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Wir brauchen wohl kaum zu bemerken, daß wir von der strategischen Flanke, d. h. der Seite des Kriegstheaters sprechen, und daß der Anfall von der Seite in der Schlacht, also die taktische Flankenwirkung, damit gar nicht in Beziehung steht und selbst in den Fällen, wo die strategische Flankenwirkung in ihrer letzten Erledigung mit einer taktischen zusammenfiele, ganz füglich davon getrennt werden kann, weil niemals die eine notwendig aus der anderen folgt.
Diese Flankenwirkungen und die dahin gehörigen Flankenstellungen gehören auch zu den Paradepferden der Theorie, die man im Kriege nur selten gewahr wird. Nicht daß das Mittel selbst unwirksam oder illusorisch wäre, sondern weil beide Teile sich gewöhnlich gegen die Wirkungen desselben zu verwahren suchen, die Fälle aber, wo dies nicht unmöglich wäre, nur zu den seltenen gehören. In diesen seltenen nun hat denn jenes Mittel auch oft eine große Wirksamkeit gezeigt, und wegen dieser sowie eben wegen jener beständigen Rücksicht, die es im Kriege hervorruft, ist es wichtig, in der Theorie eine deutliche Vorstellung davon zu geben. Obgleich die strategische Flankenwirkung natürlich nicht bloß bei der Verteidigung, sondern auch beim Angriff denkbar ist, so ist sie doch der ersteren viel analoger und findet deshalb ihren Platz unter den Verteidigungsmitteln.
Ehe wir in die Sache eingehen, müssen wir den einfachen Grundsatz aufstellen und dann bei der Betrachtung nie aus dem Auge verlieren, daß Kräfte, die im Rücken und in der Seite des Feindes wirken sollen, nicht vorn gegen ihn wirken können; daß es also eine ganze falsche Vorstellungsart ist, wenn man, sei es in der Taktik oder in der Strategie, das in den Rücken Kommen schon an sich für etwas hält. An sich ist dies noch nichts, sondern es wird erst etwas in Beziehung zu anderen Dingen, und zwar entweder etwas Vorteilhaftes oder auch etwas Nachteiliges, je nachdem diese anderen Dinge sind, auf deren Untersuchung es uns nun vorzüglich ankommt.
Zuerst müssen wir bei der Wirkung gegen die strategische Seite zwei Gegenstände derselben unterscheiden, nämlich die Wirkung auf die bloße Verbindungslinie von der Wirkung auf die Rückzugslinie, womit denn auch eine Wirkung auf die Verbindungslinie verbunden sein kann.
Als Daun 1758 Streifkorps absandte, um die zur Belagerung von Olmütz gehenden Zufuhren aufzuheben, wollte er dem Könige offenbar den Rückzug nach Schlesien nicht verlegen, er wollte ihn vielmehr veranlassen und würde ihm den Weg gern geöffnet haben.
Im Feldzuge von 1812 hatten alle Streifkorps, welche im Monat September und Oktober von dem russischen Hauptheer abgingen, nur die Absicht, die Verbindung zu unterbrechen, nicht den Rückzug zu verlegen; diese letztere war aber ganz offenbar die Absicht der Moldauarmee, welche unter Tschitschagow gegen die Beresina vorrückte, sowie des Angriffs, welcher dem General Wittgenstein gegen die an der Düna stehenden französischen Korps aufgetragen wurde.
Diese Beispiele bloß zur Klarheit der Vorstellungen.
Die Wirkung auf die Verbindungslinien ist gegen die feindlichen Zufuhren, gegen nachrückende kleine Haufen, gegen Kuriere und Reisende, gegen kleine feindliche Depots usw. gerichtet, also gegen lauter Gegenstände, die zum kräftigen und gesunden Bestehen des feindlichen Heeres nötig sind; sie soll also den Zustand dieses Heeres auf diese Weise schwächen und dasselbe dadurch zum Rückzug veranlassen.
Die Wirkung auf die feindliche Rückzugslinie soll dem feindlichen Heer diesen Rückzug abschneiden, sie kann diesen Zweck nur erreichen, wenn der Gegner den Rückzug wirklich beschließt; aber freilich kann sie ihn dadurch, daß sie ihn bedroht, auch veranlassen und also, indem sie als Demonstration wirkt, denselben Erfolg haben wie die Wirkung auf die Verbindungslinie. Alle diese Wirkungen aber können, wie schon gesagt, nicht von dem bloßen Umgehen, nicht von der bloßen geometrischen Form in der Aufstellung der Streitkräfte, sondern nur von den dazu passenden Bedingungen erwartet werden.
