2. Zum Glück ist aber Heinrich IV. der erste Erfinder, wenn wir auch nicht wissen, mit welchen Gründen er 17 oder 18 Herrscher zum Beitritt bewogen hat und welche Mittel er zur Ausführung seines Planes benutzen wollte. Es ist deshalb bisher nicht leicht erschienen, Anhänger dafür zu werben oder ihn in die Tat umzusetzen. Aber der Leser nehme einmal an, dies wären die Memoiren Heinrichs IV., die ich in einem ausgegrabenen Bleikasten entdeckt und nur in Kleinigkeiten verändert hätte, um mir die ganze Ehre zuzulegen, so wird sein Mißtrauen nachlassen, und er wird mehr geneigt sein, meinen Gedanken Gehör zu leihen, so weit sie begründet erscheinen.

Fünfter Einwand.

Der Völkerbund wäre für die Herrscher höchst wünschenswert. Er verdoppelte ihre Einkünfte binnen 20 Jahren, sicherte ihren Häusern die Thronfolge gegenüber allen feindlichen Angriffen, allen inneren Aufständen und Verschwörungen; ja kein Vertrag könnte ihnen den hundertsten Teil der Vorteile bringen, die in diesem Völkerbund liegen. Wir sehen deutlich die unversieglichen Quellen von Wohlstand und Überfluß, die Ruhe und das Glück, die ein ewiger Friede brächte. Wir sehen, von wie vielem Unglück und Elend die Herrscher sich, ihre Häuser und ihre Untertanen befreien könnten, wenn sie das System des Krieges aufgäben. Aber man muß in diesem schönen Plan mehr den Wunsch eines guten Bürgers Den »Traum eines Ehrenmannes« nannte ihn Friedrich der Große. (Der Übers.) als den Plan eines guten Staatsmannes erblicken; er ist ein platonischer Idealstaat und kein ernstes Projekt. Er könnte den verderbten Geistern der Zeit nicht gefallen: die Vernunft vermag nichts gegen die Leidenschaften. Die Herrscher sind Menschen, und die Menschen sind nicht so weise und verständig, sich von ihren größten Interessen leiten zu lassen. Sie fürchten die Wirren des Krieges weniger als die Langeweile des Friedens. Groll, Eifersucht, eine falsche Ansicht, eine eitle Hoffnung auf Gebietszuwachs, ein Weltherrschaftstraum, eine Chimäre von Feldherrn- und Erobererruhm, kurz etwas sehr Eitles oder Kleines, das sie von Jugend an im Busen hegen, erscheint ihnen weit beträchtlicher als etwas Neues, an sich ungleich Wichtigeres, das ihnen als nichtig erscheint, weil sie nicht daran gewöhnt sind. Die Gewohnheit, etwas zu wünschen, bestimmt die Leidenschaften, und die Leidenschaften beherrschen die denkenden Wesen zur Schande der Vernunft.

Antwort.

Ich habe diese Einwände von verschiedenen Seiten gehört und will ihnen nichts von ihrer Kraft nehmen, denn ich fürchte nur solche, die keine Einwände machen wollen. Diese allgemeinen Einwände sind um so bestechender, als sie teils wahr sind, aber ihre Widerlegung ist umso leichter, als man zu ihrer Verfechtung von gänzlich widersinnigen und falschen Voraussetzungen ausgehen müßte. Gehen wir von den allgemeinen Behauptungen zu einem konkreten Fall über. Vier bis fünf Herrschern – den Königen von Frankreich, Spanien und England, den Holländern und Portugiesen – wird nach einem langen, erschöpfenden Kriege ein Friedensvertrag angeboten, der nicht nur den jetzigen Krieg beendet, sondern sie auch vor jedem künftigen Kriege bewahrt. Ist es unmöglich, sie für diesen Vertrag zu gewinnen, so ist er völlig unausführbar, aber ich behaupte: wenn nicht jetzt, so ist es beim nächsten Friedensschluß oder bei irgendeinem anderen Friedensschluß möglich, daß sie auf geeignete Mittel sinnen, diesen Frieden dauernd zu erhalten, und das können sie ohne Wunder, wenn sie einen Vertrag auf Grund meines Planes unterzeichnen.

1. Gibt man zu, daß dieser Vertrag der vorteilhafteste ist, den sie unterzeichnen können, so muß man behaupten, daß diese fünf Herrscher sich stets von Leidenschaften beherrschen lassen, die sie stets von ihrem wahren Vorteil abbringen, und daß, wenn einer oder der andere lichte Augenblicke hat, diese Augenblicke gerade dann eintreten, wenn die übrigen umnachtet sind. Man muß annehmen, daß diese lichten Augenblicke nie zusammentreffen, denn träfen sie nur für einen Monat zusammen, so ist es ausgeschlossen, daß sie den Vertrag nicht unterzeichnen. Man sieht also, zu welchem Widersinn solche allgemeinen Behauptungen führen, sobald man nicht ins Einzelne geht.

2. Die Widersinnigkeit dieser Schlußfolgerung tritt noch klarer zutage, wenn man sich folgendes sagt: Wenn diese fünf Mächte stets von Leidenschaften beherrscht werden, die sie von ihrem wahren Vorteil abbringen, so können sie weder untereinander noch mit anderen Fürsten nicht nur diesen Vertrag, sondern überhaupt kein Bündnis abschließen, das ihnen irgendwie nützlich ist, also auch keinen Friedensvertrag. Kann man auch nur einen Augenblick auf einer Schlußfolgerung fußen, die zu solchem Unsinn führt?

3. Diese Schlußfolgerung gilt nicht nur für fünf, sondern ebensogut für zwei Herrscher, denn es handelt sich nicht um ihre Zahl, sondern darum, daß die Herrscher derart von Leidenschaften verblendet sind, daß sie in ihren Verträgen niemals auf ihren wahren Vorteil losgehen. Ein gleiches gilt von zwei Privatleuten, denn auch sie sind den Leidenschaften unterworfen.

4. Dann muß man auch den Schluß ziehen, daß weder Fürsten noch Privatleute je einen Vertrag geschlossen haben, der allen Teilen zum Vorteil gereicht. Denn warum sollte die Vergangenheit ein Vorrecht vor der Gegenwart haben? Und warum sollen maßlose Leidenschaften die Menschen in Zukunft nicht ebenso beherrschen wie in der Vergangenheit?

5. Wie ich früher gezeigt habe, bedarf es nur eines geringen Maßes von Klugheit, um die Größe und Handgreiflichkeit der Vorteile zu erkennen, die aus dem Vertrage entspringen.

6. Wie ich ferner gezeigt habe, braucht man gar nicht leidenschaftslos zu sein, um ihn zu unterzeichnen. Kann zum Beispiel der Wunsch, ungleich reicher zu werden, nicht auch zur Leidenschaft werden? Oder die Furcht, seine Provinzen, seinen Staat durch das Kriegslos oder durch Verschwörungen zu verlieren? Somit brauche ich nicht die Vernunft allein den Leidenschaften entgegenzustellen, sondern sie läßt sich durch neue Leidenschaften unterstützen, die den früheren überlegen oder gleich stark werden können.

7. Jemand, der meinen Plan lobte und ihn oft dem Vorteil aller Herrscher entsprechend fand, sagte mir kalt: »Jeder Herrscher müßte ihn unterzeichnen. Wären sie alle gescheit, sie täten es alle. Ich für mein Teil täte es mit Freuden, wenn ich an Stelle des Schwächsten, des Mächtigen, ja selbst des Mächtigsten stände. Aber ich glaube, daß weder die einen noch die anderen ihn unterzeichnen werden.« Er war überrascht von der guten Meinung, die ich von dem gesunden Verstand und der Klugheit der Herrscher hege. Aber ist es nicht noch überraschender, daß er von den Herrschern annimmt, sie dächten so viel weniger vernünftig als er, und sie würden stets so denken, die jetzt Regierenden wie die künftigen?

8. Wenn diese Schlußfolgerung stimmt, so hätten weder die deutschen Reichsfürsten einen entsprechenden Vertrag unter sich geschlossen, noch hätte Heinrich IV. den Plan eines Völkerbundes gehegt. Denn schließlich war er und waren sie Menschen und Herrscher, die ihren Leidenschaften unterworfen waren, wie heutzutage. Sie wünschten die Vergrößerung ihres Gebietes auf Kosten ihrer Feinde, fürchteten so gut wie die heutigen Herrscher, sich einem Schiedsgericht unterzuordnen, und hofften mit gleichem Grunde auf den Erfolg ihrer Waffen. Und doch schlossen die deutschen Fürsten einen Vertrag, der nicht annähernd so günstig war, wie der, den ich vorschlage, und Heinrich IV. lud kurz vor seiner Ermordung die anderen Herrscher zum Völkerbund ein und hatte schon siebzehn bis achtzehn dafür gewonnen!

Sechster Einwand.

Die Herrscher haben freilich nur zweierlei Macht: über ihre Untertanen und über ihre Nachbarn. Der Vertrag stellt ihre Macht und ihre Rechte über ihre Untertanen zwar sicher, ja er mehrt sie gewaltig, denn sie haben niemals Aufstände und Verschwörungen zu fürchten. Aber sie werden sich nie entschließen, die Rechte aufzugeben, die sie auf Gebiete benachbarter Mächte haben oder doch zu haben glauben. Sie werden nie auf das Recht und die Macht verzichten, die Waffen gegen ihre Nachbarn zu erheben, wenn es ihnen gefällt, und einem anderen als Gott selbst Rechenschaft abzulegen. Ihre Eroberungspläne und Weltmachtträume mögen noch so schlecht begründet, mit noch so großen Gefahren für sie und für ihre Häuser verknüpft sein, sie werden nie darein willigen, sich in dieser Hinsicht zu beschränken und ihren Nachbarn die Sicherheiten zu geben, die den Völkerbund herbeiführen können. Unter Schmeichlern aufgewachsen, können sie nicht so denken wie Privatleute, noch die Zukunft richtig einschätzen. Sie werden nie weise genug sein, daß sie nicht zu viel hoffen und zu wenig fürchten.

Antwort.

1. Dieser Einwand deckt sich im Grunde mit dem vorhergehenden. Wer ihn erhebt, macht keinen Unterschied zwischen den mächtigsten und den minder mächtigen Herrschern, als ob die letzteren den Verlust oder die Verminderung ihrer Staaten nicht mehr zu fürchten, sondern die gleiche Aussicht auf große Eroberungen hätten. Er rechnet dazu auch die besonnensten Freistaaten, die kein anderes Ziel haben, als sich zu behaupten und die Freiheit ihres Handels ungestört zu erhalten. Er bedenkt nicht, daß unter den mächtigsten alte oder von Jugend auf weise oder durch Erfahrung gewitzigte Herrscher sein können, die ganz anders denken als junge Tollköpfe.

Bisher hat nicht einmal einer von denen, die diesen Plan für unausführbar halten, behauptet, daß Holland, England, Portugal, Kurland, Venedig, Genua, Genf, Graubünden, die Schweizer Kantone, Polen, die meisten italienischen und deutschen Fürsten so unsinnig seien, daß sie die schwachen und ungewissen Vorteile eines ewigen Krieges den gewaltigen und sicheren Vorteilen eines ungestörten Friedens vorzögen, wie er in diesem Plan vorgeschrieben wird. Man darf aber auch unter den übrig bleibenden fünf bis sechs Herrschern nicht die zweifellos weisen mit den noch unsicheren verwechseln.

2. Wenn die Verfechter dieses Einwandes behaupten könnten, der vorgeschlagene Vertrag sei für die mächtigsten Herrscher so nachteilig, daß sie ihn nur in einem Augenblick des Wahnsinns unterzeichnen können, so wäre ihr Einwand begründet. Solange sie aber die dreizehn Sätze des dritten Hauptstückes nicht widerlegen können, aus denen hervorgeht, daß auch die mächtigsten Herrscher die größten Vorteile davon haben, bleibt ihr Einwand hinfällig.

Siebenter Einwand.

Unter den Herrschern wie unter anderen Menschen wird es stets Neigung zu Zwietracht geben. Du aber willst sie einigen und in Eintracht erhalten.

Antwort.

1. Es ist richtig, daß es unter den Menschen stets Neigung zur Zwietracht gibt, aber auch Neigung zur Eintracht, denn sie sind zur Befriedigung ihrer Wünsche und Neigungen aufeinander angewiesen, und dies führt sie ebenso oft zusammen, wie es sie veruneinigt. Es fragt sich also, ob es besser ist, daß sie ihre Streitigkeiten mit Gewalt, List und Zwietracht, oder durch Vereinbarung, Schiedsgerichte und Eintracht schlichten.

