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Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Belisar's Hochzeit.

Es war kaum acht Tage, nachdem Jack seine eigene Wirtschaft eingerichtet hatte, als Belisar ihn eines Abends freudestrahlend am Fabrikthor empfing.

»Ich bin so zufrieden, Jack. Wir haben endlich einen Kameraden. Frau Weber hat ihn gesehen, er sagt ihr zu. Nun ists abgemacht, wir heiraten.«

Es war auch Zeit, denn der Unglückliche verkam und quälte sich, je mehr der Sommer vorrückte. Jack, der die unfreiwillige Ursache zu dem Kummer seines Freundes gewesen, war eben so entzückt über die freudige Nachricht, als er selbst.

»Nun, ich bin gespannt, Deinen Kameraden zu sehen.«

»Da ist er,« sagte Belisar und wies auf einen langen Kerl, der in Hemdsärmeln, Lederschürze und einem Hammer über der Schulter hinter ihm stand. Sein schläfriges, branntweingerötetes Gesicht war zur Hälfte unter einem mißfarbenen, struppigen Bart verborgen und wenn sein moralischer Zustand dem physischen gleichkam, so war Belisars neuer Kamerad Ribarot zwar kein schlechter, wohl aber ein fauler, nachlässiger, dem Trunke ergebener Mensch. Indessen hütete sich Jack wohl, irgend welche Bemerkungen zu machen, da ja Frau Weber ihre Einwilligung gegeben hatte; aber es war der guten Frau wie Jack gegangen, als sie ihren armen Dulder so glücklich sah, hatte sie ihm keine Schwierigkeiten in den Weg legen wollen, sondern sich in Ermangelung eines anderen Kameraden, mit diesem hier begnügt.

In den vierzehn Tagen vor der Hochzeit hallten die Höfe von Belleville und La Villette von dem freudigen Rufe »Hüte, Hüte« wieder und endlich kam der große Tag.

In bürgerlichen Kreisen wählt man gewöhnlich einen Tag für die Civiltrauung und einen anderen für die kirchliche Feier, aber das Volk, welches keine Zeit zu verlieren hat, vereinigt alle diese Förmlichkeiten in einen Tag und wählt am liebsten den Sonnabend, um am Sonntag von der langen, ermüdenden Anstrengung ausruhen zu können. Unter den vielen Hochzeitsgesellschaften, die an diesem bedeutsamen Sonnabend den kleinen Hof zum Standesamt in Menilmontant durchschritten, war Belisar's die glänzendste, obwohl das übliche weiße Brautkleid fehlte, welches alle Frauen ans Fenster bannt und sämmtliche Müßiggänger stehen bleiben läßt.

Frau Weber trug als Wittwe ein indigoblaues Kleid von jener grellen Farbe, die alle soliden Menschen gern haben, ein geblümtes Umschlagetuch und eine reich mit Blumen und Bändern verzierte Haube, die über ihrem blühenden Auvergnatengesicht hin- und herschwankte. Sie ging neben Vater Belisar, einem kleinen, gelben Männchen mit einer Hackennase, Belisar folgte mit seiner Schwester, der Wittwe aus Nantes, die eben so tückisch und habgierig wie ihr Vater aussah. Was nun Belisar selbst anbetrifft, so hätten ihn seine Kunden kaum wiedererkannt, der Leidenszug um den Mund war verschwunden und mit stolz erhobenem Kopf schritt er in riesigen, blankgewichsten Stiefeln einher, die eigens für ihn gemacht und so groß waren, daß er wie ein Holländer mit Schlittschuhen aussah. Schadet nichts. Belisar litt wenigstens nicht mehr, sondern hatte das Gefühl, als seien ihm zwei ganz neue Füße bescheert worden. An der Hand führte er den kleinen Weber, dessen großer Kopf durch eine ganz auffallende Haartracht noch unförmiger erschien. Dann folgten der Kamerad, den man nur mit großer Mühe bewogen hatte, seinen Hammer und die Lederschürze für diesen Tag abzulegen, Frau Weber's Bäcker, sein Schwiegersohn, die Familie Levindré, Belisar's Brüder und Schwestern und endlich Jack, aber ohne seine Mutter, da Frau von Barancy zwar eingewilligt hatte, das Mahl durch ihre Gegenwart zu verherrlichen, sich aber nicht entschließen konnte, der Feier von Anfang an beizuwohnen.