Um diese Bedingungen deutlicher einzusehen, wollen wir beide Flankenwirkungen ganz trennen und zuerst die auf die Verbindungslinien gerichtete betrachten.
Hier müssen wir zuerst zwei Hauptbedingungen aufstellen, wovon entweder die eine oder die andere vorhanden sein muß.
Die erste ist: daß zu dieser Wirkung auf die feindliche Verbindungslinie Streitkräfte genügen, die so unbedeutend sind, daß sie in der Fronte kaum vermißt werden; die zweite: daß das feindliche Heer sich am Ende seiner Bahn befinde und also von einem neuen Sieg über das unserige keinen Gebrauch mehr machen oder demselben, wenn es ausweicht, nicht mehr folgen könne.
Diesen letzteren Fall, welcher keineswegs so selten ist, wie es scheinen möchte, lassen wir vorderhand liegen und beschäftigen uns mit den weiteren Bedingungen des ersten.
Die nächste dieser Bedingungen ist, daß die feindliche Verbindungslinie eine gewisse Länge habe und nicht mehr durch ein paar gute Posten gedeckt werden könne; die zweite, daß sie durch ihre Lage unserer Einwirkung bloßgestellt sei.
Diese Bloßstellung kann von einer doppelten Art sein: entweder durch die Richtung, wenn diese nicht senkrecht auf die Aufstellungsfronte des feindlichen Heeres trifft, oder dadurch, daß die Verbindungslinien durch unser Land gehen; vereinigen sich beide Verhältnisse, so wird die Bloßstellung um so größer. Beide Verhältnisse bedürfen einer näheren Auseinandersetzung.
Man sollte glauben, daß, wenn von Deckungen einer 40 oder 50 Meilen langen Verbindungslinie die Rede ist, wenig darauf ankomme, ob das am Ende dieser Linie stehende Heer schief oder senkrecht auf diese Linie stehe, da seine Ausdehnung gegen die Linie fast nur als ein Punkt erscheint, und doch ist dies anders. Selbst bei bedeutender Überlegenheit ist es schwer, in einem solchen Fall die feindliche Verbindungslinie durch Streifereien, die vom Heer ausgehen, zu unterbrechen. Wenn man nur an die Schwierigkeit denkt, einen gewissen Raum absolut zu decken, so sollte man dies nicht glauben, sondern meinen, es müsse im Gegenteil einem Heer schwer werden, seinen Rücken, d. h. die Gegend hinter sich, gegen alle Haufen zu decken, die ein überlegener Feind absenden kann. Allerdings, wenn man im Kriege alles übersähe wie auf dem Papier! Alsdann würde der Deckende in seiner Unwissenheit, auf welchen Punkten die Streifer erscheinen werden, gewissermaßen blind sein und die Parteigänger allein sehend. Aber wenn man an die Unsicherheit und Unvollständigkeit aller Nachrichten denkt, die man im Kriege hat, und weiß, daß beide Teile unaufhörlich im Finstern tappen, so sieht man wohl, daß die Streifpartei, welche um die Flügel eines feindlichen Heeres herum in seinen Rücken gesendet worden ist, sich in dem Falle eines Menschen befindet, der in einem dunkeln Zimmer es mit vielen zu tun hat. Auf die Dauer muß er zugrunde gehen; so also auch die Haufen, die das feindliche Heer in einer senkrechten Stellung umgehen, sich also in seiner Nähe und von dem eigenen ganz getrennt befinden. Nicht genug, daß man in Gefahr ist, auf diese Weise viel Kräfte zu verlieren, sondern das Instrument selbst wird sich augenblicklich abstumpfen, das erste unglückliche Schicksal eines einzigen solchen Haufens wird alle anderen verzagt machen, und anstatt eines kühnen Anfalls und dreisten Neckens wird man nur das Schauspiel des beständigen Ausreißens haben.
Durch diese Schwierigkeit deckt also die gerade Aufstellung eines Heeres die nächsten Punkte seiner Verbindungslinien, und zwar nach der Stärke des Heeres auf zwei bis drei Märsche; diese nächsten Punkte aber sind die am meisten bedrohten, weil sie auch dem feindlichen Heer am nächsten liegen.