Es wird zwar stets Streitfälle geben, aber nach Unterzeichnung des Vertrages werden sie selten und belanglos sein, und wie ich gezeigt habe, ist zu ihrer Schlichtung der Weg der Vereinbarung und der Schiedsgerichte dem Wege der Gewalt und des Krieges ungleich vorzuziehen. Zum Glück ist den Privatleuten jede Gewalttat verboten. Können sich die Herrscher zu ihrem eigenen Besten und zum Wohl ihrer Untertanen nicht gegenseitig diesen verderblichen Weg verbieten? Es ist also leicht zu begreifen, daß die europäischen Herrscher durch Interessengegensätze geschieden sein und doch einen Bund bilden und ihn erhalten können, wenn sie ihre Streitigkeiten auf eine weniger grausame, ungerechte, dem Zufall ausgesetzte und verderbliche Weise schlichten können als durch den Krieg.

2. Gibt es zwischen den Schweizer Kantonen, den deutschen Fürsten und den Sieben Provinzen (der Niederlande) keine Streitigkeiten? Die Einwohner dieser Länder wissen das Gegenteil, und doch werden ihre Streitigkeiten nicht durch Krieg und Gewalt geschlichtet. Warum läßt sich etwas, das unter mehreren Mächten Europas möglich ist, nicht auf alle anwenden? Die europäischen Herrscher werden gewiß stets lebhafte Wünsche oder Leidenschaften haben, die ihnen zu Krieg und Gewalttat raten; ist aber der Bund einmal begründet, so finden diese Wünsche ihr Gegengewicht in der noch stärkeren Furcht, d. h. in anderen, noch lebhafteren Leidenschaften. Warum soll diese weise und heilsame Furcht sie nicht vor tollen, verderblichen Wünschen bewahren?

Achter Einwand.

Ein Herrscher wird sich nie bereit finden, einem Bund beizutreten, der ihn im Fall seines Wiederaustritts seiner Staaten berauben kann.

Antwort.

1. Sein Beitritt erfolgt, weil er diesen Bund für höchst vorteilhaft hält, somit muß er dessen Dauer wünschen. Und kann dieser Bund von Dauer sein, wenn nicht jedes Mitglied alle möglichen Sicherheiten gibt, ihn niemals zu stören? Unter diesen Sicherheiten ist die größte und notwendigste die Furcht, abgesetzt zu werden, wenn man den Bund und den Frieden nicht mehr will, und andererseits die Sicherheit, unterstützt zu werden, solange man ihm angehört.

2. Haben die deutschen Reichsfürsten durch die Reichsacht nicht schon gezeigt, daß die Furcht vor der Absetzung, falls jemand den Bund bricht, eine der sichersten Gewähren für seine Unauflösbarkeit ist? Haben sie durch ihren Zusammenschluß nicht ihre Einsicht bekundet, daß Eintracht und Friede im ganzen genommen ungleich besser sind als Zwietracht und Krieg, und daß die Reichsacht nur für die zu fürchten ist, die so böse und töricht sind, daß sie dem Kriege den Vorzug geben?

Neunter Einwand.

Wie ungerecht ist es vom Völkerbund, die Auflehnung einzelner Provinzen gegen einen Herrscher zu unterstützen und 200 der höchsten Staatsbeamten zu bestrafen, deren ganzes Verbrechen darin besteht, daß sie ihm gehorsam und treu waren!

Antwort.

1. Ein Herrscher, der dem Bunde beitritt, will hinreichende Sicherheit für seine Dauer geben und sie seinerseits haben. Somit erklärt er und jedes Mitglied, daß, wenn er den Frieden bricht und zum erklärten Feinde des Bundes wird, seine Untertanen nicht mehr seine Untertanen sind. Mithin sind diese und seine Provinzen ihm keinen Gehorsam und keine Treue mehr schuldig. Unterstützt also der Bund Provinzen, die von ihrem Herrscher abfallen, so begünstigt er keineswegs den Ungehorsam, da er ja in die Acht und Absetzung willigt, falls er den Frieden bricht und aus dem Bund austritt.

2. Ebenso bestraft der Bund in den 200 Staatsbeamten nicht seine Untertanen, denn mit seiner Kriegserklärung hören sie auf, es zu sein; er bestraft vielmehr mutwillige Friedensstörer. Im übrigen ist diese Acht keine neue Sicherheit; schlüge man aber eine solche vor, so würden sich die, welche ernstlich einen dauernden Frieden wünschen, sich ihr nicht nur nicht widersetzen, sondern sie als sehr erwünscht allgemein fordern. Wer ernstlich das Ziel wünscht, will auch ernstlich die Mittel. Diese Mittel sind die Acht, die Bestrafung der höchsten Beamten, die Wachsamkeit der Residenten des Bundes in den Provinzen, die jährliche Eidesleistung der Herrscher. Kann man einerseits sagen, diese Mittel seien unnütz, ja zur Erhaltung des Friedens überflüssig, und andererseits, sie nähmen den Herrschern etwas, denen an der Erhaltung dieses Friedens liegt?

3. Die Behauptung, die Residenten in den Provinzen seien offizielle Spione, gebe ich zu. Aber sind die heutigen Gesandten und Botschafter etwas anderes? Sie werden Spione oder besser Wachtposten des öffentlichen Wohles, d. h. des dauernden Friedens sein.

Zehnter Einwand.

Da die Bevollmächtigten ihr Urteil über einen Streitfall zwischen zwei Herrschern nur nach Einholung der Weisungen ihrer Herrscher abgeben, werden die Rechtsstreitigkeiten sehr lange dauern.

Antwort.

1. Diese Streitigkeiten werden sehr unbedeutend sein, da die Herrscher ja übereinkommen, ihren jetzigen Besitzstand zu erhalten, und da der Handel frei und gegenseitig ist. Die Länge der Rechtsstreitigkeiten kann also nicht viel schaden.

2. Die Parteien haben dadurch mehr Muße, sich die von den Vermittlungskommissaren vorgeschlagenen Vergleiche zu überlegen, und diese haben Zeit genug, noch einige neue Vermittlungsvorschläge ausfindig zu machen, um der einen Partei die Schande eines ungünstigen Urteils zu ersparen.

Elfter Einwand.

Im Bundesgericht wird es stets Ränke geben, wie bei allen anderen Gerichten.

Antwort.

1. Jeder Bevollmächtigte ist nur das Organ seines Herrschers. Dies Organ zu bestechen, hätte keinen Zweck. Es wird also weniger Ränke und Parteien geben als bei anderen Gerichten.

2. Das Reichskammergericht in Speyer hat trotz dieser Ränke und Parteien gerechte Urteile gefällt, denn die große Mehrzahl der Richter hat ein Interesse daran, gerecht zu urteilen, sie wissen, daß ihre Urteile die Grundlage für ihre künftigen eigenen Rechtsstreitigkeiten bilden.

3. Die Hauptsache ist, daß die Streitigkeiten ohne Krieg geschlichtet werden.

Zwölfter Einwand.

Der Wunsch, sich zu vergrößern, ist so natürlich, daß weder ein Kaufmann, noch ein Edelmann, noch ein Herrscher ihm je entsagen könnte.

Antwort.

1. Der Herrscher entsagt keiner Vergrößerung, die dem Kaufmann und Edelmann zusteht. Er kann wie sie seine Einnahmen durch Fleiß vermehren, einen Teil seiner Einkünfte zurücklegen und von seinem Verdienst und seinen Ersparnissen Schulden abtragen, Domänen kaufen, Manufakturen begründen, Lustschlösser bauen usw.

2. Die einzige ihm verbotene Vergrößerung ist die gewaltsame, ungerechte, bewaffnete Eroberung auf Kosten seiner Nachbarn. Diese Art von Vergrößerung hat der Kaufmann und der Edelmann nie im Sinn, sondern nur die Piraten, Räuber und Banditen unter den Privatleuten und die Usurpatoren unter den Herrschern.

3. Der Kaufmann und der Edelmann können auch im Ausland ein Gut, eine Domäne kaufen, darüber verfügen und Renten erwerben. Auch den Herrscher hindert nichts daran, wenn er nur dem betreffenden Staate seine Hoheitsrechte über solche Erwerbungen läßt.

Wie man also sieht, entsagt der Herrscher keiner Vergrößerung, die einem Mitglied der Gesellschaft zusteht. Er verzichtet allein auf Gebietszuwachs und genießt dafür alle Vorteile der Gesellschaft, des Friedens und des ungestörten Handels. Er verliert also nichts, vielmehr gewinnt er ebensoviel wie die Kaziken, die kleinen Häuptlinge und Herrscher der Wilden, gewännen, wenn sie eine dauernde Gesellschaft unter ihresgleichen begründen könnten. Der Friede brächte ihnen die Künste, die der Krieg verbannt, und diese Künste brächten ihnen wie den Großstaaten Sicherheit, Reichtum und Überfluß.

Da wir gerade von den Kaziken sprechen, so überlege man sich einmal ihre Art von Unabhängigkeit. Von Rechts wegen hängen sie weder von ihren Stammesnachbarn, noch von fernen Herrschern, noch von ihren Untertanen ab. Sie brauchen sich keinem Gesetz und Urteil zu beugen. In Wirklichkeit aber hängen sie von jedem ab, der sie absetzen kann, von ihren Nachbarn und Untertanen, Wie von fremden Herrschern. Könnten sie sich über den Umfang ihres Gebietes verständigen und sich gegenseitig vor allen denen schützen, die sie zu fürchten haben, könnten sie übereinkommen, ihre Streitigkeiten nicht mit den Waffen, sondern durch Schiedsrichter Zu schlichten, könnten sie sich schließlich hinreichende Sicherheit für ihre gegenseitigen Vereinbarungen geben, so ist es klar, daß sie damit eine große wirkliche Unabhängigkeit erreichten, die sie nicht besitzen, an Stelle einer Art eingebildeter Unabhängigkeit, die zwar von Rechts wegen besteht, ihnen aber in Wirklichkeit gar nichts nützt, weder für ihre Selbstbehauptung, noch für die Zunahme ihres Wohlstandes, noch für ihre Gewalt über ihre Untertanen. Mangels einer solchen Vereinbarung und Gesellschaft, mangels gegenseitiger Verständigung und aus Unkenntnis des einzigen Mittels gegen ihre Krankheit leben sie stets in Zwietracht, Mißtrauen und Krieg oder in schlecht gesichertem Frieden, stets in Gefahr und ohne die lebensnotwendigsten Dinge.

Unsere Bürgerkriege bringen uns in die Lage der Kaziken, und die auswärtigen Kriege machen sich unseren Herrschern ebenso fühlbar wie den mächtigsten Kaziken. Was ergibt sich aus dieser Abschweifung? Die schon oft bewiesene Tatsache, daß unsere Herrscher ungleich glücklicher sein könnten, wenn sie selbst die Gesellschaft bilden wollten, die sie den Kaziken anraten würden, um ihrem Unglück abzuhelfen.

4. Hatten die deutschen Reichsfürsten, als sie übereinkamen, sich in den Grenzen ihres Besitzstandes zu halten, keinerlei Verlangen nach Vergrößerung durch Waffengewalt? Da sie aber die Unsicherheit und die Kosten dieser Vergrößerung ihrer Einkünfte einsahen und diese Chimäre sie an größeren, wirklicheren und gewisseren Vergrößerungen hinderte, entsagten sie ihr leichten Herzens. Somit zeigen die deutschen Reichsfürsten durch alles Gute, was in ihrem Bunde liegt, dem übrigen Europa den Weg zur Vermeidung vieler Kriege, und durch die Mängel ihres Bundes zeigen sie ihm den Weg zur Verhütung aller Kriege und zu jenem unerschütterlichen Frieden, den das deutsche Reich noch nicht erreicht hat.