Als nun alle Förmlichkeiten erledigt waren, setzte sich der Zug nach dem Vincenner Bahnhof in Bewegung, denn das Festmahl sollte in St. Mandé stattfinden. Als die Gesellschaft dort eintraf, stellte es sich heraus, daß ihr Zimmer noch besetzt war; es wurde also einstweilen ein Spaziergang um den See von Vincennes unternommen. Viele andere Hochzeitsgesellschaften hatten sich auf den weiten Rasenplätzen gelagert, sie lachten, sangen und führten ausgelassene Tänze auf. Die Männer hatten Damenhüte und die Damen Männerhüte aufgesetzt. Hinter dem Gebüsch wurde in Hemdsärmeln Blindekuh gespielt, Liebespaare umarmten sich, oder irgend eine Anstandsdame zupfte der Braut das weiße Kleid zurecht.

Der Krämer und seine Gäste wandelten traurig durch den Staub und das hochzeitliche Gewühl und knabberten in Erwartung der ersehnten Mahlzeit Kuchen und Bisquits. Zwar waren auch heitere Elemente vorhanden, aber bis jetzt dämpfte der Hunger jede Freude. Endlich verkündete ein Mitglied der Familie Belisar, daß man auf Vorposten geschickt hatte, daß alles bereit sei und die Gesellschaft schlug sofort den Weg zum Restaurant ein. –

Der Tisch war in einem durch bewegliche Wände abgeteilten Saal gedeckt, der mit blassen Farben, Vergoldungen und Spiegeln geschmückt war.

Man hörte deutlich, was in den benachbarten Zimmern vorging: Gelächter, Gläserklingen und ungeduldiges Rufen nach den Kellnern.

Angesichts des großen, gedeckten Tisches mit den beiden großen künstlichen Orangeblütensträußen, den wunderbaren Gerichten und dem grünen und rosafarbenen Zuckerwerk wurden die Gäste von heiligem Respekt ergriffen. Als Frau von Barancy aber immer noch nicht kam, setzte man sich endlich zu Tische. Der junge Ehemann wollte neben seiner Frau Platz nehmen, allein die Schwester aus Nantes erklärte, daß dies nicht Sitte sei, sie müßten einander gegenübersitzen. Dies geschah auch nach langem Hin- und Herstreiten, während dessen der alte Belisar seine neue Schwiegertochter in sehr unfreundlichem Tone fragte:

»Nun, wie haben Sie's mit Herrn Weber gemacht?«

Die Brotverkäuferin versetzte ruhig, daß sie sich auf dem Lande verheiratet und an ihrem Hochzeitstage sogar selbst mit bei Tische bedient habe.

Der Alte machte boshafte Bemerkungen darüber, augenscheinlich war Familie Belisar sehr unzufrieden, daß der Älteste, ihr gutmütigster Wohlthäter sich verheiratete, wenigstens war das glänzende Mittagsmahl nicht imstande, sie aufzuheitern.

Anfangs aß jedermann schweigend, einesteils infolge des wütenden Hungers, und dann, weil die bedienenden Kellner im schwarzen Leibrock die Gesellschaft einigermaßen einschüchterten.

Es war komisch, zu sehen, wie verächtlich sie auf die armen Leute herabblickten, die per Kopf hundert Sous bezahlten. Diese riesige Summe, die jeder mit Bewunderung wiederholte und dabei den freigebigen Belisar beneidete, flößte den Kellnern tiefe Verachtung ein, die sie einander durch Augenzwinkern mitzuteilen suchten.

Und nun denkt Euch die Verlegenheit der unglücklichen Gäste, als man ihnen zwei Suppenteller präsentierte: »Kraftsuppe oder Suppe à la Cressy?« und zwei Flaschen spanischen Wein: »Xeres oder Pacaret?« Wie sollten sie sich entscheiden? Jeder zögerte und wählte dann aufs Geratewohl. Übrigens that die Wahl nichts zur Sache, denn beide Teller enthielten dieselbe fade, süße Flüssigkeit, ebenso wie die beiden Flaschen dasselbe gelbe, trübe Getränk spendeten, das Jack an die Hagebuttenbrühe im Gymnasium Moronval erinnerte. Die Gäste warfen sich verlegene Blicke zu, paßten auf, wie ihre Nachbarn sich benahmen, welches der zahlreichen Gläser dem Kellner hingereicht werden mußte. Die junge Frau war die erste, die dieser Verlegenheit endlich ein Ende machte.