Dagegen ist bei einer merklich schiefen Aufstellung kein solcher Teil der Verbindungslinie gesichert, der kleinste Druck, der gefahrloseste Versuch von seiten des Gegners führt sogleich auf einen empfindlichen Punkt.
Was bestimmt nun aber die Fronte einer Aufstellung, wenn es nicht eben die senkrechte Richtung auf die Verbindungslinie ist? Die Fronte des Gegners; aber diese kann ebensogut gedacht werden als abhängig von unserer Fronte. Hier tritt eine Wechselwirkung ein, deren Anfangspunkt wir suchen müssen.
Denken wir uns die Verbindungslinie des Angreifenden a b gegen die des Verteidigers c d so gelegen, daß sie einen beträchtlichen Winkel mit ihr macht, so ist klar, daß, wenn der Verteidiger seine Aufstellung in a nehmen wollte, wo beide Linien zusammentreffen, der Angreifende von b aus ihn durch das bloße geometrische Verhältnis zwingen könnte, Fronte gegen ihn zu machen und folglich seine Verbindungslinie bloßzugeben. Umgekehrt würde es sein, wenn der Verteidiger seine Aufstellung diesseits des Vereinigungspunktes, etwa in d, nehme; dann würde der Angreifende Fronte gegen ihn machen müssen, vorausgesetzt, daß er die Lage seiner Unternehmungslinie, die durch geographische Gegenstände näher bestimmt ist, nicht willkürlich verändern und sie zum Beispiel wie a d ziehen könne. Hieraus würde hervorgehen, daß der Verteidiger in diesem System der Wechselwirkung einen Vorteil voraus hätte, weil er seine Stellung nur diesseits des Zusammentreffens beider Linien zu nehmen braucht. Allein weit entfernt, auf dieses geometrische Element eine große Wichtigkeit zu legen, führen wir die Betrachtung bloß darauf zurück, um vollkommen klar zu sein, und sind vielmehr überzeugt, daß örtliche und überhaupt individuelle Verhältnisse die Aufstellung des Verteidigers viel stärker bedingen werden, und daß sich also durchaus nicht allgemein angeben läßt, wer von beiden Teilen in dem Fall sein wird, seine Verbindungslinie mehr bloßzugeben.
Liegen die gegenseitigen Verbindungslinien in einer und derselben Richtung, so wird allerdings derjenige von beiden Teilen, welcher eine schiefe Aufstellung dagegen nimmt, den anderen zwingen, ein Gleiches zu tun, dann aber ist geometrisch nichts dabei gewonnen, und beide Teile kommen in dieselben Vorteile und Nachteile.
Wir halten uns also für unsere weitere Betrachtung nur an das Faktum einer einseitig bloßgestellten Verbindungslinie.
Was nun das zweite nachteilige Verhältnis einer Verbindungslinie betrifft, wenn sie nämlich durch feindliches Land läuft, so ist es an sich klar, in welchem Grade sie dadurch bloßgestellt ist, wenn die Einwohner dieses Landes zu den Waffen gegriffen haben, und folglich die Sache so angesehen werden muß, als wenn längs der ganzen Linie hin eine feindliche Macht aufmarschiert wäre; diese Macht ist zwar an sich sehr schwach, ohne Dichtigkeit und intensive Stärke, aber man bedenke, was nichtsdestoweniger eine solche feindliche Berührung und Einwirkung durch die Menge der Punkte sagen will, die sich auf einer beträchtlichen Verbindungslinie einer neben dem anderen befinden. Das bedarf keiner weiteren Auseinandersetzung. Aber auch dann, wenn die feindlichen Untertanen nicht zu den Waffen gegriffen haben, und selbst wenn in dem Lande keine Landwehren und andere Vorzüge kriegerischer Einrichtungen stattfinden, ja wenn auch das Volk von sehr unkriegerischem Geiste ist, bleibt immer das bloße Untertanenverhältnis zur feindlichen Regierung ein für die Verbindungslinie des anderen Teiles sehr fühlbarer Nachteil. Der Beistand, welchen ein streifender Haufe durch bloße leichtere Verständigung mit den Einwohnern, durch Bekanntschaft mit der Gegend und den Menschen, durch Nachrichten, durch Unterstützung der Behörden genießt, ist für sein kleines Verhältnis von entscheidendem Wert, und dieser Beistand wird ohne besondere Kraftanstrengung einem jeden solcher Haufen zuteil. Dazu kommt, daß es in einer gewissen Entfernung doch niemals an Festungen, Strömen, Gebirgen oder anderen Zufluchtsorten fehlen wird, die dem Gegner immer angehören, sooft wir sie nicht förmlich in Besitz genommen und mit Besatzungen versehen haben.