5. Da der Wunsch nach Gebietsvergrößerung durch Gewalt oder, um einen ehrbareren Ausdruck zu brauchen, durch Eroberung, bei allen Herrschern lebhaft und natürlich ist, besonders bei den mächtigen, so hat zweifellos auch Heinrich IV., einer der mächtigsten Herrscher Europas, diesen Wunsch gehegt. Wie kommt es nun, daß er seit dem Frieden von Vervins diesen Wunsch aufgab und selbst vorschlug, seinem Gebiet unverrückbare Grenzen zu ziehen, daß er durch den europäischen Bund auch den schwächsten Nachbarn hinreichende Sicherheit bot, daß weder er noch einer seiner Nachfolger ihnen je einen Morgen von ihrem Gebiet nehmen würden? Woher diese große Veränderung in seinen zwölf letzten Lebensjahren? Es waren zwei gleichzeitige Gedanken, deren Verknüpfung in seinem Geiste zu dem neuen System der europäischen Politik führten, das ich jetzt aller Welt vorlege. Der eine dieser Gedanken beruhte auf der Erkenntnis der großen Vorteile, die ein dauernder Friede allen europäischen Herrschern bringt. Der zweite auf der Erkenntnis der gegenseitigen Sicherheit, die ein europäischer Staatenbund bietet, dessen Bundesrat in einer freien Stadt seinen dauernden Sitz hat und der alle künftigen Streitigkeiten durch bevollmächtigte Vermittler oder durch Schiedsspruch aller verbündeten Herrscher schlichtet. Dies neue System des ewigen Friedens schien ihm ungleich erwünschter als neue, ungewisse und äußerst kostspielige Eroberungen. Daher der große Umschwung in seiner Gesinnung. Warum aber sollten die gleichen Ursachen, d. h. die gleichen Erwägungen, bei anderen Herrschern nicht die gleichen Wirkungen zeitigen?

Dreizehnter Einwand.

Die Kriege sind eine notwendige Folge der Erbsünde, die die menschliche Vernunft verderbt hat und uns ganz unvernünftige Neigungen eingibt. Aus dieser vergifteten Quelle fließt unser Eigennutz und unsere Selbstsucht. Die Menschen zur Vernunft zu bringen, ist ein Wunder der göttlichen Gnade und kein Werk der Natur. Auch die Fürsten für vernünftiger zu halten als die übrige Menschheit, ist ein Wunder.

Antwort.

Auch dies ist eine jener allgemeinen Redensarten von Leuten, die sich nicht die Mühe geben, über die Art der Beweggründe und Triebfedern nachzusinnen, durch die ich die Herrscher nacheinander diesem Bunde geneigt machen möchte.

1. Es ist nicht wahr, daß die Zwietracht unvermeidlich ist, obwohl sie eine notwendige Folge der Erbsünde ist. Es gibt Bündnisse zwischen christlichen und heidnischen, zwischen katholischen und protestantischen Herrschern, zwischen Kantonen und Provinzen, und dies trotz der Erbsünde; denn es gibt Leidenschaften und Interessen, die ebenso zur Eintracht und zum Frieden, wie zur Zwietracht und zum Krieg führen. Die stärksten geben den Ausschlag, somit bewegt die Erbsünde, die Quelle unserer Leidenschaften, die Herrscher zum Beitritt zum Völkerbund, wenn er ihren Interessen mehr entspricht, als das System der Zwietracht.

2. Ich habe keine anderen Triebfedern benutzt als die der Natur. So wie der Mensch jetzt ist, will er sich, seine Gesetze, Gewohnheiten, Meinungen und Sitten behaupten. Er sucht seine Religion, seinen Wohlstand, seine Freuden, seine Ruhe, seinen Ruhm, seine Bequemlichkeit und die Segnungen des Gesellschaftszustandes zu wahren. Dies sind die Grundlagen der menschlichen Leidenschaften. Hierauf beruhen alle Gesellschaften, große wie kleine, die der Wilden, der Deutschen und anderer gesitteter Völker. Hierauf gründe ich auch den Völkerbund, der sich von diesen Gesellschaften nur durch seinen größeren Umfang unterscheidet. Sind das zu erhabene Beweggründe und übernatürliche Triebfedern, und ist dazu ein Wunder der göttlichen Gnade vonnöten?

3. Befinden sich unter meinen Beweggründen die Mäßigkeit des Sokrates oder die strenge Tugend der Stoiker, ja die Lehren des Evangeliums? Ein solches System freilich könnte nur durch ein Wunder der göttlichen Gnade gelingen, und seine Ausführung würde fast unmöglich erscheinen.

4. Habe ich etwas anderes vorausgesetzt, als daß die Herrscher an ihren Vorteil denken, daß sie ziemlich aufgeklärt sind, aber bisweilen irren? Ich habe also mit den Menschen gerechnet, wie sie sind, und nicht, wie sie sein sollen! Man vergegenwärtige sich doch nur alles, was ich den Herrschern vor Augen geführt habe, alle Nachteile des Systems der Zwietracht und alle Annehmlichkeiten des Systems der Eintracht und des ewigen Friedens, und man wird erkennen, ob sie des Wunders der Gnade bedürfen, um dafür zugänglich zu sein!

5. Wer behauptet, weil es stets Kriege in Europa gegeben hat, werde es bis ans Ende der Zeiten so bleiben, prophezeit, aber er schlußfolgert nicht. Man müßte sonst beweisen, daß der Völkerbund kein hinreichendes Mittel oder daß er unmöglich wäre, daß die Herrscher niemals ihren wahren Vorteil suchen oder daß die Mehrzahl nie glauben wird, ihn in diesem Bunde zu finden. Aber ich möchte die Unmöglichkeit hiervon im einzelnen sehen, und das beweist man mir nicht.

6. Die Weisen und Heiligen werden dies neue politische System gewiß herbeisehnen, denn es entspricht der Tugend, der Vernunft, der Gerechtigkeit und der Menschenliebe. Ebenso gewiß aber scheint es, daß die Kinder der Welt es herbeiwünschen werden, denn kein anderes System entspricht so sehr den Interessen des Genusses und der Eitelkeit. Sind doch für den Christen wie für das Weltkind Zwietracht und Krieg die unerschöpfliche Quelle allen Unglücks, Eintracht und Friede dagegen stets die feste Grundlage großen Glücks.

7. Die Erbsünde hat die Bildung des deutschen Bundes nicht verhindert, der die Kriege in Deutschland sehr beschränkt hat und sie völlig unterdrückt hätte, wenn die Reichsverfassung keine erheblichen Mängel hätte. Im Gegenteil, da der Wunsch nach Verbesserung der eigenen Lage und die Furcht vor ihrer Verschlechterung ursprüngliche menschliche Leidenschaften sind, kann man sagen, die Erbsünde selbst habe zur Entstehung des deutschen Bundes beigetragen. Ebenso werden die natürlichen Leidenschaften, die Begierden und die anderen Folgen der Erbsünde am meisten zur Entstehung des Völkerbundes beitragen. So liefert der Skorpion selbst Mittel gegen die Übel, die das Gift des Skorpions erzeugt.

Vierzehnter Einwand.

Der Krieg ist eine Gottesgeißel, um die Sünder schon in diesem Leben zu strafen und die Geduld der Gerechten zu prüfen. Somit ist er ein notwendiges Übel.

Antwort.

1. Es ist eine Gottesgeißel, wenn Gott ihn schickt. Aber hat Gott in seiner Allmacht keine anderen Mittel, um die Sünder in diesem wie in jenem Leben zu strafen und die Gerechten zu prüfen?

2. Wer weiß denn, ob Gott die Menschen durch den ewigen Frieden nicht nur zur Erkenntnis der Wahrheit, sondern auch zu größerer Menschenliebe führen will? Dann bedarf er der Geißel des Krieges nicht mehr.

3. Wenn jemand Mittel gegen große Plagen, wie Pest und Hungersnot vorschlüge, wäre das nicht auch völlig zwecklos, ja, gegen Gottes Willen, der diese Plagen sendet? Denn wer kennt schließlich die Wege der Vorsehung? Bei derartigen Schlußfolgerungen dürfte man nicht einmal die Kunst der Ärzte und den Beistand der Behörden gegen Pest und Hungersnot anrufen. Denn es hieße ja, gegen Gottes Willen handeln, wenn man die von ihm gesandte Strafe vermindert!

4. Der Bund der 200 deutschen Reichsstände, der 13 Schweizer Kantone und der 7 Provinzen Hollands hat diese Plage gewiß vermindert, da sie die Kriege völlig oder doch fast völlig ausgeschlossen haben. Sind diese Bünde etwa gegen den Willen der Vorsehung entstanden?

Fünfzehnter Einwand.

Auch auf Europa beschränkt, ist dieser Plan noch zu ungeheuer; seine Größe macht ihn unmöglich.

Antwort.

1. Als Heinrich IV. an seinem großen Plane zu arbeiten begann, der sich mit diesem deckt, erkannte er, daß es leichter sein würde, einen Vertrag zwischen fünf bis sechs Mächten zu schließen, als zwischen fünfzehn bis zwanzig. Warum beschloß er trotzdem, alle europäischen Mächte hinzuzuziehen? Warum erschien ihm dieser Plan nicht zu ungeheuer? Weil er sich sagte, wenn erst einige Mächte den Vertrag unterzeichnet hätten, würden die anderen von selbst hinzukommen, und weil er sich ferner sagte, der Bund würde um so fester sein, je mehr Mitglieder er zählte. Er erschien weder ihm noch seinem Staatsrat zu groß. Sein Premierminister, der Herzog von Sully, war ein Mann von großem Verstande und soliden Ansichten. Das erkennt man an der Art, wie er die Staatsgeschäfte wieder hoch brachte, und an seinen hinterlassenen Schriften: er kannte die europäischen Verhältnisse. Solche Köpfe sind wohl ebensoviel Wert wie die, welche denselben Plan heute für zu ungeheuer erklären. Herr von Perefixe, der diesem Plan das gebührende Lob zollte, schrieb unter den Augen des Kardinals Mazarin und las es dem König vor; das beweist zum mindesten, daß der Kardinal und die Minister jener Zeit, die alles andere als Schwarmgeister waren, den Plan Heinrichs IV. nicht für ein Hirngespinst und für unausführbar hielten.

2. Der Plan ist in seinen Anfängen klein. Denn daß drei bis vier Herrscher die Grundartikel unterzeichnen, in der Absicht, andere zum Beitritt zu bewegen, ist durchaus nichts zu Großes und Ungeheures, vielmehr etwas sehr Mögliches und Leichtes, wenn man die großen Vorteile bedenkt, die ein solches Bündnis bietet. Wer eine Eichel in den Boden legt und in einem Jahre eine 100 Fuß hohe Eiche daraus erwartet, der verlangt Unmögliches. Verlangt er aber, daß sie einen Fuß hoch wächst, und rechnet er mit Sicherheit darauf, daß sie im zweiten Jahre den gleichen Schuß macht, so hofft er nichts Unmögliches, wenn er erwartet, daß aus der Eichel in 100 Jahren ein 100 Fuß hoher Baum wird. Ebenso folgt aus dem kleinen Anfang des Völkerbundes notwendig, daß er Jahr für Jahr zunimmt und so fort. Was ist also zu groß und zu ungeheuer, um unmöglich zu sein? Die Größe des Planes macht ihn nicht unmöglich, sondern sie erleichtert ihn.

So wenig Lust die Herrscher hätten, einem Bunde beizutreten, dessen Bestand durch die Willensänderung einer ihrer Nachfolger gefährdet wäre, so gern werden sie ihm beitreten, wenn die große Zahl der Mitglieder eine solche Willensänderung ausschließt und ihm Festigkeit verleiht.

4. Das Weltreich der römischen Republik konnte den Frieden erhalten, solange es bestand. Da aber diese Republik nicht ewig bestehen konnte, vielmehr Keime des Zerfalls in sich trug, konnte sie dem Frieden nicht die Ewigkeit geben, die sie selbst nicht besaß. Auch die römischen Kaiser konnten der Welt den Frieden geben, aber ihre Weltherrschaft konnte nicht ewig bestehen; sie trug sogar mehr Keime des Zerfalls in sich, als die Republik.

Um einen ewigen Bund zu bilden, hätte dies Riesenreich sich in 20 bis 30 Staaten teilen müssen, die ein großes gemeinsames Interesse verband, nämlich eine gewaltige Zunahme des Wohlstandes durch das Aufhören der Kriegskosten und die Ungestörtheit und Allgemeinheit des Handels. Diese Staaten mußten sich gegenseitig erhalten und stützen. Die Staaten eines Bundes können zwar alle durch innere Wirren erkranken, aber es ist ausgeschlossen, daß dies bei allen zugleich eintritt. Die Mehrzahl bleibt gesund; sie kann den Kranken Hilfe bringen und sie wieder gesund machen. So leiht jedes Mitglied dem anderen im Laufe der Zeit seine Hilfe; sie bewahren sich gegenseitig vor dem Untergang und geben einander durch die Dauer ihres Bundes eine Unveränderlichkeit, die keiner von ihnen allein erreichte und die auch das Römische Reich nicht besaß.