»Sei nicht schüchtern, mein Junge,« wandte sie sich zu ihrem Kinde, sondern iß von allem; es ist teuer genug, wir können uns eine Güte anthun.«

Dieser weise Ausspruch verfehlte seine Wirkung nicht, bald waren alle Kinnladen eifrig beschäftigt, und fröhliches Gelächter ertönte rings um den Tisch. Nur die Familie Belisar nahm nicht an der allgemeinen Freude teil. Die jungen Leute zischelten untereinander. Der Alte sprach mit schneidender Stimme und warf seinem Sohne spöttische Blicke zu, der ihn seinerseits mit sehr viel Hochachtung behandelte und »des Vaters Glas und Teller« der besonderen Obhut der jungen Frau empfahl.

Schon begann die Versammlung lebhafter zu werden, als ein Seidenkleid raschelte, und die Thür sich weit öffnete, um die strahlende, lächelnde Ida von Barancy einzulassen.

»Ich bitte um Verzeihung, Ihr guten Leute, aber mein Wagen kam nicht von der Stelle, ich glaubte, ich würde überhaupt nicht ankommen.«

Sie hatte vor Freude, sich einmal putzen zu können, ihr schönstes Kleid angelegt und brachte dadurch eine außerordentliche Wirkung hervor. Die Art und Weise, wie sie sich neben Belisar setzte, ihre Handschuhe in ein Glas legte und einen Kellner heranwinkte, um sich die Speisekarte geben zu lassen, erfüllte die Versammlung mit tiefer Bewunderung; man mußte sehen, wie sie mit den stolzen, hochmütigen Kellnern umging.

»Ihr seid aber garnicht recht vergnügt,« sagte Ida plötzlich, nachdem sie ihren Triumph lange genug genossen hatte. »Vorwärts, mein kleiner Bel, ein wenig Leben, Teufel auch! Halt, wartet einmal.«

Sie erhob sich und ergriff Glas und Teller.

»Ich bitte um die Erlaubnis, mit Frau Belisar zu wechseln. Ihr Gatte wird sich sicherlich nicht darüber beklagen.«

Sie machte diesen Vorschlag mit soviel Anmut und Herablassung, daß Belisar ganz entzückt war, der kleine Weber ein Freudengeheul ausstieß, als seine Mutter ihn vom Stuhle hob, die Befangenheit der Gäste nun gänzlich verschwand, und das Mahl nun zu einem richtigen Hochzeitsmahl wurde. Jeder aß, oder bildete sich wenigstens ein, zu essen. Die Kellner machten, ich weiß nicht wie oft, die Runde, bedienten zwanzig Personen mit einer einzigen Ente und einem einzigen Huhn, welches so geschickt zerlegt war, daß man sogar zum zweiten Mal davon nehmen konnte. Und die »Erbsen auf englische Art,« die wie ein Hagelschauer auf die Teller polterten, und die grünen Bohnen, die an einem Seitentischchen mit etwas Pfeffer, Salz und Butter zurecht gemacht wurden! Aber das Schönste war der Champagner. Außer Ida von Barancy, die in ihrem Leben schon sehr viel getrunken hatte, kannten alle diesen Zauberwein nur dem Namen nach. Endlich erschien der Kellner mit der silberköpfigen Flasche, und als die nervöse Ida, die keine Gelegenheit, ihre Anmut zu zeigen, vorübergehen ließ, die Hände erhob, um sich die Ohren zuzustopfen, da erwarteten auch die übrigen einen entsetzlichen Knall.