In einem solchen Fall nun, besonders wenn ihn andere günstige Umstände begleiten, ist die Wirkung auf die feindliche Verbindungslinie auch dann möglich, wenn ihre Richtung senkrecht auf die feindliche Aufstellung ist, denn unsere Streifer brauchen dann nicht immer zum Heer zurückzukehren, sondern sie können in dem bloßen Ausweichen ins eigene Land hinein hinreichenden Schutz linden.
Wir haben also jetzt:
1. eine beträchtliche Länge,
2. eine schiefe Lage und
3. feindliches Gebiet
als die Hauptumstände kennengelernt, unter welchen die Verbindungslinien eines Heeres durch verhältnismäßig geringe Streitkräfte des Feindes unterbrochen werden können; daß diese Unterbrechung wirksam sei, erfordert noch eine vierte Bedingung, nämlich eine gewisse Dauer. Wegen dieses Punktes berufen wir uns auf das, was wir im fünfzehnten Kapitel des fünften Buches darüber gesagt haben.
Aber diese vier Bedingungen sind nur die Hauptverhältnisse, welche den Gegenstand umfassen; es knüpfen sich daran eine Menge örtlicher und individueller Umstände, die oft sehr viel wichtiger und durchgreifender werden als die Hauptverhältnisse selbst. Um nur an die vornehmsten zu erinnern, so nennen wir: die Beschaffenheit der Straßen, die Natur der Gegend, durch welche sie führen, die Deckungsmittel von Strömen, Gebirgen, Morästen, die sie haben können, die Jahreszeit und Witterung, die Wichtigkeit einzelner Zufuhren wie eines Belagerungstrains, die Zahl leichter Truppen usw. usw.
Von allen diesen Umständen also wird der Erfolg abhängen, mit welchem ein Feldherr auf die Verbindungslinie seines Gegners wirken kann, und indem man das Resultat aller dieser Umstände bei dem einen mit dem Resultat derselben Umstände bei dem anderen vergleicht, kommt man auf das Verhältnis beider Verbindungssysteme, und von diesem Verhältnis wird es abhängen, welcher von beiden Feldherren den anderen in diesem Punkt überbieten kann.
Was sich hier in der Entwicklung so weitläuftig ausnimmt, entscheidet sich im konkreten Fall oft auf den ersten Blick: aber es ist doch der Takt eines geübten Urteils dazu nötig, und man muß an alle die hier entwickelten Fälle einmal gedacht haben, um sich bewußt zu sein, wie die gewöhnliche Torheit der kritischen Schriftsteller beantwortet werden kann, wenn sie glauben, mit dem bloßen Wort der Umgehung und Flankenwirkung ohne nähere Motive etwas ausgemacht zu haben.
Wir kommen jetzt zur zweiten Hauptbedingung, unter welcher die strategische Flankenwirkung stattfinden kann.
Ist das feindliche Heer am weiteren Vordringen gehindert durch irgendeinen anderen Grund als den Widerstand unseres Heeres, sei dieser Grund welcher er wolle, so darf unser Heer auch nicht mehr scheuen, sich durch beträchtliche Entsendungen zu schwächen; denn wollte das feindliche uns auch wirklich dafür durch einen Angriff bestrafen, so dürften wir nur ausweichen. Dies war der Fall des russischen Hauptheeres im Jahr 1812 bei Moskau. Es sind aber gar nicht so große Dimensionen und Verhältnisse nötig, wie in diesem Feldzug stattfanden, um einen solchen Fall hervorzubringen. Friedrich der Große war an der Grenze Böhmens oder Mährens in den ersten Schlesischen Kriegen jedesmal in diesem Fall, und es lassen sich in dem zusammengesetzten Verhältnis der Feldherren und ihrer Heere eine Menge der verschiedenartigsten namentlich politischer Ursachen denken, die das Weitergehen unmöglich machen.