Es bedurfte nur eines langen, verlustreichen europäischen Krieges, um alle Geister mit dem brennenden Wunsche nach ungetrübtem Frieden zu erfüllen. Es brauchten zugleich nur einige Freistaaten so mächtig zu werden, um starke Mitglieder dieses Bundes zu sein, aber nicht so übermächtig, daß sie sich von schrankenlosem Ehrgeiz hinreißen ließen. Es brauchte nur der Augenblick einzutreten, wo die Verbündeten des Kaisers durch neue Schwierigkeiten und die Aussicht auf einen noch langen, fruchtlosen Krieg abgeschreckt wurden, und wo andererseits Frankreich unter weisen und gemäßigten Führern darein willigte, auf jeden Gebietszuwachs zu verzichten und den Handel frei, allgemein und ungestört zu lassen. Kurz, es bedurfte eines Zusammentreffens günstiger Umstände, die die Vorsehung zum Glück der Völker herbeigeführt hat.

Sechzehnter Einwand.

Ohne Kriege würde die Volkszahl so zunehmen, daß die Erde ihre Bewohner nicht mehr ernähren könnte.

Antwort.

Diesen Einwand hörte ich von verschiedenen Seiten; ich muß also ernstlich darauf eingehen.

1. Die Übervölkerung könnte für die Zukunft eine Sorge bilden. Aber selbst wenn es auch in Zukunft so viel Kriege gäbe, wie bisher, ist die Sache nicht so schlimm, denn trotz der Kriege nimmt die Volkszahl der Erde ständig zu. Wer also dieser Meinung ist, müßte finden, daß es noch nicht genug Kriege gibt und demgemäß danach streben, die Zahl der Kriege und der Mordwerkzeuge zu vermehren.

2. Die Übervölkerung wäre nur nach einem gewaltigen Zeitraum zu fürchten. In meiner Heimat, der Normandie, gibt es jetzt 15 000 Seelen. Angenommen, der ewige Friede gäbe ganz Frankreich in 100 Jahren einen Bevölkerungszuwachs von 400 000 Seelen, so wären das für die Normandie, d. h. den zehnten Teil Frankreichs, 40 000 Einwohner in 100 Jahren, 400 000 Einwohner in 1000 Jahren und 4 Millionen in 10 000 Jahren. Das gleiche gilt im entsprechenden Verhältnis von ganz Frankreich, aber weder Spanien, noch Rußland, Schweden, die Türkei, Ägypten und das übrige Afrika sind so dicht bevölkert wie die Normandie. Somit muß man die Sorge, daß die Erde eines Tages ihre Bewohner nicht mehr ernähren könne, bei der großen Ausdehnung dieser Länder auf 30 bis 40 000 Jahre hinausschieben. Aber man kann auch von Zeit zu Zeit Kolonien in die weiten Gebiete Amerikas, nach den großen Inseln im Ozean und in andere unbekannte Länder des Erdballs senden; somit verschiebt sich die Sorge bis zum Ende der Zeiten, und wenn es noch 150 000 Jahre ausbleiben sollte.

3. Wer Kriege wünscht, um der Übervölkerung vorzubeugen, der muß auch eine schlechte Heilkunst wünschen, damit mehr Menschen sterben, und die jetzige verwerfen, die das Leben verlängert. Die Mittel zur Verlängerung des Lebens, die so viele geschickte Leute seit lange suchen, wären dann verderblich für das Menschengeschlecht, da sie der Übervölkerung Vorschub leisten, und ein Arzt, der ein wirksames Mittel zur Heilung der Volkskrankheiten und der Pest fände, wäre ein höchst gefährlicher Staatsbürger, den man mitsamt seinem Geheimnis schleunigst begraben müßte. In jedem gut regierten Staate müßte man ferner Belohnungen auf Kindesmord setzen, denn es ist besser, 400 000 Kinder in 100 Jahren ohne Kosten umzubringen, als 400 000 Erwachsene mit großen Kosten!

4. Große Hitze und Kälte, Überschwemmungen, Dürre, Fieber, Volkskrankheiten, Pest, Hungersnöte, lauter Dinge, die nicht von den Menschen abhängen und denen sie nicht hinreichend abhelfen können, werden stets häufig genug eintreten und namentlich in dicht bevölkerten Ländern zahlreiche Opfer fordern. Im Jahre 1669 fiel der Pest in Rouen allein ein Sechstel der Bevölkerung zum Opfer, und 1665 raffte die Pest in London über 250 000 Menschen hin. Diese Plagen, die wir nur zu sehr fürchten, befreien uns mehr als hinreichend von der törichten Sorge vor Übervölkerung, ohne daß man die Metzeleien der Kriege zu Hilfe zu rufen brauchte.

Siebzehnter Einwand.

Wie kann man sich von einer menschlichen Einrichtung ewige Dauer versprechen?

Antwort.

1. Auch die Künste, die zum Unterhalt und zur Erleichterung des Lebens dienen, Landbau, Mühlen, Weberei, Schrift, Druck, Mathematik, Zeit- und Raummessung, Schulen und andere notwendige Dinge sind menschliche Einrichtungen. Trotzdem werden sie bestehen bleiben, solange es Menschen gibt oder bis man etwas Nützlicheres und Bequemeres erfunden hat. Sie werden sich mit der Zeit sogar vermehren und verbessern, denn die Menschen werden stets energisch nach Ruhe, Wohlstand und Bequemlichkeit trachten: das ist die Art, wie man einer menschlichen Einrichtung Dauer verleiht. Gab es aber auf Erden je eine Einrichtung, die für Herrscher und Beherrschte gleich vorteilhaft ist, wie der Völkerbund und der ewige Friede? Kann man etwas ersinnen, das für ihre Ruhe, ihren Wohlstand und ihre Bequemlichkeit notwendiger wäre? Warum sollte eine Einrichtung, in der Ruhm und Genußsucht, Tugend und Laster, alle Charaktere, Lebensalter und Geschlechter gleichermaßen ihre Befriedigung und ihr Glück finden, nicht dauerhaft sein? Wenn es Menschen gibt, die so unsinnig sind, ihre Häuser und Städte zu verbrennen, andere zu töten und sich selbst zu vernichten, so ist dieser Grad des Wahnsinns doch selten, und die Mehrzahl der vernünftig Gebliebenen kann sie leicht unterdrücken. Warum also sollte der Völkerbund, ist er einmal errichtet, nicht ewigen Bestand haben?

2. Das deutsche Reich ist eine menschliche Einrichtung, und doch besteht es schon sechs oder sieben Jahrhunderte und kann trotz seiner schweren Gebrechen noch lange bestehen. Wie wäre es erst, wenn ihm diese Fehler genommen werden? Das sichere, ja einzige Mittel dazu wäre, es mit dem Niederländischen und dem Schweizer Bund zu vereinigen, oder vielmehr mit dem europäischen Bund. Wie wir gezeigt haben, war es schwerer, jenen ersten Bund zustande zu bringen, als ihn jetzt zu vergrößern und ihn in einigen Jahren allgemein zu machen. Dann erst wird er unerschütterlich sein.

Achtzehnter Einwand.

Wie soll man Christentum und Mohammedanismus, Griechisch-Orthodoxe und Kalvinisten zusammenbringen?

Antwort.

Der vorgeschlagene Völkerbund bezweckt keine Versöhnung der verschiedenen Religionen, sondern den Frieden zwischen Völkern verschiedenen Glaubens. Was ist also unmöglich daran? Die deutschen Lutheraner leben in Frieden mit den deutschen Katholiken. Der Glaubensunterschied hat Spanien nicht abgehalten, sich mit Holland zu verbünden. Führte man nur wegen der Religion Krieg, so träfe der Einwand zu. Aber mein Plan läßt jedem seinen Glauben wie seinen Besitz, es kommt also nicht darauf an, alle Völker der Welt religiös zu einigen. Ich sage nur und wiederhole es: wenn etwas geeignet ist, die verschiedenen Bekenntnisse nach und nach zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, so ist der ewige Friede das beste Mittel dazu, ja die Grundlage jeder Versöhnung.

Durch den Handelsverkehr werden die verschiedenen Glaubensmeinungen miteinander verglichen, und nur durch solche häufigen Vergleiche kann man hoffen, daß die vernünftigsten Ansichten sich schließlich durchsetzen und daß die Vernunft dazu beiträgt, alle Menschen zum wahren Glauben zu führen. Die große Ausdehnung, Zunahme und ununterbrochene Dauer des Handels zwischen allen Völkern wird diese Vergleiche sehr fördern, somit kann man sicher sein, daß die wahre Religion, welche die vernunftgemäßeste ist, allmählich zur Weltreligion wird. Man braucht auch nicht zu fürchten, daß dieser Gesichtspunkt die ketzerischen oder ungläubigen Völker vom Völkerbund fernhalten werde, im Gegenteil, sie werden ihn aus Eifer für ihre Lehre wünschen, da ein jeder überzeugt ist, daß sein Glaube der vernunftgemäßeste sei.

Man hat mir entgegengehalten, daß der mohammedanische Glaube die Bestimmung enthält, keinen Friedensvertrag mit Christen zu schließen. Aber wer so redet, vergißt eine wesentliche Einschränkung. Die Mohammedaner dürfen keinen dauernden Frieden mit christlichen Feinden schließen, die gleich stark oder fast gleich stark sind. Auf weit stärkere Christen trifft diese Bestimmung nicht zu, denn das hieße ihren Glauben aufs schwerste gefährden. Stände aber der Großherr ganz allein dem europäischen Völkerbund gegenüber, so wäre sein Reich und sein Glaube in höchster Gefahr. Da die Mohammedaner ferner einen Frieden auf 20 Jahre schließen und ihn erneuern dürfen, warum nicht auf 100 Jahre und ihn dann verlängern? Und haben solche langen, stets erneuerten Friedensschlüsse nicht die gleiche Wirkung wie ein ewiger Friede?

Neunzehnter Einwand.

Der Ruhm, den sich manche Herrscher vom Krieg versprechen, kann sie diesem Plan abgeneigt machen.

Antwort.

1. So wenig diese Hoffnung begründet erscheint, so gebe ich doch zu, daß die Gaukelbilder der Phantasie im Verein mit der Gewohnheit, falsch zu denken, manchen Herrschern eine wahre Freude mit der Vorstellung bereiten, daß ihr Name bei allen Völkern berühmt sein, ihr Haus in tausend Jahren zwanzigmal glänzender dastehen wird als heute.

Wäre dies eine unschuldige Freude, so ließe sich nichts dagegen sagen; der Mensch kann sein Glück in Träumen finden. Kostet dies Gaukelbild aber 150 000 lebenden Wesen ihr Glück, und raubt es ihnen alle Vorteile, die ein ewiger Friede brächte, Wird einem solchen Trugbild das Glück der Menschheit geopfert, so heißt das, den Ruhm in Härte, Bosheit, ja Grausamkeit suchen. Was gäbe es Unsinnigeres?

2. Bringt die Liebe zum Ruhm, der Wunsch, seinem Hause Glanz zu verleihen, einen Menschen zur Unternehmung und Ausführung schwieriger, aber für das menschliche Glück sehr wichtiger Dinge, so ist die Freude, die er daran hat, nicht nur unschuldig, sondern höchst lobenswert. Die Freuden, die er sich für die Zukunft verspricht, beschränken sich vielleicht nur auf seine jetzigen frohen Hoffnungen. Aber ich will solche Hoffnungen keineswegs verscheuchen, denn sie können der Gesellschaft auch sehr große und wirkliche Güter bescheren, ja es kann gar nicht Geister dieses Schlages genug geben. Lassen sich aber die Herrscher von Hoffnungen leiten, die die Menschen sehr unglücklich machen müssen, so kann man nicht genug tun, um sie davon abzubringen und mit dem Finger auf die Verkehrtheit und Eitelkeit solcher Hoffnungen, auf die Schande, den Fluch und die anderen Strafen hinzuweisen, die ihre Folge sind.

Entweder ist man nach dem Tode sehr glücklich, und was bedeuten dann neben den unaussprechlichen Wonnen der Seligkeit die kleinen irdischen Interessen und die eitle Genugtuung, ein großer Eroberer zu sein? Oder man ist sehr unglücklich, und was hilft dann inmitten der größten Leiden die Genugtuung, ein großer Kriegsmann gewesen zu sein und den Besitz seines Hauses auf diesem Planeten vergrößert zu haben?

3. Ich weiß wohl, daß weder Fürsten noch Privatleute sich in ihren täglichen Entschlüssen von dem Begriff der Unsterblichkeit der Seele und den ewigen Strafen und Freuden leiten lassen, aber schließlich gilt es doch zu wählen. Glauben sie an die Unsterblichkeit, so müssen sie wissen, daß die Tugend darin besteht, andere zu beglücken, und das Laster darin, sie unglücklich zu machen, daß die Tugend um so mehr Lohn verdient, als man den eigenen Vorteil dem Glück seines Nächsten opfert, und das Laster um so mehr Strafe verdient, als man das Glück seiner Nächsten der eigenen Zufriedenheit opfert und andere viel leiden läßt, um einen kleinen Vorteil zu haben.