Aber es kam keiner. Der Pfropfen ging so leicht wie jeder andere heraus, und sogleich stürzte der Kellner mit hocherhobener Flasche rund um den Tisch und rief:

»Champagner, Champagner.«

Die Kelche füllten sich blitzschnell, die Flasche schien unerschöpflich zu sein. Sie enthielt Schaum genug für zwanzig Personen und einen prickelnden Bodensatz, den jeder ehrfurchtsvoll einschlürfte. Nun, der Zauber des bloßen Wortes »Champagner« ist so groß, jede Schaumpflocke enthält soviel französische Heiterkeit, daß nach seinem Erscheinen eine erstaunliche Fröhlichkeit sich der Tischgäste bemächtigte. Bei der Familie Belisar äußerte sich dieselbe als außerordentliche Habgierigkeit, sie stopften alles, was sie nur erreichen konnten: Orangen, Knallbonbons, Konfekt in die Taschen, um nur nichts für die Kellner übrig zu lassen. Dann wurde Frau Belisar unter Kichern und Gelächter ein Teller mit Bonbons überreicht, der mit dem bei diesen Gelegenheiten unvermeidlichen Wickelkind aus rosafarbenem und blauem Zucker geziert war. Leider war aber der kleine Weber schon vorhanden, und so war die brave Frau nicht imstande, an diesem üblichen derben Scherz Anstoß zu nehmen. Ja sie lachte sogar am herzlichsten darüber, während Belisar errötete.

Nun kam der Gesang an die Reihe. Der Kamerad erhob sich zuerst, die Hand aufs Herz gelegt und trug mit Gefühl eine volkstümliche Romanze von Achtundvierzig vor:

»Die Arbeit gefällt Gott wohl.«

Er kannte hundert derartige Lieder. Oh, Herr und Frau Belisar würden einen vortrefflichen Gesellschafter an ihm haben. Wie vergnügt würde man abends in der Rue des Panoyaux zusammen sein! Einstweilen mochten aber die Kellner die Übergriffe der Belisars gemerkt haben; denn im Handumdrehen war die Tafel abgedeckt. Das Mahl war zu Ende. Die Gäste sahen sich bestürzt an. Ringsum ertönte ein wahrer Höllenlärm. Man tanzte und sang, daß die Wände zitterten.

»Wie wäre es, wenn wir auch tanzten?«

Allerdings hatte Frau Belisar ihrem Manne jede Extraausgabe verboten, das hinderte aber den Krämer durchaus nicht, einen Augenblick zu verschwinden und fünf Minuten später in Begleitung eines Bierfiedlers wieder zu erscheinen, der es sich auf einer kleinen Estrade behaglich machte und die Violine zur Hand nahm, und nun konnte meinetwegen bis zum nächsten Morgen getanzt werden.

Die ganze Hochzeitsgesellschaft war außerordentlich heiter. Sogar in den Sälen nebenan horchte man auf:

»Wie vergnügt die sind.«

Vor der halbgeöffneten Thür sammelten sich die Zuschauer und nach und nach begannen sich Eindringlinge unter die Geladenen zu mischen, deren Zahl in beunruhigender Weise zunahm.

Jack hatte seiner Mutter schon längst Zeichen gegeben, die sie aber nicht verstehen wollte.

»Komm, es ist schon spät.«

Sie aber reichte dann dem ersten, besten den Arm:

»Gleich, warte noch ein wenig.«

Aber das Vergnügen artete mehr und mehr in wüste Ausgelassenheit aus, die ihm ihretwegen mißfiel. Endlich gelang es Jack, seiner Mutter habhaft zu werden, sie in Mantel und Kapuzze zu hüllen und mit ihr die letzte verspätete Droschke zu besteigen. Nun zögerten auch Belisars nicht länger, sich zurückzuziehen und ihre angeheiterten Gäste sich selbst zu überlassen. Doch gab es zu so früher Morgenstunde weder Eisenbahn noch Omnibus, und so mußten die Neuvermählten sich dazu verstehen, zu Fuß durch den Vincenner Wald zurückzukehren. Belisar hatte seiner Frau den einen Arm gereicht und trug auf dem anderen das schlafende Kind, das nicht einmal erwachte, als es in seine Korbwiege gelegt wurde, nachdem die Wohnung gegen sechs Uhr morgens erreicht war. Frau Belisar zog alsbald ihr indigoblaues Kleid aus und band ihre große Latzschürze vor. Für sie gab es keinen Sonntag. Das Brod ist an diesem Tage so notwendig wie an jedem anderen. Sie begann also wieder ihren Rundzug, und während Mann und Kind oben ruhig schliefen, rief die brave Frau ihr »Hier ist das Brot« vor den Thüren ihrer Kunden mit so mutiger Entschlossenheit, als wolle sie die Kosten der Hochzeit dadurch wieder einbringen.