Da in diesem Falle die auf die Flankenwirkung verwendeten Streitkräfte beträchtlicher sein können, so brauchen die übrigen Bedingungen weniger günstig zu sein; selbst das Verhältnis unseres Verbindungssystems zu dem feindlichen braucht nicht zu unserem Vorteil zu sein, da der Feind, der von unserem weiteren Rückzug keinen sonderlichen Gebrauch machen kann, nicht leicht das Vergeltungsrecht üben, sondern mehr auf die unmittelbare Deckung des eigenen bedacht sein wird.
Eine solche Lage ist also sehr geeignet, um diejenige Wirkung, die man in einer Schlacht nicht suchen will, weil man diese für zu gewagt hält, durch ein Mittel zu erreichen, welches weniger glänzend und erfolgreich als ein Sieg, aber auch weniger gefährlich ist.
Da in solchem Fall eine Seitenstellung, wodurch die eigenen Verbindungen bloßgestellt werden, weniger Bedenken hat, und dadurch eine schiefe Aufstellung des Gegners gegen seine Verbindungslinien jedesmal erhalten werden kann, so wird diese eine der oben aufgestellten Bedingungen nicht leicht fehlen. Je mehr die übrigen und andere günstige Umstände mitwirken, um so eher wird man sich von dem Mittel einen glücklichen Erfolg versprechen können; je weniger aber solche begünstigende Umstände vorhanden sind, um so mehr wird alles auf überlegene Geschicklichkeit in den Kombinationen und auf Schnelligkeit und Sicherheit in der Ausführung ankommen.
Hier ist das eigentliche Feld des strategischen Manövrierens, wie es im Siebenjährigen Kriege in Schlesien und Sachsen, in den Feldzügen von 1760 und 1762 so vielfältig vorkommt. Wenn ein solches strategisches Manövrieren in den Kriegen von einer schwachen Elementarkraft so häufig vorkommt, so ist es freilich nicht, weil der Fall, daß ein Feldherr sich am Ende seiner Bahn befände, ebenso häufig wäre, sondern weil Mangel an Entschlossenheit, Mut und Unternehmungsgeist, Furcht vor Verantwortlichkeit oft die Stelle wahrer Gegengewichte vertreten, wobei wir nur an Feldmarschall Daun zu erinnern brauchen.
Wollen wir von unseren Betrachtungen noch ein Hauptresultat zusammenfassen, so wäre es, daß die Flankenwirkung am wirksamsten sein wird:
1. bei der Verteidigung;
2. gegen das Ende des Feldzuges;
3. vorzugsweise beim Rückzug in das Innere des Landes und
4. in Verbindung mit einer Volksbewaffnung.
Über die Ausführung dieser Wirkung auf die Verbindungslinien haben wir nur ein paar Worte zu sagen.
Die Unternehmungen müssen durch gewandte Parteigänger ausgeführt werden, die mit schwachen Haufen und kühnen Märschen und Angriffen auf die feindlichen kleinen Besatzungen, Zufuhren, hin- und herziehenden kleinen Haufen fallen, den Landsturm ermuntern und sich mit ihm zu einzelnen Unternehmungen vereinigen. Sie müssen mehr zahlreich als stark und so organisiert sein, daß die Vereinigung mehrerer zu einem größeren Unternehmen möglich wird und nicht in der Eitelkeit und Willkür der einzelnen Führer ein zu großes Hindernis finde.
Jetzt haben wir noch von der Wirkung auf die Rückzugslinie zu reden.
Hier ist es, wo wir den gleich anfangs aufgestellten Grundsatz vorzüglich im Auge haben müssen, daß, was hinten wirken soll, nicht vorn gebraucht werden kann, daß also die Wirkung von hinten oder von der Seite an sich nicht als eine Multiplikation der Kräfte, sondern nur als eine potenzierte Verwendung derselben betrachtet werden muß; potenziert von seiten des Erfolges, aber auch potenziert von seiten der Gefahr. Jeder Widerstand durch das Schwert, der nicht ein gerader und einfacher ist, hat die Tendenz, die Wirkung auf Kosten der Sicherheit zu erhöhen. Eine Wirkung von der Seite, sei es mit vereinigter Macht oder von mehreren Seiten mit getrennter und umfassender Macht, gehört in diese Kategorie.