Kann es also einem Herrscher in den Sinn kommen, daß er gut gegen sein eigenes Volk, gegen seine Nachbarn und die übrigen Völker handelt, wenn er sich zu seinem eigenen Vorteil dem ewigen Frieden widersetzt? Können auch die schamlosesten Schmeichler ihm einreden, daß er nicht äußerst böse ist, wenn er um eitler Befriedigung willen das furchtbare Elend des Krieges auf Erden dauernd erhält? Und kann es je einem halbwegs vernünftigen Menschen in den Sinn kommen, großen Ruhm in äußerster Bosheit zu suchen und unendlich glücklich zu leben, indem er den Menschen unendliches Leid zufügt?

Zwanzigster Einwand. Betrachtung über den Schwertadel.

1. Bekanntlich führt man nur Krieg aus Notwendigkeit, um zum Frieden zu gelangen. Man erträgt ein großes Ungemach, um ein größeres zu meiden.

2. Der Vorteil der Kriegsbeute hindert keinen Staat, Frieden zu schließen, und keinen Herrscher, einen möglichst langen und ungestörten Frieden zu erlangen.

3. Der Krieg ist ein Glücksspiel, in dem der Adel im ganzen ungleich mehr verliert als gewinnt. Die Kosten, die alle beisteuern, sind ungleich größer, als die Belohnungen, die sie erhalten. Unter wenigen Treffern sind viele Nieten, und der Einsatz ist weit größer als der Wert aller Lose. Wie viele adlige Familien werden durch den Krieg ausgerottet oder verarmen und richten sich durch das Kriegshandwerk zugrunde. Diese Lotterie kann einige wenige Häuser erheben und bereichern, für die Mehrzahl aber bringt sie nichts als Verluste.

4. Solange ein Staat zu seiner Selbsterhaltung Krieg führen muß, ist es recht und billig, die Tapferkeit und die Verdienste der guten Offiziere zu belohnen. Fällt aber durch die Errichtung des Völkerbundes der Krieg fort, so kann der Staat die gleichen Auszeichnungen für Tugenden und Leistungen zum Nutzen des Staates austeilen; der Adel verliert also weder Ehre noch Reichtümer.

5. Sobald eine erhebliche Abstufung in allen Ämtern der Justiz, der Verwaltung, der Finanzen, des Handels, der Künste und Wissenschaften erfolgt ist – den einzigen, die einen Staat glücklich und blühend machen –, sobald diese Ämter mit Ehren verknüpft sind und nur solche zu ihnen berufen werden, die durch Gerechtigkeitssinn, Güte, Fähigkeit und Fleiß hervorragen, findet ein jeder seinen Platz – die Triebfeder des Wetteifers kommt der Öffentlichkeit zugute, der Staat findet gute Diener und die Privatleute ihren Vorteil.

6. Da jeder Staat große Ersparnisse an Truppen macht, so ist es recht und billig, einen Bruchteil dieser Ersparnisse zu Pensionen für die verabschiedeten Offiziere zu verwenden. Männer, die treu gedient haben, müssen im Verhältnis zu ihrer Leistung belohnt werden, und die, denen an der Fortsetzung des Krieges gelegen ist, müssen eine Abfindung aus den Ersparnissen erhalten, die der Staat durch die Dauer des Friedens macht.

7. Der Adel wird also die gleichen Ehren und mehr Wohlstand erlangen, zahlreiche Familien werden nicht mehr durch den Krieg ausgerottet werden und um so länger bestehen.

Einundzwanzigster Einwand.

Die Menschen neigen so sehr zum Widerspruch, sie sind so verschieden in ihren Ansichten und ihrer Denkweise, ihre Interessen sind so entgegengesetzt, daß sich nicht vier Menschen zu einer Sache, die allen nützlich ist, zusammenbringen lassen. Wie soll man da hoffen, 24 Herrscher zusammenzubringen, die in ihren Ansichten so verschieden sind und teils von Ministern beherrscht werden, die ihre eigenen Interessen, oft im Gegensatz zu denen der Herrscher haben? Wie soll man sie zur Anerkennung von vielen verschiedenen Artikeln bringen, ohne die der Bund nicht zustande kommt?

Antwort.

1. Die Menschen neigen freilich sehr zum Widerspruch, aber sie pflegen denen nicht zu widersprechen, die für sie das Wort führen, besonders wenn es um ihre größten Interessen geht, außer wenn sie vorübergehend von einem heftigen Wahnsinn befallen sind.

2. Können sich vier Menschen nicht über einen einzigen Artikel einigen, so geschieht dies, weil einer von ihnen dessen Nützlichkeit nicht einsieht. Da es aber für alle Herrscher sonnenklar ist, daß der Völkerbund für sie und ihre Häuser ungleich vorteilhafter ist, als das System des Krieges, so hindert sie nichts, ihm beizutreten.

3. Träfe der Einwand zu, so könnte man überhaupt keine Gesellschaft von vier bis fünf Menschen zusammenbringen, zumal wenn verschiedene Punkte nötig sind, um das Ziel dieser Gesellschaften zu erreichen. Und doch zeigt uns die Erfahrung, daß Handelsgesellschaften und Religionsgemeinschaften mit einer großen Zahl von Mitgliedern entstehen und daß viele andere ihnen beitreten, weil sie ihren Vorteil dabei zu finden hoffen.

4. Ich habe nicht behauptet, daß der Bund der 24 Herrscher auf einen Schlag entsteht, sondern, daß drei bis vier den Anfang machen und daß, wenn der Bund einmal begründet ist, jeder beitreten wird, wenn er seinem wahren Vorteil folgt; wer aber nicht beitreten wollte, würde von dem Bunde mit bewaffneter Hand dazu gezwungen. Warum sollten diese vier Mächte sich weigern, den Bund zu begründen? Dann müßte einer von ihnen die dreizehn genannten großen Vorteile nicht erkennen. Man nenne mir den und sage mir, wer ihn hindern wollte, seinen Vorteil in diesem Bunde zu finden! Hat man aber keine Gründe, zu bezweifeln, daß die Herrscherin dem Bunde die größten Vorteile finden, so darf man nicht behaupten, sie würden ihm nie beitreten. Sind diese Vorteile dagegen ungeheuer und selbst für die erkennbar, die durch entgegengesetzte Leidenschaften voreingenommen sind, so ist es klar, daß sie ihn herbeiwünschen werden, in dem Maße, wie sie seinen Vorteil erkennen. Der Vorteil trennt, aber er einigt auch; wir haben nicht mehr Neigung zur Zwietracht als zur Eintracht. Ausschlaggebend ist das Interesse, das wir bei beiden finden oder zu finden glauben.

5. Was die große Zahl der Artikel betrifft, über die sich die Herrscher einigen sollen, so laufen diese im Grunde alle auf einen einzigen heraus, nämlich die Erhaltung eines ihnen höchst vorteilhaften Friedens. Alle anderen sind untergeordnet und nur Mittel zum Zweck. Wenn diese Mittel teuer zu stehen kommen, sofern man sie für unerläßlich hält, so erscheint das Ziel doch weit wertvoller als alle Mittel zusammen. Und schließlich sind es nur zwölf Grundartikel, die übrigen werden vorläufig mit Stimmenmehrheit und endgültig mit Dreiviertelmehrheit festgesetzt. Selbst wenn man dabei anfangs Fehler beginge, wäre es kein Schaden, denn die Bundesmitglieder können diese Artikel auf Grund neuer Überlegungen und Erfahrungen verändern und zu neuen, praktischeren Mitteln greifen.

Weit entfernt, sich durch die Zahl der Artikel abschrecken zu lassen, wird man sie im Gegenteil reichlich vermehren, um das Werk zu vollenden und den Bund noch fester zu begründen.

6. Wer zweifelt, daß die 200 deutschen Reichsstände geneigt waren, einander zu widersprechen. Trotzdem kamen sie überein. Warum sollte etwas, das früher unter 200 möglich war, heute unter 24 unmöglich sein?

Zweiundzwanzigster Einwand.

Das System des Friedens ist wohl eigentlich das System des Überflusses. Überfluß aber bringt oft Verweichlichung, Luxus und Ausschweifung mit sich, die Menschen fallen also nur von einem Übel ins andere. Nunc patimur longae pacis mala, saevior armis luxuria incubuit. (Jetzt leiden wir unter einem langen Frieden. Schwerer als Krieg liegt Üppigkeit auf uns.)

Antwort.

1. Allerdings sind die Laster des Überflusses zu fürchten, wenn die Herrscher nicht dafür sorgen, daß Ehren, Würden, Ämter und Pensionen den Tugendhaftesten, Fleißigsten und Klügsten zuteil werden. Aber gute Gesetze und Vorschriften lassen sich in der Ruhe des Friedens viel leichter aufstellen und beobachten als in der Verwirrung und Aufregung des Krieges.

Wenn die Laster in einem Staate herrschen, so ist das weniger die Folge des Überflusses, als der Mangelhaftigkeit der Gesetze, die die Sitten nicht durch richtige Verteilung von Belohnungen verbessern. Geben gute Gesetze den Tüchtigen jedes Standes und jeden Alters die Möglichkeit, sich durch ihr Verdienst über ihresgleichen zu erheben, so sinken die Trägen in Mißachtung, somit werden die meisten arbeiten. Wird aber die Triebfeder des Ehrgeizes nicht durch gute Gesetze geregelt, so bestimmen Verwandtschaft, Bekanntschaft, knechtische Ergebenheit, Schmeichelei und Gunst über die öffentlichen Ämter und Belohnungen mehr als Begabung, Fleiß, Mäßigkeit und Redlichkeit, so verkümmern diese guten Eigenschaften und der Staat gerät in Verfall, je schlechter diese Ämter und Belohnungen ausgeteilt werden.

Wann aber kann man solche weisen Bestimmungen finden und treffen? Doch nur, wenn man nicht mehr von den Sorgen und dem Elend des Krieges bedrängt wird, wenn man im Frieden keinen Aufruhr und keine Umwälzungen mehr zu fürchten hat. Im Schoße des Friedens lassen sich die Sitten unschwer dem Ruhme zuwenden. Wir haben Beispiele davon in Sparta und in Rom: die Menschen gehen geradeswegs auf die Belohnung zu. Man belohne nur ruhmeswürdige Taten, achtbare und nützliche Eigenschaften, und zwar im Maße ihrer Nützlichkeit; dann wird der Überfluß der Tugend nicht schaden, sondern ihre Herrschaft befestigen.

2. Es gibt nur die Wahl zwischen dem System des Überflusses und der Armut. Wer sähe nicht ein, daß die Armut größere und zahlreichere Verbrechen zeitigt als der Reichtum? Ein Mann, der im Reichtum unredlich ist, wird in der Armut zum Schurken. Denn im Reichtum braucht man oft nur das Überflüssige zu opfern, um redlich zu sein, in der Armut dagegen muß man das Notwendige opfern. Diebstahl, Betrug, Fälschung, Meineid, Raub, Vergiftung und Mord schreiten im Gefolge der Armut und sind weit schlimmere Verbrechen als Unmäßigkeit, Faulheit und Luxus. Die Verbrechen der Armut sind wahrhaft verbrecherisch, hassenswert, fluchwürdig und wollen die Gesellschaft zerstören, die Laster des Überflusses stören die Gesellschaft meist nur und machen den Lasterhaften verächtlich.

3. Man denke an die täglichen Schlächtereien im Kriege, die Brandstiftungen, Plünderungen und alle anderen Ausschreitungen roher, betrunkener Soldaten: das sind die notwendigen Folgen des Systems des Krieges. Die Laster des Friedenssystems sind für die Menschheit ungleich weniger zu fürchten.

4. In Holland herrscht mehr Wohlstand als anderswo. Die Privatleute besitzen mehr Reichtümer als in jedem Lande der Welt. Gibt es trotzdem mehr Laster und Verbrechen als bei anderen Völkern? Im Gegenteil, die Einwohner zeigen – einerlei, ob infolge ihres Wohlstandes oder ihrer guten Gesetze – viel mehr Redlichkeit, Gerechtigkeitssinn und Nächstenliebe als in Ländern, wo Armut herrscht. Man stelle uns den Überfluß also nicht mehr als ein Unglück für die Menschen hin, wofern man nicht alle Güter, die mißbraucht werden können, als Übel ansieht, was eine große Übertreibung wäre. Auch die besten Dinge können mißbraucht werden; soll man darum das Gute überhaupt meiden? Soll man Beschränktheit und Unwissenheit verlangen, weil ein freier Geist und Wissen mißbraucht werden können?