Das junge Ehepaar bedurfte keiner langen Zeit, um sich von der Untauglichkeit des Kameraden zu überzeugen, der allmählich zu einer wahren Last wurde. Seines Zeichens war er Schlosser, aber kein Mensch hatte ihn jemals arbeiten sehen, trotzdem er sich nie ohne seinen Hammer und seine Lederschürze zeigte. Jeden Morgen schwenkte er beim Fortgehen diese seine Attribute mit den Worten:

»Ich will mir jetzt Arbeit suchen.«

Aber augenscheinlich fürchtete sich die Arbeit vor seinem wilden Aussehen, dem struppigen Bart und den rollenden Augen, denn sie lief dem Kameraden nie in den Weg, und dieser brachte den Tag damit zu, aus einer Schenke in die andere zu bummeln.

Belisar und seine Frau sahen dem anfangs geduldig zu, der Kamerad sang gar zu schön; als er aber niemals einen Sou Verdienst heimbrachte, während das Ehepaar sich von früh bis spät quälte, und als er noch dazu über einen sehr guten Appetit verfügte, da schlug Frau Belisar vor, ihm in aller Güte zu kündigen. Aber Belisar, den das Glück der Häuslichkeit und die neuen Stiefel noch mitleidiger gemacht hatten, bat seine Frau, sich zu gedulden.

Sie kamen also überein, dem Kameraden, wenn er taumelnd heimkehrte, nichts zu essen zu geben, und es war spaßhaft, zu sehen, wie der Trunkenbold, der an solchen Tagen noch hungriger zu sein schien, sich anstrengte, gerade zu gehen. Aber die Brotfrau besaß ein scharfes Auge und oft, wenn der Kamerad ihr schon seinen Teller hinhielt, fuhr sie auf ihn los:

»Schämt Ihr Euch nicht, in solchem Zustande zu Tische zu kommen? Vorwärts ins Stroh, aber rasch.«

Dann erhob sich der Kamerad, stotterte einige Worte der Entschuldigung und ging, sich in seinem Verschlag niederzulegen. Sobald er hinaus war, begann Belisar:

»Nun, gieb ihm doch ein wenig Suppe.«

Die Frau zögerte einen Augenblick, dann gab sie aber doch nach, und Belisar brachte dem Kameraden triumphierend die Suppe in seinen Stall. Er kehrte meistens ganz gerührt zurück:

»Er sagt, er trinkt nur aus Kummer darüber, daß er keine Arbeit finden kann und uns beständig auf der Tasche liegt.«

»Nun, wer hindert ihn denn, Arbeit zu finden?«

»Er sagt, man mißtraut ihm, weil er keine sauberen Kleider trägt« ...

»So? Ich habe aber keine Lust, ihm wieder aufzuhelfen. Wo ist denn der Rock, den Du ihm zur Hochzeit geschenkt hast? Warum hat er denn den verkauft?«

Dagegen gab es keine Einwendung. Dennoch thaten die braven Leute ein übriges, kauften für Ribarot einen Arbeitsanzug, und eines Morgens ging er wohlgekleidet, mit reiner Wäsche versehen ab und ließ sich acht Tage lang nicht sehen. Dann aber fand man ihn in seinem Verschlage schlafend und nur mit dem Notwendigsten bekleidet vor. Nur seinen Hammer und die Lederschürze schien er gerettet zu haben. Nach diesen traurigen Erfahrungen wartete man nur noch auf eine Gelegenheit, diesen Eindringling los zu werden, der statt einer Erleichterung nur eine unerträgliche Last für die Wirtschaft wurde. Sogar Belisar gab das zu und klagte oft Jack sein Leid, der seinen Kummer besser verstand, als jeder andere, denn auch er hatte sich einen lästigen Gefährten aufgebürdet, über den er sich nur nicht beklagen konnte, denn dazu liebte er ihn viel zu sehr.


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