Nun ist aber bei dem Abschneiden des Rückzuges, wenn es nicht eine bloße Demonstration, sondern ernstlich gemeint sein soll, eine entscheidende Schlacht oder wenigstens alle Bedingungen zu derselben die eigentliche Lösung, und eben in dieser Lösung werden sich jene beiden Elemente von größerer Entscheidung und größerer Gefahr wiederfinden. Soll sich also ein Feldherr zu dieser Wirkungsart berechtigt halten, so müssen günstige Bedingungen dasselbe motivieren.
Wir müssen bei dieser Widerstandsart die beiden schon genannten Formen unterscheiden. Die erste ist, wenn der Feldherr mit seinem ganzen Heer den Gegner von hinten angreifen will, entweder von einer Seitenstellung aus, die er zu dem Behuf genommen, oder indem er ihn förmlich umgeht; die zweite, wenn er seine Streitkräfte teilt und durch eine umfassende Stellung mit dem einen Teil den feindlichen Rücken, mit dem anderen die Fronte bedroht.
Die Steigerung des Erfolges ist in beiden Fällen dieselbe, nämlich: entweder ein wirkliches Abschneiden des Rückzuges und daraus entstehendes Gefangennehmen, oder Zerstreuen eines großes Teiles der feindlichen Streitkraft, oder ein beträchtliches Zurückschnellen der feindlichen Macht, um solcher Gefahr vorzubeugen.
Die gesteigerte Gefahr aber ist in beiden Fällen eine andere.
Wenn wir den Feind mit der ganzen Streitkraft umgehen, so liegt die Gefahr in der Bloßstellung des eigenen Rückens, und es kommt also hierbei wieder auf das Verhältnis der gegenseitigen Rückzugslinien an, wie es bei der Wirkung auf die Verbindungslinien in einem ähnlichen Fall auf ihr Verhältnis ankam.
Nun ist allerdings der Verteidiger, wenn er in seinem eigenen Lande ist, sowohl in seinen Rückzugs- als Verbindungslinien weniger beschränkt als der Angreifende und insofern zu einer strategischen Umgehung mehr befähigt, allein dieses allgemeine Verhältnis greift doch zu wenig durch, um darauf eine wirksame Methode zu bauen; es können also nur die Gesamtverhältnisse der individuellen Fälle entscheiden.
Nur soviel kann man noch sagen, daß die günstigen sich in weiten Räumen natürlich häufiger finden werden als in kleinen; und bei selbständigen Staaten häufiger als bei schwachen, auf fremde Unterstützung harrenden, deren Heere also vor allen Dingen den Vereinigungspunkt mit dem Hilfsheer im Auge haben müssen; endlich, daß sie am Ende eines Feldzuges, wenn sich die Stoßkraft des Angreifenden erschöpft hat, für den Verteidiger am günstigsten werden: ungefähr wieder auf dieselbe Art, wie es bei dem Verhältnis der Verbindungslinien war.
Eine solche Flankenstellung, wie die Russen 1812 mit so vielem Vorteil auf der Straße von Moskau nach Kaluga nahmen, als Bonapartes Stoßkraft erschöpft war, würde ihnen beim Anfang des Feldzuges im Lager von Drissa sehr schlecht bekommen sein, wenn sie nicht klug genug gewesen wären, ihren Plan kurz vor dem Torschluß zu ändern.
Die andere Form der Umgehung und des Abschneidens vermittelst einer Teilung der Macht hat die Gefahr der eigenen Trennung, während der Gegner durch den Vorteil der inneren Linien beisammenbleibt und also imstande ist, den einzelnen Teil mit großer Überlegenheit anzufallen. Sich diesem Nachteil auszusetzen, welcher durch nichts aufgehoben werden kann, dazu kann es nur drei Hauptveranlassungen geben:
1. die ursprüngliche Verteilung der Kräfte, die eine solche Wirkungsart notwendig macht, wenn man sich nicht großem Zeitverlust unterwerfen will;
2. eine große physische und moralische Überlegenheit, die zu den entscheidenden Formen berechtigt;
3. der Mangel an Stoßkraft des Gegners, sobald er sich am Ende seiner Bahn befindet.
Friedrichs des Großen konzentrisches Eindringen in Böhmen im Jahr 1757 hatte zwar nicht die Absicht, mit dem Angriff in der Fronte einen auf den strategischen Rücken zu verbinden, wenigstens war dies keineswegs eine Hauptsache dabei, wie wir das anderswo etwas mehr entwickeln werden, aber in jedem Fall ist es klar, daß von keiner Vereinigung der Macht in Schlesien oder Sachsen vor dem Einfall die Rede sein konnte, da er dadurch alle Vorteile der Überraschung aufgeopfert haben würde.