Dreiundzwanzigster Einwand.

Ein Krieg mit den Nachbarn ist für jeden Staat nützlich, wenn er nur nicht zu kostspielig ist, nicht zu lange währt und nicht zu nachteilig ausfällt. Dadurch verhütet man Bürgerkriege und lenkt die unruhigen Geister ab, die Verschwender, die sich zugrunde gerichtet haben und die sonst, um ihre Lage zu verbessern, Aufruhr im Lande säen und Parteiungen im Staat anzetteln würden. Von zwei Übeln muß man stets das kleinere wählen, und wer weiß, ob Bürgerkriege nicht viel verhängnisvoller und verderblicher für den Staat sind, als äußere Kriege?

Antwort.

1. Die unruhigen Geister sind nicht die einzigen, die im Kriege umkommen. Es fallen auch mindestens ebenso viel verständige und tugendhafte Leute, die ihrem Vaterlande im Frieden große Dienste geleistet hätten, und viele Bewohner der Grenzgebiete und der belagerten Städte.

2. Beim jetzigen System des Krieges ist es offenkundig, daß äußere Kriege oft Aufstände und Bürgerkriege erleichtern oder hervorrufen. Man sieht Beispiele dafür in Ungarn, Polen, Italien, Frankreich, Spanien, ja, überall und zu allen Zeiten, wo Menschen gegen Menschen in äußeren Kriegen die Waffen erheben.

3. Wer kann hoffen, einem äußeren Kriege Schranken zu ziehen, sowohl hinsichtlich der Dauer wie der Kosten oder des Ausganges?

4. Wie wir gezeigt haben, sind im System des Völkerbundes weder äußere noch innere Kriege zu fürchten. Somit ist der Bund ein unfehlbares Mittel gegen die Bürgerkriege. Der äußere Krieg aber ist nicht nur kein Ablenkungsmittel für innere Kriege, sondern ihre einzige Ursache.

Vierundzwanzigster Einwand.

Die Neigung zur Zwietracht, die im Menschen liegt, genügt, um den Bund eines Tages zu zerstören.

Antwort.

1. Zerfiele der Bund nach 500 Jahren, so hätte Europa doch einen sehr langen Frieden und ein großes, langes Glück genossen.

2. Unsere Staaten erhalten sich trotz der Eifersucht und des Hasses unter den einzelnen Bürgern. Denn ein Bürger, der mit einem anderen hadert, will darum doch den Bund mit anderen. Kein Mensch will als Todfeind aller übrigen leben; seine Bedürfnisse führen ihn zur Gesellschaft mit anderen.

3. Ist der Bund einmal begründet, sind die Strafen für die Friedensstörer einmal festgesetzt, so hält die Furcht allein die im Zaum, die so töricht sind, die Vorteile der Gesellschaft nicht zu erkennen. Weise Herrscher dagegen werden stets fürchten, die Segnungen des Bundes zu verlieren. Je weiser sie sind, desto mehr werden sie erkennen, daß diese Segnungen größer sind, als sie scheinen.

4. Das Zeugnis der Geschichte wird unseren Enkeln zeigen, wieviel unglücklicher wir waren, als sie sind. Der bloße Vergleich der Lage, in der sich die künftigen Herrscher befinden werden, mit der Lage ihrer Vorfahren wird ihnen den Unterschied zwischen dem Zustand der Zwietracht und der Gesellschaft klarmachen.

Das führt mich dahin, daß die Geschichtskenntnis für die Erziehung der künftigen Herrscher wesentlich ist. Sie sollen wissen, welches Unglück Verschwörungen, innere und äußere Kriege über die Herrscher gebracht haben. Man muß die besten Schriftsteller heranziehen, um diesen Gedanken ins Volk und auf die Bühne zu bringen, besonders aber die künftigen Herrscher damit vertraut machen.

5. Wenn in Asien und Afrika noch Völker im Kriegszustand leben, so wird ihr Elend, ihre Barbarei ein ständiges Bild von den Folgen des Krieges geben.

6. Um die künftigen Herrscher von der Nützlichkeit der europäischen Gesellschaft zu überzeugen, brauchen die jeweilig Regierenden nur eine Aufstellung ihrer Einkünfte und Schulden, der Zahl und Einwohner ihrer Städte, der Einkünfte ihrer Untertanen usw. nach der Stadt des Friedens zu senden. Dann wird man am Schluß jedes Jahrhunderts klar erkennen, welche Vorteile der Bund geboten hat, und folglich auch, welche man sich von seinem Fortbestehen versprechen kann.

Fünfundzwanzigster Einwand.

Ein jahrhundertelanger Friede wird alle Begriffe vom Elend des Krieges derart auslöschen, daß alles, was man davon erzählt, keinen Eindruck mehr machen wird. Man wird an die Satzungen des Friedens derart gewöhnt sein, daß man weder ihre Menge und Größe achtet, noch die Quelle, der sie entfließen, nämlich den Völkerbund. Somit wird es nicht zu verwundern sein, wenn der Wahnwitz des Ehrgeizes die meisten Gemüter erfaßt.

Antwort.

Dieser Einwand ist ernst zu nehmen, denn er fußt auf der natürlichen Trägheit, die eine Folge der Gewohnheit ist. Aber die Mittel dagegen habe ich bereits in der letzten Antwort angegeben. Man lasse alle zehn Jahre eine genaue Aufstellung des Nützlichen machen, was unter jeder Regierung geschehen ist, wie Gesetze, Einrichtungen, Kanäle, Häfen, Bauten, Schuldentilgung usw., und setze dagegen die Lage der europäischen Mächte, ihre Einkünfte und Schulden vor Begründung des Bundes.

Sechsundzwanzigster Einwand.

Einer meiner Freunde wünscht, daß man die Türken aus Europa vertreibe, bevor man mit ihnen einen Handelsvertrag schließt und sie in den Bund aufnimmt. Er schlägt also vor, die Länder der Tataren und die der ihnen tributpflichtigen Kosaken am Schwarzen Meer den Polen zu geben, dem Kaiser die übrigen Länder am Schwarzen Meer bis nach Konstantinopel und den Dardanellen, den Venezianern ganz Griechenland nebst den griechischen Inseln und Kreta, sowie Rhodos dem Malteserorden zurückzuerstatten Der Malteserorden hatte sich auf Rhodos bis 1522 ruhmvoll gegen die osmanische Übermacht behauptet. – Für die Türkenfrage vgl. auch S. 87, 154 f. und 169 f. und dagegen 185. (Der Übers.).

Antwort.

1. Dieser einzige Punkt ist vielleicht schwerer ausführbar, als der ganze Völkerbund. Auch scheint er für dessen Sicherheit nicht unumgänglich.

2. Ich bezweifle, daß die Mehrzahl der europäischen Herrscher lieber so große Anstrengungen zugunsten der Polen, des Hauses Österreich, Venedigs und des Malteserordens machen wird, als die Türkei mit ihrem jetzigen Besitztum in den europäischen Bund aufzunehmen.

3. Sollte der Bund an eine solche Eroberung gehen, so wäre es recht und billig, daß die Herrscher, die einen Gebietszuwachs erhalten, den übrigen Staaten eine Rente zahlen, bis deren Beitragskosten getilgt sind.

Siebenundzwanzigster Einwand.

Die mächtigsten Herrscher würden sich mit Recht beklagen, daß sie im Bundesrat nicht mehr Stimmen haben, als die weniger mächtigen.

Antwort.

Entweder dürfen alle nur eine Stimme haben, oder die Stimmen müssen im Verhältnis zum Bundesbeitrag stehen, sonst hätten die mittleren Mächte ebensoviel Stimmen wie die mächtigsten, was ebenso unzuträglich wäre, oder die kleinsten ebensoviel Stimmen wie die mittleren, was gleichfalls unzuträglich wäre. Hätten aber die mächtigsten so viel Stimmen, wie ihr Beitrag beträgt, so wären sie Herren jedes Beschlusses, und dann hätten die Schwächeren keine hinreichende Sicherheit mehr. Vernichtet man aber die hinreichende Sicherheit, so fällt der ganze Bund zusammen.

Achtundzwanzigster Einwand.

Die Denkweise der Herrscher und Minister ist eine ganz andere, als die dieser Schrift. Das wird stets ein großes Hindernis sein.

Antwort.

Ich gestehe, daß es so ist, aber dies Hindernis läßt sich überwinden, wenn man dauernd davon spricht und sprechen hört. In jedem Kriege wird davon die Rede sein, somit wird sich die Öffentlichkeit an solche Gedanken gewöhnen.

Neunundzwanzigster Einwand.

Die Berufseifersucht wird alle Minister erfassen. Niemand will einem anderen eine Art von Besserwissen in Dingen des eigenen Berufes zugestehen.

Antwort.

Dieser Nachteil besteht, aber man kann hoffen, daß der Widerspruchsgeist in Verbindung mit meinen Gründen genug Anhänger wirbt, um dieser Zensur zu trotzen. Auch stammt der Plan nicht von mir, sondern von Heinrich IV.

Dreißigster Einwand.

Auch wenn dieser Plan bekannt wird, wenn er in allen lebenden Sprachen gedruckt, in allen Städten Europas verbreitet wird, so werden ihn nur die Freistaaten, die schwächeren Herrscher und von den mächtigen nur die friedliebenden billigen, die anderen aber werden ihn nicht mal lesen, geschweige denn gründlich darüber unterrichtet werden. Die Herrscher stehen, was die Glücksgüter betrifft, hoch über den Privatleuten, aber was die Wahrheit angeht, zeigt die Erfahrung, daß die Privatleute vor den Herrschern den Vorzug haben. Privatleute haben ihresgleichen, ja, höher Gestellte, somit den Vorteil, daß ihren Meinungen in unzähligen Dingen und mit voller Freiheit widersprochen wird. Aus dem Widerspruch pflegt die Wahrheit zu entspringen; niemand aber darf seinem Herrscher widersprechen. Die Wahrheit mag sich noch so bemühen, bis zum Throne zu dringen, man versperrt ihr den Weg, und den Lichtbringern kommen ihre Versuche meist so teuer zu stehen, daß sich fast alle dadurch abschrecken lassen.

Antwort.

Wie in dem Einwand selbst zugegeben wird, gibt es mächtige Herrscher, die gerecht, weise und friedliebend sind, und eine Anzahl schwächerer sowie mehrere Freistaaten oder halbrepublikanische Mächte von der gleichen Gesinnung. Sie alle sind den übrigen Herrschern, wo nicht überlegen, so doch gleich, und sie alle haben ein Interesse daran, daß der Plan von denen geprüft wird, deren Minister ihn ihnen vorenthalten. Somit finden auch sie Widerspruch genug, um die Wahrheit zu hören, noch dazu eine Wahrheit, die ihnen so nützlich ist.

Einunddreißigster Einwand.

Auf seiten des Kriegssystems stehen viel stärkere Leidenschaften als auf seiten des Friedenssystems.

Antwort.

1. Die schwächeren Herrscher haben viel mehr Furcht als Hoffnung, und die Furcht ist eine sehr starke Leidenschaft.

2. Selbst mächtige Freistaaten hegen viel mehr Furcht, daß ihr Handel vernichtet oder gestört wird, als Hoffnung auf Eroberungen.

3. Auch mächtige Herrscher, die durch Alter, Weisheit oder Gemütsart friedliebend sind oder geworden sind, haben mehr Furcht vor den Sorgen und Beschwerden des Krieges als Freude an Eroberungen.

4. Manchen liegt die Ausführung schöner Pläne am Herzen, die sich aber nur in einem langen und tiefen Frieden ausführen lassen; sie wünschen also den Frieden mehr herbei als den Krieg. Man kann somit sagen, daß auf seiten des Friedens mehr Leidenschaften und stärkere stehen, als auf seiten des Krieges.

Zweiunddreißigster Einwand.

Das Geld, das der Offizier und Soldat kostet, fließt den Kaufleuten, Marketendern und Munitionsfabriken zu, ist also nicht verloren. Die Kriegskosten sind also nicht so hoch.

Antwort.

Ein Herrscher, der zehn Jahre lang 300 000 Menschen damit beschäftigt, Seen auszugraben, um sie dann wieder zuzuschütten, Berge aufzuschütten, um sie wieder einzuebnen, hätte also keine Kosten, denn das Geld, das er dafür ausgäbe, käme den Marketendern und Kaufleuten zugute. Das Geld bleibt freilich im Lande, aber die Kosten sind darum nicht geringer. Es ist eine Ausgabe von 100 Millionen, die dem Staate nichts einbringt, sondern ihn zerrüttet. 300 000 Menschen tun etwas Unnützes. Im Handel verwendet, würden sie so viel verdienen, daß ihre Kosten sich bezahlt machen.

Dreiunddreißigster Einwand.

Angenommen, der Völkerbund bestände seit 150 Jahren, der Zar als christlicher Herrscher sei Mitglied und der türkische Großherr Verbündeter, während die Tatarenfürsten miteinander oder mit den Chinesen, die Araber mit den Persern, oder die Perser mit dem Großmogul noch Kriege führten. Kann es dann nicht geschehen, daß einer dieser Herrscher oder Könige durch große Tapferkeit alle seine Nachbarn unterjocht hat und dann mit seinen krieggewohnten Heeren plötzlich den Zaren und den Sultan überfällt. Da er keine Kriegszucht, keine krieggewohnten europäischen Truppen mehr fände, könnte er sich wie ein wütender Bergstrom über ganz Europa ergießen und es ebenso leicht erobern, wie die Goten und Wandalen die schönsten Provinzen des Römischen Reiches eroberten. Der Völkerbund würde zwar alle seine Mitglieder vor Kriegen gegeneinander behüten, aber er könnte sie nicht vor den Einfällen eines tatarischen, chinesischen, arabischen oder persischen Eroberers schützen. Wohl wäre eine hinreichende Sicherheit gegen den Ehrgeiz der Bundesmitglieder vorhanden, aber nicht für den Bund selbst, wofern die Nachbarn Rußlands und der Türkei nicht eines Tages selbst dem Völkerbund beiträten, was bei der ungeheuren Entfernung unmöglich ist. Somit ist der Völkerbund nicht hinreichend gesichert, denn er kann ja gestört werden, oder um ihn zu sichern, müßte man ganz Asien einbegreifen, und dann wäre er wegen seiner Größe unbrauchbar.

Antwort.

Dieser Einwand klingt sehr bestechend. Ich habe auch eine Weile geschwankt, ob ich die Herrscher von Asien und Afrika nicht in den Völkerbund einbeziehen sollte, aber schließlich bin ich zu folgendem Ausweg gekommen, um dem Völkerbund Festigkeit zu verleihen.

1. Man könnte den Herrschern Asiens einen entsprechenden Bund mit dem Sitz in einer freien Stadt zwischen dem Kaspischen Meer und den chinesischen Gebirgen, etwa in Samarkand, vorschlagen. Darin hätten der Zar, Persien, der Großmogul, China, Arabien, Siam und Kochinchina je eine Stimme, die Tatarenfürsten drei, die übrigen Herrscher des Festlandes und der Inseln gleichfalls drei, die Türkei wegen ihrer asiatischen Besitzungen eine, Holland, Frankreich, Spanien, England und Portugal wegen ihres Handels und ihrer Kolonien je eine Stimme. Dieser asiatische Völkerbund hätte die Erhaltung des Friedens unter seinen Mitgliedern wie dem europäischen Bund gegenüber zum Zweck. Er wäre leichter zu bilden als dieser.

2. Käme er jedoch nicht zustande, so wäre es m. E. leicht, Rußland gegen die Tataren und Chinesen und die Türkei gegen die Perser und Araber zu sichern. Der Bund kann zwei Heere an diesen Grenzen halten und dort Kolonien verschiedener europäischer Völker anlegen. Diese Heere müßten den angrenzenden asiatischen Mächten um ein Drittel überlegen sein, und damit die Heere der asiatischen Truppen nicht kriegerischer werden, als die des Bundes, müßte dessen Feldherr allen, die Krieg zu führen beabsichtigen, seine Vermittlung anbieten, und wenn sie diese ausschlagen, gegen sie zu Felde ziehen. Damit wäre die Überlegenheit der Zahl und die gleiche Kriegsgewohnheit erreicht, und der europäische Bund hätte hinreichende Sicherheit gegen die Einfälle asiatischer Herrscher.

Aber, hat man mir eingewandt, kann sich der Bundesfeldherr selbst nicht gegen den Bund empören? Kann er sich nicht zu diesem Werk mit einem asiatischen Fürsten verbünden? Dagegen erwidere ich:

1. Der Bundesfeldherr hat keine Macht über die Truppen der Verbündeten, da er keinen Offizier ernennen, nicht einmal den Schatzmeister und Intendanten absetzen kann. Er kann nichts von Belang unternehmen, ohne die beiden Bundeskommissare zu befragen, die seine Stellvertreter sind.

2. Er selbst stammt gewöhnlich aus dem Bundesgebiet oder aus einer Republik, kann also keinem der Bundeskontingente trauen, und sie wieder betrachten ihn als Fremden und erhalten Ehren und Würden nur von ihrer eigenen Regierung. Sie werden sich also nicht durch eitle Hoffnungen verleiten lassen.

3. Er müßte mehr als die Hälfte der Bundesgenerale gewinnen, was unmöglich ist. Auch die Generale haben nur beschränkte Macht über ihre Truppen, da sie keinen Offizier ernennen dürfen und die Neuwahl der Offiziere durch ihre Kameraden mit Dreiviertelmehrheit stattfindet.

4. Der Sold wird nur monatlich übersandt. Wird er gesperrt, so ist das Heer bald auseinandergelaufen.

5. Der Bund wählt zu seinem Feldherrn einen verständigen Mann, dem ein so unsinniger und vermessener Plan nie in den Sinn kommen wird.

Vierunddreißigster Einwand.

Der Wohlstand verleitet das Volk zu Aufständen.

Antwort.

Ich weiß, daß man in mehreren Staaten so denkt und dies als Vorwand benutzt, um dem Volk große Steuern aufzubürden. Dagegen ist zu sagen:

1. Fast nie erregen diejenigen Aufstände, die etwas zu verlieren haben. Es sind vielmehr Abenteurer und Habenichtse oder Leute, die ihre Habe in ruhigen Zeiten durchgebracht haben und in der Verwirrung ihre Lage zu verbessern hoffen, kurz, Leute, die ihre jetzige Lage unerträglich finden und darum nach Umwälzungen trachten.

2. Alle Aufrührer der Nachbarstaaten müßten sich das Wort gegeben haben, sich zugleich zu empören, sonst haben die Bundestruppen den Aufstand bald unterdrückt und die Friedensstörer zersprengt.

3. Jeder Aufstand bedarf begabter Führer. Wer aber, dem es gut geht, wird sein Vermögen und sein Leben an etwas wagen, das keinen dauernden Erfolg haben kann?

4. Wohlstand ist weit mehr geeignet, den Mut zu erschlaffen, als ihn in Gefahren zu treiben.

5. Aufstände sind zu fürchten, wenn die Völker in Armut und Elend leben, nicht wenn sie durch Wohlleben erschlafft sind. Im System des Krieges ist also mehr mit Aufruhr zu rechnen, als im System des Friedens.

Fünfunddreißigster Einwand.

Im System des europäischen Bundes wird die Macht der Herrscher über ihre Untertanen erheblich zunehmen. Damit entfällt aber auch eine Schutzwehr gegen die Tyrannei, denn sie brauchen keine Aufstände und Bürgerkriege mehr zu fürchten. Sie gewinnen also durch den Bund, ihre Untertanen aber verlieren.

Antwort.

1. Die Tyrannei ist allerdings eine Krankheit, der jede Monarchie ausgesetzt ist, und die Herrscher fürchten sich vor Aufständen. Die Tyrannei ist aber im System des Krieges nicht minder zu fürchten, als im Friedenssystem. Denn verlassen sich die Tyrannen hier auf den Schutz des Völkerbundes, so verlassen sie sich dort auf die Zahl ihrer Truppen.

2. Wenn die Untertanen kein anderes Mittel gegen Tyrannei haben als Aufruhr und Bürgerkriege, so ist das Mittel zweifellos weit schlimmer als das Übel selbst. Nimmt man ihnen ein solches Mittel, so nimmt man ihnen nichts, ja man gibt ihnen sehr viel, indem man ihnen die Aussicht auf ein solches Mittel für immer nimmt. In dieser Hinsicht ist das System des Friedens für die Völker also weit günstiger als das System des Krieges.

3. Werden die Bewohner eines Landes mit Abgaben und Steuern bedrückt, so wird die Mehrzahl zweifellos nach und nach ins Ausland abwandern. Der große Aufschwung des Handels würde dies erleichtern. Welch ungeheure Verluste würde also ein Herrscher durch tyrannisches Benehmen erleiden! Die übrigen Herrscher würden sich bemühen, durch bessere Gesetze und Einrichtungen miteinander zu wetteifern und die Fremden in ihr Land zu ziehen; dieser Wetteifer käme sowohl ihnen wie ihren Untertanen, zugute, während die Furcht vor der Auswanderung einen Zügel für tyrannische Gelüste bilden würde. In dieser Hinsicht ist die Tyrannei im System des Friedens also weniger zu fürchten als im System des Krieges.

4. Auch die Steuerlast ist im System des Friedens weit weniger zu fürchten, denn hier fällt für die Erhöhung der Steuern der Vorwand fort, sie würden für den Krieg oder die Tilgung von Kriegsschulden gebraucht. Die Steuern, die ein Tyrann im System des Friedens erhebt, können nie so hoch werden, wie die Steuern, die ein guter und gerechter Herrscher im System des Krieges auferlegen muß. Weder der Binnen- noch der Außenhandel wird je unterbrochen; aus ihm aber fließt die Hälfte der Staatseinnahmen. Die Steuern werden also weit weniger drückend sein, und man wird sie doppelt so leicht bezahlen, wie unter einer guten Regierung im System des Krieges.

5. Außer der Bedrückung mit Steuern kann die Tyrannei sich noch in Grausamkeiten gegen einzelne Bürger äußern, und zwar in beiden Systemen gleichermaßen. Im System des Krieges kommen aber noch viele andere Trübsale dazu, nämlich die Grausamkeiten und Gewalttaten, die zu Lande und zu Wasser von den Kriegführenden verübt werden. Hier gibt es im Adel wie im Volke bei weitem mehr Tote, und viel mehr Familien werden im bestregierten Staat des Kriegssystems unglücklich, als unter der tyrannischsten Regierung des Friedenssystems. Ganz ausgeschlossen sind auch unter der schlimmsten Regierung des Friedenssystems das Ausfouragieren der Grenzgebiete, die Plünderungen und Brandschatzungen ganzer Städte und Dörfer.

6. Die Tyrannei ist eine vorübergehende Krankheit. Die Tyrannen sterben, und nicht alle bleiben Tyrannen. Augustus hörte auf, es zu sein, Nero wurde es erst im Laufe seiner Regierung. In ein und derselben Monarchie ist bei weitem noch nicht ein Viertel der Herrscher Tyrannen, und selbst wenn ihre Zahl im System des Friedens zunähme, so wäre doch die Tyrannei in diesem System unendlich vorzuziehen.

7. Es ist klar, daß im System des Friedens die Sitten sanfter sein würden, die Religion mehr Gehör fände, das Laster mehr gehaßt und verabscheut, die Tugend mehr geehrt und befolgt würde. Die allgemeine Sittlichkeit würde auch die Herrscher beeinflussen und sie gerechter und menschlicher machen.

8. Sieht man genau zu, so entspringt die Grausamkeit der Tyrannen aus der Furcht vor Leuten, die sie verfolgen oder denen sie Unrecht zugefügt haben. Im System des Friedens ist der Herrscher eines mächtigen Schutzes sicher: braucht er da irgendeinen seiner Untertanen zu fürchten? Mit den Ursachen der Grausamkeit wird also auch die Grausamkeit aufhören.

9. Kurz, die unglücklichsten Geschlechter desselben Volkes werden in den tyrannischsten Zeiten des Friedenssystems immer noch viel glücklicher sein, als ihre sämtlichen Vorgänger im System des Krieges. Dagegen werden mehrere Geschlechter hinter einander vollkommen glücklich sein, was man von keinem anderen Systeme wird sagen können.

Sechsunddreißigster Einwand.

Wenn der Völkerbund 30 oder 100 Jahre bestanden hat, kann es geschehen, daß die 23 Herrscher dem Zaren oder einem anderen Mitglied seine Staaten ganz oder teilweise rauben wollen. Sie haben zwar kein Recht dazu, wenn er nicht in die Acht erklärt ist, und dies kann er nicht, solange er den Bundesvorschriften genügt, aber sie haben die Macht, denn 23 sind stärker als einer. Welche Sicherheit hat er, daß sie sich nicht alle gegen ihn zusammentun?