Als die Verbündeten den zweiten Teil des Feldzuges von 1813 anordneten, durften sie bei ihrer großen physischen Überlegenheit schon daran denken, Bonaparte mit der Hauptmacht in der rechten Flanke, nämlich an der Elbe, anzufallen und dadurch das Kriegstheater von der Oder nach der Elbe zu verlegen. Daß es ihnen bei Dresden so schlecht erging, ist nicht diesen allgemeinen, sondern den näheren strategischen und taktischen Anordnungen zuzuschreiben, denn das Machtverhältnis, mit dem sie bei Dresden mit Bonaparte zusammentreffen konnten, war 220000 gegen 130000, welches doch wohl nichts zu wünschen übrig ließ, wenigstens war es bei Leipzig (285:157) wenig günstiger. Freilich hatte Bonaparte für das eigentümliche System einer Verteidigung auf einer Linie seine Macht zu gleichmäßig verteilt (in Schlesien 70000 gegen 90000, in der Mark 70000 gegen 110000), allein in jedem Falle würde es ihm, ohne Schlesien ganz aufzugeben, schwer geworden sein, an der Elbe eine Macht zu versammeln, die gegen die Hauptarmee den entscheidenden Schlag führen konnte. Ebenso konnten die Verbündeten das Heer unter Wrede füglich an den Main vorrücken lassen und damit den Versuch machen, ob Bonaparte der Weg nach Mainz abgeschnitten werden könnte.
Endlich durften 1812 die Russen ihrem Moldauheer die Bestimmung nach Wolhynien und Litauen geben, um später in dem Rücken des französischen Hauptheeres vorzugehen, weil nichts gewisser war, als daß Moskau der Kulminationspunkt der französischen Unternehmungslinie werden mußte. Für das jenseits Moskau liegende Rußland war in diesem Feldzuge nichts zu fürchten, und das russische Hauptheer hatte also keine Ursache, sich für zu schwach zu halten.
Dieselbe Form in der Aufstellung der Streitkräfte lag in dem ersten, von dem General Phull herrührenden Verteidigungsplan, wonach das Heer unter Barclay das Lager von Drissa beziehen und das unter Bagration im Rücken des feindlichen Hauptheeres vordringen sollte. Aber welch ein Unterschied in diesen beiden Momenten! Im ersten waren die Franzosen dreimal so stark als die Russen; im zweiten waren die Russen merklich stärker als die Franzosen. Im ersten ist in Bonapartes Hauptheer eine Stoßkraft, die bis Moskau reicht, 80 Meilen über Drissa hinaus; im zweiten kann sie sich nicht einen Marsch mehr von Moskau entfernen; im ersten würde die Rückzugslinie bis an den Njemen nicht über 30 Meilen betragen haben, im zweiten war sie 112. Dasselbe Wirken gegen den feindlichen Rückzug also, das sich in dem zweiten Moment so erfolgreich gezeigt hat, würde in dem ersten die unbesonnenste Torheit gewesen sein.
Da die Wirkung auf die Rückzugslinie, wenn sie mehr als Demonstration ist, in einem förmlichen Angriff von hinten besteht, so würde darüber noch manches zu sagen sein, was aber in dem Buche vom Angriff eine passendere Stelle findet; wir brechen also hier ab und begnügen uns, die Bedingungen angegeben zu haben, unter welchen diese Reaktionsart stattfinden kann.
Gewöhnlich aber hat man, indem man von derselben spricht, mehr die Demonstration als die Wirklichkeit im Auge, in der Absicht, dadurch den Rückzug des Feindes zu veranlassen. Müßte jeder wirksamen Demonstration notwendig die vollkommene Ausführbarkeit der wirklichen Handlung zum Grunde liegen, wie sich auf den ersten Anblick von selbst zu verstehen scheint, so würde sie in allen Bedingungen mit derselben zusammenfallen. Allein so ist es nicht, sondern wir werden in dem Kapitel von den Demonstrationen sehen, daß diese allerdings an etwas andere Bedingungen geknüpft sind, und müssen hier auf dieses Kapitel verweisen.