Antwort.

1. Solange die 23 Herrscher nicht alle von Sinnen sind, werden sie die Grundlage des Bundes nicht umstoßen. Wenn sie den vierundzwanzigsten seiner Staaten berauben, wer von ihnen ist dann sicher, daß er in 10 Jahren nicht auf dieselbe Weise und unter den gleichen Vorwänden beraubt wird? Weshalb aber ist er dem Bunde beigetreten, wenn nicht, um die Sicherheit zu haben, daß weder er, noch seine Nachfolger unter irgendeinem Vorwand beraubt werden können?

2. Welchen Grund könnten die 23 Herrscher haben, dem Zaren sein Reich oder einen Teil davon zu rauben? Um es einem von ihnen zu geben? Weshalb sollten sie diesen einen sich selbst vorziehen? Oder um es unter sich zu teilen? Aber wie? Zu gleichen Teilen? Dann würden sich die Stärksten widersetzen. Oder nach Maßgabe ihres Bundesbeitrages? Würden sich dem die Schwächsten nicht widersetzen? Und wie sollten sie sich über die Abschätzung, sei es zu gleichen Teilen, sei es im Verhältnis des Bundesbeitrages einigen? Lauter Unmöglichkeiten!

3. Auch die deutschen Reichsfürsten mußten die gleiche Furcht hegen, als sie ihren Bund gründeten, und doch sind sie darüber hinausgekommen, da sie ihnen unbegründet erschien. Tatsächlich sehen wir seit den 700 Jahren, die das Reich besteht, daß keine Stadt und kein Land einem Mitglied geraubt wurden, wenn es nicht wegen Auflehnung in die Reichsacht erklärt wurde. Das eigene Interesse hielt die deutschen Fürsten davon zurück, die Hand zu derartigen Beraubungen zu reichen, obwohl es an Vorwänden dazu nicht fehlte, insbesondere zur Zeit der Religionskriege, die soviel Haß erregen und das Volk so tief aufwühlen.

4. Die Freistaaten oder Staaten mit halbrepublikanischer Staatsform bilden ein Drittel Europas. Glaubt man, daß diese Völker je dafür zu haben sind, die Grundlagen einer Gesellschaft zu zerstören, die die Hauptgewähr für den Bestand ihrer Staaten und die Fortdauer ihres Handels bildet?

Wie man also die Sache auch wenden möge, der Einwand fällt bei genauer Prüfung in sich selbst zusammen.

Siebenunddreißigster Einwand.

Der Bund der deutschen Fürsten bezweckt nicht sowohl die Beilegung ihrer Streitigkeiten ohne Krieg, als die Selbstbehauptung gegenüber den Kaisern. Er ist nur allmählich entstanden, und aus der Geschichte ergibt sich nicht, daß je ein Plan dieses Bundes bestanden hat.

Antwort.

1. Ich gebe zu, daß der deutsche Bund erst nach und nach entstanden ist, durch allmählichen Beitritt der einzelnen Fürsten. Was aber verlange ich anders vom Völkerbund, als daß ein oder der andere Herrscher ihn für höchst vorteilhaft hält und nach und nach andere zum Beitritt bewegt, nur vielleicht schneller, als die deutsche Reichsverfassung zustande gekommen ist. Denn alle Vorteile liegen klar zutage; ein gedrucktes Werk macht den Plan aller Welt leichter zugänglich; die Geister sind aufgeklärter, und wir haben schließlich Vorbilder.

2. Ist der deutsche Bund auch besonders gegen die Übergriffe der Kaiser begründet worden, so hatte man doch nicht weniger auch die Schlichtung der Streitigkeiten ohne Krieg im Sinne, denn diese Form besteht noch. Wie sollten sie sich auch umsonst, ohne dauernde Bedrohung durch eine Übermacht, für immer vereinigt haben, ohne die notwendigen Mittel zur dauernden Erhaltung ihres Bundes zu vereinbaren? Zu diesen aber gehört auch die Beilegung ihrer Streitigkeiten ohne Krieg. Ja, daß dies ihr Hauptzweck war, zeigt, daß der Bund zur Zeit der größten Schwäche des Kaisertums begründet wurde, als das Reich aus einer erblichen Monarchie zum Wahlreich wurde und die Nachbarn Deutschlands bei weitem nicht so zu fürchten waren wie heute. Hätten sie schließlich ihren Bund hauptsächlich deswegen begründet, um sich gegen die Übergriffe der Kaiser zu schützen, so hätten sie niemals mächtige Fürsten aus ihrer Mitte zu Kaisern gewählt, wie das in der älteren Zeit häufig vorkam.

3. Einen Bund ohne Vertrag zu begründen, einen Vertrag ohne bestimmte Artikel zu schließen, über die man übereinkommt, ist ein Unding. Die Geschichte braucht nichts von einem solchen Vertrage zu melden, trotzdem kann man annehmen, daß einer oder mehrere bestanden haben. Sehen wir doch, daß die Einrichtung noch besteht, somit muß sie einen Anfang gehabt haben, und das ist nur möglich, wenn die Fürsten über mehrere Artikel übereingekommen sind, das heißt einen Vertrag geschlossen haben. Ob ein mächtiger Fürst wie Heinrich IV., ein minder mächtiger oder gar ein Privatmann ihn vorgeschlagen hat, tut nichts zur Sache. Ich nenne ihn den deutschen Weisen oder den Solon Deutschlands. Sicher ist, daß er von einem erdacht wurde und nur allmählich zur Ausführung kam.

Achtunddreißigster Einwand.

Zu welcher Zeit soll der deutsche Bund begründet worden sein, um die Streitigkeiten zwischen den Reichsfürsten und den Untertanen verschiedener Reichsfürsten ohne Krieg, sei es auf den Reichstagen, sei es in der Zwischenzeit durch das Reichsregiment, oder durch das Reichskammergericht zu schlichten, ohne daß jemand die Vollstreckung dieser Urteile ungestraft verweigern darf? Der beste Beweis, daß auch in Deutschland diese Streitigkeiten mit Gewalt geschlichtet wurden, ist, daß es in Deutschland zu jeder Zeit Kriege gegeben hat. Der deutsche Colon existiert also nicht.

Antwort.

1. Nicht alle diese Streitigkeiten sind durch Waffengewalt entschieden, sondern eine große Zahl durch Reichstage und das Reichskammergericht. Hat sich aber der Verurteilte ihrem Spruch zu beugen oder eine Strafe zu gewärtigen, wenn er ihm widersteht, und das steht außer Zweifel, so ist eine Vereinbarung und ein Bund vorhanden, der den Richtern die Macht gibt, diese Streitigkeiten ohne Krieg beizulegen. In welchem Jahr das zuerst geschehen ist, und zwischen wieviel Fürsten, oder welcher ihrer Untertanen zuerst auf diesen Gedanken kam, spielt hier keine Rolle. Genug, daß ein solcher Bund vorhanden und somit möglich ist.

2. Es ist einerlei, ob zwischen den deutschen Reichsfürsten bisweilen Kriege stattgefunden haben. Trotzdem wurde eine große Zahl von Streitigkeiten ohne Krieg und durch Schiedsspruch geschlichtet. Der Einwand beweist also nur, daß die alte Vereinbarung nicht immer beachtet wurde, weil einige Mitglieder unter dem Schutz fremder Mächte den Urteilen trotzen zu können glaubten und der Reichsacht zu entgehen hofften. Er beweist nur die Fehler, aber nicht das Fehlen des Gesellschaftszustandes, der ja noch besteht. Er beweist aber durchaus nicht, daß die Fehler unheilbar oder bei der Bildung einer ähnlichen Gesellschaft unvermeidlich seien.

3. Trotz ihrer Mängel hat die deutsche Reichsverfassung eine Unmenge von Kriegen unter den Reichsständen erspart und somit eine große Zahl ihrer Mitglieder vor der Vernichtung bewahrt, der sie im Laufe von 600 Jahren sonst mehrfach verfallen wären.

4. Wer immer in irgendwelcher Form den ersten Plan dieses Bundes erdacht hat, verdient den Namen des deutschen Solon. Solon hat Athen kein so nützliches Gesetz gegeben, wie dieses für ganz Deutschland war. Und doch haben seine Gesetze ihm den Beinamen des Weisen eingebracht. Was tut es, ob wir den Namen dieses weisen Deutschen kennen oder nicht; gelebt hat er doch. Ich hoffe aber, daß gerechte Leute Heinrich IV. den Namen eines europäischen Solon nicht versagen werden, denn er ist der erste, der den Plan eines europäischen Bundes aufgestellt hat.

Neununddreißigster Einwand.

Das Interesse der Herrscher wird im ganzen Werk stärker vertreten als das Interesse der Völker.

Antwort.

Diese Interessen sind allerdings verschieden, aber nicht entgegengesetzt. Der Herrscher will durch seine Untertanen glücklich werden, die Untertanen wollen es durch ihren Herrscher. Somit vereinen sich beider Interessen im wichtigsten Punkt des Bundes nämlich darin, daß die gemeinsame Sicherheit und der gemeinsame Wohlstand in dem Maße zunimmt, wie beide Teile miteinander zufrieden sind. Jedermann weiß auch, wodurch ein Bund aufgelöst wird, nämlich wenn der eine Teil dabei gewinnt, der andere aber zu verlieren fürchtet. Nichts hingegen kittet einen Bund fester als der Gedanke, daß jeder für sich zu schaffen glaubt, wenn er für die anderen schafft.

Um einen Bürger tugendhaft zu machen, ist nichts weiter nötig, als daß er sein Benehmen gegen seine Nächsten so einrichtet, daß er stets sein größtes eigenes Interesse im Auge hat. Dann wird er deutlich erkennen, wieviel vorteilhafter die Tugend, das heißt Gerechtigkeit und Güte, für ihn ist, und wieviel mehr Glück sie ihm bringt als die Ungerechtigkeit. Ebenso klar ist es, daß man, um den besten Fürsten auf Erden zu haben, nur zu wünschen braucht, daß er so viel wie möglich auf seinen Vorteil bedacht, aber auch sehr einsichtig ist. Dann wird er klar erkennen, was seinem größten Vorteil entspricht, nämlich seine Untertanen die Folgen seiner Gerechtigkeit, Güte und Klugheit spüren zu lassen.

Vierzigster Einwand.

Heinrich IV. wollte die europäische Gesellschaft nicht wirklich begründen, sondern unter diesem schönen Vorwand einen Bund gegen das Haus Österreich zusammenbringen und sich selbst durch dessen Erniedrigung erheben. Wäre sein Plan gelungen, er hätte irgendeinen brauchbaren Vorwand gefunden, um sich des europäischen Bundes, oder wie er es nannte, der christlichen Republik zu entledigen.

Antwort.

1. Zum mindesten hielt er die Vorteile, die jeder Herrscher von dieser Gesellschaft haben könnte, für so groß, offenbar, sicher und dauerhaft, daß dieser Umstand genügte, um sie zum Beitritt einzuladen. Er glaubte also nicht, ihnen etwas vorzuschlagen, was sich nicht offenbar mit ihrem Vorteil vertrug.

2. Auch die Herrscher selbst hielten den Vorschlag für höchst vorteilhaft, darunter auch solche, die von Eroberungen, die der Bund dem Hause Österreich etwa abnahm, nichts gehabt hätten.

3. Wie hätte Heinrich IV. den europäischen Bund begründen und nach der Schwächung des Hauses Österreich hoffen können, ohne diesen Bund auszukommen! Hätte er doch selbst gewußt, daß die anderen Bundesmitglieder sich dann an Österreich wenden würden, um ihn zur Erfüllung seines Versprechens zu zwingen, und daß er ihnen allen nicht gewachsen sein würde! Sein Plan war also höchst weise und durchaus ehrlich gemeint. Nur als politischer Schelmenstreich gedacht, wäre er unsinnig gewesen.

 

Der Same ist also ausgesät. Es ist wahrscheinlicher, daß er Wurzel schlagen und alle Früchte tragen wird, die wir von ihm erwarten dürfen, das heißt, daß der europäische Bund sich eines Tages bilden wird, als daß er nie entsteht. Die Fortschritte dieser Schrift können sehr langsam sein, aber es können auch Ereignisse eintreten, die die europäische Gesellschaft in anderthalb Jahren zur Wirklichkeit Das heißt beim Abschluß des Utrechter Friedens (1713). (Der Übers.) machen, besonders wenn man meine Vorschläge benutzt.

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